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Kooky Rooster<br />

Arrangement<br />

Gay Romance


Lektor<br />

Ich fiel aus allen Wolken, als mein bisher wohlwollender Lektor das Manuskript in<br />

einem hohen Bogen vor meinen Augen in die Papiertonne warf – und traf. Letzteres<br />

verblüffte auch ihn. Zwar schleuderte er immer wieder Manuskripte durch den Raum, das<br />

wirkte schön resolut, aber meist traf er nur die Wand hinter dem Papierkorb, an der die<br />

verstoßenen Werke dann hinunterrutschten und in sich zusammensanken. Ich konnte<br />

zusehen, wie sich mein Werk kopfüber in die Tonne stürzte und mit dem Rücken<br />

aufschlug.<br />

Wirbelsäulenbruch. Mindestens.<br />

Und während ich noch das Grab meines letzten Werkes betrachtete, flogen mir die<br />

Worte des Lektors um die Ohren. Offenbar war er nicht zufrieden mit mir.<br />

Mein letztes Werk war eine erotische Liebesgeschichte gewesen. Eine Auftragsarbeit,<br />

wie ich zugeben muss. Ja, ich war zur Hure eines Verlags verkommen, der mir die<br />

Kurzfassung einer Idee hinlegte, mit der sie einen neuen Markt erschließen wollten.<br />

Ich hatte mich bisher noch nicht richtig an Liebesgeschichten gewagt. Was zwischen<br />

Menschen passierte, stellte ich oft als verzweifelte Notwendigkeit dar und erotische<br />

Anwandlungen umschiffte ich eher weiträumig. Die Leser würden schon wissen, was die<br />

Protagonisten treiben würden<br />

In das Buch allerdings hatte ich den Schmerz von zwölf Jahren ungelebter Sexualität<br />

hinein sublimiert. Ich hatte es in einer Art verzweifelter Raserei verfasst. Ich dachte, das<br />

wäre mein bisher bestes Werk, war es doch das für mich emotionalste. Ich hielt die<br />

Tatsache, dass die Protagonisten männlich waren, für die eigentliche Herausforderung.<br />

Und nun tobte mein Lektor schon seit zehn Minuten. Ich kam schon beinahe auf die<br />

Idee, ihm Homophobie zu unterstellen, als er sich endlich beruhigte.<br />

Von einer Sekunde auf die andere war er so still, dass man die Schallwellen zu Boden<br />

plumpsen hören konnte, und wie sie sich verängstigt in die Ecken zurückzogen. Ich saß<br />

da und hoffte, nun wäre ihm die Genialität meiner Geschichte bewusst geworden, und er<br />

würde mir eröffnen, er habe nur einen Scherz gemacht, das Werk sei brillant. Stattdessen<br />

aber tippte er mit verschränkten Fingern an seine Lippen und hinter den Augen konnte<br />

man die Zahnräder rattern sehen.<br />

Schließlich lehnte er sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Zettelwirtschaft auf<br />

seinem Schreibtisch, sah mich an wie ein Arzt, der mir eine schlimme Nachricht zu<br />

überbringen hatte, und fragte: „Herr Fellinger, haben Sie überhaupt schon einmal Sex<br />

gehabt?“<br />

Ich merkte, wie der taffe Geschäftsmann und das überzeugte Genie in mir hinter<br />

unsichtbaren Wänden verschwanden und mit schreckgeweiteten Augen zusahen, was ich<br />

nun tun würde.<br />

„Ja klar!“, platzte es aus mir heraus.<br />

Das war keine Lüge, aber fast. Es war schon so lange her, und es war so erbärmlich<br />

gewesen, dass ich es verdrängt hatte.<br />

Ich war achtzehn gewesen, sie einundzwanzig. Wir hatten uns einige Wochen lang<br />

getroffen und über unser Leid als Jungfrauen geklagt, die Oberflächlichkeit der Welt,


dass es heutzutage keine Liebe mehr gäbe, dass alle ihre Beziehungen wechseln würden<br />

wie andere ihre Unterhosen. Wir beklagten bei endlosen Spaziergängen, dass niemand<br />

mehr die Schönheit der Natur erkennen würde, man den Planeten nur ausbeuten würde,<br />

es keine Tugenden mehr gäbe und man von der einen – der wahren – der echten Liebe<br />

träumen würde. Wir waren beide einsam, hatten kaum Freunde und viele Sehnsüchte.<br />

Und eines Tages beschlossen wir, verliebt zu sein. Ja, wirklich. Es war eine rein<br />

kognitive Entscheidung gewesen, aber das hätten wir niemals zugegeben. Bei den<br />

Spaziergängen hielten wir ab nun unsere Hände, und wenn wir uns verabschiedeten oder<br />

begrüßten, küssten wir uns flüchtig. Der Funke aber mochte nie überspringen. Doch da<br />

das nicht unserem Plan entsprach, ignorierten wir dieses und redeten uns ein, verliebt zu<br />

sein. Die Leute hatten uns ohnedies schon lange für ein Paar gehalten. Das ideale Paar.<br />

Weil wir uns so ähnlich waren. Außerdem hatten wir wochenlang über die On-Off-<br />

Beziehungen anderer geschimpft, sodass wir die Erwartung an uns stellten, für immer<br />

zusammenzubleiben.<br />

Nach einigen Wochen unbeholfener Partnerschaft, in denen wir auf stumpfsinnige<br />

Liebesbeweise verzichteten – warum sollten Blumen oder Bäume sterben, nur um uns zu<br />

bestätigen – entschieden wir, Sex zu haben. Wir gingen es so pragmatisch an wie unsere<br />

Beziehung. Sie besorgte Wein, Kerzen und ein leckeres Essen, ich Kondome. Wir wollten<br />

vorzüglich essen, verführerisch am Wein nippen – er sollte uns auflockern – und im<br />

Lichtermeer von tausend Kerzen wollten wir Liebe machen wie Caesar und Kleopatra.<br />

Im Endeffekt krallten wir uns an die Weingläser, soffen daraus, als wären wir<br />

Beduinen, die unverhofft an eine Wasserquelle geraten waren, und im Scheine von fünf<br />

mageren Teelichtern, die ihre Flamme nicht richtig entfalten wollten, gingen wir zur<br />

Sache wie Lehrlinge, die das erste Mal ein neues Werkzeug bedienten. Es fehlte eigentlich<br />

nur noch, dass wir fluchten.<br />

Nichts passte. Wir waren uns so fremd wie nie zuvor, schämten uns unserer Körper,<br />

und rubbelten unbeholfen daran herum.<br />

Mit einer Erregung, die diesen Namen nicht verdient hatte, versuchte ich meinen Penis<br />

wie eine Teigrolle in sie hineinzuquetschen. Sie bekundete, dass es wehtat, aber sie wolle<br />

da jetzt durch. Mit furchtbar schlechtem Gewissen stellte ich fest, dass mein Körper,<br />

obgleich sie nur apathisch die Decke fixierte, auf die reine Idee, jetzt Geschlechtsverkehr zu<br />

haben, reagierte, mein Penis doch noch steif wurde und ergab mich erregt dem<br />

instinktiven Rhythmus.<br />

Und kam.<br />

Ich plumpste in die blaukalte Welt meiner Freundin, die mich anblickte wie ein<br />

waidwundes Reh. Sie lächelte mich schlecht geschauspielert an, sprang auf um zu<br />

duschen und bat mich zu gehen, sie müsse nun alleine sein.<br />

Wir quälten uns danach noch einige Male ab. Es wurde nicht besser. Ich fühlte mich<br />

jedes Mal danach schuldig, und sie wurde wortkarg. Jedes Mal brauchten wir einige Tage,<br />

bis wir wieder normal miteinander reden konnten, so sehr brachten uns die<br />

stümperhaften Versuche von Leidenschaft durcheinander.<br />

Als wir uns trennten, taten wir das mit Vernunft. Sie meinte, vielleicht lägen die<br />

anderen doch nicht so falsch. Man müsse manchmal loslassen. Und Liebesbeweise hätten<br />

ihre Berechtigung. All unsere altklugen Erkenntnisse, Inhalt vieler inspirierender<br />

Gespräche, wurden in wenigen profanen Sätzen demontiert.


Ich steigerte mich in einen mehr intellektuellen als emotionalen Trennungsschmerz<br />

hinein. Auch, um mir vorzumachen, wir hätten etwas „Echtes“ gehabt. Auch, um einen<br />

Grund zu haben, mich nicht zu verabreden, und andere Frauen am besten für immer zu<br />

ignorieren. Ich spielte fortan den von der Liebe enttäuschten Helden, der sich der<br />

Einsamkeit verschrieben hatte.<br />

Der Lektor musterte mich. Vielleicht hatte er in meinen Augen den traurigen Film<br />

meiner Vergangenheit mit angesehen.<br />

„Hatten Sie schon einmal Sex mit einem Mann?“, fragte er. Ich starrte ihn an. Mein<br />

Mund war damit beschäftigt, auszutrocknen.<br />

„Hören Sie“, besann er sich auf die väterliche Tour. Er wollte mir ins Gewissen reden.<br />

„Das gesamte Buch wirkt, als hätten Sie Angst vor dem, was Sie schreiben! Sie sollten<br />

mehr von Ihren Erfahrungen hineinbringen.“<br />

„Wünschen Sie sich das nicht“, murmelte ich.<br />

Er musterte mich und überlegte, ob er mich verstanden haben wollte.<br />

„Das Buch ist nicht homoerotisch, sondern zwangsneurotisch. Und<br />

zwangsneurotischer Technikersex interessiert niemanden.“<br />

Schade, dachte ich, zwangsneurotischer Technikersex hörte sich für mich nach<br />

Weltliteratur an, auch wenn ich mir nicht vollständig erklären konnte, was er mit<br />

Technikersex meinte, denn die Protagonisten waren leidenschaftliche Künstler.<br />

„Ich habe versucht, präzise …“, begann ich.<br />

„Sie sollten 'hot' schreiben. Wir bedienen damit den Erotiksektor. Hauptsächlich für<br />

Frauen.“<br />

Ich blickte ihn verstört an. Frauen? Ich hatte mich schon gewundert, dass der Verlag<br />

eine eigene Rubrik für Homosexuelle einrichten wollte.<br />

„Es geht darum …“, seufzte er und lehnte sich zurück, „dass Sie schreiben wie der<br />

Blinde von der Farbe.“<br />

Der Blinde von der Farbe, das könnte interessant sein. Welche Worte würde ein Blinder<br />

verwenden, wenn er ein sattes Orange darstellen wollte?<br />

„Hören Sie mir überhaupt zu?“<br />

Ich nickte. Ich fühlte mich sehr klein.<br />

„Stecken Sie sich den Finger in den Arsch, lassen Sie sich den Schwanz lutschen, falls<br />

es noch keiner getan hat – und ich wette, das hat noch keiner bei Ihnen getan – und<br />

schreiben Sie über Erfahrungen. Erinnern Sie sich daran, wie es ist, verliebt zu sein. Was<br />

sie schreiben, klingt wie die Bauanleitung für einen Wohnzimmerschrank. Sie mögen die<br />

technischen Gegebenheiten kennen, aber man spürt nichts. Ich weiß, Sie können besser<br />

schreiben. Schauen Sie: Wenn Sie über Mord schreiben und andere Dinge, da macht es<br />

nichts aus, wenn Sie das nicht erlebt haben, wenn Sie in Klischees baden. Keiner Ihrer<br />

Leser ist ein Mörder, die wissen nicht, wie es sich anfühlt, wie das ist. Jene Leser, die<br />

Mörder sind und es wissen, die werden Ihre Bücher vermutlich sehr naiv und vertrackt<br />

finden. Aber Sex und Liebe, das hat jeder, das kennt jeder. Die Leute vergleichen und<br />

erinnern sich an ihre eigenen Erfahrungen. Wenn Sie über Erotik schreiben, dann, bitte,<br />

halten Sie sich an echte Empfindungen, und wenn Sie nicht wissen, wie sich etwas<br />

anfühlt, dann versuchen Sie es herauszufinden. Haben Sie Sex. Schreiben Sie darüber.“<br />

Er schnaufte und Speicheltröpfchen flogen durch die Luft, setzten sich auf all die<br />

Manuskriptseiten auf dem Schreibtisch.


Von wegen, jeder hat Sex und Liebe, dachte ich schmollend.


Prokrastination<br />

Ich war drauf und dran, dieses Projekt völlig zu verwerfen, wenn da nicht der<br />

Vorschuss gewesen wäre, den man mir bereits gezahlt hatte – und auf den ich<br />

angewiesen war.<br />

Frustriert legte ich die Datei ins Archiv und rang zäh mit einer neuen Fassung. Es war<br />

eine schwachsinnige Idee gewesen, mich darauf einzulassen, einen homoerotischen<br />

Roman zu verfassen. Ich war aufgeschmissen. In der Tat hatte ich keine Erfahrung. Ich<br />

war noch nie richtig verliebt gewesen.<br />

Seit meiner damaligen und einzigen Beziehung hatte ich mich hinter der Literatur<br />

verkrochen. Ich lebte die Philosophie, dass es kreativer mache, diese Gefühlswelt zu<br />

sublimieren. Und ich dachte, Liebe stünde meinem Schaffen im Wege, raube mir zu viel<br />

Energie, beanspruche zu viel Zeit.<br />

Und Sex?<br />

Ich begnügte mich damit, mir einen runterzuholen. Das konnte ich machen, wann ich<br />

wollte; es ging schnell, raubte mir keine Schaffenszeit, und es war billig. Keine<br />

Rendezvous, kein wochenlanges Herumtanzen, keine hunderte von Euro, die ich<br />

investieren musste, damit sich die Frau nicht wie eine Hure fühlte.<br />

Ein Aspekt, den ich ohnedies an Frauen nie verstanden hatte. Wenn sie es ohne<br />

Gegenleistung machten, fühlten sie sich wie eine Hure, wenn sie es gegen Kino, Essen,<br />

Blumen, Chauffieren und endlose Gespräche machten, nicht. Also ließ ich es bleiben.<br />

Dadurch, dass ich recht zurückgezogen lebte, kam ich auch nie in Versuchung. Ein<br />

Aspekt, den mir keiner glauben würde, würde es denn überhaupt jemanden interessieren.<br />

Wie in Liebesdingen war ich aber auch bei Freundschaften äußerst zurückhaltend, um es<br />

gelinde auszudrücken. Ich zählte genau einen – und das war eher ein Arbeitskollege, mit<br />

dem man auch mal ein Bier trinkt.<br />

Der Lektor hatte mein Werk entzaubert. Mir war nur zu bewusst, wie gestelzt es war.<br />

Immer wieder begann ich neu.<br />

Immer wieder versagte ich.<br />

Ich recherchierte, indem ich andere Bücher mit entsprechenden Inhalten las und<br />

merkte dabei, wie sie etwas in mir anregten. In mir, der keine Erfahrung hatte. Was<br />

musste erst mit Lesern passieren, die geile Erinnerungen dazu hatten? Ich schaute mir<br />

schwule Filme an und fand einige sehr erregend, einige sehr tragisch, viele einfach nur<br />

flach und dumm.<br />

Immer wieder setzte ich mich vor das Manuskript, begann neu, besserte ewig daran<br />

herum, verwarf es. Ich dachte nicht eine Sekunde daran, dem Rat meines Lektors zu<br />

folgen und echten Sex mit einem anderen Menschen zu haben.<br />

Tja, warum? War der Vorschlag nicht weltfremd? Man konnte sich nicht auf<br />

Knopfdruck verlieben.<br />

Und woher sollte man jemanden nehmen, der einem den Schwanz lutschte?<br />

Ich war nicht der Typ, der die Dienste von Prostituierten annahm. Das widersprach<br />

nicht nur meinen moralischen Vorstellungen, sondern es ekelte mich regelrecht. Mein<br />

Kopfkino war dazu viel zu ausgeprägt, und ich sah sie vor mir, all die hunderte von


Freiern, die sich an der Frau abgearbeitet hatten, schwitzend, stinkend, alkoholisiert,<br />

nüchtern, alt, jung, unbeholfen, hart, rücksichtsvoll oder brutal. Ich fragte mich, wie<br />

abgestumpft eine Frau sein musste, um das hinzunehmen, keine Ansprüche zu stellen.<br />

Nein, dieser Weg war für mich tabu.<br />

Im Zuge der Arbeiten an meinem Roman wurde mir bewusst, dass ich nicht einmal<br />

einen richtigen, leidenschaftlichen Kuss erlebt hatte. Ich kam mir armselig vor. Die<br />

verkrampften, halb platonischen Küsse mit meiner Freundin waren alles gewesen. Jeder<br />

Vierzehnjährige war mir an Erfahrung voraus.<br />

Wie hatte ich so lange schlafen können?<br />

Wie hatte ich es so erfolgreich verdrängen können?<br />

Ich versuchte, mich selbst zu küssen. Zunächst schob ich meinem Spiegelbild im Bad<br />

die Zunge in den Mund. Doch das Ablutschen der kalten, glatten Oberfläche war nicht<br />

das, was mich dazu bringen würde, besser über Küsse zu schreiben. Also küsste ich, vor<br />

dem Laptop sitzend, meine Handflächen, wollte das Gefühl sofort beschreiben. Ich saugte<br />

an meiner Hand, lutschte die Finger, leckte und küsste. Das führte zu nichts als nassen<br />

Fingern, einem salzigen Geschmack und ich kam mir unfassbar lächerlich vor. Ich war mir<br />

selber peinlich.<br />

Ich überlegte sogar fast, das Schreiben von Romanen völlig aufzugeben, aber nur fast.<br />

Ich, der sonst diszipliniert an seinen Werken saß und nicht verstehen konnte, wie andere<br />

Autoren mit sich um Worte rangen, begann die Arbeit vor mich her zu schieben.<br />

Um meine finanziellen Gegebenheiten aufzubessern, schrieb ich gelegentlich Artikel in<br />

einer Zeitung. Nichts Besonderes – meist nur neu formulierte Presseartikel und<br />

Filmbeschreibungen – und die nichtssagende Kolumne eines Hundebesitzers. Ich besaß<br />

keinen Hund, kannte noch nicht mal jemanden, der einen hatte. Bisher hatte ich mich auf<br />

meine Fantasie verlassen.<br />

Diese Aufträge hatte ich nie besonders gern, nie mit besonderer Hingabe gemacht. Nun<br />

legte ich meine ganze Energie in diese Jobs und jeden Artikel, den man mir gab, nahm ich<br />

als Ausrede, vorerst nicht an meinem Roman schreiben zu können. Wie auch meine<br />

endlich mal zu reinigenden Fenster, der gründliche Hausputz, das Sortieren meiner CDs,<br />

Bücher und Filme. Ich kochte sogar, weil ich ein nahrhaftes Mahl für inspirierend hielt.<br />

Ich brachte meine Artikel auf einem USB-Stick persönlich bei der Redaktion vorbei, um<br />

Zeit zu schinden. Mein Internet mache Probleme, log ich. Es war nicht so, dass ich mich<br />

nie in der Redaktion blicken ließ, aber es war nicht notwendig, da das meiste über E-Mail<br />

und ein spezielles Webkonto der Zeitung ging.<br />

Weil ich nun schon mal da war, wollte ich Tom einen Besuch abstatten. Er arbeitete in<br />

der Chronik und war ein Kollege, der ein Freund geworden war. Mein einziger. Ich war<br />

verwundert, dass er mich noch nicht entdeckt hatte. Normalerweise brauchte ich nur den<br />

Fuß in die Redaktion zu setzen, da kam er mir schon entgegen, um mich dazu zu<br />

überreden, auf ein Bier mitzugehen.<br />

Tom war schon länger bei dieser Zeitung gewesen, als ich mich das erste Mal in die<br />

Redaktion verirrt hatte. Ohne mich zu kennen, hatte er sich bei seinem Chef dafür<br />

eingesetzt, dass ich mich beweisen konnte. Als Gegenleistung hatte er verlangt, dass ich<br />

mit ihm auf ein Bier gehe. Für mich war das eine echte Herausforderung. Ich ging nie fort.<br />

Keine Bars, keine Discos, nicht einmal Restaurants. Ich war ein stiller Typ und fühlte mich<br />

unter Menschen nicht wohl.


Aus diesem Bier mit Tom wurde ein Ritual. Jedes Mal, wenn ich in der Redaktion<br />

auftauchte, und das war alle paar Wochen, manchmal sogar Monate, bestand er auf ein<br />

gemeinsames Bier, und wenn ich zögerlich reagierte, meinte er, ich sei ihm das schuldig.<br />

In all den Jahren hatte ich allerdings kein einziges Mal selber die Initiative ergriffen.<br />

Dabei mochte ich Tom und die gemeinsamen Abende wirklich gerne. Jedes Mal danach<br />

nahm ich mir vor, nicht so lange zu warten, ehe ich ihn wiedersah – und ihn durchaus<br />

auch mal selber auf ein Bier anzusprechen. Doch ich tat es nie.<br />

Ich ließ den Blick durch das Großraumbüro schweifen – und entdeckte an Toms Platz<br />

eine Frau mit einem Kettchen an ihrer Brille, die konzentriert tippte. Suchend schaute ich<br />

mich noch einmal um, vielleicht hatten sie das Büro umgestellt, aber ich fand ihn nicht.<br />

Das war das erste Mal, dass er nicht da war. In mir zog eine Kraft nach unten.<br />

Es war schon ein paar Wochen her, dass ich zuletzt hier gewesen war. Hatte er<br />

gekündigt? Wurde er gekündigt? Hätte er mich nicht darüber informiert? Ich hatte keine<br />

Telefonnummer von ihm.<br />

Wie konnte ich ihn einen Freund nennen, aber nicht einmal seine private<br />

Telefonnummer haben? Ich versuchte mich zu beruhigen und wunderte mich doch über<br />

meine aufsteigende Panik. Vielleicht war er ja nur außer Haus oder auf Urlaub.<br />

„Ah, Sie hätten sicher zu Herrn Haas gewollt. Richtig?“, Die pummelige Sekretärin<br />

tänzelte auf mich zu. Ich wollte etwas sagen, geschäftlich, unverbindlich, bestätigend –<br />

aber noch während ich überlegte, trippelte sie los und ich hinterher. Als sie am Chefbüro<br />

ankam, erstarrte ich wie ein Tier, das man zwingen wollte, in ein Becken voller Piranhas<br />

zu tauchen. Vielleicht hatte ich sie falsch verstanden, als ich ihr gefolgt war. Immerhin<br />

hatte sie mich dazu nicht aufgefordert.<br />

„Na, kommen Sie ruhig“, ermunterte sie mich, und winkte mich in die offene Tür.<br />

Ich hasste Chefgespräche. Man würde mir also nun mitteilen, dass Tom gegangen war.<br />

Vielleicht wollte man mir seinen Job anbieten. Ich zog sogar in Erwägung, ihn<br />

anzunehmen, immerhin war das besser, als dieses Buch zu schreiben.<br />

Die Sekretärin schloss die Türe hinter mir und ließ mich allein im Büro zurück. Der<br />

große Chefsessel stand mit dem Rücken zu mir, seitlich ragte ein Ellenbogen im<br />

Herrenhemd hervor und oben ein Kopf mit dunkelblondem Haar. Erst jetzt, als er in<br />

geschäftlichem Tonfall ein Gespräch zu Ende führte, erkannte ich ihn. Tom gab dem<br />

Sessel einen Drall und drehte sich zu mir herum. Fast zeitgleich als er mich sah sprang er<br />

hoch, strahlte übers ganze Gesicht. Wenn nicht der aufgeklappte Laptop dagestanden<br />

hätte, vermutlich wäre er sogar lässig über den Tisch gesprungen.<br />

„Du bist Chef?“, fragte ich und musterte sein offizielles Auftreten.<br />

Tom wirkte ungewohnt seriös, sah aus wie ein richtiger Geschäftsmann. Ich erwartete,<br />

dass er mir fanatisch von seinem Aufstieg erzählte, mich zwang, das Büro in seiner vollen<br />

Größe und dem Luxus zu ermessen (zumindest im Vergleich zu seinem überfrachteten<br />

kleinen Tisch im Großraumbüro), vielleicht würde er sogar aus einem versteckten<br />

Wandschrank einen Whiskey zum Anstoßen heraus holen, oder so wie die Leute in<br />

Filmen, aus einem aufklappbaren Globus.<br />

Stattdessen kam er auf mich zu, als hätte er mich seit Jahren nicht gesehen, und<br />

vielleicht bildete ich es mir nur ein – aber um ein Haar hätte er mich sogar umarmt.<br />

Vielleicht war es einsam da oben, dachte ich.<br />

„Schön, dich zu sehen, Max“, sagte er und musterte mich begeistert von Kopf bis Fuß.


