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03/2017

Fritz+Fränzi

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Fr. 7.50 3/März <strong>2017</strong><br />

MIT<br />

GESUNDHEITS-SPEZIAL<br />

Das macht<br />

Kinder stark<br />

68 Seiten<br />

Psychische Gewalt<br />

Wenn Eltern ihre<br />

Kinder demütigen<br />

Jesper Juul<br />

Macht Kriegsspielzeug<br />

Kinder aggressiv?<br />

Warum Konflikte wichtig sind<br />

Lass uns<br />

streiten!


RAUS<br />

ZEIT<br />

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Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Er ist der bekannteste Familientherapeut Europas. Aber von seinem schweren<br />

Schicksalsschlag wissen nur wenige. Jesper Juul leidet an einer Autoimmunkrankheit,<br />

die seine Rückenmarksflüssigkeit entzündet hat. Er lag im Koma,<br />

verbrachte 18 Monate in einer Rehaklinik, verlor nach einem Luftröhrenschnitt<br />

seine Stimme. Heute ist Juul vom Brustkorb abwärts gelähmt und sitzt im Rollstuhl.<br />

Seine Schaffenskraft aber ist ungebrochen. Davon können Sie sich in diesem Heft<br />

gleich zweimal überzeugen: im Interview mit meiner Kollegin Sandra Casalini zum<br />

Dossier-Thema «Lass uns streiten!» (Seite 22). Und in seiner Kolumne «Macht<br />

Kriegs spielzeug Kinder aggressiv?» (Seite 44). Dem Familientherapeuten geht die<br />

Euphorie seiner Fans manchmal zu weit. Für Erzieherinnen, die einen «Juul-<br />

Kindergarten» gründen wollen, und Eltern, die ihre Kinder stets im «Juul’schen<br />

Sinn» erziehen, hat Juul wenig übrig: «Da kann ich nur sagen: arme Kinder!»<br />

«In einer Familie,<br />

die nicht nur<br />

aus Mumien besteht,<br />

gehören Konflikte dazu.»<br />

Reinhard Mey, deutscher Liedermacher<br />

Es ist der Wunsch aller Eltern: ein gesundes Kind, das die<br />

Herausforderungen des Lebens meistert, ein gutes Selbstwertgefühl<br />

entwickelt, achtsam und respektvoll mit seinen<br />

Mit menschen umgeht. «Das macht Kinder stark» lautet der Titel<br />

eines «Gesundheits-Spezials», das dieser Ausgabe erstmals<br />

beiliegt. Claudia Landolt, leitende Autorin beim Schweizer<br />

ElternMagazin, hat über vier Monate an diesem Heft gearbeitet.<br />

Ihre Kernbotschaft: «Wir Eltern sind stets aufs Neue gefordert,<br />

unsere Kinder darin zu unterstützen, ihre Stärken zu entdecken,<br />

ohne sich für ihre Schwächen zu schämen.»<br />

Mit zu meinen schönsten Aufgaben als Chefredaktor gehört der Dialog mit Ihnen,<br />

liebe Leserin, lieber Leser. Vielleicht können Sie erahnen, wie sehr wir uns über<br />

die Resultate der kürzlich durchgeführten Leserbefragung gefreut haben. Wie es<br />

scheint, machen wir vieles richtig: Drei Viertel aller Befragten beurteilen unser<br />

Magazin als «sehr gut». Über 90 Prozent geben an, dass ihnen<br />

unsere Inhalte im täglichen Familien leben helfen. Die für<br />

mich eindrücklichste Zahl: Fast jeder zweite der insgesamt<br />

1009 Teilnehmer der Umfrage gab an, mindestens 10 Beiträge<br />

pro Ausgabe zu lesen. Das sind Werte, von denen andere Titel<br />

nur träumen können. Vielen herzlichen Dank für Ihr Vertrauen!<br />

Bleiben Sie uns gewogen. Und empfehlen Sie uns weiter,<br />

wenn Sie mögen.<br />

Nun wünsche ich Ihnen viel Lesevergnügen. Ausgewählte<br />

Geschichten aus dem Heft und Texte, die wir nur online<br />

publizieren, finden Sie wie gewohnt auf unserer Webseite<br />

unter www.fritzundfraenzi.ch.<br />

Bild: Alain Laboile<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

«Gesundheits-Spezial»<br />

68 Seiten<br />

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt<br />

Ausgabe 3 / März <strong>2017</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

38 Kein Kontakt<br />

Wenn Eltern sich trennen, ist das für<br />

Kinder meist schwer. Manchmal<br />

brechen sie den Kontakt zu einem<br />

der beiden Elternteile sogar ab.<br />

42 Ein lehrreicher Weg<br />

Kinder machen auf dem Weg zur<br />

Schule viele Erfahrungen – nicht alle<br />

sind positiv.<br />

10<br />

Dossier: Konflikte<br />

10 Vom Streiten und Versöhnen<br />

Streit kommt in den besten Familien<br />

vor und ist per se nichts Schlechtes –<br />

vorausgesetzt, man streitet richtig,<br />

sagen Experten.<br />

Bild: Anne Gabriel-Jürgens<br />

22 Keine Angst vor Gefühlen<br />

Eltern müssen ihre Werte heute klar<br />

vorleben und sich den Konflikten mit<br />

ihren Kindern stellen, fordert der<br />

dänische Familientherapeut Jesper Juul.<br />

30 Kann man aus Konflikten lernen?<br />

Und ob, sagt Annette Cina. Zum Beispiel<br />

Kompromisse zu schliessen. Die<br />

Psychotherapeutin im Interview.<br />

Cover<br />

Gestritten wird in jeder<br />

Familie. Doch wie geht<br />

man konstruktiv mit<br />

schlechter Stimmung<br />

um? Konflikte, unser<br />

Dossier-Thema im<br />

März.<br />

Bilder: Ornella Cacace / 13 Photo, Ruben Wyttenbach / 13 Photo, Stefanie Neumann / Plainpicture, Mara Truog / 13 Photo<br />

4


32<br />

46<br />

54<br />

Wie sehr können Worte unsere Kinder<br />

verletzen, Franz Ziegler?<br />

Kinder von alkoholkranken Eltern haben es<br />

schwer, verlässliche Beziehungen einzugehen.<br />

Giulias Mutter hatte Krebs – und wurde vom<br />

Teenager zu Hause gepflegt.<br />

Erziehung & Schule<br />

46 Wenn Eltern trinken<br />

Suchtverhalten kann verheerende<br />

Folgen haben – auch für die Kinder.<br />

50 Ganz schön kreativ<br />

So viel Spass machen Kindern<br />

Schreibexperimente.<br />

54 Bangen um Mama<br />

Young Carers sind Jugendliche, die<br />

ein krankes Familienmitglied pflegen<br />

– wie Giulia. Eine Reportage.<br />

62 Vom guten Lehrer<br />

Das Vertrauen in die Lehrer schwindet,<br />

warum eigentlich?<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

66 Der legale Trip<br />

High werden mit Hustensaft,<br />

Badezusatz, Duftpulver – das ist nicht<br />

ungefährlich.<br />

Digital & Medial<br />

70 Die virtuelle Welt<br />

Eignen sich die beliebten<br />

VR-Brillen auch für Kinder?<br />

74 Chatroom statt Couch?<br />

In der Psychotherapie von<br />

Jugendlichen spielen neue<br />

Medien heute eine wichtige Rolle.<br />

78 Streit ums Smartphone<br />

Mit dem ersten Smartphone des<br />

Kindes beginnen die Diskussionen –<br />

Eltern sollten sie führen!<br />

79 Mixed Media<br />

Rubriken<br />

<strong>03</strong> Editorial<br />

06 Entdecken<br />

32 Monatsinterview<br />

Beschimpfen, ignorieren, drohen –<br />

psychische Gewalt ist die häufigste<br />

Form von Gewalt gegen Kinder, sagt<br />

Psychologe Franz Ziegler.<br />

44 Jesper Juul<br />

Die Aggression ist ein Teil unserer<br />

Emotionen. Aber was tun, wenn der<br />

Sohn immer Krieg spielt?<br />

51 Mikael Krogerus<br />

Verständnis für genervte Eltern.<br />

52 Fabian Grolimund<br />

Was braucht ein Kind, um selbständig<br />

zu werden? Ein vertrauensvolles<br />

Verhältnis zu seinen Eltern.<br />

64 Leserbriefe<br />

76 Stiftung Elternsein<br />

Ellen Ringier über das, was wirklich<br />

zählt im Leben, die Familie.<br />

Service<br />

80 Sponsoren/Impressum<br />

80 Verlosung<br />

81 Buchtipps<br />

82 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Die Tochter einer Leserin hat Angst<br />

vor Dieben. Was soll die Mutter dem<br />

Mädchen sagen, ohne es anzulügen?<br />

83 Abo<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 6. April <strong>2017</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>5


Entdecken<br />

Wir schauen hin!<br />

Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht<br />

ist seit vier Jahren in Kraft.<br />

Obwohl die KESB, die zuständige<br />

Behörde, laut Studien ihre Arbeit gut<br />

macht, gibt es ihr gegenüber zum Teil<br />

Misstrauen. Deshalb haben sechs<br />

Organisationen, die im Kindes- und<br />

Erwachsenenschutz aktiv sind, die<br />

Anlaufstelle KESCHA aufgebaut. Ihr<br />

Ziel: Betroffenen Eltern im Umgang<br />

mit der KESB zur Seite stehen.<br />

www.kescha.ch<br />

3 FRAGEN<br />

an Mariann Wenger, Künstlerin<br />

«Ich bin gerührt, wie gut das Buch ankommt»<br />

Er ist der Landesheilige der Schweiz, sie die vierfache Mutter und<br />

Künstlerin. Verbunden sind sie durch ein Buch, das Mariann Wenger über<br />

das Leben von Niklaus von Flüe, genannt Bruder Klaus, gezeichnet hat.<br />

Erschienen ist es zum 600-jährigen Jubiläum des Landespatrons<br />

im Canisi-Verlag.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Mariann Wenger, wie kam es zu diesem Buch?<br />

Als gestresste Mutter war ich einmal im Kloster Bethanien in<br />

St. Niklausen in Obwalden zur Kur. Dort in der Nähe hatte sich das Leben<br />

des Bruder Klaus abgespielt. Bis ich dieses Buch angegangen bin, hat es<br />

jedoch Jahrzehnte gedauert.<br />

Was war der Auslöser?<br />

Irgendwann kam in mir der Wunsch auf, neben der Malerei auch Comics<br />

zu zeichnen, eine fortlaufende Geschichte. Und am 16. Oktober, dem<br />

Geburtstag einer meiner Söhne, wusste ich auf einmal, welche<br />

Geschichte das sein könnte.<br />

Warum ist dieses Datum so wichtig?<br />

An einem 16. Oktober ist Bruder Klaus in die Einsamkeit gegangen.<br />

Sieben Jahre habe ich an diesem Buch gearbeitet, bin immer wieder<br />

in sein Leben eingetaucht, habe sein Haus besucht, bin zu Recherchezwecken<br />

ins Landesmuseum gefahren. Ich nahm mir dazu die Zeit.<br />

Jetzt bin ich gerührt darüber, wie gut es ankommt. Dass mir Eltern<br />

rückmelden, dass sie es mit ihren Kindern anschauen, finde ich schön.<br />

Alle Infos auf wwww.canisi-edition.com<br />

24 % der Schweizer wollen am Stadtrand, 23 %<br />

in der Agglomeration leben. Also zentral, aber unweit der<br />

Natur – und am liebsten mit Seesicht (45,5 %).<br />

Im Dorf wollen sich nur 15,7 % niederlassen,<br />

und der Blick auf Felder begeistert gerade mal 2,6 %.<br />

(Quelle: Wohntraumstudie 2016/17 von Moneypark und AlaCasa.ch)<br />

Für junge<br />

Künstler<br />

Eine Spitzmaus aus Wolle,<br />

ein grüner Löwe aus Karton.<br />

Wie bitte, ein Löwe aus<br />

Karton, gibt’s so etwas? Und<br />

ob! Der Fantasie sind im<br />

K’Werk, der Bildschule<br />

für Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 16 Jahren, keine Grenzen<br />

gesetzt. K’ steht dabei für Kinder, Kunst, Kreativität und Kultur. Hier<br />

werden tolle Kurse in den Bereichen Malerei, Zeichnen, 3D-Gestaltung<br />

und Foto angeboten. Sie wohnen nicht in Zürich? Das K’Werk ist<br />

der «Konferenz Bildschulen Schweiz» angeschlossen, der auch das<br />

K’Werk Basel, Bern / Biel und Zug sowie die Bildschule Aarau und die<br />

kleine kunstschule St. Gallen angehören. Einfach mal vorbeischauen!<br />

Alle Kurse auf www.kwerk-zuerich.ch<br />

Bilder: ZVG<br />

6 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«Es gibt leider immer wieder Eltern, die<br />

das Schwänzen ihrer Kinder tolerieren<br />

und es ihnen erlauben, sich mit einer<br />

Ausrede wie etwa ‹Kopfschmerzen›<br />

zu entschuldigen.»<br />

Lilo Lätzsch in einem Beitrag auf 20min.ch zum Thema<br />

Schulschwänzen an Schweizer Schulen.<br />

Lilo Lätzsch<br />

ist Präsidentin<br />

des Zürcher<br />

Lehrerverbandes.<br />

Du und ich<br />

Jugendliche drehen sich vor allem um eins: sich<br />

selbst. Das ist normal. Um aber zu erfahren, wie<br />

sich andere fühlen, hat der Verein Fly mit Rückenwind<br />

das Projekt Fly ins Leben gerufen, in dem<br />

Teenager ein Schuljahr lang zwei bis vier Stunden<br />

pro Woche Primarschüler oder Kindergartenkinder<br />

betreuen. Per individuellem Videocoaching auf der<br />

Grundlage der Erziehungsmethode Marte Meo<br />

werden die Jugendlichen begleitet und geschult.<br />

Eine Schule, die bereits zum fünften Mal teilnimmt,<br />

ist das Oberstufenzentrum Madretsch in Biel.<br />

Alle Infos auf www.flymitrueckenwind.ch<br />

Wasser ist Leben<br />

Wie viel Wasser ist notwendig, um die<br />

Nahrungsmittel und die Gegenstände für<br />

unseren täglichen Gebrauch herzustellen?<br />

Wem gehört überhaupt das Wasser, und<br />

was ist ein «hydrologischer Fussabdruck»?<br />

Diese und noch mehr Fragen möchte die<br />

Umweltarena Spreitenbach ihren<br />

Besuchern beantworten – anschaulich<br />

und intelligent aufbereitet durch die<br />

Ausstellung «Unser Wasser» der Stiftung<br />

Cap Santé.<br />

Alle Infos auf www.umweltarena.ch<br />

Mary Poppins Sie trägt ihr Haar immer zum Dutt, fliegt mit einem Regenschirm<br />

durch die Gegend und ist wohl das berühmteste Kindermädchen der Welt: Mary Poppins.<br />

Im März feiert das preisgekrönte gleichnamige Musical Premiere in der Schweiz und<br />

verwandelt das Theater 11 in Zürich in die magische Welt der liebenswerten Nanny, die bei<br />

der Familie Banks anheuert. Die Eltern haben ihre Kinder Jane und Michael nicht mehr<br />

unter Kontrolle und sind auf der Suche nach einem neuen Kindermädchen. Je strenger,<br />

desto besser. Da taucht wie aus dem Nichts eine geheimnisvolle junge Frau namens<br />

Mary Poppins auf. Ein zauberhaftes Musical für die ganze Familie, noch zu sehen bis<br />

zum 19. März im Theater 11.<br />

www.musical.ch/de/theater11zuerich<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>7


SPEZIELL FÜR DIE SCHWEIZ: DIE<br />

Entdecken<br />

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Die Suzuki Sondermodelle Baleno, Vitara und Celerio Tradizio®<br />

sind eine Liebeserklärung an die Schweiz. Nebst dem<br />

Tradizio® Zusatzpaket sind alle drei Fahrzeuge umfassend<br />

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5-Gang manuell, 5-türig, Fr. 27990.– (Top: 32 990.–), Treibstoff-Normverbrauch: 4.2 l / 100 km, Energieeffizienz-Kategorie: B,<br />

CO₂-Emission 111 g / k m, CO₂-Emission Bereitstellung: 18 g / k m; Durchschnittswert CO₂-Emission aller in der Schweiz immatrikulierten<br />

Das Schweizer Fahrzeugmodelle: ElternMagazin 134 Fritz+Fränzi g / km. März <strong>2017</strong>9<br />

www.suzuki.ch


Dossier


Dossier<br />

Wie streitet<br />

man richtig?<br />

Konflikte kommen in jeder Familie vor und sind an sich<br />

nichts Schlechtes. Entscheidend ist die Art und Weise,<br />

wie ein Streit ausgetragen wird. Wie Konflikte entstehen,<br />

wie wir sie beenden und warum sie uns weiterbringen,<br />

versucht dieses Dossier zu ergründen.<br />

Text: Sandra Casalini Bilder: Anne Gabriel-Jürgens, Ornella Cacace, Christian Nilson<br />

Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />

Streitregel<br />

Nummer 1:<br />

Nie gegen<br />

jemanden,<br />

sondern immer<br />

für etwas<br />

kämpfen.<br />

11


Dossier<br />

man erst dann von einem Konflikt,<br />

wenn jemand diese Differenzen so<br />

erlebt, dass er sich im Verwirklichen<br />

dessen, was er denkt, fühlt oder will,<br />

von jemand anderem beeinträchtigt<br />

fühlt. Es wird also auch dann von<br />

einem Konflikt gesprochen, wenn<br />

dies nur die eine Partei so erlebt,<br />

während sich die andere noch in<br />

einer total «problemfreien Zone»<br />

wähnt.<br />

Ein Konflikt (lateinisch<br />

confligere, «zusammentreffen,<br />

kämpfen») ist<br />

eine «schwierige Situation<br />

infolge des Aufeinanderprallens<br />

unterschiedlicher<br />

Interessen, Forderungen und Meinungen.»<br />

So umschreibt der Duden<br />

das Wort «Konflikt».<br />

Fachleute stehen dieser Definition<br />

allerdings skeptisch gegenüber.<br />

«Verschiedene oder gegensätzliche<br />

Vorstellungen, Ideen, Gefühle, Werte<br />

oder Ziele sind an sich noch keine<br />

Konflikte», schreibt der österreichische<br />

Konfliktforscher Friedrich<br />

Glasl im Buch «Wie Familienmediation<br />

gelingen kann». «Es kommt<br />

darauf an, wie wir mit den Unterschieden<br />

umgehen, ob daraus ein<br />

sozialer Konflikt entsteht oder<br />

nicht.» In der Forschung spricht<br />

Palette an Gefühlen<br />

Wie aber entsteht aus einer alltäglichen<br />

Meinungsverschiedenheit ein<br />

Konflikt? «Indem man gewahr wird,<br />

dass die Bedürfnisse und Ziele einer<br />

anderen Person den eigenen Zielen<br />

oder Bedürfnissen im Weg steht»,<br />

sagt Familienforscher Dominik<br />

Schöbi, Direktor des Institutes für<br />

Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg.<br />

Sprich: Wenn die Mutter die<br />

Unordnung im Zimmer der Tochter<br />

als «Puff» empfindet, während sie<br />

sich dort vollkommen wohl fühlt,<br />

haben sie per definitionem noch keinen<br />

Konflikt. Dieser entsteht erst<br />

dann, wenn die Mutter der Tochter<br />

befiehlt, sofort aufzuräumen, sie<br />

aber weiter am Handy chatten<br />

möchte. Die Tochter wird also<br />

gewahr, dass das Bedürfnis ihrer<br />

Mutter nach sofortiger Ordnung<br />

ihrem eigenen Bedürfnis (Chatten)<br />

im Weg steht.<br />

Ist die Konfliktsituation erst einmal<br />

da, geht es meist nicht mehr nur<br />

um deren Auslöser – das «Puff» im<br />

Zimmer – sondern je länger, je mehr<br />

um eine ganze Palette an Gefühlen,<br />

von Unsicherheit über Ärger bis hin<br />

zu unkontrollierbarer Wut: «Unsere<br />

psychischen Fähigkeiten werden<br />

wesentlich eingeschränkt, wenn wir<br />

unter Druck, Spannung und Stress<br />

stehen, wie das bei einem Konflikt<br />

der Fall ist», sagt Friedrich Glasl.<br />

«Unsere Wahrnehmungs fähigkeit,<br />

unser Denkvermögen, unser Um ­<br />

gang mit Emotionen und auch das<br />

Bewusstsein für das, was uns treibt,<br />

werden einseitig. Das führt<br />

Ein Konflikt entsteht, wenn<br />

eine andere Person den<br />

eigenen Zielen und<br />

Bedürfnissen im Weg steht. >>><br />

Streitregel<br />

Nummer 2: Nach<br />

einer Auszeit<br />

gehts meistens<br />

ruhiger weiter.<br />

12


Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>13


Dossier<br />

Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />

«Keinen Bock auf<br />

Diskussionen»<br />

Antoinette Masi lebt mit Jeron, 16,<br />

und Elisha, 14, in Suhr AG. Die<br />

alleinerziehende Mutter hat noch<br />

zwei erwachsene Töchter, Nea, 25,<br />

und Dara, 23, die nicht mehr zu<br />

Hause wohnen.<br />

Antoinette: Wir drei leben gewissermassen<br />

in einer WG-Situation zusammen. Streit gibts<br />

fast ausschliesslich beim Thema Ordnung.<br />

Jeron: Wenn Elisha und ich allein zu Hause<br />

sind und niemand etwas sagt, lassen wir die<br />

schmutzigen Teller halt in der Küche stehen.<br />

Dann gibts Ärger, Mami kann auch etwas<br />

lauter werden. Ich geh dann in mein Zimmer.<br />

Irgendwann räumt schon jemand auf.<br />

Antoinette: Aber ich muss etwas sagen,<br />

sonst dauerts bei dir wochenlang, bis du<br />

dich mal rührst.<br />

Jeron: Das stimmt gar nicht! Ausserdem<br />

ist Elisha nicht besser. Sie schweigt einfach,<br />

wenn du was sagst, und macht gar nichts.<br />

Elisha: Doch. Ich räume dann auf, wenn<br />

mich der Dreck stört. Es ist ja mein Zimmer,<br />

und ich muss darin wohnen, nicht du, Mami.<br />

Antoinette: Aber wenn ich das Gefühl habe,<br />

da krabbeln gleich Viecher aus dem Dreck<br />

in euren Zimmern, geht es auch mich etwas<br />

an, oder? Am schwierigsten finde ich aber<br />

die Ferien. Wenn ich nach Hause komme und<br />

weiss, ihr liegt seit Stunden hier rum, und<br />

es herrscht ein Riesenpuff, nerve ich mich<br />

schon. Aber schreien mag ich nicht, das<br />

macht einen nur noch machtloser.<br />

Jeron: Ich weiss ja auch, was dich aufregt,<br />

aber ich habe keinen Bock auf Diskussionen.<br />

Das muss ich mir nicht antun, mich volllabern<br />

zu lassen. Ich gehe dann einfach weg.<br />

Antoinette: Du bist konfliktscheu. Das bin<br />

ich ehrlich gesagt auch. Aber manchmal<br />

muss man euch gewisse Dinge halt erklären.<br />

Zum Beispiel wenn es um deine Computer-<br />

Games geht.<br />

Jeron: Das will ich gar nicht hören, weil du eh<br />

immer das Gleiche sagst. Das macht mich so<br />

hässig, dass ich gar nichts mehr sage.<br />

Antoinette: Dabei seid ihr ja eigentlich<br />

recht friedliche Teenager. Mit Nea und Dara<br />

wars schwieriger. Dass ich mit euch weniger<br />

Diskussionen habe, liegt sicher daran, dass<br />

ich heute gelassener bin. Aber auch daran,<br />

dass jeder ein Handy hat und ich euch immer<br />

erreichen kann.<br />

Jeron: Weisst du, was mich nervt? Wenn ich<br />

am Gamen bin und du immer wieder sagst,<br />

ich solle aufhören und mal rausgehen. Ich<br />

will nicht rausgehen. Andere Eltern wären<br />

froh, wenn ihre Kinder nicht dauernd im<br />

Ausgang herumhängen würden.<br />

Elisha: Stimmt, du checkst manche Dinge<br />

einfach nicht. Zum Beispiel, dass ich Horrorfilme<br />

einfach mag. Die sind lustig! Ich habe<br />

keine Angstzustände, wenn ich sowas sehe.<br />

Jeron: Und manchmal wollen wir einfach<br />

über gewisse Sachen nicht reden. Wenn ich<br />

gerade auf Netflix eine Serie schaue, musst<br />

du mich nicht vollquatschen. Du erzählst eh<br />

immer das Gleiche. Dass ich den Kontakt zu<br />

anderen Leuten verliere, wenn ich immer<br />

zu Hause hocke. Aber das stimmt nicht.<br />

Ich kommuniziere von zu Hause aus. Diese<br />

Unterhaltung führen wir alle paar Wochen.<br />

Antoinette: Wenn ich ein Thema wichtig<br />

finde, schneide ich es an, wenn ich allein mit<br />

dem betreffenden Kind im Auto bin. Da kann<br />

es nicht weglaufen.<br />

14 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Immer über die gleichen Dinge<br />

zu streiten, ermüdet. Regeln<br />

geben eine gute Orientierung.<br />

Vor allem für Teenager.<br />

Jeron: Das ist extrem nervig! Aber wir haben<br />

ja zum Glück keine schlimmen Probleme.<br />

Antoinette: Stimmt. Und sie werden sich<br />

spätestens lösen, wenn ihr auszieht!<br />

Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />

Elternberatung, über die Familie Masi:<br />

«Die drei gehen Streit gern mal aus dem<br />

Weg. Beziehungen funktionieren aber auch<br />

über Konflikte, und Kinder müssen streiten<br />

lernen. Ob die Strategie, Konflikte im Auto<br />

anzusprechen, die richtige ist, bezweifle ich.<br />

Ich empfehle der Familie, in einem Familienrat<br />

zu klären, wer welche Vorstellungen hat. Sie<br />

sollten Regeln aufstellen und die Konsequenzen<br />

festlegen, wenn diese gebrochen<br />

werden. Antoinette Masi würde ihren Kindern<br />

und sich selbst einen Gefallen tun, wenn es<br />

ein paar Regeln mehr gäbe. Regeln sind<br />

wichtige ‹Geländer› und geben Teenagern<br />

eine gute Orientierung. Als Alleinerziehende<br />

ist es wichtig, sich Inseln zur Kraftschöpfung<br />

zu schaffen. Das ginge besser, wenn nicht<br />

immer über die gleichen Dinge wie das Zimmeraufräumen<br />

diskutiert werden müsste.»<br />

Antoinette Masi<br />

mit ihren<br />

Kindern Jeron,<br />

16, und<br />

Elisha, 14.<br />

>>> zu immer einfältigeren<br />

Handlungsmustern auf beiden Seiten.<br />

Wir fallen in alte Muster zurück,<br />

die eigentlich nicht mehr zu unserem<br />

jetzigen Entwicklungsstand<br />

passen.» Die Mutter reagiert auf die<br />

Weigerung der Tochter, aufzuräumen,<br />

indem sie laut wird, weil sie<br />

das aus ihrem eigenen Elternhaus so<br />

kennt. Die Tochter bricht daraufhin<br />

in Tränen aus, wie sie das als Kleinkind<br />

tat.<br />

Neun Stufen zur Eskalation<br />

So nimmt die Auseinandersetzung<br />

ihren Lauf. Friedrich Glasl stellt diesen<br />

in einem weitläufig anerkannten<br />

Modell zur Konflikteskalation dar.<br />

Mit ihm lassen sich die unterschiedlichsten<br />

Konflikte analysieren, von<br />

Eltern-Kind-Konflikten über Scheidungen<br />

bis hin zu Auseinandersetzungen<br />

zwischen Staaten.<br />

In seinem neunstufigen Modell<br />

stellt der Konfliktforscher die Eskalation<br />

nicht als Anstieg zu immer<br />

höheren Stufen dar, sondern als<br />

einen Abstieg zu immer tieferen,<br />

primitiveren Formen der Auseinandersetzung.<br />

Er teilt diesen in drei<br />

Ebenen ein: Auf der ersten können<br />

beide Konfliktparteien noch gewinnen<br />

(«Win-Win»), auf der zweiten<br />

verliert eine Partei, während die<br />

andere gewinnt («Win-Lose»), auf<br />

der dritten verlieren beide Parteien<br />

(«Lose-Lose»).<br />

Auf der «Win-Win»-Ebene entsteht<br />

der Konflikt («Verhärtung»),<br />

die Parteien diskutieren und argumentieren<br />

(«Debatte») und erhöhen<br />

dann schliesslich den Druck, um<br />

sich durchzusetzen («Taten >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>15


Dossier<br />

>>> statt Worte»). Auf der «Win-<br />

Lose»-Ebene geht es nicht mehr um<br />

die Sache, sondern darum, den Konflikt<br />

zu gewinnen, eventuell indem<br />

man Sympathisanten für seine Sache<br />

sucht («Koalitionen»). Danach wird<br />

der «Gegner» mit Unterstellungen<br />

in die Ecke gedrängt («Gesichtsverlust»)<br />

und schliesslich durch Drohungen<br />

eingeschüchtert («Drohstrategien»).<br />

Die Mutter unterstellt der Tochter,<br />

sich für nichts mehr anderes als<br />

ihr Handy zu interessieren, und<br />

droht mit Entzug desselben, wenn<br />

sie nicht sofort aufräumt. Auf der<br />

«Lose-Lose»-Ebene wird der eigene<br />

Schaden schon als Gewinn gesehen,<br />

wenn der Schaden der anderen Partei<br />

grösser ist («Begrenzte Vernichtung»).<br />

Schliesslich soll der Gegner<br />

zerstört werden («Zersplitterung»),<br />

und auf der alleruntersten Stufe kalkuliert<br />

man die eigene Vernichtung<br />

mit ein, um den anderen zu besiegen<br />

(«Gemeinsam in den Abgrund»).<br />

Die Mutter nimmt der Tochter das<br />

Handy weg, diese rennt weinend aus<br />

dem Haus und kommt stundenlang<br />

nicht wieder.<br />

Konfliktforscher Friedrich Glasl<br />

unterscheidet zwei Austragungsformen<br />

von Konflikten: heiss und kalt.<br />

Heisse Konflikte sind das, was wir<br />

ge meinhin als Streit wahrnehmen:<br />

«Ich zeige und äussere mich, bin<br />

sichtbar, ob als Aggressor oder<br />

Angegriffener», so der Konfliktforscher.<br />

Bei kalten Konflikten spielen sich<br />

andere Mechanismen ab: «Das Konfliktverhalten<br />

ist nicht sichtbar. Die<br />

negativen Gefühle sind aber trotzdem<br />

da. Wenn sie nicht gezeigt werden,<br />

entladen sie sich nach innen<br />

und belasten das eigene Selbstbewusstsein<br />

und die eigenen Emotionen,<br />

aber auch die des anderen.» Als<br />

die Tochter zurückkommt, verzieht<br />

sie sich wortlos in ihr Zimmer, Mutter<br />

und Tochter gehen sich die<br />

nächsten Tage aus dem Weg. Und<br />

fühlen sich beide mies. Aus dem<br />

heis sen Konflikt ist ein kalter gewor-<br />

Am häufigsten streiten<br />

Familien über die Ordnung<br />

zu Hause. Und wie viel<br />

Medienkonsum zu viel ist.<br />

den. Aus einer Kabbelei ein handfester<br />

Streit mit verhärteten Ansichten<br />

der Konfliktparteien.<br />

Immer wieder dieselben Themen<br />

Tatsächlich ist Unordnung laut einer<br />

aktuellen Studie des österreichischen<br />

Institutes für Familienforschung das<br />

Thema Nummer eins, wenn es zu<br />

Diskussionen zwischen Eltern und<br />

ihren Kindern kommt. Fast ein Viertel<br />

aller Mütter und Väter geraten<br />

regelmässig in Rage, wenn es um die<br />

Unordnung im Haus geht. An zweiter<br />

Stelle kommt der Medienkonsum:<br />

In fast 20 Prozent der Haushalte<br />

wird darüber gestritten. >>><br />

Pausentaste und<br />

Versöhnungsritual<br />

Drei Tipps von Stephanie Schneider,<br />

Autorin von «Der kleine Streitberater»:<br />

1. Nicht gegen jemanden, sondern<br />

für etwas kämpfen<br />

Es ist alles eine Einstellungssache:<br />

Wer Streit sucht, will eigentlich,<br />

dass man nett zu ihm ist.<br />

2. Die Pausentaste drücken<br />

Eine Streit-Tradition im Hause Schneider:<br />

Wenn jemand während einer Diskussion<br />

eine Auszeit verlangt, gehen alle<br />

Beteiligten fünf Minuten in einen eigenen<br />

Raum. Danach trifft man sich wieder und<br />

macht weiter. Meistens ruhiger als vorher.<br />

3. Versöhnung feiern<br />

Ein schönes Ritual, das Streit und<br />

Konfliktlösungen aufwertet. So merkt<br />

man: «Unsere Beziehung hält das aus.»<br />

Kommt in den<br />

besten Familien<br />

vor: Der Vater<br />

schimpft, die<br />

Tochter schmollt.<br />

16 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>17


Dossier<br />

Michaela und<br />

Rico Kurath mit<br />

ihren Kindern<br />

Leyla, 10, und<br />

Lara, 8.<br />

Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />

«Sie hat bis<br />

zur Ohnmacht<br />

täubelet»<br />

Michaela und Rico Kurath wohnen<br />

mit Leyla, 10, und Lara, 8, in<br />

Embrach ZH.<br />

Lara: Mami nervt, wenn sie sagt, ich soll<br />

Klavier üben. Ich hasse Klavierüben.<br />

Michaela: Du willst aber Klavier spielen und<br />

Stunden nehmen.<br />

Lara: Ich spiele ja gern Klavier. Aber ich<br />

muss immer so viel üben. Ich möchte das<br />

können, ohne zu üben. Und Papi nervt bei<br />

den Kleidern.<br />

Rico: Du willst im Winter im kurzärmligen<br />

T-Shirt raus!<br />

Lara: Ich würde das Shirt ja anziehen, wenn<br />

es langärmlig wäre, aber das ist es halt nicht.<br />

Leyla: Mit Mami streite ich praktisch jeden<br />

Tag. Meistens über die Ufzgi.<br />

Michaela: Mich nervt, dass du die Hausaufgaben<br />

so oft in der Schule vergisst.<br />

Leyla: Das mache ich nicht extra. Wenn wir<br />

unsere Sachen zusammenpacken müssen,<br />

räume ich sie versehentlich unter mein Pult.<br />

Michaela: Dann musst du sie holen gehen.<br />

Leyla: Dann find ich dich manchmal doof.<br />

Michaela: Mich nervt auch, wenn du so eifersüchtig<br />

bist, Leyla. Du hast immer das Gefühl,<br />

Lara werde bevorzugt. Dabei hatten wir mit<br />

Lara früher viel mehr Krach, weil sie so ein<br />

Täubeli war.<br />

Rico: Sie hat bis zur Ohnmacht täubelet.<br />

Michaela: Sie hatte regelmässig Wutanfälle,<br />

machte am Morgen ein Riesendrama, weil<br />

sie nicht in den Kindergarten wollte. Da habe<br />

ich sie auch schon im Pyjama hingebracht.<br />

Im Frühling vor zwei Jahren suchten wir eine<br />

Kinderpsychologin. Lara geht sehr gern zu<br />

ihr, und seit sie das tut, ist es viel besser<br />

18 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> Medien sind auch im Haus<br />

von Autorin Stephanie Schneider ein<br />

grosses Thema. Sie hat ihre eigenen<br />

Erfahrungen in ein Buch verpackt:<br />

«Der kleine Streitberater». Das<br />

Schreiben habe Mut gebraucht, sagt<br />

die Mutter von zwei Töchtern im<br />

Teenageralter. «Über Streit wird<br />

nicht so gern geredet.» Und darüber,<br />

dass man als Elternteil manchmal<br />

hilflos ist, schon gar nicht.<br />

Gerade was den Medienkonsum<br />

angeht, lasse sich eine gewisse Hilflosigkeit<br />

kaum vermeiden, sagt<br />

Schneider. «Es gibt fast keine festen<br />

Werte und Orientierungen in Sa ­<br />

chen neue Medien und Kinder oder<br />

Jugendliche. Dazu kommt, dass die<br />

Kinder uns meistens haushoch<br />

überlegen sind im Umgang mit der<br />

virtuellen Welt.» Und nicht zuletzt<br />

seien die Eltern selbst oft kein be ­<br />

sonders gutes Vorbild. «Was sollen<br />

Eltern ihren Kindern Vorschriften<br />

machen, an die sie sich selbst nicht<br />

halten?»<br />

Väter streiten mit ihren<br />

Kindern über die Art der<br />

Freizeitgestaltung. Mütter über<br />

die Mithilfe im Haushalt.<br />

Gemäss der österreichischen Studie<br />

regen sich Männer über andere Dinge<br />

auf als Frauen. Während sich<br />

Väter mit ihren Kindern gern über<br />

Gehorsam und Freizeitgestaltung<br />

streiten, ist das für Frauen kaum ein<br />

Grund für Konflikte. Mütter diskutieren<br />

über das Einhalten von Schlafenszeiten<br />

– für keinen einzigen<br />

Vater ein Problem – oder die Mithilfe<br />

im Haushalt (worüber sich gerade<br />

mal 0,3 Prozent der Männer nerven).<br />

Aber wie streitet man nun richtig?<br />

Wie kann man Konflikte >>><br />

geworden. Sie thematisiert, wie Lara mit<br />

ihrer Wut besser umgehen kann.<br />

Lara: Ich weiss nicht, warum ich so wütend<br />

werde. Das explodiert in meinem Bauch.<br />

Michaela: Wir versuchen, Konflikte auszudiskutieren<br />

und Kompromisse zu schliessen.<br />

Seit Lara in die Therapie geht, kann man viel<br />

besser mit ihr reden.<br />

Rico: Früher konnte man ihr kaum etwas<br />

erklären. Wir haben vieles ausprobiert. Eine<br />

Weile haben wir die Anfälle einfach ignoriert.<br />

Michaela: Das klappt in dem Moment, wenn<br />

sie vor deinen Augen vor Wut blau wird und<br />

umkippt, nicht mehr. Das ist zweimal passiert.<br />

Es waren meist Kleinigkeiten, welche<br />

diese Wutanfälle auslösten. Mir wurde<br />

manchmal halb schlecht in solchen Situationen.<br />

Mir tat Lara leid, die ihre Emotionen<br />

nicht unter Kontrolle hatte. Und mir tat auch<br />

Leyla leid, da Lara so viel Raum einnahm.<br />

Ich finde aber schön, dass du dich immer<br />

entschuldigst, Lara.<br />

Rico: Stimmt. Sie möchte einem dann<br />

immer die Hand geben und sich offiziell<br />

versöhnen.<br />

Michaela: Ab und zu machen wir eine Familienkonferenz.<br />

Dann reden wir übers Zimmeraufräumen.<br />

Wenn man etwas Neues<br />

hervornimmt, versorgt man das Alte, das<br />

wäre doch nicht so schwierig.<br />

Leyla: Doch.<br />

Michaela: Ihr räumt ja mein Puff auch<br />

nicht auf. Ich habe auch schon einfach alles<br />

liegen lassen, Geschirr nicht abgeräumt<br />

und gesagt: Seht ihr, so siehts in euren<br />

Zimmern aus. Das hat eine Weile gefruchtet.<br />

Ich habe übrigens auch schon in der Migros<br />

täubelet, um zu zeigen, wie das ist. Das<br />

kam danach tatsächlich nicht wieder vor.<br />

Wenn die Emotionen bei einem Streit zu<br />

sehr hochkochen, wird auch mal jemand in<br />

sein Zimmer geschickt, bis sich alle wieder<br />

beruhigt haben.<br />

Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />

Elternberatung, über die Familie Kurath:<br />

«Ich sehe Michaela und Rico Kurath als<br />

sehr engagierte Eltern, die sich aber immer<br />

wieder verunsichern lassen. Gewisse Dinge<br />

sind nicht verhandelbar, dazu gehören Hausaufgaben<br />

und Klavierüben. Vielleicht würde<br />

Leyla ein Stein als Erinnerung in der Hosentasche<br />

helfen, die Aufgaben nicht mehr in der<br />

Schule liegen zu lassen. Kinder wie Lara sind<br />

emotional sehr intensiv. Die Eltern müssen<br />

wissen, dass dieses Verhalten nicht gegen sie<br />

gerichtet ist, aber auch, dass sie dem Willen<br />

des Kindes nicht nachgeben dürfen. Hilfe<br />

von aussen zu holen, war sicher die richtige<br />

Entscheidung. Das Kind bei einem Streit<br />

ins Zimmer zu schicken, ist okay. Danach<br />

müssen die Eltern unbedingt das Gespräch<br />

mit ihrer Tochter suchen und ihr vermitteln,<br />

dass sie nicht weggeschickt wurde, weil man<br />

sie ablehnt, sondern weil ihr Verhalten das<br />

übrige Familienleben gestört hat.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>19


