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Medizinisches Fachmagazin Baermed.-Zentrum Für Bauchchirurgie an der Klinik Hirslanden Zürich. Artikel und Informationen zu wissenschaftlichen Forschungen und Handlungsempfehlungen die Operation und Praxis

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Medical Tribune · 47. Jahrgang · Nr. 23 · 6. Juni 2014<br />

17<br />

Gastroenterologie<br />

SPECIAL<br />

Die unerträglichen Oberbauchschmerzen sind mit Medikamenten kaum zu beherrschen<br />

Bei der chronischen, rezidivierenden<br />

Pankreatitis hilft meist nur die Operation<br />

ZÜRICH – Die Therapie einer chronischen,<br />

rezidivierenden Bauchspeicheldrüsenentzündung<br />

richtet<br />

sich in erster Linie nach den<br />

Beschwerden der betroffenen Patienten.<br />

Das grösste Problem bei<br />

dieser Krankheit stellen die kaum<br />

erträglichen Oberbauchschmerzen<br />

dar, die medikamentös meistens<br />

kaum zu beherrschen sind. Diese<br />

Schmerzen sind auch die Hauptindikation<br />

zur operativen Sanierung,<br />

erklärt Professor Dr.<br />

Hans-Ulrich Baer, Facharzt FMH<br />

für Viszeralchirurgie und Leiter<br />

des Zentrums für Bauchchirurgie<br />

an der Hirslanden Klinik in<br />

Zürich, der sich seit Jahren mit<br />

hepatobiliärer und Pankreaschirurgie<br />

befasst.<br />

Neben den konservativ schwer<br />

kontrollierbaren Schmerzen können<br />

zusätzlich Organkomplikationen<br />

entstehen, die konventionell<br />

nicht beherrschbar sind. Bei der<br />

chirurgischen Therapie der chronischen<br />

Pankreatitis muss, laut Prof.<br />

Baer, das chronisch entzündlich<br />

Prof. Dr.<br />

Hans-Ulrich<br />

Baer<br />

Hirslanden Klinik<br />

Zürich<br />

Foto: zVg<br />

veränderte Pankreasgewebe möglichst<br />

organsparend nach dem Motto<br />

«so viel wie nötig, so wenig wie<br />

möglich» komplett entfernt werden.<br />

Neben Schmerzen, die durch<br />

die Entzündung im Gewebe verursacht<br />

werden, spielt die Genese der<br />

Schmerzen durch einen erheblich<br />

dilatierten Pankreasgang eine zusätzliche<br />

wichtige Rollte. Alleinige<br />

Pankreas-Drainageoperationen mit<br />

Ableitung des Ductus pancreaticus<br />

durch eine Pancreatico-Jejunostomie<br />

sind nur bei etwa der Hälfte<br />

der Patienten langfristig erfolgreich.<br />

Richtiges Op.-Verfahren<br />

bringt Schmerzfreiheit<br />

Bei anhaltenden Schmerzen und<br />

Komplikationen der Nachbarorgane<br />

wie Verengung des Hauptgallengangs<br />

oder Übergreifen der<br />

Entzündung vom Pankreaskopf<br />

auf das Duodenum mit funktionellen<br />

Stenosen muss resektiven<br />

Massnahmen der Vorzug gegeben<br />

werden. Durch die stadiengerechte<br />

und adäquate Wahl der Operationsverfahren<br />

kann bei über drei<br />

Vierteln der Patienten eine lang anhaltende<br />

Schmerzfreiheit und eine<br />

Vermeidung weiterer Pankreatitis-<br />

«Die chronische Pankreatitis<br />

ist ein inhomogenes<br />

Krankheitsbild.»<br />

Schübe erreicht werden, ohne eine<br />

Verschlechterung speziell der endokrinen<br />

Funktion in Kauf nehmen<br />

zu müssen.<br />

Die chronische Pankreatitis ist<br />

ein inhomogenes Krankheitsbild<br />

unterschiedlicher, zum Teil multifaktorieller<br />

Genese und variablen<br />

klinischen Verlaufs. Zugrunde liegt<br />

ein chronisch entzündlicher Prozess,<br />

dem nach Destruktion und Fibrosierung<br />

des Pankreasgewebes eine<br />

zunehmende Einschränkung der<br />

exokrinen Pankreasfunktion und im<br />

