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Kettenreaktion erwünscht<br />
Markus Schöberl<br />
Die von den Digitalgeldanarchisten der Cyberwährung<br />
Bitcoin erdachte Technologie der ’Blockchain’<br />
wird auch von traditionellen Geldhäusern zunehmend<br />
als eine ziemlich gute Idee angesehen. Laienhaft<br />
ausgedrückt, werden bei einer Finanztransaktion<br />
auf Blockchain-Basis sämtliche relevanten Informationen<br />
(wer? an wen? wie viel?) untrennbar mit<br />
den die Transaktion auslösenden Daten verknüpft<br />
und allen am System beteiligten bekannt gemacht,<br />
was Betrug verunmöglichen soll.<br />
Immer wieder liest man von Ansätzen, diese Technologie<br />
auf andere Branchen zu übertragen. Warum<br />
also nicht auch auf digitale Presseangebote und<br />
hier auf jeden einzelnen digitalen journalistischen<br />
Inhalt? Alle reden über ’Distributed Content’ und verstehen<br />
darunter doch vor allem kostenlos verteilte<br />
Inhalte.<br />
Wie wäre es, wenn jeder einzelne journalistische<br />
Beitrag untrennbar verknüpft wäre mit Informationen<br />
zum Urheber, etwaigen weiteren Rechteinhabern<br />
und deren Vorgaben zur Verbreitung und zum<br />
Preis, den die Rechteinhaber für einen Nutzungsvorgang<br />
festgesetzt haben? Und wenn jeder Multiplikator<br />
(Kiosk, Flatrate-Anbieter, Medium aber auch<br />
Blogger oder Twitterer) sich mit einer eigenen, zusätzlichen<br />
Forderung für seine Leistung in die Liste<br />
der Berechtigten einfügen könnte. Wo immer ein<br />
solcher Beitrag auch zur Verfügung gestellt würde:<br />
es wäre transparent, wer ihn dorthin<br />
gestellt hat, wo er herkommt und wer<br />
wieviel daran verdienen will. Wer den<br />
Beitrag lesen will, der akzeptiert die<br />
damit verbundenen Kosten und der Erlös<br />
würde an alle in der Blockchain definierten<br />
Berechtigten ausgeschüttet.<br />
Das alles natürlich one-klick, drag-anddrop<br />
und single-sign-on.<br />
Gäbe es das, würden sich neue Vertriebsstrukturen<br />
entwickeln. Zu jedem auf Facebook geposteten Artikel,<br />
zu jedem Link in einem Newsletter, zu jeder Weiterleitung<br />
per E-Mail gäbe es einen Business Case.<br />
Wenn die jeweils Postenden, Newsletter schreibenden<br />
oder Mailenden an den Erlösen beteiligt wären,<br />
dann hätten sie eine Motivation, aktiv zur Verbreitung<br />
der Inhalte beizutragen. Es entstünde ein Ökosystem<br />
zum Vertrieb digitaler Inhalte, an dem jedermann<br />
sowohl als Distributeur wie auch als Leser<br />
teilnehmen könnte.<br />
Aus einer schlau programmierten oder kuratierten<br />
Aggregatoren-App würde automatisch ein Produkt<br />
mit Monetarisierungspotenzial. Jeder Follower in<br />
sozialen Netzen ein potenzieller Abnehmer für empfohlene<br />
Artikel. Jede Gruppe von Gleichgesinnten<br />
ein Adressatenkreis zur Bewerbung passender Beiträge.<br />
Und wer Spaß daran hat, der könnte Zeit und Geld<br />
darein investieren, seinen Adressatenkreis gezielt<br />
zu vergrößern, passende Inhalte zu größeren Packages<br />
zusammenzuschnüren und vielleicht sogar für<br />
die Erstellung von fehlenden Beiträgen zu wichtigen<br />
Themen zu sorgen. Das könnte dann ein ganz neues<br />
Geschäftsmodell werden. Benennen wir es in Anlehnung<br />
an vordigitale Zeiten: „Verlag“.<br />
Markus Schöberl ist Herausgeber von pv digest, einem<br />
Informationsdienst rund um den<br />
Verkauf journalistischer Produkte –<br />
ganz gleich, ob auf Papier oder in digitaler<br />
Form. Zuvor war er Geschäftsführer<br />
der<br />
Axel Springer Vertriebsservice, Geschäftsführer<br />
des ZZ Kurier und Leiter<br />
Abomarketing Zeitschriften bei Axel<br />
Springer.<br />
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