Perspektive Nr. 58 Winter 2016
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Campus<br />
Seite 4<br />
FernUni <strong>Perspektive</strong><br />
Wissenschaftsabend<br />
Von Tabus, Verboten und Geheimnissen<br />
Wissenschaft im Hagener Kunstquartier<br />
erleben: Die FernUniversität<br />
in Hagen war jetzt mit ihren<br />
vier Fakultäten im Herzen der<br />
City zu Gast – als Auftakt für weitere<br />
Veranstaltungen in der Stadt.<br />
Beim Wissenschaftsabend „Tabus,<br />
Verbote und Geheimnisse“ erhielten<br />
rund 90 Gäste im Emil-Schumacher-Museum<br />
in Hagen interessante<br />
Einblicke in die FernUni-<br />
Forschung.<br />
Passend zum Thema des Abends<br />
räumte Rektorin Prof. Dr. Ada Pellert<br />
in ihrer Begrüßung mit einigen<br />
Mythen rund um die FernUniversität<br />
auf: Die Hagener Hochschule ist<br />
mit ihren 76.000 Studierenden als<br />
größte Universität in Deutschland<br />
vor Ort erlebbar und greifbar. Sie<br />
hat einen großen Campus in Hagen<br />
und ein Logistikzentrum im Lennetal.<br />
Und sie ist mit 1.850 Arbeitsplätzen<br />
eine der größten Arbeitgeberinnen<br />
der Stadt. „Wir möchten<br />
Ihnen Einblicke in unsere Forschung<br />
geben“, stellte Prof. Ada Pellert heraus.<br />
„Denn Universität lebt von der<br />
Kombination aus Forschung und<br />
Lehre.“ Wissenschaft kenne keine<br />
Denkverbote, leitete sie zum Thema<br />
des Abends über.<br />
Das neue Rektorat um Prof. Ada Pellert (M.) war fast vollständig vertreten, als die<br />
Referentinnen und Referenten FernUni-Forschung transparent machen.<br />
Als Expertin für Tabus führte Prof.<br />
Dr. Alexandra Przyrembel durch die<br />
Veranstaltung des Hagener Forschungsdialogs.<br />
Von ihr erfuhren<br />
die Teilnehmenden: Das Tabu hat<br />
eine Geschichte, die im Gefolge der<br />
Südsee-Euphorie des ausgehenden<br />
18. Jahrhunderts und der ersten<br />
Erwähnung durch den Entdecker<br />
James Cook beginnt. Mehr als 100<br />
Jahre später wendet sich der Psychoanalytiker<br />
Sigmund Freud dem<br />
„marvellous“, dem „wunderbaren“<br />
Tabu zu, wie er es in einem<br />
Brief an einen Freund bezeichnet.<br />
„Bis heute wirkt das Tabu fort und<br />
offenbart sich in Verboten und Geheimnissen“,<br />
sagte Prof. Przyrembel.<br />
Beispiele dafür lieferten die Referentinnen<br />
und Referenten der<br />
Fakultät Kultur- und Sozialwissenschaften,<br />
Mathematik und Informatik,<br />
Wirtschaftswissenschaft<br />
und der Rechtswissenschaftlichen<br />
Fakultät. Sie nahmen in ihren Kurzvorträgen<br />
je ein Tabu, Verbot oder<br />
Geheimnis aus der Themenpalette<br />
ihres Forschungsgebiets in den Fokus.<br />
Soziologin Jun.-Prof. Dr. Dorett<br />
Funcke schilderte am Beispiel<br />
der Medizintechnologie, wie Nichtwissen<br />
und Ungewissheit die soziale<br />
Ordnung beeinflussen. Aus<br />
volkswirtschaftlicher Sicht sprach<br />
Prof. Dr. Alfred Endres über wirkungsvolle<br />
Klimapolitik und warum<br />
deren Umsetzung so schwierig<br />
ist. Was die neue EU-Richtlinie zum<br />
Schutz unternehmerischen Knowhows<br />
bringt, beleuchtete Rechtswissenschaftlerin<br />
Prof. Dr. Barbara<br />