Spätstadium auch ein Verlust der endokrinen<br />

Drüsenfunktion folgt. Die<br />

genaue Pathogenese der chronischen<br />

Pankreatitis bleibt nach wie vor unbekannt.<br />

Hauptauslöser der chronisch<br />

fibrosierenden Erkrankung<br />

ist in Europa der Alkoholabusus (ca.<br />

70 % aller Fälle). In ca. 25 % der Fälle<br />

geht man von einer idiopathischen<br />

Genese aus (juvenile und senile<br />

Form) und in ca. 5 % liegen seltene<br />

Ursachen (z. B. Heredität, Hyperparathyreoidismus,<br />

Trauma, Pancreas<br />

divisum etc.) vor. Nach pathomorphologischen<br />

Kriterien lassen<br />

sich zwei Hauptformen der chronischen<br />

Pankreatitis unterscheiden:<br />

Die eher seltene chronisch<br />

obstruktive Pankreatitis, welche<br />

auf dem Boden einer Einengung<br />

des Ductus pancreaticus und der<br />

grösseren Seitenäste durch Tumore,<br />

Papillenstenosen oder stenosierende<br />

Vernarbungen entstehen. Die zweite,<br />

häufigere Form, ist die chronisch<br />

kalzifizierende Pankreatitis, gekennzeichnet<br />

durch die irregulär über<br />

Totale Pankreatektomie<br />

Die totale Pankreatektomie beinhaltet<br />

die Entfernung der gesamten Bauchspeicheldrüse,<br />

des Duodenums und der<br />

Milz. Dieser Eingriff ist bei Patienten<br />

mit stärksten Schmerzen nach zunächst<br />

erfolgreicher Anlage einer Pankreas-<br />

Drainage-Operation oder einer Resektion<br />

des Pankreaskopfs indiziert, wenn primär<br />

nicht entzündliches Gewebe im Pankreaskorpus-<br />

und -schwanzbereich sekundär<br />

ebenfalls chronisch entzündet werden.<br />

Dies kann bei Patienten notwendig<br />

werden, die weiterhin Alkohol trinken.<br />

In diesen Fällen besteht zusätzlich eine<br />

ausgeprägte endo- und exokrine Insuffizienz.<br />

Die totale Pankreatektomie wird<br />

daher bei weniger als 3 % aller Patienten<br />

mit chronischer Pankreatitis angewandt.<br />

Sie verhilft aber den Patienten<br />

zu Schmerzfreiheit.<br />

1<br />

2<br />

1: Patient mit chronischer Pankreatitis.<br />

Pankreaskopf aufgetrieben mit chronisch<br />

entzündlichem Gewebe. Die weissen Stellen<br />

sind grosse Verkalkungsbezirke.<br />

Ausgedehnte Verkalkungen auch in Korpus<br />

und Schwanz.<br />

2,3: CT sechs Monate später. Ausbildung<br />

einer zusätzlichen Pankreaszyste im Kopfbereich.<br />

Fotos: Prof. Baer<br />

3<br />

den Pankreas verteilten Entzündungen<br />

der intralobulären Pankreasgänge,<br />

die zu Distorsion, Einengung und<br />

konsekutiven Erweiterungen führen.<br />

Leitsymptom der chronischen<br />

Pankreatitis ist der Oberbauchschmerz,<br />

welcher klassischerweise<br />

in den Rücken ausstrahlt und<br />

anfallsweise in Abhängigkeit von<br />

Nahrungsaufnahme, aber auch<br />

nahrungsunabhängig auftreten<br />

und auch in einen Dauerschmerz<br />

übergehen kann. Gewichtsabnahme,<br />

Steatorrhoe, Diabetes mellitus,<br />

Ödeme und Aszites sind typisch für<br />

das Endstadium der chronischen<br />

Pankreatitis.<br />

Die Schmerzentwicklung der<br />

Erkrankung ist jedoch nicht vorhersehbar<br />

und nur bedingt durch<br />

konservative Massnahmen behandelbar.<br />

Auch die Hoffnung, dass die<br />

Schmerzen mit dem progredienten<br />

Parenchymverlust im Verlauf der<br />

Erkrankung abnehmen (sogenanntes<br />

«Ausbrennen der Drüse») gilt<br />

nur für einen Teil der Patienten. Die<br />

genaue Pathogenese des Schmerzgeschehens<br />

bei chronischer Pankreatitis<br />

ist noch unklar. Erwiesen<br />

ist, dass eine Druckerhöhung im<br />

Pankreas-Hauptgang und im Pankreasparenchym<br />

