Interview mit der Fotografin Julia Kran zu ihrer Fotografieausstellung "SchönerHeit – Das Hohelied der Liebe in Bildern"
erschienen in der Nordsee-Zeitung am 24. August 2016
erschienen in der Nordsee-Zeitung am 24. August 2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Das</strong> <strong>Interview</strong>: <strong>Fotograf<strong>in</strong></strong> <strong>Julia</strong> Krahn über ihr Projekt „<strong>SchönerHeit</strong>“<br />
<br />
<br />
<br />
„Schön ist alles, was<br />
unser Herz berührt“<br />
Sie s<strong>in</strong>d schön. Sehr schön sogar. Die zwölf<br />
Bewohner e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tene<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong><br />
Hannover f<strong>in</strong>den das sogar selbst, nachdem<br />
sie sich vor die Kamera <strong>der</strong> Künstler<strong>in</strong> <strong>Julia</strong><br />
Krahn gewagt haben. Und die Besucher, die<br />
die Ausstellung „<strong>SchönerHeit</strong>“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pauluskirche<br />
<strong>in</strong> Bremerhaven sehen, können<br />
sich diesem Urteil nur anschließen. In e<strong>in</strong>drucksvollen<br />
Bil<strong>der</strong>n <strong>in</strong>szenieren die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />
<strong>zu</strong>sammen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Fotograf<strong>in</strong></strong> das<br />
„<strong>Hohelied</strong> Salomons“. Der Text aus <strong>der</strong> Bibel<br />
sei für sie Inspiration gewesen, verrät<br />
<strong>Julia</strong> Krahn im Gespräch <strong>mit</strong> Anne Stürzer.<br />
Haben Sie vor Ihrem Projekt Menschen <strong>mit</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />
an<strong>der</strong>s wahrgenommen? Ne<strong>in</strong>.<br />
Bei <strong>der</strong> Ausstellung geht es nicht um beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />
Menschen, son<strong>der</strong>n um Menschen und<br />
um die Welt an sich. Vor allem auch um uns<br />
selbst. <strong>Das</strong> Schwierigste ist doch, sich selbst<br />
als schön wahr<strong>zu</strong>nehmen.<br />
Wie ist die Idee <strong>zu</strong>r Ausstellung „<strong>SchönerHeit</strong>“<br />
entstanden? In me<strong>in</strong>er Arbeit konzentriere<br />
ich mich auf das, was übrig bleibt, wenn Masken<br />
abgelegt werden. Me<strong>in</strong>e zwölf Darsteller<br />
mussten ke<strong>in</strong>e Masken ablegen. Im Gegensatz<br />
<strong>zu</strong> den meisten Menschen ohne sichtliche Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
trugen sie ihre Schwächen sowie<br />
Stärken auf dem Körper gezeichnet. Und was<br />
strahlt e<strong>in</strong> Mensch ohne Maske aus? Schönheit.<br />
Wie haben Sie die Bewohner des Anna-Stiftes<br />
<strong>in</strong> die Arbeit e<strong>in</strong>gebunden? Es gab verschiedene<br />
Treffen <strong>zu</strong>r Vorbereitung. Beim Shoot<strong>in</strong>g<br />
nahmen wir uns viel Zeit, e<strong>in</strong>en halben Tag<br />
pro Person. Geme<strong>in</strong>sam haben wir Requisiten<br />
ausgesucht, uns für e<strong>in</strong>e Bemalung und bestimmte<br />
Positionen entschieden.<br />
»Ich habe den Menschen <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt gestellt.«<br />
<strong>Julia</strong> Krahn, Künstler<strong>in</strong><br />
Foto Krahn<br />
Lukas <strong>mit</strong> dem Lockenkopf sieht den Betrachter direkt an. Er wirkt verletzlich und selbstbewusst <strong>zu</strong>gleich.<br />
Zusammen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Fotograf<strong>in</strong></strong> <strong>Julia</strong> Krahn hat <strong>der</strong> Bewohner <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tene<strong>in</strong>richtung die<br />
Szene entwickelt, die nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schau <strong>in</strong> Bremerhaven <strong>zu</strong> sehen ist.<br />
Foto Krahn/schoenerheit<br />
Haben Sie die wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Theateraufführung<br />
wirkenden, sehr symbolisch aufgeladenen Szenen<br />
vorher geprobt? Ne<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong>e Arbeit entsteht<br />
aus dem geme<strong>in</strong>samen Erleben und Suchen<br />
nach dem Bild des Selbst. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> direkten<br />
Konzentration <strong>mit</strong> und auf den Menschen<br />