Völzmann-Stickelbrock. Und Informatiker<br />
Prof. Dr. Wolfgang Halang<br />
zeigte Lösungen für heutige IT-Sicherheitsprobleme<br />
auf.<br />
i<br />
So unterschiedlich die Einblicke in<br />
die Tabus, Verbote und Geheimnisse<br />
unserer Zeit auch waren, gemeinsam<br />
ist ihnen: Es gibt ein interdisziplinäres<br />
Verständnis von Wissen<br />
und Nicht-Wissen. Zudem hat<br />
Wissenschaft immer auch eine politische<br />
Dimension.<br />
Abschließend gab es Gelegenheit<br />
im Foyer des Schumacher-Museums,<br />
mit den Referentinnen und<br />
Referenten ins Gespräch zu kommen<br />
und mehr über die FernUniversität<br />
zu erfahren. Das können<br />
Interessierte darüber hinaus auch<br />
bei zukünftigen Veranstaltungen<br />
des Hagener Forschungsdialogs –<br />
in der Stadt und auf dem Campus<br />
der FernUniversität. can<br />
Hagener Forschungsdialog: Forschung sichtbar machen, Ergebnistransfer<br />
unterstützen: Das sind die Ziele des Hagener Forschungsdialogs. Unter<br />
diesem Dach bündelt die FernUniversität in Hagen Vortragsreihen, Antrittsvorlesungen<br />
und Fachtagungen. Die Veranstaltungen richten sich an<br />
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie an wissenschaftlich interessierte<br />
Bürgerinnen und Bürger. Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere<br />
Infos im Überblick: www.fernuni-hagen.de/hagenerforschungsdialog<br />
Philosophische Fachtagung<br />
Verhältnis von Phänomenologie und Praxistheorie<br />
Seit ihren Anfängen in den ersten<br />
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />
hat die Phänomenologie die<br />
Auseinandersetzung und den Dialog<br />
mit anderen Disziplinen und<br />
Forschungsansätzen gesucht. Ihr<br />
Einfluss auf die Sozialwissenschaften<br />
nimmt dabei einen besonderen<br />
Stellenwert ein: Die Phänomenologie<br />
verfügt über einen Zugang zu<br />
ihren Gegenständen, bei dem der<br />
„Erfahrungsbegriff“ eine zentrale<br />
Rolle spielt. Aber auch dort, wo der<br />
Dialog mit den Sozialwissenschaften<br />
nicht im Vordergrund steht, ist<br />
die Phänomenologie an der Praxis<br />
interessiert.<br />
Der offenkundigen Nähe von Phänomenologie<br />
und Praxistheorie und<br />
der Potenziale einer Verhältnisbestimmung<br />
war die Tagung „Phänomenologie<br />
und Praxistheorie – Eine<br />
Verhältnisbestimmung“ gewidmet,<br />
die von Selin Gerlek (M.A.), Dennis<br />
Clausen (M.A.) und Prof. Dr.<br />
Thomas Bedorf (Lehrgebiet Philosophie<br />
III, Praktische Philosophie:<br />
Technik, Geschichte, Gesellschaft)<br />
organisiert wurde. Der Dekan der<br />
Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften,<br />
Prof. Dr. Frank Hillebrandt,<br />
dankte ihnen für das hoch interessante<br />
Programm und die Einladung<br />
renommierter Kolleginnen<br />
und Kollegen als Vortragende: „Ihr<br />
habt damit eine sehr ansprechende<br />
Tagung organisiert, deren Programm<br />
für die nächsten drei Tage<br />
anspruchsvolle Diskussionen erwarten<br />
lässt.“ Dies sei deshalb so lobenswert,<br />
weil Fakultäten sehr von<br />
kontroversen und ideenreichen Diskussionen<br />
profitieren können.<br />
Gespannt folgte<br />