Hinter dem kalten Aufzug steckte der alte Tom. Ich war erleichtert.<br />

„Ich will deine Telefonnummer – deine private“, platzte es aus mir heraus.<br />

Toms Augen funkelten auf, er zückte sein Handy, tippte ein paar Tasten und schon<br />

alarmierte mich mein Telefon über eine SMS.<br />

Offenbar hatte er meine Nummer. Er war wohl ein besserer Freund als ich. Ich kannte<br />

mich mit meinem Handy nicht besonders gut aus und brauchte etwas länger, seine<br />

Nummer in die Kontaktdaten zu übernehmen. Ich spürte seinen Blick auf mir und das<br />

machte mich nervös.<br />

„Außerdem will ich mit dir ausgehen“, sagte ich, während ich das Telefon wieder<br />

wegsteckte. Das hatte nicht so klingen sollen, wie es klang. Mir wurde warm.<br />

„Ich meine … auf ein Bier … du weißt schon …“, stammelte ich.<br />

Er grinste. „Wie denn sonst?“<br />

Ich machte den Mund auf und, ohne einen Laut von mir zu geben, wieder zu.<br />

Da hob er eine Hand und fuhr mir durchs Haar, verstrubbelte es, wie man es bei<br />

kleinen Kindern tut, die einen altklugen Scherz gemacht haben, und wandte sich lachend<br />

ab, um sich wieder hinter den Schreibtisch zu setzen. Ich stand da wie paralysiert.<br />

Noch nie hatte er meinen Kopf berührt.<br />

Noch nie hatte irgendjemand meinen Kopf berührt.<br />

Obwohl seine Finger schon über die Tasten des Laptops flogen, spürte ich sie noch auf<br />

meiner Kopfhaut. Diese zärtliche Berührung brachte mich so aus der Fassung, dass ich<br />

das Gefühl hatte, über die ganze Hautoberfläche verteilt piksten mich sanft hunderte von<br />

Nadeln.<br />

Er sagte etwas und ich hörte es nicht.<br />

„Max?“ Langsam drangen seine Worte zu mir durch. „Ist das in Ordnung?“<br />

„Ja, ja – ich bin in Ordnung.“ Ich räusperte mich.<br />

„Ich meinte … heute Abend?“, amüsierte er sich über meine Befangenheit.<br />

„Ausgehen! Du erinnerst dich?“


Arrangement<br />

Wir hatten uns in dem üblichen Pub verabredet, in dem immer recht wenig los war<br />

und das dunkel genug war, um die anderen Menschen in der Finsternis zu verschlucken.<br />

Daher mochte ich den Laden. Andererseits kannte ich sonst nichts, und Experimente<br />

wollte ich keine eingehen.<br />

Ich neigte üblicherweise dazu, zu spät zu kommen, da ich mich beim Schreiben oft<br />

nicht loseisen konnte. Heute war ich zu früh, fast eine halbe Stunde.<br />

Ich saß da und beobachtete die Leute, Stammgäste, die mit den Kellnern auf Du und<br />

Du waren, vermutlich Freunde der Belegschaft. Ich betrachtete die Bilder an den Wänden,<br />

typische Pub-Bilder von coolen Wahrzeichen großer amerikanischer Weltstädte in<br />

schwarz-weiß oder alte Blechwerbetafeln für alkoholische Getränke.<br />

Dann kam er auch schon herein. Tom. Er hatte den nüchternen Anzug gegen sein<br />

übliches lässiges Outfit getauscht.<br />

Jeder Mensch trägt Jeans und T-Shirt anders. Kleider machen Leute? Nicht immer.<br />

Gerade bei diesen beiden Kleidungsstücken, die ja mehr oder weniger jeder trägt, ist es<br />

umgekehrt: Die Leute machen die Kleider. Während ich darin unauffällig, geradezu<br />

unsichtbar wirkte – war Tom eine wahre Erscheinung.<br />

Er war etwas größer als ich, kräftiger und hatte ein besseres Selbstvertrauen. Tom<br />

bewegte sich so selbstverständlich durch die Welt, als fühle er sich überall wohl und zu<br />

Hause. So jemand wirkt anziehend auf verunsicherte Menschen, wie auch ich einer war,<br />

der nicht nur unsichtbar wirkte, sondern auch sein wollte.<br />

Als er sich auf die Bank zu mir gleiten ließ, trug ein Luftzug Toms typischen Geruch<br />

aus Rasierwasser, Zigaretten und einem Hauch Schweiß zu mir herüber – und jedes Mal,<br />

wenn ich diese Kombination roch, merkte ich, wie sehr ich sie vermisst hatte.<br />

Tom machte für mich dieses Pub zu einem Wohnzimmer, ich fühlte mich heimelig. Er<br />

dagegen war noch nicht ganz angekommen, wirkte etwas gehetzt, als wäre eben noch<br />

ein Intercity durch sein Gehirn gerast.<br />

Wir bestellten unser Bier und Tom erzählte von seinem unverhofften Aufstieg, der<br />

noch keine zwei Wochen her und eher eine Notlösung darstellte, da sein Chef wegen eines<br />

akuten Burn-outs ausgefallen war.<br />

Noch sei unklar, wie sich die Sache entwickle, erklärte Tom etwas bedrückt. Ob der<br />

Chef zurückkomme, und wenn nicht, ob er die Position behalten würde, oder man von der<br />

Zentrale einen anderen Ersatz schicken würde.<br />

„Zurzeit geht alles drunter und drüber“, lächelte er gequält. „Ich wollte nie Chef<br />

werden. Du weißt ja, ich möchte meine Freiheit, meine Freizeit, nicht so viel<br />

Verantwortung. Wenn sie mich zum Chef machen – ich weiß nicht, ob ich dann dabei<br />

bleibe. Es ist nicht dasselbe. Man schreibt und recherchiert nicht mehr, sondern hat nur<br />

noch Verwaltungskram am Hals, streitet mit Anzeigenkunden und der Zentrale, weil<br />

denen ein Artikel nicht gefällt, und so weiter.“<br />

Jetzt hätte ich ihm am liebsten über den Kopf gestreichelt, so wie er mir vorhin im<br />

Büro, nur um ihn aufzumuntern, aber ich verschränkte verschämt die Finger in meinem<br />

Schoß.


Er stieß mit dem Ellenbogen gegen meinen und richtete sich auf.<br />

„Aber genug von mir. Wie läuft’s mit deiner Schriftstellerkarriere?“<br />

„Ach … es läuft so dahin“, log ich.<br />

Ich hatte ihm zwar mal von dem Vorschuss für eine Auftragsarbeit erzählt, allerdings<br />

nicht gesagt, worum es ginge. Darüber dürfe ich nicht reden, hatte ich erklärt,<br />

Verschwiegenheitsklausel, doch das stimmte nicht ganz.<br />

Ich schämte mich für den Abstieg in die Erotikabteilung. Schlimm genug, dass ich mich<br />

genötigt sah, eine Auftragsarbeit anzunehmen und nicht mit meinem letzten eigenen<br />

Werk zu überzeugen. Dafür, den zurückgezogenen Autor zu spielen, brachte ich<br />

erstaunlich wenig Geniales hervor.<br />

„Das klingt nicht besonders überzeugend“, bohrte er nach.<br />

„Ich habe eine Schreibblockade“, rückte ich heraus. „Mein Lektor hat mir die<br />

Erstfassung um die Ohren gehauen. Ich steh wieder am Anfang.“<br />

Toms Augen weiteten sich.<br />

„Du willst den ganzen Roman noch einmal schreiben? Reicht es nicht, ihn<br />

entsprechend zu korrigieren?“<br />

„Leider nicht“, sagte ich knapp und merkte, dass wir auf dem besten Weg waren, doch<br />

darüber zu sprechen. Genau das hatte ich eigentlich vermeiden wollen.<br />

„Aber die haben dir doch den Plot vorgegeben, oder etwa nicht?“<br />

Tom klang ernsthaft empört. Das tat gut, auch wenn ich mittlerweile meinem Lektor<br />

recht geben musste.<br />

„Nicht ganz. Sie haben die Rahmenbedingungen und Eckdaten vorgegeben. Es liegt<br />

aber nicht unbedingt am Plot“, erklärte ich.<br />

„Woran dann? Wenn du die Rahmenbedingungen eingehalten hast und der Plot okay<br />

ist, was hat dein Lektor dann bitteschön auszusetzen?“<br />

Ich merkte, wie mich Toms Reaktion öffnete, wie es mich hineinzog in seine Empörung<br />

– ich sie nähren wollte.<br />

„Es ist die Art, wie ich geschrieben habe …“, begann ich.<br />

Tom schüttelte heftig den Kopf.<br />

„Nein, das kann nicht sein. Ich kenne deine Sachen. Du schreibst gut.“<br />

Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, ein mädchenhaftes 'Eeecht?'<br />

hinauszuposaunen.<br />

Tom merkte meine Vollbremsung.<br />

„Wirklich, Max! Dein Verlag hätte dich kaum beauftragt, wenn er nicht derselben<br />

Ansicht wäre.“<br />

Das war ein Argument …<br />

„Das mag sein …“, erwiderte ich, „… aber mein Lektor hat recht.“<br />

Tom warf mir einen ungläubigen Blick zu.<br />

Ich hatte in der Vergangenheit schon öfter über meinen Lektor geschimpft. Es ist fürs<br />

Ego nicht immer leicht, wenn ein Fremder dich dazu bringen will, gerade den<br />

brillantesten Einfall zu verwerfen. Selbst, wenn ich ihm manchmal auch Jahre später<br />

zustimmen musste, so hatte ich ihn vor Tom noch nie verteidigt.<br />

„Es ist …“, begann ich und ließ den Satz schon im Keim versiegen.<br />

Das machte Tom erst richtig neugierig. Ich versuchte Zeit zu schinden, hob mein<br />

Bierglas und trank eine halbe Ewigkeit in winzigen Schlucken. Die Hinhaltetaktik aus


meiner Kindheit, wenn ich noch nicht schlafen gehen wollte. Doch Toms Neugier<br />

verschwand nicht einfach so, er lauerte.<br />

„Ich schreibe wie der Blinde von der Farbe“, platzte ich heraus.<br />

„Und was heißt das?“<br />

„Ich soll mehr persönliche Erfahrung einbringen. Ich schreib zu technisch“, erklärte ich.<br />

Mir wurde bewusst, dass ich aus der Nummer nicht wieder herauskam. Alles lief<br />

darauf hinaus, dass ich Tom mein Problem genau schildern würde.<br />

„Ich verstehe nicht. Welche Erfahrung? Worüber handelt das Buch denn?“, fragte er.<br />

Was soll`s, stürzte ich mich eben kopfüber in die Schlucht, früher oder später würde<br />

ich es ja doch erzählen.<br />

„Eine homoerotische Liebesgeschichte“, sagte ich sehr leise.<br />

Ich wollte nicht, dass es das ganze Lokal hörte.<br />

Tom schaute mich so fragend an, dass ich nicht wusste, ob er mich akustisch<br />

verstanden hatte.<br />

„Eine … was?“, fragte er auch schon.<br />

„Neurotischer Technikersex“, benutzte ich die Worte des Lektors.<br />

Tom musste losprusten. Ich war erleichtert, dass er lachte. Mit Humor hatte ich die<br />

Sache bisher noch nicht betrachten können.<br />

Zögerlich fiel ich in sein Lachen mit ein und wurde mutig.<br />

„Ja, offenbar habe ich aus dem Auftrag eines schwulen Liebesromans eine<br />

Wohnzimmerschrank-Bauanleitung für homosexuelle Praktiken gemacht.“<br />

„Was hast du denn geschrieben, um Himmels willen?“, kicherte er, als er sich beruhigte.<br />

„Ich weiß nicht“, gab ich zu. „Ich war schon sehr explizit, das war allerdings auch eine<br />

der Vorgaben. Aber offenbar ist es nicht lebensnah genug.“<br />

„Was soll das heißen?“<br />

„Ich soll aus dem Fundus meiner sexuellen Erfahrungen schöpfen, meinte er. Alle<br />

Menschen hätten Sex und sie würden merken, dass das, was ich schreibe, nicht<br />

authentisch ist.“<br />

„Aha“, machte Tom, musterte mich, seine Blicke hüpften auf meinem Gesicht hin und<br />

her.<br />

„Und das ist dir zu privat, über deine Erfahrungen zu schreiben?“<br />

Ich versuchte, mit freiem Auge die Moleküle der Tischplatte zu erfassen.<br />

„Ich habe keine Erfahrungen, über die es sich zu schreiben lohnt“, gab ich zu, sagte es<br />

aber so leise und undeutlich, dass ich hoffte, er würde es nicht verstehen.<br />

Doch er hatte es gehört.<br />

„Du meinst, du hast keine Erfahrung mit Männern“, zog er den Schluss aus meiner<br />

Erklärung.<br />

„Auch“, sagte ich und warf ihm einen raschen Blick zu.<br />

Wie erwartet fand ich dort eine Mischung aus Staunen, Verwirrung und Entsetzen,<br />

also wandte ich mich wieder den Molekülen zu.<br />

„Warte mal“, schnaufte er. „Du willst mir doch jetzt nicht weismachen, dass du noch<br />

Jungfrau bist?“<br />

Das klang so dramatisch, dass ich unwillkürlich grinsen musste.<br />

„Nein“, rief ich, sah ihn an und schüttelte zur Bekräftigung den Kopf.<br />

„Das nun nicht. Aber meine Erfahrungen sind nicht brauchbar.“


Das war wirklich wohlwollend ausgedrückt. Danach sollte ich ihm alles erzählen.<br />

Bisher hatten wir dieses Thema noch nie angesprochen, was auch an mir lag. Ich hatte<br />

immer rasch – und oftmals sehr plump – ein anderes Thema auf den Tisch geknallt,<br />

sobald auch nur der Hauch einer Idee aufkam, das Thema Liebe, Sex, Beziehung auch nur<br />

am Rande zu berühren.<br />

Ich schilderte also meine trostlose Beziehungserfahrung und stellte fest, dass ich sie<br />

das erste Mal jemandem erzählte. Das war seltsam, aber es tat auch gut.<br />

Mir wurde plötzlich bewusst, wie verzweifelt sie klang.<br />

Als ich fertig war, ruhte sein Blick aufmerksam auf meinem Gesicht, als erwarte er<br />

noch weitere Geschichten.<br />

Als Tom merkte, dass das alles war, fragte er: „Wie lange ist das her?“<br />

„Zwölf Jahre“, antwortete ich rasch.<br />

Ich hatte darüber erst kürzlich nachgedacht und es ausgerechnet, somit lag es<br />

bedrückend klar vor mir.<br />

„Das ist eine kleine Ewigkeit“, sagte er mehr zu sich selber als zu mir. „Und danach?“<br />

Als ich den Kopf senkte merkte ich, wie mir das Blut in die Ohren schoss.<br />

„Du meinst, das waren die Sexerlebnisse deines gesamten bisherigen Lebens?“<br />

Seine Stimme überschlug sich fast, so unglaublich klang das für ihn.<br />

Ich merkte, wie rote Flecken der Verlegenheit aus meinem T-Shirt den Hals hinauf<br />

krochen und die Wangen einfärbten. Ich schwieg, mein Mund war staubtrocken, doch<br />

meine schreckgeweiteten Augen und die rote Gesichtsfarbe sagten alles.<br />

Tom wurde ganz still, blickte so betroffen drein, als hätte ihm jemand gesagt, seine<br />

Eltern wären bei einem Autounfall ums Leben gekommen und hätten so wenigstens nicht<br />

mehr von ihrer Krebsdiagnose erfahren.<br />

Mir war so viel Aufmerksamkeit unangenehm. Mein Leben war meine einsame<br />

Privatangelegenheit. Sie machte nicht einmal mich selber betroffen – nur verärgert.<br />

Tom legte seine warme Hand auf meinen Nacken. Noch ehe ich begriff was geschah,<br />

zog er mich halb zu sich hin, halb rutschte er mir entgegen, schlang die Arme um mich<br />

und drückte mich an seine Brust.<br />

Ich wusste nicht, wann mich zuletzt ein Mensch umarmt hatte, ob es überhaupt schon<br />

jemand getan hatte.<br />

Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.<br />

Stocksteif ließ ich mich umschlingen, spürte Toms Atem an meinem Hals, spürte, wie<br />

sich sein Brustkorb hob und senkte, roch intensiv seinen körperlichen Geruch, nahm wahr,<br />

dass sein Körper warm war, seine Arme kräftig, und dass seine Hände über meinen<br />

Rücken glitten.<br />

Gerade, als ich diese Umarmung zu genießen begann und in den Hauch einer<br />

Versuchung geriet, diese zu erwidern, mich zu lockern und nicht wie ein Baumstamm<br />

dazusitzen, löste er sich schon wieder von mir. Er sah echt mitgenommen aus. Ich war<br />

froh, dass die Umarmung vorbei war, sie hatte mich in Verlegenheit gebracht – aber<br />

irgendwie vermisste ich sie jetzt auch schon.<br />

Ich begann eine Ahnung davon zu bekommen, was mein Lektor wirklich gemeint<br />

haben könnte.<br />

„Warum hast du diesen Auftrag angenommen, wenn du weißt, dass du da … nun ja<br />

… Defizite hast?“, fragte Tom.


Defizite. Das klang fast, als wäre ich behindert.<br />

„Der Vorschuss“, gab ich ehrlich zu. „Ich brauchte das Geld – und ich dachte, ich wäre<br />

auch besonders geeignet, weil ich meine Sehnsüchte da hinein sublimieren könnte.“<br />

„Du bist schwul“, stellte er fest.<br />

Ich schüttelte den Kopf, allerdings weniger überzeugend als ich das beabsichtigte, als<br />

wollte mir mein Körper nicht gehorchen.<br />

Entsprechend misstrauisch blieb Tom.<br />

„Sicher? Du sagtest, du würdest deine Sehnsüchte in eine homoerotische Geschichte<br />

hinein sublimieren.“<br />

Das klang so pragmatisch. Warum hatte ich ein Problem damit?<br />

„Nein … ich … ich meinte, so allgemein. Ist es nicht irgendwie dasselbe?“,<br />

beschwichtigte ich.<br />

Tom musterte mich nachdenklich.<br />

„Nein. Nein, es ist nicht irgendwie dasselbe“, erklärte er.<br />

„Es ist eine Sache, sich für Formulierungen an eigenen Erfahrungen zu orientieren und<br />

eine andere, von Sehnsüchten zu schreiben. Ich glaube nicht, dass man bei Sehnsüchten<br />

eine falsche Zieladresse angeben kann.“<br />

„Vielleicht war ja das mein Problem“, versuchte ich mich zu retten. „Vielleicht sollte ich<br />

den Roman an einer Frau orientieren und erst am Schluss das Geschlecht ändern. Mit<br />

dem Textprogramm geht das doch ganz einfach.“<br />

Ich hätte jetzt viel lieber über die technischen Herausforderungen von<br />

Schreibprogrammen geredet.<br />

„Vielleicht“, murmelte Tom leise.<br />

Immer noch wirkte er für meinen Geschmack viel zu involviert. Als läge meine<br />

mangelnde Erfahrung in seiner Verantwortung. Ich sah, wie er in sich ging und über<br />

etwas intensiv nachdachte.<br />

Wir bestellten noch ein Bier und nun war er es, der die Moleküle im Tisch suchte, aber<br />

weniger aus Verlegenheit, sondern um an seinen Gedanken dranzubleiben.<br />

Ich nutzte die kleine Verschnaufpause, um wieder auf normale Körpertemperatur<br />

abzukühlen und mich im Pub umzusehen, um mich etwas zu zerstreuen.<br />

Ich suchte nach irgendeinem anderen Gesprächsthema, mit dem ich die ungemein<br />

peinliche Situation beheben konnte – aber mein Kopf war völlig leer.<br />

„Du wirst nicht darum herumkommen, echte Erfahrungen zu machen“, kam es<br />

schließlich von Tom und ich wusste nicht, ob er mich damit ansprach oder nur laut<br />

dachte.<br />

„Es ist wirklich etwas anderes, wenn man weiß, wovon man schreibt. Auch wenn man<br />

dann immer noch viel dazu erfindet und seine eigene Version daraus macht. Aber dafür<br />

braucht man eine gewisse Basis an Erfahrungen.“<br />

Ich saß da und hörte mir das an wie ein Schüler die Predigt eines Lehrers, der meinte,<br />

man müsse sich im nächsten Halbjahr etwas mehr ins Zeug legen.<br />

Ich tat so, als beträfe mich das nicht.<br />

„Ich weiß, das klingt etwas seltsam, aber lass dir Folgendes durch den Kopf gehen“,<br />

sagte er schließlich, ohne mich anzusehen.<br />

„Ich könnte dir helfen, diese Erfahrungen zu machen.“<br />

Das ging an mir vorbei und klatschte irgendwo zwei Meter weiter an die Wand. Dort


utschte es hinunter und robbte zu mir zurück, kroch bei meinem Hosenbein hinein und<br />

landete mit zäher Verzögerung in meinem Hirn, wo verschlafene Bürokraten den<br />

Vorschlag in Empfang nahmen, um ihn auf alle erforderlichen Stempel zu überprüfen.<br />

„Ich möchte nicht verkuppelt werden. Ich kann mir schon selber jemanden suchen,<br />

falls ich möchte“, sprudelte es aus mir heraus und ich spürte unbequem kalten Schweiß<br />

auf meinem Rücken.<br />

Verkupplungsversuche gehörten zu meinen schlimmsten Albträumen. Ich hatte das als<br />

Teenager einige Male am eigenen Leib erfahren müssen, bei der bloßen Idee schrillten alle<br />

Alarmglocken.<br />

Mir musste die blanke Angst ins Gesicht geschrieben stehen.<br />

„Nein“, sagte Tom entschlossen.<br />

„Ich meinte nicht, dass ich dir jemanden vorstelle, sondern dir helfe, Erfahrungen zu<br />

machen“, wiederholte er.<br />

Es klang für mich wie: 'Es ist nicht rot, sondern rot.'<br />

„Du musst mir nicht helfen, jemanden kennenzulernen“, erwiderte ich. „Ich möchte<br />

niemanden kennenlernen.“<br />

Das war zwar in Panik gesagt, aber wahr. Das Letzte, was ich aktuell in meinem Leben<br />

brauchte, war eine Frau.<br />

„Du verstehst nicht“, erklärte Tom und sah mir nun eindringlich in die Augen.<br />

So ernsthaft hatte er mich noch nie angesehen. So musste er wohl aussehen, wenn er<br />

einen Vertrag mit einem mühsamen Anzeigenkunden abmachte.<br />

„ICH würde dir die Erfahrungen ermöglichen.“<br />

Gerade wollte ich ihm, der mir so stur erschien, erneut klar machen, dass ich keine<br />

Kuppelversuche wünschte, als eine mögliche Vision dessen ankam, was er gemeint haben<br />

könnte.<br />

Mein Mund klappte auf und wieder zu. Dann wieder auf – und wieder zu.<br />

Seine Worte rutschten beim einen Ohr hinein, beim anderen Ohr unverdaut heraus,<br />

hielten sich am Ohrläppchen fest und kletterten wieder hinein. Ich konnte unmöglich das<br />

verstanden haben, was ich gerade dachte.<br />

Dann erkannte ich die Lösung und ein erleichtertes Lachen erfasste mich.<br />

„Ach, du meinst, du erzählst mir von deinen Erfahrungen!“, posaunte ich hinaus und<br />

schmiss die Anspannung betont amüsiert von mir.<br />

Darauf hätte ich selber auch kommen können. Das war natürlich eine Lösung.<br />

Doch Tom lachte nicht mit, sondern schaute mir irritiert und ein wenig traurig zu, als<br />

hielte er mich tatsächlich für ein bisschen behindert. Anstatt mir ein weiteres Mal zu<br />

erklären, was er meinte, legte er mir seine warme Hand ruhig auf den Oberschenkel.<br />

Mein Lachen erstarb augenblicklich. Ich glotzte auf diese Hand, die sich durch die<br />

Jeans in meine Haut brannte, dort meine Nervenenden entzündete und explosionsartig<br />

Hitze entlang einer Zündschnur bis in meinen Lendenbereich zischte.<br />

Irgendwo, in einer fernen Galaxie, wusste ich, was er gemeint hatte – wie er es meinte<br />

– aber es fand keinen Weg in mein Vorstellungsvermögen. Zu absurd kam mir das<br />

Angebot vor. Es war wie ein abstrakter Traum. Vielleicht hatte ich Wahnvorstellungen.<br />

Unmöglich konnte es sein, dass Tom mir anbot, dass er … dass er …<br />

Ich wetzte unruhig hin und her und blickte ihm forschend in die Augen.<br />

Ich musste mich irren.


Ich wollte, dass ich mich irrte – und ich wollte, dass ich mich nicht irrte.<br />

„Ich werde dich zu nichts überreden, das du nicht willst. Du entscheidest“, legte Tom<br />

Regeln fest.<br />

Das war nicht real, so real war das. Ganz langsam krochen wieder Gedanken aus den<br />

Ecken meines Gehirns hervor und blinzelten sich verstört an. Einer betraf die Frage,<br />

warum sich Tom auf so etwas einlassen wollte.<br />

Mir war schon klar, dass er vermutlich viel mehr Erfahrung hatte als ich, und das<br />

Thema wohl um Welten unbefangener angehen konnte, aber von da war es immer noch<br />

ein weiter Weg, einem Freund, vermutlich noch nicht einmal seinem besten Freund,<br />

anzubieten, mit ihm … ihn …<br />

Ich konnte den Gedanken gar nicht anfassen.<br />

War der Gedanke, dass sich ein Mann anbot, einer halben Jungfrau Erfahrungen zu<br />

verschaffen, so abwegig? Vermutlich weniger, wenn ich eine attraktive Frau wäre.<br />

Genau da lauerte die nächste Frage, deren Antwort ich noch nicht kannte.<br />

Ich musste gestehen, dass ich genauso wenig von seinem Sexleben wusste, wie er von<br />

mir gewusst hatte.<br />

„Überlege es dir einfach“, bot er schließlich an und nahm seine Hand von meinem Bein.<br />

„Du musst das nicht sofort entscheiden. Mein Angebot steht.“


Entscheidung<br />

Ich brauchte eine ganze Woche, das Angebot zu begreifen und es zu verdauen. Die<br />

halbe Woche davon machte ich kein Auge zu. Zu der Feststellung, wie unglaublich<br />

wahnsinnig das war, gesellte sich eine weitere – nicht weniger schwere – Frage.<br />

War ich schwul? Konnte das ein versteckter Grund dafür sein, mich all die Jahre so<br />

verkrochen zu haben? Ich rief mir in Erinnerung, dass ich die Recherchen zu meinem<br />

Roman durchaus erregend gefunden hatte. Ebenso regte sich mein Schwanz jedes Mal,<br />

wenn ich daran dachte, wie Toms Hand auf meinem Oberschenkel gelegen hatte.<br />

Ich hatte, auch wenn mein Lektor den Text vertrackt fand, das Hineinsinken in die<br />

homoerotischen Fantasien durchaus genossen. Mir wurde warm, wenn ich an die<br />

Umarmung dachte und mir klopfte das Herz, wenn ich noch mal durchlebte, wie Tom mir<br />

durch das Haar gefahren war. Ich fand den Gedanken, das Angebot anzunehmen,<br />

aufregend.<br />

Allerdings nur den Gedanken. Bei aller prickelnden Fantasie, das war doch völlig<br />

bescheuert. Wie sollte ich mir vorstellen, dass wir das umsetzten? Eine Liste mit<br />

ausstehenden Praktiken, die wir nach und nach als erledigt abhaken konnten?<br />

Ich lief herum wie ein kopfloses Huhn. Konnte kaum essen und fand keine Ruhe, mich<br />

hinzusetzen und an dem Roman zu schreiben.<br />

Tom meldete sich nicht. Wozu auch? In einigen Wochen würde ich wieder in die<br />

Redaktion kommen, und dann würden wir wieder ein Bier trinken gehen.<br />

Wie all die Jahre davor. Wie immer.<br />

Aber was, wenn wir es durchziehen würden? Würden wir dann je wieder so<br />

unbefangen auf ein Bier gehen? Wollte ich das aufs Spiel setzen? Wollte ich wieder<br />

wochenlang warten bis zum nächsten Treffen?<br />

Ich erinnerte mich an den Anflug von Panik, als ich gedacht hatte, er habe gekündigt<br />

oder wäre gekündigt worden. Zumindest hatte ich jetzt seine Telefonnummer und er<br />

hatte meine. Es lag nach diesem Angebot wohl an mir, mich zu melden.<br />

Was war seine Motivation? Sein Gewinn? Vor allem, wenn er vielleicht nicht einmal<br />

schwul war.<br />

Und dann setzte mir der Lektor zu und ich hatte noch immer nichts geschrieben. Er<br />

legte einen Termin fest, an dem er zumindest die ersten hundert Seiten auf seinem<br />

verdammten Tisch liegen haben wollte.<br />

Von Toms Angebot inspiriert begann ich zu schreiben, und einige Seiten lief es auch<br />

wirklich gut. Ich kam in Fahrt, ich spürte, dass diesmal weit mehr Substanz dahinter war.<br />

Einige Tage klopfte ich in die Tasten und besserte herum, und besserte herum, und<br />

besserte herum.<br />

Ich kam immer langsamer voran.<br />

Nach und nach merkte ich, dass ich mich wieder verrannt hatte. Ich wurde erst<br />

panisch und dann zornig. In einem Anflug von Selbsthass löschte ich nicht nur die neue<br />

Version, sondern auch die erste Fassung dieses Romans und zwar nachhaltig.<br />

Danach ärgerte ich mich wiederum über diesen unüberlegten Akt der Selbstzerstörung.<br />

Nun konnte ich meinem Lektor nicht einmal eine weitere miese Version liefern, und in


zwei Wochen war Abgabetermin.<br />

Ich verzagte, rechnete mir aus, wie viel ich dem Verlag schuldete, wie viele Artikel ich<br />

in der Zeitung verfassen musste, um neben meinem Leben auch noch diese Schulden beim<br />

Verlag abzuarbeiten.<br />

Schließlich besoff ich mich mit jenem Weinvorrat, der sich über Jahre hinweg in Form<br />

von Weihnachtsgeschenken des Verlags und der Zeitung angesammelt hatte. Ich<br />

randalierte nackt in meiner Wohnung und schimpfte mich vor dem Spiegel erst einen<br />

Versager, dann eine Schwuchtel und zerschlug ihn schließlich.<br />

Ich hasste mich für meine Feigheit und in meiner Raserei, meinem vom Alkohol völlig<br />

vernebelten Zustand, wählte ich Toms Telefonnummer …<br />

Am nächsten Tag erwachte ich mit dem Gefühl, meine Altwäsche gegessen zu haben.<br />

Der Mund war trocken, ich hatte einen pelzigen Geschmack auf der Zunge und mein<br />

Magen verhielt sich wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Noch schlimmer hatte es<br />

meinen Kopf erwischt. Beständig raste die Wohnung an mir vorbei, während mein Gehirn<br />

wie eine Walnuss in einem Glas schwamm und dauernd gegen die Wände prallte.<br />

Als sich nach einigen Stunden der Kater allmählich legte, kümmerte ich mich um die<br />

Nachwehen, die meine Wohnung auszubaden hatte. Ich hatte wirklich kräftig gewütet,<br />

einige Lampen, eine Menge Geschirr und ein Spiegel waren zu Bruch gegangen. Bücher<br />

lagen zerfleddert herum – ich hatte aus ihnen etliche Seiten herausgerissen – zerbrochene<br />

CD- und DVD-Hüllen, ein Sessel hatte es nicht überlebt und ich musste einer<br />

Zimmerpflanze Erste Hilfe leisten.<br />

Offenbar hatte ich mich auch bemüßigt gefühlt, auf den Teppich zu pissen und hatte<br />

mich auf den Laptop erbrochen. Ich war stundenlang beschäftigt, die Wohnung wieder<br />

instand zu setzen und erarbeitete zwei große schwarze Säcke Müll.<br />

Ich geriet beim Aufräumen in einen geradezu zenartigen Zustand. Ganz in mich<br />

versunken und ohne belastende Gedanken gab ich mich der körperlichen Arbeit hin.<br />

Ich fühlte mich gut.<br />

Zufrieden und entspannt wie lange nicht mehr, ließ ich mir ein Bad ein und tauchte in<br />

den heißen, duftenden Schaum. Ich hörte nur das Rauschen in meinem Kopf, während ich<br />

die Luft anhielt, tauchte, und gelegentlich Luftblasen an die Oberfläche steigen ließ. Bis<br />

mir ein Gedanke ins Bewusstsein schoss, der mich schon den ganzen Tag unbestimmt wie<br />

ein Holzspan gepikst hatte.<br />

Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf, rutschte aus, schluckte eine<br />

beachtliche Menge Wasser, klammerte mich an den Badewannenrand und erhielt nur<br />

nach und nach wieder die Kontrolle über meinen Körper zurück. Mit ekligem<br />

Seifengeschmack im Mund und brennender Nase – ich hatte das Badewannenwasser<br />

inhaliert – und tränenden Augen hing ich über dem Wannenrand und japste nach Luft.<br />

Ich hatte Tom angerufen!<br />

Ich erinnerte mich noch daran, die Nummer gewählt zu haben.<br />

Ich erinnerte mich daran, dass ich von mir selber überrascht war, wie gefasst und klar<br />

ich sprach. Begeistert war ich von mir, wie nüchtern ich trotz meiner Betrunkenheit<br />

geklungen hatte.<br />

Ich erinnerte mich nicht, was ich gesagt hatte, sondern nur an eine grausam<br />

anmutende Entschlossenheit.