Dossier<br />

Streitregel<br />

Nummer 3:<br />

Versöhnung<br />

feiern. So merkt<br />

man: «Unsere<br />

Beziehung hält<br />

das aus.»<br />

>>> lösen – und dabei im besten<br />

Fall auf der «Win-Win»-Ebene bleiben?<br />

«Kleinere, unwichtigere Konflikte<br />

werden oft durch Einlenken<br />

der einen Seite beendet», sagt Familienforscher<br />

Dominik Schöbi. «Bei<br />

grundlegenderen Auseinandersetzungen<br />

braucht es mehr. Vor allem<br />

Einsicht: Die Sichtweise des anderen<br />

sehen und akzeptieren – ohne<br />

dass man sie teilen muss. Wenn der<br />

andere sieht, dass auch die eigene<br />

Sichtweise wahrgenommen wird,<br />

können eher Zugeständnisse ge -<br />

macht werden.»<br />

Ein länger andauernder oder<br />

wiederkehrender Konflikt weist laut<br />

Schöbi häufig darauf hin, dass sich<br />

die Beteiligten nicht ausreichend<br />

mit der Sichtweise und den Bedürfnissen<br />

des anderen auseinandersetzen.<br />

Das wäre jedoch notwendig,<br />

um Kompromissbereitschaft oder<br />

eine ein vernehmliche Lösung zu<br />

erreichen, aber auch, um die Sachlage<br />

neu zu beurteilen, so dass je -<br />

mand bereit ist, nachzugeben.<br />

Suche nach dem Kompromiss<br />

Wenn jemand schnell mit starken<br />

negativen Gefühlen wie Ärger re a-<br />

giere, versuche, den Konfliktpartner<br />

durch Sanktionen, Gewalt oder sehr<br />

negatives Verhalten zum Einlenken<br />

zu bringen, oder Interaktion und<br />

Gespräche verweigere, sei das unmöglich,<br />

sagt Schöbi. Signalisiert die<br />

Mutter Verständnis für die Bedürfnisse<br />

der Tochter, macht aber auch<br />

auf ihre eigenen aufmerksam, ist die<br />

Tochter eher zu einem Kompromiss<br />

bereit, als wenn die Mutter sie mit<br />

Anschuldigungen und Drohungen<br />

konfrontiert.<br />

«Sich dem Diktat einer Person zu<br />

unterwerfen, die sich nicht einmal<br />

bemüht, einen zumindest etwas zu<br />

verstehen, kann psychologisch<br />

höchst bedrohlich sein. Vor allem<br />

in einer Entwicklungsphase, in der<br />

die eigene Individualität zentral ist»,<br />

so Dominik Schöbi.<br />

Eine solche Erfahrung kann de -<br />

struktiv und selbstwertschädigend<br />

sein – und die Beziehung zu den<br />

Eltern nachhaltig belasten. Gerade<br />

die Adoleszenz, wenn sich die Kinder<br />

von den Eltern lösen, ist eine<br />

solche Phase. «Wenn diesen Prozessen<br />

zu wenig Raum und Flexibilität<br />

gegeben wird, kann es auch mal zu<br />

extremem Verhalten kommen», so<br />

Familienforscher Schöbi. «Eltern<br />

müssen dazu übergehen können,<br />

nicht mehr für die Kinder Entscheidungen<br />

zu treffen, sondern diese in<br />

20 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


der Entscheidungsfindung zu lenken<br />

und zu unterstützen.»<br />

Gefühl von Wertschätzung<br />

Zahlreiche Mütter und Väter tun<br />

dies, wie eine Umfrage im Auftrag<br />

von Shell unter deutschen Jugendlichen<br />

zeigt: 46,7 Prozent geben an,<br />

bei Problemen mit ihren Eltern zu<br />

reden und gemeinsam zu einer Entscheidung<br />

zu kommen. Nur knapp<br />

zehn Prozent gaben an, ihre Eltern<br />

würden ihnen sagen, wie sie zu handeln<br />

hätten. Sieben Prozent der Be ­<br />

fragten erklärten, sich bei einem<br />

Streit am Ende durchzusetzen.<br />

Sich wertgeschätzt zu fühlen, sei<br />

ein wichtiges Bedürfnis von Kindern,<br />

sagt Dominik Schöbi. Und das<br />

stehe bei Konflikten auf dem Spiel.<br />

Umso wichtiger ist es, Diskussionen<br />

zwischen Eltern und Kindern nicht<br />

entgleiten zu lassen. Britta Went<br />

vom Elternnotruf ist oft mit genau<br />

solchen Situationen konfrontiert.<br />

«Wenn böse Worte und Drohungen<br />

ausgesprochen werden, verwandelt<br />

sich ein Konflikt in etwas De ­ >>><br />

Wenn Diskussionen in der<br />

Familie entgleiten,<br />

gerät die ganze Welt des<br />

Kindes ins Wanken.<br />

Literatur- und Online-Tipps<br />

Thomas Gordon: Die Familienkonferenz. Die<br />

Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind.<br />

Heyne, 2012, 365 Seiten, Fr. 14.90<br />

Thomas Gordon: Familienkonferenz in der<br />

Praxis. Wie Konflikte mit Kindern gelöst werden.<br />

Heyne, 2012, 382 Seiten, Fr. 14.90<br />

Stephanie Schneider: Der kleine Streit berater.<br />

Familienkonflikte lösen mit Herz und Verstand.<br />

Kösel, 2013, 39 Seiten, Fr. 14.90<br />

Elternnotruf: 24 Stunden Hilfe und Beratung<br />

von Fachpersonen für Eltern, Familien und<br />

Bezugspersonen: www.elternnotruf.ch<br />

Pro Juventute Elternberatung: Anlaufstelle<br />

für Eltern und Bezugspersonen. Persönliche,<br />

telefonische und Online-Beratung durch Fachpersonen<br />

für Eltern in Notsituationen, rund um<br />

die Uhr: www.projuventute.ch/Elternberatung<br />

Verein Gordon-Training Schweiz: Erfreuliche<br />

Konfliktlösung. Erfolgreich Konflikte lösen<br />

ohne Verlierende: www.gordon-training.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>21


Dossier<br />

>>> struktives», sagt Went. «Man im Alltag anwendbar und durchaus<br />

unterstellt dem Kind böse Absichten.<br />

Das ist verheerend, denn Eltern<br />

bekleiden für ihre Kinder die Rolle<br />

als fürsorglicher und zuverlässiger<br />

Partner.» Wenn sie diese nicht mehr<br />

erfüllen, kommt die ganze Welt des<br />

Kindes ins Wanken.<br />

erfolgversprechend ist. Entworfen<br />

hat es der amerikanische Psychologe<br />

Thomas Gordon (1918–2002).<br />

Das wohl bekannteste Buch des<br />

mehrfach ausgezeichneten Psychologen<br />

trägt den Titel «Die Familienkonferenz».<br />

Gordon entwickelte<br />

spezifische Trainingskurse für Eltern<br />

Das Gordon-Modell<br />

Eine allgemeingültige Methode zur<br />

Konfliktlösung zwischen Eltern und<br />

Kindern gibt es nicht. Wohl aber ein<br />

Modell, das in seinen Grundzügen<br />

und Erziehungspersonen, die heute<br />

weltweit angeboten werden. «Das<br />

Modell ist sehr schlicht und deshalb<br />

erfolgreich», sagt Priska Wenk vom<br />

Verein Gordon-Training Schweiz.<br />

Eine einfache Methode zur<br />

Konfliktlösung gibt es nicht.<br />

Wohl aber ein Modell, das<br />

sogenannte Gordon-Modell.<br />

«Zuerst müssen wir evaluieren, wer<br />

überhaupt ein Problem hat. Oft<br />

machen wir nämlich das Problem<br />

des Kindes zu unserem.»<br />

In diesem Fall, so Wenk, müsse<br />

man das Kind unterstützen, selbst<br />

eine Lösung zu finden. «Habe hingegen<br />

tatsächlich ich ein Pro blem,<br />

geht es darum, wie ich meinem<br />

Gegenüber sage, dass ich mit seinem<br />

Verhalten nicht einverstanden bin,<br />

ohne unsere Beziehung zu stören.»<br />

Ich-Botschaften<br />

Dabei setzt das Gordon-Modell vor<br />

allem auf sogenannte Ich-Botschaften.<br />

Damit verhindere man auch,<br />

dass jemand einfach davonläuft,<br />

wenn es Streit gibt, so Wenk. «Man<br />

läuft oft nicht vor dem Konflikt<br />

davon, sondern davor, wie man mit<br />

ihm konfrontiert wird.» Wenn man<br />

sage, wie es einem selbst in >>><br />

Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />

«Wer seine Gefühle<br />

begräbt, begräbt<br />

sie lebendig!»<br />

In Zeiten, in denen das elterliche<br />

Machtwort obsolet geworden ist,<br />

braucht es Mütter und Väter, die<br />

ihre Normen und Werte klar<br />

kommunizieren. Familientherapeut<br />

Jesper Juul über den Unterschied<br />

zwischen Führungsqualität und<br />

Gehorsamskultur, «richtiges» Streiten<br />

und warum es so wichtig ist, seine<br />

Emotionen nicht zu verstecken.<br />

Interview: Sandra Casalini<br />

Herr Juul, früher gab es so etwas wie<br />

das elterliche Machtwort. Was Vater<br />

und Mutter sagten, war Gesetz. Kinder<br />

hielten sich, mehr oder weniger, an<br />

klare Regeln.<br />

Ja – in Zeiten, als Regeln noch funktionierten.<br />

Es gab einen Konsens in unserer<br />

Gesellschaft, was Werte anging, und in<br />

den meisten Familien herrschten dieselben<br />

Regeln. Heute gibt es diese Einheit<br />

von Regeln und Werten nicht mehr, und<br />

die meisten Kinder haben keine Angst vor<br />

Erwachsenen.<br />

Sicher eine positive Entwicklung. Aber<br />

was ist an dessen Stelle getreten?<br />

Erst einmal: Die Vorstellung von elterlicher<br />

Führung hat sich in über einem Jahrhundert<br />

kaum verändert. Sie hat sich nur modernisiert<br />

und demokratisiert, zum Beispiel<br />

geben Eltern ihren Kindern heute mehr<br />

Freiheiten. Was wir alle möchten – übrigens<br />

auch die Kinder – ist, dass die Werte, welche<br />

Eltern und Schulen als gut für die Familie<br />

und ihre Mitglieder definieren, respektiert<br />

werden. Dies gilt auch für die von Eltern<br />

definierten persönlichen Grenzen. Um das<br />

zu erreichen, braucht es zwei Dinge: Führungsqualitäten<br />

und Eltern, die vertrauenswürdige<br />

Vorbilder sind.<br />

Was machen Eltern Ihrer Meinung nach<br />

denn am häufigsten falsch, wenn sie in<br />

Konflikte mit ihren Kindern geraten?<br />

Viele Eltern kommunizieren ihre Wertvorstellungen<br />

nicht früh genug und verweigern<br />

so den Kindern die Möglichkeit, sich miteinbezogen<br />

zu fühlen. Eltern nehmen sich nicht<br />

die Zeit, darüber zu reden, welche Werte sie<br />

ihren Kindern vermitteln möchten und wie<br />

sie ihnen diese zeigen und vorleben wollen.<br />

Dem kann man etwa so vorbeugen – aber<br />

bitte nicht während oder direkt nach einem<br />

Konflikt: «Weisst du noch, als ich mich<br />

geärgert habe, weil du deine Legosteine<br />

nicht aufräumen wolltest? Ich habe darüber<br />

nachgedacht und gemerkt, dass wir dir nie<br />

gesagt haben, welches Verhalten wir wichtig<br />

und richtig finden in unserer Familie. Du<br />

bist kein Baby mehr, und es ist Zeit, dass<br />

du einige Sachen selbst erledigst und uns<br />

manchmal hilfst, wenn wir danach fragen.»<br />

Was bewirkt eine solche Aussage bei<br />

meinem Kind?<br />

Es wird den genauen Inhalt dieses Ge ­<br />

sprächs zwar vergessen, nicht aber das<br />

Gefühl, als gleichwürdiger Partner miteinbezogen<br />

zu werden. So können Eltern<br />

Regeln aufstellen und gleichzeitig den Ton<br />

22 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


definieren, in dem künftig Konflikte ausgetragen<br />

werden. Das ist der Unterschied<br />

zwischen moderner Führungsqualität und<br />

veralteter Gehorsamskultur. Über die Regel<br />

– alle Familienmitglieder müssen zum Wohl<br />

der Familie beitragen – gibt es nichts zu diskutieren,<br />

aber über die Art, wie man nach<br />

ihr lebt, kann verhandelt werden.<br />

Kann man «richtig» streiten?<br />

Für mich bedeutet das, so zu streiten, dass<br />

die persönliche Integrität der anderen<br />

Person nicht verletzt wird. Das ist definitiv<br />

möglich. Aber so, wie die meisten von uns<br />

aufgewachsen sind, braucht es sehr viel<br />

Übung – obwohl es eigentlich simpel ist.<br />

Dabei sind Ich-Botschaften wichtig. So<br />

kommt ein «Ich hasse es, wenn du mich<br />

ignorierst» beim Gegenüber besser an als<br />

ein «Du hörst mir nie zu!».<br />

Nun gibt es viele, die einem Streit<br />

lieber aus dem Weg gehen.<br />

Seine Gefühle zu verstecken oder politisch<br />

korrekt zu sein, ist nicht die Lösung. Der<br />

andere fühlt die versteckten Emotionen,<br />

und gerade bei Kindern ist das gefährlich,<br />

weil sie ihrer Fantasie überlassen sind,<br />

und diese richten sie immer negativ gegen<br />

sich selbst. Man muss sich bewusst sein:<br />

Wer seine Gefühle begräbt, begräbt sie<br />

lebendig. So leben sie innen drin unkontrollierbar<br />

weiter. Bei sozialen Kontakten,<br />

die nicht so wichtig sind, spielt das keine<br />

Rolle, in nahen, persönlichen Beziehungen<br />

aber umso mehr.<br />

Jesper Juul<br />

ist der berühmteste Familientherapeut<br />

Europas. Er ist Buchautor und Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes. Juul lebt in Dänemark.<br />

