AUGUST/SEPTEMBER
BerlinValley-August-September-2016
BerlinValley-August-September-2016
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INVESTOREN<br />
INVESTOREN<br />
Im Gespräch mit Jan Thomas von Berlin Valley: Florian Heinemann (l.) und Uwe Horstmann<br />
wickler einzustellen und mit denen gemeinsam<br />
das Data-Warehouse-System entwickelt. Dieses<br />
System steuert das gesamte Content-Management<br />
und die Kundeninteraktion. Mit der Zeit hat sich<br />
unser Team immer weiter rausgenommen und heute<br />
hat Catawiki ein eigenes Team von zehn Data-<br />
Warehouse-Entwicklern. Insgesamt wurde alles<br />
nach einem Jahr komplett an das Startup übergeben.<br />
Im Vergleich dazu haben wir bei Pets Deli<br />
relativ früh investiert und dann unter anderem den<br />
Shop neu gebaut. Unser Team hat sich in den Bereichen<br />
IT, Data-Warehouse und Marketing eingebracht<br />
und dann – wie bei Catawiki – geholfen,<br />
neue Leute für diese Bereiche einzustellen. Wir<br />
setzen uns mit den Ventures zusammen und klären<br />
gemeinsam, wie die Zielorganisation aussehen soll<br />
und versuchen das möglichst schnell aufzubauen.<br />
Also kein echter Standardprozess?<br />
FLORIAN: Teils, teils. Die meisten Unternehmer,<br />
die zu uns kommen, haben schon Gründungserfahrung.<br />
Die ersten operativen Workshops machen wir<br />
bereits, wenn wir das Investment vorbereiten. Unsere<br />
Teams sitzen dann mit dem jeweiligen Startup<br />
zusammen, und aus den Gesprächen ergibt sich,<br />
welche Punkte auf unserer ‚Menükarte‘ für das Unternehmen<br />
sinnvoll sind. Letztlich entscheidet aber<br />
immer das Management der Firma, ob sie unsere<br />
Unterstützung wollen. Sie ist keine Bedingung für<br />
das Investment. Später gibt es eine Art Key Accounter<br />
auf Partnerebene, also Uwe, Christian, Thies oder<br />
ich. Im ersten Jahr gibt es eine sehr intensive Phase<br />
der Zusammenarbeit, auch mit unserem Head of BI<br />
oder Head of Marketing. In diesem Zusammenspiel<br />
erkennst du eine Reihe von Mustern. Du siehst, was<br />
bei einem Startup funktioniert und versuchst, das auf<br />
andere Themen zu übertragen.<br />
So ein Apparat ist sicher sehr teuer.<br />
Refinanziert sich Euer Modell?<br />
UWE: Einen relevanten Teil der Kosten tragen wir<br />
selbst. Das heißt, wir machen im Prinzip jedes Jahr<br />
Verlust. Damit wir solvent bleiben, reinvestieren wir<br />
die Management-Fee in den Apparat. Eigentlich sind<br />
wir Partner wie Angestellte und verdienen aktuell nur<br />
unser Gehalt. Das ist nicht kompatibel mit der Mentalität:<br />
‚Ich mache mir als Partner auf Basis der Management-Fee<br />
die Taschen voll, obwohl ich eigentlich noch<br />
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nichts getan habe.‘ Bisher scheint es gut zu funktionieren,<br />
unsere Performance nach Kosten ist sehr gut.<br />
Wir investieren selbst viel in den Fonds, und das wird<br />
sich bezahlt machen. Für uns gibt es ein Commitment,<br />
dass wir hier mindestens zehn Jahre arbeiten. Dieser<br />
Vertrag ist gerade unterschrieben.<br />
Ihr seid vier Partner. Wie funktioniert die<br />
Zusammenarbeit?<br />
UWE: Flo und ich arbeiten seit neun Jahren zusammen.<br />
Wir kennen die Stärken und Schwächen des<br />
anderen. Andere Fonds sind fast franchiseartig in<br />
Silos organisiert. Wir funktionieren eher wie ein<br />
Jenga-Turm: Alles greift ineinander. Ich kümmere<br />
mich um neue Deals, Florian gibt Marketing-Input,<br />
Thies macht Funding/Financing und Christian kümmert<br />
sich um IT- und HR-Themen. Wir brauchen uns<br />
gegenseitig sehr stark.<br />
„EIN<br />