Was hatte ich getan? Was hatte ich ihm erzählt? Kalte Panik erfasste mich.<br />

Ich überlegte noch, ob ich mich nicht sofort in der Wanne ertränken sollte, als mein<br />

Handy klingelte.<br />

Nackt, nass und mit Seifenschaumbeulen auf meinem Körper, jagte ich nach dem<br />

Klingelton und erbeutete mein Telefon im Wohnzimmer.<br />

„Na? Wie geht es dir heute?“, fragte Tom und an dem gehässigen Unterton in seiner<br />

Stimme erkannte ich, dass er sehr wohl gemerkt hatte, dass ich betrunken gewesen war.<br />

Zumindest hoffte ich das.<br />

„Gut, gut“, antwortete ich bemüht zwanglos und schabte Schaum von meinem Bauch.<br />

„Du hattest gestern offenbar einen guten Abend.“<br />

„Ja, kann man so sagen.“<br />

„Ich wollte nur nachfragen, ob du dir sicher bist“, sagte Tom.<br />

„Sicher?“<br />

„Ja. Du hattest offenbar einiges getankt. Vielleicht weißt du auch nichts mehr.“<br />

„Ich weiß doch, was ich tu und sage“, rutschte es empört aus mir heraus, und ich<br />

schlug mir auf die Stirn.<br />

Was sagte ich da? Ich wusste gar nichts.<br />

Tom bot mir gerade die Chance, alles zurückzunehmen und als besoffene Aktion<br />

abzutun, und ich bestärkte auch noch meine Dummheit?<br />

„Gut. Freut mich.“ Er klang tatsächlich erfreut.<br />

„Schön …“, sagte ich, und das klang zumindest auf meiner Seite der Leitung sehr<br />

verzweifelt.<br />

„Gut, ich komm dann also morgen“, beendete er das Gespräch in einem Singsang und<br />

ich sank auf das Sofa.<br />

„Bis morgen“, sagte ich in die bereits tote Leitung, drückte mich tiefer in die<br />

Polsterung, um den feuchten Abdruck eines verzweifelten Mannes zu hinterlassen, und<br />

ließ ein gedehntes „Neeeeeiiinnnn“ fahren.


Besuch<br />

Ich hatte keine Ahnung, welche Uhrzeit und welche Bedingungen wir abgemacht<br />

hatten und war zu stolz, um nachzufragen. Es war Sonntag und ich stand bereits um<br />

sieben Uhr morgens nach einer Nacht auf, in der ich immer wieder in einen kurzen<br />

Dämmerschlaf voller absurder Träume gefallen war.<br />

Ich tigerte durch die Wohnung und räumte auf, stellte Dinge um, perfektionierte jedes<br />

Möbelstück, jedes Buch mehrere Male. Es sollte nicht zu arrangiert aussehen, aber auch<br />

nicht zu verkommen. Es war anstrengend, eine lässige Zwanglosigkeit in meiner<br />

Wohnung und an mir selbst zu inszenieren.<br />

Ich kontrollierte meine Erscheinung dutzende Male im Spiegel, zupfte mal jedes Haar<br />

und meine Kleidung präzise in Form, dann verwuschelte ich mein Haar und zerrte an der<br />

Kleidung, um nicht so zurechtgemacht auszusehen.<br />

Die Minuten liefen eher rückwärts, als vorwärts. Ich erinnerte mich nicht, jemals so<br />

nervös gewesen zu sein. Erlaubte mir nicht einen einzigen Gedanken daran, was hinter<br />

dem Besuch stand.<br />

Dann läutete es an meiner Tür.<br />

Ich drückte den Türöffner der Gegensprechanlage und hernach meine Nase an der<br />

Wohnungstür platt, um durch den Spion in den Gang hinauszusehen. Als wollte ich<br />

daran hochklettern, krallte ich mich am Holz der Tür fest. Und dann sah ich ihn schon,<br />

wie er, durch die Weitwinkeloptik des Gucklochs verzerrt, auf meine Wohnung<br />

zumarschierte und gefühlte fünf Meter entfernt davor stehen blieb, um anzuklopfen.<br />

Ich öffnete überschwänglich und trat einen beherzten Schritt zur Seite, um ihn<br />

hereinzulassen. Noch nie hatte ich Besuch in meiner Wohnung gehabt. Doch auch wenn<br />

ich ein geselliges Leben geführt hätte, hätte mich vermutlich irritiert, Tom unter diesen<br />

Umständen in meinem Flur zu sehen.<br />

Ich nahm ihm die Jacke ab, hängte sie an der steril leer geräumten Garderobe auf und<br />

beobachtete geduldig und konzentriert, wie er die Schuhe auszog. Seine Füße hatte ich<br />

noch nie gesehen. Fasziniert betrachtete ich, wie sich die Form seines Fußes, die Sehnen,<br />

die Adern, die Zehen und Knöchel durch die Socken abdrückten.<br />

Mit einer Handbewegung wies ich ihm den Weg ins Wohnzimmer. Meine Kehle war so<br />

staubtrocken, dass ich keinen Ton hervorbrachte. Überhaupt grinste ich vor mich hin wie<br />

ein Idiot.<br />

Tom schlenderte, visuell den Raum abtastend, auf mein Bücherregal zu und legte den<br />

Kopf schief, um Buchrücken zu überfliegen. Ein bisschen selbstvergessen, wenn man es<br />

wonnig ausdrücken wollte, stand ich in der Tür und beobachtete ihn dabei. In Wahrheit<br />

glotzte ich wohl eher dümmlich in den Raum, völlig unschlüssig, was ich tun sollte.<br />

„Wasser?“, fragte ich schließlich.<br />

„Gern“, antwortete Tom.<br />

Beflügelt, eine Mission zu haben, eilte ich in die Küche. Mir rutschte beim Öffnen der<br />

Schranktür dieselbe weg und sie knallte laut zu. Ein Glas fiel mir aus der Hand, als ich es<br />

mit Leitungswasser füllte. Da es nur einige Zentimeter in den Abwasch fiel, ging es nicht<br />

zu Bruch aber es machte ein klirrendes Geräusch.


Mit zwei wassergefüllten Gläsern kam ich ins Wohnzimmer, das mir Vorwürfe machte,<br />

seine heilige Ruhe durch einen Fremden zu stören. Tom stand nun vor den DVDs, nahm<br />

dankend ein Glas entgegen und stürzte den Inhalt mit einem einzigen Schluck herunter.<br />

Ich tauchte nur meine Oberlippe ins Wasser und sah zu, wie sich Tom aufs Sofa fallen<br />

ließ, genau an der Stelle, auf der ich gestern eine nasse Silhouette der Verzweiflung<br />

hinterlassen hatte.<br />

Ich setzte mich zu ihm, allerdings so weit weg, wie das nicht besonders große Sofa es<br />

zuließ, und nur auf die vorderste Kante, zur Flucht bereit. Ich stellte mein Glas auf dem<br />

Couchtisch lauter als beabsichtigt ab und schaute durch mein eigenes Wohnzimmer, als<br />

wäre ich zu Besuch in einer fremden Wohnung mit undurchschaubaren Sitten, die ich<br />

jederzeit unabsichtlich brechen und eine Todesstrafe auf mich ziehen könnte.<br />

„Du hast mich überrascht“, sagte Tom. Er fühlte sich in meiner Wohnung deutlich<br />

wohler als ich. Ich fuhr zu ihm herum, warf ihm einen raschen Blick zu und machte ein<br />

Geräusch, das man als Grunz-Quietschen oder Quietsch-Grunzen beschreiben könnte.<br />

„Ich weiß, die Idee ist verrückt und ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass du<br />

darauf zurückkommen würdest“, erklärte er seelenruhig, als ginge es um den Verleih eines<br />

Films.<br />

Ich grinste wie eine Asiatin, die das erste Mal im Westen war und kein Wort unserer<br />

Sprache verstand, und nickte eifrig.<br />

„Ich hatte Angst, dir zu nahe getreten zu sein“, fuhr er fort.<br />

„Bist du nicht“, schubsten sich die Worte heiser aus meinem Mund.<br />

Danach räusperte ich mich und verschränkte meine Knöchel.<br />

„Wir müssen nichts machen. Ich überlasse das ganz dir. Es geht hier schließlich um<br />

dich. Es sollte ja Spaß machen und kein Zwang sein. Wir können auch nur reden.“<br />

Dann gluckste er kurz auf: „Hör mich bloß an, ich rede wie eine Prostituierte …“<br />

Ich zuckte zusammen.<br />

„Reden ist gut“, sagte ich und machte ein gedankliches Problem daraus, ob ich mich<br />

etwas bequemer hinsetzen sollte.<br />

„Wie schaut die Lage in der Redaktion aus?“, fragte ich, hoffend, ein Thema gefunden<br />

zu haben, das stark genug war, die Anspannung – ach, die gesamte Idee – zu verwerfen.<br />

„Nach wie vor ist nichts beschlossen“, erklärte Tom.<br />

Ich rutschte auf dem Sofa zurück, langsam wie eine Kontinentalverschiebung, als<br />

könnte ich diese Bewegung verheimlichen, indem ich sie möglichst langsam absolvierte.<br />

„Aber es sieht so aus, als käme mein Chef nicht mehr zurück … kompliziert … Ersatz<br />

… Zweigstelle … Vertretung …“<br />

Ich tat mich schwer damit, dem Inhalt zu folgen, da ich die ganze Zeit im Kopf hatte,<br />

weswegen Tom da war. Ich hörte seine Stimme, ich sah, wie sich seine Lippen bewegten,<br />

als er von der Redaktion erzählte, aber ich verstand nichts.<br />

Unauffällig ließ ich den Blick über seinen Pullover gleiten, oder eher die Formen seines<br />

Körpers, und zwang mich, ihm nicht zwischen die Beine zu sehen.<br />

Ein Zwangsgedanke, der sich sofort begeistert in meine Wahrnehmung drängte und<br />

sich einen Sport daraus machte, mir zu unterstellen, ich schaffte keine Minute, ohne<br />

hinzusehen, während er mir Flausen in den Kopf setzte.<br />

Guck, er hat sich bewegt. Schon wieder. Steht da etwa der Hosenstall offen?<br />

Damit erreichte er auch genau das. Ich musste immer wieder auf die Ausbeulung von


Toms Hose schauen, je mehr ich mich dagegen wehrte, umso häufiger.<br />

„Wie läuft es mit dem Roman?“, stellte Tom schließlich eine Gegenfrage, nachdem er<br />

erklärt hatte, nicht weiter über dieses aufreibende Thema reden zu wollen.<br />

„Hat sich dein Lektor wieder gemeldet?“<br />

„Frag nicht!“, rief ich lauter aus als beabsichtigt, rollte mit den Augen und machte eine<br />

wegwerfende Handbewegung.<br />

„In zwei Wochen soll ich ihm zumindest hundert Seiten abliefern und ich habe kein<br />

einziges Wort.“<br />

Tom lächelte, breitete seine Arme aus und sagte: „Dann solltest du keine Zeit verlieren.<br />

Ich bin da. Was auch immer du recherchieren möchtest, ich bin bereit.“<br />

Ich grinste blöd.<br />

„Ich kann doch nicht einfach so …“, begann ich.<br />

„Was?“, fragte er, und funkelte mich herausfordernd an.<br />

Ich schielte wieder auf seinen Schritt und schüttelte dann schüchtern den Kopf.<br />

Da rutschte er ein bisschen näher und löste meine Hand aus der Verknöcherung mit<br />

der anderen. Seine warmen Finger schoben sich in meine und er drückte seinen etwas<br />

rauen Handteller gegen meinen. Dabei lächelte er mich auf eine Weise an, dass mir die<br />

Knie kribbelten.<br />

„Macht es dir nichts aus, mit … mit …“, brannte mir eine Frage auf den Lippen.<br />

„Was denn? Mit dir Händchen zu halten? Warum sollte mir das etwas ausmachen?“,<br />

fragte er und dann hob er unsere verschränkten Hände an seinen Mund und drückte<br />

einen Kuss auf meinen Handrücken.<br />

Ich spürte, wie auf den Nervenbahnen meines Unterarms eine Autobahn eröffnet<br />

wurde.<br />

„Nein, ich meine … hast du nicht eine Freundin oder so was?“<br />

Tom starrte mich entgeistert an.<br />

„Wie kommst du denn auf diese Idee?“<br />

Ich zuckte mit den Schultern und grinste arglos.<br />

„Ich bin schwul, Max. Ich dachte, du wüsstest das“, sagte er in einem Ton, als würde er<br />

mir erklären, dass ich mit neunundzwanzig Jahren nicht mehr an den Weihnachtsmann<br />

glauben sollte, und an den Osterhasen auch nicht.<br />

Dennoch traf mich dieses Geständnis. Klammheimlich unterstellte ich ihm bei dem<br />

angebotenen Projekt Eigeninteressen.<br />

„Ich nicht …“, fühlte ich mich bemüßigt zu sagen. „Ich bin nicht schwul.“<br />

Dabei war ich mir absolut nicht mehr sicher. Genau genommen zog ich in Erwägung,<br />

dass ich mich vielleicht ein bisschen in Tom verguckt haben könnte.<br />

„Natürlich nicht“, sagte er, drückte ein bisschen meine Hand und ich bemerkte, wie er<br />

einen Gedanken heran rollte.<br />

„Schau, Max, wenn du ein Maler oder ein Bildhauer wärst, würde ich für dich Modell<br />

stehen. Es wäre nicht wichtig, welche sexuelle Ausrichtung du hast, oder ich. Es geht um<br />

deine Kunst. Betrachte es auf diese Weise.“<br />

„Das kann man doch nicht vergleichen!“, empörte ich mich. „Es ist doch eine Sache, ein<br />

paar Meter entfernt eine Pose einzuhalten und eine ganz andere, zu … zu …“<br />

„Sex zu haben?“, vervollständigte er meinen Satz.<br />

Nun war erstmals ausgesprochen, wie weit dieses Unterfangen gehen konnte. Ich war


mir bis zuletzt nicht sicher gewesen, ob ich das Angebot wirklich richtig verstanden hatte.<br />

„Zum Beispiel.“<br />

„Das hoffe ich doch“, sagte er ruhig, und mir klappte der Mund auf. „Das ist doch Sinn<br />

der Sache. Du sollst es erfahren, erleben, und darauf aufbauen, und nicht aus einigen<br />

Metern Distanz darauf glotzen.“ Dann hob er seine freie Hand.<br />

„Indem du dir diese Hand anschaust …“, er drehte sie anschaulich hin und her,<br />

„… wirst du nicht erfahren, wie sich das hier …“, er hob nun die andere Hand, die meine<br />

hielt, “… anfühlt.“<br />

Das klang schlüssig, wenn sich daraus für mich auch nicht ableitete, dass Sex zu<br />

haben dasselbe wäre, wie Modell zu stehen. Aber er schien entschlossen und das machte<br />

mich etwas unbefangener.<br />

Es sorgte dafür, dass ich mich wohlfühlte, dass ich meinen Roman schreiben konnte.<br />

Tom war bereit, sehr weit dafür zu gehen.<br />

Ich stellte plötzlich fest, dass er schön war.<br />

„Ich möchte dich küssen“, platzte es aus mir heraus und kurz fragte ich mich, wer das<br />

gesagt hatte. Mein Herz schlug heftig und schwer.<br />

In seinen Augen flackerte etwas auf. Er setzte sich gerade hin und lächelte mich<br />

erwartungsvoll an. Meine Handflächen begannen zu schwitzen.<br />

Tom wackelte aufmunternd mit den Augenbrauen, um mich zum Lächeln zu bringen.<br />

Es funktionierte und eine Schicht Anspannung blätterte von meinem Körper ab.<br />

Er neigte sich etwas zu mir und wartete auffordernd. Zögerlich rutschte ich näher,<br />

worauf er mir auch wieder ein bisschen entgegenkam und ein verschmitztes Lächeln seine<br />

sinnlichen Lippen umspielte.<br />

Er wollte mich locken. Ich rutschte wieder ein bisschen näher, hielt wenige Zentimeter<br />

vor seinem Gesicht inne, erwiderte sein Lächeln.<br />

Ich erwartete, dass das Spiel der schrittweisen Annäherung immer so weiter ging, aber<br />

Tom bewegte sich nicht mehr.<br />

Sein Lächeln wich einem erwartungsvollen Zucken und ich spürte seinen Atem. Meine<br />

Lippen kribbelten allein bei der Vorstellung, dass es gleich so weit sein würde. Tom<br />

überließ es tatsächlich mir, den letzten Schritt zu tun.<br />

Mein gesamter Brustraum zog sich mit einem süßen Stich zusammen, als ich die letzte<br />

Distanz überwand und meine Lippen auf seine drückte. Mir blieb regelrecht die Luft weg.<br />

Ich atmete, meine Lippen an seine gepresst, heftig durch die Nase ein und sah, dass Tom<br />

die Augen geschlossen hatte.<br />

Er ging bereits im Kuss auf und ich schloss meine Augen, um es ihm gleich zu tun:<br />

Die Kontrolle abzugeben an das Gefühl einer sanften Berührung.<br />

Toms Lippen waren weich, warm und er stupste immer wieder sanft gegen meinen<br />

Mund, schnappte zärtlich nach meinen Lippen. Ich spürte, wie er erwartungsvoll seinen<br />

Mund öffnete.<br />

Vorsichtig tippte ich mit der Zunge an seinen Mundwinkel. Er hielt inne, wartend auf<br />

mehr. Ich leckte über seine Oberlippe, die Unterlippe und spürte, wie mir seine raue Zunge<br />

entgegenkam.<br />

Wie heißer Honig breitete sich eine Hitze von meinem Bauchnabel ausgehend aus und<br />

hinterließ ein Prickeln, als würde ich langsam mit Kohlensäure gefüllt. Meine Hose wurde<br />

eng und ein schmerzhaft süßes Ziehen zog durch meine Lenden. Während wir uns wild


und leidenschaftlich küssten, stieg die perlende Kohlensäure in mir bis unter die<br />

Haarwurzeln.<br />

Als ich mich schließlich zurückzog, blickte mich Tom wie aus einer fernen Galaxie<br />

völlig verklärt an. Ich selbst musste mich erst wieder an die Farben dieser Welt<br />

gewöhnen. Unsere Hände hatten wir noch immer fest verhakt. Sie waren klitschnass und<br />

offenbar hatten wir uns daran so festgekrallt, dass sie richtig knackten, als wir sie<br />

voneinander lösten.<br />

„Wow“, hauchte Tom mit glasigem Blick, ehe er langsam wieder zu sich kam.<br />

Wir reckten die Finger, wischten den Schweiß aus den Handflächen an unseren Jeans<br />

ab.<br />

„Danke“, sagte ich leise und erntete einen völlig irritierten Blick.<br />

„Wie bitte?“, entfuhr es ihm empört, und er grapschte gespielt sauer an meinen Bauch.<br />

Ich wehrte ihn ab und streckte den Arm nach dem Wasserglas aus.<br />

Tom sah mir zu wie ich trank und sagte: „Ich würde die Erstfassung gerne lesen.“<br />

Ich setzte das Glas so ruckartig ab, dass mit einem ‚Plopp‘ ein Wassertropfen hoch<br />

und mir auf die Wange sprang.<br />

Amüsiert hob er eine Hand und streichelte ihn mit einer behutsamen Geste fort. Meine<br />

Augenlider flatterten, ich zog heftig Luft durch die Nase und drückte mein Gesicht in seine<br />

Hand.<br />

Es passierte einfach so mit mir. Ich lehnte mich an ihn und meine Lippen suchten<br />

wieder die seinen. Er legte auch seine andere Hand auf mein Gesicht und hielt mich so<br />

behutsam fest, als könnte ich sehr leicht zerbrechen, während er diesen Kuss zärtlich<br />

erwiderte.<br />

Wieder glitten unsere Zungen aneinander, versank ich in den elektrisierenden<br />

Berührungen unserer Lippen, trank aus seinem Mund Hingabe und Sinnlichkeit.<br />

Schließlich schob Tom mich behutsam von sich, fuhr mit der Hand durch mein Haar,<br />

ließ seinen Blick über mein ganzes Gesicht tanzen und sagte leise: „Wirklich Max, ich<br />

würde sie gerne lesen.“<br />

„Ich hab sie gelöscht“, erklärte ich.<br />

„Wieso hast du sie gelöscht? Hast du kein Back-up gemacht?“, fragte er ungläubig.<br />

„Ich habe sie mit Absicht gelöscht. Auch das Back-up. Weil sie Scheiße war, darum.“<br />

„Aber hast du nicht einen Ausdruck davon? Du hast sie doch dem Verlag geschickt,<br />

oder?“<br />

Er hatte recht. Ich war bei meiner Löschaktion feige gewesen. Ich wusste, dass in der<br />

Schublade noch das Kuvert mit der zerfledderten Erstfassung herumlag, die ich aus dem<br />

Papierkorb meines Lektors gerettet hatte. Eine unnötig demütigende Geste war das<br />

gewesen.<br />

Aber wollte ich Tom das wirklich lesen lassen?<br />

„Warum?“, fragte ich.<br />

„Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass sie so schlecht ist“, erklärte er und dann<br />

überfiel ihn ein breites Grinsen. „Und weil ich wissen möchte, welche Sachen drin<br />

vorkommen.“<br />

„Die üblichen Sachen“, sagte ich und zuckte abgeklärt mit den Schultern.<br />

Doch er ließ nicht locker.<br />

Er argumentierte damit, dass er wissen sollte, was ich zu recherchieren gedachte, dass


uns wenig Zeit bliebe, die entsprechenden Erfahrungen zu sammeln, da ich doch schon in<br />

zwei Wochen den Abgabetermin hätte.<br />

Er meinte, es wäre ja ganz nett, sich nach und nach heranzutasten, über viele<br />

Sitzungen hinweg – er sagte wirklich Sitzungen – aber unter den gegebenen Umständen<br />

wäre zügiges und organisiertes Vorgehen notwendig.<br />

Fast gewann ich den Eindruck, es ginge um einen Artikel in seiner Zeitung. Schließlich,<br />

als ich durch seine drängenden Argumente immer zurückhaltender wurde, begab er sich<br />

auf die kindliche ‚Ich will ein Eis'-Masche, bettelte und drohte schlussendlich damit, mich<br />

sogar auf Knien darum zu bitten.<br />

„Okay“, ließ ich mich erweichen.<br />

Als ich mich widerwillig erhob und in der Schreibtischschublade kramte, merkte ich,<br />

wie sich Enttäuschung breitmachte.<br />

Die Küsse hatten mich geweckt. Sie hatten mich hungrig nach mehr gemacht.<br />

Und nun sollte der Nachmittag so weitergehen, dass er meinen furchtbaren Roman<br />

las und ich ihm dabei zusah?<br />

Ich überlegte so zu tun, als hätte ich vergessen, dass das Manuskript noch im Verlag<br />

war, aber ich konnte ihn einfach nicht anlügen. Sobald ich es gefunden hatte, schob ich<br />

es ihm schon in die Hände.<br />

Ich wollte nicht zusehen, wie er zu lesen begann.<br />

Ich wollte den Gesichtsausdruck nicht sehen, die Enttäuschung, das Entsetzen oder<br />

den Spott.<br />

Ich nahm die leeren Gläser und trug sie in die Küche. Dort erst merkte ich, wie ich<br />

zitterte. Es waren die Berührungen, die Küsse die ich noch schmeckte, die mich völlig<br />

fertiggemacht hatten, aber auch die Angst, dass das bereits alles gewesen sein könnte.<br />

Mir war jeder Satz, jedes Wort peinlich. Ich hasste mich dafür, es ihm gegeben zu<br />

haben. Verdammtes Ego. Immer wieder plumpsten Absätze in mein Bewusstsein, die ich<br />

geschrieben hatte, und bei der Vorstellung, dass er sie lesen würde, krampfte sich mir<br />

alles zusammen.<br />

Vielleicht sollte ich ins Wohnzimmer stürmen, ihm das Manuskript wegnehmen und<br />

aus dem Fenster werfen.<br />

Ich schlich zur Wohnzimmertür und schaute ihm zu, wie er die Zeilen überflog,<br />

weiterblätterte, hin und wieder grinste. Er las es nicht richtig, er suchte die expliziten<br />

Stellen. Ausgerechnet. Zwischen diesen hätte er ja noch was vielleicht Anspruchsvolles<br />

finden können.<br />

Ich krallte die Finger in den Türstock und drückte das Gesicht fest dagegen, als würde<br />

ich sonst umkippen. Tom kicherte, blätterte wieder einige Seiten weiter, las. Ich<br />

überschlug, welche Stelle er gerade lesen würde und schlug mit der Stirn gegen den<br />

Türstock, als sie mir einfiel.<br />

Verdammt, verdammt, verdammt!<br />

Ich hielt das nicht aus, ihm zuzusehen, wie sich vor ihm meine grauenhafte Naivität<br />

entblätterte und schlich wieder in die Küche, wo ich auf und ab ging, immer wieder in<br />

Abstufungen der Verzweiflung ‚Nein, nein, nein!‘ murmelte und mich dabei hektisch an<br />

Schultern und Ellenbogen kratzte.<br />

Hin und wieder machte ich einen energischen Schritt in den Flur, wenn ich drauf und<br />

dran war, ihm den Roman entreißen zu wollen, allerdings verließ mich dort der Mut und


ich kehrte in die Sicherheit der Küche zurück.<br />

Wie ein wildes Tier hinter Gitterstäben rannte ich mich in einen beruhigenden<br />

Rhythmus hinein, ließ den Blick über die Bodenfliesen gleiten und verschlang meine<br />

Finger hinter dem Nacken.<br />

Ich erwartete, dass irgendwann die Tür ins Schloss fiel.