das Publikum den<br />
Ausführungen<br />
der Vortragenden.<br />
Im Hinblick auf die Wahl des Themas<br />
wies Hillebrandt auf die große<br />
Ehre für alle an Praxistheorie Interessierten<br />
hin, mit der „altehrwürdigen<br />
Phänomenologie in ein Verhältnis<br />
gesetzt“ zu werden. Denn während<br />
die Praxistheorie sich erst als zentrales<br />
Paradigma der Kultur- und Sozialwissenschaften<br />
zu etablieren beginne,<br />
sei die Phänomenologie eine<br />
weit verzweigte, mit vielen Facetten<br />
und Ausrichtungen versehene<br />
Denkrichtung. Spätestens seit den<br />
1950er Jahren habe sie sich in verschiedensten<br />
Disziplinen als wichtiger<br />
und fruchtbarer Ausgangspunkt<br />
für kultur- und sozialwissenschaftliche<br />
Forschung etabliert. „Möglicherweise<br />
ist die Verhältnisbestimmung<br />
der Praxistheorien mit solcherart<br />
etablierten Paradigmen der Sozialwissenschaften<br />
ein weiteres Indiz<br />
Den Eröffnungsvortrag hielt Volker<br />
Schumann.<br />
dafür, dass die Praxistheorie zu einer<br />
ernst zu nehmenden Denk- und<br />
Forschungsrichtung geworden ist.“<br />
Ähnlich wie die Phänomenologie<br />
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
zeige sie vielversprechende<br />
neue Ansatzpunkte des Denkens<br />
und Forschens auf.<br />
Während die Phänomenologie zum<br />
Beispiel als eine ihrer Grundeinsichten<br />
konstatiere, dass Erkenntnis nur<br />
über die Wahrnehmung der Phänomene<br />
möglich sei, lege sich die<br />
Praxistheorie in einer ihrer zentralen<br />
Denkbewegungen darauf fest,<br />
dass alles zu Erkennende nur materiell<br />
verstanden werden könne.<br />
Diese erneuerte Hinwendung zur<br />
Materialität der Praxis erscheine als<br />
neuer Weg, mehr über das herauszufinden,<br />
was uns regelmäßig als<br />
Praxis begegnet.<br />
Gegenwärtige Theorien der Praxis<br />
wollten diese Denkbewegung sehr<br />
konsequent verstanden wissen, alle<br />
Bezugnahmen auf so etwas wie<br />
den Geist oder die Beseelung der<br />
Dinge würden konsequent vermieden.<br />
Hillebrandt weiter: „An diesen<br />
Stellen entzünden sich mit sehr<br />
großer Wahrscheinlichkeit Kontroversen<br />
mit der Phänomenologie.“<br />
Diese sehe das Besondere in den<br />
Phänomenen der Erkenntnis, sie<br />
wende sich nicht so radikal der körperlichen<br />
und dinglichen Konstitution<br />
der Welt zu wie die Praxistheorien.<br />
Gleichzeitig sei es offensichtlich,<br />
dass sich Phänomenologie und Praxistheorie<br />
gegenseitig befruchten.<br />
Intensive Forschung<br />
Die Tagung stand im Zusammenhang<br />
mit einem von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft geförderten<br />
Projekt zur Weiterentwicklung<br />
der Körpertheorie der Praxis,<br />
das Thomas Bedorf und Selin<br />
Gerlek für das Institut für Philosophie<br />
der FernUniversität eingeworben<br />
haben. Dekan Prof. Hillebrandt:<br />
„Dies zeigt zum einen, dass Philosophie<br />
hier in Hagen sehr forschungsintensiv<br />
ist. Zum anderen ist es ein<br />
Beleg dafür, dass in der Fakultät<br />
für Kultur- und Sozialwissenschaften<br />
ein innovatives Forschungsklima<br />
herrscht.“<br />
Da