HEINZ Magazin Essen 10-2016
HEINZ Magazin Oktober 2016, Ausgabe für Essen
HEINZ Magazin Oktober 2016, Ausgabe für Essen
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CAFÉ SCHNURRKE © ONLINE DIALOG<br />
Röstfrischer Kaffee bildet die Basis des Schaffens der Coffee Pirates mitten in <strong>Essen</strong>-Rüttenscheid<br />
(Foto: KNSY Photographie)<br />
Schnurrende Katzen und<br />
Kaffeemaschinen<br />
Für Katzenfans gehört die Gesellschaft flauschiger Vierbeiner zum<br />
gemütlichen Heißgetränk eigentlich obligatorisch dazu. Doch nicht<br />
jeder kann, darf oder möchte sich einen Stubentiger halten. Wer<br />
bei Kaffee und Kuchen dennoch ein paar Streicheleinheiten zu<br />
vergeben hat, dürfte sich über einen Trend freuen, der langsam<br />
von Asien zu uns herüberschwappt: das Katzencafé. Dort ist der<br />
Name Programm, denn die Räumlichkeiten bieten neben einer<br />
Möglichkeit zum Verweilen auch den tierischen Kollegen ein Zuhause.<br />
Und das bietet alles, was Katzen mögen: weiche Sofas,<br />
spannende Klettermöglichkeiten und ausreichend Rückzugsmöglichkeiten.<br />
Zudem stehen bei den Betreibern natürlich Hygiene,<br />
die üblichen Impfungen und Tierarztbesuche ganz oben auf der<br />
Agenda. Auch sollten Besucher die Einrichtung nicht mit einem<br />
Streichelzoo verwechseln; die Katzen sind Bewohner, nicht Inventar<br />
des Cafés. Gleichzeitig gibt’s auch für die Miezen eine „Hausordnung“:<br />
Küche und Theke sind tabu; ein Raum zwischen Haupteingangs-<br />
und Café-Tür verhindert, dass die neugierigen Tiere auf<br />
die Straße laufen. Und wo wartet<br />
das nächste Katzen-Café auf Besuch?<br />
Leider noch nicht im Revier.<br />
In der Kölner Ritterstraße 27 aber<br />
hat sich das „Café Schnurrke“ etabliert<br />
(www.cafeschnurrke.de) und<br />
auch im Aachener „Milou“ (Alexanderstraße<br />
55, www.katzencafeaachen.de)<br />
kommen Katzen- und<br />
Kaffee-Liebhaber auf ihre Kosten.<br />
Simon Hass präsentiert in seiner neuen Café-Rösterei Baristoteles im Kubus der Situation Kunst auch seine<br />
Privatsammlung außergewöhnlicher Kaffeemaschinen unterschiedlicher Epochen (Foto: Philip Christmann)<br />
Gefiltertes Wissen<br />
Milchgeschwängert und ratzifatzifertig war einmal. Guter Kaffee will<br />
Weile haben und kommt nie und nimmer aus der Thermoskannenwarmhaltehölle.<br />
Was macht die neue Kaffeekochkunst aus? Der Third Wave<br />
Coffee-Bewegung und dem Slow Food-Gedanken war <strong>HEINZ</strong>-Autorin<br />
Julia Sandforth auf der Spur. Wo tummeln sich hier Third Waver? Wo wird<br />
der kleinen Bohne hoheitlich begegnet?<br />
<strong>Essen</strong>-Rüttenscheid. Es macht „Plopp“. Durch ein Plexiglas-Glas-Konstrukt<br />
tropft der Kaffee wie in Zeitlupe. Das ist so meditativ, wie in ein<br />
Aquarium zu blicken. Oben Glas, unten Glas und in der Mitte Filter und<br />
Mini-Hahn. Das muss die Wiederentdeckung der Langsamkeit sein. „Oder<br />
einfach nur eine Kaltextraktion“, löst Patrick Schiller auf. Er ist Inhaber der<br />
Coffee Pirates auf der <strong>Essen</strong>er Rü. Er betreibt Kaffeerösterei und Kaffeebar<br />
– schick, in Grau mit Kreidetafeln und viel Holz – direkt nebeneinander.<br />
Diese Prozedur dauert nun 24 Stunden. Das ist wohl das Slow Coffee-<br />
Movement. Die Bewegung bedeutet aber nicht nur diese Langsamkeit.<br />
Es ist mehr. Deutlich zu erkennen ist: Beim neuen Hype steht der Mensch<br />
über der Maschine. Das ist die Entterminatorisierung des Kaffeekochens,<br />
so ganz ohne Strom. Patrick Schiller regelt die Tropfgeschwindigkeit nach<br />
und erklärt: „Man erhält einen Kaffee, der keinerlei Bitterstoffe mehr enthält<br />
und sehr intensiv ist.“ Cold Drip heißt diese Zubereitungsart. Nicht<br />
ganz so aufwendig sei Cold Brew. Hier wird Kaffeepulver mit kaltem<br />
Wasser vermengt und nach 18 Stunden gefiltert.<br />
Kaffee zubereiten heißt heute, es zu zelebrieren. Es ist ein Prozedere,<br />
das Zeit in Anspruch nimmt.<br />
Und es gibt so viele Wege. Wo wir nun auf der dritten Welle reiten,<br />
heißen diese Chemex oder Aeropress. Im Regal der Rösterei stehen die<br />
vielen Gebräugeräte. Und nun ein Gruß an die Damen der Kaffeetafel<br />
der Tante Prusseliese. Es wird wieder gefiltert. Ganz oldschool, aber mit<br />
mehr Feingefühl. Das Wasser kommt nicht aus dem Kocher, sondern aus<br />
einem schnieken Herdkessel mit gewelltem Bauch und langem Ausguss.<br />
Patrick Schiller gießt kreisförmig und erst als der erste Schwapp Wasser<br />
das Kaffeemehl schön aufgequollen hat.<br />
Der Filterkaffee erlebt ein Revival. Zu Recht! Denn „durch das klassische<br />
Filtern holt man das Optimum aus der Bohne und erhält einen ganz klaren<br />
und vollmundigen Kaffee.“ Das hat gar nichts von der tiefschwarzen<br />
Büroplörre. Güldenbraun ist das neue Schwarz. Die Zubereitung ist kein<br />
Hexenwerk, aber etwas zum Reinfuchsen. Third Waver fangen schon lange<br />
bevor die Tasse voll ist mit ihrer Kaffeekunst an. Rösten, das machen sie<br />
selbst. Patrick Schiller begann 2012 mit Trommelrösterin Wilma. Ähnlich<br />
einer Waschmaschine röstet sie eine kleine Menge Bohnen schonend<br />
über einer Gasflamme. Anders macht das die Industrie. Da landen Bohnenmassen<br />
in einem 700-900 Grad brütenden Heißluftverfahren. Dabei<br />
werden die schädlichen Säuren nicht mit abgebaut. Wilma wird in ein<br />
paar Tagen abgelöst. Ein 15-Kilogramm-Röster zieht ein. Die Nachfrage<br />
nach Kaffee der dritten Welle steigt. Wilma ackert sich gerade an „Mexiko<br />
Esmeralda“ ab. Der Kaffee des Monats im Oktober. „Er geht in eine<br />
blumige Richtung, hat leichte schokoladige Anklänge und wurde bis zu<br />
1.600 Meter über dem Meeresspiegel angebaut.“ Und schon erfahren wir<br />
noch mehr und mehr und mehr über den Kaffee. Das Woher ist wichtig.<br />
14 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>10</strong>.<strong>2016</strong>