Malutensilien<br />

Als ich wieder den Umkehrpunkt an der Küchentür erreichte, sah ich dort Füße in<br />

grauen Socken stehen.<br />

Abrupt hielt ich an, ließ meinen Blick den erbaulichen Anstieg über die Jeans, die<br />

Ausbeulung an den Knien, des Schritts, den Bund des T-Shirts – er hatte sich offenbar<br />

den Pullover ausgezogen – die Schultern, seinen Hals mit dem Adamsapfel und das Kinn<br />

antreten und versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.<br />

Tom grinste.<br />

Schäbig.<br />

Ich schluckte. Er streckte mir das Manuskript entgegen.<br />

„Interessant.“<br />

Ich nahm es verschämt an und spürte, wie meine Ohren rot wurden.<br />

„Interessant“, sagte er noch einmal, drehte sich um und verschwand aus dem<br />

Türrahmen der Küche.<br />

„Interessant“, wiederholte ich seine Worte und folgte ihm ins Wohnzimmer.<br />

Er stand mitten im Raum, drehte sich zu mir herum und fragte: „Hast du<br />

Malutensilien da?“<br />

„Nein“, krächzte ich heiser.<br />

Ich wusste, auf welche Stelle des Buches er anspielte, und schlagartig breitete sich ein<br />

klebriges Prickeln in meinen Knien und den Lenden aus.<br />

„Schade“, sagte er zu sich selbst.<br />

„Außer …“, begann ich, “… aber das ist nicht dasselbe.“<br />

„Was denn?“<br />

Ich hatte seine volle Aufmerksamkeit.<br />

„Ich habe vor ungefähr einem Jahr neu gestrichen. Ich müsste noch Reste der<br />

Wandfarbe im Keller haben“, erklärte ich.<br />

Toms Augen flackerten auf. Er kam mit enthusiastischen Schritten auf mich zu, packte<br />

mich an den Oberarmen und sagte: „Lass sie uns holen.“<br />

Ich wollte protestieren. Die falschen Farben. Und erst die Sauerei.<br />

Andererseits – mir gefiel die Idee und mein ganzer Körper bebte vor Aufregung. Ich<br />

schlüpfte provisorisch in meine Schuhe und zog den Schlüssel ab.<br />

Tom schlüpfte ebenfalls rasch in seine Schuhe ohne sie zuzubinden, und folgte mir.<br />

Wir polterten die Treppen hinunter, hielten uns die Türen auf, tasteten nach<br />

Lichtschaltern.<br />

Als ich fahrig am Vorhängeschloss meines Kellerabteils herum pfriemelte, fiel mir der<br />

Schlüssel runter. Ich zitterte vor Aufregung und die feuchte Kälte des Kellers kroch unter<br />

mein Shirt.<br />

Wieder fiel mir der Schlüssel `runter und als ich ihn aufheben wollte, kam mir Tom<br />

zuvor. Er schien nicht halb so nervös zu sein wie ich. Ruhig und gelassen öffnete er das<br />

Schloss und die knarrende Tür.<br />

Das Kellerabteil sah aus wie mein Unterbewusstsein. Es war ein Schlachtfeld. Ich hielt<br />

dort keine Ordnung, hatte kein System, sondern stellte die Dinge einfach immer vor alles


andere.<br />

Wir mussten also etwas hin und her schichten, ehe wir den Kübel weißer Wandfarbe<br />

und daneben einen Sack vom Baumarkt mit Pinseln, Rollen und Gittern fanden. Tom<br />

packte die Sachen entschlossen und verließ das Abteil, aber ich suchte noch etwas und<br />

fand es.<br />

Eine Abdeckplane. Ja, ich hatte Angst um mein Parkett und den Teppich.<br />

Als Tom das sah, lächelte er und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er war<br />

schon auf dem Weg nach oben, als ich das Schloss einrasten ließ und ihm folgte, immer<br />

zwei Stufen auf einmal nehmend.<br />

Schnaufend kamen wir wieder oben an, und nach dem kühlen Keller empfing uns die<br />

wohlige Wärme meiner Wohnung wie eine liebevolle alte Dame. Kommt herein, Kinder,<br />

setzt euch an den warmen Ofen, ich mach euch Kakao.<br />

Die kurze sportliche Betätigung hatte mich ruhiger gemacht, fast übermütig. Wir<br />

streiften rasch die Schuhe ab und stellten die Malutensilien in den Flur.<br />

Und jetzt?<br />

Wie zwei Architekten, die einen Bahnhof planten, standen wir vor dem Gelände des<br />

Wohnzimmers und überschlugen den benötigten Aufwand und was als Nächstes zu tun<br />

sei.<br />

Wir schoben Sessel und Couchtisch zur Seite, den Schreibtisch und das Sofa näher an<br />

die Wände.<br />

Wir waren ein Team, als würden wir durch die Welt ziehen und Wohnungen<br />

renovieren.<br />

Einer ungeplanten aber flüssigen Choreografie folgend, verlegten wir die Plane,<br />

fixierten sie an den Rändern mit Büchern, den Beinen des Schreibtischs, des Sofas, des<br />

Couchtischs.<br />

Wir arbeiteten konzentriert und zügig, als täten wir tagein tagaus nichts anderes. Nur<br />

hin und wieder warfen wir uns einen verräterischen Blick zu, dann schoss mir das Blut in<br />

die Lenden, meine Oberschenkel wurden teigig, und ich taumelte kurz.<br />

Dann war das Werk auf einmal vollbracht und wir saßen auf der Plane und starrten<br />

es an, als könnten wir nicht fassen, wie hässlich es war. Und es war hässlich.<br />

„Ich muss was trinken“, sagte ich rasch und flüchtete in die Küche.<br />

Plötzlich stand Tom neben mir, griff nach seinem Glas, füllte und leerte es so<br />

enthusiastisch wie ich. Dabei spürte ich, wie die Härchen seines Unterarms die Härchen<br />

meines Unterarms streiften. Eine elektrisierende Berührung.<br />

Er stellte das Glas mit einem satten Seufzen ab und schaute mich entschlossen an.<br />

„Komm!“, befahl er.<br />

Ich klammerte mich noch an der Spüle fest und sammelte Mut.<br />

Als er merkte, dass ich nicht kam, tauchte er wieder in der Küchentür auf: „Los, was<br />

ist? Komm schon!“<br />

Er sah, wie ich meine Finger ins Nirosta krallte und fragte: „Alles okay?“<br />

Ich nickte mit einem schiefen Lächeln.<br />

Tom kam auf mich zu und sein Blick tanzte besorgt zwischen meinen Augen hin und<br />

her. Er legte eine Hand auf meinen Nacken, zog eine knisternde Spur über die Schultern,<br />

den Oberarm, über die Grenze zwischen dem Shirt und der nackten Haut des Ellenbogens,<br />

versengte meinen Unterarm, strich über das Handgelenk und schlang seine Finger um


meine Hand.<br />

Mit jedem Millimeter, den er so berührte, wurde ich willenloser und folgte ihm<br />

schließlich bis zur Wohnzimmertür. Die Erinnerung an Renovierungsarbeiten holte mich<br />

ein, als ich die ausgelegte Folie, die zur Seite gestellten Möbel und in der Mitte den<br />

Farbkübel mit diversen Pinseln und Rollen sah.<br />

„Zieh mich aus“, forderte Tom mich auf, und riss mich aus meinen Gedanken.<br />

Ich starrte ihn an, als hätte er mich gebeten, mit einem Sprengstoffgürtel ins<br />

Parlament zu rennen.<br />

„Was?“, überschlug sich meine Stimme.<br />

„Ich kann es auch selber tun, wenn du willst. Ich wollte dir nur die Gelegenheit geben“,<br />

erklärte er.<br />

Meine Befangenheit amüsierte ihn. Er stand betont locker da, fasste an den Saum<br />

seines Shirts und hob es einladend an. Mir reichte der kurze Blick auf seinen nackten<br />

Bauch, um mich zu motivieren.<br />

Ich machte einen Schritt auf ihn zu, ergriff das Shirt, schob es hoch und höher. Im<br />

vorauseilenden Gehorsam hob er die Arme und zog den Kopf ein. Da er etwas größer als<br />

ich war, musste ich mich noch näher an ihn heran bewegen, um das Shirt über seinen<br />

Kopf, die Ellenbogen, seine Hände zu ziehen.<br />

Sein Haar stand strubblig zu Berge und von dem nackten Oberkörper strahlte Hitze<br />

ab. Ich sog den typischen Duft aus Rasierwasser, Zigaretten und Schweiß ein und hätte<br />

ihm am liebsten in die Schulter gebissen.<br />

Mein Blick fiel auf seine Schlüsselbeine, glitt die Mulde zwischen den Brustmuskeln,<br />

den sich abzeichnenden Rippenbögen hinab, versank in seinem Bauchnabel und kletterte<br />

am schmalen Streifen gekräuselten Haars nach unten bis zum Knopf seiner Jeans. Ich<br />

betrachtete die seichte Versenkung an den Lenden und verstand, warum die Engländer zu<br />

der sanften Wölbung über den Hüften 'love handles' sagten.<br />

Am liebsten hätte ich ihn daran gepackt und mein Gesicht in seinen Bauch gedrückt.<br />

„Was ist? Mach weiter!“, forderte Tom mich auf und streckte mir seine Hüfte entgegen.<br />

Mit zittrigen Fingern öffnete ich den obersten Knopf seiner Jeans, darauf bedacht,<br />

nicht seine Haut zu berühren. Ich konnte den Bund seiner Shorts hervor blitzen sehen.<br />

Ein Moment, der mir so intim erschien, so nah, dass ich ihm fragend in die Augen<br />

sehen musste. Doch Tom sah an sich herab, beobachtete, wie ich Knopf um Knopf das Zelt<br />

seiner Shorts freilegte, das sich meinen Fingern entgegen drängte.<br />

Seine Erregung begeisterte mich und langsam hockte ich mich hin, um die Jeans die<br />

behaarten Beine entlang zu seinen Knöcheln hinabzuschieben.<br />

Artig stieg er aus der Hose und beförderte sie mit einem Tritt einen halben Meter nach<br />

hinten. Ich wagte nur hoch bis zu seinen perfekt geformten Knien zu sehen, steckte meine<br />

Finger in die Bündchen der Socken und hielt sie fest, während er seine Füße hob, um sie<br />

abzustreifen.<br />

Zögernd blickte ich zu ihm hoch, nicht sicher, ob er seine Shorts anbehalten wollte.<br />

Er wollte nicht.<br />

Als ich meine zittrigen Finger an seine Hüften legte, um unter den Bund der Hose zu<br />

rutschen, stöhnte er auf. Mit meinen Zeigefingern glitt ich über die Leisten bis nach vorne,<br />

um ihn anzuheben, den steifen Schwanz sachte zu befreien.<br />

Sein Körper glühte förmlich vor Erregung und ich fühlte mich versucht, ihn zu


erühren, die harte Erregung in meine Hand zu nehmen. Doch Tom griff rasch nach<br />

meinen Handgelenken, verwehrte mir, ihn anzufassen.<br />

Irritiert darüber, ja fast verzweifelt, sah ich ihn an.<br />

„Gleich“, sagte er ruhig und lächelte über meinen ungeduldigen Blick.<br />

Und dann packte er ohne Vorwarnung mein Shirt und streifte es mir mit einer einzigen<br />

gekonnten Bewegung ab. Und während mir die Gänsehaut durch den Luftzug von Toms<br />

rascher Bewegung hochkroch, machte er sich schon an meinem Hosenbund zu schaffen.<br />

Mit wenigen geschickten Handgriffen hatte er meine Hose geöffnet und zog sie<br />

mitsamt der Shorts mit einem Ruck herunter, und streifte mit der Hose auch gleich meine<br />

Socken ab. Meine Erregung sprang ihm entgegen, ich spürte seinen Atem und meine<br />

Nacktheit legte sich klamm um mich.<br />

Tom schob mich voraus in die Mitte der Folie, kniete sich nieder und machte sich am<br />

Farbeimer zu schaffen.<br />

„Willst du zuerst?“, fragte er, als er den Deckel abzog und sich der typisch scharfe<br />

Geruch der Farbe im Zimmer ausbreitete.<br />

Er versenkte gleich einen Finger in der weißen, cremigen Masse.<br />

„Viel ist es nicht“, stellte er fest.<br />

Ich stand neben ihm und betrachtete die Kette seiner Wirbel, die bis zu seinem Hintern<br />

hinunterlief, das Spiel seiner Muskeln, als er sich mit Eimer und Farbe beschäftigte.<br />

„Ich habe dir ja gesagt, es sind nur Reste“, sagte ich, und weil ich mir seltsam vorkam,<br />

von oben herab zu sprechen, hockte ich mich zu ihm und schaute in den Eimer.<br />

Ich war abgelenkt von den Sehnen an seinem Unterarm, den Muskeln seiner<br />

Oberarme, den Knien, die sich unter seine Schultern drückten, und schließlich den Hoden,<br />

die zwischen seinen Schenkeln herunterhingen, dem Schwanz, der beharrlich auf mich<br />

zeigte.<br />

Ich wollte ihn berühren, streicheln, küssen. An die Farbe konnte ich nicht denken.<br />

Doch Tom hob abwechselnd die Pinsel an, überprüfte ihre Borsten, indem er sie in<br />

seine Handflächen drückte. Als er einen Pinsel ausgewählt hatte, hielt er ihn zwischen<br />

uns.<br />

„Möchtest du? Soll ich?“<br />

Ich wusste zwar, weit entfernt, dass er eine der Szenen aus meinem Buch umsetzen<br />

wollte, aber ich blickte so ungläubig auf den Pinsel, als zeigte er mir ein siebenäugiges<br />

Reptil mit zwölf Beinen. Ebenso irritiert schüttelte ich den Kopf.<br />

„Okay“, sagte er entschlossen, drückte den Pinsel in die Farbe, zog ihn heraus, streifte<br />

ihn am Rand des Kübels ab und schaute mich fachkundig an wie ein Maler seine<br />

Leinwand.<br />

In der Sekunde hielt ich es nicht mehr aus, ließ mich nach vorn auf die Knie sinken,<br />

packte mit beiden Händen seinen Kopf und schnappte nach seinen Lippen.<br />

Tom verlor das Gleichgewicht und taumelte zur Seite. Ich ließ ihn nicht los und kippte<br />

mit ihm um, auf ihn drauf.<br />

Die heiße Haut seiner Brust berührte meine, seine behaarten Schenkel streiften an<br />

meine und machten mich hungrig nach Tom.<br />

Ich wollte seine gesamte Hautoberfläche mit meiner abdecken – mich um ihn wickeln<br />

und gleichzeitig mit jeder Faser meines Körpers seinen berühren.<br />

Noch ehe er reagieren konnte, schlang ich ein Bein um seine Hüften, legte mich auf


ihn, Bauch an Bauch, Brust an Brust, Schwanz an Schwanz und Schenkel an Schenkel.<br />

Ich machte mich schwer, hielt ihn fest und saugte so gierig an seinen Lippen, seiner<br />

Zunge, als wollte ich ihn vom Kopf weg verschlingen.<br />

Schließlich schlang Tom seine kräftigen Arme fest um mich, verstärkte den Druck<br />

seiner Lippen auf meinen, drängte meine Zunge zurück, indem er mich mit seiner überfiel,<br />

stellte ein Bein auf und drückte sein Becken fordernd an meines.<br />

Er war stärker als ich, sein Körper dampfte wie der eines Tieres und mit einem Ruck<br />

warf er mich auf den Rücken, lag auf mir, drückte meine Arme auf die Folie und hauchte<br />

mir noch zwei hungrige Küsse auf den Mund, ehe er sich losriss und rittlings auf meinem<br />

Becken aufsetzte. Erst jetzt bemerkte ich, dass er den Pinsel noch immer in der Hand<br />

hielt.<br />

„So, so“, grinste er, packte meinen linken Arm am Gelenk, streckte ihn aus und fixierte<br />

ihn mit seinem kräftigen Arm auf der Folie.<br />

Ich versuchte ihn wegzuziehen, aber Tom verlagerte sein Gewicht und ich konnte mich<br />

keinen Millimeter bewegen.<br />

Er drehte meine Hand so, dass der Handrücken auf dem Boden auflag, und setzte den<br />

Pinsel an das ungeschützte Handgelenk. Mein Körper zuckte, als mich die kalte Farbe<br />

berührte, und die weichen Borsten eine sanft kitzelnde, feuchte Spur über die Innenseite<br />

meines Unterarms, der Ellenbeuge, meinen Bizeps hoch bis an die Achsel zogen.<br />

Tom ließ mich nicht los, tauchte den Pinsel erneut in die Farbe und tupfte damit kurz<br />

auf meine Nase. Dann setzte er die glitschigen Borsten an mein Kinn und fuhr langsam,<br />

einen Streifen prickelnde Kühle hinterlassend, über meinen Hals, malte zwischen den<br />

Schlüsselbeinen weiter das sensible Brustbein hinab.<br />

Als der Pinsel ohne zu bremsen über meinen Bauch glitt, bäumte ich mich auf,<br />

stöhnte, die nassen Borsten näherten sich dem Bauchnabel, zogen eine Schlinge um ihn<br />

herum und wanderten unter dem Nabel weiter bis zur Grenzlinie des Schambeins, wofür<br />

Tom mit einem beherzten Griff meinen Schwanz umfasste, um ihn aus dem Weg zu<br />

bringen.<br />

Ich jaulte auf, spürte, wie sich meine Hoden zusammenzogen, wie die Nerven meines<br />

Körpers verrücktspielten, sich ein Ziehen und Kribbeln von meinen Zehen bis unter die<br />

Haarwurzeln zog.<br />

Tom hielt meinen Schwanz fest, während er gemütlich den Pinsel wieder in die Farbe<br />

tauchte. Er setzte den Pinsel an meine rechte Taille und zog auf Höhe des Bauchnabels<br />

einen weiteren, schmatzenden Strich bis hin zur linken Seite, umkreiste wieder den<br />

Bauchnabel und kehrte ein Stockwerk weiter unten um.<br />

Meine Beine zuckten, als der Pinsel nass und sanft entlang der Lenden, des<br />

Schamhaares auf die andere Seite tänzelte, mein Schwanz fest von Toms Faust umfasst,<br />

die sich wie unabsichtlich etwas auf und ab bewegte.<br />

Meine Säfte sammelten sich, das Becken zog sich zusammen und ich krallte mich in<br />

die Folie. Toms Hand mit dem Pinsel tauchte wieder in den Eimer, doch als sie<br />

herauskam, war der Pinsel weg und die Hand vom cremigen Nass der Farbe überzogen.<br />

Er rutschte auf meinen Oberschenkeln etwas hinab und glitt mit der von Farbe<br />

triefenden Hand zwischen meine Beine, um den Schenkelansatz zu bestreichen. Als er<br />

dabei mit dem glitschigen Handrücken wie unabsichtlich meine Hoden drückte, gab ich<br />

mich den Kontraktionen meiner Muskeln hin.


Ich warf den Kopf zurück und schoss meinen Saft unter dem ziehenden Schmerz<br />

meiner Lenden und einem unterdrückten Schrei hinaus. Tom ließ die Faust einige Male<br />

über meinen Schwanz gleiten und mit dem Handrücken massierte er weiter meine<br />

zusammengezogenen Eier. Ich war strömende Energie, und als ich mich langsam wieder<br />

beruhigte, mein Körper noch leicht bebte, spürte ich, wie die noch nasse Farbe einen<br />

kalten Film auf meiner Haut bildete.<br />

Kaum war ich wieder in der Welt angekommen, beugte sich Tom über mich, grinste<br />

mich triumphierend an, griff mir mit der farbverschmierten Hand ins Haar, drückte seinen<br />

harten Schwanz an meinen Bauch. Er legte seine Brust schwer auf meine und fing mit<br />

seinem Mund gierig meine Lippen ein.<br />

Mein gesamter Körper kribbelte noch in den Nachwehen des Orgasmus, meine Lippen<br />

prickelten weich und sensibel, als er daran saugte, und unter seinem heißen, sich an mir<br />

reibenden Körper, schmolz ich wie Wachs.<br />

Stürmisch schlang ich die Arme um seinen kräftigen Rücken, hielt mich fest und spürte<br />

Toms drängende Erregung an meinem Bauch entlang gleiten. Er schlang die Beine fester<br />

um mich, stützte sich an den Ellenbogen auf, um meinen Kopf mit seinen Händen<br />

behutsam zu fixieren, während er mir die Zunge in den Mund schob und sein Becken in<br />

rhythmischen Bewegungen an meinem trieb.<br />

Mit gespreizten Fingern ließ ich meine Hände seinen verschwitzten Rücken hinunter<br />

gleiten, spürte die Muskeln unter seiner Haut werken, und knetete seinen festen, von<br />

Gänsehaut überzogenen Hintern.<br />

Begehrlich schob ich meine Hand zwischen uns, griff nach Toms heißem prallem<br />

Schwanz und umschloss ihn fest. Er stöhnte in meinen Mund und stieß dankbar in die<br />

Faust, immer heftiger, immer schneller, bis sich sein gesamter Körper krümmte und<br />

verspannte, er das Gesicht an meinem Hals vergrub und in meinen Nacken schrie. Ich<br />

spürte das Vibrieren der Säfte in seinem Schwanz, spürte den heißen Saft zwischen unsere<br />

Bäuche schießen und hielt ihn so fest ich konnte.


Talent<br />

„In deinem Buch hat diese Szene länger gedauert“, lächelte Tom über mir, während er<br />

mein Gesicht musterte und mit der eingefärbten Hand sanft weiße Striche auf meine<br />

Wange und Stirn malte.<br />

Er selbst hatte auch Farbe abbekommen, mit unserem Schweiß vermischt hatten<br />

unsere Vorderseiten ein abstraktes Bildnis erschaffen, und in seinem Gesicht verrieten<br />

weiße Flecken, dass er mich geküsst hatte.<br />

„Sorry“, sagte ich, weil ich aus irgendeinem Grund annahm, dass es an mir gelegen<br />

hatte, die Vision nicht in all ihren Details auszuleben.<br />

Tom lachte auf und schnappte mit seinen Lippen nach meinen. Er biss mir, wenn auch<br />

sanft, in die Unterlippe.<br />

„Vielleicht, Max, ist das der Unterschied zwischen Fiktion und Realität“, erklärte er und<br />

drückte sein Becken fester an mich.<br />

Wir beide erschauerten und waren überrascht darüber.<br />

„Sag das noch mal“, bat ich.<br />

„Was?“, grinste er. “Fiktion?“ Er betonte es sehr eindeutig.<br />

„Nein,“ Ich errötete. „Meinen Namen.“<br />

„Max?“, fragte er und ich nickte. „Okay.“ Er zuckte mit den Schultern und wiederholte<br />

meinen Namen mit immer anderer Intensität, erst energisch, dann immer leiser, flüsterte<br />

ihn, hauchte ihn. „Max, Max, Max, Max.“<br />

Und begann schließlich, jedes Mal dazu mein Gesicht zu küssen.<br />

Meine postorgiastische Trägheit wich Herzrasen und tausend kitschtriefenden<br />

Schmetterlingen im Bauch, die als Schwarm in meine Lenden flatterten.<br />

„Aha?“, grinste Tom und rollte aufreizend sein Becken.<br />

Ich keuchte auf.<br />

„Zwölf Jahre“, stellte er fest, „Da hat einer was aufzuholen.“<br />

Ich funkelte ihn an. Er hatte recht.<br />

„Lass mir noch eine kleine Verschnaufpause“, brummte er nahe an meinem Ohr, sodass<br />

mir sein heißer Atem einen Schauer über den Körper jagte, und schnappte nach dem<br />

Ohrläppchen.<br />

Ich warf den Kopf zur Seite, streckte ihm meinen Hals entgegen, als erböte ich den<br />

unsterblichen Biss eines Vampirs. Doch Tom rollte sich von mir herunter und besah seinen<br />

weiß verschmierten Körper.<br />

Ich lag da, von der Leere, die sein Körper hinterließ, überrascht und der neu<br />

aufgekeimten und im Stich gelassenen Erregung wie über die Klippen gestoßen.<br />

Als ich mich aufsetzte, klebte die Folie an meinem Rücken, ließ mich zu einem Teil mit<br />

einem Schmatzen frei, zu einem anderen Teil zerriss sie. Oh Mist. Ich rollte zur Seite und<br />

besah den Schaden. Ein großer Fleck, wohl eine Mischung aus Farbe, Sperma und<br />

Schweiß, hatte sich unter die Folie geschlichen.<br />

Wie auf Kommando warf Tom Pinsel und Rollen in den beinahe leeren Farbeimer und<br />

stellte ihn zur Seite, während ich über die Folie robbte, um sie an den Rändern einzuholen<br />

wie ein Segel. Tom tat dasselbe auf der gegenüberliegenden Seite, bis wir auf einer


kleinen, bauschigen Insel aus Abdeckfolie mitten im Wohnzimmer saßen.<br />

Ich sprang auf und weiße Fußabdrücke hinterlassend tappte ich in den Flur, wo ich mir<br />

Socken über die schmutzigen Füße zog und Tücher holte. Eins warf ich Tom zu, mit dem<br />

anderen wischte ich auf dem Boden herum.<br />

In letzter Zeit war ich wohl ständig damit beschäftigt, die Wohnung vor meiner<br />

unbedachten Sauerei zu retten. Es war noch keine zwei Tage her, als ich ebenso über den<br />

Boden kroch und aufwischte. Nur war ich dabei nicht nackt. Und es saß dabei nicht Tom<br />

auf einer transparenten Insel, sachte überzogen mit weißer Farbe, verstrubbelten Haaren,<br />

und starrte mir auf den Hintern.<br />

Ich versuchte, die Position zu wechseln, nicht mit dem nackten Arsch vor seinem<br />

Gesicht herumzuwackeln, aber von vorne war es kaum besser. Er sah aus wie eine<br />

Sagengestalt und zwischen meinen Beinen hatte sich meine pralle Erregung auf ihn<br />

ausgerichtet. Das war nicht zu übersehen. Er grinste und ich bekam noch weichere Knie.<br />