GRÜNDERTEAM<br />
AUSZUWECHSELN,<br />
IST IMMER BLÖD“<br />
Warum habt Ihr Euch für dieses Mischmodell<br />
aus VC und Company Builder entschieden?<br />
FLORIAN: Das ist für mich eine sehr persönliche<br />
Entscheidung. Ich glaube, dass ich besser darin<br />
bin, an der Seitenlinie zu stehen und Leute zu beraten<br />
als selbst zu spielen. Ich bin ein vernünftiger<br />
Unternehmer, aber nicht herausragend in der Umsetzung.<br />
Dafür reizt es mich, von außen auf ein<br />
Unternehmen zu schauen und Punkte zu identifizieren,<br />
an denen wir ansetzen können.<br />
Von Euch gibt es Ausgründungen wie Loopline<br />
Systems oder Spryker. Ist das nicht<br />
streng genommen Company Building?<br />
UWE: Manchmal haben wir Unternehmer, die sagen:<br />
‚Ich hab hier ein gutes Thema. Wollen wir das<br />
nicht zusammen anschieben?‘ Das ist tatsächlich<br />
eher Co-Founding als Inkubation. Bei Spryker war<br />
unser eigener CTO Teil des Teams, das das Projekt<br />
umsetzen wollte. Loopline haben wir als internes<br />
Tool gebaut und unsere Head of HR fand das so<br />
cool, dass sie das weiter ausbauen wollte. Also<br />
haben wir das umgesetzt. Wahrscheinlich finden<br />
sich viele Argumente dafür, dass es Schwachsinn<br />
ist, unsere Wettbewerbsvorteile quasi auszugründen.<br />
Aber sei’s drum. Es steckt Potenzial in den<br />
Ideen und wären wir darauf angewiesen, dass wir<br />
diese ‚Secret Source‘ haben, läge das Problem<br />
tiefer. Wir teilen das gerne. Im Bereich Business<br />
Intelligence denken wir sogar darüber nach, Teile<br />
unseres geistigen Eigentums Open Source zur Verfügung<br />
zu stellen. Spryker hat kürzlich auch einen<br />
Teil seines Quellcodes veröffentlicht. So könnten<br />
auch Leute, die nichts mit Project A zu tun haben,<br />
eine Inhouse-Business-Intelligence aufbauen. Das<br />
Ökosystem könnte auf jeden Fall davon profitieren.<br />
Also reines Gutmenschentum?<br />
UWE: Wir hoffen, dass das auf unsere Außenwahrnehmung<br />
einzahlt. Vielleicht hat der eine oder<br />
andere dann noch mehr Lust, mit uns zusammenzuarbeiten.<br />
Außerdem werden wir besser, wenn<br />
wir Feedback von außen bekommen. Und wir profitieren<br />
davon, wenn das Ökosystem wächst. Wir<br />
haben ja kein Interesse daran, das Business-Intelligence-Know-how<br />
in der Startup-Szene gering zu<br />
halten, damit wir selbst stärker hervorstechen. Wir<br />
lernen viel eher vom Austausch mit klugen Köpfen<br />
und je mehr Austausch es gibt, desto besser.<br />
Auf welche Themen fokussiert Ihr Euch?<br />
UWE: Wir kommen aus dem transaktionalen<br />
B2C-Bereich, wo es viele Marktplätze und viel<br />
E-Commerce gibt. Das bleiben auch wichtige Themen<br />
für uns. Aber wir haben uns gefragt, wo die<br />
Schaufeln für diesen Goldrausch hergestellt werden.<br />
Für uns ist das der B2B-Bereich. Das Thema<br />
haben wir dann mit Software-as-a-Service-Unternehmen<br />
in unser Portfolio aufgenommen. Seit ein<br />
paar Monaten tauchen wir auch in das Thema<br />
Digital Health ein, weil wir das spannend finden.<br />
Das ist ein Bereich, in dem wir noch mehr operativen<br />
Mehrwert liefern können als beispielsweise im<br />
E-Commerce. In dem Bereich haben wir mit Junomedical<br />
bereits ein erstes Investment und es sind<br />
zwei weitere in der Pipeline.<br />
Fotos: Saskia Uppenkamp<br />
Wie läuft der interne Entscheidungsprozess?<br />
UWE: Wir investieren nur, wenn einer von uns richtig<br />
für ein Thema brennt. Dann sind die anderen meist<br />
bereit mitzuziehen. Ich wollte beispielsweise Catawiki<br />
unbedingt machen. Das war keine einfache Diskussion,<br />
