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Sozialpsychologie der Schule und Familie - Universität Regensburg

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<strong>Sozialpsychologie</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie</strong><br />

Gruppe – Definition<br />

Prof. Dr. Helmut Lukesch<br />

Institut für Experimentelle Psychologie<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Regensburg</strong><br />

Gruppe – Definitionsmerkmale,<br />

Bestimmungsmerkmale<br />

Zugänglichkeit<br />

Dauer<br />

Gruppe – Größe<br />

Größe<br />

Gruppenbewusstsein<br />

Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

Normen<br />

Struktur<br />

Mehr als die Grazien [Euphrosyne ("Frohsinn"),<br />

Thalia ("blühendes Glück") <strong>und</strong> Aglaia ("Glanz")]<br />

<strong>und</strong> weniger als die Musen (Mc David & Harary,<br />

1968, S. 235).<br />

� Davon abgeleitete Begriffe:<br />

� Dyade (Simmel, 1908),<br />

� Triade,<br />

� Kleingruppe,<br />

� Großgruppe (Restkategorie)<br />

Gruppe – Etymologische <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Definitionsversuche<br />

� Peter R. Hofstätter (1957): althd. „kropf“ = Knoten,<br />

Verknotung <strong>der</strong> Lebenslinien verschiedener Personen<br />

� Bernd Six (1994): franz. „group“ = Anordnung von Dingen<br />

<strong>und</strong> Menschen, Rückentlehnung ins Deutsche zu Beginn<br />

des 18 Jhdts.<br />

� „In den Sozialwissenschaften sind Gruppen ein Spezialfall<br />

<strong>der</strong> menschlichen Plurale.“<br />

� Friedhelm Neidhart: „Gruppe ist ein soziales System,<br />

dessen Sinnzusammenhang unmittelbar durch diffuse<br />

Mitglie<strong>der</strong>beziehungen sowie durch relative<br />

Dauerhaftigkeit bestimmt ist ".<br />

Gruppe – Größe<br />

Größe<br />

Gruppe – Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

Interaktion<br />

<strong>und</strong><br />

Kommunikation<br />

Franziska Gnos (CH)<br />

"Interaktion", 2005


Gruppe – Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

� Interaktion bedeutet „aufeinan<strong>der</strong> bezogenes Handeln<br />

zweier o<strong>der</strong> mehrerer Personen"<br />

� Wechselseitige Einwirkung (je<strong>der</strong> erfährt Einwirkungen<br />

von an<strong>der</strong>en <strong>und</strong> wirkt gleichzeitig auf an<strong>der</strong>e ein)<br />

� Wechselseitige Steuerung (Menschen kontrollieren sich<br />

gegenseitig, z.B. durch Lob <strong>und</strong> Strafe)<br />

� Austausch (gegenseitiges Geben <strong>und</strong> Nehmen unter<br />

gegebenen Kosten- <strong>und</strong> Nutzen-Relationen)<br />

Gruppe – Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

Darauf bezogene Einteilungen<br />

Primärgruppen (<strong>Familie</strong>, Spielgruppen, Nachbarschaft)<br />

� Intime (emotionale) <strong>und</strong> direkte Beziehung mit enger<br />

Kooperation<br />

� Großer Einfluss auf die Persönlichkeit<br />

(Sozialisationseffekte)<br />

� Enges „Wir-Gefühl“ als Ausdruck <strong>der</strong> Integration in die<br />

Gruppe<br />

� Überdauernd<br />

Sek<strong>und</strong>ärgruppen (Betriebsgruppen, <strong>Universität</strong>)<br />

� Direkter Kontakt ist abgeschwächt<br />

� Bedeutsamkeit für die Mitglie<strong>der</strong> ist geringer<br />

� „Wir-Gefühl“ nur schwach ausgeprägt<br />

� Zeitlich begrenzt<br />

Gruppe – Struktur<br />

� Zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele in <strong>der</strong> Gruppe<br />