sowie eine spezielle,<br />

bei chronischer Pankreatitis<br />

morphologisch fassbare Neuritis<br />

mit Freisetzung von sensorischen<br />

Schmerzhormonen wesentlich zur<br />

Schmerzentstehung beitragen. Nachgewiesen<br />

ist auch eine direkte Infiltration<br />

von Entzündungszellen in die<br />

Neuralscheiden. Da diese Neuralscheiden<br />

aus fettlöslichen Substanzen<br />

aufgebaut sind, erreichen die<br />

üblichen wasserlöslichen Analgetika<br />

den Ort der Schmerzentstehung<br />

kaum. Bei einem Grossteil der Patienten<br />

mit besonders starken Bauchschmerzen<br />

ist auch eine entzündliche<br />

Pankreaskopfvergrösserung zu<br />

objektiveren, die zu lokalen Komplikationen<br />

führen kann, wie zu einer<br />

«Die genaue Pathogenese<br />

des Schmerzgeschehens<br />

ist unklar.»<br />

Einengung des Ductus choledochus<br />

oder zu einer Pankreashauptgangstenose<br />

im präpapillären Segment, zu<br />

einer Duodenumstenosierung oder<br />

zu einer Stenose der Vena portae<br />

bzw. der Vena mesenterica superior.<br />

So gilt ein entzündeter Pankreaskopf<br />

als «Schrittmacher» der Erkrankung.<br />

Pankreatitiden, die im Wesentlichen<br />

im Pankreaskorpus und -schwanz<br />

lokalisiert sind, führen zu Komplikationen<br />

im Sinne von entzündlichen<br />

Tumoren und Pseudozysten mit Lokalverdrängung<br />

anderer Organe in<br />

diesem Bereich.<br />

Erster Schritt: Alkohol- und<br />

Rauchverzicht<br />

Bei der Behandlung der Alkoholbedingten<br />

chronischen Pankreatitis<br />

ist ein absoluter Alkoholverzicht<br />

der erste Schritt. Raucher<br />

sollten zudem ihren Nikotinverbrauch<br />

reduzieren oder möglichst<br />

ganz einstellen. Im zweiten Schritt<br />

versucht man, wieder eine ausreichende<br />

Verdauung der Nahrung<br />

durch Einnahme von Pankreasenzym-Präparaten<br />

herzustellen<br />

und die Symptome wie Blähungen<br />

und Durchfall zu lindern. Teilweise<br />

wirken die Verdauungsenzyme<br />

nur, wenn die Säureproduktion<br />

im Magen durch einen Protonenpumpenhemmer<br />

unterdrückt wird.<br />

Sollte die Bauchspeicheldrüse darüber<br />

hinaus nicht mehr genügend<br />

Insulin produzieren, kommt es zu<br />

einem sogenannten pankreatopriven<br />

Diabetes mellitus, der in<br />

der Regel von Beginn an insulinpflichtig<br />

ist. Meistens führen aber<br />

diese Massnahmen nicht zu einer<br />

Schmerzlinderung, weshalb viele<br />

Betroffene bei sehr starken Schmerzen<br />

auf Opiate angewiesen sind.<br />

In der Frühphase einer chronischen<br />

Pankreatitis kommen endoskopische<br />

Verfahren (ERCP mit<br />

Papillendilatation und allenfalls<br />

Entfernung von Konkrementen aus<br />

dem Ductus pancreaticus) für die<br />

Schmerzbehandlung zur Anwendung.<br />

Diese sollten aber in enger<br />

Kooperation mit einem erfahrenen<br />

Chirurgen abgestimmt werden. Eine<br />

langjährige endoskopische Behandlung<br />

sollte vermieden werden, da<br />

operative Verfahren oftmals eine<br />

rasche und dauerhafte Therapie der<br />

Beschwerden bieten. Bleiben die<br />

Schmerzen trotz stärkster Schmerzmittel<br />

bestehen oder beeinträchtigen<br />

die chronisch entzündlichen<br />

Veränderungen der Bauchspeicheldrüse<br />

die umliegenden Organe und<br />

können durch eine endoskopische<br />

Therapie nicht behoben werden,<br />

ist eine operative Therapie angezeigt.<br />

Auch bei Verkalkungen in der<br />

Bauchspeicheldrüse oder bei

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