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Der Sämann

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NOVALIS<br />

Sonderdruck<br />

<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong><br />

Interview mit Antonius Conte<br />

über die Aktion "<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong>"<br />

nach einem Motiv von Vincent<br />

Van Gogh. Insel Rügen, 1996<br />

NOVALIS Zeitschrift für spirituelles Denken 9/10 2001


<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong> / 1888 / Van Gogh<br />

<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong><br />

<strong>Der</strong> Aktionskünstler Antonius Conte bekam von Bioland -einer Marke für<br />

Produkte aus kontrolliert oekologischer Landwirtschaft- den Auftrag, für<br />

das 25-Jahre-Bioland-Jubiläumsfest auf dem Hofgut Bisdamiz/Rügen einen<br />

künstlerischen Beitrag zu produzieren. Dabei ist die Arbeit “<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong>”<br />

entstanden.<br />

Was hat es mit dem <strong>Sämann</strong> auf sich?<br />

Mein <strong>Sämann</strong> ist ein Van Gogh-Zitat. Diese Gestalt ist eine der letzten<br />

großen anektodischen Figurenschöpfungen in der Malerei. Danach<br />

kommt die Anti-Anektodische Figur mit den Fauves, mit Picasso, Giacometti<br />

und die Abstraktion.<br />

In meiner Arbeit zitiere ich van Gogh, weil ich überzeugt bin, dass<br />

wir heutzutage nicht mehr in der Lage sind, solche Figuren zu kreieren,<br />

ohne dass diese naiv oder komisch oder einfach bedeutungslos<br />

sind. Van Gogh stand in einer Tradition, er war z.B. ein Verehrer Millets<br />

mit ihm endet diese Art Blick auf die Welt.<br />

Genauso wie es heute keine Sämänner mehr gibt, gibt es keine van<br />

Goghs mehr. Deshalb war es mir wichtig mit dieser Figur zu arbeiten<br />

und mit van Gogh als Repräsentant einer vergangenen Epoche -in der<br />

es noch sehr viel mehr Mut gekostet hat einen authentischen, von der<br />

inneren Wahrheit bestimmten Weg zu gehen und anderen Gesetzen zu<br />

gehorchen als denen der Gesellschaft- einen Verlust zu beklagen und<br />

zu betrauern als auch eine neue Hoffnung zu schaffen.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Sämann</strong> als Symbolgestalt steht für die Phase der Investition. Sie<br />

ist absolut positiv! Sie wird erst in dem Moment tragisch wo „Schädlinge“<br />

oder „Unwetter“ den ausgelösten Prozess hemmen oder zerstören<br />

und den „Point on return“, die Blüte und die Ernte verhindern. Auch<br />

van Gogh war ein <strong>Sämann</strong>, der sich dem Risiko ausgeliefert hatte ohne<br />

„Lohn“ auszugehen...; unbeirrt folgte er seinem inneren Feuer. Obwohl<br />

er in seinem persönlichen Leben scheiterte ist er ein Vorbild!<br />

Was symbolisiert der <strong>Sämann</strong>?<br />

Für mich ist der <strong>Sämann</strong> die Initialfigur der Fruchtbarkeit, der Urheberschaft.<br />

Das ganze Leben ist ein Zusammenspiel von Säen und Ernten –<br />

Ursache und Wirkung. Es ist wichtig zu wissen, was man sät. Jedes<br />

Wort ist eine Saat, jede Handlung im Sinne des Karma; es kann sehr<br />

lange dauern bis sie aufgeht aber eines Tages geht sie auf. Heute wo<br />

wir mehr und mehr wissenschaftlich und instrumentell denken mutet<br />

das fremd an. Niemand will der Schöpfer seines Unglücks, seiner<br />

Krankheit oder seiner Pleite sein; es ist bequemer wenn man das Opfer<br />

ist. Wirklich Verantwortung zu übernehmen heißt für mich aber<br />

anzuerkennen dass ich auch mein Unglück gesät, das heißt der Autor<br />

davon bin. Nur durch diese Anerkennung nämlich können wir wirklich<br />

schöpferisch sein und mächtig. Alles was geschieht ist Ernte und Saat<br />

zugleich da immer ein Teil der Ernte die neue Saat ist und jede Ernte<br />

wurde irgendwann gesät [...] von uns!<br />

Für mich persönlich war oder ist der <strong>Sämann</strong> die Auseinandersetzung<br />

