Susanne, wir sind auf der Bühne. Susanne: Na und? - Burgtheater
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vorkämpfer<br />
Der Steppenwolf<br />
von Hermann Hesse – Für die <strong>Bühne</strong> eingerichtet von Joachim Lux – Ur<strong>auf</strong>führung<br />
Hermann Hesses „Steppenwolf“, erstmals 1927 erschienen, ist ein Weltbestseller. Beson<strong>der</strong>s für die Jugend ist das<br />
Buch immer wie<strong>der</strong> zum Identifikations- <strong>und</strong> Bekenntnisbuch geworden wie sonst nur Goethes „Leiden des jungen Werther“.<br />
Aber „Der Steppenwolf“ ist offenbar ein Buch, in dem sich jede Generation wie<strong>der</strong>finden kann. Auf einer von <strong>der</strong><br />
Zeitschrift „Der Stern“ veröffentlichten Liste <strong>der</strong> „Lebensbücher“ stehen „Siddhartha“ <strong>und</strong> „Der Steppenwolf“ in <strong>der</strong> Gunst<br />
<strong>der</strong> Leser noch vor <strong>der</strong> Bibel, dem „Mann ohne Eigenschaften“ o<strong>der</strong> dem „Zauberberg“. Im Roman kommt einiges<br />
zusammen: die persönliche Identitätskrise des Steppenwolf Harry Haller verbindet sich mit seiner Krise im Verhältnis zur<br />
bürgerlichen Welt: er verachtet <strong>der</strong>en philiströsen Charakter, sehnt sich aber an<strong>der</strong>erseits nach ihrer friedvollen Ruhe.<br />
Hinzu kommen seine politisch-pazifistische Rebellion <strong>und</strong> seine ausgeprägte <strong>und</strong> durchaus religiöse Suche nach einem<br />
überpersönlichen Lebenssinn. Er ist jemand, <strong>der</strong> „zwischen die Zeiten geraten ist“, <strong>der</strong> fremd in <strong>der</strong> Welt steht, heimatlos<br />
durch die Städte irrt <strong>und</strong> nach neuer Orientierung sucht.<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> präsentiert den Roman „Der Steppenwolf“ erstmals <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Bühne</strong>, mit Dietmar König in <strong>der</strong> Titelrolle.<br />
Im Folgenden Hesses erstes Vorwort zum Roman:<br />
Ehe ich meine Erlebnisse erzähle, muß ich versuchen<br />
einen von <strong>der</strong> Lebenssituation zu geben, in<br />
<strong>der</strong> sie mir begegneten.<br />
Ich bin <strong>der</strong> Sohn frommer protestantischer Eltern,<br />
bin aber den Traditionen unsrer Familie nur insofern<br />
treu geblieben, als ich bis vor Kurzem stets<br />
ein nur geistiges Leben geführt habe, ein Leben<br />
ohne starke materielle Interessen, <strong>der</strong> <strong>Na</strong>chdenklichkeit,<br />
<strong>der</strong> Freude an Kunst <strong>und</strong> Philosophie<br />
gewidmet, wie es für den begabten Sohn einer<br />
Gelehrten- <strong>und</strong> Pastorenfamilie naheliegend war.<br />
Durch einige Erfolge als Künstler <strong>und</strong> Literat, die<br />
mir noch in jungen Jahren zufielen, sah ich mich<br />
(<strong>und</strong> damit von einem <strong>der</strong> heftigsten meiner<br />
Jugendwünsche erfüllt) frühzeitig unabhängig <strong>und</strong><br />
zu keiner Dienstbarkeit verpflichtet, konnte<br />
bequem von meiner mehr als Spiel betriebenen<br />
Arbeit leben, viel reisen, mich immer neuen Studien<br />
<strong>und</strong> Betätigungen widmen. Ich lebte in enger<br />
Beziehung zur Welt <strong>der</strong> Literatur, <strong>der</strong> Musik <strong>und</strong><br />
