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Interview n<br />
trieb unentgeltlich aushelfen, keine Schwarzarbeiter sind. Weiters<br />
haben wir 4 Beauftragte wegbekommen und Aufzeichnungspflichten<br />
reduziert.<br />
:erlesen: Sie sind selbst aus der Praxis und ein kommunikativer<br />
Mensch – die Leute kommen sicher gerne auf Sie zu?<br />
Zwazl: Mir hat ein Bäcker gesagt, der über 30 Leute beschäftigt:<br />
„Frau Zwazl, ich muss 7.000.- Euro Umsatz machen, um 698.-<br />
Euro Strafe zahlen zu können, für einen Fehler in der Kennzeichnungspflicht.<br />
Wenn jemand z.B. auf einer Verpackung das Wort<br />
„mindestens“ abkürzt, ist das bereits ein Fehler und zieht eine<br />
Strafe nach sich. Wenn bei Mengenangaben etwa 1/100stel fehlt<br />
oder wenn die Schrift ein wenig zu klein ist, dann setzt es Strafen.<br />
Weiters gibt es skurrile Dokumentationspflichten: Wir verwenden<br />
alle zuhause Putzmittel – wenn ich aber diese Putzmittel in meinem<br />
Unternehmen verwende, muss ich darüber eine Dokumentation<br />
über Schadstoffe führen.<br />
Oder: Es gibt zum Beispiel eine Verordnung, dass ein Maler und<br />
Anstreicher nicht wie bisher mit der Leiter gehen darf, sondern dass<br />
er ein Gerüst aufzustellen hat. Das kann durchaus vernünftig sein,<br />
wenn ich einen größeren Raum habe. Aber wie ist es bei einem<br />
kleinen Raum? Da muss er rauf und runter, wie ein Wetterfrosch?!<br />
Die Maler und Anstreicher lernen in ihrer Ausbildung mit der<br />
Leiter zu gehen. Warum dürfen sie das jetzt auf einmal nicht mehr,<br />
so eine Bestimmung ist einfach nicht praxistauglich.<br />
:erlesen: Warum fällt es jemandem ein, den Leuten vorzuschreiben,<br />
wie sie hochzuklettern haben?<br />
Zwazl: Weil sie keine Ahnung von der Praxis haben und deshalb<br />
glaube ich, dass es eine der ganz wesentlichen Aufgaben für uns in<br />
der Wirtschaftskammer ist, dass wir über alle Berufe und Branchen<br />
Beispiele sammeln und fragen, ob die Verordnung oder das<br />
Gesetz praxistauglich und sinnvoll ist. Es muss bei Kontrollen<br />
hinterfragt werden, ob Aufwand, Kosten und Bürokratie in einer<br />
Relation stehen und wem sie nützen, Verbraucherrechte sind wichtig,<br />
aber alles mit Maß und Ziel.<br />
:erlesen: Werden die Vorschriften aktiv durchforstet oder anlassbezogen<br />
behandelt?<br />
Zwazl: Ja, wir haben gemeinsam mit unseren Funktionären aus<br />
allen Fachgruppen und Innungen 30 Bürokratie-Abbau-Beispiele<br />
gesammelt. Es freut uns, dass diese Beispiele auch von Vizekanzler<br />
Mitterlehner bei seiner Wahl thematisiert wurden. Außerdem haben<br />
wir diese Beispiele an die Wirtschaftskammer Österreich und<br />
an Ministerien weitergegeben Wir haben erst vor kurzem wieder 25<br />
Beispiele gesammelt, die unsere Betriebe entlasten und den Staat<br />
nichts kosten.<br />
Es ist unglaublich, wie sehr die Bürokratie die Wirtschaft belastet.<br />
344 Mio. Euro kosten allein die ganzen Aufzeichnungs- und<br />
Dokumentationspflichten die niederösterreichischen Betriebe. Es<br />
ist schon klar, dass wir Statistiken brauchen. Die Frage ist nur,<br />