damit, dass ich selber gespalten bin. Auch einerseits in eine<br />

Urheber-Persönlichkeit die sät, kreiert, voll Verantwortung übernimmt<br />

und andererseits in einen armen Tropf der die Welt erleidet und sich<br />

beklagen muss; [...] und halt auch vergisst, was er alles sät und gesät<br />

hat.<br />

Nur selten sind uns diese Zusammenhänge wirklich bewusst. Wenn wir<br />

uns beispielsweise die modernen Medien ansehen, die uns regelmäßig<br />

mit irgendwelchen Schicksalsmeldungen überfluten, dann denken wir,<br />

dass wir damit eigentlich nichts zu tun haben und wir schimpfen dann<br />

über die anderen und denken es fällt vom Himmel. Wenn wir aber<br />

die Bereitschaft aufbringen, uns die dahinterstehenden Systeme anzuschauen,<br />

müssen wir uns letztlich zugestehen, dass wir mit unserem<br />

Verhalten an allem mitwirken und so einiges mittelbar und unmittelbar<br />

miterzeugen. Irgendwann haben wir mit unserem Handeln und Denken<br />

in der Vergangenheit eine Saat für ein Ereignis in der Zukunft gesetzt,<br />

die vielleicht schon zur Gegenwart geworden ist. Vielen ist dies nicht<br />

bewusst, dass sie heute das ernten, was sie gestern selber gesät haben,<br />

z.B in Form von negativen Erwartungen, Ängsten, Halbherzigkeit,<br />

Verachtung etc. und man wird dann tatsächlich krank oder verliert<br />

die Stelle oder den Partner oder führt ein unbefriedigendes Leben in<br />

Zwängen.<br />

Warum ist der <strong>Sämann</strong> alleine?<br />

Figur<br />

In diesem Feld wird tatsächlich nur der <strong>Sämann</strong> dargestellt. Oft ist es<br />

so, dass das Säen vom Ernten scheinbar abgekoppelt ist, weil soviel<br />

Zeit dazwischen ist. Meist sind die, die ernten andere als die, die gesät<br />

haben. Früher war in der Landwirtschaft der Säende auch oft ein<br />

Taglöhner, der bei der Ernte meist ganz woanders war. Dadurch das<br />

zwischen säen und ernten diese Zeit ist, wird es eben möglich zu vergessen.<br />

Im Leben liegt oft viel mehr Zeit als ein paar Monate zwischen<br />

diesen zwei Phasen. Da wir in manchen Dingen sehr vergesslich sind,<br />

wissen wir dann nicht, wenn Geschehnisse eintreffen, worin sie begründet<br />

sind und aus was für Quellen sie stammen. Wir können nicht<br />

nachvollziehen, dass wir die Urheber sind. Das gilt vor allem fürs „Negative“<br />

für das „Positive“ will jeder gleich die Urheberschaft an sich<br />

reißen, das heißt quasi das „Gute“ hat man „verdient“, das „Schlechte“<br />

hat man nicht „verdient“.<br />

Irgendwie ist der <strong>Sämann</strong> eine einsame Gestalt, die lediglich in einer<br />

Beziehung zur Erde und zum Kosmos steht. Bei van Gogh steht auch<br />

eine riesige Sonne am Horizont und im Vordergrund ein Baum. <strong>Der</strong><br />

<strong>Sämann</strong> selbst ist eine Art Gesetz. Ein Symbol für die Hingabe und Ein-


Konstruktionsplan<br />

Thema<br />

gebundenheit an und in einen Prozess aber auch ein Symbol für unsere<br />

menschliche Vollmacht! Vielleicht ist das Zufall aber im Original von<br />

Vincent van Gogh ist der Kopf des <strong>Sämann</strong>es im unteren Feld der riesigen<br />

