Predigt Epiphanias Homöopathie
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Liebe Gemeinde,<br />
<strong>Epiphanias</strong> ist ein homöopathisches Fest.<br />
Und zwar in mehrfacher Hinsicht. <strong>Homöopathie</strong>, das kennen sie sicher. Da gibt es Tropfen<br />
und kleine Kügelchen, sogenannte Globuli und die Wissenschaft wundert sich, dass dieses<br />
Zeug wirkt. Denn die <strong>Homöopathie</strong> hat den wichtigsten Grundsatz: Gleiches mit Gleichem zu<br />
bekämpfen. Also ein Mittel, eine Pflanze oder eine chemische Verbindung, die eigentlich<br />
Husten auslösen, sollen genau dagegen helfen. Wenn, und das ist der zweite Grundsatz, dieses<br />
Mittel verdünnt eingenommen wird. Und zwar extrem verdünnt.<br />
Potenzieren nennt man diesen Vorgang, wobei ein Teil Arzneisubstanz schrittweise mit<br />
Wasser oder Alkohol verschüttelt oder mit Milchzucker verrieben wird. Ein Teil dieser<br />
Mischung wird wieder und wieder mit 10 oder 100 Teilen Lösungsmittel verdünnt, wodurch<br />
sogenannte D oder C-Reihen entstehen. Bei einer D6 Verdünnung zum Beispiel wird dieser<br />
Schritt 6 Mal durchgeführt. Also 6Mal ein Teil Arzneimittel mit 10 Teilen Lösungsmittel<br />
durchgeschüttelt. Das Ergebnis ist etwa 1 Tropfen Wirksubstanz im Inhalt einer kleinen<br />
Mülltonne. Bei einer durchaus noch üblichen D23 Verdünnung, entspricht das Ergebnis etwa<br />
einem Tropfen aufgelöst im gesamten Mittelmeer.<br />
Und das Interessante, auch das wirkt noch. Und zwar nicht nur bei Menschen, bei denen man<br />
das als Placeboeffekt abtun könnte, also als Heilung durch Einbildung, sondern auch bei<br />
Tieren: Kühen, Hunden und Pferden konnte man eine Wirkung nachweisen.<br />
<strong>Epiphanias</strong> ist in doppelter Hinsicht ein homöopathisches Fest. Gott wird uns Menschen<br />
Gleich und heilt so Gleiches mit Gleichem. Und Gott kommt sozusagen in extremer<br />
Verdünnung. Nämlich als Kleines Kind in der Krippe in Bethlehem. Kaum noch nachweisbar,<br />
aber doch wirksam vorhanden.<br />
Wenn <strong>Epiphanias</strong> ein homöopathisches Fest ist, dann ist Weihnachten dagegen ein<br />
schulmedizinisches Fest.<br />
Der Heilige Abend ist ein Phänomen. Sind die Gottesdienste das Kirchenjahr über (auch<br />
Ostern, ganz zu schweigen von Pfingsten und Trinitatis) eher luftig gefüllt, sieht das zu<br />
Weihnachten ganz anders aus. Am Heiligen Abend reicht ein Gottesdienst gewöhnlich nicht,<br />
die Menschen alle zu fassen, die dabei sein wollen. Acht Gottesdienste, wenn man die<br />
Schulgottesdienste mitzählt gab es allein hier in Lahm und Gleußen. Und alle waren gut<br />
besucht. Deswegen gibt es sogar schon ein Buch, das vom „Weihnachtschristentum“ handelt<br />
(Matthias Morgenroth, Weihnachts-Christentum).<br />
Sicher, auf der einen Seite ist es Tradition. An Weihnachten geht man halt in die Kirche. Aber<br />
damit allein ist das Weihnachtsfest nicht zu erklären. Es ist die besondere Stimmung, die<br />
Atmosphäre, die vertrauten Lieder und die Erinnerungen an Weihnachten in unserer Kindheit.<br />
Und vielleicht rührt viele Menschen auch im Innersten die Botschaft, dass Gott unsere Welt<br />
durch das Kind rettet. Das Kind in der Krippe als Ausweis der Hoffnung, dass alles gut wird –<br />
eigentlich erstaunlich, dass wir darüber nicht den Kopf schütteln und sagen: Quatsch,<br />
Blödsinn, wie soll das denn gehen? Aber Weihnachten gibt es das Komplettpaket. Menschen<br />