wie detailliert diese sein müssen? Da gibt es z.B. eine Materialverbrauchsstatistik,<br />
bei der aufgegliedert werden muss, wie viele<br />
Schrauben von welcher Sorte vorhanden, wie schwer diese sind und<br />
was sie kosten. Wir haben die Statistik Austria gefragt, wofür diese<br />
Einzelpositionen gebraucht werden. Dann hat sich herausgestellt,<br />
dass das alles einfach von irgendwelchen veralteten Formularen<br />
übernommen worden ist.<br />
:erlesen: Sind die Leute, die so etwas einfordern, ursprünglich<br />
nicht auch vom Fach gewesen und sollten sich daher besser auskennen?<br />
Zwazl: Es ist halt leider so, dass die meisten Regelungen nicht auf<br />
ihre Praxistauglichkeit getestet werden. Deshalb setzen wir uns mit<br />
der Gebietskrankenkasse, der Finanzpolizei und anderen Behördenvertretern<br />
an einen Tisch, um mit ihnen zu diskutieren, was<br />
wir für unsere Betriebe besser machen können.<br />
:erlesen: Zeigen die Behörden da überhaupt ein Interesse?<br />
Zwazl: Wir sehen es als unsere Aufgabe an, alle beteiligten Institutionen<br />
und Behörden zu sensibilisieren. Als Vertreterin der Wirtschaft<br />
ist es mir wichtig, dass sich Unternehmen an uns wenden,<br />
wenn sie in ihrer unternehmerischen Praxis Rahmenbedingungen<br />
haben, die sie nicht nachvollziehen können. Je mehr betroffene<br />
Unternehmerinnen und Unternehmer sich bei uns melden, umso<br />
mehr finden wir bei den Behörden Gehör. So musste bei einer<br />
Schlossereihalle jede Woche ein Bericht darüber gemacht werden,<br />
ob die Tore auf- und zugehen und wie lange das Ganze dauert. Das<br />
mögen Kleinigkeiten sein, in Summe kosten diese aber den Betrieben<br />
sehr viel an Zeit und Geld und machen einfach keinen Sinn.<br />
:erlesen: Sie haben Ihr Geschäft in Klosterneuburg – wie sehen<br />
Sie die dortige Situation für Handel und Wirtschaft?<br />
Zwazl: Ich bin eine glühende Klosterneuburgerin und ich bin hier<br />
sehr gerne Unternehmerin. Unsere Stadt hat sehr viele Vorteile und<br />
ein attraktives Ortsbild. Wir haben sehr gute Kunden, auch junge,<br />
die alle den persönlichen Kontakt schätzen. Daher müssen wir<br />
schauen, dass wir die besten Leute im Verkauf haben. Als Kunden<br />
reagieren wir doch alle gleich: Wenn jemand im Geschäft freundlich<br />
auf uns zukommt, dann ist das zumeist schon die halbe Miete.<br />
Wir Klosterneuburger Unternehmerinnen und Unternehmer sollten<br />
halt nur ein wenig mehr zusammenarbeiten und die Serviceangebote<br />
der Wirtschaftskammer nutzen! Es gibt jede Menge an<br />
guten Infos und Services in unserer Bezirksstelle am Rathausplatz.<br />
Als Wirtschaftskammer bieten wir zudem immer spezielle Beratungen<br />
an, etwa wie man sein Geschäft attraktiver machen kann.<br />
Auf jeden Fall gehöre ich nicht zu denen, die meinen, es sei bei<br />
uns schwierig, ein Geschäft zu führen – es ist hier mit Sicherheit<br />
nicht schwieriger als woanders. Und die Kaufkraftanalysen über<br />
Klosterneuburg zeigen uns, dass das Potenzial stimmt. Ich denke,<br />
wir dürfen daher durchaus optimistisch in die Zukunft blicken.<br />
:erlesen: Wir danken für das Gespräch<br />
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