Sonne in etwa der gleichen Achse wie diese, die linke Hand -das<br />

Tuch haltend, auch in dieser Achse- liegt auf dem Herzen, während<br />

die rechte die Saat auswirft, beinahe aus dem Bild heraus.<br />

Das Ziel meiner Arbeit war ja, diese Bretter so zusammenzuschustern,<br />

dass die Silhouette zum Fotomodell wurde, ich wollte eigentlich<br />

ein Bild machen mit einer sehr umwegigen Methode. Das Ganze ist<br />

gleichzeitig auch eine Skulptur. Das eigentliche Produkt jedoch ist eine<br />

Fotografie, ein neues Bild: Himmel-Mensch-Erde. Und es ist das Bild<br />

von einem Menschen ganz alleine zwischen Himmel und Erde. Weil wir<br />

in unserer Schicksals-Verantwortung ganz kosmisch und ganz alleine<br />

sind wie Sterne selbst wenn wir mitten in der Gesellschaft stecken und<br />

in viele kollektive Geschehnisse verwickelt sind.<br />

Kannst Du dieses Thema „säen-ernten“ noch weiter erläutern und<br />

mit der heutigen Situation in Verbindung bringen<br />

Mehr als je wird es notwendig, aus einem authentischen inneren<br />

Impuls heraus das Leben zu gestalten, ohne sich zu vergleichen oder<br />

ein Resultat zu berechnen! Ganz im Gegensatz zu den Lehrsätzen der<br />

Wirtschaft. Alle sensiblen Verfahren sind heute wirtschaftlich untauglich,<br />

da sie Faktoren beinhalten wie lange Wartezeiten etc. Etwas reif<br />

werden zu lassen ist anachronistisch! In wirtschaftlichen Prozessen mit<br />

den Faktoren Intuition und Vertrauen zu arbeiten ist obsolet.<br />

Unsere Wirtschaft möchte mit allen Mitteln dem Wunsch der<br />

Menschen, alles möglichst schnell und ohne große Investitionen zu<br />

bekommen, entsprechen. Natürlich weil diese Fickerigkeit das Absatztpotential<br />

schlechthin ist. Dabei werden wichtige Gesetzmäßigkeiten<br />

der Natur übergangen. Schließlich können wir nicht erwarten, dass<br />

ein Kern, den wir heute in den Boden bringen, bereits morgen einen<br />

ausgereiften Kürbis für unser Mittagessen hervorbringt. Wir müssen<br />

Geduld aufbringen und sind vielen Faktoren wie dem Wetter ausgeliefert,<br />

wenn es zu trocken ist, fällt die Ernte eben etwas kleiner aus.<br />

Wenn wir uns auf solche Prozesse wirklich einlassen, lernen wir, dass<br />

wir nicht alles in der Hand haben. Doch heute sind wir ja nicht mal<br />

bereit uns auf den Prozess der Nahrungszubereitung einzulassen,<br />

geschweige denn den eigenen Anbau von Gemüse. Wir überlassen<br />

das Kochen, weil es aufwendig und zeitintensiv ist, immer mehr den<br />

Fastfood-Ketten oder greifen auf Fertiggerichte vom Supermarkt oder<br />

vom Eismann zurück oder essen belegte Brote von der Tankstelle. Aus<br />

„Zeitmangel“ wird geschlungen. Wenn wir uns wenigstens die Zeit zum<br />

Kauen unserer Nahrung nehmen würden, könnten wir die Leere und<br />

die Geschmacklosigkeit dieser Gerichte bestimmt nicht ertragen. Die<br />

Schnelligkeit scheint heute vielen Menschen enorm viel zu bedeuten.<br />

Sie ist zu einem absurden Maßstab geworden. Vielfach wird lieber auf<br />

Qualität verzichtet, als auf Schnelligkeit.<br />

Wie entstand diese Arbeit, wie war der Prozess von den ersten<br />

Ideen zur fertigen Figur<br />

Mein <strong>Sämann</strong> entstand in einer Phase, in der ich aufgehört habe einzukaufen.<br />