Die Flecken ließen sich sehr leicht vom Boden entfernen. Immerhin.<br />

Tom stieg aus dem Nest auf ein Tuch, um den Boden nicht erneut vollzusauen. Er<br />

nahm den Kübel und rutschte mit dem Tuch bis in den Vorraum.<br />

Ich knüllte die Folie mit den Armen an meinen Bauch immer kleiner, bis ich sie zu den<br />

anderen Sachen in den Eimer stopfen konnte. Ich presste den Deckel darauf und kaum<br />

ertönte das charakteristische Schnappen des Plastiks, packte Tom meinen Hintern,<br />

umschlang gierig meinen Bauch und biss liebevoll in meinen Nacken.<br />

„Ab in die Dusche!“, befahl er, gab mir einen Klaps auf den blanken Arsch und folgte<br />

mir auf dem Fuß.<br />

Wir einigten uns auf die richtige Wassertemperatur, nahmen abwechselnd den<br />

Duschkopf und ließen das warme Wasser auf den Körper des anderen prasseln.<br />

Tom bestand darauf, mir die Haare zu waschen.<br />

Seine Finger massierten sanft über meine Kopfhaut und ich brummte wohlig.<br />

Gewissenhaft spülte er das Shampoo aus und fuhr fort, meinen Körper einzuseifen.<br />

Er füllte die Handflächen mit Duschgel und massierte sorgfältig in kreisenden<br />

Bewegungen über meine Gänsehaut, um die weiße Farbe abzuwaschen, die er mir<br />

aufgemalt hatte.<br />

Ich schloss die Augen und genoss die fließenden, gründlich reibenden Bewegungen mit<br />

wachsender Erregung. Mein Hintern kribbelte, Hitze schoss mir unter die Haut und<br />

zwischen meinen Beinen pochte die Erregung immer heftiger, je näher Toms fleißige<br />

Hände vordrangen.<br />

Mir wurden die Knie weich und ich hielt mich an seinen Schultern fest, als er begann,<br />

die Farbe aus den Schamhaaren zu waschen und seine gründlichen Hände schließlich den<br />

Weg zwischen meine Schenkel fanden. Ich stöhnte auf, krallte meine Finger in sein Fleisch,<br />

ein heißer Stich zischte meinen Bauchnabel hinab.<br />

Sanft aber eindringlich legte er seine Handflächen über meine Hoden und rieb in<br />

kleinen, kreisenden Bewegungen die Farbe heraus. Ich wimmerte, ich jaulte, ich konnte<br />

mich kaum mehr halten. Tom grinste, seine geschäftige Hand wanderte dabei hoch und<br />

umfasste energisch meinen Schwanz, um auch ihn mit reibenden Bewegungen zu<br />

reinigen.<br />

Eisige Hitze zischte von meinen Knien Richtung Schwanz, riss und zog an allen<br />

Nervenenden meiner Oberschenkel und meines Hinterns. Ich schob mich Toms eifriger


Hand entgegen und meine Lust klatschte, mit einem begleitenden Schrei, heiß und klebrig<br />

auf seinen Bauch. Bebend umschlang ich Tom und seine Zunge floss, mitsamt dem<br />

Wasser aus dem Duschkopf, in meinen weit geöffneten Mund.<br />

Wir trockneten uns ab. Ich betrachtete hingerissen Toms muskulösen Körper, nicht zu<br />

übertrieben und nicht zu wenig. Wie eine erotische Skulptur stand er da in meinem<br />

dampfenden Badezimmer. Ich konnte den Blick kaum von den Grübchen über seinen<br />

Pobacken lassen. Er hatte etwas Animalisches an sich.<br />

Während er das Handtuch um seinen Körper rubbelte, tanzten seine Schulterblätter,<br />

seine Muskeln und Sehnen den Rücken entlang.<br />

Mir war nie aufgefallen, wie männlich Tom war. Unter Jeans und T-Shirt, aber auch<br />

dem Anzug, sah man das gar nicht. Er wirkte viel größer, kräftiger, gefährlicher. Ich<br />

wusste, dass ich ihn nie wieder so sehen würde können, wie bisher und ich wollte das<br />

auch nicht. Ich konnte diesem Tom, der hier splitterfasernackt in meinem Bad stand,<br />

erotisch, wild, mehr abgewinnen, als dem netten freundschaftlichen Kollegen.<br />

„Alles in Ordnung?“, fragte Tom in den Spiegel. Er musste darin gesehen haben, wie<br />

ich ihn gedankenverloren betrachtet hatte.<br />

Ich schluckte und nickte und er lächelte.<br />

In dieser Sekunde wurde mir bewusst, dass ich mehr für ihn empfand. Er war nicht<br />

bloß eine Muse, ein Freund, der sich mir zu Zwecken der Recherche anbot. In diesen<br />

Minuten fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass ich schon eine ganze Weile in ihn<br />

verliebt gewesen war. Ich hatte es mir nicht eingestehen können, durchaus auch, weil das<br />

wohl bedeutete, schwul zu sein.<br />

Nun, da wir hier zusammen in meinem Bad standen, kam mir das völlig normal vor.<br />

Doch so sehr sich mein Herz gerade nach ihm verzehrte, so klar wurde mir, dass ich ihm<br />

das wohl kaum sagen würde.<br />

Er tat mir einen Gefallen. Es war eine klare Abmachung.<br />

Wir waren kein Paar. Wir handelten nicht aus Liebe oder auch nur Leidenschaft,<br />

sondern aus dem nüchternen Zweck der Recherche heraus. Er würde sein Angebot<br />

bedauern, wenn er erfahren müsste, dass er damit Gefühle geweckt hatte. Das war<br />

gewiss nicht seine Absicht gewesen.<br />

Wir würden später an diesem Tag auseinandergehen und so nie wieder<br />

zusammenkommen. Ich würde endlich den Roman schreiben können, er sich mit der<br />

ungewissen Zukunft in der Redaktion auseinandersetzen.<br />

In einigen Wochen würden wir uns, wie gehabt, auf ein Bier treffen. Ich würde<br />

berichten, dass mein Lektor das Werk angenommen hätte und er, dass er den Chefposten<br />

angeboten bekommen hätte. Das, was heute passiert war, wäre eine Anekdote, über die<br />

wir lachen oder schweigen würden.<br />

Der Gedanke setzte mir zu. Eiskalte Panik griff in meinen Bauch, nach meinem Herz.<br />

Kurz hatte ich das Gefühl, die Besinnung zu verlieren.<br />

Ich rang nach Luft und verließ fluchtartig das Bad, stürzte ans Küchenfenster und riss<br />

es auf, um die Kälte des Novembers nach meinem nackten, überhitzten Körper greifen zu<br />

lassen. Ich sog die eisige Luft ein.<br />

Es half.<br />

Mein Kopf wurde klarer. Ich atmete noch ein paar Mal heftig ein und aus und spürte,<br />

wie ich mich beruhigte.


„Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte Tom und beobachtete besorgt mein Kälteritual.<br />

Ich schlug das Fenster zu, als hätte ich mich verbotenerweise an einer Schnapsbar<br />

vergriffen, und drehte mich zu ihm herum.<br />

Da stand er vor mir wie Gott ihn schuf, wunderschön, männlich und aktuell nur für<br />

mich da. Mein Herz füllte sich wieder mit Wärme.<br />

‚Scheiß auf das, was morgen ist‘, sagte ich mir, ‚Genieße jetzt jeden Augenblick!‘<br />

Und so machte ich einige Schritte auf ihn zu, prallte mit meinem ganzen Körper gegen<br />

seinen, hielt ihn so fest ich nur konnte und begann, sein Gesicht mit Küssen einzudecken.<br />

Ich wollte alles, was ich kriegen konnte. Alles, was möglich war. Als müsste ich morgen<br />

sterben, fing ich seinen Mund ein und schlang meine Zunge um seine.<br />

Als ich von ihm abließ, entfuhr ihm ein überwältigtes: „Wow!“<br />

Ich blickte an ihm herunter, wo sich mir sein erregtes Glied entgegenstreckte.<br />

Ich schnappte mit den Lippen nach seinem rauen Kinn, saugte daran, wanderte über<br />

seinen Hals, den Adamsapfel weiter hinab.<br />

Ich ließ die Hände über seinen Rücken, die Seiten gleiten und bemerkte erfreut, wie sich<br />

eine Gänsehaut unter ihnen ausbreitete. Ich stieß die Zunge an seine Brustwarzen, Tom<br />

ächzte, und dadurch motiviert, saugte ich heftig daran. Ich befühlte die samtige Haut<br />

seines Rückens, glitt mit den Fingern über die Mulden und Hügel der Muskeln, packte<br />

seinen Hintern und knetete ihn.<br />

Ich übersäte seinen Bauch mit sanften Küssen, drückte mein Gesicht dagegen und sog<br />

seinen Duft ein. Ich ließ meine Hände über seine behaarten Hüften hinabgleiten bis in die<br />

Kniekehlen und drückte meine Nase in seine Lenden.<br />

Tom stöhnte auf und bebte. Er war schwer erregt, ließ seine Hände unschlüssig über<br />

meinen Kopf, die Schultern, mein Genick gleiten. Ich leckte einen Lusttropfen von seiner<br />

heißen, drall glänzenden Eichel.<br />

Ich blickte zu ihm hoch, er in überwältigter Erwartung zu mir herab. Wir ließen uns<br />

nicht aus den Augen, während ich seinen Penis meine Zunge entlang in meinen Rachen<br />

gleiten ließ. Ich umschloss ihn mit den Lippen und glitt saugend an dem Schaft entlang.<br />

Tom stöhnte laut auf und seine Arme wirbelten durch die Luft und fanden Halt am<br />

Kühlschrank.<br />

Er stützte sich ab, zitterte und stöhnte immer heftiger, während ich ihn immer wieder<br />

tief in meinen Mund saugte.<br />

Ich genoss seine salzige Lust, erregte mich daran, seine große pulsierende Härte zu<br />

schmecken. Sein Leid in der Lust, die fast qualvollen Schreie, die ich ihm entlockte,<br />

spornten mich an.<br />

Ich glitt mit der Zunge um die sensible Rille unter der Eichel, stippte sein Bändchen an,<br />

hielt immer wieder inne, um seine Erlösung zu verzögern, nur, um meine Lippen hernach<br />

heftiger über seinen Schwanz zu stülpen. Dann spürte ich, wie die Säfte durch seinen<br />

Penis rasten, und er seine würzige Ladung in meinen Rachen spritzte. Ich saugte gierig,<br />

trank seine Lust.<br />

Schließlich sank Tom zitternd auf die Knie, schlang seine kräftigen Arme um mich und<br />

hauchte mir etliche Male: „Danke, danke, danke“, ins Ohr.<br />

Ich war überrascht. Er hatte doch mir einen Gefallen getan. Ich umarmte ihn, hielt ihn,<br />

bis er sich schließlich überwältigt lachend auf den Hintern plumpsen ließ und mich<br />

forschend anschaute.


„Und du hast das wirklich noch nie gemacht?“, fragte er ungläubig.<br />

Ich schüttelte ehrlich den Kopf.<br />

Er musterte mich von Kopf bis Fuß.<br />

„Max, auch wenn du es nicht wahrhaben willst …“, sagte er und griff nach meinem<br />

Knie, „… aber du bist so was von schwul. Wer so geil bläst, ist bei Frauen verschwendet.“<br />

Meine Ohren begannen zu glühen und ich begann idiotisch zu grinsen. Ich war stolz<br />

darauf, offenbar ein verborgenes Talent zu haben. Die Unterstellung, schwul zu sein,<br />

fühlte sich in diesem Moment wie ein Kompliment an.<br />

„Na, wenn das so ist …“, zuckte ich gespielt cool mit den Schultern.<br />

Tom kroch auf mich zu, ich wich zurück und fiel auf den Rücken. Dabei kletterte er<br />

über mich wie ein Raubtier und knurrte: „Na, und ob das so ist“, und biss mir ins Kinn.


Hunger<br />

Ich blickte hinter Tom hoch zum Kühlschrank und stellte fest, dass ich Hunger hatte.<br />

Ich schlug vor, etwas zu essen.<br />

„Mir knurrt der Magen“, gab auch Tom zu und wir durchsuchten die Schränke nach<br />

nahrhaften Dingen.<br />

Nackt, wie wir waren, werkten wir in der Küche herum und zauberten in<br />

Gemeinschaftsarbeit Nudeln mit Sauce. Ich deckte den Tisch und Tom füllte die Teller. Ich<br />

setzte mich hin und ließ den Blick über Toms knackige Kehrseite gleiten, wie sie sich<br />

anspannte, senkte, spielerisch über seinen Beinen wippte, wenn er das Gewicht verlagerte.<br />

Als er die Teller brachte, fiel mein Blick auf seinen Schwanz und ich spürte, wie meiner<br />

hart wurde.<br />

Das Essen duftete und, als hätten wir drei Wochen nichts bekommen, schlangen wir es<br />

hinein.<br />

Ich fühlte mich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Als wäre ich nach einem unendlich<br />

langen Schlaf aufgewacht. Mit Tom splitterfasernackt in der Küche zu sitzen und<br />

Spaghetti zu essen, übertraf so ziemlich jede Fantasie von Glück, die ich je hatte.<br />

Ich hatte offenbar wirklich eine grottenschlechte Fantasie.<br />

Beim Essen kamen wir ins Plaudern, redeten über Gott und die Welt. Es gab fast<br />

keinen Unterschied zu unseren tollen Gesprächen im Pub, nur, dass wir gerade einige<br />

Orgasmen hinter uns hatten, vielleicht noch welche vor uns, und uns beim Reden an den<br />

Händen hielten und mit den Fingern spielten, wie sonst mit Untersetzern und<br />

Zahnstochern.<br />

Immer wieder passierte es, dass wir uns einfach nur intensiv anschauten.<br />

Dann gab es mir einen süßen Stich im Bauch, mein Herz begann wild zu klopfen und<br />

die Ohren rauschten. Verlegen lenkten wir dann unsere Aufmerksamkeit auf ein neues<br />

Thema und schauten konzentriert auf unsere Hände.<br />

Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich Tom glatt unterstellt, auch Gefühle für<br />

mich zu haben. Aber ich wollte offenbar nur sehen, was ich mir wünschte. Ich wollte mir<br />

nicht unnötig wehtun, indem ich eine Erwartungshaltung aufbaute.<br />

Draußen wurde es dunkel. Ich fragte mich, wie wir weitermachen würden. Es gab da<br />

noch Dinge, auf die ich neugierig war, aber ich wollte auch nichts erzwingen. So wünschte<br />

ich mir auf der einen Seite nichts mehr, als dass wir, wie auch immer, noch einmal<br />

übereinander herfielen, wollte auf der anderen Seite aber diesen liebevollen Moment nicht<br />

zerstören, in dem wir gerade waren.<br />

Es war Tom, der aktiv wurde, und er tat es mit weit weniger Skrupel um eine<br />

adäquate Stimmung. Was wohl daran lag, dass er in unserer Begegnung noch immer ein<br />

Arrangement sah, im Gegensatz zu mir.<br />

Es war wieder einer dieser intensiven Blicke, die uns verunsicherten, als er sich erhob,<br />

meine Hand ergriff und mich hinter sich her ins Wohnzimmer zog, wo die Möbel noch<br />

immer nicht wieder an ihrem richtigen Platz standen.<br />

Er ließ sich aufs Sofa plumpsen, und als ich mich neben ihn setzte, überwältige er<br />

mich, indem er mit einer einzigen, schwungvollen Bewegung mein Knie packte und so


hoch hob, dass ich mich zurückwerfen musste.<br />

Noch ehe ich wusste, wie mir geschah, legte er sich über mich und übersäte mein<br />

Gesicht, meinen Hals, die Schultern, die Schlüsselbeine, die Brust und den Bauch mit<br />

Hunderten flüchtigen Küssen. Dabei streichelten seine Hände flink über meinen Körper,<br />

schienen überall zugleich zu sein, als wäre er eine indische Gottheit mit einem halben<br />

Dutzend Arme.<br />

Mein Körper reagierte sofort darauf mit panischer Erregung. Ich sah an mir herab,<br />

sah, wie Toms dunkelblonder Kopf über meinen Körper tanzte, immer weiter hinab.<br />

Er rutschte am anderen Ende des Sofas auf den Boden, packte mich kräftig an den<br />

Hüften und zog mich zu sich. Er streifte seine Lippen über meine Knie, die Schenkel, die<br />

Hüften, malte mit seiner spitzen Zunge feuchte Linien auf meinem Körper. Um den<br />

Bauchnabel herum, eine Spur hinunter zum Ansatz meines Schamhaars, von Hüftknochen<br />

zu Hüftknochen.<br />

Ich bäumte mich auf, hob abwechselnd den Kopf, um zu sehen, was er vorhatte, und<br />

schlug ihn ächzend in die Polsterung.<br />

Dann schoss ein elektrisierender Schmerz unerträglicher Lust durch meine Lenden, als<br />

Tom seinen Mund um meinen pulsierenden Schwanz schloss. Ich schrie auf, so überrascht<br />

war ich von der Intensität dieser Berührung. Ich wurde von hysterischen Wallungen<br />

überrannt, als seine Zunge sanft an dem Bändchen leckte. Immer wieder überwältige er<br />

mich, indem er sich heftig meinen Schwanz in den Mund stieß und gierig daran saugte.<br />

Ich verlor beinahe den Verstand. Meine Beine zitterten, die Muskeln verkrampften sich,<br />

aus meinem Mund kamen unkontrollierbare, fast jammernde Töne.<br />

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich war zu erregt, um zu kommen.<br />

Ich war außer mir.<br />

Dann spürte ich, wie seine Hände zwischen meinen Beinen hoch wanderten, meine<br />

Arschbacken teilten und ein Finger in mich hinein glitt.<br />

Es passierte so plötzlich und unerwartet, dass mir die Luft wegblieb. Im Reflex zog ich<br />

die Muskeln zusammen, schloss sie fest um den Finger. Das Gefühl, ihn so in mir zu<br />

haben, war seltsam unmittelbar. Ein juckendes Drängen befiel mich, ich wollte mehr<br />

spüren.<br />

Während Tom quälend langsam mit dem Mund über meinen Schwanz glitt, schob er<br />

im selben Rhythmus seinen Finger ganz rein und wieder raus.<br />

Ungeduldig öffnete ich mich, hob die Beine an, drängte mich einerseits willig der Hand<br />

entgegen, stieß andererseits fordernd in seinen Mund.<br />

Als Tom mir einen weiteren Finger in den Hintern schob, kam ich heftig, bäumte mich<br />

auf und er hatte alle Hände voll zu tun, mich unter Kontrolle zu bringen.<br />

Ich war Jucken, Brennen und Stechen, ein sich zäh ausbreitendes Ziehen und Rasen. Ich<br />

war Feuerwerk und die unbeschränkte Ausdehnung des Weltraums. Bebend und zitternd<br />

fing ich mich wieder. Tom kroch an mir hoch und legte sich mit seinem heißen Körper<br />

schwer auf mich.<br />

Da überkamen mich die Gefühle. Ich begann, unkontrolliert zu schluchzen. Tom<br />

drückte mich behutsam an seine Brust und küsste meinen Scheitel. Ich klammerte mich<br />

an seine Arme, vergrub die Nase an seinem Hals und sog seinen Duft ein.<br />

Ein umfassendes Gefühl von Heimat und Geborgenheit durchströmte mich und brach


jahrelang unterdrückte Sehnsucht auf.<br />

Ich wollte für immer so liegen bleiben, Toms warme Haut an meiner, seine starken<br />

Arme und Beine um mich geschlungen.<br />

Eine Müdigkeit bemächtigte sich meiner, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Ich<br />

wollte jede Sekunde in Toms Armen bewusst genießen. Ich wollte noch ganz viel Sex mit<br />

ihm haben.<br />

Aber ich unterlag der Erschöpfung eines Tages, der mich überwältigt hatte.<br />

All die Anspannung der letzten Wochen fiel von mir ab, das Schlafdefizit, das sich<br />

angesammelt hatte, forderte seinen Tribut.<br />

Ich sank immer tiefer und tiefer in einen traumlosen Schlaf.


Flow<br />

Als ich erwachte, war es helllichter Tag. Ich lag nackt, aber zugedeckt, auf dem Sofa.<br />

Ich fühlte mich herrlich ausgeruht, zufrieden, glücklich – nur zunächst über diese<br />

Schlafposition überrascht.<br />

Dann erinnerte ich mich.<br />

Der gestrige Tag erschien mir wie eine einzige Orgie. Bilder flirrten durch meinen Kopf,<br />

von nackter Haut und verlangenden Blicken.<br />

Ich horchte in die Stille. Autos fuhren vorbei, aus der Küche ertönte das Summen des<br />

Kühlschranks.<br />

Tom war weg. Er hatte sogar die Möbel wieder an ihren Platz zurückgestellt –<br />

inklusive des Sofas, mit mir darauf.<br />

Auf dem Couchtisch stand ein Glas Wasser und lag mein Handy. Ich hob es auf und<br />

schaute auf das Display. Staunend sah ich, dass es bereits drei Uhr am Nachmittag war –<br />

ich musste mehr als fünfzehn Stunden geschlafen haben.<br />

Ich hob die Decke bis über den Kopf und sog die Luft ein. Ich roch Sex.<br />

Ich blieb so liegen, weigerte mich, aufzustehen. Ich holte mir die Berührungen in<br />

Erinnerung und schwelgte so lange darin, bis ich aufs Klo musste.<br />

Widerwillig zerstörte ich das Nest und trat in ein neues Leben hinaus. Nachdem ich<br />

mein Geschäft erledigt hatte, stellte ich mich im Bad vor den Spiegel und betrachtete<br />

mich. Ich besah meine Haut, die Muskeln, meinen Schwanz, sah sie mit anderen Augen,<br />

fuhr durch meine verstrubbelten Haare und grinste mich mit leuchtenden Augen an.<br />

„Hallo, Schwuler“, begrüßte ich mich und bemerkte den nervösen Unterton.<br />

So sicher war ich mir meiner noch nicht.<br />

In der Küche bemerkte ich, dass Tom sogar das Geschirr abgewaschen und<br />

weggeräumt hatte. Auch der Farbeimer mit den Pinseln und der Folie war weg. Für einen<br />

kurzen Moment fürchtete ich, ich hätte alles nur geträumt, es mir nur eingebildet.<br />

Ich machte mir etwas zu essen und schob es in die Toilette, da ich keinen Hunger und<br />

noch weniger Appetit hatte.<br />

Dafür setzte ich mich an den Schreibtisch, klappte den Laptop auf und begann zu<br />

schreiben. Wie im Rausch klopfte ich in die Tasten, rannten mich die Worte regelrecht<br />

nieder. Es war, als führte ich nur etwas aus, das mir fiebrig diktiert wurde. Mir war nicht<br />

einmal bewusst, dass ich dachte oder arbeitete, sondern ich surfte auf einer Welle der<br />

Inspiration dahin.<br />

Kurz bohrte sich der Gedanke in mein Hirn, ob ich Tom anrufen sollte. Ich wusste<br />

nicht, was ich ihm sagen sollte und verwarf ihn wieder. Nicht, dass ich nichts zu sagen<br />

gehabt hätte, aber das Wichtigste wagte ich ihm ohnedies nicht zu sagen.<br />

Alles, was ich was ich fühlte, was nach draußen drängte, sublimierte ich in den<br />

Roman hinein. Mein Mitteilungsbedürfnis nahm eine völlig neue Dimension an.<br />

Ich wusste, warum ich mich nicht traute Tom anzurufen, fragte mich aber zunehmend,<br />

warum er mich nicht anrief.<br />

Am dritten Tag nach unseren 'Recherchearbeiten' begann es richtig wehzutun, nicht in<br />

Kontakt mit ihm zu treten. Wie all die Jahre zuvor wälzte ich es weiter auf ihn ab, aktiv


zu werden. Ich machte mir immer wieder bewusst, dass er keinen Grund haben konnte,<br />

sich bei mir zu melden.<br />

Wir hatten ein Arrangement und das hatten wir abgearbeitet. Fertig.<br />

Wir hatten keine Beziehung und die Gefühle der Verliebtheit waren allein mein<br />

Problem. Offenbar konnte ich da etwas nicht auseinanderhalten, nicht nüchtern genug<br />

betrachten.<br />

Die Vorstellung, ihn, wie sonst auch, erst in einigen Wochen eher zufällig wieder in der<br />

Redaktion zu sehen, war unerträglich.<br />

Ich traf ein Abkommen mit mir selber. Sobald ich den Roman fertig hatte, würde ich<br />

ihn anrufen, das war ich ihm und das war ich mir schuldig.<br />

Ich schrieb wie vom Teufel besessen, stürzte mich Hals über Kopf in Arbeit, schrieb Tag<br />

und Nacht, nur unterbrochen von bewusstlosem Schlaf, der mich gelegentlich überfiel<br />

und auf das Sofa zwang.<br />

Das Sofa hatte seit diesem Tag mit Tom eine besondere Bedeutung für mich. Immer<br />

wieder setzte ich mich auf die Stelle, auf der er gesessen hatte, streichelte über den<br />

Bezug, schwelgte in Erinnerungen, träumte.<br />

Nach nur zehn Tagen hatte ich das Unmögliche vollbracht und den Roman fertig.<br />

Zwar gehörte er noch überarbeitet, aber ich druckte das Werk aus und schickte es meinem<br />

Lektor, vier Tage vor dem offiziellen Abgabetermin.<br />

Ich wollte Tom sehen. Endlich!<br />

Nachdem ich also das Kuvert auf der Post abgegeben hatte, bewegte ich mich in<br />

Richtung Redaktion. Ich wollte ihn nicht anrufen, ich wollte ihn gleich direkt sehen.<br />

Ich musste meine Kraft zügeln, das Tempo drosseln. Immer wieder verfiel ich fast in<br />

Laufschritt oder lief Gefahr, so große Schritte zu machen, dass mein Körper in der Mitte<br />

auseinander riss. Dabei stieg meine Aufregung, je näher ich der Redaktion kam.<br />

Ich blieb vor dem Eingang stehen und atmete einige Male ruhig ein und aus. Doch<br />

kaum hatte ich die Türklinke berührt, spielte mein gesamter Körper verrückt. Mir blieb die<br />

Luft weg, ein wildes Rauschen durchflutete meinen Schädel und mein Herz hämmerte so<br />

laut, dass es jeder hören musste. Ich versuchte, so unnahbar und still zu sein wie immer,<br />

der schrullige Autor, aber ich stand so unter Strom, dass mir das nicht gelingen wollte.<br />

Sehnsüchtig starrte ich zur Tür des Chefs, als die pummelige Sekretärin geschäftig<br />

herauskam und die Tür hinter sich offen ließ.<br />

Die alleinige Vorstellung, Tom gleich zu sehen, führte zu einem Platzmangel in meiner<br />

Hose und ich hoffte, das würde keiner bemerken.<br />

Mit aller Beherrschung dämpfte ich mein Tempo in Richtung Büro.<br />

Es war leer. Zumindest war Tom nicht da.<br />

Sofort zerrann mein Herz und träufelte Schwermut in meinen Magen. Plötzlich schob<br />

sich jemand hinter mich `ran.<br />

Kurz hoffte ich, er wäre es, aber im nächsten Moment schon schnatterte die Kollegin<br />

mit der Kette an der Brille, die offenbar Toms Platz in der Chronik übernommen hatte,<br />

los: „Hallöchen, Herr Haas ist in mit einem Kunden in der Mittagspause.“<br />

Bei dem Wort 'Kunde' machte sie Anführungszeichen. Sie kicherte los, berührte sofort<br />

meinen Arm und redete weiter: „Hoppla, ich darf doch du sagen? Du bist doch Max, oder?<br />

