Kolping_Magazin_01_2017
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SCHÖNHEITSKULT<br />
„Weil nur noch<br />
das diesseitige<br />
begrenzte Leben<br />
bleibe, investierten<br />
die Menschen<br />
soviel in die Opti -<br />
mierung eines gesunden<br />
schönen<br />
Körpers.“<br />
Julia Mayerhöfer, DV Eichstätt<br />
setzt auf Authentizität<br />
statt frommer Wunschbilder.<br />
„Für Gott muss<br />
ich kein Topmodel<br />
sein, er hat<br />
sich ja schon etwas<br />
dabei gedacht,<br />
mich so zu<br />
machen, wie ich<br />
bin.“<br />
Julia selbst meint, es komme nicht auf die Zahl auf<br />
der Waage oder eine Kleidergröße an, sondern darauf,<br />
dass man sich selbst wohl fühle, mit sich zufrieden sei.<br />
Allerdings ist das nicht immer so einfach. Die Studentin<br />
erzählt, sie habe selbst schon einmal Diäten<br />
mit Abnehm-Drinks ausprobiert: „Bei mir hat<br />
das nicht funktioniert, das war eher eine Qual.“<br />
Seit einiger Zeit, so erzählt sie weiter, gehe sie ins<br />
Fitnessstudio. „Aber das mache ich für mich,<br />
nicht für irgendjemanden sonst. Ich habe auch<br />
noch gar nicht abgenommen, aber darauf kommt<br />
es mir in erster Linie auch gar nicht an. Durch<br />
Sport fühle ich mich fit und vital. Außerdem baut<br />
sich ja auch erstmal Muskelmasse auf. Und Muskeln<br />
sind ja schwerer als Körperfett. Wenn es um<br />
eine optische Veränderung geht, kommt es auf<br />
den Umfang an!“<br />
Und, wie ist es mit dem Glauben? Hilft auch er<br />
ihr dabei, zufrieden zu sein, so wie sie ist? „Klar,<br />
der Glaube an Gott, und das Wissen, dass da jemand<br />
ist, das gibt schon auch Sicherheit. Für Gott<br />
muss ich kein Topmodel sein, er hat sich ja schon<br />
etwas dabei gedacht, mich so zu machen, wie ich<br />
bin.“ Und auch Theologe Lütz sagt, der Glaube könne<br />
Halt vermitteln. Und, ist das auch im Sinne des Schöpfungsgedankens<br />
zu verstehen? „Das kann man so betrachten.<br />
Andererseits wäre es aber falsch, zu sagen, es<br />
sei gegen die Schöpfung, wenn eine Frau sich schminkt<br />
und dann ja nicht mehr ‚original‘ so aussieht, wie Gott<br />
sie geschaffen hat.“ Aber Manfred Lütz lenkt den Blick<br />
auf ein anderes Phänomen: „Über Jesus kann man inzwischen<br />
jeden albernen Scherz machen, aber bei der<br />
Gesundheit hört der Spaß auf. Denn viele Leute glauben<br />
nicht mehr an den lieben Gott, sondern an die Gesundheit<br />
und alles, was man früher für den lieben Gott<br />
tat, wallfahrten, fasten, gute Werke tun, das tut man<br />
heute für die Gesundheit, es gibt Menschen, die leben<br />
nur noch vorbeugend und sterben dann gesund, aber<br />
auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.“ Weil nur noch<br />
das diesseitige begrenzte Leben bleibe, investierten die<br />
Menschen soviel in die Optimierung eines gesunden<br />
schönen Körpers. Doch das sei nichts anderes als eine<br />
Anleitung zum Unglücklichsein.<br />
Und, wo würden der Experte und die junge Frau<br />
den Hebel ansetzen, damit sich etwas ändert? Julia<br />
Mayerhöfer ist da ganz bei den Frauen aus der Studie:<br />
„Die Medien sollten auch ganz normale Körper zeigen<br />
und auf bearbeitete, optimierte Bilder verzichten. Das<br />
zeichnet ein schiefes Bild.“ Das bestätigt auch Lütz.<br />
Besonders eine Show ist ihm ein Dorn im Auge: Germanys<br />
next Top Model. Als im vergangenen Jahr eine<br />
Studie belegte, dass etwa ein Drittel der befragten magersüchtigen<br />
Frauen sagten, diese Sendung sei entscheidend<br />
für ihre Erkrankung gewesen – Magersucht<br />
ist nach wie vor die tödlichste psychische Erkrankung<br />
überhaupt – da reagierte der Sender mit dem zynischen<br />
Kommentar, Übergewicht sei ein viel größeres<br />
Problem. Und da hat Lütz der Bild Zeitung gesagt:<br />
Wenn der Sender sich für diesen unsäglichen Kommentar<br />
nicht entschuldigt und Konsequenzen aus<br />
dieser Studie zieht, dann müsste man über eine Sendung,<br />
die eiskalt den Tod junger Frauen in Kauf<br />
nimmt, um Kohle zu machen, sagen: Das ist eine mörderische<br />
Show.“ Das wirbelte damals viel Staub auf.<br />
Verhängnisvoll seien die psychologischen Wirkungen<br />
der Sendung: Junge Mädchen lernten da, nur wer sich<br />
völlig unterwerfe, könne Erfolg haben, das aber sei<br />
verhängnisvoller Unsinn. Wenn nur 4 Prozent der<br />
Frauen überhaupt einen Körperbau hätten, der model-geeignet<br />
sei, aber fast 100 Prozent der Mädchen<br />
im kritischen Pubertätsalter die Sendung sehen, dann<br />
würden da junge Frauen systematisch unglücklich gemacht<br />
und das sei ein Skandal.<br />
Auch Julia Mayerhöfer guckt die Show. Bei ihr löse<br />
das aber nichts Negatives aus, meint sie. „Ich bekomme<br />
dann eher mal wieder Lust, durch die Geschäfte zu ziehen<br />
und mir ein schönes Teil zu gönnen“, sagt sie lachend.<br />
Und, wie kann man es nun schaffen, sich in der eigenen<br />
Haut wohl zu fühlen? Indem man lernt, zufrieden<br />
mit sich zu sein. Das sagt Manfred Lütz, das sagt auch<br />
Julia Mayerhöfer. Und Julia ergänzt noch: „Es bringt<br />
nichts, sich streng auf Diät zu setzen. Dann kriegt man<br />
irgendwann einfach Heißhunger auf etwas Süßes. Man<br />
kann ja ab und zu einfach einen Salat abends essen und<br />
am nächsten Tag dann ruhig eine Pizza.“ Diäten seien<br />
keine Lösung für Essstörungen, sondern im Gegenteil,<br />
sie seien eine der wichtigsten Ursachen, sagt Lütz.<br />
So ist es an Weihnachten, vielleicht gar keine so<br />
schlechte Idee, sich etwas zu gönnen. Spätestens zum<br />
neuen Jahr kann man sich ja wieder gute Vorsätze in<br />
Sachen Sport und Gesundheit machen – solange man<br />
es für sich selbst tut und man sich dabei gut fühlt.<br />
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