Natürlich unter dem Einfluss von Beuys, der gesagt hat, dass<br />

der erste Fehler beim Arbeiten ist, wenn man loszieht um Material<br />

einzukaufen. Bei meiner Arbeit standen jedoch auch ökologische und<br />

persönliche Aspekte im Vordergrund, die zur Verweigerung führten,<br />

ressourcen-schädigende Materialien zu verwenden. Ich habe angefangen<br />

mit Dingen zu arbeiten, die rum lagen und die für andere Leute<br />

keinen Wert mehr hatten. Dabei handelte es sich nicht etwa um irgendwelche<br />

interessanten Fundstücke, sondern um wirklichen Abfall,<br />

gar nichts Besonderes! Ich fand Recycling faszinierend und es machte<br />

mir damals großen Spaß in Abfällen herumzustöbern und so verwendete<br />

ich Abfälle. Abfall ist heute der mächtigste und interessanteste<br />

Rohstoff.<br />

Ich besichtigte den Hof in Bisdamitz einige Wochen vor der Jubiläumsveranstaltung<br />

und da war ein Haufen halbmorscher Bretter und<br />

Pfähle vom Abbruch eines alten Nebengebäudes. Ich entschloss mich,<br />

daraus was zu machen. Ich wusste aber noch nicht was und fing an im<br />

Geist herumzustreifen.<br />

Im Berliner Umland nach der Wende konnte man hunderten von<br />

Werbetafeln (Pfahlgerüst plus Frontfläche) an den Straßenrändern sehen,<br />

wie in Amerika oder gewissen Teilen Frankreichs. Immer wieder<br />

kreisten meine Gedanken um diese „Zweckskulpturen“ und der Möglichkeit<br />

dieses Prinzip irgendwie anzuwenden.<br />

Die bäuerischen Themen interessieren mich schon lange, da sie<br />

zur Basis der Kultur gehören, jedoch der Kunst im gesellschaftlichen<br />

Strickmuster entgegengesetzt sind; oder besser ausgedrückt ist die<br />

Landwirtschaft die Wurzel und die Kunst die Blüte der gesellschaftlichen<br />

Gestalt. Das Verhältnis zur Erde ist ein bedeutender Parameter<br />

für das Niveau einer Kultur. Unsere technisch orientierte Zivilisation,<br />

die nur noch Schatten einer Kultur ist, zeigt dies deutlich: die Erde<br />

wird nur noch als Halterung für das Saatgut und die Wurzeln der<br />

Pflanzen verwendet und ansonsten gleich behandelt wie ein Nährboden<br />

im Labor. Es gibt keinen Mythos, keinen Dank, kein Respekt und auch<br />

nicht viel Freude; sie wird als kalter, pragmatischer Faktor und nicht<br />

als Wesen verstanden! Protagonist in der Entmythifizierung und Pornographisierung<br />

der Erde ist Amerika. Für mich wurde nun klar, dass<br />

diese Werbe-Tafelskulpturen an den Straßenrändern eine Art Ikone<br />

eines modernen Mythos sind: der Verkaufs-Show, der Werbung! Die<br />

Werbung nimmt einen enormen Raum ein; sie ist eine neue Kirche, ein<br />

Bindeglied und Orientierungsmittel ohne das man heute wirtschaftlich<br />

nicht überleben kann und ohne dies unser Welt auch sehr grau wäre,<br />

da eine echte Kultur ja fehlt. Einer der bedeutendsten Werber (ein<br />

Amerikaner!) hat mal gesagt, dass die Verkäufer die Helden des 21.<br />

Jahrhunderts sein werden. Also nicht die Kreatoren, Erfinder, Forscher


Alles was abfiel nahm ich mit und stupfte kleine <strong>Sämann</strong>-Silhouetten auf die Holzstücke. Die Verwertung des Abfalls vom Abfall. Damit ging ich<br />

am Tag des Bioland-Fests auf den Markt, der Teil der Jubiläumsveranstaltung war, und bot neben den Bäckern, Käsern und Gemüsehändlern die<br />