und das ist auch richtig so. Wir haben uns viele<br />
Gedanken gemacht, auch weil wir die Anforderungen<br />
der Gründer erfüllen wollten. Im Nachhinein war<br />
es gut, dass wir uns dafür entschieden haben.<br />
Woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem<br />
Venture die Reißleine ziehen müsst?<br />
FLORIAN: Wir hatten sechs Ventures, die wir als<br />
Abschreibung zählen. Wenn wir merken, dass wir<br />
eine bestimmte Funktionsfähigkeit nicht herstellen<br />
können, ziehen wir die Reißleine. Wir fragen uns bei<br />
jedem Geschäftsmodell vorher, woran man glauben<br />
muss, um davon auszugehen, dass es funktioniert.<br />
Wenn diese Hypothesen plausibel sind, glauben wir<br />
sie so lange, bis sie aktiv widerlegt sind.<br />
UWE: Dieser Baum der Hypothesen, die dem<br />
Modell zugrunde liegen, ist ein sehr guter Check.<br />
Wir stellen ihn vor jedem Investment auf, aber Du<br />
kannst ihn eigentlich immer wieder anschauen,<br />
wenn sich etwas verändert. Wenn wir an eine der<br />
Hypothesen nicht mehr glauben können, müssen<br />
wir umdenken.<br />
Welche Hypothesen sind dabei wichtig?<br />
UWE: Es gibt zwei wichtige Hypothesen. Erstens:<br />
Ist das Team in der Lage, das Business umzusetzen?<br />
Zweitens: Ist Project A in der Lage, einen positiven<br />
Impact zu leisten? Wenn wir beide Fragen noch mit<br />
Ja beantworten, machen wir grundsätzlich weiter.<br />
Wie seht Ihr, wann Ihr eingreifen müsst?<br />
FLORIAN: Wir müssen erkennen, ob der Kompass<br />
noch richtig läuft. Wenn ein Gründer systematisch<br />
schlechte Entscheidungen trifft, ist das problematisch.<br />
Häufig passiert es auch, dass jemand nicht<br />
in der Lage ist, mit der Organisation zu wachsen:<br />
Marktplätze, E-Commerce und transaktionale Geschäftsmodelle<br />
Quelle: Project A Ventures<br />
DAS PORTFOLIO VON PROJECT A VENTURES<br />
Alle Beteiligungen des Frühphaseninvestors<br />
Exits<br />
das Team aufzubauen, die Leute zu halten und zu<br />
motivieren. Manchmal fehlt es dazu an der emotionalen<br />
Intelligenz, und die ist schwer zu trainieren.<br />
Wir beobachten das sehr genau, aber jemanden<br />
auszutauschen, bleibt für uns die Ultima Ratio. Das<br />
machen wir sehr ungern.<br />
Könnte es den Fall geben, dass Ihr das<br />
Gründerteam bittet zu gehen, so wie das<br />
bei Movinga geschehen ist? Oder würdet<br />
ihr das Unternehmen dann eher schließen?<br />
UWE: Zuerst stellt sich die Frage, ob die Hypothese<br />
richtig ist und ob wir mit dem richtigen Business-Modell<br />
unterwegs sind. Das Team ist dabei<br />
ein wichtiger Punkt. Also muss man sich auch fragen,<br />
ob es mit diesem Team weitergehen kann.<br />
Wenn das ganze Team wegbricht, ist es schwierig.<br />
Wenn einer der Gründer wegbricht, kann man unter<br />
Umständen einen Ersatz finden.<br />
FLORIAN: Es ist ein Missverständnis, dass wir –<br />
oder auch Rocket – gerne Leute aus unseren Teams<br />
schmeißen. Ein Gründerteam auszuwechseln ist immer<br />
blöd, selbst wenn das rechtlich möglich ist und<br />
man die Anteile einziehen kann. Man muss dann<br />
einen adäquaten Ersatz finden. Das bringt Unruhe<br />
in die Organisation und verunsichert auch neue Investoren.<br />
Ich kenne keinen Investor, der gerne Leute<br />
rausschmeißt. In der Regel zerstört das auch erst<br />
einmal viel Wert und Vertrauen. Für uns ist es der<br />
Gründer, der sein Unternehmen treibt. Und bis zu einem<br />
gewissen Punkt tragen wir auch Entscheidungen<br />
mit, die wir nicht für richtig halten, solange diese<br />
Entscheidungen systematisch gefällt werden. Wir haben<br />
einen Zeithorizont von acht bis zwölf Jahren im<br />