Der Max, der die Hundekolumne schreibt? Die finde ich so witzig. Ich bin ja erst seit ein<br />

paar Wochen hier, war vorher in einer anderen Zweigstelle.“


Sie trippelte ins Büro als wäre es ihres, schob einen Sessel zur Seite, legte etwas auf<br />

den Schreibtisch und redete ohne Luft zu holen weiter.<br />

„Wie findest du denn unseren Chef? Er ist ziemlich schroff und unhöflich, finde ich. Die<br />

anderen haben gesagt, als er vorher noch mein Ressort hatte, war er umgänglicher. Na,<br />

ich hab wohl immer Pech, dass die Leute bei mir so unfreundlich werden. War ja<br />

deswegen froh, von der anderen Zweigstelle wegzukommen. Hab sofort ‚Ja‘ gesagt, als<br />

sie mir das Angebot gemacht haben. Aber, wie sagt man so schön? Vom Regen in die<br />

Traufe.“<br />

Sie stand nun nah bei mir, redete mit mir, als würde sie mich seit Jahren kennen und<br />

vertraue mir ein intimes Geheimnis an.<br />

„Aber ich muss schon sagen, fesch ist er schon, unser Captain Jack“, kicherte sie und<br />

nahm einfach an, dass ich diesen Hinweis verstehen würde.<br />

Tat ich aber nicht. Das störte sie nicht.<br />

„Ich würde ihn nicht von der Bettkante stoßen, aber er würde wohl kaum in die<br />

Versuchung kommen, ausgerechnet in mein Bett zu steigen, wenn du verstehst, was ich<br />

meine“, quasselte sie weiter und zwinkerte verschwörerisch mit den Augen, nur um ihren<br />

Hinweis dann doch auszumalen.<br />

„Er ist ja schwul, wie du sicher weißt. Aber der erste Schwule, den ich kenne, der so<br />

unentspannt ist. Nina – du kennst Nina, die aus der Anzeige – Nina hat mir gesagt, dass<br />

er da schon eine ganze Weile vergeblich an jemandem dran ist. Aber die letzten Tage …“,<br />

begann sie einen Satz.<br />

Dann stöckelte sie wie von der Tarantel gestochen wieder zum Schreibtisch, schob ein<br />

paar Papiere herum und zückte einen farbigen Folder hervor.<br />

Triumphierend und aufgeregt klapperte sie wieder zu mir und stellte sich so dicht,<br />

dass sie meinen Oberarm berührte. Sie öffnete den Folder und drückte ihn mir in die<br />

Hand, als hätte ich um irgendeinen Beweis gebeten.<br />

Irritiert schaute ich auf die Unterlagen. Fotos von Gemälden, offenbar eine<br />

Kunstgalerie, Werbetexte, Preisangaben, und ein Foto von ein paar Leuten. Vermutlich der<br />

Galeriebesitzer, der Künstler und irgendein Politiker.<br />

Ich begriff nicht, was sie von mir wollte, faltete den Folder wieder, reichte ihn ihr und<br />

sagte: „Schön.“<br />

„Du hast ihn dir gar nicht genau angesehen!“, drängte sie mich, klappte ihn wieder auf<br />

und schob den Finger unter das Bild des Mannes, der offenbar der Künstler war.<br />

„Er ist es!“, flüsterte sie aufgeregt.<br />

„Er ist was?“, fragte ich.<br />

Ich hatte noch immer keinen blassen Schimmer, was sie von mir wollte.<br />

„Der Kerl. Mit dem er heute Essen ist.“ ‚Essen‘ wieder unter Anführungszeichen.<br />

„Der neue Liebhaber.“<br />

Mich traf ein Pfeil ins Herz. Tief und langsam. Dann in die Knie. Der Faustschlag der<br />

Information schlug in meinen Magen. Mein Kopf begann zu rauschen, meine Finger zu<br />

zittern.<br />

Ich hob den Folder an und betrachtete das Foto. Genauer genommen – den Liebhaber<br />

von Tom. Er war ein paar Jahre älter als ich, hatte ein markantes Gesicht und schwarze<br />

Locken. Er war das, was man einen schönen Mann nennen würde. Ja. Er war attraktiv.<br />

„Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen“, erklärte die Kollegin, während


sie mir mit dem Ellenbogen einen leichten Stoß versetzte, antzog mir den Folder, blickte<br />

darauf und seufzte.<br />

„Ein schönes Paar. Aber so ist es doch immer. Die schönsten Männer sind schwul.“<br />

„Sind Sie sich … ähm … bist du dir sicher, dass die beiden …“ Ich hörte mich nur von<br />

ganz weit weg her reden.<br />

Ich konnte den Satz nicht beenden, ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals.<br />

„Aber ganz sicher!“, entgegnete sie fast entrüstet. „Antonio war in den letzten Tagen<br />

fast täglich da, sie verschwinden zusammen für einige Stunden und ich hör Captain Jack<br />

viel öfter lachen als früher. Ja, er wirkt in letzter Zeit viel entspannter.“<br />

In mir zog sich alles immer weiter zu. Am liebsten hätte ich mich sofort auf den Boden<br />

fallen lassen und in die Embryonalstellung begeben. Ich merkte, wie alle Kraft aus mir<br />

herausrann.<br />

Ich stürzte aus dem Büro.<br />

„Du kannst hier warten, bis er wieder zurück ist“, rief mir die Quasseltante nach, aber<br />

ich war im Fluchtmodus.<br />

Ich merkte, wie Tränen aufstiegen und wollte auf keinen Fall, dass das irgendjemand<br />

bemerkte.<br />

Noch schlimmer waren die Bilder, die auf einmal in meinem Kopf aufstiegen. Der<br />

Künstler, Antonio – welch grässlich plakativer Name – auf Tom, beide nackt, schwitzend,<br />

stöhnend.<br />

Ich ballte die Fäuste.<br />

Mein Kopf rauschte immer lauter, ich sah nur noch verschwommen, und als ich die<br />

Gebäudetür zur Straße aufmachte, lief ich jemanden fast um.<br />

„Max?“, hörte ich eine mir so vertraute Stimme.<br />

Tatsächlich.<br />

Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen und helle Freude verdrängte schlagartig all<br />

die Verzweiflung.<br />

Doch nur für Bruchteile von Sekunden, dann sah ich ihn. Antonio.<br />

In Natur sah er noch um einiges besser aus, als auf dem Foto.<br />

Offenbar hatten sich beide gerade amüsiert.<br />

Offenbar verstanden sie sich gut.<br />

Das war sofort zu sehen. Und sie standen so nah beisammen, dass sie sich berührten.<br />

Tom wirkte in der Tat gelöst und glücklich.<br />

Mein Magen krampfte sich zusammen und ich schob mich an ihnen vorbei, lief die<br />

Straße `runter.<br />

„Max!“, rief Tom mir noch einige Male hinterher, aber ich rannte, als ginge es um mein<br />

Leben.<br />

Erst einige Gassen weiter, als die Lunge von der eisigen Luft brannte, kam mir meine<br />

Reaktion ziemlich bescheuert und unerträglich kindisch vor. Ich war weggelaufen wie ein<br />

pubertierendes Mädchen.<br />

Wobei, selbst die waren heute taffer drauf und hätten wohl eher eine zynische<br />

Bemerkung fallen gelassen, während sie souverän vorübergeschritten und sich<br />

Alltagsdingen zugewandt hätten. Den fatalen Schmerz der Demütigung hätten sie<br />

heimlich in ihr Kopfkissen, öffentlich auf Facebook oder aufgebracht ihren Freundinnen<br />

vorgeheult.


Es tat verdammt weh. Ich erinnerte mich nicht, dass mir jemals etwas so wehgetan<br />

hatte.<br />

Zu allem Überfluss quälte ich mich mit Fantasien von den beiden. Fragte mich, ob<br />

Antonio auch so gut schwanzlutschen konnte, oder ob Tom ihm vorhin einen<br />

`runtergeholt hatte.<br />

Ich stellte mir vor, wie sie es in Toms Büro wild trieben. Am schlimmsten war die<br />

Vorstellung, dass Tom und Antonio die Szene mit der Farbe in dessen Atelier viel<br />

erotischer, gelungener, geradezu perfekt, ausleben würden. Ich stellte mir vor, wie sie<br />

über den stümperhaften Versuch in meinem Wohnzimmer lachten.<br />

Überhaupt fragte ich mich, wie lange sie schon zusammen waren. Ich fragte mich, ob<br />

Tom von mir erzählt hatte. Von diesem verklemmten Kollegen, eine halbe Jungfrau, die<br />

lieber zwölf Jahre keinen Sex hatte, anstatt sich einzugestehen, schwul zu sein. Ich sah<br />

Antonio lachen und anzweifeln, dass es so etwas Jämmerliches wie mich überhaupt gäbe.<br />

Ich stellte mir vor, wie Tom über meinen Roman her zog, ihn lächerlich machte. Max,<br />

der habe so lächerlich naive Fantasien, das könne er – Antonio – sich gar nicht<br />

vorstellen.<br />

Und dann schreckte ich hoch und wie kochendes Wasser lief ein Gedanke über meinen<br />

Rücken.<br />

Ich stürmte zu meinem Schreibtisch und durchsuchte ihn. Das Kuvert mit dem Roman<br />

war nicht drin. Ich überlegte, wo ich es hingetan haben könnte. Wohin Tom es gelegt<br />

haben könnte. Ich durchsuchte wie besessen meine Wohnung.<br />

Die verzweifelte, schlimme Erstfassung meines peinlichen Romans war weg.<br />

Vermutlich hatte Tom sie mitgenommen. Wohin sollte sie sonst gekommen sein? Ich<br />

hatte sie nicht weggeräumt, und ansonsten war nur er je in meiner Wohnung gewesen.<br />

Nun sah ich es so deutlich vor mir, als säßen sie auf meinem Sofa. Sich halb kaputt<br />

lachend, las Tom meinen Roman vor und Antonio konnte sich kaum halten. Er fragte<br />

Tom, ob wir das wirklich alles nachgestellt hätten, und Tom lachte, dass man mit mir,<br />

diesem Versager, noch nicht einmal in die Nähe dessen gekommen war, was ich<br />

geschrieben hatte.<br />

Was hatte ich denn geglaubt? Tom und ich wären ein Paar? Würden<br />

zusammenkommen?<br />

Die Kollegin hatte recht: Ein Mann wie Tom hatte es nicht nötig, jemandem<br />

nachzulaufen. Ich war zwar nicht hässlich, aber ich war meilenweit von einer Liga wie<br />

Antonio entfernt.<br />

Ich müsste doch eigentlich, wenn ich Tom liebte, froh sein, dass er einen solchen Kerl<br />

an seiner Seite hatte, und nicht so ein verklemmtes Nervenbündel wie mich. Er hatte<br />

einen erfahrenen Mann verdient, der erfolgreich war und mit dem man geilen Sex haben<br />

konnte, und nicht jemanden wie mich, dem man sogar schon für einen Roman erst<br />

mühsam würde beibringen müssen, wie man anständig unanständigen Sex hat.<br />

Mein Handy läutete und mein Herz hüpfte.<br />

Doch es war nicht Tom, sondern mein Lektor, der mich sehen wollte.<br />

Na, immerhin einer …


Krieger<br />

„Geht doch!“, grinste mein Lektor zufrieden und blätterte noch einmal durch das<br />

Manuskript. „Warum denn nicht gleich?“<br />

Ich saß da wie ein Krieger. Ich war bis oben hin gefüllt mit Wut.<br />

Wut über mich selber, mich verliebt zu haben ohne Anlass, ohne Grund.<br />

Wut darüber, dass Tom unsere Sache tatsächlich nur als Arbeit – als Arrangement –<br />

gesehen hatte.<br />

Wütend, dass ich so naiv war zu glauben, so etwas gäbe es ohne Preis.<br />

Ich war wütend auf die Welt und ich wollte einen Grund haben, auszurasten.<br />

Irgendeinen.<br />

Normalerweise fühlte ich mich gegenüber meinem Lektor winzig klein, heute aber saß<br />

ich da, als wäre das mein Büro und der Lektor eine Schmeißfliege. Ich bettelte innerlich<br />

darum, dass er etwas Gemeines sagte.<br />

Das tat er leider nicht. Vielleicht war es meine bedrohliche Ausstrahlung, vielleicht<br />

war der Roman echt gut geworden, aber er lobte meinen Text über alle Maßen.<br />

Er meinte, da wäre nicht einmal viel Nachbearbeitung nötig, er könne mir nicht<br />

glauben, dass es eine Erstfassung sei, gewiss arbeite ich seit Monaten daran und das, was<br />

ich ihm zuletzt vorgelegt hatte, wäre ein Scherz gewesen.<br />

Verdammt, der Mann, der mich seit Jahren zuverlässig auf die Palme gebracht hatte,<br />

der mich einige cholerische Anfälle hat miterleben lassen, war butterweich und bepinselte<br />

mein Ego von oben bis unten.<br />

Er tat mir einfach nicht den Gefallen, mir einen Grund zu geben, auszuticken. Dabei<br />

hätte ich das gerade ihm gegenüber wirklich reuelos ausleben können.<br />

Die Revanche war lange fällig.<br />

„Sie sehen gut aus, Herr Fellinger“, schleimte er auch noch bei der Verabschiedung.<br />

„Was auch immer Sie in Ihrem Leben geändert haben, behalten Sie es bei.“<br />

Danach machte er die Tür zu.<br />

Ich schaute auf mein Handy.<br />

Ich hatte seit unserem Aufeinanderprallen vor dem Gebäude der Redaktion fünfzehn<br />

Anrufe von Tom erhalten, und war an keinen einzigen `ran gegangen.<br />

Ich spielte mit dem Gedanken, jetzt zur Redaktion zu gehen. Ich wollte meine Wut<br />

abarbeiten. Mein Lektor hatte mir den Gefallen nicht getan. Vielleicht war es ohnedies<br />

besser, sie dort auszulassen, wo sie entstanden war.<br />

Ohne länger darüber nachzudenken, ob das eine gute Idee war, machte ich mich direkt<br />

auf den Weg.<br />

Ich stieß die Tür zum Großraumbüro auf. Diesmal wollte ich keinen Schein wahren. Ich<br />

war nicht mehr der schrullige Autor, sondern ein verdammt wütender Mann, der dem<br />

Chef von diesem Laden die Fresse polieren wollte.<br />

Ich hatte mich in den letzten drei Tagen perfekt in Rage gedacht und Tom so schäbig<br />

aussehen lassen, wie es nur ging, ihm die gemeinsten Dinge unterstellt.<br />

Auch wenn ich irgendwo in mir wusste, dass ich dazu kein Recht hatte. Er hatte mir<br />

ein Angebot gemacht, ich war darauf eingegangen. Tom hatte mir einen Gefallen getan,


aber nie war die Rede von weiteren Verpflichtungen gewesen.<br />

Dass ich mich in ihn verknallt hatte, er aber heiß auf einen richtigen Mann war, konnte<br />

ich ihm wohl kaum vorwerfen. Außerdem wusste er nichts von meinen Gefühlen. Ich war<br />

verletzt und verzweifelt, ich konnte das nicht einfach `runter schlucken und verpuffen<br />

lassen.<br />

Es funktionierte nicht und ich wollte es nicht.<br />

Ich wollte, dass Tom zumindest wusste, wie es mir ging, zumindest das.<br />

Die Leute starrten mich an, während ich hurtig, mit großen energischen Schritten, zum<br />

Chefbüro ging und mit einer herrischen Geste die Türe öffnete.<br />

Keine Sekretärin, die sich mir in den Weg stellte, wie ich es mir schon ausgemalt hatte,<br />

die meinen entschlossenen Auftritt noch unterstrichen hätte, da ich sie mit einer<br />

unwirschen Geste beiseite geschleudert hätte. Ich trat ungehindert ins Büro und knallte<br />

die Türe hinter mir zu.<br />

Es war leiser als beabsichtigt – es klang nicht wütend.<br />

„Sie müssen Herr Fellinger sein“, begrüßte mich der Mann mit den aufregend dunklen<br />

Locken.<br />

Antonio, der Mann aus dem Folder, der Mann, den ich mit Tom angetroffen hatte.<br />

Er hatte einen Anzug an, schien erfreut mich zu sehen und streckte mir die Hand<br />

entgegen.<br />

Ich war völlig perplex. Meine ganze Wut verpuffte.<br />

Was machte der Künstler allein in Toms Büro? Woher kannte er meinen Namen?<br />

Irritiert machte ich einen Schritt auf den Schreibtisch zu und nahm seine Hand. Die<br />

raue Hand packte kräftig zu, schüttelte meine und dann zeigte er auf den Sessel.<br />

Ich setzte mich hin. War froh mich setzen zu können, denn mir wurde schwindlig.<br />

Was wurde hier gespielt?<br />

„Wir sind uns nur kurz begegnet, Herr Fellinger. Sie hatten es das letzte Mal<br />

offensichtlich eilig, da konnte ich mich nicht vorstellen. Ich bin Antonio Mraz. Ich weiß<br />

nicht, ob die Buschtrommeln es schon an Sie herangetragen haben, aber ich bin Ihr neuer<br />

Chef.“<br />

Ich starrte ihn an, versuchte zu verdauen, was er gerade sagte.<br />

„Sie alle haben wohl eine etwas turbulente Zeit hinter sich. Wenn die Führungsebene<br />

sich nicht einig ist, ist das immer auch eine Belastung für die Mitarbeiter, aber diese Zeiten<br />

haben Sie ja jetzt überstanden.“<br />

Dann schaute er in seinen Laptop.<br />

„Sie schreiben die Hundekolumne. Und gelegentlich überarbeiten Sie Presseartikel. Ich<br />

denke, wenn Sie möchten, können wir das Arrangement so beibehalten“, erklärte er.<br />

Bei dem Wort 'Arrangement' lief mir ein Schauer über den Rücken.<br />

Antonio schaute mich scheißfreundlich an und fragte: “Haben Sie noch irgendwelche<br />

Fragen?“<br />

Ja – ich hatte welche.<br />

Ich wollte wissen, ob es ihm Spaß machte Tom zu ficken, ob er ihn wirklich liebte und<br />

ob Tom von mir erzählt hatte – und unserem Arrangement.<br />

Ich wollte wissen, warum er sich auf einmal als Chef der Redaktion aufspielte.<br />

Ich wollte wissen, wo Tom war.<br />

Aber ich schüttelte nur den Kopf.


„Na gut, Herr Fellinger …“ Er erhob sich, reichte mir wieder die Hand.<br />

„Wir werden sicher gut miteinander auskommen. Wenn Sie irgendetwas brauchen,<br />

kommen Sie zu mir.“<br />

Ich nickte benommen, trat aus dem Büro und stand vor dem Abgrund des<br />

Großraumbüros.<br />

Tausend Augen starrten mich an. Ich räusperte mich, zupfte an meiner Jacke und<br />

machte mich langsam auf den meilenweiten Weg Richtung Ausgang. Tausende Augen<br />

folgten mir, wie ich mich Meter um Meter vorwärts bewegte.<br />

Nur noch fünf Meter trennten mich vor der erlösenden Tür.<br />

Nur noch vier.<br />

Drei.<br />

Und dann öffnete sich die Toilettentür neben dem Kopiergerät und Tom versperrte mir<br />

den Weg. Er schien genauso überrascht zu sein wie ich.<br />

„Max!“<br />

Er sprach es so aus, als könne er den Namen zerbrechen.<br />

Mir verschlug es die Sprache, so nah vor ihm, so unverhofft.<br />

Mir wurden die Knie weich.<br />

„Ich hab versucht dich zu erreichen“, entfuhr ihm vorwurfsvoll. „Geht es dir gut? Ist<br />

alles in Ordnung? Du warst so schnell weg.“<br />

„Ja“, presste ich heraus und meine Stimme überschlug sich. „Ich wollte gerade gehen.“<br />

Tom wirkte von meinem abweisenden Ton überrascht, doch dann lächelte er, wie er<br />

immer lächelte, wie er immer gelächelt hatte, wenn ich in die Redaktion gekommen war.<br />

„Geh mit mir auf ein Bier!“<br />

Das tat so gut, es zu hören. Am liebsten hätte ein Teil von mir ‚Ja‘ geschrien, ihn<br />

umarmt, vor lauter Freude, dass alles wieder so war wie bisher. Der Teil von mir, der sich<br />

nach der Sicherheit, der Gewohnheit sehnte, nach der Heimat altgedienter Rituale.<br />

Doch ein anderer Teil wollte mehr, wollte nicht so tun als wäre nichts passiert, wollte<br />

nicht ignorieren, dass Tom in einer Beziehung mit – welche Ironie – seinem Chef war und<br />

ich nur der freundschaftliche Kollege, dem man mal einen absurden Gefallen getan<br />

hatte.<br />

„Nein“, erwiderte ich daher leise und dabei brach mir das Herz.<br />

Ich starrte ihn mit großen Augen an und flehte ihn an, hartnäckig zu sein, zu merken,<br />

was mit mir los war.<br />

Doch diesmal hakte er nicht nach.<br />

Diesmal versuchte er nicht, mich zu überreden.<br />

Er schaute nur traurig aus.<br />

„Schade“, seufzte er und musterte mein Gesicht.<br />

Am liebsten hätte ich ihn gepackt, gegen die Wand gedrückt und geküsst. Ich wollte<br />

ihn umarmen, spüren, riechen. Wollte, es wäre noch immer dieser Nachmittag. Oder noch<br />

besser – ich wünschte, wir wären zusammen und vor uns eine ganze Welt voller<br />

Nachmittage.<br />

„Ja“, blieb ich hart und schob mich an ihm vorbei.<br />

Noch ehe die Tür hinter mir ins Schloss fiel, schossen die Tränen aus meinen Augen.<br />

Ich hörte die Tür hinter mir aufgehen.<br />

„Max!“


Es war Tom.<br />

Schon wieder.<br />

Noch immer.<br />

Ich wollte mich nicht umdrehen, ihm nicht zeigen, dass ich heulte. Und ich heulte,<br />

konnte meine Tränen nicht bremsen. Ich versuchte zumindest, ruhig zu atmen.<br />

Ich hörte, wie er auf mich zu kam und hinter mir stehen blieb.<br />

„Ist es wegen …“, er sprach es nicht aus.<br />

In meinem Bauch krampfte sich alles zusammen, ich ballte die Fäuste. War er so<br />

dreist, jetzt auch noch von Antonio anzufangen?<br />

„Ja!“, knurrte ich.<br />

Zumindest sollte es ein Knurren werden, klang aber eher, als versage mir die Stimme.<br />

Ich spürte, wie eine Hand sich auf meinen Oberarm legte. Gänsehaut zog über meinen<br />

Körper, ich lehnte mich kurz dagegen, doch dann schüttelte ich sie ab.<br />

„So sollte es nicht sein. Das wollte ich nicht.“ Es klang bedauernd.<br />

„Tja. Passiert ist passiert, oder nicht?“, brachte ich so bitter hervor, dass mir selber<br />

davon kalt wurde.<br />

„Max, du brichst mir das Herz“, sagte Tom leise. Sehr leise.<br />

Es gab mir einen Stich im Bauch.<br />

Wollte er mich verarschen? Warum sein Herz? Warum sollte ich jetzt sein Herz<br />

brechen?<br />

Er war es doch, der längst einen Liebhaber hatte!<br />

In dem Moment kam die ganze Wut hoch auf ihn und Antonio, auf den Sex, den sie<br />

haben würden, auf die Liebe, die sie füreinander empfanden.<br />

Auf mich, der einsam war, und meinen Roman, den ich so hasste, wegen dem ich mich<br />

so verabscheute, der all den Unsinn erst ausgelöst hatte, und über den sie sich todsicher<br />

lustig gemacht hatten – wozu sonst hätte er ihn mitgehen lassen sollen.<br />

Ich ballte meine Fäuste, drehte mich um und schlug zu.<br />

Ich hatte mich noch nie geschlagen. Hatte es durch meine ganze Schulzeit und Jugend<br />

geschafft, ohne mich jemals zu prügeln.<br />

Ich war völlig perplex, dass ich tatsächlich vorbildlich wie in einem Film Toms Kinn<br />

erwischte.<br />

Tom prallte nach hinten gegen die Wand und starrte mich mit schreckgeweiteten<br />

Augen an. Ich starrte ihn mindestens ebenso entsetzt an, dann meine Faust, dann wieder<br />

ihn.<br />

Die Tür der Redaktion, eine Glastür übrigens, hinter der die halbe Belegschaft<br />

zugesehen hatte, wurde aufgerissen, und während sich eine Kollegin fürsorglich an Tom<br />

hängte, stellte sich die pummelige Sekretärin breitbeinig vor mich hin.<br />

Einige männliche Kollegen krempelten die Ärmel auf, offenbar um ihre Absicht zu<br />

demonstrieren, sich bei Bedarf ins Getümmel zu werfen.<br />

„Haben Sie den Verstand verloren?“, ging mich die Sekretärin an.<br />

Sie strahlte über alle Maßen Mütterlichkeit aus, und so, wie sie das sagte, klang sie<br />

persönlich verletzt, dass ihre Jungs miteinander zankten.<br />

Ich war völlig überwältigt von dem Auflauf, der auf einmal entstand. Tom stand noch<br />

immer mit erschrockenen Augen hinter einem halben Dutzend Mitarbeiter und starrte<br />

mich an.


Alle sahen, dass ich Tränen in den Augen hatte. Trotz meiner Wut liefen sie ohne<br />

Ende.<br />

Ich stand da, die Fäuste noch immer geballt, wütend, und heulte wie ein Kind.<br />

Und dann erschien auch noch Antonio.<br />

Mit einem einzigen Blick erfasste er die Lage.<br />

„Herr Fellinger hat Herrn Haas die Fresse poliert“, fühlte sich dennoch einer der<br />

Kollegen bemüßigt zu erklären.<br />

Mit einem raschen Schritt war Antonio bei Tom. Mir zog sich das Herz zusammen.<br />

Er legte eine Hand auf seine Schulter, mit der anderen hob er vorsichtig Toms Kinn an,<br />

um sich den Schaden anzusehen. Für mich sah es aus, als würden sie gleich beginnen zu<br />

knutschen.<br />

Ohne es zu merken, ohne es zu beabsichtigen, ließ ich einen Schrei los, mehr ein<br />

Brüllen. Ich wollte nur einfach verhindern, dass die beiden in diesem Moment vor meinen<br />

Augen zärtlich wurden.<br />

Alle Augen waren auf mich gerichtet. Auch Antonio war, genauso wie Tom,<br />

zusammengezuckt.<br />

„Was hat er?“, fragte er in die Runde, als wäre ich ein tollwütiges Tier, das man selber<br />

nicht fragen könnte.<br />

„So habe ich ihn noch nie erlebt“, faselte einer.<br />

„Sonst ist er immer so unauffällig, so still“, murmelte ein anderer.<br />

„Da haben wir es wieder. Es sind immer die Stillen, die tickenden Zeitbomben. Ich sag<br />

das immer …“, fühlte sich ein anderer bemüßigt zu sagen.<br />

„Haltet den Rand!“, befahl Tom.<br />

Verteidigte er mich etwa? Nach allem, was ich ihm angetan hatte?<br />

Obwohl ich zitternd dastand, die Fäuste immer noch geballt, und alle mit meinem<br />

Röhren verunsichert hatte, ging Tom auf mich zu.<br />

Er schob die Leute beiseite, einige wichen aus.<br />

„Nicht, Tom“, warnte jemand.<br />

„Der hat noch nicht genug, der will noch eine in die Fresse“, ätzte ein anderer.<br />

Doch Tom ließ sich davon nicht beeindrucken. Er ließ mich nicht aus den Augen, und<br />

als er mich erreicht hatte, breitete er seine Arme aus und schlang sie um mich.<br />

Ein Raunen ging durch die Menge.<br />

Es tat so verdammt gut ihn zu spüren. Ich roch seinen typischen Duft nach Zigaretten,<br />

Rasierwasser und Schweiß. Spürte seinen kräftigen Körper, seinen etwas aufgeregten<br />

Atem an meinem Ohr.<br />

Ich wurde weich, ließ mich gegen ihn fallen und begann zu schluchzen. Ich öffnete<br />

nach und nach meine Fäuste und legte sie an seine Hüften. Mit einer Hand streichelte er<br />

mir über den Kopf.<br />

„Schwuchteln“, spottete jemand.<br />

„Au“, zischte dieselbe Person drei Sekunden später.<br />

„Ach je“, hörte ich die Sekretärin mit einem mitleidigen Tonfall seufzen.<br />

„Ich glaub, die kommen alleine klar“, stellte Antonio fest und wandte sich an die<br />

anderen: „Los, an die Arbeit.“<br />

Mit widerwilligem Gemurmel – einige hätten gerne noch weiter zugeschaut – schoben<br />

sich die Kollegen wieder in die Redaktion.