kann es tatsächlich Form annehmen. In<br />
dem „Augenblick“ <strong>der</strong> Kreation könnte man<br />
die Augen schließen, denn wenn e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen dem Unantastbaren und <strong>der</strong><br />
Form entstehen soll, dann kann dies nur geschehen,<br />
weil man <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Seele sieht.<br />
Welche Bedeutung kommt den biblischen <strong>Liebe</strong>slie<strong>der</strong>n,<br />
dem „<strong>Hohelied</strong> Salomons“, bei <strong>der</strong><br />
Inszenierung <strong>zu</strong>? Inspiration. So wun<strong>der</strong>bare<br />
<strong>Liebe</strong>sgedichte f<strong>in</strong>det man selten, und da fühlte<br />
ich mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Theorie bestätigt, dass<br />
Gott o<strong>der</strong> Allah o<strong>der</strong> Buddha für nichts an<strong>der</strong>es<br />
als <strong>Liebe</strong> steht.<br />
Was bedeutet Nacktheit für Sie? Durchsichtigkeit.<br />
Klarheit. Ehrlichkeit. Offenheit.<br />
Auf den ersten Blick ist auf vielen Fotos ke<strong>in</strong>e<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>zu</strong> erkennen. Warum? <strong>Das</strong> ist Ihre<br />
persönliche Wahrnehmung. Vielleicht weil<br />
Sie nach an<strong>der</strong>em gesucht haben. Man kann<br />
nur erkennen, wonach man sucht. Warum<br />
sollten Sie auch die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung auf den ersten<br />
Blick erkennen? Die Beteiligten haben<br />
doch viel mehr von sich preisgegeben als ihre<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen: sich selbst. Sie sehen also<br />
den Menschen, suchen ihn und vielleicht erkennen<br />
Sie ihn. So rückt die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong><br />
den H<strong>in</strong>tergrund. Ich habe ke<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
versteckt, son<strong>der</strong>n den Menschen <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt gestellt.<br />
Wie würden Sie Schönheit def<strong>in</strong>ieren? „<strong>Liebe</strong><br />
im Sehen“. Schön ist, was unser Herz berührt.<br />
O<strong>der</strong> eben ganz e<strong>in</strong>fach nach dem <strong>Hohelied</strong>:<br />
Schönheit ist „Sehen <strong>mit</strong> den Augen <strong>der</strong> Turteltaube“.<br />
Wie kamen Sie auf den Titel „<strong>SchönerHeit</strong>“?<br />
Ich möchte Schönheitsideale h<strong>in</strong>terfragen<br />
und e<strong>in</strong>laden <strong>mit</strong> dem Herzen und <strong>der</strong> Seele<br />
<strong>zu</strong> schauen. „<strong>SchönerHeit</strong>“ kl<strong>in</strong>gt <strong>zu</strong>erst, wie<br />
e<strong>in</strong> Rechtschreibfehler <strong>–</strong> so wie me<strong>in</strong>e Darsteller<br />
für e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong> Fehler <strong>der</strong> Natur <strong>zu</strong> se<strong>in</strong><br />
sche<strong>in</strong>en. Doch dah<strong>in</strong>ter verbirgt sich etwas<br />
Größeres, etwas, das schöner ist. Und dies ist<br />
<strong>der</strong> Mensch, das E<strong>in</strong>zigartige im Se<strong>in</strong>.<br />
Was haben Sie aus dem Projekt gelernt? Die<br />
Gewissheit, dass die Suche nach dem Selbst<br />
auch <strong>mit</strong> mir unbekannten Menschen möglich<br />
ist. Vorher arbeitete ich immer alle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>timem Kreis. <strong>Das</strong> hat me<strong>in</strong>e Arbeit auf e<strong>in</strong>en<br />
neuen Weg gebracht und bereichert.<br />
Woran arbeiten Sie <strong>zu</strong>rzeit? An diversen Projekten.<br />
<strong>Das</strong> jüngste nennt sich „Needs“, das<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Reihe von Videos, die sich <strong>mit</strong> dem<br />
Bedürfnis nach <strong>Liebe</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Im<br />
Vor<strong>der</strong>grund stehen diesmal körperliche Bedürfnisse<br />
nach Berührung, Sexualität, aber<br />
auch die Sehnsucht nach Freundschaft, Partnerschaft<br />
und Familie.<br />
Auf e<strong>in</strong>en Blick<br />
› Was: „<strong>SchönerHeit</strong>“, Ausstellung von <strong>Julia</strong> Krahn<br />
› Wann: Vom 28. August bis 22. September<br />
› Wo: Kulturkirche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pauluskirche, Hafenstraße<br />
124 <strong>in</strong> Bremerhaven<br />
› Internet: www.schoenerheit.com