fühlen sich gerührt und bewegt, und ganz bestimmt nicht nur wegen des „Kindchenschemas“<br />
oder weil der kleine Jesus so „süß“ in seinem Bettchen aus Stroh liegt. An Weihnachten wird<br />
alles aufgefahren was man bieten kann. Musik, Licht, Atmosphäre. Ein riesiger Event.<br />
2<br />
<strong>Epiphanias</strong> ist sozusagen die Rückseite von Weihnachten. Auch hier feiert man das Kind in<br />
der Krippe, aber gleichzeitig wird festgehalten, dass es sich bei diesem Kind nicht nur um ein<br />
Menschenkind handelt, sondern um den Herrn der Welt. <strong>Epiphanias</strong> heißt übersetzt „Fest der<br />
Erscheinung des Herrn“. Viele (orthodoxe) Christen in der Welt feiern Weihnachten heute,<br />
am 6. Januar, dem <strong>Epiphanias</strong>tag. Die Betonung liegt bei diesem Tag stärker auf der<br />
Göttlichkeit des Kindes. Gott ist wohl als Menschenkind unter uns erschienen, klein, arm,<br />
verletzlich. Aber es ist trotzdem und um nichts weniger der Höchste, der da schutzlos in der<br />
Krippe liegt. Die Macht, die alles geschaffen hat, das Weltall und die kleinste Sommersprosse
auf der Nase. Die Ewigkeit, der Anfang und das Ende von allem – liegt hier in Windeln<br />
gewickelt unserer Welt preisgegeben.<br />
Auch hierüber könnte man lächeln. Oder laut aufbrüllen vor Hohn. Was ja Kritiker des<br />
christlichen Glaubens auch immer wieder tun. Erstaunlich, mit welch geringem Erfolg.<br />
Die Geschichte von Gott, der im Kind erscheint, lebt weiter und berührt die Herzen. Und auch<br />
den Verstand, für den diese Vorstellung eine ungeheure Herausforderung bedeutet.<br />
3 Vom Kirchenvater Augustin wird eine Anekdote erzählt.<br />
Augustin ging wie jeden Tag grübelnd am Strand entlang und dachte über das Geheimnis der<br />
Größe Gottes nach. Da sah er ein Kind, das im Sand saß und mit einer Muschel Wasser aus<br />
dem Meer in ein kleines Loch schöpfte. Augustin fragte das Kind, was es da macht. Und das<br />
Kind antwortete: Ich schöpfe das Meer leer.<br />
Augustin ging lachend und kopfschüttelnd weiter, doch dann soll ihm plötzlich die Erkenntnis<br />
gekommen sein: Ja, über das Kind lachst du, aber du selbst willst mit deinem kleinen Kopf<br />
die Unendliche Größe Gottes erfassen.<br />
Und doch ist uns genau das verheißen. Wir sollen Gott selbst schauen. Das ist nur möglich,<br />
weil Gott genau das will. Er will sich von uns finden lassen, er will sich von uns fassen lassen<br />
mit unserem kleinen Kopf. Er macht sich klein, so wie wir, dass er hineingeht auch in unseren<br />
Verstand. Er macht sich uns gleich, um ganz homöopathisch Gleiches mit Gleichem zu<br />
heilen. Er kommt nicht konzentriert mit all seiner Macht, sondern verdünnt in Machtlosigkeit.<br />
Vielleicht sollten wir das Phänomen der göttlichen Erscheinung wirklich eine <strong>Homöopathie</strong><br />
nennen. Ein kleines Tröpfchen Heil ins unendlich unheile Meer – und es wirkt. Es macht<br />
Menschen gesund. Es erfüllt Menschen mit Hoffnung. Göttliche <strong>Homöopathie</strong> also, weil der<br />
Ewige weiß, es ist uns nur sanft zu helfen, nicht mit Gewalt und „chirurgischen Eingriffen“?<br />
Sagen wir: auch das ist nichts als ein Bild, ein Versuch, uns heranzutasten an das Geheimnis.<br />
An das größte aller Geheimnisse: Gottes Erscheinen in unserer Welt.<br />
Davon einen Schimmer zu erhaschen, das verleihe Gott uns allen. Amen.<br />
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne, in<br />
Christus Jesus. Amen.