Antonio trat auf uns zu und ordnete streng an: „Reißt euch zusammen, so etwas kann<br />

ich hier nicht gebrauchen.“<br />

Nach einer kleinen Pause etwas freundlicher: „Tom, du kannst für heute gehen.“<br />

Danach verschwand auch er wieder hinter der Glastür.<br />

Ich hatte mein Gesicht an Toms Hals vergraben und beruhigte mich langsam. Dennoch<br />

hielt ich mich an ihm fest. So wütend ich war wegen Antonio, in Toms Armen konnte ich<br />

nicht sauer auf ihn sein.<br />

Nur widerwillig löste ich mich von ihm und wischte mir das Gesicht im Jackenärmel<br />

trocken. Ich schämte mich in Grund und Boden.<br />

„Du hast einen beachtlichen linken Haken“, bemerkte Tom und betastete sein Kinn.<br />

„Sorry“, brummte ich leise.<br />

„Nur, wenn du mir sagst, wofür der war“, stellte er die Bedingung.<br />

„Antonio“, erklärte ich.<br />

Tom schaute mich völlig perplex an.<br />

„Was? Wie bitte?“<br />

„Ich weiß, ich hab kein Recht, sauer auf euch zu sein. Im Grunde genommen geht es<br />

mich nichts an, mit wem du zusammen bist. Es ist nur …“, stammelte ich.<br />

Tom machte einen Schritt von mir weg und musterte mich von Kopf bis Fuß.<br />

„Von was – um Himmels willen – redest du da?“<br />

„Es ist schon gut. Wirklich. Wir können Freunde sein. Wie bisher“, sprudelte ich hastig<br />

hervor und grinste verlegen. “Falls du noch willst.“<br />

„Nichts ist gut“, betonte Tom streng. “Schon vergessen? Du hast mir deswegen einen<br />

Kinnhaken gegeben. Also erkläre mir bitte, wovon du sprichst.“<br />

„Willst du mich quälen?“, rief ich lauter aus, als ich beabsichtigte, und das<br />

Treppenhaus verstärkte das noch.<br />

Hinter der geschlossenen Glastür des Büros erschienen schon wieder zwei Gesichter.<br />

„Ich dachte, es hätte dir gefallen! Ich weiß echt nicht, was du willst. Habe ich dich zu<br />

irgendetwas gezwungen?“<br />

„Nein“, murrte ich. „Das meinte ich auch nicht.“<br />

„Ist es, weil ich dich nicht angerufen habe?“, fragte er mittlerweile aufgebracht und<br />

fügte hinzu: „Das könnte ich dich nämlich genauso fragen.“<br />

„Es ist, weil du mit Antonio fickst!“, platzte es aus mir heraus. So hatte ich es zwar<br />

nicht unbedingt ausdrücken wollen, aber es traf die Sache ziemlich auf den Punkt.<br />

Tom drehte sich von mir weg und ging zur Wand, an die ich ihn vorhin geklatscht<br />

hatte. Er ließ sich mit den Rücken dagegen fallen, völlig ignorierend, dass bereits wieder<br />

vier Leute an der Glastür standen und hinaus zu uns glotzten.<br />

Er begann zu kichern und schließlich bitter zu lachen. Ich lehnte mich meinerseits an<br />

die Wand hinter mir und schaute ihm eine Weile böse zu, wie er sich darüber amüsierte.<br />

„Wie kommst du auf diese bescheuerte Idee?“<br />

Er war unfreundlich und schüttelte dabei völlig ungläubig den Kopf.<br />

„Stimmt es denn nicht?“<br />

Ich spürte wie der Boden unter meinen Füßen aufging. Nervös schaute ich zu den<br />

neugierigen Köpfen hinter der Tür.<br />

„Nein“, verteidigte sich Tom so vehement, als müsse er bestätigen, dass er nicht Satan<br />

höchstpersönlich sei und auch nicht für die letzten beiden Weltkriege verantwortlich.


„Aber, deine Nachfolgerin …“, stammelte ich. Ich begann, mir sehr blöd vorzukommen.<br />

Tom nickte langsam.<br />

„Gabi“, überlegte er. „Ich hätte es mir denken können.“<br />

Dann schaute er mich an. Ich bekam Bauchkribbeln davon, so intensiv wurde sein Blick<br />

– und ich wollte nicht wegsehen, erwiderte ihn standhaft.<br />

„Du warst eifersüchtig!“, fasste er die letzten Minuten zusammen.<br />

Ich fühlte mich ertappt.<br />

Hitze schoss mir in den Kopf und färbte meine Ohren rot. Dennoch sah ich nicht weg.<br />

Toms Augen flackerten auf und ich merkte, wie er zwar versuchte, ein Grinsen zu<br />

unterdrücken, es aber nicht schaffte.<br />

„Ja, aber das hat nichts zu bedeuten“, fühlte ich mich bemüßigt, zu meiner<br />

Verteidigung zu vorzubringen.<br />

Tom grinste noch breiter.<br />

„Hast du jetzt Lust, mit mir etwas trinken zu gehen?“, fragte er, betastete dann wieder<br />

sein Kinn und fügte hinzu: „Eigentlich hast du keine Wahl. Du hast etwas gutzumachen.“<br />

„Ich hatte die ganze Zeit schon Lust“, gestand ich.<br />

Tom lächelte so süß, dass mir die Knie weich wurden.<br />

„Komm her!“, forderte er mich auf und ich folgte.<br />

Hinter der Glastür hatte sich schon wieder eine Traube von sechs oder sieben Leuten<br />

versammelt, und von weiter hinten sah ich Antonio auf sie zukommen.<br />

Tom stieß sich von der Mauer ab, und als ich vor ihm stand, packte er mich mit einer<br />

Hand am Genick, den anderen Arm schlang er um meine Taille. Mit einem Ruck drückte er<br />

mich an sich `ran und küsste mich.<br />

Vor den Augen der halben Redaktion und unseres Chefs drückte er seine Lippen fest<br />

auf meine und schob mir seine Zunge in den Mund. Ich schlang meine Arme um ihn, zog<br />

ihn fester an mich und erwiderte den Kuss leidenschaftlich.<br />

Ich versank, driftete weg aus der Realität hinein in eine Galaxie, in der nur wir beide<br />

existierten, verbunden über unseren Mund, und unsere Zungen tauschten wichtige Daten<br />

aus.<br />

Ich spürte, wie sein harter Schwanz durch unsere Hosen an meinen drückte.<br />

Ich griff mit beiden Händen nach seinem Po, knetete ihn und drückte sein Becken noch<br />

fester an meines. Tom stöhnte auf und löste seinen Mund von meinem.<br />

Er blickte mich verklärt an und flüsterte: „Ich glaub, ich möchte jetzt nichts trinken<br />

gehen.“<br />

Dann grinste er so verdorben, wie er nur konnte: „Zumindest kein Bier.“<br />

Ich musste lachen.<br />

Hatte ich ihn richtig verstanden? Sicher.<br />

Ich sah, wie Antonio versuchte, seine neugierigen Untergebenen unter Kontrolle zu<br />

bringen, die nur schwer ihren Blick von uns abwenden konnten.<br />

Tom sah, was ich beobachtete und fragte: „Meinst du nicht, dass Antonio anders<br />

reagieren würde, wenn er mein Freund wäre und wir hier vor allen herumknutschen?“<br />

„Wer weiß!“, grinste ich ihn an.


Geständnis<br />

Toms Wohnung sah aus wie die Bude von Studenten.<br />

Sie war karg ausgestattet. Die Möbel schienen wild zusammengesammelt, an den<br />

Wänden hatten schon mehrere Generationen von Plakaten und Zettel gehangen, die<br />

offenbar tapeziert und wieder heruntergerissen wurden, überklebt mit aktuellen Inhalten,<br />

wie skurrile Bilder und lustige, provokante politische, Sprüche.<br />

Im dunkelblau gestrichenen Flur stand ein Fahrrad. Die Küche versank in einem satten<br />

Weinrot. Überall lagen Zeitschriften, Zeitungen und keiner der Schränke versteckte etwas,<br />

alle waren sie offen und gaben mir den Blick auf teilweise recht exquisite Dinge frei.<br />

Im Gegensatz zu meiner Wohnung war seine das geballte Leben.<br />

Auf dem Küchentisch sah ich das verdächtige Kuvert mit meinem Roman liegen.<br />

Den ganzen Weg bis zu seiner Wohnung hatte Tom nicht einziges Mal meine Hand<br />

losgelassen. Erst jetzt, weil er rasch einen Stapel Zeitungen aufhob, um mir einen Sessel<br />

freizuräumen und mir ein Glas Wasser gab.<br />

Er entschuldigte sich dafür, wie es bei ihm aussah.<br />

Ich fand seine Wohnung toll, er hätte nichts wegräumen müssen, aber ich sah ihm<br />

gerne dabei zu.<br />

An der eigenen Wohnung erkennt man die Leute, hatte ich mal gehört. Es stimmte<br />

zumindest, dass mir Tom hier verletzlicher, viel mehr wie er selbst vorkam. Was er<br />

versuchte wettzumachen, war der Teil von ihm, den ich neu an ihm entdeckte und zu<br />

lieben begann.<br />

Hier wurde so richtig klar, warum ihm die Position als Chef nicht zugesagt hatte, er<br />

darin völlig fehlbesetzt war.<br />

Tom war ein Chaot.<br />

Er flitzte hin und flitzte her, und als er kurz aus der Küche verschwand und wieder<br />

auftauchte, hatte er ein anderes T-Shirt an und seine Haare waren vom Kleiderwechsel<br />

verstrubbelt.<br />

„Wann musst du denn deinen Roman abliefern?“, fragte er und hob hier ein paar<br />

Kleidungstücke auf, um sie rauszutragen, kam dort mit etwas leerem Geschirr wieder.<br />

„Heute“, erwiderte ich.<br />

Tom hielt inne und schaute mich erschrocken an, eine Schüssel mit vertrockneten<br />

Müsliresten in einer Hand, ein paar Zeitungen in der anderen.<br />

„Aber ich hab ihn schon vor ein paar Tagen abgegeben“, ergänzte ich.<br />

Tom setzte sich, ohne mich aus den Augen zu lassen, hin, stellte die Schüssel auf den<br />

Tisch und legte die Zeitungen daneben.<br />

„Was meinst du damit, du hast ihn abgegeben?“<br />

„Ich habe ihn abgegeben. Er ist fertig.“<br />

„Du meinst, du hast den ganzen Roman in den paar Tagen geschrieben?“, fragte Tom<br />

ungläubig. Ich nickte.<br />

„Und hat sich dein Verlag schon gemeldet? Haben sie schon was dazu gesagt?“<br />

„Perfekt“, grinste ich „Er gefällt ihnen. Sie wollen nur noch Kleinigkeiten ausbessern,<br />

nichts Besonderes. Im Großen und Ganzen ist er druckfertig.“


Tom sah mich an, als hätte ich in einer fremden Sprache gesprochen und er müsse<br />

erst noch warten, bis ihm das, was ich gesagt hatte, ein Dolmetscher übersetzte.<br />

„Das heißt …“, begann er.<br />

„… dass wir nicht mehr recherchieren müssen“, sagte ich in triumphierendem Tonfall.<br />

„Wir müssen keinen Sex mehr haben.“<br />

„Ja …“, brummte Tom und Betretenheit kletterte in sein Gesicht.<br />

„Aber wir könnten, wenn wir wollen.“ Mir brach die Stimme, ich ergriff seine Hand und<br />

fügte hinzu: „Und was mich betrifft – ich will.“<br />

Tom schaute noch immer drein wie überfahren. Ich betete, dass er mich nicht gleich<br />

aus der Wohnung warf, weil er der Überzeugung war, mir nun keine Hilfe, keine Muse,<br />

kein Lehrer mehr sein zu müssen.<br />

Wortlos erhob er sich und verließ die Küche. Erst dachte ich, er würde wieder mit<br />

Geschirr zurückkommen, weiter herum räumen, aber er blieb weg – also erhob ich mich,<br />

um ihn zu suchen.<br />

Ich fand ihn in einem Raum, der stark den Verdacht weckte, sein Schlafzimmer zu sein.<br />

Außer einer Matratze auf dem Fußboden und einem Sessel, der unter einem Berg Kleidung<br />

versteckt war, gab es nur noch massenhaft Bücher, CDs und DVDs, die in verschieden<br />

hohen Stapeln herumlagen, eine kleine, aber offensichtlich teure, Stereoanlage und einen<br />

großen Bildschirm.<br />

Der Raum hatte zwar ein Fenster, wirkte aber dunkel.<br />

Tom stand davor, den Kopf an die Wand gelehnt und rauchte. Als er mich sah,<br />

dämpfte er rasch die halb gerauchte Zigarette aus.<br />

„Ich sollte gehen“, murmelte ich und versuchte, den traurigen Ton in meiner Stimme zu<br />

verbergen.<br />

Tom wirkte so unnahbar, dass ich davon ausging, dass er bereute, mich mitgenommen<br />

zu haben. Auf dem Weg hierher hatte es noch so ausgesehen, als würden wir hinter jeder<br />

Ecke übereinander herfallen, aber kaum hatten wir seine Wohnung betreten, war er von<br />

einem Putzfimmel befallen.<br />

Es wirkte, als wolle er vor etwas weglaufen.<br />

Vor mir?<br />

Und dann hatte er mich einfach in der Küche sitzen lassen, um im Schlafzimmer zu<br />

rauchen?<br />

„Aber warum?“ Tom war auf einmal ganz bei mir.<br />

„Ich weiß nicht. Ich denke du willst alleine sein“, erklärte ich, als Tom nach meiner<br />

Hand griff, um mich aufzuhalten. Nur zu gerne blieb ich stehen.<br />

„Geh nicht!“, bat er leise und es klang fast flehentlich. Noch nie hatte er auf mich so<br />

verletzlich gewirkt.<br />

„Okay.“ Ich streichelte über seine Wange. „Ich bleibe.“<br />

Tom lehnte seine Stirn an meine, ließ seine Nase über meine gleiten und suchte<br />

zaghaft nach meinen Lippen. Ich spürte seinen Atem, ich schauderte, ich drückte seine<br />

Hand, die mich hielt, ließ meine Finger in das Haar in seinem Nacken gleiten und zog ihn<br />

heftiger an mich heran.<br />

Verlangend schob ich ihm meine Zunge in den Mund, suchte nach seiner, spürte die<br />

Wärme seiner Mundhöhle, drückte meine Lippen heftiger an seine. Er legte die<br />

Handflächen auf meine Wangen, um meinen Kopf festzuhalten und schlang nun


seinerseits seine Zunge in meinen Mund, als könne er es nicht mit sich machen lassen,<br />

dass ich ihn eroberte.<br />

Seine Hände wanderten über meine Schultern, den Rücken abwärts und schoben sich<br />

unter mein Shirt. Ich zuckte auf, als die warmen Handflächen meine nackte Haut<br />

berührten. Langsam glitten sie über meine Hüften, die Taille aufwärts, umfassten meine<br />

Schulterblätter und wanderten dann nach vorne, um über meinen Bauch zu gleiten.<br />

Ich wurde hart, ich schauderte.<br />

Während Tom an meinen Lippen knabberte, an meiner Zunge saugte, schließlich seine<br />

Zunge in heftigen Bewegungen über meine Lippen kreiste, hinab über das Kinn, ließ er, die<br />

Länge meines Shirts auf seinen Handgelenken ruhend, die Hände bis hoch über meine<br />

Brust gleiten, gab meine nackte Haut preis.<br />

Mit breiter, nasser, fordernder Zunge und wild nach mir schlingenden Lippen eroberte<br />

er meinen Hals, sprang über das auf Höhe meiner Schlüsselbeine zusammengerolltes<br />

Shirt und umspannte mit dem Mund meine Nippel.<br />

Ich stöhnte auf und bebte, was ihn nur noch mehr anspornte. Immer intensiver kreiste<br />

er mit der Zungenspitze um meine Brustwarzen, leckte dann mit breiter Zunge über die<br />

harten Nippel, strich mit den Zähnen darüber und saugte schließlich gierig daran.<br />

Ich krallte mich an seiner Schulter fest und seine Hände wanderten an mir herab,<br />

gefolgt von den saugenden, fordernden Lippen.<br />

Er leckte oberhalb meines Hosenbundes über meinen Bauch, die Leisten, steckte dann<br />

einen Finger in den Bund, um mich zu reizen. Langsam öffnete er den obersten Knopf<br />

meiner Jeans und hauchte mir seinen heißen Atem in den Schritt. Ich ächzte.<br />

Flink öffnete er die weiteren Knöpfe meines Hosenstalls, wo mein Glied in den Shorts<br />

schon hart und steif ein entschlossenes Zelt baute.<br />

Tom tauchte das Gesicht in meine Genitalien, sog erst den Geruch mit einem intensiven<br />

Atemzug auf und hauchte dann heiß auf meine Hoden. Langsam schob er die Jeans<br />

hinab, indem er seine warmen Hände über die Außenseite meiner Beine gleiten ließ.<br />

Danach wanderten seine Hände an der Hinterseite meiner Schenkel wieder nach oben,<br />

fuhren in meine Kniekehlen und immer höher.<br />

Dann erhob er sich rasch, hob mich auf und legte mich mit einer zügigen Bewegung<br />

auf die Matratze. Er war wirklich kräftig und ich hätte mich nicht wehren können, selbst<br />

wenn ich gewollt hätte.<br />

Er kletterte über mich, bedeutete mir mit einer sachten Bewegung, die Arme über den<br />

Kopf zu nehmen, damit er mir das Shirt ausziehen konnte. Er schob den Bund hoch bis zu<br />

meinen Handgelenken – und beließ es dort.<br />

Mein Kopf steckte noch im Shirt, wie auch meine Arme, die so über meinem Kopf<br />

gefangen waren. Ich konnte nicht sehen, was Tom machte, lag fast nackt vor ihm.<br />

Ich zitterte vor Aufregung und harrte geil auf die weiteren Dinge, die er mit mir<br />

vorhatte. Er hauchte mir durch den Stoff des Shirts hindurch einen Kuss auf die Lippen<br />

und ließ dann seine Zunge über meinen Körper kreisen.<br />

Wieder kümmerte er sich ausgiebig um meine Brustwarzen, neckte und reizte die<br />

empfindlichen Nippel, bis ich wimmerte. Erst dann hauchte er über den Bauch hinab zum<br />

hoch erhobenen Zelt meiner Shorts.<br />

Mit sanften Händen erfasste er sie, schob sie unter meinem Hintern weg, hob sie über<br />

meinen Penis und entblößte mich völlig. Hilflos, die Arme gefangen und nur mit dem


Stoff meines Shirts vor Augen, lag ich splitternackt da, ihm ausgeliefert.<br />

Tom nahm meine Fußgelenke und schob sie so weit auseinander, wie seine<br />

Armspannweite erlaubte. Danach ließ er die Fingernägel sanft die Innenseite meiner<br />

Schenkel hochkratzen, bis er meine Lenden erreicht hatte. Ich kämpfte gegen den Reflex,<br />

die Beine zu schließen, wenn auch nur ein wenig, blieb weit gegrätscht vor ihm liegen und<br />

wand mich unter ihm.<br />

Dann verschwanden seine Finger von meinem Körper. Ich wusste nicht, was er<br />

vorhatte. Ich hörte, wie er sich bewegte, ich hörte Kleidung. Ich hörte etwas rascheln,<br />

spürte, wie sich die Matratze unter seinem Gewicht senkte. Ich war bis aufs äußerste<br />

gespannt, irgendetwas zwischen Angst und Neugier überkam mich und ich wurde immer<br />

hungriger nach einer Berührung von ihm.<br />

Ich war kurz davor, mir das Shirt vom Kopf zu reißen um zu sehen, was er tat, oder<br />

zumindest meine Beine zusammenzuklappen, um mich zu schützen.<br />

Er drückte seine heißen, großen Hände auf meine Oberschenkel, damit ich bloß nicht<br />

auf die Idee käme, meine Position zu verändern, und ich spürte etwas an meinem<br />

Schwanz, das einfach nur geil war.<br />

Warm floss etwas über meine Genitalien und prickelte auf der Haut. Was war das?<br />

Im nächsten Moment spürte ich, wie er über meine Hoden leckte, über die Lenden. Wie<br />

es kühler wurde, wenn er einatmete, und heiß, wenn er ausatmete. Er atmete mit Absicht<br />

heftiger, blies den Atem über meinen feuchten, prickelnden Genitalbereich. Ich stöhnte<br />

auf, war bis zum Bersten angespannt.<br />

Er verschwand wieder von meinem Körper und ich hörte ihn etwas Unbestimmtes tun.<br />

Ich hörte ihn schwer atmen, hörte ein Klacken, ein Rascheln, ein Schmatzen.<br />

Ich wollte am liebsten Schreien vor Spannung.<br />

Plötzlich umfasste er meinen Penis, stülpte seine Lippen fest darüber, sodass ich<br />

tatsächlich einen Schrei losließ. Ich weiß nicht, was er tat, aber die Haut auf meinem<br />

Schwanz fühlte sich fest umschlungen an, auch als die Hitze seines Mundes von mir<br />

abließ.<br />

Er hatte etwas um mein Glied getan.<br />

Ich spürte, wie er über mich kletterte, spürte seine behaarten, warmen Beine, spürte,<br />

wie sich seine heißen Schenkel um meine Hüften schlangen und wie etwas Weiches,<br />

Warmes meinen Bauch streifte. Ich wimmerte und begann, mit meinen Beinen zu arbeiten.<br />

Eine Hand griff nach meinem Penis und wieder stülpte er heiß und fest seine Lippen<br />

um mich, viel fester, viel heißer, und auf einmal spürte ich das Gewicht seiner Hoden auf<br />

meinem Bauch.<br />

Konnte das sein? Konnte es das sein, was ich dachte?<br />

Es traf mich wie ein Blitz.<br />

Ich zappelte unter dem Shirt, riss es von mir. Tom saß auf meinen Hüften, sein harter<br />

Schwanz stand hoch über meinem Bauch, seine Bauchmuskeln waren angespannt, der<br />

Mund stand weit offen, die Augen waren geschlossen und er bewegte sich auf mir.<br />

Mit zitternden Händen tastete ich nach seinen Pobacken, rutschte an ihnen entlang bis<br />

zu der Stelle, an der mein Penis in ihm verschwand. Mir setzte kurz das Herz aus, als mir<br />

bewusst wurde, dass ich in ihm war.<br />

Tom bewegte das Becken, stieß mit seinem erregten Schwanz in die Luft und trieb mich<br />

dabei fester in sich hinein. Ich griff nach seinem Penis, hielt ihn fest in meiner Hand,


während ich die andere an der Stelle ließ, in der ich immer wieder in ihn hinein glitt.<br />

Er hatte mir ein Kondom übergestülpt und seinen After mit Gleitgel präpariert, wie ich<br />

mit meinen Fingern fühlen konnte. Ich stellte meine Beine auf, um mehr Kraft zu haben,<br />

in seinen Rhythmus mit einzuschwingen und stoßende Bewegungen auszuführen.<br />

Ich wollte tiefer in ihn hinein, immer tiefer, und zugleich bearbeitete ich seinen<br />

Schwanz vor meinem Bauch, sah, wie er immer härter wurde, immer besser durchblutet,<br />

schon fast lila glänzend vor Erregung.<br />

Ich sah, wie es aus ihm heraus tröpfelte und im nächsten Moment klatschte seine<br />

heiße Lust über mein Gesicht, traf meine Stirn, das Kinn und vermutlich auch mein Haar.<br />

Tom bäumte sich auf, seine Muskeln arbeiteten heftig, er stieß sich langsam und heftig<br />

auf mich, ließ dabei einen wohligen Schrei los.<br />

Durch seine Muskelkontraktionen und den wunderbaren Anblick seines Orgasmus'<br />

folgte ich ihm sofort hinterher, meine Fußsohlen zogen sich zusammen, ein schmerzhaftes<br />

Ziehen strömte durch meinen Körper; als flösse aus allen Körperteilen mit riesiger Wucht<br />

Energie in meinen Schwanz, zitterte und bebte ich und entlud mich heftig in Toms<br />

Hintern.<br />

Sachte rutschte er von mir herunter und zog mir behände das Kondom von meinem<br />

noch pulsierenden Schwanz. Danach kroch er auf mich, deckte mich mit seinem heißen,<br />

verschwitzten, kräftigen Körper zu und leckte mir das Sperma von Kinn und Gesicht.<br />

In erregter Erschöpfung blieben wir eine ganze Weile eng umschlungen liegen,<br />

brummten entspannt, streichelten uns zärtlich.<br />

Irgendwann richtete sich Tom auf, stützte sich auf einem Ellenbogen, musterte mich<br />

und fragte: „Max, warum warst du auf Antonio eifersüchtig?“<br />

Die Frage traf mich unvorbereitet.<br />

„Ich … äh, weil ich … äh …“, stammelte ich. Sollte ich es ihm sagen?<br />

Erwartungsvoll sah mir Tom in die Augen, wieder mit diesem seltsamen Blick wie<br />

vorhin. Es schien als schleppe er sich mit irgendetwas ab.<br />

„Ich … öhm … ich glaube, mir hat die Vorstellung nicht gefallen, dass du … dass<br />

ihr …“<br />

„Sex habt?“, vervollständigte er den Satz.<br />

„Ja“, gestand ich, und sah, wie er in sich hinein nickte, als habe er sich damit eine<br />

Frage beantwortet.<br />

„Aber nicht nur“, fügte ich hinzu und hatte wieder seine volle Aufmerksamkeit.<br />

„Ich wollte nicht, dass du jemanden … ach, na ja, dass du jemanden lieber magst als<br />

mich.“<br />

„Warum?“, fragte er. Konnte er nerven! Konnte er begriffsstutzig sein!<br />

„Weil … weil ich dich mag“, erklärte ich leise.<br />

Tom bekam einen ganz eigenen Blick. Ein Aufblitzen in seinen Augen.<br />

Und noch etwas. Er errötete.<br />

Ich hatte Tom noch nie erröten gesehen. Nicht so.<br />

„Wirklich?“, flüsterte er.<br />

Er schien nicht böse zu sein, nicht abgestoßen davon. Entgegen meiner Befürchtung<br />

schien er nicht empört zu sein, sondern ganz im Gegenteil.<br />

Er war verlegen. Das machte mich mutig.<br />

Er sah einfach unfassbar süß aus, wie er, so kräftig, männlich und schön er auch war,


nach heftigem Sex duftend, verlegen wurde, weil ich ihm gestand, dass ich ihn mochte.<br />