Malerei <strong>und</strong> hatte, von außen gesehen, ein Leben,<br />
das an Freiheit, Sorglosigkeit <strong>und</strong> Behagen nichts<br />
zu wünschen übrig ließ. Obwohl ich schon als<br />
Kind schwerlebig, grüblerisch <strong>und</strong> problematisch<br />
war, <strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>e stets wußte, daß mein Platz<br />
im Leben nur <strong>der</strong> eines Zaungastes sei, empfand<br />
ich in jenen Jahren des jungen Erfolges doch<br />
etwas wie Glück <strong>und</strong> Behagen. Ich heiratete, ich<br />
baute mir ein hübsches Haus, ich hatte Kin<strong>der</strong>,<br />
ich pflegte Fre<strong>und</strong>schaften mit Künstlern <strong>und</strong> Literaten,<br />
galt etwas unter meinesgleichen <strong>und</strong> fand<br />
meine Erfolge berechtigt. An <strong>der</strong> Sorglosigkeit<br />
<strong>und</strong> dem etwas leichtsinnigen Optimismus <strong>der</strong><br />
Vorkriegszeit hatte auch mein Leben seinen<br />
Anteil, obwohl ich schon damals schlecht balanciert<br />
war <strong>und</strong> zu Zeiten an bösen Depressionen<br />
litt. Mein Beruf, meine Reisen <strong>und</strong> Studien, meine<br />
Ehe, alles das hatte seine Werte <strong>und</strong> seine Freuden,<br />
<strong>und</strong> war doch alles schon beschattet <strong>und</strong><br />
nur halb <strong>wir</strong>klich, erfüllte mich nicht ganz, ließ viel<br />
Leere, schmeckte oft fad <strong>und</strong> verlogen.<br />
Mit dem Kriege kamen auch für mich die Dinge<br />
ins Rollen. Die Untergangsstimmung, welche einige<br />
Jahre später halb Europa zeitweise ergriff,<br />
nahm mich schon beim Beginn des Krieges<br />
gefangen. Meinem ganzen Wesen <strong>und</strong> Denken<br />
nach Kriegsgegner, kam ich alsbald in Opposition<br />
zur Umwelt, wurde als herzlos <strong>und</strong> vaterlandslos<br />
verdächtigt, verlor die Mehrzahl meiner Fre<strong>und</strong>e,<br />
sah mich häßlichen <strong>und</strong> entwürdigend dummen<br />
Angriffen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit ausgesetzt, <strong>und</strong> in<br />
kurzer Zeit war ich wie<strong>der</strong>, wie ich es einst als<br />
Kind <strong>und</strong> Jüngling gewesen, ein scheuer <strong>und</strong><br />
melancholischer Außenseiter, <strong>der</strong> nicht in die Welt<br />
paßt. Ein Kriegsamt, das ich freiwillig übernommen<br />
hatte, wurde mehr <strong>und</strong> mehr zur tödlichen<br />
Last, fraß meine Kräfte <strong>und</strong> gab mir doch nicht<br />
die Harmlosigkeit <strong>und</strong> das gute Gewissen, zwei<br />
Jahre lang kämpfte ich beinahe täglich mit dem<br />
Ekel <strong>und</strong> mit dem nie ausgeführten Entschluß,<br />
mein Amt hinzuwerfen <strong>und</strong> mich lieber erschießen<br />
zu lassen als länger mit an dieser Kriegsmaschinerie<br />
zu arbeiten. Auch in den freien St<strong>und</strong>en, die<br />
mir noch blieben, war es mir unmöglich, Musik zu<br />
hören, Plato zu lesen o<strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>e zu besuchen,<br />
ich fand mich im Wi<strong>der</strong>spruch zur ganzen Umwelt<br />
<strong>und</strong> im eigenen Innern zerrissen <strong>und</strong> dunkel. Philosophie<br />
<strong>und</strong> Kunst waren sinnlos <strong>und</strong> dumme<br />