Stücke feil.<br />

und Produzenten oder Staatsführer, Wissenschaftler, Heiligen und Weisen<br />

sondern die Verkäufer!<br />

Die Mechanismen des Marktes haben mich schon immer fasziniert.<br />

Mit dem <strong>Sämann</strong>, der nach dem Prinzip einer großen Werbetafel geplant<br />

und gebaut wurde, wollte ich eine paradoxe Sache in eine Form<br />

bringen. Also eben den <strong>Sämann</strong> der bäuerliche Disziplin und Tradition,<br />

Ordnung, Aufgabentreue, Erd- und Naturverbundenheit aber -weil<br />

er von van Gogh ist- auch tragischer Individualismus, Bohème, Radikalismus<br />

und Bruch mit den ordnungsgebenden Insanzen verkörpert<br />

mit einer aktuellen Werbemethoden zu verbinden.<br />

Die Arbeit ist auf der Insel Rügen in der ehemaligen DDR entstanden.<br />

1996, also 7 Jahre nach der Wende. Hat diese Arbeit einen Bezug<br />

zur dortigen Situation?<br />

Die Wiedervereinigung hat die Kunst in Ost und West erst mal blokkiert;<br />

plötzlich floss spürbar weniger Geld und Support in die Kultur.<br />

Obwohl auch viel Hoffnung da war. Jedoch konnte man sehr spüren,<br />

was Priorität hatte. Es war eine Krise, die dazu führte, dass auch viele<br />

kleine Privatsammler kein Geld mehr für Kunst ausgaben. Und im<br />

Osten war sowieso nichts mehr los; die versuchten alle direkt oder<br />

indirekt im Westen anzudocken.<br />

In dieser intensiven Phase des Paradigmenwechsels befand ich mich<br />

in Berlin. Mir stellte sich die Frage, ob man die Kunst nicht an einen<br />

anderen Platz in der Gesellschaft rücken könnte, damit sie nicht unter<br />

der Dominanz der sogenannten Grundbedürfnissen und deren Ökonomie<br />

eine Schattenrolle bekommt. Es kann doch manchmal wichtiger<br />

sein, ein Bild anzuschauen oder Musik zu hören als etwas zu essen!<br />

Es ist auch möglich, geistig zu verhungern oder seelisch obdachlos zu<br />

sein!