bildet sich eine soziale Struktur heraus:<br />

� Aufgabenverteilung an einzelne Personen<br />

� Positionen<br />

� Entstehung von Rollen (allg. Summe <strong>der</strong> Erwartungen von<br />

Postionsinhaber; „Führer“, „Experte“, „Mitläufer“ o<strong>der</strong><br />

„Sündenbock“)<br />

� Unterschiedliches Sozialprestige<br />

� Entstehung einer Rangordnung<br />

Gruppe – Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

� Kommunikation bedeutet „Bedeutungsvermittlung<br />

zwischen Lebewesen“ (Maletzke, 1972, S. 1512) bzw. den<br />

wechselseitigen Austausch von Gedanken in Sprache,<br />

Gestik, Mimik, Schrift o<strong>der</strong> Bild.<br />

Direkte Kommunikation –<br />

Indirekte Kommunikation –<br />

Personale Kommunikation<br />

Massenkommunikation<br />

Face-to-face Kommunikation:<br />

Raumzeitliche getrennte<br />

Raumzeitlich sind Sen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger Kommunikation zwischen Sen<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

anwesend<br />

Empfänger (Print- <strong>und</strong> Film- <strong>und</strong><br />

Funkmedien)<br />

Gegenseitigkeit: Abwechslung in <strong>der</strong> Einseitigkeit (mit geringer Möglichkeit zur<br />

Rolle des Aussagenden <strong>und</strong> des<br />

Rückmeldung), z.B. Fernsehen, eventuell<br />

Empfangenden<br />

auch Vortrag<br />

Privatheit: Die Kommunikation richtet sich Öffentlichkeit: Die Kommunikation richtet<br />

an eine bestimmte Person o<strong>der</strong> einen sich an jeden, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Lage <strong>und</strong> willens<br />

abgegrenzten Personenkreis<br />

ist, sich Zugang zu <strong>der</strong> Aussage zu<br />

verschaffen – „Disperses Publikum“!<br />

Gruppe – Struktur<br />

Gruppe – Struktur<br />

Struktur<br />

Dreidimensionale<br />

Struktur von Astacin<br />

Darauf bezogene Einteilungen: Formelle <strong>und</strong> informelle Gruppen<br />

sowie Sozio- <strong>und</strong> Psychegruppen<br />

� Hawthorne-Studien von Roethlisberger & Dickson (1939) zeigten<br />

Gründe für informale Gruppen in einer Organisation (Betrieb, <strong>Schule</strong>)<br />

auf:<br />

� Informale Normen, also persönliche Ziele <strong>und</strong> Interessen <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter, die sich von den offiziellen Interessen des Unternehmens<br />

unterschieden.<br />

� Informale Kommunikation, d. h. Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Kommunikationswege innerhalb eines Unternehmens auf Gr<strong>und</strong> von<br />

persönlichen Beziehungen zwischen Mitarbeitern.<br />

� Informale Gruppen, d. h. Zusammenschlüsse von Mitarbeitern die<br />

gleiche Interessen haben, o<strong>der</strong> z. B. gleicher Herkunft sind.<br />

� Informale Führer, also Personen die auf Gr<strong>und</strong> ihres Charismas <strong>und</strong><br />

ihrer allgemeinen Beliebtheit plötzlich mehr Einfluss im Unternehmen<br />

gewinnen, als eigentlich für sie vorgesehen wäre.


Gruppe – Struktur – Konsequenzen<br />

� Informelle Strukturen innerhalb eines<br />

Unternehmens (<strong>Schule</strong>, Klasse) müssen<br />

beachtet <strong>und</strong> erfasst werden.<br />

� Dann kann man sich diese Ordnung zu Nutze<br />

machen <strong>und</strong> unerwünschte Angewohnheiten<br />

aus dem Arbeitsalltag zu verbannen!<br />

� Schulklasse: Soziogramm zur Erfassung von<br />

Gruppenstrukturen<br />

Gruppe – Normen / Ziele<br />

� Normen entstehen im Zuge <strong>der</strong> gegenseitigen Einflussnahme <strong>der</strong><br />

Gruppenmitglie<strong>der</strong> aufeinan<strong>der</strong>:<br />

� „Was ist erlaubt, was ist verboten“ wird dabei sozial<br />

ausgehandelt? Verhaltenssicherheit entsteht durch diese<br />

→ Gruppenleistung des Bestimmens<br />

� → Konformität<br />

� Erteilung von positiven Sanktionen (Anerkennung, Zustimmung,<br />

materielle Vorteile) bei Normeinhaltung.<br />

� Erteilung von negativen Sanktionen (jemanden schief ansehen,<br />

Verachtung, Entzug von Privilegien, materielle <strong>und</strong> körperliche<br />