Spielereien, wenn die Kriegsminister <strong>und</strong> Generale<br />
Recht hatten.<br />
Genug davon, Tausende haben dies Kriegsschicksal<br />
mit mir geteilt. Aber mit <strong>der</strong> Zerstörung<br />
meines Privatlebens, meiner Freiheit, meiner<br />
Arbeit, meiner Ideale, mit dem täglichen Waten im<br />
blutigen Sumpf des Krieges verlor ich auch den<br />
Zugang zu jenem innersten Bezirk meiner selbst,<br />
wohin früher keine Erschütterung von außen hatte<br />
dringen können. Ich wurde in <strong>der</strong> Seele krank <strong>und</strong><br />
wußte mich nicht mehr zu wehren, als nach dem<br />
Bruch mit <strong>der</strong> öffentlichen Meinung auch meine<br />
private Welt mich im Stich ließ. Meine Familie<br />
trennte sich von mir, ich mußte das Alleinleben<br />
wie<strong>der</strong> lernen, <strong>und</strong> als <strong>der</strong> Krieg zu Ende war <strong>und</strong><br />
ich, einige Monate später, aus meinem Amt entlassen<br />
war, war es wohl ein Aufatmen, aber es<br />
Der 30-jährige Hesse beim Wein Mit fre<strong>und</strong>licher Unterstützung von<br />
Roland Kenda, Michael Masula, Johanna Eiworth, Johannes Terne,<br />
Sylvie Rohrer, Juergen Maurer, Charles Maxwell, Daniel Jesch, Dietmar König<br />
war nichts mehr da, wofür ich hätte zurückkehren<br />
können: nicht nur keine Familie, kaum noch<br />
Fre<strong>und</strong>e, son<strong>der</strong>n auch keine Hoffnungen, keine<br />
Tätigkeit, keine Götter, keine Ziele, keine Freuden.<br />
Ich hatte nun vollkommen Muße, in ungestörter<br />
Einsamkeit mein Leben <strong>und</strong> mich selbst nachzuprüfen<br />
<strong>und</strong> zu beschauen, <strong>und</strong> zu finden, daß es<br />
nichts damit sei. Eine Weile noch horchte ich <strong>auf</strong><br />
die Versuche Deutschlands, sich zu erneuern,<br />
begrüßte die Revolution mit Hoffnungen, wurde<br />
von manchen Jüngeren als Gesinnungsgenosse<br />
begrüßt, aber die offizielle Welt von heute schien<br />
mir so wenig wie die von gestern eine Luft, in<br />
<strong>der</strong> ich atmen könnte. Und als Eisner, Landauer,<br />
Rosa Luxemburg totgeschlagen waren, bestand<br />
meine Teilnahme darin, daß ich sie um ihren Tod<br />
beneidete.<br />
Seither nun lebte ich, bei schlechter Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> zu früh alt geworden, ein Leben <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Flucht,<br />
<strong>und</strong> war vor Kurzem soweit, daß ich glaubte, den<br />
oft erwogenen Selbstmord jetzt ohne Hemmungen<br />
ausführen zu können. Es gelang jedoch nicht, ich<br />
habe mich nochmals festgebissen <strong>und</strong> in das<br />
Leben verliebt. Davon will ich erzählen.<br />
DER STEPPENWOLF<br />
Von Hermann Hesse<br />
Für die <strong>Bühne</strong> eingerichtet von Joachim Lux<br />
Ur<strong>auf</strong>führung<br />
REGIE Sebastian Hartmann BÜHNE Peter<br />
Schubert KOSTÜME Hannah Hamburger<br />
MIT Johanna Eiworth, Sylvie Rohrer;<br />
Daniel Jesch, Roland Kenda, Dietmar König,<br />
Michael Masula, Juergen Maurer, Charles<br />
Maxwell, Johannes Terne<br />
Premiere am 24. März im <strong>Burgtheater</strong><br />
Weitere Vorstellungen am 26. <strong>und</strong> 29. März,<br />
2., 8., 14. <strong>und</strong> 24. April <strong>und</strong> am 4. Mai