«Hausaufgaben<br />

machen, Zimmer<br />

aufräumen»: Oh,<br />

wie diese Eltern<br />

wieder nerven!<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>23


Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />

Alleinerziehender<br />

Vater: Adrian<br />

Halter mit Tochter<br />

Jennifer, 16.<br />

24 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

«Um einen Lerneffekt<br />

zu erzielen, muss man<br />

sein Kind auch mal<br />

reinlaufen lassen»<br />

Adrian Halter wohnt mit seiner<br />

Tochter Jennifer, 16, in Brüttisellen<br />

ZH. Der alleinerziehende Vater hat<br />

noch einen Sohn aus einer anderen<br />

Beziehung. Jerôme, 14, lebt bei der<br />

Mutter und verbringt jedes zweite<br />

Wochenende und einen Teil der<br />

Ferien bei Vater und Schwester.<br />

Adrian: Ich gebe sehr selten nach. Mein<br />

Job als Vater ist es, Grenzen zu setzen.<br />

Wenn ich mit mir verhandeln lasse, diskutieren<br />

wir ewig ums Gleiche herum. Dinge<br />

wie Respekt und gutes Benehmen sind mir<br />

extrem wichtig. Aber klar gibts auch Sachen,<br />

die ich mal gerade sein lasse. Zum Beispiel<br />

beim Thema Handy. Ich habe versucht, das<br />

mehr einzugrenzen, aber ich denke, das ist<br />

heutzutage einfach nicht realistisch. Ganz<br />

streng bin ich beim Thema Ehrlichkeit.<br />

Jennifer: Wenn du merkst, dass ich gelogen<br />

habe, gibts Konsequenzen. Wenn ich zum<br />

Beispiel woanders war, als ich gesagt habe,<br />

darf ich nicht mehr raus.<br />

Adrian: Über Ausgang diskutieren wir sonst<br />

eigentlich nicht viel. Ich möchte wissen, wo<br />

du mit wem hingehst. Das gilt auch für den<br />

Umgang mit Jungs. Ich möchte informiert<br />

sein. Sonst passiert so was wie vor kurzem.<br />

Jennifer: Oh je … der war doch gar nicht<br />

mein Freund!<br />

Adrian: Der tauchte abends um halb zehn an<br />

unserer Tür auf und stellte sich mir als dein<br />

Freund vor. Ich war total enttäuscht, dass ich<br />

von nichts wusste.<br />

Jennifer: Das war echt schwierig, dir zu<br />

erklären, dass er nicht mein Freund ist.<br />

Adrian: Schau, ich möchte das Beste für<br />

dich. Wenns mir egal wäre, würde etwas<br />

nicht stimmen. Mir ist schon klar, dass du<br />

eigene Erfahrungen machen musst. Man<br />

muss das Kind auch mal reinlaufen lassen,<br />

um einen Lerneffekt zu erzielen. Aber bei<br />

matchentscheidenden Dingen, wie wenn es<br />

um eine Lehrstelle geht, ist nicht der richtige<br />

Zeitpunkt dafür. Da benutze ich das Handy<br />

– beziehungsweise Handyverbot – oder das<br />

Ausgangsverbot schon mal als Druckmittel.<br />

Jennifer: Ausgehverbot war hart. Handyverbot<br />

war nicht so schlimm.<br />

Adrian: Es ist ein Machtkampf. Mit Jerôme<br />

ist das Konfliktpotenzial viel kleiner. Sicher<br />

gehe ich Konflikten auch bewusst aus dem<br />

Weg, um die wenige gemeinsame Zeit nicht<br />

mit Diskussionen zu belasten. Ich hatte<br />

zum Beispiel immer Mühe mit Jerômes<br />

Essensgewohnheiten. Er ist extrem heikel.<br />

Ich habe eine Zeitlang versucht, da streng<br />

zu sein, aber das war jedes Mal ein Riesendrama.<br />

Darauf hatte ich dann keine Lust<br />

mehr, zumal es bei allen negative Gefühle<br />

hinterliess, auch in den zwei Wochen, die wir<br />

uns dann nicht mehr gesehen haben.<br />

Jennifer: Du schaust trotzdem, dass du<br />

uns einigermassen gleich behandelst. Ich<br />

komme mir nur sehr, sehr selten benachteiligt<br />

vor, wenn mein Bruder hier ist.<br />

Adrian: Es liegt in der Natur der Sache, dass<br />

gewisse Dinge bei Jerôme weniger relevant<br />

sind. Sein Alltag geht halt mehr oder weniger<br />

an mir vorbei. Aber Jerôme weiss, dass<br />

meine Tür immer offen steht für ihn.<br />

Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />

Elternberatung, über die Familie Halter:<br />

«Bei Familie Halter scheint es so, als hätte der<br />

Vater eine gute Mischung zwischen elterlicher<br />

Präsenz und Freiraumlassen gefunden. Dies<br />

ist gut erkennbar in der Diskussion bezüglich<br />

der Ehrlichkeit. Regeln, die dem Vater wichtig<br />

sind, bieten dem jungen Menschen Orientierung<br />

und damit Halt in einer turbulenten<br />

Zeit. Es ist in der Familie Halter offenbar sehr<br />

klar, in welchen Bereichen Jennifer Freiraum<br />

hat, zu entscheiden, und in welchen sie sich<br />

den elterlichen Regeln beugen muss. Schulische<br />

und berufliche Anforderungen fallen<br />

mit einer Entwicklungsphase zusammen, in<br />

der ein junger Mensch eh schon mit grossen<br />

Veränderungen zu kämpfen hat. Es zeigt sich<br />

aber immer wieder, dass auch ein heranwachsender<br />

Mensch erst einen Entwicklungsschritt<br />

tut, wenn er bereit dazu ist. Daher ist<br />

eine der wichtigsten Aufgaben von Eltern in<br />

der Teenagerphase das ‹Standhalten› bzw.<br />

‹Aushalten› einer Situation.»<br />

>>> einer Situation geht, statt den<br />

anderen zu beschuldigen, komme<br />

dieser nicht automatisch in eine Verteidigungshaltung.<br />

Priska Wenk erzählt ein Beispiel<br />

aus ihrer eigenen Familie: Die sechsjährige<br />

Tochter erscheint in einem<br />

T-Shirt, das vor Dreck steht, am<br />

Frühstückstisch. «Wer hat nun hier<br />

das Problem?», fragt sich Wenk. «Sie<br />

nicht, sie würde noch wochenlang<br />

im dreckigen Shirt herumlaufen.<br />

Das Problem habe ich – und das<br />

muss ich auch so kommunizieren.»<br />

Priska Wenks Ansage an ihre<br />

Tochter: «Ich habe Angst, dass du<br />

ausgelacht wirst, wenn du in diesem<br />

T-Shirt in den Kindergarten gehst.»<br />

Eine Ich-Botschaft und das Aufzeigen<br />

der Konsequenz. Fünf Minuten<br />

später steht das Mädchen in einem<br />

sauberen T-Shirt da. «Hätte ich ihr<br />

einfach befohlen, etwas anderes<br />

anzuziehen, hätte es endlose Diskussionen<br />

gegeben», ist Priska Wenk<br />

überzeugt.<br />

Richtig zuhören<br />

Ein zweiter wichtiger Pfeiler im Gordon-Modell:<br />

Zuhören. «Es ist erstaunlich,<br />

was man herausholen<br />

kann, wenn man dem Kind einfach<br />

mal richtig zuhört», sagt Wenk.<br />

Einen geeigneten Rahmen dafür bildet<br />

die Familienkonferenz. Dort<br />

kommt jeder zu Wort, es werden<br />

Konsequenzen aufgezeigt und Vereinbarungen<br />

getroffen statt Befehle<br />

erteilt. «Das Ziel einer solchen Konferenz<br />

und auch das Ziel unserer<br />

Kurse ist nicht, weniger zu streiten,<br />

sondern Konflikte anders anzugehen.<br />

Und vor allem, sie nicht gären<br />

zu lassen, bis sie explodieren», erklärt<br />

Priska Wenk.<br />

Kinder brauchen Konflikte<br />

Mit den Worten von Konfliktforscher<br />

Glasl ausgedrückt, sollte man<br />

es nicht so weit kommen lassen, dass<br />

«der Konflikt mich hat, statt ich ihn».<br />

Dann können alle Parteien aus einer<br />

Auseinandersetzung lernen. «Im<br />

besten Fall fragen wir uns, wie >>><br />

25


Bei Diskussionen mit ihren<br />

Eltern üben Kinder,<br />

Konflikte auch ausserhalb<br />

der Familie auszutragen.<br />

Familienrat:<br />

Alle kommen zu<br />

Wort, es werden<br />

Bedürfnisse<br />

geklärt, Regeln<br />

aufgestellt.<br />

>>> wir uns im Konfliktpartner<br />

widerspiegeln, und betrachten die<br />

Konfrontation mit unserer eigenen<br />

Unzulänglichkeit als Feedback und<br />

Herausforderung, an den eigenen<br />

Schwächen zu arbeiten», so Glasl.<br />

Familienberaterin Eveline Männel<br />

Fretz von Pro Juventute weiss,<br />

wie wichtig Konflikte für Kinder<br />

sind. «Bei Diskussionen mit den<br />

Eltern können Kinder üben, Konflikte<br />

auch ausserhalb des familiären<br />

Rahmens auszutragen.»<br />

Kinder lernen aus dem Verhalten<br />

der Eltern. Das gilt auch bei Konflikten.<br />

«Ab dem Schulalter streben<br />

Kinder gewissen Vorbildern nach»,<br />

sagt Konfliktforscher Glasl. «Wenn<br />

sie Eltern erleben, die an sich selbst<br />

arbeiten, werden sie unbewusst auch<br />

danach streben. Ohne Moralisieren<br />

der Eltern.»<br />

>>><br />

Sandra Casalini<br />

hatte kürzlich Diskussionen mit ihrer<br />

Tochter. Sie liess – dieses Dossier im Kopf –<br />

erst einmal die 12-Jährige reden. Diese<br />

erklärte sich wortreich – und kam ganz allein<br />

zu einer Lösung. Ab sofort gelten für die<br />

Mutter folgende drei Regeln bei Konflikten:<br />

1. Zuhören. 2. Zuhören. 3. Zuhören.<br />

Worüber Familien streiten<br />

Über diese Themen streiten Eltern<br />

und Kinder laut einer Umfrage des<br />

österreichischen Institutes für<br />

Familienforschung am häufigsten:<br />

Mütter<br />

Ordnung und Sauberkeit: 19 %<br />

Zu hoher Medienkonsum: 13,3 %<br />

Höflichkeit, Benehmen: 8,7 %<br />

Finanzielle, materielle Forderungen: 6,5 %<br />

Schule und Lernen: 6,1 %<br />

Angemessene Kleidung / Schminke: 5,5 %<br />

Einhalten der Schlafenszeiten: 4,8 %<br />

Mithilfe im Haushalt: 4,7 %<br />

Ernährungsverhalten: 4,3 %<br />

Konflikte unter Geschwistern: 4,2 %<br />

Trödelei: 1,9 %<br />

Freizeitgestaltung: 1 %<br />

Gehorsam, Einhalten von Regeln: 0,1 %<br />

Väter<br />

Gehorsam, Einhalten von Regeln: 10,9 %<br />

Zu hoher Medienkonsum: 10,1 %<br />

Freizeitgestaltung: 9 %<br />

Höflichkeit, Benehmen: 4,8 %<br />

Ordnung und Sauberkeit: 4,2 %<br />

Schule und Lernen: 4,1 %<br />

Ernährungsverhalten: 3,6 %<br />

Konflikte unter Geschwistern: 3,2 %<br />

Trödelei: 2,5 %<br />

Angemessene Kleidung / Schminke: 0,9 %<br />

Finanzielle, materielle Forderungen: 0,7 %<br />

Mithilfe im Haushalt: 0,3 %<br />

Einhalten der Schlafenszeiten: 0 %<br />

Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />

26


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>27


Dossier<br />

28 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Essay<br />

«Meine Kinder sagen Dinge, die ich als<br />

ihre Mutter nicht einmal zu denken wage»<br />

Ein Streit zwischen Eltern und Kindern ist unfair. Weil Eltern immer am längeren Hebel<br />

sitzen. Unsere Autorin empfindet das oft gerade umgekehrt. Die Tatsache, dass<br />

ihre Kinder ihre Kinder sind, verleihe ihnen in einem Konflikt ganz schön viel Macht.<br />

Text: Sandra Casalini<br />

Eltern können Konflikte mit ihren<br />

Kindern beenden, indem sie einfach<br />

eine Entscheidung treffen. Eltern<br />

können bestrafen, belohnen, Konsequenzen<br />

ziehen, Machtworte sprechen.<br />

Warum fühle ich mich dann oft so<br />

hilflos, wenn ich mit meinen Kindern<br />

streite?<br />

Vielleicht deshalb, weil ich oft gegen<br />

die kindliche Logik nicht ankomme.<br />

(«Nein, Fernsehen schadet meinem<br />

Hirn nicht, im Gegenteil. Ich schone es,<br />

weil ich es beim Fernsehschauen nicht<br />

brauche.») Geschweige denn gegen die<br />

Argumentation eines Teenagers. («Ich<br />

bin morgen früh sowieso müde, egal,<br />

wann ich ins Bett gehe. Also kann ich<br />

auch gleich noch aufbleiben.»)<br />

Meine Kinder haben gemäss einem<br />

ungeschriebenen Gesetz das Recht,<br />

mich jederzeit ultradoof und megapeinlich<br />

zu finden und furchtbar wütend<br />

auf mich zu sein. Ich habe im Gegenzug<br />

dieses Recht nicht, sondern muss Verständnis<br />

zeigen und im besten Fall auch<br />

Humor.<br />

Letzterer ist hilfreich, wenn sie<br />

mir Dinge an den Kopf werfen, die<br />

ich als ihre Mutter nicht einmal zu<br />

denken wage, geschweige denn laut<br />

aussprechen würde: «Eh Mann, Alter,<br />

du nervst! Aber so richtig!» Wobei<br />

das «Alter» ein gutes Zeichen ist, es<br />

bedeutet nämlich in ihrer Sprache, dass<br />

ich als gleichwertige Diskussionspartnerin<br />

akzeptiert bin. Immerhin.<br />

Selbstverständlich nerven mich<br />

meine Kinder auch. Nicht nur ein<br />

bisschen, sondern manchmal «so<br />

richtig». Ich darf ihnen aber niemals<br />

sagen, dass ich sie gerade ultrablöd<br />

finde («ICH finde dich grad richtig<br />

doof» geht nicht als eine dieser viel<br />

gepriesenen Ich-Botschaften durch,<br />

fürchte ich).<br />

Im Gegenteil. Ich achte sehr genau<br />

darauf, meinen Kindern im Streit klarzumachen,<br />

dass ich nicht sie blöd finde,<br />

sondern das, was sie tun oder getan<br />

haben – oder eben nicht. Worauf ich als<br />

Antwort meistens zu hören bekomme,<br />

ich verstände das halt nicht. (Man<br />

stelle sich umgekehrt vor, ich würde zu<br />

meinem Kind sagen: «Ich versuch dir<br />

hier was zu erklären, aber das verstehst<br />

du halt nicht, Dummerchen!»)<br />

Wären meine Kinder Erwachsene<br />

– Freunde oder Arbeitskollegen –,<br />

würden wir Konflikte niemals so austragen,<br />

wie wir das tun. Einen ewigen<br />

Besserwisser wie meinen Sohn würde<br />

ich vermutlich einfach stehen lassen,<br />

statt nach unzähligen Erklärungsversuchen<br />

immer noch liebevolles Verständnis<br />

zu heucheln. Und käme mir<br />

jemand in dem Ton, den meine Teenie-<br />

Tochter manchmal drauf hat, würde ich<br />

die Diskussion wohl sofort für beendet<br />

erklären.<br />

Mit meinen Kindern geht das nicht.<br />

Weil ich die Pflicht habe, mit ihnen zu<br />

streiten und ihnen Grenzen zu setzen.<br />

Aber ich habe auch die Pflicht, sie zu<br />

selbstbewussten und selbständigen<br />

Individuen zu erziehen – und sie<br />

demnach im Streit niemals über die<br />

Massen zu verunsichern oder gar zu<br />

demütigen.<br />

Das ist nicht immer einfach. Aber als<br />

mein Sohn letzthin ganz pragmatisch<br />

meinte: «Ich weiss gar nicht, warum<br />

ich schreie, ich weiss ja, dass es nichts<br />

nützt», dachte ich, dass ich das vielleicht<br />

doch nicht so verkehrt mache.<br />

Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />

Ordnung und<br />

Sauberheit:<br />

Darüber streiten<br />

laut Statistik Mütter<br />

mit ihren Kindern<br />

am häufigsten.<br />

Mit Kindern zu streiten ist<br />

deshalb so schwierig, weil<br />

man als Eltern oft nicht gegen<br />

die kindliche Logik ankommt.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>29


«Mit Teenagern ist es normal,<br />

dass es täglich kracht»<br />

Eltern haben die Pflicht, Konflikte mit ihren Kindern auszutragen, sagt die Psychotherapeutin<br />

Annette Cina vom Institut für Familienforschung der Universität Freiburg. Sie müssen aber<br />

nicht jedem Wunsch der Kinder entsprechen. Interview: Sandra Casalini<br />

Frau Cina, wie entsteht ein Konflikt?<br />

Wenn Menschen aufeinandertreffen,<br />

die andere Ansichten, Absichten,<br />

Vorstellungen und Ziele haben,<br />

entstehen Konflikte. Dabei spielen<br />

auch andere Einflüsse eine Rolle,<br />

zum Beispiel wie es einem grundsätzlich<br />

gerade geht, ob man ge ­<br />

stresst ist oder eher gelassen. Ein<br />

Konflikt geht meist mit dem Gefühl<br />

einher, überhört und übergangen zu<br />

werden. Dabei ist das eigentliche<br />

Thema der Diskussion oft gar nicht<br />

so relevant wie dieses Grundgefühl.<br />

Warum geraten wir gerade mit den<br />

Menschen, die wir lieben, am häufigsten<br />

in Konflikt?<br />

Familienmitglieder, mit denen wir<br />

zusammenleben, sind tagtäglich da,<br />

mit all ihren Launen, Erlebnissen,<br />

Emotionen, Wünschen und Ansprüchen.<br />

Innerhalb der Familie traut<br />

man sich eher, Konflikte anzusprechen,<br />

und meist hat man auch höhere<br />

Ansprüche als an andere.<br />

Sind Konflikte zwischen Eltern und<br />

Kindern besonders schwierig, gerade<br />

weil es ein gewisses Machtgefälle<br />

gibt?<br />

«Ich rate Eltern zu mehr Gelassenheit.<br />

Was kann schon passieren, wenn das<br />

Kind im Winter in Turnschuhen in die<br />

Schule geht? Es wird selber merken,<br />

dass es kalte Füsse kriegt.»<br />

Ja und nein. Im Gegensatz zu Konflikten<br />

unter Erwachsenen haben<br />

Eltern bei Streitereien mit ihren<br />

Kindern die Macht, sie zu beenden,<br />

indem sie einfach entscheiden. Sie<br />

haben aber auch die Pflicht, Konflikte<br />

mit ihren Kindern auszutragen,<br />

und dabei müssen sie nicht<br />

jedem Wunsch der Kinder entsprechen.<br />

Handfeste Streite mit Kritik,<br />

Abfuhren und harten Strafen müssen<br />

aber nicht sein.<br />

Geht denn Erziehung ohne Strafen<br />

und Belohnen?<br />

Nein. Kinder müssen gewisse Regeln<br />

der Gesellschaft lernen, Kompromisse<br />

schliessen, den Umgang mit<br />

Frust lernen. Gerade kleineren Kindern<br />

kann man nicht alles erklären.<br />

Sie lernen vieles durch die Erfahrung,<br />

wie auf ihr Verhalten reagiert<br />

wird. Es ist eine Illusion, zu denken,<br />

dass Kinder sich ausschliesslich aus<br />

sich selbst entwickeln. Sie brauchen<br />

und möchten ein Feedback. Ich bin<br />

ganz klar dafür, dass man einem<br />

Kind zeigt, wenn es etwas gut gemacht<br />

hat. Wie beispielsweise durch<br />

ein ehrlich gemeintes Lob. Umgekehrt<br />

soll Fehlverhalten Konsequenzen<br />

haben. Diese dürfen aber nicht<br />

so stark sein, dass das Kind nicht die<br />

Chance erhält, es nochmals zu versuchen<br />

und selbst lernen zu können.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Wenn ein Kind sich weigert, den<br />

Computer auszuschalten, ist die<br />

logische Konsequenz, dass seine Zeit<br />

am Computer für eine Weile gestrichen<br />

wird. Danach soll das Kind<br />

aber wieder an das Gerät dürfen und<br />

die Gelegenheit erhalten, zu lernen,<br />

den Computer selbst abzustellen,<br />

wenn die ausgemachte Zeit abgelaufen<br />

ist.<br />

Worauf sollten Eltern im Streit mit<br />

ihren Kindern besonders achten?<br />

Beide Parteien müssen die Möglichkeit<br />

haben, ihre Empfindungen mitzuteilen.<br />

Es geht nämlich oft nicht<br />

um reine Tatsachen – ob man nun<br />

eine halbe Stunde mehr oder weniger<br />

am Handy spielt, ist irrelevant<br />

–, sondern um Ängste und Empfindungen.<br />

Da haben die Eltern auch<br />

die Pflicht, die Kinder miteinzubeziehen,<br />

nachzufragen, was ihre Beweggründe<br />

sind. Kinder haben ein<br />

sehr starkes Ungerechtigkeitsempfinden<br />

und fühlen sich oft unverstanden.<br />

Da muss man Kompromisse<br />

suchen.<br />

Führt das nicht zu stundenlangen<br />

Diskussionen?<br />

Grundsätzlich sollten Diskussionen<br />

nicht ewig dauern. Das frustriert<br />

und oft werden dieselben Argumente<br />

wieder und wieder ins Spiel ge ­<br />

30 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

bracht. Wenn man zu keinem Kompromiss<br />

kommt, darf man als<br />

Mutter oder Vater nochmals darüber<br />

nachdenken und dann einen<br />

begründeten Entscheid fällen – auch<br />

wenn der nicht im Sinn des Kindes<br />

ist. Das Kind sollte jedoch verstehen,<br />

warum die Eltern diesen Entscheid<br />

fällen. Grundsätzlich gilt: Entscheidungen<br />

dürfen auch revidiert und<br />

angepasst werden, wenn sich die<br />

Sachlage ändert.<br />

Wie oft ist Streit in der Familie normal?<br />

Das ist sehr unterschiedlich und<br />

kommt auch auf die Temperamente<br />

der Familienmitglieder an.<br />

Es ist also auch normal, wenn es täglich<br />

kracht?<br />

In gewissen Phasen schon, gerade<br />

mit Teenagern.<br />

Hat Streit auch positive Aspekte?<br />

Absolut. Kinder – und Eltern auch<br />

– lernen, verschiedene Ansichten zu<br />

akzeptieren und Kompromisse zu<br />

finden. Und aus der Paar-Forschung<br />

weiss man, dass Beziehungen, die<br />

Krisen überstanden haben und in<br />

denen Konflikte gelöst worden sind,<br />

besonders stabil sind.<br />

Verhindert eine möglichst autoritäre<br />

Erziehung Konflikte?<br />

Nein. Autoritäre Erziehung bedeutet,<br />

dass die Kinder nicht miteinbezogen<br />

werden. Das ermöglicht keinen<br />

Austausch. Starre Regeln und<br />

Verbote führen dazu, dass Kinder<br />

Dinge heimlich und ohne elterliche<br />

Begleitung ausprobieren. Konflikte<br />

werden nicht ausgetragen. Kinder<br />

lernen verborgene Strategien.<br />

Wie sieht es umgekehrt bei einer antiautoritären<br />

Erziehung aus?<br />

Das würde im Extremfall heissen,<br />

dass die Kinder entscheiden. Aber<br />

Kinder müssen und wollen Grenzen<br />

spüren. Sie brauchen Reibung und<br />

ein Visavis, das sich mit ihnen auseinandersetzt.<br />

Sie sollen ernst genommen<br />

werden, müssen aber lernen,<br />

andere auch ernst zu nehmen.<br />

Sollen Konflikte immer aktiv gelöst<br />

werden oder kommt es vor, dass sie<br />

sich von selbst auflösen?<br />

Man muss nicht jede Kleinigkeit von<br />

A bis Z durchdiskutieren und darüber<br />

streiten. Ich rate zu mehr Ge ­<br />

lassenheit: Was kann schon passieren,<br />

wenn das Kind im Winter in<br />

Turnschuhen in die Schule geht? Es<br />

wird selbst merken, dass es kalte<br />

Füsse kriegt.<br />

«Aus der Forschung weiss<br />

man: Familien, die Krisen<br />

überstanden haben, sind<br />

besonders stabil.»<br />

Annette Cina<br />

Dr. phil., ist Oberassistentin am Institut für<br />

Familienforschung der Universität Freiburg.<br />

Sie forscht in den Bereichen Prävention<br />

von kindlichen Verhaltungsstörungen,<br />

Kindererziehung und Elternberatung, Stress<br />

und Coping, Evaluation von<br />

Präventions programmen sowie Scheidung.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Hausaufgaben<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

Hausaufgaben machen die Klugen klüger und<br />

die Dummen dümmer. Hausaufgaben fördern die<br />

Eigenverantwortung der Kinder. Hausaufgaben<br />

machen Sinn – Hausaufgaben sind der grösste<br />

Unsinn. Die grosse Debatte – in der April-Ausgabe.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>31


Monatsinterview<br />

«Eltern, holt euch Hilfe!»<br />

Drohen, Erpressen, Demütigen – im Familienalltag können nicht nur Ohrfeigen Kinder<br />

verletzen. Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Minderjährige,<br />

sagt der Psychologe und Heilpädagoge Franz Ziegler. Der Kinderschutzexperte über<br />

ein Phänomen, das schwer einzugrenzen ist, aber quasi jede Familie betrifft.<br />

