Der Wahre Wert des Waldes - BDF
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die wir unserer gemeinsamen Lebenshülle<br />
zufügen.<br />
Doch obwohl in Deutschland die Bewaldung<br />
eher zu- als abnimmt, auch hier<br />
hat jahrzehntelang Zerstörung um sich gegriffen.<br />
Schon lange heißt das Programm<br />
bei uns Stangen wald statt Schön heit. Bis<br />
auf wenige Prozentbruchteile sind unsere<br />
Forsten Holzacker. Auch wenn die brutalen<br />
Fichtenmono kulturen der vergangenen<br />
Jahrzehnte heute vielerorts (aber beileibe<br />
nicht überall, man denke nur an den<br />
Schwarz wald) Vergangenheit sind, bestimmt<br />
der Mensch, wie und was wächst.<br />
Wald wird betrieben und gepflegt wie ein<br />
Garten, abgeschlagen, neu aufgepflanzt,<br />
umzäunt und gesäubert; Wege werden<br />
weitläufig durch Ausholzung „gesichert“,<br />
Totholz wird frühzeitig ge kappt und vielfach<br />
entfernt – was dem Wanderer, dem die<br />
ausgeräumte Landschaft immer vertrauter<br />
geworden ist, kaum noch auffällt. Aber wo<br />
sind die Wildkatzen? Wo die Walker? Wo die<br />
Salamander? Wo die Rauhfußkäuze? Wo all<br />
die anderen Arten, die sich tief in unsere<br />
Kultur gebrannt haben und die wir mit ihr<br />
zu verlieren drohen?<br />
Dass wir Wälder so behandeln – ja<br />
auch, dass die, die ihnen in tiefer Liebe<br />
verbunden sind, die Forstwirte und Förs -<br />
ter, glauben, sie so behandeln zu müssen,<br />
hat seinen Grund in unserer Auffassung<br />
von Wirtschaft. Dort ist das Gute das, was<br />
unmittelbar Profit bringt. Profit ist gut<br />
auch dann, wenn der Weg dahin schlecht<br />
aussieht, wie der ausgeräumte Hallenwald,<br />
in dem alle Bäume das gleiche Alter<br />
haben, als wären sie Klone in einem<br />
übergroßen Reagenzglas.<br />
Dieses Missverständnis zwischen dem<br />
Guten und dem Schönen bestimmt unser<br />
ökonomisches Weltbild – und da mit das<br />
kulturelle Selbstverständnis unserer gan -<br />
zen Epoche. Und es ist ihr grundsätzlicher,<br />
ihr lebensgefährlicher Irrtum. Lange Zeit<br />
taten Politiker und Ökonomen, als sei<br />
ernst zu neh mende Realität allein die<br />
„Realwirtschaft“ – und die gan ze Erde, ihr<br />
Klima und ihre Lebewesen, ein davon<br />
abgekoppel tes Nie mands land, aus dem<br />
man Nahrung schleppen, Rohstoffe extrahieren<br />
und das man nach Gutdünken<br />
zur Müllkippe machen kann.<br />
<strong>BDF</strong>-Aktuell 3/2009<br />
Die Vertreter einer ökologischen Ökonomie<br />
rechnen nun zum ersten Mal mit<br />
den wahren Zahlen – und darum mit der<br />
wahren Formel für Nachhaltigkeit. Die<br />
fünf Billionen für den toten Wald sind<br />
dabei nur ein Posten unter vielen. Auf bis<br />
zu 64 Billionen Dollar schätzte schon 1998<br />
eine US-For schergruppe die jährlichen<br />
Bio-Dienstleistungen – erheblich mehr<br />
als das damalige Welt-Inlandsprodukt.<br />
„Wenn Sie einen Eindruck haben<br />
wollen, was wir eigentlich für die Leistungen<br />
der Biosphäre bezahlen müssten,<br />
wollten wir sie künstlich herstellen“, sagt<br />
die Ökologin Gretchen Daily von der kali -<br />
fornischen Stanford-University, „dann<br />
stel len Sie sich vor, wie teuer die Ausrüstung<br />
wäre, die Sie mitnehmen müss -<br />
ten, um den Mond bewohnbar zu<br />
machen“. Unser Raumschiff wäre beladen<br />
mit einer Unzahl von Apparaten – etwa<br />
für:<br />
sauberes Wasser und Atemluft<br />
Photosynthese und Produktion aller<br />
Nahrung<br />
Mutterbodenherstellung und Verhinderung<br />
von Erosion<br />
Bestäubung der Blüten von Obst und<br />
Ackerfrüchten<br />
Produktion von Brenn- und Treibstoffen<br />
Schutz vor Überschwemmungen und<br />
Erdrutschen<br />
Klimastabilisierung<br />
Speicherung von CO2 und Recycling von<br />
Düngerchemikalien<br />
Aufnahme und Entgiftung von Schadstoffen<br />
Medikamente<br />
biologische Eindämmung von Seuchen<br />
Schädlingsbekämpfung.<br />
Wäre die ganze Erde ein Forstbetrieb,<br />
so würden ihre Bilan zen freilich jeden<br />
verantwortlichen Amtsrat zum Rücktritt<br />
bringen – wenn nicht gleich hinter Gitter.<br />
Denn fast zwei Drittel aller natürlichen<br />
Nahrungsketten und Stoffkreisläufe sind<br />
bereits beschädigt oder geschmälert. Wir<br />
Aktionäre der Erde AG leben nicht von der<br />
Rendite <strong>des</strong> angesammelten Kapitals und<br />
der Dividende, kostenlos gelieferten Produkten,<br />
sondern davon, dass wir gleichsam<br />
Werkhallen, Maschinen und Büro-<br />
<strong>BDF</strong><br />
Andreas Weber Foto: Dan Wesker, © Dan Wesker<br />
gebäude ausschlachten und immer<br />
schneller verhökern.<br />
Die Erkenntnis, zu der sich erste füh -<br />
ren de Ökonomen gerade durchringen,<br />
führt darum geradewegs zurück zur Neuentdeckung<br />
<strong>des</strong> Wortes Nachhaltigkeit.<br />
Das, was wirtschaftlich ist, ist mehr als<br />
das, was unmittelbar Gewinn für einige<br />
wenige Profiteure abwirft. Erst diese Er -<br />
kenntnis löst den Kno ten, in dem sich die<br />
Verhandlungen zwischen Waldnutzung<br />
und Waldbewunderung bei uns verhakt<br />
haben (so sehr wie übrigens auch alle<br />
anderen Diskussionen über den schein -<br />
baren Widerspruch „Naturschutz gegen<br />
Wirtschaft“).<br />
Nicht zuletzt wurde der Begriff Nachhaltigkeit<br />
von einem Forstwirt geprägt.<br />
Nachhaltigkeit ist jene Nutzung der Natur,<br />
die den gegenwärtigen Ertrag in jeder Zukunft<br />
garantiert. Das heißt, was vordergründig<br />
Gewinn bringt und Wachstum,<br />
ist unter Einbeziehung aller Kosten fast<br />
nie das wirtschaftliche Optimum. Die Bil -<br />
der aus dem All, die schwärenden Brand -<br />
wunden auf der lebenden Haut, die für<br />
uns alle atmet, trügen also gar nicht in<br />
ihrer Dramatik; das durch sie ausgelöste<br />
Unbehagen muss also gar nicht verdrängt<br />
werden, weil solche Schwermut die Wirtschaft<br />
bremsen könnte. Im Gegenteil,<br />
eine neue, ganzheitliche Ökonomie entdeckt:<br />
Es sind reale, unfassliche Summen,<br />
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