Als Antwort auf diese Überlegungen entstand ein kreisförmiger<br />

Stempel: Kunst = Brot = Kunst = Brot. Ich verband damit die Hoffnung,<br />

dass erkannt wird, dass Kunst ein geistig-seelisches Grundnahrungsmitteln,<br />

also ein echtes Lebens-Mittel ist. Hinter dem Begriff<br />

Brot steht natürlich viel mehr als das Brot, welches wir beim Bäcker<br />

kaufen. Das Brot ist ein Symbol für die Grundversorgung des Körpers,<br />

während die Kunst die Grundversorgung des Geistes und der Seele<br />

symbolisiert. Das Oben und das Unten – "wie im Himmel so auf Erden".<br />

Heute ist Kunst nicht an Zwecke gebunden und daher relativ<br />

frei, zumindest frei von einem Auftrag. Brot und Kunst sind von ihrer<br />

Natur her zwei komplementäre Energien, die einander bedingen und<br />

ohne einander keinen Bestand haben – keinen Sinn ergeben. Beide<br />

Komponenten gehören zu einem ganzen Menschen; das setzt das Streben<br />

nach Ganzheit voraus. Kunst ist eine Art Nahrung der Seele und<br />

des Geistes und gleichzeitig ihr Ausdruck.<br />

Nachdem mir diese Zusammenhänge klar wurden, wurde mir bewusst,<br />

dass die Lebensmittelbranche gegenüber der Kunstbranche eine komplementäre<br />

Stellung einnimmt. Schon immer dachte ich, wenn ich mal<br />

was anderes mache als Kunst, würde ich in die Lebensmittelbranche<br />

www.antonius-conte.com<br />

gehen, ans andere Ende eben wegen dieses Gegensatzes. Es kam in<br />

mail@antonius-conte.com<br />

meiner persönlichen Biographie dann tatsächlich zu einem Fronten-<br />

10 5 / 1999 Novalis<br />

wechsel. Es befriedigte mich schon länger nicht mehr im Atelier zu<br />

hocken. Seit über 4 Jahren bin ich nun in der BIO-Lebensmittelbranche<br />

als freier Unternehmer tätig. Ich habe eine Marke kreiert für Produkte<br />

aus biologisch-dynamischem und biologischem Anbau und bin<br />

dabei meinen eigenen Aufruf von 1996 zu verwirklichen.<br />

Was geschah nach dem Bioland-Anlass mit dem <strong>Sämann</strong>?<br />

Er blieb einfach auf dem Acker stehen und wurde dann vom ersten<br />

richtigen Wintersturm umgefegt; dann wurden noch die Öfen auf dem<br />

Hof damit angefeuert.<br />

Du warst am 31. August auch mit einem Stand auf dem Hofmarkt<br />

zusammen mit anderen Händlern und Bauern. Wie ist das zu verstehen?<br />

Als wir die Silhouette des <strong>Sämann</strong>s mitten im Acker bauten, stellten<br />

wir ein Pfahlgerüst auf und nagelten Bretter vorne drauf. Nicht akkurat<br />

und schön, sondern schnell, bewusst-pfuschig und expressiv<br />

– obwohl ich sogar einen Plan angefertigt hatte. Dann zeichnete ich<br />

die Figur auf die Fläche und schnitt sie mit der Kettensäge aus. Alles<br />

was abfiel, nahm ich mit und stupfte kleine <strong>Sämann</strong>-Silhouetten auf<br />

die Holzstücke. Die Verwertung des Abfalls vom Abfall. Damit ging ich<br />

am Tag des Bioland-Fests auf den Markt, der Teil der Jubiläumsveranstaltung<br />

war, und bot neben den Bäckern, Käsern und Gemüsehändlern<br />

die Stücke feil. Weit weg in der Achse des Platzes, auf dem ich<br />

den Tisch aufstellte, war die 5 Meter hohe <strong>Sämann</strong>-Silhouette auf dem<br />