Interview: Evelin Hartmann Bilder: Ruben Wyttenbach / 13 Photo<br />

Der Weg zu Franz Ziegler führt vorbei<br />

am Kindergarten und der Dorfschule.<br />

Kindergeschrei, dann wieder Stille.<br />

Noch schnell die Dorfstrasse<br />

überqueren, und man steht vor<br />

einem schneeweissen Haus, dahinter<br />

grasen Kühe und Schafe. «Sie haben<br />

es aber schön hier!», sage ich, als die<br />

Tür aufgeht. Franz Ziegler lächelt:<br />

«Nicht wahr? In Zäziwil scheint seit<br />

Monaten die Sonne.»<br />

Herr Ziegler, eine Mutter, total<br />

gestresst, sagt im Zorn zu ihrer<br />

kleinen Tochter: «Manchmal würde<br />

ich dich am liebsten verkaufen!»<br />

Da hat die Mutter ihre Tochter ge ­<br />

schlagen, würde ich sagen.<br />

Geschlagen?<br />

Ja, mit Worten. Verbale Gewalt ist<br />

die typischste Form von psychischer<br />

Gewalt. Deshalb spricht man auch<br />

von Wortschlägen.<br />

Wie definiert man generell psychische<br />

oder seelische Gewalt an Kindern?<br />

Das ist ein sehr komplexes und weites<br />

Thema. Psychische Gewalt kann<br />

von einem einfachen Nebensatz wie<br />

«Kapierst du das eigentlich nie?» bis<br />

zum verbalen Treiben in den Selbstmord<br />

führen: «Ich wünschte, du<br />

wärst tot.» Das wichtigste Merkmal<br />

von psychischer Gewalt ist, dass<br />

Eltern ihrem Kind das Gefühl von<br />

Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit<br />

vermitteln, sei es durch Drohen,<br />

Erpressen, Lächerlichmachen, Demütigen,<br />

Isolieren, Ignorieren oder<br />

auch permanente Schuldzuweisungen.<br />

«Mit dem Kind<br />

nicht mehr zu<br />

reden, ist eine<br />

Form der<br />

Erpressung.»<br />

Selbstvertrauens und das Vertrauen<br />

in andere zu untergraben anfange,<br />

reden wir von psychischer Gewalt.<br />

Mit dem Kind nicht mehr zu reden<br />

beziehungsweise ihm zu vermitteln,<br />

ich lieb dich nur, wenn dein Zimmer<br />

aufgeräumt ist, und trete auch erst<br />

dann wieder in sozialen Kontakt mit<br />

dir, ist eine Form von Erpressung.<br />

Und wenn sich die Mutter nur zurückzieht,<br />

um am Ende nicht die Fassung<br />

zu verlieren?<br />

Das ist eine andere Situation. Es ist<br />

ein Unterschied, ob sich eine Mutter<br />

ein Timeout von zehn Minuten<br />

nimmt, dieses auch als solches deklariert,<br />

um dann wieder ruhiger mit<br />

dem Kind sprechen zu können, oder<br />

ob sie beharrlich schweigt und jeden<br />

Versuch des Kindes, wieder mit ihr<br />

in Kontakt zu treten, boykottiert.<br />

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Eine<br />

13-Jährige kommt wiederholt mit<br />

schlechten Noten nach Hause, am<br />

Nachmittag möchte sie mit ihren<br />

Freundinnen reiten gehen. «Lern du<br />

erst einmal vernünftig rechnen, so<br />

blöd wie du kann man doch gar nicht<br />

sein», macht ihr Vater ihren Freizeit-<br />

Ein Fünfjähriger will sein Zimmer nicht<br />

aufräumen, die Mutter redet auf ihn<br />

ein, nichts passiert. Irgendwann sagt<br />

sie gar nichts mehr. Auch auf die verunsicherte<br />

Nachfrage des Kindes hin,<br />

«Mama, was ist denn?», schweigt sie<br />

beharrlich. Kann man in diesem Fall<br />

von seelischer Gewalt sprechen?<br />

Auf jeden Fall. In dem Moment, in plan zunichte. Was tut er mit diesem<br />

dem ich die Entwicklung seines Satz seiner Tochter an? >>><br />

Franz Ziegler<br />

beschäftigt sich<br />

schon seit über<br />

25 Jahren mit<br />

Kinderschutz.<br />

Er studierte<br />

Heilpädagogik<br />

und Psychologie.<br />

32 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


33


Monatsinterview<br />

Eltern sollten sich<br />

vernetzen, um sich<br />

auszutauschen und<br />

Hilfe in Anspruch<br />

nehmen zu können,<br />

sagt Franz Ziegler.<br />

>>> Er stellt sie bloss, erniedrigt<br />

sie, unterwandert die Entwicklung<br />

eines gesunden Selbstbewusstseins<br />

und Selbstwertgefühls. Ein grosses<br />

Problem bei psychischer Gewalt sind<br />

Dinge, die ein Kind immer und<br />

immer wieder zu hören bekommt.<br />

Ein Kind kann unter diesen Umständen<br />

kein gesundes Vertrauen in sich<br />

selbst und in andere gewinnen. Das<br />

ist ja klar. Es hört permanent: Du bist<br />

nichts und du wirst auch nichts werden.<br />

Also kommt es auf die Häufigkeit<br />

dieser Äusserungen beziehungsweise<br />

Handlungen an?<br />

Nein, schon beim ersten Mal handelt<br />

es sich um Gewalt. Das gilt genauso<br />

für eine Ohrfeige, also körperliche<br />

Gewalt. Und wenn wir grundsätzlich<br />

etwas am Ausmass der ausgeübten<br />

Gewalt an Kindern ändern wollen,<br />

müssen wir diese Tatsache akzeptieren.<br />

Nicht die möglichen Folgen sind<br />

entscheidend, sondern die Handlung<br />

selbst. Die Tat an sich ist ein Ausdruck<br />

von Gewalt und insofern verurteilenswert.<br />

34 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Welches sind denn die möglichen Folgen<br />

seelischer Gewalt?<br />

Diese können sehr vielfältig sein und<br />

umfassen beispielsweise das ganze<br />

Spektrum psychischer Störungen,<br />

aggressives oder depressives Verhalten,<br />

Drogen- oder Alkoholmissbrauch.<br />

Ein Kind, das über Jahre<br />

kleingehalten wurde, kann kein<br />

gesundes Selbstbewusstsein entwickeln.<br />

Dies wiederum führt zu<br />

Beziehungsproblemen, sozialen Problemen.<br />

Oder die kognitive Entwicklung<br />

des Kindes wird beeinträchtigt,<br />

weil es den Kopf nicht frei hat für<br />

intellektuelle Leistungen. Es entwickelt<br />

massive Schulprobleme. Und<br />

klar ist, wenn man einem Kind Ge -<br />

walt antut, dann lernt es primär eins:<br />

Gewalt. Das Kind imitiert die Eltern.<br />

Es wird ein Lernprozess in Gang<br />

gesetzt.<br />

Wie machen es diese Kinder später<br />

mit ihren eigenen Kindern?<br />

Da gibt es diejenigen, die bewusst<br />

oder unbewusst auf die eigene Kindheit<br />

zurückblicken und das, was sie<br />

selbst erlebt haben, so weitergeben.<br />

Und es gibt die anderen, die aus<br />

Überzeugung genau das Gegenteil<br />

machen. Die sagen, ich werde meine<br />

Kinder niemals so erziehen, wie ich<br />

selbst erzogen wurde! Dazwischen<br />

gibt es viele Varianten.<br />

Ist jedes Kind, dem psychisches Leid<br />

angetan wird, gleichermassen stark<br />

betroffen?<br />

Die Verletzlichkeit ist von Kind zu<br />

Kind sehr unterschiedlich. Und<br />

damit auch die Eigenschaft der Resilienz,<br />

der psychischen und physischen<br />

Widerstandsfähigkeit, Dinge<br />

auszuhalten. Es gibt Kinder, die<br />

zehn, zwölf Jahre schlimmsten Psychoterrors<br />

ausgesetzt sind und die<br />

trotzdem eine unglaubliche Selbstbehauptung,<br />

ein Selbstbewusstsein<br />

entwickeln. Das sind Kinder, denen<br />

«Wenn man einem<br />

Kind Gewalt antut,<br />

lernt es primär<br />

eins: Gewalt.»<br />

kann man einen Felsbrocken in den<br />

Weg legen und sie kommen drum<br />

herum, anderen legt man einen Kieselstein<br />

in den Weg und sie stolpern<br />

darüber.<br />

Da sprechen Sie von Extremfällen.<br />

Trotzdem, das Leben mit Kindern kann<br />

sehr fordernd sein, einen manches<br />

Mal an seine Grenzen bringen. Da passiert<br />

es doch wahnsinnig schnell, dass<br />

«Klar ist:<br />

Psychische Gewalt<br />

ist die häufigste<br />

Form von Gewalt.»<br />

einem in einer Stresssituation eine<br />

unüberlegte Bemerkung herausrutscht.<br />

Absolut. Wie oft das passiert, wissen<br />

wir leider nicht. Es gibt keine aussagekräftigen<br />

Erhebungen beziehungsweise<br />

Untersuchungen. Es ist<br />

sehr schwer abzugrenzen, wo psychische<br />

Gewalt anfängt und wo sie<br />

endet. Klar ist aber: Psychische<br />

Gewalt ist die häufigste Form von<br />

Gewalt, da sie sowohl in physischer<br />

und sexueller Gewalt impliziert ist<br />

als auch alleine vorkommen kann.<br />

Sie beschäftigen sich beruflich schon<br />

über ein Vierteljahrhundert mit Kindern<br />

und Jugendlichen. Dabei sind<br />

Ihnen sicher einige Fälle von psychischer<br />

Gewalt begegnet.<br />

Ja, sehr viele und auch unterschiedliche.<br />

Doch häufig lässt sich ein solches<br />

elterliches Verhalten in Scheidungssituationen,<br />

besonders bei<br />

Kampfscheidungen, beobachten.<br />

Oder in Familien, in denen ein oder<br />

beide Elternteile psychisch erkrankt<br />

sind. In beiden Situationen sind die<br />

Eltern derart mit sich selbst beschäftigt,<br />

dass sie für die Anliegen und<br />

Bedürfnisse der Kinder nicht offen<br />

sind. Ihnen fehlt die Sensibilität<br />

gegenüber den Kindern oder sie instrumentalisieren<br />

die Kinder für ihre<br />

eigenen Anliegen. Kinder werden<br />

dann oft auch in eine Erwachsenenrolle<br />

gedrängt und müssen quasi für<br />

einen Elternteil sorgen – physisch<br />

und psychisch.<br />

Können Sie uns ein Beispiel nennen?<br />

Ein 12-jähriger Junge, integriert und<br />

aktiv, zieht sich plötzlich zurück,<br />

bleibt dem geliebten Training im<br />

Fussballklub fern, entwickelt körperliche<br />

Symptome wie Entzün- >>><br />

35


Monatsinterview<br />

>>> dungen und Schmerzen ohne trauen aufzubauen. Ihre Eltern<br />

medizinisch erkennbare Ursachen,<br />

trifft sich in der Freizeit nicht mehr<br />

mit seinen Freunden. Wie sich herausstellt,<br />

ist seine Mutter psychisch<br />

erkrankt und hat ihren Sohn an sich<br />

gebunden. Er muss die Rolle eines<br />

Pflegenden und Verpflegenden übernehmen<br />

und verliert dadurch die<br />

Möglichkeit, noch Kind sein zu können.<br />

Ein anderer Junge meldet sich<br />

per E-Mail und schreibt, dass er es<br />

nicht mehr aushalte zu Hause. Seine<br />

Mutter schreie ihn mindestens einmal<br />

wöchentlich «den ganzen<br />

Abend» an, werfe ihm vor, wie böse<br />

und undankbar er sei. Sie wecke ihn<br />

nachts auf und verletze fortlaufend<br />

seine Privatsphäre.<br />

In welchen Fällen müssen die Behörden<br />

eingreifen?<br />

Immer dann, wenn das Kindeswohl<br />

gefährdet ist und die Eltern nicht<br />

fähig beziehungsweise nicht willens<br />

sind, an ihrem Verhalten beziehungsweise<br />

der Gefährdungssituation<br />

etwas zu ändern.<br />

Haben Sie ein konkretes Beispiel?<br />

Ich erinnere mich an eine 15-Jährige,<br />

die sich selbst an den Sozialdienst<br />

gewandt hat, weil sie es zu Hause<br />

nicht mehr ausgehalten hat. Ihre<br />

Mutter, in der Trennung zum Vater<br />

lebend, sagte Dinge zu ihr wie:<br />

haben nie eine Beziehung zu ihrem<br />

Kind aufbauen können oder wollen.<br />

Was ist mit ihr passiert?<br />

Die Behörden haben entschieden,<br />

dass das Mädchen in einer betreuten<br />

Wohngruppe platziert werden soll.<br />

Alle Beteiligten haben dem zugestimmt.<br />

Wie erkennen Sie einen Fall von psychischer<br />

Gewalt?<br />

Wir sind vor allem auf die Aussagen<br />

von Eltern und Kindern angewiesen.<br />

«Mein Mami sagt, dass sie mich lieber<br />

nie geboren hätte.» Es gibt Eltern,<br />

die so etwas völlig unbedarft vor<br />

Zeugen aussprechen. Im Rahmen<br />

von Untersuchungen wurde festgestellt,<br />

dass in Misshandlungsfamilien<br />

weniger kommuniziert wird und,<br />

wenn kommuniziert wird, oftmals<br />

negativ. Und in einem Umfeld, wo<br />

Beleidigungen und Schimpfwörter<br />

zum Standard der Kommunikation<br />

gehören, werden Beschimpfungen<br />

auch eher ausserhalb der eigenen<br />

vier Wände geäussert.<br />

Sie sprachen gerade von typischen<br />

Missbrauchsfamilien …<br />

... so einfach ist das leider nicht. So<br />

vielfältig die Formen und Ausprägungen<br />

von psychischer Gewalt sind,<br />

so vielfältig sind auch die Familien.<br />

Das können Eltern mit niedrigem<br />

Bildungshintergrund sein, Mütter<br />

oder Väter mit einer psychischen<br />

«Das können Eltern<br />

Krankheit oder einem Suchtproblem.<br />

Es können aber auch Eltern<br />

wie Sie und ich sein,<br />

wie Sie und ich sein, die manchmal<br />

die in Situationen<br />

in Situationen von Stress, Überforderung<br />

an ihre Grenzen kommen.<br />

von Stress an ihre<br />

Die aus einer Enttäuschung heraus<br />

Grenzen kommen.»<br />

eine Äusserung machen und danach<br />

denken: «Oh nein, so etwas willst du<br />

«Wenn du nicht mehr leben würdest,<br />

hätten wir kein Problem mehr.» Die<br />

Jugendliche wurde für das zerrüttete<br />

Verhältnis der Eltern verantwortlich<br />

gemacht. Dass sie Hilfe und Unterstützung<br />

nötig hatte, war naheliegend.<br />

Jemand, der dem Teenager ein<br />

Umfeld bieten konnte, das ihm half,<br />

die Verletzungen zu verarbeiten und<br />

das Selbstbewusstsein und Selbstverdoch<br />

eigentlich gar nicht sagen!» So<br />

wie es auch in der Kommunikation<br />

unter Erwachsenen passieren kann.<br />

Nur darf man dann nicht, weil es sich<br />

beim Gegenüber um ein Kind handelt,<br />

einfach darüber hinwegsehen.<br />

Kann man das Gesagte zurücknehmen,<br />

sich entschuldigen?<br />

Ja, unbedingt. «Sorry, es tut mir leid.<br />

Jetzt habe ich wieder etwas total<br />

Unüberlegtes gesagt.» Aber dann<br />

lassen Sie es auch darauf bewenden.<br />

Diese Dinge passieren fast jeder<br />

Mutter oder jedem Vater mal. Davor<br />

ist keiner gefeit.<br />

«Mehr Fantasie<br />

im Umgang mit<br />

Kindern würde<br />

vielen guttun.»<br />

Und was können Eltern tun, damit es<br />

erst gar nicht so weit kommt?<br />

Wenn man merkt, dass es auf eine<br />

Eskalation zuläuft: sich zurücknehmen,<br />

ein Timeout nehmen, nachdenken<br />

und schauen, was man<br />

anders machen kann, um die Situation<br />

zu einem guten Ende zu bringen.<br />

Es gibt nur sehr wenige Situatio<br />

nen, in denen man unmittelbar<br />

handeln muss. Doch nicht selten<br />

beharren Eltern auf ihren Erziehungsmustern.<br />

Und das sind jahrhundertealte,<br />

unkreative Muster.<br />

Mehr Fantasie im Umgang mit Kindern<br />

würde vielen Familien guttun.<br />

Darüber hinaus sollte man sich<br />

immer wieder fragen: Möchte ich<br />

wirklich so behandelt werden, wie<br />

ich mein Kind gerade behandle? Ein<br />

Kind ist kein Objekt, sondern ein<br />

Subjekt mit Rechten und einem<br />

Anrecht auf Integrität.<br />

Ich persönlich finde es immer hilfreich,<br />

in extremen Stresssituationen<br />

mit den Kindern an meinen Partner zu<br />

übergeben: «Mach du das bitte, ich<br />

explodiere gleich.» Er ist in diesem<br />

Moment vielleicht entspannter und<br />

kann mit der Konfliktsituation gelassener<br />

umgehen. Aber was machen<br />

Eltern, die diese Möglichkeit nicht<br />

haben, weil sie beispielsweise alleinerziehend<br />

sind?<br />

Ein altes Postulat von mir ist die<br />

Nachbarschaftshilfe. Warum schotten<br />

wir uns, wenn es um Erziehungsfragen<br />

geht, nach aussen hin so ab?<br />

Warum tun wir uns so schwer, über<br />

Erziehungsprobleme zu reden? Es ist<br />

36 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


so wichtig, dass eine Mutter bei der<br />

Nachbarin klingeln und fragen kann,<br />

ob sie ihr die Kinder mal für eine<br />

Stunde abnehme. Eltern sollten das<br />

formelle Netzwerk, bestehend aus<br />

Beratungsstellen, Kursangeboten<br />

und so weiter, ebenso in Anspruch<br />

nehmen wie das informelle: die eigenen<br />

Eltern, Geschwister, Freunde,<br />

Nachbarn. Aber dafür muss man erst<br />

einmal das Bewusstsein dafür schaffen,<br />

dass Hilfe annehmen kein Zeichen<br />

von Schwäche, sondern von<br />

Stärke ist.<br />

Um noch einmal auf den Beginn unseres<br />

Gesprächs zurückzukommen: Das<br />

Mädchen, das verkauft werden sollte,<br />

ist heute erwachsen. Die Szene ist ihr<br />

gut im Gedächtnis geblieben, trotzdem<br />

zweifelt sie keine Sekunde daran,<br />

dass ihre Mutter sie damals wie heute<br />

über alles geliebt hat beziehungs weise<br />

liebt.<br />

Ja, das ist die gute Nachricht. Nur<br />

weil man sein Kind mal psychisch<br />

verletzt, entwickeln sich daraus nicht<br />

notwendigerweise Probleme und<br />

Störungen. Wenn es spürt, okay, jetzt<br />

hat meine Mama die Fassung verloren,<br />

aber grundsätzlich weiss, sie<br />

liebt mich über alles, dann kann es<br />

ein Urvertrauen entwickeln, auf dessen<br />

Boden es so etwas gut verarbeiten<br />

kann. Wenn solche Szenen<br />

jedoch immer wieder und wieder<br />

vorkommen, gelingt dies irgendwann<br />

nicht mehr.<br />

>>><br />

Evelin Hartmann, stellvertretende Chefredaktorin von Fritz+Fränzi, im<br />

Gespräch mit dem Psychologen und Heilpädagogen Franz Ziegler.<br />

Zur Person<br />

Franz Ziegler studierte Heilpädagogik und Psychologie und leitete drei Jahre ein<br />

Kinderheim. Von 1990 bis 2006 war er Geschäftsleiter der nationalen Stiftung<br />

Kinderschutz Schweiz. Anschliessend leitete er die Fachstelle Kinderschutz im<br />

Kanton Solothurn, die Ende 2015 geschlossen wurde. Heute leitet der<br />

Kinderschutzexperte die Fachstelle Kindes- und Jugendschutz des Kantons<br />

Basel-Landschaft. Franz Ziegler ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>37


Psychologie & Gesellschaft<br />

«Papa, ich will dich<br />

nicht mehr sehen»<br />

Wenn sich Eltern trennen, bedeutet dies eine grundlegende Veränderung für alle. Nicht jede<br />

Familie findet ohne Hilfe zu einem Umgang, mit dem jedes Familienmitglied glücklich ist.<br />

Manchmal wenden sich Kinder sogar ab von einem Elternteil. Unsere Autorin weiss warum –<br />

und wer im Konfliktfall helfen kann. Text: Gisela Kilde<br />

Nicht die Symptome, der<br />

Kontaktabbruch, sondern<br />

die Ursachen müssen<br />

angegangen werden.<br />

Die Trennung der<br />

Eltern stellt für Kinder<br />

und Jugendliche<br />

ein kritisches Le ­<br />

bensereignis dar.<br />

Welches im besten Fall zu einer<br />

ruhigeren, konfliktfreieren Familie<br />

führt. Meist bedeutet es aber, dass<br />

das Leben komplizierter wird. Das<br />

Hin und Her zwischen zwei Wohnorten<br />

ist aufwendig. Dadurch verändert<br />

sich das Leben der Kinder und<br />

Jugendlichen. Auch die Beziehung<br />

zu den Eltern verändert sich.<br />

In vielen Familien wird nicht<br />

nach der vom Gericht oder von der<br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