Strafen; Extrem: Gruppenussausschluss) bei Normabweichung.<br />

Gruppe – Gruppenbewusstsein<br />

� Wissen um die Gruppenidentität, „Wir-Gefühl“ (Peter Hofstätter)<br />

� Entitativity = Gefühl o<strong>der</strong> die Wahrnehmung, dass eine Gruppe eine<br />

echte Gruppe ist<br />

� → Soziale Identität<br />

� Ist ein Produkt <strong>der</strong> Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation<br />

� Setzt ein gewisses Maß an Befriedigung <strong>der</strong> Einzelinteressen<br />

voraus, d. h. es ist positiv konnotiert.<br />

� Es gibt vermutlich auch Gruppen ohne Gruppenbewusstsein, z.<br />

B. Strafgefangene, manche Minoritätsgruppen .<br />

Gruppe – Normen / Ziele<br />

Normen<br />

Gruppe – Gruppenbewusstsein<br />

Gruppenbewusstsein<br />

Gruppe – Gruppenbewusstsein<br />

Davon abgeleitet Einteilungen<br />

We are the champions!<br />

� Eigen- <strong>und</strong> Fremdgruppe (Terminus von Sumner, 1906)<br />

bzw. „Wir-“ <strong>und</strong> „Die-Gruppe“ (P. Hofstätter, 1957)<br />

� → Soziale Identität (H. Tajfel, 1969).<br />

� Zur Eigengruppe fühlt man sich hingezogen.<br />

� Man überschätzt die zu erwartenden Gratifikationen.<br />

� Der Fremdgruppe steht man neutral bis abwertend<br />

gegenüber.<br />

� → Internationale Stereotypenforschung (nationale Auto<strong>und</strong><br />

Heterostereotype)


Gruppe – Gruppenbewusstsein<br />

Davon abgeleitet Einteilungen: Bezugsgruppe<br />

� Hyman (1942): Gruppe, mit <strong>der</strong> man sich vergleicht, wenn<br />

man seinen eigenen Status klassifizieren will (Was ist<br />

gerecht? Was steht mir zu?)<br />

� Ausweitung auf alle Gruppen, die zur Orientierung über die<br />

eigene Lage dienen. Nach Sherif & Sherif (1953) dienen<br />

Bezugsgruppen als Verankerungspunkte über die eigene<br />

Lage (→ Ankergruppen).<br />

� Nach Kelley (1968) kommt ihnen auch eine normative<br />

Funktion zu (Was muss ich tun, um ihre Zustimmung zu<br />

erhalten?) (→ antizipatorische Sozialisation nach Merton<br />

& Kitt, 1950).<br />

� Kann auch negativ sein (Bezugsgruppe als Gegenstandard,<br />

dem man auf keinem Fall ähnlich sein will).<br />

Gruppe – Dauer<br />

� Dauer ist für die Qualität <strong>der</strong> Interaktionsprozesse<br />

notwendig<br />

�Dauer ist für die Ausbildung von Gemeinsamkeiten<br />

(Rollendifferenzierung, Ziele, Normen) eine<br />

notwendige Bedingung<br />

�Eine Untergrenze anzugeben ist schwierig, eine<br />

Gruppe kann in Notsituationen, bei akuten<br />

Problemen eventuell sehr schnell entstehen.<br />

Gruppe – Zugänglichkeit<br />

Zugänglichkeit<br />

Gruppe – Dauer<br />

Dauer<br />

Gruppe – Dauer<br />

Davon abgeleitet Einteilungen<br />

� Ad-hoc-Gruppe, z.B. zum Zweck eines<br />

Experiments zusammengestellt<br />

Für immer <strong>und</strong> ewig,<br />

bis in die Ewigkeit<br />

� Fre<strong>und</strong>espaare<br />

� Weniger beeinflussbar als neu gebildete Paare (Pollis &<br />

Cammaleri, 1968)<br />

� Helfen schneller in Notsituationen (Latane & Rodin, 1969)<br />

� Haben effizientere <strong>und</strong> kreativere Lösungen bei Aufgaben,<br />

die eine Gruppenentscheidung erfor<strong>der</strong>n (Hall & Williams,<br />

1966)<br />

Gruppe – Zugänglichkeit<br />

� Offenheit <strong>und</strong> Geschlossenheit von Gruppen<br />

(Einfluss auf Stabilität des Gruppenlebens)<br />

�<strong>Familie</strong>n sind relativ geschlossene Gruppen<br />

�Studentische Selbstverwaltung sind eher<br />

offene Gruppen


Ende –<br />

End – Fin –<br />

Fine

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