Raus aus der Angst – rein ins Leben
GreenBalance_96
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Alle sind so gemein zu mir<br />
Artikel lieblos <strong>aus</strong> den Fingern gesaugt. Diese<br />
Kuh, diese blöde. Wie kann sie es wagen, diese<br />
Anfängerin, jung und blond (und blöd hätte<br />
ich jetzt fast geschrieben) und keine Ahnung<br />
von nichts, erdreistet sich zu einem <strong>der</strong>artigen<br />
Tonfall. Das schreit nach Konsequenzen. Kündigen<br />
werde ich ihr, soll sie einen Anfänger <strong>ins</strong><br />
Boot holen, den sie anschnauzen kann, diese<br />
Möchtegern-Journalistin. Also ehrlich, das hat<br />
bisher noch niemand gewagt, mich so frech zu<br />
kritisieren. Viele Chefredakteure habe ich schon<br />
mit Artikel beliefert, angesehene und erfahrene,<br />
ja <strong>aus</strong>gezeichnete Frauen und Männer, und da<br />
kommt jetzt diese Tussi daher und hält mir vor,<br />
ich hätte mich nicht angestrengt. Ob sie Recht<br />
hat o<strong>der</strong> nicht, darüber will ich gar nicht nachdenken,<br />
ist ja auch egal, aber von so einer muss<br />
ich mir das nicht gefallen lassen. Der kündige<br />
ich. So viel steht fest. Wenn ich mich nächste<br />
Woche immer noch über diese „Frau“ ärgere,<br />
dann kündige ich, das verspreche ich.<br />
Und während auf <strong>der</strong> Puppenbühne meiner Gedanken<br />
<strong>der</strong> Kasperl den Knüppel schwingt und<br />
auf die blonde Uschi munter drauflosschlägt,<br />
erkenne ich den Prügel in meiner Hand, schlage<br />
noch ein paarmal kräftig zu und lassen ihn<br />
dann sinken. Ja, das tut doch gut. Nicht wahr?<br />
Jetzt kann ich doch glatt wie<strong>der</strong> lächeln.<br />
Die Opferrolle wird gerne den Frauen zugeschrieben.<br />
Sie bringen Kin<strong>der</strong> zur Welt, opfern<br />
ihre Figur, ihre freie Zeit, ihren bisherigen <strong>Leben</strong>sstil,<br />
und was kommt dabei her<strong>aus</strong>? Undank!<br />
Die Kin<strong>der</strong> werden größer, <strong>aus</strong> den süßen Lieblingen<br />
werden pubertierende Wesen und man<br />
selbst kommt in die Wechseljahre, und das war<br />
es dann auch schon. Und <strong>der</strong> Mann? Entwe<strong>der</strong><br />
ist er längst über alle Berge o<strong>der</strong> er sehnt sich<br />
danach. Jedenfalls ist er kein Rückhalt für die<br />
alte Idee, die man e<strong>ins</strong>t geme<strong>ins</strong>am geschmiedet<br />
hat, vom <strong>Leben</strong>sglück als Familie.<br />
Unser <strong>Leben</strong> ist ein wun<strong>der</strong>barer Nährboden für<br />
ein nicht enden wollendes Opferdasein, in das<br />
man sich mit betrübter Miene fallen lassen kann.<br />
O<strong>der</strong> eben auch nicht.<br />
Aber, meine Damen: Die Herren <strong>der</strong> Schöpfung<br />
sind auch nicht mehr, was sie einmal waren.<br />
Wenn man beim Familienmodell bleibt, zeigt<br />
sich das Bild, dass <strong>der</strong> Mann sich immer noch<br />
als Ernährer sieht und sich dafür abschuftet, die<br />
einen mehr, die an<strong>der</strong>en weniger. Auch sie trifft<br />
in <strong>der</strong> Mitte des <strong>Leben</strong>s o<strong>der</strong> einige Jahre danach<br />
die Erkenntnis, dass das noch nicht alles gewesen<br />
sein kann. Arbeiten ohne Ende und ohne dass<br />
es einem gedankt würde. Die Ehefrau hat sich<br />
längst in den sexuellen Vorruhestand verabschiedet<br />
und selbst ist man mit seiner schlappen Figur<br />
und dem trüben Gesicht auch kein Hingucker<br />
mehr. Und auch hier gilt: Ein wun<strong>der</strong>barer Nährboden<br />
für ein Opferdasein, in das man sich mit<br />
betrübter Miene fallen lassen kann. O<strong>der</strong> eben<br />
auch nicht.