KESB vorgesehenen Besuchsordnung<br />

gelebt. Vielmehr organisieren<br />

beide Eltern die Betreuung oder<br />

die Besuche und Ferien des Kindes<br />

flexibel – je nach den sich ändernden<br />

Bedürfnissen der Familienmitglieder.<br />

Allerdings haben viele Kinder<br />

zu einem der beiden Elternteile<br />

keinen regelmässigen Kontakt. Manche<br />

von Anfang an nicht, in anderen<br />

Fällen kommt der Kontakt nach<br />

einiger Zeit zum Erliegen.<br />

Verschiedene Ursachen können<br />

zu einem solchen Kontaktabbruch<br />

führen. Ein Beispiel: Moritz, 16 Jahre,<br />

lebt seit der Trennung der Eltern<br />

bei der Mutter. Seit Monaten weigert<br />

er sich, den Vater zu besuchen. Wie<br />

kann es dazu kommen? Zeigt der<br />

Vater kein Interesse an Moritz oder<br />

passt er die Besuche nicht Moritz’<br />

Interessen und Bedürfnissen an,<br />

kann dies beim Buben zu einer Verweigerungshaltung<br />

führen.<br />

Andererseits kann auch das Verhalten<br />

der Mutter bei ihrem Sohn<br />

das Gefühl auslösen, er solle sich für<br />

eine (ihre) Seite entscheiden. Sei es,<br />

indem sie auf Moritz’ Besuche beim<br />

Vater negativ reagiert, sei es, indem<br />

sie in Anwesenheit ihres Sohnes<br />

über den Vater schimpft. So sind bei<br />

jüngeren Kindern oftmals weiterschwelende<br />

Paarkonflikte Grund für<br />

Kontaktschwierigkeiten.<br />

Aufgrund der lebenslangen Be ­<br />

deutung, die rechtliche Eltern für<br />

ihre Kinder haben, versuchen Ge ­<br />

richte und Kindesschutzbehörden<br />

den Kontakt aufzubauen und zu<br />

erhalten.<br />

Eine gute Beziehung kann nicht<br />

erzwungen werden<br />

In der Vergangenheit wurde bei einseitigem<br />

Verweigern der Besuche die<br />

Besuchsrechtsregelung erzwungen,<br />

indem die Polizei das Kind dem<br />

besuchsberechtigten Elternteil zuführte.<br />

Heute bestehen zwar immer<br />

noch gesetzliche Grundlagen, die ein<br />

Erzwingen des persönlichen Umgangs<br />

miteinander ermöglichen<br />

würden. Doch gute Beziehungen<br />

können nicht mit Zwang erreicht<br />

werden, weshalb ein solches Handeln<br />

nicht dem Kindeswohl entspricht.<br />

Allenfalls wird bei ungerechtfertigter<br />

Besuchsverweigerung<br />

mittels Strafgesetzbuch eine Busse<br />

angedroht und bei Nichtbefolgen<br />

auch ausgesprochen.<br />

38 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Bild: iStockphoto<br />

In den letzten Jahren hat sich aber<br />

mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt,<br />

nicht die Symptome, den<br />

Kontaktabbruch, anzugehen, sondern<br />

die dahinterstehenden Ursachen.<br />

So können Eltern durch die<br />

zuständige Behörde angewiesen<br />

werden, eine Beratung aufzusuchen.<br />

Diese Massnahme ist besonders<br />

dann sinnvoll, wenn ein Elternteil<br />

Schwierigkeiten in kindgerechter<br />

Betreuung oder in der altersgemässen<br />

Erziehung hat. In der Beratung<br />

wird beiden Eltern aufgezeigt, dass<br />

sich ihre fortdauernden Paarkonflikte<br />

schädigend auf die Kinder auswirken.<br />

In einer Mediation können<br />

konkrete und punktuelle Konflikte<br />

gelöst werden.<br />

Verweigert ein Jugendlicher wie<br />

Moritz die Besuche, kann direkt zwischen<br />

ihm und seinem Vater eine<br />

Mediation angeordnet werden. Bei<br />

schwerwiegenden Beziehungsproblemen<br />

zwischen Kind und Elternteil<br />

oder schädigendem elterlichem<br />

Verhalten kann eine (Familien-)<br />

Therapie in Frage kommen.<br />

Bei jüngeren Kindern steht der<br />

hauptsächlich betreuende >>><br />

Eltern können durch die<br />

Behörde angewiesen werden,<br />

eine Beratung aufzusuchen.<br />

Was tun bei einem Kontaktabbruch?<br />

• Um einen Kontakt zwischen Jugendlichen und Eltern<br />

wiederher zustellen, ist nach den Ursachen des<br />

Kontakt abbruchs zu forschen, um bei den Beteiligten eine<br />

innere Haltungsänderung erreichen zu können.<br />

• Bei Paarkonflikten kann eine Beratung, eine Mediation oder<br />

eine Therapie angeordnet werden. Mit dem Ziel, durch<br />

Informationsvermittlung, Konfliktlösung respektive<br />

eine Änderung des schädlichen Verhaltens die Ursachen<br />

des Kontaktabbruchs zu beseitigen. Und die Situation für<br />

die Kinder zu verbessern.<br />

• Verweigern Jugendliche den Kontakt, ist die<br />

Besuchsrechts regelung entsprechend ihren geänderten<br />

Bedürfnissen abzuändern. Allenfalls hilft eine Mediation<br />

direkt zwischen Jugendlichem und Elternteil, eine passende<br />

Lösung zu finden.<br />

• Haben Jugendliche eigene schlechte Erfahrungen mit<br />

dem Elternteil gemacht oder sind sie beinahe volljährig,<br />

bleibt unter Umständen der Kontakt abgebrochen. In<br />

diesen Fällen können Erinnerungskontakte helfen, einen<br />

minimalen Informationsaustausch zwischen Elternteil<br />

und Jugendlichen herzustellen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>39


Psychologie & Gesellschaft<br />

In Fragen, die das Kind<br />

betreffen, sind Eltern zu<br />

gegenseitiger Loyalität und<br />

Kooperation verpflichtet.<br />

>>> Elternteil, in unserem Beispiel<br />

also die Mutter, in der besonderen<br />

Pflicht, für die Ausübung der Besuche<br />

zu sorgen. Durch erzieherische<br />

Mittel und Motivation kann sie tatsächlich<br />

Entscheidendes bewirken.<br />

Bei Moritz, dem 16-jährigen Jungen,<br />

wird es jedoch schwierig, ihn gegen<br />

seinen ausdrücklichen Willen zum<br />

Besuch beim Vater zu bewegen.<br />

Brechen Jugendliche nahe der<br />

Volljährigkeit den Kontakt ab, verzichten<br />

Behörden meistens auf die<br />

Regelung von Besuchs- und Ferienrecht.<br />

In einem Fall hat das Zürcher<br />

Obergericht als Besuchsregelung<br />

gemeinsame Mittag- und Abendessen<br />

angeordnet. Das Bundesgericht<br />

hat diesen Entscheid gestützt.<br />

Unter gewissen Umständen können<br />

sogenannte Erinnerungskontakte<br />

zwischen Jugendlichen und<br />

Elternteil dazu dienen, einen minimalen<br />

Kontakt aufrechtzuerhalten.<br />

Mit Hilfe einer Fachperson wird bei<br />

ge meinsamen Treffen für einen<br />

gegenseitigen ungefilterten Informationsaustausch<br />

gesorgt.<br />

Um Kontaktschwierigkeiten oder<br />

gar einen Abbruch des Kontakts zu<br />

vermeiden, ist das Verhalten unmittelbar<br />

nach der Trennung entscheidend:<br />

In Fragen, die das Kind betreffen,<br />

sind Eltern zu gegenseitiger<br />

Loyalität, Kommunikation und<br />

Kooperation verpflichtet. Dies verlangt<br />

eine gewisse Toleranz gegenüber<br />

dem Erziehungsstil des anderen<br />

Elternteils. Ebenso haben sie ihre<br />

Konflikte von ihrem Kind fernzuhalten.<br />

Im Idealfall kann bei der Trennung<br />

an die bisherige Familienorganisation<br />

angeknüpft werden.<br />

Bleiben Vater und Mutter nahe<br />

beieinander wohnen, kann beispielsweise<br />

der Vater das Kind (weiterhin)<br />

in den Kindergarten oder zum Fussballtraining<br />

begleiten. Gemeinsame<br />

Mittag- oder Abendessen bleiben<br />

ebenfalls möglich.<br />

Auch für Elternteile, die bislang<br />

nicht aktiv am (Alltags-)Leben des<br />

Kindes teilgenommen haben, kann<br />

die Übernahme einer solchen Verantwortung<br />

die Teilnahme am täglichen<br />

Leben des Kindes ermöglichen.<br />

Das Kind selber wünscht sich mit<br />

zunehmendem Alter oft eine gewisse<br />

Flexibilität. In solchen Fällen ist<br />

«Alles,<br />

was die Berge<br />

uns geben ...<br />

... kann man in<br />

unserer Milch<br />

auch schmecken.»<br />

Judith, Pro Montagna Milchbäuerin<br />

Seit Jahren produziert die Familie von Judith im Goms Bergmilch. Von Kühen, die ein vielseitiges Futter aus aromatischen Gräsern und Kräutern<br />

erhalten. So entsteht ein typisches Pro Montagna Produkt. Damit dies so weitergeht, fliesst auch in Zukunft bei jedem Kauf ein Solidarbeitrag an die<br />

Coop Patenschaft für Berggebiete. coop.ch/promontagna<br />

40 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Von den Bergen.<br />

Von den Bauern.


es einfacher, wenn die Eltern Hand<br />

für flexible Besuchszeiten bieten.<br />

Handelt es sich um Wochenendbesuche,<br />

sollten die Interessen des<br />

Kindes in die Planung mit einfliessen.<br />

Weiter kann eine bewusste Planung<br />

des Wochenendes mit vorgängiger<br />

Information aller Beteiligten<br />

helfen, allfällige Ängste des hauptsächlich<br />

betreuenden Elternteils zu<br />

vermindern.<br />

>>><br />

Gisela Kilde<br />

Dr. iur., ist Koordinatorin und<br />

Lehrbeauftragte am Institut für<br />

Familienforschung und -beratung,<br />

Universität Freiburg.<br />

Die Betreuung im Trennungsfall<br />

• Bei der gemeinsamen elterlichen Sorge<br />

verfügen beide Elternteile über Betreuungs -<br />

anteile; diese können grundsätzlich beliebig<br />

unter den Eltern verteilt werden. Leitlinie<br />

bildet dabei das Kindswohl. In den meisten<br />

Familien gibt es aber einen hauptsächlich<br />

betreuenden Elternteil und einen, der<br />

ergänzend das Kind betreut.<br />

• Betreuen beide Eltern das Kind im ähnlichen<br />

Umfang, wird von alternierender Obhut<br />

gesprochen.<br />

• Liegt die alleinige Sorge vor, steht dem<br />

anderen Elternteil ein persönlicher Verkehr<br />

zu, der typischerweise aus einem Besuchsund<br />

Ferienrecht besteht. Auch diese Besuche<br />

können so ausgestaltet werden, dass es de<br />

facto zu einer hälftigen Betreuungszeit führt.<br />

Viel Geschmack, viele Vitamine.<br />

Unterstützt Kinder<br />

ab 4 Jahren bei ihrer<br />

körperlichen und<br />

geistigen Entwicklung.<br />

Fragen Sie nach einem<br />

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N E U<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

4 OHNE KONSERVIERUNGSMITTEL<br />

4 OHNE GLUTEN<br />

März <strong>2017</strong>41<br />

4 OHNE LACTOSE<br />

Bitte lesen Sie<br />

den Packungstext.<br />

<strong>03</strong>17


Psychologie & Gesellschaft<br />

Wenn der Schulweg<br />

zum Problem wird<br />

Wenn der Schulweg nicht bloss eitel Freude bedeutet, kann das<br />

verschiedene Gründe haben. Etwa weil ängstliche Eltern sich mit<br />

Lehrpersonen im Clinch befinden, die erwarten, dass die Kinder<br />

alleine zur Schule kommen. Text: Susan Edthofer<br />

Auf dem Weg zur Schule lernen Kinder eine<br />

Menge und eignen sich in diesem Erlebnis-<br />

und Erfahrungsraum eine gewisse<br />

Eigenständigkeit an. Deshalb sollten<br />

Schulkinder den Weg bald alleine bewältigen,<br />

sind Fachleute überzeugt.<br />

Beim Unterwegssein lernen Kinder, sich selbständig<br />

zu behaupten und Gefahren auf der Strasse selber einzuschätzen.<br />

Auch das Agieren in einer Gruppe und das<br />

Zusammentreffen unterschiedlicher Altersgruppen werden<br />

auf dem Schulweg geübt. Doch zunehmend häufiger<br />

werden Eltern von Ängsten geplagt und be fürchten, dass<br />

ihrem Kind etwas passieren könnte. Und manchmal<br />

spielt auch Bequemlichkeit mit: Es geht schneller, wenn<br />

man das Kind ins Auto packt und direkt vor der Schule<br />

abliefert.<br />

Dass das Kind den Launen anderer Kinder einfach<br />

ausgeliefert ist, beschäftigt Mütter und Väter ebenfalls.<br />

Doch besteht die Lösung wirklich darin, das Kind stattdessen<br />

in die Schule zu begleiten? Vielleicht wird es<br />

gerade deswegen ausgelacht und nicht ernstgenommen.<br />

Viel wichtiger ist, genau hinzuhören, um zu eruieren,<br />

was abläuft. Häufen sich die Vorfälle, sollte die Lehrerin,<br />

der Lehrer informiert werden, damit das Problem in der<br />

Schule angesprochen und Lösungsansätze gesucht werden<br />

können.<br />

Die Sicherheit steht an oberster Stelle<br />

In Städten ist die Gefährlichkeit ein zentrales Thema.<br />

Eltern, die ihr Kind gut auf den Schulweg vorbereiten,<br />

leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit. Je besser<br />

das Kind den Weg kennt und weiss, wo Gefahren lauern<br />

könnten, desto eher ist es gegen Unvorhergesehenes<br />

gewappnet. Diese Gewissheit hilft Eltern, loszulassen<br />

und Kinder alleine loszuschicken.<br />

In ländlichen Gegenden ist die Länge des Weges zentral.<br />

Aufgrund von schwindenden Schülerzahlen werden<br />

Klassen zusammengelegt, was sich natürlich auch<br />

auf die Schulwege auswirkt. Laut Richtlinien des Dachverbandes<br />

Lehrerinnen und Lehrer Schweiz gelten<br />

Schulwege von mehr als 30 Minuten pro<br />

Weg und eine Mittagszeit von weniger als<br />

45 Minuten als unzumutbar. Denn lange und un -<br />

attraktive Wege würden auf Kosten einer sinnvollen<br />

Freizeit gehen und Kinder beim Erledigen von Hausaufgaben<br />

benachteiligen.<br />

Schulen in der Pflicht<br />

Schulen sind verpflichtet, regelmässig Verkehrsunterricht<br />

anzubieten und Kinder auf den Verkehr vorzubereiten.<br />

Bei Schulhäusern muss an gefährlichen Stellen<br />

die Sicherheit der Kinder mit einem Lotsendienst oder<br />

durch die Polizei gewährleistet werden. Zudem fordert<br />

der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, dass<br />

beim Zusammenlegen von Schulen und Klassen Überlegungen<br />

zum Transport und zur Dauer des Schulwegs<br />

gemacht werden. Bei solchen Entscheidungen sollte stets<br />

das Interesse des Kindes im Mittelpunkt stehen.<br />

«Bereiten Sie Ihr<br />

Kind auf mögliche<br />

Gefahren auf dem<br />

Schulweg vor!»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

Was Eltern tun können – vier Tipps<br />

• Fahren Sie Ihr Kind nicht aus Bequemlichkeit oder weil es regnet<br />

oder kalt ist, zur Schule. Der Schulweg ist ein wichtiges Lernfeld und<br />

bietet Raum für Erlebnisse und Entdeckungen.<br />

• Bereiten Sie Ihr Kind auf den Schulweg und mögliche<br />

Gefahrenherde vor.<br />

• Stärken Sie das Selbstvertrauen Ihres Kindes, indem Sie ihm<br />

zutrauen, den Schulweg alleine bewältigen zu können.<br />

• Suchen Sie das Gespräch mit anderen Kindern, Eltern und<br />

Lehrperso nen, wenn Ihr Kind unter ständigen Streitigkeiten<br />

auf dem Schulweg leidet.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />

Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />

(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zur<br />

Erziehung, zum Schulweg stellen. Ausser den normalen Telefongebühren<br />

fallen keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern<br />

Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos www.projuventute.ch<br />

42 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Inspirationen für Familien auf<br />

Famigros.ch/ausflug<br />

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und wertvollen Tipps. Als Mitglied unseres Familienclubs<br />

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Kolumne<br />

Macht Kriegsspielzeug Kinder aggressiv?<br />

Eine verunsicherte Mutter sucht Rat: Sollen Eltern eingreifen, wenn sich Kinder<br />

gegenseitig mit Plastikpistolen «erschiessen» und so tun, als würden sie anderen<br />

Kindern die Kehle durchschneiden?<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Unser fünf Jahre alter<br />

Sohn hat Spielfiguren,<br />

mit denen er sich<br />

ins Rollenspiel vertieft.<br />

Wir sehen ihn<br />

nicht als «Problemkind». Im Gegenteil,<br />

wir erleben ihn als offen und<br />

lieb. Auch die Kinder im Kindergarten<br />

kommen gut mit ihm aus.<br />

Einmal beobachtete ich dort, wie<br />

er mit einem älteren Buben mit zwei<br />

Stöcken spielte, als seien es Gewehre.<br />

Ich sprach mit befreundeten Eltern<br />

darüber und erhielt alle möglichen<br />

Antworten – von «Ach, wir haben<br />

doch als Kinder auch Cowboy und<br />

Indianer gespielt» bis «Das ist nicht<br />

okay, du musst etwas dagegen tun!».<br />

Unser Sohn hat ein Spielzeugschwert<br />

und eine Plastikpistole.<br />

Manchmal spielt er mit Stöcken als<br />

Schwert oder Gewehr. Er erschiesst<br />

sich selbst und sagt: «Jetzt bin ich<br />

tot!», um ein paar Minuten später<br />

wieder zum Leben zu erwachen.<br />

Oder er fordert uns auf, mitzuspielen,<br />

uns dabei gegenseitig zu er ­<br />

schies sen und uns tot zu stellen.<br />

Wenn er auf uns böse ist, formt er<br />

seine Finger zu einer Pistole und sagt<br />

«peng, peng». Auch andere Buben<br />

im Kindergarten machen das.<br />

Die Aggression ist ein<br />

natürlicher und notwendiger<br />

Teil unserer Emotionen.<br />

Wir haben uns entschlossen, vorerst<br />

nicht weiter darauf einzugehen. Wir<br />

glauben, dass sein Spiel mit dem<br />

Todsein eine unschuldige und harmlose<br />

Form des Spielens ist. Er hat<br />

keinen Bezug zum Tod und sieht<br />

auch nie Beängstigendes im Fernsehen.<br />

Wir machen uns Gedanken<br />

darüber und wählen auch aus, was<br />

er im Kinderfernsehen schauen darf.<br />

Er sieht mit uns keine Nachrichten,<br />

und auch bei seinen engen Freunden<br />

wird das zu Hause so gehandhabt.<br />

Aber einmal mussten wir eingreifen.<br />

Er spielte mit seinen Spielfiguren,<br />

dass er einem Männchen die<br />

Kehle durchschneidet. Mein Mann<br />

und ich sahen uns an und sagten:<br />

«Oh nein, dieser arme Mann.»<br />

Unser Sohn entgegnete, der Mann<br />

sei ein Dieb. Mein Mann antwortete:<br />

«Aber das machen wir nicht mit<br />

Dieben. Sie kommen ins Gefängnis.»<br />

Darauf steckte unser Sohn die<br />

Figur ins «Gefängnis». Am nächsten<br />

Tag tat er so, als ob er seiner fünf<br />

Monate alten Schwester die Kehle<br />

durchschneide. Mein Mann reagierte<br />

sofort und sagte: «Ich will nicht,<br />

dass du so mit deiner Schwester<br />

spielst!» Unser Sohn sagte «okay»<br />

und spielte etwas anderes.<br />

Meine Schwester erzählte mir<br />

kürzlich, dass ihre beiden Söhne, die<br />

vier und sieben Jahre alt sind, mit<br />

den Nachbarsbuben Bombenhagel<br />

nachspielen, ihre Mütter mit Bomben<br />

töten und sich gegenseitig köpfen.<br />

Wie sie sagt, schauen die Nachbarsbuben<br />

mit ihren Eltern<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

44 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Nach richten, in denen von Krieg,<br />