Acker zu sehen.<br />

Dies war’s nun. Da stand ich auf dem Markt als Verkäufer! Nicht auf<br />

dem Kunstmarkt. Auf dem Lebensmittelmarkt!<br />

Die Botschaft dieser ganzen Sache ist, dass die Landwirtschaft eine<br />

der großen Künste ist. In dem Sinne ist jeder Landwirt, jeder „Brotmacher“<br />

aufgerufen, sich zu trauen Künstler zu sein. Das heißt einfach<br />

sich von linearen, additiven Konzepten (1+1=2) zu trennen und in<br />

die Schönheit, die Poesie und das schöpferische Risiko zu investieren.<br />

Jeder Künstler kann dazu beitragen, dass das „Brot“ besser wird. Das<br />

heißt sich von Standesdünkel zu trennen und aus dem Atelier raus in<br />

den Wald, auf den Acker, auf den Markt, auf den Bau, in die Fabrik!<br />

Wie hast Du diesen Aufruf selber umgesetzt?<br />

Antonius Conte<br />

1954 (Wädenswil/CH) geboren und aufgewachsen.<br />

1970-74 (Zürich) Bauzeichner-Lehre. Private Ausbildung und<br />

Kurse in Kunstgeschichte, visuelle Kommunikation, Zeichnen,<br />

klassische Gitarre.<br />

1974-77 (verschiedene Orte, CH) autodidaktische Auseinandersetzung<br />

mit Malerei und Plastik.<br />

1977-86 (verschiedene Orte, CH, Amerika, Berlin) Tätigkeiten:<br />

Briefträger, Hilfskrankenpfleger, Holzfäller, Fensterputzer, Kellner.<br />

Später: Dekorations- und Schriftenmaler, Bauhandwerker,<br />

dann Planung und Gestaltung von Innenräumen und Häusern.<br />

1982 löse meinen ganzen Besitz auf und gehe nach Amerika.<br />

Danach direkt nach Berlin.<br />

Ab 1983 fester Wohnsitz in Berlin.<br />

1986 nach einer längeren Pause Neueinstieg in die Malerei.<br />

1991 fange an mit Bauhandwerkermethoden zu arbeiten und<br />

verwende Baustoffe, Junkmaterialien, Abfälle und Natur. Das<br />

gemalte Bild verschwindet.<br />

Gründung der Galerie T&A in Berlin-Mitte mit Tanja Hermann<br />

Gründung des ersten Rügenschen Kunstvereins auf Rügen, Mecklenburg<br />

Vorpommern<br />

1992-94 Atelier in Hennigsdorf bei Berlin. Stromere tagelang in<br />

den Steppen und Müllhalden am Rand der Stadt herum: Heilpflanzen,<br />

Bäume, Erde, Blech, Polster, Büchsen.<br />

1994/95 Heilpraktikerausbildung als Projekt<br />

Die Verbindung zwischen Kunst, Medizin, Bauen und Natur wird<br />

der Inhalt meiner Arbeit.<br />

1995-2000 Atelier in Töpchin / Brandenburg und Berglase/Rügen<br />

1996 Gründung der Marke „NaturKraftWerke®“ für biologischdynamische<br />

und biologische Naturprodukte und Lebensmittel<br />

und Firmierung unter diesem Namen. Aufbau dieses Unternehmens.<br />

1996-2000 Pendeln zwischen<br />

Berlin-Töpchin-Zürich<br />

2001 neues Atelier in Schnerkingen<br />

bei Messkirch / Bodensee-Albregion,<br />

BW


„Besinne dich doch:<br />

wer verdarb je unschuldig,<br />

wo wurden Gerechte vernichtet?<br />

Soviel ich gesehen:<br />

Die Unrecht säen, die ernten es auch.<br />

Durch Gottes Odem verderben sie,<br />

vom Hauch seines Zornes schwinden sie hin.“<br />

Erste Rede des Eliphas/Erwiderung auf Hiobs Klage<br />

Das Gleichnis vom <strong>Sämann</strong> und seine Deutung<br />

Siehe, der <strong>Sämann</strong> ging aus, um zu säen. Und indem er säte, fiel etliches<br />

auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen es auf. Andres<br />

fiel auf den felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und es ging<br />

sogleich auf, weil es nicht tiefe Erde hatte; als aber die Sonne aufging,<br />

wurde es verbrannt, und weil es nicht Wurzel hatte, verdorrte es. Andres<br />

fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen auf und erstickten<br />

es. Noch anderes fiel auf den guten Boden und brachte Frucht,<br />

etliches dreißigfältig. Wer Ohren hat, der höre!<br />

Die Jünger traten herzu und sagten zu ihm: Warum redest du in<br />

Gleichnissen zu ihnen? Er aber antwortete und sprach: Weil es euch<br />

gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu erkennen,<br />

jenen aber ist es nicht gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben<br />

werden, und er wird Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird<br />

es genommen werden was er hat. Deshalb rede ich in Gleichnissen zu<br />

ihnen, weil sie mit sehenden Augen nicht sehen und nicht verstehen.<br />

Und es erfüllt sich an ihnen die Weissagung des Jesaja, welche sagt:<br />

„Hören werdet ihr und nicht verstehen, und sehen werdet ihr und<br />

nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt und ihre<br />

Ohren sind schwerhörig geworden und ihre Augen haben sie geschlossen,<br />

damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren<br />

hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und ich sie<br />

heile.“<br />

Selig aber sind eure Augen, weil sie sehen, und eure Ohren, wie sie<br />

hören. Denn wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte<br />

haben begehrt, zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen,<br />

und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.<br />

So höret nun ihr das Gleichnis vom <strong>Sämann</strong>! Sooft jemand das Wort<br />

