Veronica-Rummel-Damian

Niemandsland –
4.4.82
Sonntag 19. 00
Veronica R
sehr, sehr froh war ich,– als
ich sie unerwartet wieder
fand, im Niemandsland –
wenige Tage vorher bin ich
ihr zum 1.Mal mit ihrer
kleinen Tochter auf dem Weg
zum Kinderarzt begegnet–
Durch den Strom in meinem
Kopf wächst ein Zopf mir
durch die Nase und am
Ende dieses Zopf`s sitzt ein
kleiner Hase
Veronica R. 7.4.82 Berlin
Urs Cordoba
Schau´ ich auf Zehenspitzen durch die
Glaswände der Kinderstation,
seh`ich den Tod, der die Kinder zeichnet, die
die seinigen sind, –
Fast liebevoll wählt er die Gräber,
versucht atmend zu wärmen die Erden,
entfernt Steine, bettet Gras, darauf sie liegen
werden, –
Im Forttragen spielt es –
das verlassene Puppenkind –
regenschwanger verdunkelt, in den Falten
des Windes –
Niemandsland –
Sonntag 19. 00
Veronica Rummel
4.4.82
Goltzstrasse Berlin
Es gelang,–
es gelingt mir nicht,–
ihre Hände zu zeichnen,–
die beim Sprechen
fortwährend tanzen,
am Kopf,
um ihren Körper, in dem
Raum zwischen ihr + ihrer
Freundin, mit der sie spricht,–
Die Halslinien trau ich mir
nicht einzufangen, über
diese Entfernung hinweg, die
Ohrlinien auch nicht.
Von 23 00 bis 24 00
Niemandsland Kellner –
wartend, wie bei Hunden und
Kindern immer von neuem
hoffend,
unterbrochene, aber sich
immer von neuem
wiederholende Bewegungen
zu einem Ganzen
zusammen fügen zu können,
zu Linien, obwohl sie sich
immer wieder verstecken,
hinter Menschen und
Tätigkeiten, er muß arbeiten,
sagte er, ab jetzt bis um 3 00
Uhr aber, wenn es mir helfen
würde sagte er, als ich ihn
fragte, obwohl er sich halt
immer bewegen müsse ........
URS
H.7.5.82
VR Veronika R
am Abend des vorletzten Tages
in H. Ki. Stat. 6 West
Ich habe diesen Mann nachts um 23 00
wartend an der Telefonzelle gefunden, ich
bat ihn, ob ich in zeichnen dürfe, bis das
Mädchen die Telefonzelle verliese, er sagte,
er sei krank und könne nicht lange warten, er
war wirklich spürbar schwach und krank und
ich wagte nicht ihn nochmals zu bitten,
obwohl es mir schwer fiel, er hatte solch
einen wunderbar dunklen, großen, schweren
Kopf.
6.4.82 Berlin
Goltzstrasse
Veronika R.
Heut´ ist der haarlose Junge, der Junge mit
dem ganz feinen Flaum auf dem Kopf von
dem die Leute sagen, er war schon immer
so, er hatte nie Haare, sekundenhaft auf
seinem Rad an mir vorbeigeflogen, weniger
als Sekunden hatten wir Kontakt ohne uns zu
berühren, aber wenn es wirklich so war, dass
er das Tempo seines Rades um ein winziges
bisschen verringerte, als er mich erkannte
und ich zu sprechen anfangen wollte,
ansetzte, versuchte, flog er fliehend. Um so
schneller, als drei jugendliche Männer zu uns
stießen, "jo" sagte der eine:" is ja unverschämt,
wie der rumläuft, ohne Haare, soll verboten
werden".
Niemandsland 24 00 Uhr
6.4.82
VR Berlin
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