Blick, und langfristig ist es wichtig, dass die Gründer<br />
die Ownership für ihr Unternehmen behalten. Das<br />
wird nichts, wenn wir ihnen ständig sagen, was sie<br />
zu tun haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass<br />
die Leute selbst kündigen, wenn man ihnen zu oft die<br />
Verantwortung entzieht. Das ist langfristig schlimmer<br />
als ein paar Fehlentscheidungen.<br />
Digitale Infrastrukturlösungen und Enabling Technologies<br />
FLORIAN HEINEMANN, UWE HORSTMANN<br />
Bevor Florian Heinemann und Uwe Horstmann<br />
2012 Project A Ventures mitgründeten,<br />
waren beide Geschäftsführer bei Rocket<br />
Internet. Jeder von ihnen hat zahlreiche<br />
Startups (mit-)gegründet, zudem sind beide<br />
Investoren und Business Angels. Ihre Ausbildung<br />
absolvierten sie unter anderem an der<br />
WHU in Vallendar.<br />
Was haltet Ihr vom Blue-Yard-Ansatz? Dort<br />
scheint die wichtigste Frage zu sein: Was<br />
wäre, wenn das wirklich funktioniert? Businesspläne<br />
sind da erstmal nebensächlich.<br />
UWE: Ich glaube, Ciarán O’Leary tut dem Ökosystem<br />
durch seine Herangehensweise sehr viel Gutes.<br />
Zeitgleich ist es ein Zeichen der Reife des<br />
Ökosystems, wenn groß gedacht werden kann. Die<br />
zunehmende Kapitalbereitstellung versetzt erst in<br />
die Lage, dass wir auch hierzulande die großen<br />
Denker haben, die sich für Deutschland oder Europa<br />
entscheiden, und nicht in die USA gehen.<br />
Gerade starten immer mehr VCs, unter anderem<br />
von erfolgreichen Unternehmern gegründet.<br />
Professionalisiert sich der Markt?<br />
FLORIAN: Ja, und zwar sowohl auf der VC- als<br />
auch auf der Unternehmerseite. Es gibt immer<br />
mehr Serial Entrepreneurs. Es gibt Leute, die bei<br />
sehr guten Startups gearbeitet haben und dann<br />
Unternehmer werden. Qualität und Quantität der<br />
investierbaren Gelegenheiten nehmen tendenziell<br />
zu. Ob schnell genug ausreichend Geld verfügbar<br />
sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber der<br />
Wettbewerb um die guten – oder vermeintlich guten<br />
– Deals wird weiter zunehmen. Als VC müssen<br />
wir uns auf einen Markt einstellen, auf dem wir<br />
informiertere Unternehmer treffen, die noch besser<br />
und bewusster entscheiden als heute. Die heißen<br />
Deals können sich aussuchen, wer bei ihnen investiert,<br />
so wie das im Silicon Valley auch der Fall<br />
ist. Wir müssen uns wie fast alle deutschen VCs<br />
im internationalen Wettbewerb fragen, warum die<br />
guten Leute ihr Geld von uns nehmen sollten. Von<br />
unseren Unternehmern fordern wir ja auch, dass<br />
sie ihre USPs benennen können und sich klar am<br />
Markt positionieren. Viele Investoren haben hier<br />
Nachholbedarf und sind nicht klar positioniert. Es<br />
gibt eine Reihe älterer VCs, die vermutlich nur deshalb<br />
einen guten Dealflow haben, weil sie früh da<br />
waren und Geld hatten. Das wird sich verändern.<br />
Unsere Aufgabe als operativer VC wird sein, unser<br />
Serviceangebot so gut und so attraktiv zu gestalten,<br />
dass wir gute Antworten auf die Frage ‚Warum wir?‘<br />
geben können. Die größte Herausforderung ist es,<br />
immer an den aktuellen Themen dranzubleiben, unsere<br />
Experten und das Serviceangebot up to date zu<br />
halten. Wenn wir das gut machen, habe ich wenig<br />
Sorgen, dass unsere Positionierung glaubwürdig und<br />
werthaltig ist. Die Kernherausforderung ist: Schaffen<br />
wir es, für die Topexperten in den jeweiligen<br />
Bereichen eine gute Heimat zu bieten?<br />
Das Gespräch führte Jan Thomas.<br />
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