Entführungen und Terror berichtet<br />

wird. Sie hat nun versucht, den Kontakt<br />

zu diesen Nachbarskindern einzuschränken,<br />

und hat auch Regeln<br />

aufgestellt, was für sie okay ist und<br />

was nicht.<br />

Aber wo ist die Grenze, das Spielen<br />

zu verbieten? Welches Spielzeug<br />

können wir ruhigen Gewissens<br />

unseren Kindern geben? Mit Spielzeugpistolen<br />

und Schwertern können<br />

sie sich nicht verletzen. Und wie<br />

ist das mit Spielfiguren von «Superhelden»?<br />

Wir wollen nicht, dass<br />

unser Sohn zum Gewalttäter wird.<br />

Jesper Juul antwortet<br />

Lassen Sie mich damit beginnen,<br />

dass die Art und Weise, wie Sie und<br />

Ihr Mann bisher auf die aggressiven<br />

Spielmomente reagierten, vorbildlich<br />

ist. Ihr Sohn lernt durch Ihre<br />

Rückmeldungen über sein Verhalten.<br />

Historisch gesehen haben Eltern<br />

regelmässig genau das Gegenteil<br />

praktiziert: Sie haben die Grenzen<br />

der Kinder durch Kritik verletzt.<br />

Strafen, Tadel und Gewalt wurden<br />

als Versuch dafür eingesetzt, Kindern<br />

beizubringen, die Grenzen<br />

anderer Menschen zu respektieren.<br />

Es ist nicht gesagt, dass Ihr Sohn<br />

mit seinem Experimentieren und<br />

Forschen bereit ist zur Frage, welche<br />

Möglichkeiten noch in einem Plastikschwert<br />

stecken. In der Eisenzeit<br />

wurden Schwerter ja auch nicht<br />

dazu erfunden, Brot damit zu<br />

schneiden. Solange Ihr Sohn nicht<br />

durch Angst gesteuert wird und er<br />

offen spielt, wird er auch offen für<br />

Ihre Einwände sein.<br />

Als meine Generation kleine<br />

Kinder hatte, wurde Kriegsspielzeug<br />

von vielen Eltern und Bildungseinrichtungen<br />

kategorisch verboten,<br />

weil es den damals geltenden Idealen<br />

des Pazifismus widersprach.<br />

Man wollte nichts davon wissen,<br />

dass die Aggression ein natürlicher<br />

und auch notwendiger Teil unserer<br />

menschlichen Emotionen ist.<br />

Nicht die Spielsachen machen die<br />

Kinder zu Gewalttätern. Das machen<br />

die anderen Menschen.<br />

Das totale Verbot ist zum Glück nie<br />

gelungen, weil die Kinder andere<br />

Wege und Möglichkeiten gefunden<br />

haben, das Gleiche auszudrücken.<br />

Ein Verbot ist absurd. Ge nauso gut<br />

könnten wir Kindern verbieten, ihre<br />

Sexualität, ihre Freude oder ihre<br />

Trauer auszudrücken. Die Kunst der<br />

Aufklärung besteht nicht darin, Verbote<br />

auszusprechen. Es geht darum,<br />

unsere Kinder klug und vertrauensvoll<br />

zu begleiten – auf Basis universeller<br />

menschlicher Gefühle, die<br />

Ausdruck in der Kultur finden, in<br />

der die Kinder aufwachsen.<br />

Das Dilemma Ihrer Schwester ist<br />

ein schönes Beispiel für die globale<br />

Kultur, in der unsere Kinder heute<br />

aufwachsen. Wann und wie Kinder<br />

mit der Realität konfrontiert werden,<br />

müssen die Eltern selbst herausfinden.<br />

Eltern haben immer die<br />

Macht darüber, die Freundinnen<br />

und Freunde ihrer Kinder auszuwählen,<br />

um sie vor vermeintlichen<br />

Gefahren zu schützen. Ich persönlich<br />

würde eine andere Wahl treffen,<br />

aber das ist so wie mit vielen anderen<br />

persönlichen Wahlmöglichkeiten<br />

auch: Sie sind weder richtig noch<br />

falsch.<br />

Während meiner Arbeit habe ich<br />

viele traumatisierte Flüchtlingskinder<br />

kennengelernt, die ihre Erfahrungen<br />

im Spiel oder in Zeichnungen<br />

ausdrückten. Sie brauchen lange<br />

Zeit Hilfe, die sie leider nur selten<br />

bekommen – weder von ihren Eltern<br />

noch von der Gesellschaft. Das gleiche<br />

Prinzip gilt für alle Kinderspiele:<br />

Kinder verarbeiten und integrieren<br />

dabei unter anderem Erlebtes.<br />

Ihr Sohn nähert sich einer Phase,<br />

in der er sich, wie die meisten anderen<br />

Kinder auch, mit dem Tod<br />

beschäftigt. Bald wird er darüber<br />

nachdenken, dass auch seine Eltern<br />

sterben können. Was wird mit ihm<br />

geschehen, was wird mit ihm sein,<br />

falls das passiert? Er hat das Glück,<br />

mit nachdenklichen und liebevollen<br />

Eltern aufzuwachsen. So wird er<br />

offen über alles sprechen und seine<br />

Fragen stellen.<br />

Auf die Frage zum richtigen<br />

Spielzeug gibt es, glaube ich, keine<br />

gute Antwort: Wie Sie es ja beschreiben,<br />

braucht es keine Plastikpistolen,<br />

um Schiessen zu spielen. Es gibt<br />

ausgezeichnete pädagogische Spielmaterialien.<br />

Sie werden gegenüber<br />

anderen Spielmaterialien auf dem<br />

Markt danach beurteilt, welche Sinne<br />

sie im richtigen Alter stimulieren<br />

und welchen ästhetischen Wert sie<br />

haben.<br />

Meiner Meinung nach ist es so,<br />

dass – wie auch in anderen Fällen<br />

– vor allem die Eltern nachdenken<br />

und sicher sein müssen, ob sie sich<br />

mit einem guten Gewissen selbst in<br />

die Augen sehen können. Nicht die<br />

Spielsachen machen Kinder zu<br />

Gewalttätern. Das machen die anderen<br />

Menschen.<br />

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />

die er persönlich beantworten soll?<br />

Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />

einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />

8008 Zürich<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>45


Erziehung & Schule<br />

Wie Kinder leiden,<br />

wenn Eltern<br />

Die Suchterkrankung von Eltern bleibt Kindern niemals verborgen.<br />

Die Buben und Mädchen bekommen wenig Aufmerksamkeit<br />

und fühlen sich oft schuldig. Wie Eltern und Experten helfen können.<br />

Text: Rut Brunner Zimmermann<br />

eine Kinder haben von Belastung nicht spurlos an den Kindern<br />

vorbeigeht und sie in ihrer Ent-<br />

allem nichts mitbekommen.<br />

– Diesen Satz wicklung gefährden kann. Gewiss<br />

höre ich oft von Eltern, spielt dabei der Grad der Suchtbelastung<br />

eine Rolle und es gibt auch<br />

die wegen einer Suchterkrankung<br />

in die Beratung kommen.<br />

Und meist wird noch hinzuge-<br />

aber ist, dass die Sucht eines Eltern-<br />

korrigierende Faktoren. Tatsache<br />

fügt: «Ich habe getrunken, während teils die ganze Familie betrifft. Auch<br />

die Kinder schliefen, ich ging normal<br />

der Arbeit nach, und die Kinder hen, die Kinder davon fernzuhalten.<br />

dann, wenn sich die Eltern bemü-<br />

haben auch nie gefragt.»<br />

Hinter diesen Gedanken steckt «Ich konnte meinen Vater nicht<br />

ein verständlicher Wunsch: Eltern<br />

spüren»<br />

möchten ihre Kinder vor den eigenen<br />

Schwächen und Problemen haben oft Probleme, Bindungen ein-<br />

Kinder aus betroffenen Familien<br />

bewahren. Der Gedanke, dass die zugehen – und das setzt sich im<br />

elterliche Sucht negative Auswirkungen<br />

auf die Kinder haben könn-<br />

dafür ist, dass sie wenig Verlässlich-<br />

Er wachsenenalter fort. Der Grund<br />

te, ist für viele schwer zu ertragen. keit, Fürsorge, Verständnis, emotionale<br />

Verfügbarkeit und Vertrauen<br />

Dennoch belegen Studien unzweifelhaft,<br />

dass eine solche familiäre von ihrem suchtkranken >>><br />

Kinder aus suchtkranken<br />

Familien haben oft Probleme,<br />

Bindungen einzugehen.<br />

Bild: BreBa / Beyond / Plainpicture<br />

46


Zahlen<br />

Gemäss SuchtSchweiz leben in<br />

der Schweiz etwa 250 000<br />

alkoholabhängige Menschen. Rund<br />

100 000 Kinder in der Schweiz<br />

haben eine alkoholabhängige<br />

Mutter oder einen<br />

alkohol abhängigen Vater. Dies<br />

bei einer hohen Dunkelziffer, denn<br />

die Zahlen beziehen sich auf die<br />

wegen einer Alkoholabhängigkeit<br />

in Behandlung stehenden<br />

Patientinnen und Patienten. Beim<br />

Konsum von illegalen Substanzen<br />

oder anderen Süchten fehlen<br />

Zahlen.<br />

Links<br />

www.mamatrinkt.ch<br />

www.papatrinkt.ch<br />

www.suchtschweiz.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>47


Betroffene Kinder müssen<br />

jüngere Geschwister betreuen,<br />

fürs Essen sorgen,<br />

den Haushalt machen.<br />

>>> Elternteil erfahren haben.<br />

Manchmal kann dies durch den<br />

gesunden Elternteil kompensiert<br />

werden. Oder das Kind hat das<br />

Glück, dass es andere Personen in<br />

seiner Nähe gibt, die eine verlässliche<br />

Bindung anbieten. Dies würde die<br />

kindlichen Ressourcen stärken und<br />

die Entwicklungsprognosen verbessern,<br />

wie die Resilienzforschung<br />

zeigt. (Resilienz ist eine psychische<br />

und physische Widerstandsfähigkeit.)<br />

Die Beziehung zum betroffenen<br />

Elternteil aufzubauen, ist hingegen<br />

schwierig. Kürzlich sagte mir eine<br />

erwachsene Person, welche als Kind<br />

die Sucht des Vaters erlebt hat:<br />

«Mein Vater war zwar da, dennoch<br />

war er nicht da. Ich konnte ihn nicht<br />

erreichen. Er war nicht spürbar.»<br />

Kinder nehmen den alkoholisierten<br />

Elternteil oft wie durch eine «Scheibe»<br />

wahr. Die Sucht oder der Alkohol<br />

stehen dazwischen. Das er -<br />

schwert eine authentische Beziehung<br />

oder macht sie gar unmöglich.<br />

Betroffene Kinder haben ausserdem<br />

häufig Mühe, ihre eigenen<br />

Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen.<br />

Sie haben sehr gute Antennen<br />

dafür entwickelt, was von ihnen<br />

erwartet wird. Ihr ganzer Fokus ist<br />

darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse<br />

der andern wahrzunehmen und zu<br />

befriedigen.<br />

Kinder, die in suchtbelasteten<br />

Familien aufwachsen, zeigen oft ein<br />

geringes Selbstwertgefühl. Zu Hause<br />

standen die suchtkranken Eltern, die<br />

Suchtthematik oder der Stoff im<br />

Mittelpunkt – sie selbst haben wenig<br />

Aufmerksamkeit bekommen. Daher<br />

konnten ihre Eltern sie auch nicht<br />

bei ihren alterstypischen Entwicklungsaufgaben<br />

unterstützen.<br />

Andere betroffene Kinder wirken<br />

seltsam erwachsen. Schon sehr früh<br />

haben sie Erwachsenen-Aufgaben<br />

übernehmen müssen und wurden so<br />

um ihre Kindheit betrogen. Es kam<br />

zu einer Rollenumkehr: Die Kinder<br />

mussten jüngere Geschwister be -<br />

treuen, fürs Essen sorgen, den Haushalt<br />

machen. Dies gilt vor allem bei<br />

suchterkrankten Alleinerziehenden.<br />

Hier sind die Kinder ganz besonders<br />

gefährdet. Diese Kinder lernen früh<br />

und beeindruckend, Verantwortung<br />

zu übernehmen, kommen dabei<br />

aber selbst zu kurz.<br />

Schritt für Schritt zum klärenden<br />

Gespräch<br />

«Ich habe mich oft meiner Mutter<br />

oder meines Vaters geschämt», ist<br />

ebenfalls ein typischer Satz für Kinder<br />

von suchterkrankten Eltern. Das<br />

Kind, das den betrunkenen Vater<br />

vom Stammtisch heimholen musste,<br />

ist da sicher ein Extrembeispiel. Viele<br />

Kinder wagen es kaum, Kolleginnen<br />

und Kollegen nach Hause zu<br />

nehmen, weil sie nie wissen, wie sie<br />

Vater oder Mutter antreffen. Sie<br />

haben gelernt, mit dieser Unberechenbarkeit<br />

zu leben, wollen diese<br />

Erfahrung den Freunden aber nicht<br />

zumuten. Dies führt zusätzlich oft<br />

zu Schwierigkeiten in der Beziehung<br />

zu Gleichaltrigen.<br />

Nicht zuletzt weisen betroffene<br />

Kinder Leistungseinbussen in der<br />

Schule auf. Untersuchungen zeigen,<br />

dass es einen auffälligen Zusammenhang<br />

zwischen elterlicher Sucht<br />

und Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen<br />

bei den Kindern<br />

gibt. Sie haben den Kopf verständlicherweise<br />

woanders, sind<br />

besetzt von Sorgen, von denen sie<br />

eigentlich frei sein müssten. Hinzu<br />

kommt, dass es sich wie ein Verrat<br />

an den Eltern anfühlen würde, sich<br />

jemandem anzuvertrauen.<br />

Eltern, die den eigenen Konsum<br />

hinterfragen, gehen bereits den ersten<br />

wichtigen Schritt. Der nächste<br />

Schritt sollte sie zu einer Fachstelle<br />

führen, um sich professionell beraten<br />

zu lassen. Sucht ist eine psychische<br />

Er krankung. Es braucht die<br />

Hilfe von Experten und keine fa milien<br />

internen Therapien.<br />

In der Fachstelle erhalten Eltern<br />

auch Unterstützung für das altersadäquate<br />

Ge spräch mit den Kindern.<br />

Denn oft wurde das Thema zu<br />

Hause tabuisiert. Es tut den Kindern<br />

gut, wenn ihnen gesagt wird, dass<br />

Vater oder Mutter krank sind. Sie<br />

haben jetzt eine Erklärung für das<br />

Wann liegt ein<br />

Alkoholproblem vor?<br />

1. Hatten Sie jemals das Gefühl,<br />

Ihren Konsum an alkoholischen<br />

Getränken verringern zu müssen?<br />

2. Hat Ihr Umfeld schon einmal<br />

Bemerkungen über Ihren<br />

Alkoholkonsum gemacht?<br />

3. Hatten Sie schon einmal den<br />

Eindruck, dass Sie zu viel trinken?<br />

4. Haben Sie schon einmal am<br />

Morgen Alkohol gebraucht, um in<br />

Form zu sein?<br />

Wenn Sie zwei oder mehr dieser<br />

Fragen mit Ja beantworten, könnte<br />

es sein, dass ein problematischer<br />

Alkoholkonsum vorliegt. In diesem<br />

Fall sollten Sie bei einer Suchtberatungsstelle<br />

Hilfe suchen. (vgl.<br />

www.aktionstag-alkoholprobleme.ch)<br />

48 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

vielleicht unverständliche Verhalten<br />

der betroffenen Eltern. Das wirkt<br />

entlastend. Kinder suchen oft die<br />

Schuld im eigenen Verhalten: «Mein<br />

Vater trinkt, weil ich mich schlecht<br />

benommen habe.»<br />

Und dann erhalten Kinder endlich<br />

die Möglichkeit, zu sagen, wie es<br />

ihnen geht, was sie belastet, was<br />

ihnen Sorgen macht. Gewiss ist dieses<br />

Gespräch nicht leicht. Eltern zeigen<br />

sich verletzlich, gestehen Schwächen<br />

ein, können jetzt aber auch<br />

lernen, sich in die Lage ihrer Kinder<br />

zu versetzen. Dies ist oft der Punkt,<br />

an denen Eltern erst klar wird, dass<br />

ihre Kinder sehr wohl viel mitbekommen<br />

haben. Auch wenn sie es<br />

vielleicht nicht verstanden haben<br />

und nicht einordnen konnten. Auch<br />

wenn darüber nicht geredet wurde.<br />

Es ist unsere Erfahrung aus der<br />

therapeutischen Arbeit mit betroffenen<br />

Kindern und Familien, dass sich<br />

Verhaltensauffälligkeiten und andere<br />

Symptome auflösen können,<br />

wenn Kinder und Eltern offen miteinander<br />

sprechen. Ein solches<br />

Gespräch ist eine Erleichterung –<br />

und keine zusätzliche Belastung, wie<br />

viele Suchterkrankte befürchten.<br />

Denn Kinder nehmen die elterliche<br />

Suchterkrankung immer wahr,<br />

sogar schon im Mutterleib.<br />

>>><br />

Rut Brunner<br />

Zimmermann<br />

ist eidgenössisch anerkannte<br />

Psychotherapeutin und Dozentin an<br />

der Interkantonalen Hochschule für<br />

Heilpädagogik (HfH).<br />

Kinder nehmen die elterliche<br />

Suchterkrankung immer wahr,<br />

sogar schon im Mutterleib.<br />

Regionale<br />

Suchtberatungsstellen<br />

(erste Anlaufstelle,<br />

Hinweise für Entzug,<br />

Therapien und<br />

Klinikaufenthalte)<br />

• Selbsthilfeorganisation bei<br />

Alkoholproblemen<br />

www.iogt.ch<br />

• Therapiestelle für Kinder<br />

suchtkranker Eltern ZEBRA,<br />

Winterthur<br />

stadt.winterthur.ch<br />

(im Suchfeld ZEBRA eingeben)<br />

PUBLIREPORTAGE<br />

Avadis Geldtipp Nr. 1<br />

Sparen, anlegen, Zukunft aufbauen<br />

Goldvreneli, Sparkonto, Fondskonto oder<br />

doch lieber Bargeld? Möglichkeiten zu<br />

sparen gibt es viele. Dabei hat jede Sparoder<br />

Anlageform ihre Vor- und Nachteile.<br />

Insbesondere Eltern, die ihrem Kind einen Sparbatzen<br />

mit auf den Weg geben wollen, setzen<br />

häufig auf das Geschenksparkonto. Gleichzeitig<br />

schauen sich viele Sparer nach renditeträchtigeren<br />

Alternativen um, wie beispielsweise dem Fondskonto.<br />

verzinsten Geschenksparkonten für Kinder nicht.<br />

Auf den Zinsertrag muss zudem die Verrechnungssteuer<br />

von 35% bezahlt werden. Diese kann zwar<br />

zurückgefordert werden, Eltern müssen jedoch<br />

daran denken, sie wieder auf das Konto des Kindes<br />

zu überweisen.<br />

Kursgewinne sind steuerfrei, auf Erträge wie<br />

etwa Dividenden entfällt aber ebenfalls die<br />

Verrechnungssteuer.<br />

Mit den Fonds von Avadis investieren<br />

Sie einfach, günstig und flexibel.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

www.avadis.ch/anlegen.<br />

Fondskonto – die Alternative<br />

Anlagefonds investieren in Aktien und Obligationen<br />

und können damit Wertschwankungen unterworfen<br />

sein. Wer sein Geld jedoch mehrere Jahre<br />

anlegen kann, hat mit Fonds langfristig gute<br />

Sparkonto – der Klassiker<br />

Aussichten auf eine höhere Rendite als mit einer<br />

Der Zins auf dem Sparkonto ist garantiert, mehr Kontolösung. Fonds sind zudem Sondervermögen<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März <strong>2017</strong>49<br />

als 1% Zins gibt es aber auch auf den höher und fallen nicht in die Konkursmasse der Bank.