vom Reiche hört und es nicht versteht, komm der Böse und raubt das,<br />

was in sein Herz gesät ist. Dies ist der, welcher auf den Weg gesät ist.<br />

<strong>Der</strong> aber [, bei dem der Same] auf den felsigen Boden gesät ist, das<br />

ist der, welcher das Wort hört und es alsbald mit Freuden aufnimmt;<br />

er hat jedoch keine Wurzel in sich, sondern ist ein Mensch des Augenblicks;<br />

wenn aber um des Wortes willen Trübsal oder Verfolgung<br />

entsteht, nimmt er alsbald Anstoß. <strong>Der</strong> aber [, bei dem der Same]<br />

auf den guten Boden gesät ist, das ist der, welcher das Wort hört und<br />

versteht; dieser bringt denn auch Frucht, und zwar trägt der eine hundertfältig,<br />

der andre sechzigfältig, ein anderer dreißigfältig.<br />

(Aus den Sieben Gleichnissen bei Matthäus (Kap. 12, 38-13, 11)<br />

Um den 30. Juni 1888<br />

Ich arbeite sogar mitten am Tage, mitten im Sonnenschein ohne jeden<br />

Schatten, in den Kornfeldern, kreuzvergnügt wie eine Grille. Großer<br />

Gott, wenn ich doch dieses Land mit fünfundzwanzig Jahren gekannt<br />

hätte, statt mit fünfunddreißig herzukommen! In jener Zeit war ich für<br />

Grau begeistert, oder richtiger für das Farblose, ich träumte immerfort<br />

von Millet, und dann hatte ich in Holland Bekannte vom Schlag<br />

der Maler Mauve, Israels usw. Da hast Du eine Skizze vom <strong>Sämann</strong>.<br />

Weites umgepflügtes Gelände mit Erschollen, zum großen Teil frischweg<br />

violett. Reifes Kornfeld in einem ockergelben Ton mit bisschen<br />

Karmin.<br />

<strong>Der</strong> Himmel chromgelb, fast ebenso hell wie die Sonne selbst, die<br />

Chromgelb I mit ein wenig Weiß ist, während der übrige Himmel<br />

Chromgelb I und II gemischt ist. Sehr gelb also.<br />

Das Hemd des <strong>Sämann</strong>s ist blau und seine Hose weiß..<br />

Im Gelände gibt es immer wieder Andeutungen von Gelb, neutrale<br />

Töne, die aus der Mischung von Violett und Gelb entstehen; aber mit<br />

der Wahrheit der Farbe habe ich es nicht so genau genommen. Vielmehr<br />

will ich kindlich-schlichte Bilder machen wie in alten Kalendern,<br />

alten Bauernkalendern, wo Hagel, Schnee, Regen, Schönwetter auf<br />

eine ganz primitive Art dargestellt sind... Ich verhehle Dir nicht, dass<br />

ich das Landleben durchaus nicht verabscheue, denn ich bin auf dem<br />

Lande groß geworden – noch wie früher entzücken mich unvermutet<br />

auftauchende Kindheitserinnerungen, Sehnsüchte nach jenem Unendlichen,<br />

wofür <strong>Sämann</strong> und Garbe Sinnbilder sind.<br />

(Vincent Van Gogh, Ein Malerleben. <strong>Der</strong> Künstler in seinen Briefen<br />

an den Bruder Theo, an Freunde und Familie. Henschelverlag Kunst<br />

und Gesellschaft, Berlin 1982)<br />

Das Gespräch mit Antonius Conte führte Njezna Pivac<br />

Dieser Beitrag erscheint in der Reihe "Herausforderungen der Seele"<br />

von Njezna Pivac<br />

©NOVALIS 2001<br />

<strong>Der</strong> Säman,<br />

Feder (Brief-Skizze)<br />

Van Gogh,<br />

November 1888


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