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Sept | Okt 2016<br />
Wahl der Waffen<br />
Samstag<br />
3. September<br />
21 Uhr<br />
Frz. OmdU<br />
Sonntag<br />
4. September<br />
19 Uhr<br />
Frz. OmdU<br />
16<br />
Coup de torchon (Der Saustall) (1981)<br />
Regie: Bertrand Tavernier; Drehbuch: Tavernier, Jean Aurenche nach Pop. 1280<br />
von Jim Thompson; Kamera: Pierre-William Glenn; Musik: Philippe Sarde;<br />
Darsteller: Philippe Noiret, Isabelle Huppert, Stéphane Audran, Jean-Pierre<br />
Marielle, Eddy Mitchell, Guy Marchand. 35mm, Farbe, 128 min<br />
Knapp vor dem Zweiten Weltkrieg in einem westafrikanischen Kaff<br />
unter französischer Herrschaft: Polizist Lucien (Philippe Noiret) hat<br />
es sich mit träger Seelenruhe im rassistisch-korrupten Kolonialsumpf<br />
bequem gemacht, auch wenn er das Gespött der Leute<br />
ist. Seine Frau geht mit ihrem angeblichen Bruder fremd, von den<br />
örtlichen Gangstern und Zuhältern lässt sich Lucien gemütlich<br />
bestechen und von den Kollegen widerstandslos demütigen. Bis<br />
er eines Tages eine höhnische Aufforderung beim Wort nimmt –<br />
und den Saustall ausmistet. Mit derselben Seelenruhe wie zuvor<br />
schreitet er zum blutigen Rachefeldzug, weiterhin umschmeichelt<br />
von fröhlicher Musik, schwerelosen Steadicam-Fahrten und hundsgemeinem<br />
Dialogwitz. Bertrand Taverniers kühne Transposition von<br />
Jim Thompsons Texas-Krimi in die Kolonialvergangenheit ist ein<br />
satirischer Geniestreich: Während in der französischen Gegenwart<br />
(und den Polars der Ära) der Rassismus wieder aufflackert, zerrt<br />
Tavernier die Wurzeln ans Tageslicht. (C. H.)<br />
À bout de souffle (Außer Atem) (1960)<br />
Regie, Drehbuch: Jean-Luc Godard nach einer Erzählung von François Truffaut;<br />
Kamera: Raoul Coutard; Musik: Martial Solal; Darsteller: Jean-Paul Belmondo,<br />
Jean Seberg, Daniel Boulanger, Jean-Pierre Melville, Jean Douchet, André S.<br />
Labarthe. 35mm, s/w, 89 min<br />
Quelle explosion! Der Enthusiasmus im Angesicht von Godards<br />
erstem Spielfilm ist einhellig. „Ich betrachte À bout de souffle als ein<br />
Wunder“, wie Jean Cocteau zu sagen weiß. Claude Sautet, Regiekollege:<br />
„Ein Narr, wer die Bedeutung dieses einzigartigen Films<br />
leugnet!“ Obgleich die Elemente von À bout de souffle auf bereits<br />
Ge sehenes zurückgreifen (auf Jean-Pierre Melvilles Gangsterfilme,<br />
das Tempo von B-Pictures, den Kamera-Verismus der New Yorker<br />
Schule), erweckt ihre Kombination im Betrachter das Gefühl, der<br />
Geburt einer neuen, atemberaubend spontanen Art des Kinos beizuwohnen.<br />
Ein Film, der in jedem Augenblick erfunden und zugleich<br />
gefunden erscheint: auf demonstrativ bewusste Weise gemacht,<br />
aufs Nonchalanteste improvisiert. Eine Doppelqualität, die heute so<br />
provokant anmutet wie 1960. Außer Atem: Sturmlauf eines Gangs -<br />
ters in den Tod, Sturmlauf des Kinos in ein neues Leben. (H. T.)