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DORTMUND

Dortmund_Special

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»Kreativität ist das einzige,<br />

das uns rettet«<br />

INTERVIEW KATRIN PINETZKI<br />

Der Niederländer Edwin Jacobs ist seit Januar neuer Chef im<br />

Dortmunder U und zugleich Leiter des Museums Ostwall. In<br />

den vergangenen acht Jahren führte der 56-Jährige als Generaldirektor<br />

das Centraal Museum in Utrecht. »Guten Tag, ich<br />

bin Edwin«, begrüßt er seine Besucher – und hat damit einen<br />

Teil der Fragen bereits charmant beantwortet: Wie will er<br />

die Leitung des U angehen? Eines Hauses, das unter seinem<br />

weithin leuchtenden Dach so viele Gegensätze vereint: Es ist<br />

Museum, Kino und Nachtclub, und es birgt modernste Bildungskonzepte<br />

in historischen Mauern.<br />

k.west: Was ist das Dortmunder U für Sie, wie haben Sie Freunden<br />

in Holland erklärt, wo genau Sie da hingehen?<br />

Jacobs: Das U ist in Holland bekannt, viel musste<br />

ich nicht erklären. 2010 war ich zum ersten Mal im U. Die<br />

Grundidee, verschiedene Partner unter einem Dach zu versammeln,<br />

einen neuen Typus von Kulturort zu entwickeln,<br />

fanden wir schon damals sehr stark und waren überrascht,<br />

so etwas in Dortmund zu finden. Es zeigte sich mal wieder:<br />

Nicht die Hauptstädte sind die wahren Orte für Innovationen<br />

und Experimente. Ich glaube an eine Renaissance der<br />

Region. Das U ist für mich ein Kraftwerk der Kreativität,<br />

ein Ort, der verschiedene Zielgruppen zusammen- und in<br />

Kontakt bringt.<br />

k.west: Sie wurden als »Museumsreformer« angekündigt. Was<br />

gilt es zu reformieren?<br />

Jacobs: Das Etikett geht zurück auf ein Manifest, das<br />

ich 2006 mit zwei Kollegen geschrieben hatte. Wir haben gefordert,<br />

dass Museen sich und ihr Publikum entwickeln sollen,<br />

dass sie ihre Zielgruppen und deren Wünsche stärker in den<br />

Blick nehmen und in Dialog kommen mit den Besucherinnen<br />

und Besuchern. Das Manifest wurde in drei Sprachen übersetzt<br />

und war ein großer Erfolg. Es ging eine Reformwelle durch<br />

ganz Holland, und ich war im Zentrum. Auch an meinem Haus<br />

in Utrecht haben wir Dinge in Bewegung gebracht.<br />

k.west: Was haben Sie erreicht?<br />

Jacobs: Dass das Museum anders, neu genutzt wurde.<br />

Die Besucher nehmen nun wahr, dass es dort immer Neues zu<br />

sehen und zu tun gibt, das Museum hat ein neues Selbstverständnis<br />

als Werkstatt. Durch den Prozess haben wir Partner<br />

und Stakeholder auf allen Ebenen beteiligt. Ein überwältigender<br />

Erfolg war z.B. das neue Kindermuseum, das derzeit<br />

sogar ein Familienhotel und ein Restaurant bekommt. Das<br />

verschafft Raum und Mittel für künstlerische Experimente.<br />

Vor allem aber hatten wir eine Erzählung gefunden, die im<br />

Herzen Utrechts andockt: »Utrecht in der Welt«. Sie basiert<br />

auf der Geschichte des Utrechter Malers Jan van Scorel, der im<br />

16. Jahrhundert nach Rom gegangen war und anschließend<br />

Edwin Jacobs. Foto: Roland Gorecki<br />

die Renaissance in die Heimat gebracht hatte. Diese Story haben<br />

wir definiert und aus der Sammlung heraus illustriert.<br />

Da stand also nicht mehr die Kunst im Vordergrund, sondern<br />

eine Erzählung. Diese Erzählung nimmt man mit nach Hause.<br />

k.west: Wollen Sie das auch in Dortmund erreichen?<br />

Jacobs: Ja, auch das U bekommt seine Erzählung und in<br />

den ersten Jahren werden wir stark aufs Marketing setzen. Aber<br />

es wurde hier auch schon viel erreicht. Die EU hat zwei Millionen<br />

Euro für »Smart Places« bewilligt, ein Projekt, das das U mit internationalen<br />

Partnern federführend akquiriert hat. Wir werden<br />

also mit daran arbeiten, wie Menschen mit Hilfe digitaler Medien<br />

neu und besser mit Museen und Kulturorten in Kontakt kommen<br />

und in Verbindung bleiben. Jeder kann mit dem Smartphone umgehen,<br />

ob er türkisch oder marokkanisch redet. »Smart Places«<br />

passt perfekt zu dem Leitgedanken, den ich für das U sehe: Partizipation.<br />

Ich möchte der ganzen Stadt Kreativität anbieten, auch<br />

Kreativität, um an der Lösung gesellschaftlicher Probleme wie der<br />

Arbeitslosigkeit mit nachzudenken. Kreativität ist das einzige, das<br />

uns rettet. Nicht Geld, nicht die Ökonomie.<br />

k.west: Als Leiter des U und des Museum Ostwall haben Sie eine<br />

herausfordernde Doppelrolle …<br />

Jacobs: Ich erlebe das nicht als Doppelrolle – das Museum<br />

ist nicht nur ein eigenständiges Institut, es ist vor allem<br />

ein Institut zwischen anderen Instituten, die sich nun alle neu<br />

betrachten und weiterentwickeln. Ich habe dabei nur eine Rolle.<br />

Es gibt im Deutschen das schöne Wort »Gesamtkunstwerk«.<br />

Hier lebt man, arbeitet man in einem Gesamtkunstwerk.<br />

k.west: Das Museum Ostwall im Dortmunder U hat einen<br />

Schwerpunkt bei Fluxus und dem deutschen Expressionismus.<br />

Jacobs: Ich sehe in der Sammlung zwei Kräfte: starke<br />

Künstler-Individuen wie Beckmann, Beuys, Lehmbruck; im<br />

Depot habe ich Jörg Immendorf gefunden, Elvira Bach, Peter<br />

Bömmels, Walter Dahn. Und wir haben interessante Gruppen,<br />

die Fluxus-Künstler, die ganze Mülheimer Gruppe, die Bohème!<br />

Könnte man in Zukunft starke Individuen zeigen, Einzelgänger,<br />

ich nenne sie »lonely stones« – und die Gruppen? Und Verbindungen<br />

zwischen ihnen aufzeigen? Solche Ideen möchte ich mit<br />

dem Team diskutieren. Auch das Museum, die Sammlung ist<br />

Material, das gestaltet werden will.<br />

10 SPECIAL <strong>DORTMUND</strong><br />

K.WEST 02/17

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