„Ja“, bestätigte ich und dann stürzte ich mich mutig über den Rand der Klippen: „Ich<br />

glaube, ich habe mich in dich verliebt.“<br />

Mein Herz klopfte wild, als ich das sagte. Toms Gesicht wurde noch röter, er blickte<br />

noch verletzlicher drein. Er neigte sich über mich und schnappte nach meinem Mund.<br />

Es war ein seltsam zögerlicher Kuss, den er mir gab. So zärtlich und behutsam – und<br />

doch nach und nach fordernder. Als flösse eine ganz eigene Form der Energie, zog er mich<br />

in diese Sanftheit hinein.<br />

Ich hatte mich geöffnet, fühlte mich so offen, dass ich alles direkt in mich aufnehmen<br />

konnte. Tom schien das zu merken. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, als ich etwas<br />

Nasses auf meine Wange tropfen spürte.<br />

Ich öffnete die Augen und sah, dass Tom weinte.<br />

Heulend suchte er nach meinem Mund, saugte immer heftiger an meinen Lippen, als<br />

wolle er seine eigene Traurigkeit wegküssen. Ich war so angetan davon, dass ich nicht<br />

nur meine Arme, sondern auch meine Beine um ihn schlang. Ich wollte ihn halten, auch<br />

wenn ich ihm unterlegen war.<br />

Toms Nase verstopfte, er kämpfte damit, Luft zu bekommen, er schniefte, aber er<br />

hörte nicht auf mich zu küssen, als würde er ertrinken.<br />

Seine Hände begannen, wild über meinen Körper zu wandern, krallten sich immer<br />

wieder so heftig in mein Fleisch, dass es schmerzhaft wurde und rote Flecken entstanden.<br />

Er saugte und küsste mein Kinn, den Kiefer, schnaubte in meine Ohren, nahm mein<br />

ganzes Ohr feucht und heiß in den Mund.<br />

Ich war ganz betroffen davon, wie ihn seine Gefühle übermannten. Und sie<br />

übermannten ihn. Ich weiß nicht, ob er wusste, dass ich merkte, wie er weinte – auf jeden<br />

Fall ließ er nicht von mir ab, schnaufte, schluchzte, stöhnte, holte tief Luft, verbiss sich in<br />

meiner Schulter. Seine Hände krallten sich in meine Schulterblätter, die Hüften, meine<br />

Schenkel, den Po.<br />

Er beugte sich über mich, dampfend wie ein Tier, und ich spürte, wie nicht nur ich<br />

wieder erregt war, sondern auch sein Penis aufragte. Es hatte etwas ganz und gar<br />

Wildes, wie er mich anfasste, etwas Tierisches, wie er eine verzweifelte Spur aus Speichel,<br />

Rotz und Tränen über meinen Körper verteilte.<br />

Er kniete sich zwischen meine Beine, schob seine Schenkel unter meinen Hintern, hob<br />

meine Knie auf seine Schultern.<br />

Rasch griff er hinter sich und schon sah ich, wie er seine Hand zu einer Schaufel<br />

geformt zwischen meine Schenkel zwängte und begann, warmes Gel in meiner Ritze zu<br />

verteilen. Er biss in mein Knie und schaute mir mit tränennassem Gesicht in die<br />

furchtsamen Augen, als er einen Finger in mich gleiten ließ, um das Gel in das Loch zu<br />

schmieren.<br />

Ich stöhnte auf, die Muskeln zogen sich zusammen und schon spürte ich, wie er einen<br />

weiteren Finger in mich gleiten ließ.<br />

Er bereitete mich vor. Er dehnte mich. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu<br />

entspannen. Konzentrierte mich auf das Gefühl seiner sich zügig und zielstrebig<br />

bewegenden Finger in mir.<br />

Ich öffnete die Augen und sah, wie er mit den Zähnen die Verpackung eines Kondoms


aufriss, das Gummi entnahm und das Papier wegspuckte. Es hatte etwas so rasend<br />

Wildes, dass ich einen Schwall von Erregung aufwallen spürte. Nicht zuletzt auch, weil<br />

ich wusste, was er gleich tun würde.<br />

Mit großen Augen beobachtete ich, wie er sich das Gummi über seinen drallen, riesigen<br />

Penis stülpte, mit dem er gleich meinen jungfräulichen Arsch aufspießen wollte. Schon<br />

zogen sich die Finger aus mir zurück und ich spürte schwer und hart seine Erregung an<br />

meiner Öffnung.<br />

Er begann ganz zärtlich, behutsam meine Knie zu küssen, strich mir mit sanften<br />

Fingern übers Gesicht und ein liebevolles Lächeln überkam ihn.<br />

Ich war bereit. Ich versuchte mich zu entspannen, atmete zwei Mal heftig ein und aus<br />

und hielt die Luft an, als er sich schließlich mit einem zügigen Stoß tief in mich<br />

hineinschob.<br />

Ich prustete die Luft mit einem heiseren Schrei heraus. Reflexartig wollte ich ihn<br />

abstoßen, ihn mit Muskelkraft aus mir herauspressen. Es tat weh. Mein ganzer Körper<br />

war geschockt davon, so ausgefüllt, so bedrängt zu werden.<br />

Tom blieb in mir, bewegte sich nicht, sondern beobachtete mich zärtlich, wie ich mit<br />

mir rang, wie ich versuchte, meine Gefühle auf die Reihe zu bekommen, wie ich mich<br />

wand und nach und nach ergab.<br />

Er neigte sich zu mir herab, umschlang mich mit seinen kräftigen Armen, saugte an<br />

meinem Kinn und suchte meinen Blick. Die Tränen auf seinen Wangen waren noch nicht<br />

getrocknet, aber zumindest im Moment schien er nicht zu weinen.<br />

Dachte ich jedenfalls.<br />

Ich war mit dem Schwanz in meinem Arsch beschäftigt, fand es eigenartig, wie nah<br />

und fern er mir in diesem Moment war.<br />

Tom, dieser Mann, der mich gerade so intensiv anschaute, war in mir.<br />

Ein wohliges Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus. Ich entspannte mich, wollte<br />

ihn nicht mehr abstoßen, sondern im Gegenteil, tiefer spüren. Ich machte eine kleine<br />

Bewegung mit dem Becken und spürte sofort wieder die Wucht seines Glieds, wie es<br />

schwer und hart in mir lag.<br />

Tom beobachtete mich, als wäre er sich nicht darüber im Klaren, dass er es war, der<br />

mich so ausfüllte, dass er es war, der meinen Körper durch sein heißes Gewicht in und auf<br />

mir lähmte.<br />

Er rang mit sich, aber da war er nicht der Einzige. Ich rang auch mit ihm.<br />

Und dann sagte er etwas. Ich konnte es nicht verstehen.<br />

„Was?“, fragte ich.<br />

„Ich liebe dich“, flüsterte er mit erstickter Stimme und wieder stürzten Tränen über<br />

seine Wimpern.<br />

Für eine Sekunde vergaß ich doch glatt unsere kämpfenden Körper.<br />

Mein Herz klopfte und ich bebte, aber nicht wegen des Penis' in mir. Ich schluckte<br />

heftig und hatte das Gefühl, in Toms Seele zu versinken.<br />

„Schon lange“, fügte er, da er es endlich gesagt hatte, hinzu.<br />

Ich war erschüttert.<br />

Was hieß lange? Eine Woche? Zwei Wochen?<br />

Tom schien mir meine Frage von den Augen abzulesen.


„Schon, als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, du bist mein Mann“, sagte<br />

er, wobei er wieder losschluchzte.<br />

In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Ich merkte, wie auch mir die Tränen in<br />

die Augen schossen. Er steckte mich an mit diesem Gefühlsausbruch.<br />

Sein Mann. Wie das klang.<br />

Wahrscheinlich hatte ich mich damals selber noch nicht einmal als Mann<br />

wahrgenommen. Als Tom sah, wie auch aus meinen Augenwinkeln Tränen flossen,<br />

begann er zu lächeln.<br />

„Wir zwei!“, lächelte er, und legte wieder seine Lippen auf meine, schob die Zunge in<br />

meinen Mund, saugte und lutschte an mir und schob dabei das Becken langsam aus mir<br />

heraus.<br />

Mein Hintern zuckte und kribbelte, Wollust erfasste mich und ich merkte, wie ich<br />

mitging. Noch ehe er ganz aus mir heraus schlüpfte, hielt er inne, ließ mir Zeit und<br />

drängte sich wieder in mich. Diesmal konnte ich das Gefühl des Widerstands meiner<br />

Muskeln genießen.<br />

Zwar war das Gefühl, schmerzhaft überwältigt zu werden, noch da, aber es begann<br />

eine Komponente der Lust zu werden.<br />

Tom begann sich immer heftiger in mir zu bewegen, gab sich einem animalischen<br />

Drängen und Stoßen hin. Rhythmisch und mit verzweifelter Gier trieb er sich immer tiefer<br />

in mich, und ich begann, mich ihm entgegen zu sehnen.<br />

Ich bog das Kreuz durch, bot ihm meinen Arsch immer williger, immer hungriger an<br />

und war überwältigt von dem völlig neuen Gefühl der Raserei, das sich ausbreitete und<br />

meinen Penis aus einer ganz anderen Richtung erfasste.<br />

Aus den Tiefen meines Körpers, da, wo Tom mich stieß, breitete sich eine Geilheit aus,<br />

die meinen ganzen Körper ergriff und eine schmerzhafte Lust entfachte. Ich begann zu<br />

jaulen, mich zu winden, mich an ihm festzukrallen.<br />

Auch Tom begann sich zu verlieren, immer heftiger und instinktiver wurde sein Stoßen,<br />

als wäre sein Becken eine Maschine, die die Kontrolle übernommen hatte. Wir schwitzten,<br />

wir grunzten, schluchzten, stöhnten und schrieen schließlich, die Finger in das Fleisch des<br />

anderen gekrallt, auf.<br />

Mit einer einzigen Hebelbewegung hob Tom mich hoch, sodass ich auf seinem Schoß<br />

saß und ihn durch mein Gewicht noch tiefer in mich schob, und wir erlebten beinahe<br />

zeitgleich unseren Orgasmus.<br />

Wir schlangen dabei unsere Arme so fest umeinander, dass wir keine Luft bekamen.<br />

Als das Beben unserer Explosion nachgab, blieben wir noch eine ganze Weile so sitzen. Er<br />

in mir, unsere Gesichter am Hals des anderen vergraben, die Arme fest um uns<br />

geschlungen.<br />

Als wir uns voneinander lösten, ging Tom so behutsam vor, wie er nur konnte. Er<br />

küsste meinen Hintern, wie zur Entschuldigung für das Martyrium, das er ihm angetan<br />

hatte.<br />

Dann schlang er seine Arme um mich und sagte: „Dich geb ich nicht mehr her, nur dass<br />

du es weißt.“<br />

Ich brummte zustimmend.<br />

„Du hast dich wirklich am ersten Tag in mich verliebt?“, fragte ich in neugieriger<br />

Trägheit.


„Nein“, erklärte er.<br />

Ich hob das Kinn und sah ihn an. Hatte er nicht vorhin etwas anderes behauptet?<br />

Tom lächelte mich an. „Ich habe gewusst, dass du mein Mann bist.“<br />

„Aha.“ Ich war verwirrt.<br />

„Am Anfang wollte ich dich nur ins Bett kriegen“, erklärte er. „Ich hab mich nur für dich<br />

eingesetzt, weil ich dachte, so krieg ich dich `rum. Im Gegensatz zu dir wusste ich schon<br />

damals, dass du schwul bist.“<br />

Er grinste bei dieser Erinnerung. „Aber dich haben alle Annäherungsversuche kalt<br />

gelassen. Ich hielt dich für unglaublich cool, dachte eine Zeit lang sogar, du spielst ein<br />

Spiel mit mir, so enorm arglos wie du tatest.“<br />

„Hab ich nicht mitgekriegt“, gestand ich.<br />

„Ich weiß. Nach und nach, bei unseren gemeinsamen Abenden, habe ich mich in dich<br />

verliebt. Ach, was hab ich gelitten, dich so zum Anfassen nah zu haben, aber dich nicht<br />

bekommen zu können. Ich dachte auch eine ganze Zeit lang, du wärst in einer Beziehung.<br />

Wann immer ich das Gespräch auf das Thema bringen wollte, hast du das Gespräch<br />

radikal in eine andere Richtung gelenkt.“<br />

Tom strich über mein Kinn und schüttelte lachend den Kopf.<br />

„Und dann, endlich, nach sechs Jahren kommst du an und fragst mich nach meiner<br />

Telefonnummer, willst mit mir ausgehen. Ich musste mich so zurückhalten, dich nicht auf<br />

der Stelle zu vernaschen.“<br />

„Wirklich, du dachtest, ich wollte was von dir?“, war ich verwundert.<br />

„Oh ja, und wie. An dem Tag wusste ich gar nicht mehr, wie ich gehen sollte, so erregt<br />

war ich“, lachte Tom. „Und dann – oh Mann – erzählst du von diesem Roman und dass<br />

du seit zwölf Jahren ohne Sex bist und noch nie geliebt hast. Und ich tanze sechs<br />

verdammt lange Jahre um dich herum und merke das nicht einmal.“<br />

Er schüttelte den Kopf.<br />

„Du hast keine Ahnung, wie es mir in diesem Moment gegangen ist. Mein Angebot war<br />

Ausdruck reinster Verzweiflung. Vor allem, als du noch dazu darauf bestanden hast,<br />

hetero zu sein. Ich hab nie damit gerechnet, dass du darauf eingehst. Vor allem nicht, als<br />

ich mir klar machte, welche Willenskraft es braucht, so lange abstinent zu bleiben.“<br />

„Und dann habe ich dich doch angerufen“, sagte ich – und erinnerte mich nicht daran.<br />

„Dieser schreckliche Anruf, oh Gott“, stöhnte er. „Da sagtest du ‚Ja‘ zu diesem<br />

ungeheuerlich verrückten Plan, warst dabei aber so etwas von stockbesoffen. Ich habe<br />

gelitten, Max, wirklich gelitten. Sollte ich ignorieren, dass du gar nicht wusstest, was du<br />

tatest und mir einfach holen, wonach mich so lange gelüstete? Oder sollte ich ehrlich<br />

sein und mir selber alles vermasseln?“<br />

„Aber du hast angerufen.“ Sein Geständnis überwältigte mich.<br />

„Ja. Ich verfluchte mich schon im Voraus dafür. Aber dann bist du dabei geblieben. Ich<br />

dachte, ich sterbe. Ich weiß nicht, ob ich nicht noch nervöser war als du.“<br />

„Kann ich mir nicht vorstellen“, nickte ich, musste aber zugeben, ich konnte es.<br />

Zumindest, wenn ich mir vorstellte, mich sechs Jahre unerwidert nach Tom zu<br />

verzehren und auf einmal eine Chance zu bekommen.<br />

„Bis zuletzt glaubte ich nicht mehr, dass das wirklich etwas wird. Ich sagte mir, ein<br />

paar Minuten Händchen halten zumindest, besser als nichts. Und dann wolltest du mich<br />

küssen.“


Tom schlug sich auf die Stirn bei seiner Schilderung.<br />

„Und dir fiel nichts anderes ein, als meinen schrecklichen Roman lesen zu wollen“,<br />

warf ich ihm gespielt beleidigt vor.<br />

„Ja. Ich wollte wissen, woran ich war. Ich wollte wissen, wie weit du warst. Ich habe<br />

gesehen, dass du einige schwule Bücher und Filme hattest. Ich konnte mir wenig<br />

vorstellen, worum es sich genau handelte. Ich hatte so eine verdammte Angst, Fehler zu<br />

machen, das Falsche zu tun, dich dazu zu veranlassen, mich aus der Wohnung zu werfen.<br />

Ich hatte Panik davor, zu zudringlich zu sein, Angst, mich nicht unter Kontrolle zu haben.“<br />

Ich wagte kaum zu atmen. Es war faszinierend, die Geschichte von der anderen Seite<br />

zu erfahren.<br />

Ich hatte nichts von seiner Unsicherheit gemerkt, gar nichts.<br />

„Als ich das las, war ich erleichtert“, lächelte Tom.<br />

„Warum?“<br />

„Weil du alles sehr genau beschrieben hast. Du hattest also Vorstellungen, wenn auch<br />

dein Lektor recht hatte. Aber ich merkte, dass ich dich kaum würde schocken können. Du<br />

wusstest offenbar, worauf du dich einließest. Ich hatte Angst, du würdest bemerken, dass<br />

da mehr ist. Und dann bist du in meinen Armen eingeschlafen. Ich hatte an diesem Tag<br />

noch so viel mit dir vor. Ich wollte all die Jahre aufholen, meine und deine. Ich wollte<br />

dein Buch von vorne bis hinten durcharbeiten. Ich dachte, das wäre die einzige Chance für<br />

mich, je an dich heranzukommen, auch wenn ich merkte, dass die Idee unausgereift war.<br />

Ich hatte mich noch mehr in dich verliebt.“<br />

Tom seufzte und schlang seine Arme fester um mich.<br />

„Ich wollte nicht gehen. Ich wollte bei dir bleiben, bis du aufwachst und mich bittest zu<br />

bleiben. Aber du bist nicht aufgewacht und ich musste in die Redaktion. Ich habe extra<br />

Lärm gemacht beim Aufräumen, beim Möbelverschieben. Doch selbst, als ich schon recht<br />

ruppig das Sofa mit dir drauf verschob, wurdest du nicht wach, also zog ich ab.“<br />

„Ach.“ Ich erinnerte mich daran, wie spät ich an diesem Tag erwacht war.<br />

„Ich wagte nicht, dich anzurufen. Ich hatte das alles ja als ein simples Arrangement<br />

dargestellt. Aber ich betete, dass du dich meldest. Ich hatte Angst, dass ich dich<br />

verschrecke, wenn ich dir hinterherlaufe. Ich dachte, wenn überhaupt, bestünde nur eine<br />

Chance. Und zwar, indem ich abwartete. Indem ich dir Zeit gäbe, dich damit zu<br />

beschäftigen. Immerhin musstest du wohl auch erst verkraften, dass du schwul bist.“<br />

Er streichelte dabei gedankenverloren über meine Brust.<br />

„Und dann unterstelle ich dir was mit Antonio“, gab ich schuldbewusst von mir.<br />

„Vor drei Tagen dann – diese Begegnung – das war in der Tat unterirdisch“, beschrieb<br />

Tom.<br />

„Ich kam eben mit Antonio, dem Mann, der den Laden übernehmen sollte, und den ich<br />

mit der Redaktion, den Kunden, den Mitarbeitern, den Aufgaben der Region vertraut<br />

machen sollte, aus der Mittagspause, als du völlig aufgelöst vor mir standest. Ich war so<br />

erleichtert, so froh, dich zu sehen. Am liebsten hätte ich dich sofort umarmt, geküsst,<br />

egal, ob unser neuer Chef das mitbekommt, aber du schautest mich so feindselig an und<br />

ranntest weg. Ich lief dir eine Weile hinterher – was dazu führte, dass ich Antonio im<br />

Endeffekt fast alles erzählt habe. Also nur, dass da ein paar ungeklärte Sachen zwischen<br />

uns seien. Ich erklärte ihm, dass ich schwul sei und dich damit echauffiert hätte, und das<br />

nun klären müsste. Ich hab dich x-mal angerufen, aber du bist nicht `ran gegangen. Ich


dachte echt, ich drehe noch durch. Max, ich weiß echt nicht, wie lange ich das noch<br />

ausgehalten hätte.“<br />

„Ich hatte nicht die geringste Ahnung“, gestand ich.<br />

„Warum hast du mir heute vorgeworfen, etwas mit Antonio zu haben? Das ist völlig<br />

absurd, Antonio ist stockhetero, seit dreizehn Jahren verheiratet und hat drei Töchter.<br />

Und selbst, wenn er schwul wäre und mich gewollt hätte – er ist nicht mein Typ und ich<br />

wollte nur einen.“<br />

Damit küsste er mich auf die Nase.<br />

Ich erzählte ihm von der Kollegin, und was sie mir gezeigt und erzählt hatte. Tom<br />

lachte bitter.<br />

„Das war ein echt schlimmes Weib“, schnaufte er. „Sie war meine Vertretung, aber in<br />

Wahrheit wollten die sie nur von dort weg haben. Sie hat nur Unfrieden gestiftet und<br />

Unsinn erzählt. Eine brandgefährliche Mischung zwischen Indiskretion und schlechter<br />

Auffassungsgabe. Ich kann dich beruhigen, sie hat nicht nur dir Schwachsinn erzählt,<br />

sondern sogar fast eine Ehe zerstört und einen Anzeigenkunden für immer vergrault.<br />

Antonios erste Amtshandlung war, sie in eine andere Zweigstelle zu versetzen.“<br />

„Aber warum ist Antonio unser neuer Chef? Auf dem Folder war er doch ein Künstler.“<br />

„Ja und? Er ist offensichtlich vielseitig interessiert. Ich selbst habe auch schon mal<br />

gemalt“, erklärte Tom.<br />

„Wirklich?“, fragte ich und schaute ihn überrascht an.<br />

„Ja“, grinste Tom, nahm meinen linken Arm, streckte ihn von mir weg und fixierte ihn<br />

auf der Matratze.<br />

„Von hier … nach hier“, zählte er auf, und fuhr mit den Fingerspitzen jene Spur nach,<br />

die noch vor zwei Wochen ein Pinsel getan hatte.


Sieben Monate später …<br />

Gerade war ich dabei, ein Kapitel meines aktuellen Romans zu überarbeiten und<br />

formulierte an einem Satz herum. 'Sanft streifte er das Gesäß und streichelte …' Nein,<br />

anders. 'Er legte die Hände auf den Hintern und glitt …' Nein, anders. 'Die warmen Hände<br />

berührten die Rundungen des Pos und fuhren …' Wieder anders: 'Die rauen Hände<br />

packten den Arsch, kneteten ihn mit grober Leidenschaft …', da läutete das Handy.<br />

„Fellinger?“, grunzte der Lektor in mein Ohr – er wirkte dabei sehr nah, als würde er<br />

sich im nächsten Moment wie eine Raupe aus dem Telefon quetschen.<br />

„Ja“, sagte ich knapp, lehnte mich zurück und betrachtete die Decke. Wen sonst<br />

erwartete der Kerl unter dieser Nummer?<br />

„Haben Sie die Verkaufszahlen schon gesehen?“, wollte der Lektor wissen und noch ehe<br />

ich etwas antworten konnte, schnaufte er: „Ich hab Sie ihnen vor drei Minuten per E-Mail<br />

weitergeleitet …“ Während der Mann wild dahinplapperte, minimierte ich das<br />

Textverarbeitungsprogramm und öffnete das virtuelle Postfach, dann die E-Mail. Hatte<br />

ich bis jetzt schon kaum zugehört, was der Lektor plapperte, entfernte sich seine Stimme<br />

nun immer weiter ins All bis in meinem Kopf absoluter Stillstand herrschte. Mir war, als<br />

stünde ich klein und verlassen in einer riesigen Halle, die so groß war, dass ich ihre<br />

Wände nicht mehr sehen konnte, und glotzte auf die Zahlen.<br />

„Da hat sich jemand mit dem Komma vertan“, sagte ich gedankenverloren und die<br />

Worte wurden als hohles Echo zurückgeworfen. Ich brachte das wilde Quäken aus dem<br />

Handy zum Verstummen, indem ich einfach auflegte und scrollte auf und ab, schloss das<br />

Programm und öffnete es erneut, als würde sich damit etwas ändern. Das Handy läutete,<br />

ich tastete danach und hob es langsam an mein Ohr.<br />

„Wir wurden unterbrochen … Sie müssen unbedingt …“, plapperte der Lektor und ich<br />

schaltete wieder ab, ohne mein Telefon anzusehen – den Blick auf den Bildschirm<br />

geheftet – schaltete ich es ganz aus.<br />

„Mit wem sprichst du?“, fragte Tom. Nur mit Shirt und Shorts bekleidet und einer<br />

Kaffeetasse in der Hand, tappte er bloßfüßig ins Wohnzimmer. Er stellte das heiße<br />

Getränk ab und neigte sich herunter, um mir liebevoll in den Nacken zu beißen. Der heiße<br />

Atem jagte Schauer über meinen Rücken. Da mir die Worte fehlten und ich wie erstarrt<br />

dasaß und auf den Monitor glotzte, ihm also eine Antwort schuldig blieb, folgte er<br />

meinem Blick. Er stockte, dann legte er eine Hand warm auf meine, die wiederum auf der<br />

Maus lag, um hin und her zu scrollen. „Das ist … das ist gut, oder?“, fragte er.<br />

„Jahhhhh“, hauchte ich mehr als ich es sagte – klang dabei wie ein Geist, den man<br />

zwischen Tür und Angel eingeklemmt hatte.<br />

„Du weißt, was das heißt!“, gab mein Freund triumphierend von sich und fuhr mit einer<br />

Hand von meinem Knie zügig hoch bis unter das Hosenbein meiner Shorts. Die<br />

Fingerkuppen stießen gespielt unabsichtlich gegen meinen Hodensack und verweilten da.<br />

Die Berührung zeigte sofort Wirkung, versandte eine Einladung an meine Lust und die<br />

Erregung campte sofort mit einem Zelt in meinem Schritt.<br />

„Mhm“, quietschte ich, was eine Zustimmung hätte sein sollen, als solche aber<br />

offenbar nicht erkennbar war.


„Wir haben ein Arrangement!“, bestand Tom darauf und seine Hand kletterte weiter<br />

unter meine Shorts, wog meine Eier, knetete sie fordernd. Sollte sein Plan gewesen sein,<br />

mir damit gedanklich auf die Sprünge zu helfen, so war er schlecht durchdacht – denn<br />

mein Gehirn schickte alle Kapazitäten in die südlichen Regionen. Mit einer Hand krallte<br />

ich mich am Tisch fest, mit der anderen fuhr ich durch Toms Haar.<br />

„Ja“, stöhnte ich und spreizte die Beine, kippte das Becken.<br />

„Und kein Laptop, kein Herumsitzen im Hotelzimmer!“, sagte Tom streng und zupfte<br />

an der Shorts herum. Kurz hob ich den Hintern an, damit er sie runterschieben konnte<br />

und meine Erektion wippte fröhlich vor meinen Bauch hoch.<br />

„Hotelzimmer …“, stöhnte ich und meine Knie zuckten, als Tom die Handflächen<br />

darauf legte und langsam wieder hochfuhr, bis zu den Leisten.<br />

„Nein!“, entgegnete er streng und hielt inne, grinste mich an und wackelte mit den<br />

Augenbrauen.<br />

„Kein Laptop, kein Hotelzimmer!“, brabbelte ich schnell, in der Hoffnung, er mache<br />

weiter. „Vier Wochen … nur du und ich!“<br />

„Guuut!“, schnurrte Tom, „… und …?“ Mit den Fingernägeln kratzte er leicht über<br />

meine Leisten, das Schambein, die Innenseiten der Schenkel.<br />

„Danach …“, winselte ich und warf den Kopf in den Nacken, „… danach suchen wir<br />

eine gemeinsame Wohnung.“<br />

„Geht doch!“, rief Tom erfreut aus, senkte den Kopf zwischen meine Beine und leckte<br />

über die Eichel – was ich mit einem heiseren Schrei kommentierte.<br />

ENDE


Texte: Kooky Rooster<br />

Bildmaterialien: Kooky Rooster<br />

Lektorat/Korrektorat: rotezorahamburg/Sissi Kaipurgay - Danke!<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2016<br />

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