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Erziehung & Schule<br />

Die Tür zur Fantasie öffnen<br />

Beim kreativen Schreiben gibt es kein Richtig oder Falsch. Es geht dabei vielmehr um<br />

den Ausdruck von Fantasie und das erfinderische Experimentieren mit Sprache.<br />

Schreib ideen für zu Hause, die auch Rechtschreibmuffeln Spass machen und Erfolg<br />

bereiten. Text: Johanna Oeschger<br />

Buchstabenbilder<br />

Buchstaben und Worte kann man auch<br />

zum Malen verwenden: Das Wort Sonne<br />

formt die Strahlen einer gezeichneten<br />

Sonne, viele kleine Buchstaben bilden<br />

den Anfangsbuchstaben eines Namens<br />

usw. Mit den Buchstabenbildern können<br />

die Kinder z. B. spezielle Grusskarten<br />

oder Namensschilder gestalten.<br />

Wurmurmeltier und Forellensittich<br />

Zwei Tiernamen werden zu zoologischen<br />

Neukreationen zusammengesetzt.<br />

Dann zeichnen die Kinder ihr Fantasietier<br />

und beschriften es. Auf der Rückseite<br />

können sie weitere Besonderheiten<br />

des Tiers aufschreiben (oder reimen):<br />

Was frisst das Tier? Wo wohnt es? Wer<br />

sind seine Eltern, Geschwister, Freunde?<br />

Hintergrund<br />

Am Anfang des kreativen Schreibens<br />

regt ein Erlebnis, Bild, Wort<br />

oder ein anderer Impuls dazu an,<br />

die eigene Fantasie, persönliche<br />

Erinnerungen oder subjektives<br />

Empfinden in einem Text auszudrücken.<br />

Dabei steht der offene,<br />

sinnliche und kreative Umgang<br />

mit Sprache und Schrift im Mittelpunkt,<br />

normative Regeln müssen<br />

nicht beachtet werden. Das kreative<br />

Schreiben ermuntert so zum<br />

Experimentieren und führt auch<br />

bei Kindern, die sich mit Rechtschreibung<br />

und Grammatik<br />

schwertun, zum Schreiberfolg.<br />

Den Lesern eröffnet es faszinierende<br />

Einblicke in das Erleben der<br />

Kinder.<br />

Geschichten-Würfel<br />

Die Spieler würfeln Symbole und fabulieren<br />

eine Geschichte dazu. Ältere Kinder<br />

schreiben gleichzeitig mit den anderen<br />

Spielern innerhalb eines Zeitlimits.<br />

Nach Ablauf der Zeit werden die Texte<br />

in der Runde vorgetragen. Die passenden<br />

Würfel gibt es z. B. von «Icon Poets»<br />

der Gebrüder Frei oder von «Rory’s<br />

Story Cubes» (Letztere sind auch als<br />

App erhältlich).<br />

App-Tipp<br />

TypeDrawing<br />

Diese App verwandelt Schrift in Kunst: Zuerst den Text<br />

eintippen, dann mit dem Finger Formen und Figuren<br />

malen – anstelle von Linien erscheinen Buchstaben.<br />

Erhältlich für iOS (Fr. 2.–) und Android (gratis).<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch<br />

auf der Sekundarstufe II und arbeitet als<br />

Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

Bilder: ZVG<br />

50 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Kolumne<br />

An alle<br />

schlechten Eltern<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer Tochter<br />

und eines Sohnes, lebt in Biel<br />

und schreibt regelmässig für<br />

das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Vatersein hat mich vor allem in einem Punkt verändert: Es hat mich<br />

verständnisvoller gemacht. Nicht gegenüber Kindern – Gott be ­<br />

wahre! Da bin ich ungeduldiger, ja ungehaltener als früher. Nein,<br />

verständnisvoller gegenüber anderen Eltern.<br />

Früher habe ich Eltern oft bewertet. Und mir ausgemalt, wie<br />

liebe voll, abenteuerlustig und verspielt ich dereinst mit meinen Kindern umgehen<br />

würde. Heute bin ich vorsichtiger. Wenn ich eine müde Mutter mit ihrem<br />

nörgelnden Kind in der Schlange an der Coop-Kasse sehe und höre, wie das<br />

Kind schon wieder ansetzt: «Mami, i wott no Schoggi …» – worauf die Mutter<br />

komplett die Fassung verliert und brüllt: «I wott, I wott, I wott – du kannst<br />

doch verdammt nochmal nicht immer nur wollen!». Dann denke ich nicht mehr<br />

im Bettina-Wegner*-Tonfall: «Es sind so kleine Kinder, die darf man nicht<br />

anschreien!» Nein, meine Sympathien sind bei der Mutter: «Was für ein<br />

grässliches, rücksichtsloses Kind!», denke ich. Manchmal werde ich innerlich<br />

richtig laut – «Rettet die Frau!» Natürlich würde ich nichts dergleichen sagen.<br />

Nicht mal denken. Aber wissen Sie, was ich meine?<br />

Neulich sah ich, wie ein Vater auf einer Bank vor dem Spielplatz nicht ein<br />

einziges Mal von seinem Smartphone aufblickte, als sein Kind ihn fragte:<br />

«Kann ich den Schnee essen?» Früher hätte ich gedacht: «Was ist denn das für<br />

ein Vater? Wenn ich einmal Kinder habe, werde ich ihnen jede Frage<br />

beantworten und ihre Augen öffnen für die Wunder dieser Welt.» Heute denke<br />

ich: «Lass den Mann in Ruhe und beschäftige dich selber.»<br />

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Kinder. Aber was kinderlose<br />

Erwachsene gern vergessen: Kinder machen nicht nur glücklich. Sie saugen dich<br />

auch aus. Sie können die schlimmsten Seiten in dir wecken. Und dich zum Gegenteil<br />

von dem machen, was du eigentlich gerne wärst. Elternsein ist ein tägliches<br />

Scheitern, und ich finde, Eltern bekommen dafür zu wenig Verständnis.<br />

Lange Zeit beeindruckten mich (scheinbar) perfekte Familien, in denen glückliche<br />

Kinder und stolze Eltern Hand in Hand durchs Leben spazieren. Ich<br />

fragte mich: Wie machen die das? Inzwischen frage ich mich: Was, wenn es<br />

vielleicht gar nicht gute Eltern sind, sondern bloss gute Kinder? Kinder,<br />

die einfach von selbst aufrichtig, engagiert und zufrieden geworden sind – und<br />

nicht weil ihre Eltern alles richtig gemacht haben? Niemand wird bestreiten, dass<br />

Liebe und Zuneigung für Kinder so wichtig ist wie Atmen und Schlafen, aber<br />

darüber hinaus, könnte es nicht sein, dass sie sich auch ein klein wenig autonom<br />

entwickeln, von ihrem Umfeld und ihrer Herkunft geprägt werden und nicht<br />

ausschliesslich von ihren Eltern?<br />

Vielleicht stimmt das nicht. Aber in den schwärzesten Stunden meines Elternseins<br />

ist es ein kleiner Trost, dass wir die Wirklichkeit nicht planen, sondern nur<br />

in ihr leben können.<br />

*Bettina Wegner ist eine deutsche Liedermacherin und Lyrikerin. Ihr bekanntestes Lied<br />

ist «Kinder» (Sind so kleine Hände …).<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>51


Elterncoaching<br />

Wie wird mein Kind selbständiger?<br />

Damit unsere Kinder als Erwachsene fähig sind, Entscheidungen<br />

zu treffen und das Leben selber zu gestalten, müssen sie ihre<br />

Eigenständigkeit entwickeln können.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 37-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 4,<br />

und einer Tochter, 1. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Es ist Samstagmorgen,<br />

acht Uhr, mein Vierjähriger<br />

schleicht aus dem<br />

Bett. Ich döse etwas weiter.<br />

Eine halbe Stunde<br />

später steht er vergnügt vor mir:<br />

«Schau, Papa, ich habe mich ganz<br />

alleine angezogen!» Tatsächlich:<br />

Sogar die Knöpfe seines Pullovers<br />

und den Gürtel hat er zugekriegt!<br />

Dann wandelt sich sein Gesichtsausdruck<br />

von stolz zu besorgt: «Aber,<br />

Papa – weisst du, was ganz, ganz<br />

schwierig ist und was ich noch ganz<br />

lange nicht kann? Alleine schlafen.»<br />

Selbständigkeit bei Kindern wird<br />

von Fachpersonen gefordert<br />

In meiner Arbeit begegnen mir<br />

immer wieder Eltern, die sich Sorgen<br />

machen, weil ihr Kind nicht selbständig<br />

genug sei: Es habe Mühe mit<br />

dem selbstorganisierten Lernen und<br />

mache die Hausaufgaben nicht alleine.<br />

Auch mir ist die Forderung nach<br />

mehr Selbständigkeit bereits begegnet.<br />

Unser Kinderarzt wies uns darauf<br />

hin, dass unsere Kinder lernen<br />

sollten, alleine einzuschlafen, und<br />

empfahl uns das Buch «Jedes Kind<br />

Selbständigkeit entwickelt sich<br />

in gegenseitigem Vertrauen<br />

und durch genügend Gelegenheiten<br />

zum selbständigen Tun.<br />

kann schlafen lernen». Wie die<br />

Anekdote am Anfang zeigt, haben<br />

wir seinen Rat nicht befolgt.<br />

Selbständigkeit lässt sich nicht<br />

erzwingen<br />

Selbständigkeit ist in unserer Kultur<br />

ein wichtiges Ziel: Unsere Kinder<br />

sollen als Erwachsene in der Lage<br />

sein, sich in einer komplexen Welt<br />

zurechtzufinden, eigene Entscheidungen<br />

zu treffen und ihr Leben<br />

selbst zu gestalten.<br />

Doch Eigenständigkeit entwickelt<br />

sich nicht über Nacht, nicht<br />

durch Zwang und auch nicht<br />

dadurch, dass man ein Kind sich<br />

selbst überlässt. Sie entwickelt sich<br />

in Beziehung, in gegenseitigem Vertrauen<br />

und durch genügend Gelegenheiten<br />

zum selbständigen Tun.<br />

Das Tempo gibt dabei das Kind vor<br />

– nicht irgendeine Normvorstellung.<br />

Selbständigkeit entsteht in<br />

Beziehung<br />

Beobachtungsstudien zeigen: Je<br />

sicherer Kinder sich in der Beziehung<br />

zu ihren Eltern fühlen, desto<br />

besser können sie sich von ihnen<br />

loslösen, um ihre Umgebung zu<br />

erkunden. Wenn ein Kind die Erfahrung<br />

macht, dass seine Eltern da<br />

sind, wenn es Hilfe braucht, ihm<br />

beistehen, wenn es sich unsicher<br />

fühlt, und ihm zuhören, wenn es<br />

etwas loswerden muss, kann es in<br />

Ruhe ausprobieren und eigene Er ­<br />

fahrungen sammeln. Das Vertrauen,<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

52 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


dass die Eltern und andere Erwachsene<br />

verfügbar sind, um Schutz,<br />

Sicherheit und Nähe zu spenden,<br />

bildet die Basis für die Selbständigkeit<br />

des Kindes.<br />

Viele Kinder benötigen diese<br />

Nähe auch im Schulalter. Es gelingt<br />

ihnen zum Beispiel besser, die Hausaufgaben<br />

selbständig zu erledigen,<br />

wenn sie dabei nicht alleine sind.<br />

Setzen Sie sich zu Ihrem Kind an<br />

den Tisch und gehen Sie eigenen<br />

Aufgaben nach: Beantworten Sie<br />

E-Mails, bezahlen Sie Rechnungen<br />

– und signalisieren Sie dem Kind,<br />

dass Sie ungestört arbeiten möchten.<br />

Selbständigkeit entsteht durch<br />

Zutrauen<br />

Während das Kind Vertrauen in die<br />

Eltern braucht, um sich sicher zu<br />

fühlen, müssen die Eltern genügend<br />

Zuversicht in das Kind und das<br />

Leben entwickeln, um es so weit loszulassen,<br />

dass es eigenständig werden<br />

kann. Dieses Vertrauen lässt sich<br />

nicht in einem oberflächlichen «Du<br />

schaffst das!» äussern. Es basiert auf<br />

dem Gefühl, dass das Kind seinen<br />

Weg gehen wird und dabei Fehler<br />

und Umwege machen darf. Es<br />

besteht in der neugierigen Frage<br />

«Wollen wir mal sehen, ob du das<br />

schaffst?» und der unausgesprochenen<br />

Versicherung, dass Experimentieren<br />

und Fehlermachen erlaubt<br />

sind und man mit Misserfolgen<br />

umgehen kann.<br />

Wenn jemand zu uns «Du<br />

schaffst das!» sagt, fragen wir uns in<br />

Gedanken fast automatisch: «Und<br />

wenn nicht?» Es ist ermutigend,<br />

wenn die Antwort darauf lautet:<br />

«Dann sehen wir weiter und versuchen<br />

etwas anderes. Und wenn alles<br />

nicht funktioniert, dann können wir<br />

damit leben.»<br />

Wenn Sie das Gefühl haben, dass<br />

Ihr Kind Ihr «Du schaffst das!» nicht<br />

annehmen kann, können Sie darauf<br />

achten, wie Sie sich in diesem<br />

Moment fühlen. Sind Sie angespannt?<br />

Fühlen Sie sich unter Druck,<br />

dass Ihr Kind etwas eigentlich schon<br />

können müsste? Sind Sie frustriert<br />

oder wütend, weil Ihr Kind nicht auf<br />

Ihren Zuspruch reagiert? Plagen Sie<br />

Sorgen um das Kind? Ihr Kind wird<br />

stärker auf Ihre Gefühle reagieren<br />

als auf Ihre Worte. In dieser Situation<br />

können Sie etwas Neues ausprobieren.<br />

Zum Beispiel: «Ja, ich weiss<br />

auch nicht, ob du das schaffst. Sieht<br />

ganz schön schwierig aus! Wir lesen<br />

mal die Aufgabe und schauen, worum<br />

es geht.»<br />

Selbständigkeit entsteht durch<br />

Freiraum<br />

Neben Vertrauen benötigen Kinder<br />

Gelegenheiten und Zeit, um sich<br />

kennenzulernen und sich auszuprobieren.<br />

Dies gelingt Kindern am<br />

besten im freien Spiel mit anderen<br />

Kindern. Dort müssen alle Kinder<br />

Vorschläge einbringen, in der Gruppe<br />

für ihre Ideen einstehen und<br />

andere für sich gewinnen. Sie müssen<br />

Entscheidungen treffen, sich ab<br />

und zu durchsetzen oder nachgeben.<br />

Sie müssen Enttäuschungen verkraften<br />

und sich wieder aufrappeln.<br />

In Amerika ist die Freizeit der<br />

Kinder mittlerweile so durchstrukturiert,<br />

dass sich der Verband der<br />

Kinderärzte veranlasst sah, Alarm<br />

zu schlagen. Die Fachpersonen wiesen<br />

darauf hin, dass wir unseren<br />

Kindern einen der wichtigsten<br />

Aspekte der Kindheit rauben, wenn<br />

wir ihnen das freie Spiel nehmen.<br />

Der deutsche Kinderarzt Herbert<br />

Renz-Polster sieht ähnliche Entwicklungen.<br />

Er schreibt dazu in seinem<br />

Buch «Menschenkinder»:<br />

«Zuerst haben wir den Kindern die<br />

Wälder genommen, danach die<br />

Wiesen, die Hinterhöfe, die Brachflächen,<br />

dann die Strassen, Gassen<br />

und Gärten. Seit den 70er-Jahren ist<br />

die Fläche, die Kinder im Freien<br />

zum Spielen nutzen dürfen, um<br />

90 Prozent zurückgegangen.»<br />

Wir können uns als Eltern fragen:<br />

Hat mein Kind genügend Gelegenheit<br />

zum freien Spiel? Hat es Zeit<br />

und die Möglichkeit, sich mit anderen<br />

Kindern zu treffen – ohne dass<br />

Vieles lernen Kinder genau<br />

dann, wenn nicht die<br />

Absicht besteht, ihnen etwas<br />

beizubringen.<br />

immer ein Erwachsener da ist, der<br />

Vorschläge macht, aufpasst und eingreift?<br />

Vieles lernen Kinder genau dann,<br />

wenn nicht die Absicht besteht,<br />

ihnen etwas beizubringen. Dann,<br />

wenn es kein durchdachtes, durchstrukturiertes,<br />

von Erwachsenen<br />

angeleitetes Programm oder Training<br />

gibt. Es ist schwieriger geworden,<br />

diese Freiräume zu schenken.<br />

Es lohnt sich daher, sich aktiv dafür<br />

einzusetzen und mit unseren Kindern<br />

nach Möglichkeiten zu suchen.<br />

Selbständigkeit – drei Tipps<br />

• Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass<br />

Sie da sind. Anstatt die Hausaufgaben<br />

alleine im Zimmer zu erledigen,<br />

könnten Sie das Kind einladen,<br />

gemeinsam zu arbeiten.<br />

Zeigen Sie Ihrem Kind, auch während<br />

es spielt, ab und zu, dass Sie<br />

da sind – ohne sich aufzudrängen.<br />

• Lassen Sie Ihr Kind deutlich spüren,<br />

dass Sie sich freuen, wenn es<br />

etwas selbständig versucht. Gestehen<br />

Sie ihm seinen Stolz zu und<br />

gehen Sie entspannt mit dem Re -<br />

sultat um.<br />

• Gewähren Sie Ihrem Kind genügend<br />

Freiräume. Im unbeobachteten<br />

und unstrukturierten Spiel<br />

kann es sich ausprobieren und<br />

entdecken.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Das Leben geniessen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>53


Erziehung & Schule<br />

Bangen um die Mutter<br />

Erkrankt ein Elternteil schwer, helfen minderjährige Kinder oft mit<br />

bei der Pflege. Wie gehen Jugendliche mit der Herausforderung um?<br />

Text: Sarah King Bilder: Mara Truog / 13 Photo<br />

54 54 <br />

März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Giulia ist 16 Jahre<br />

alt, als ihre Mutter<br />

erkrankt. Plötzlich<br />

findet sie sich in der<br />

Erwachsenenrolle<br />

wieder. Davon<br />

will sie berichten.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März <strong>2017</strong>55


Erziehung & Schule<br />

Giulia schaut konzentriert<br />

auf die Strasse.<br />

«Als meine Mutter an<br />

Krebs erkrankte, war<br />

ich 16, aber ich wurde<br />

sehr schnell 17.» Heute ist Giulia 18.<br />

Sie parkiert den Wagen vor ihrem<br />

Elternhaus in Thalwil. Niemand ist<br />

zu Hause. Seit zwei Wochen arbeitet<br />

Giulias Mutter wieder 100 Prozent.<br />

«Seit Anfang Dezember 2016 ist<br />

Mami offiziell gesund. Dabei hatte<br />

ich Angst, dass sie meinen 18. Ge ­<br />

burtstag nicht erleben wird.»<br />

Mit dieser Angst ist Giulia nicht<br />

alleine. Basierend auf US-amerikanischen<br />

Statistiken sind in westlichen<br />

Industrieländern bis zu 15<br />

Prozent der minderjährigen Kinder<br />

von körperlich kranken Eltern<br />

betroffen. Etwa 200 000 Kinder sind<br />

es in Österreich, Deutschland und<br />

der Schweiz unter Berücksichtigung<br />

nur krebskranker Eltern. Rechnet<br />

man zu den Kindern aller körperlich<br />

kranken Eltern auch diejenigen psychisch<br />

kranker dazu, dürfte die Zahl<br />

der Betroffenen höher sein. Laut<br />

Agnes Leu, Professorin an der Kalaidos<br />

FH, Departement Gesundheit,<br />

in Zürich, zählen viele dieser Kinder<br />

zu den «Young Carers»: Kinder, die<br />

ein erkranktes Familienmitglied<br />

pflegen (siehe Interview Seite 58).<br />

Dies tun sie nicht selten auf Kosten<br />

ihrer Ausbildung und Freizeit.<br />

Wie gehen Jugendliche wie Giulia<br />

mit dieser Belastung um? Und vor<br />

allem: Wer versteht ihr Leiden?<br />

Januar 2015, Spital Wollishofen,<br />

Aufwachraum: Die 16-jährige Giulia<br />

tritt ans Bett ihrer Mutter. «Eine<br />

kleine Operation», wurde Giulia<br />

zuvor informiert. «Nur zwei Zysten<br />

entfernen.» Die Operation sei gut<br />

Bis zu 15 Prozent der<br />

minderjährigen Kinder sind<br />

«Young Careres»: Sie pflegen<br />

ein krankes Familienmitglied.<br />

verlaufen, aber man habe der Mutter<br />

neben den Zysten auch den Blinddarm<br />

entfernt, erfährt Giulia. Sie<br />

wird stutzig.<br />

Die Mutter nimmt ihre Hand,<br />

bekundet ihre Liebe. Da wird Giulia<br />

ohnmächtig. Sie mag es danach lange<br />

nicht, wenn jemand ihre Hand<br />

hält.<br />

Im Februar 2015, sechs Tage vor<br />

Giulias 17. Geburtstag, erhält ihre<br />

Mutter schliesslich die Diagnose:<br />

Blinddarmkrebs. Für Giulia beginnt<br />

ein Leben «wie auf einer Achterbahn».<br />

Dem Alltag kam die Normalität<br />

abhanden und Giulia die grosse<br />

kindliche Illusion, dass Eltern un ­<br />

zerstörbar sind. Sie sah zu, wie sich<br />

ihre Mutter «von einem kerngesunden<br />

Menschen» in jemanden verwandelte,<br />

«der aussieht, als würde er<br />

sterben».<br />

«Habe ich Mami gesagt, dass ich<br />

sie gerne habe?» Das wurde Giulias<br />

dringende Frage beim täglichen Spitalbesuch.<br />

Ihr Alltag änderte sich radikal<br />

«Jugendliche sind über die Medien<br />

laufend mit dem Tod konfrontiert,<br />

aber stets aus sicherer Distanz», sagt<br />

der Psychiater Alain Di Gallo, Direktor<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrischen<br />

Klinik Basel. «Werden sie<br />

nun mit der schweren Er krankung<br />

eines Elternteils konfrontiert, kommt<br />

es zu einem Einbruch der Endlichkeit,<br />

was existenzielle Fragen aufwirft.»<br />

Giulias Fragen betrafen nicht nur<br />

die Existenz im Sinne von Leben<br />

und Tod. Durch die Krankheit der<br />

Mutter veränderte sich ihr Alltag<br />

radikal. Statt Schulaufgaben erledigte<br />

sie zu Hause den Haushalt. Statt<br />

ihren Brieffreunden zu antworten,<br />

gab sie Bekannten und Verwandten<br />

telefonisch Auskunft über das Befinden<br />

der Mutter. Das ist kein unbekanntes<br />

Phänomen, wie Agnes Leu<br />

weiss: «Unsere Forschung zeigt, dass<br />

sich Jugendliche als Kommunikationsstelle<br />

fühlen, die alles triagiert,<br />

sortiert. Jeder ruft sie an – vom Arzt<br />

bis zum entfernten Bekannten. Das<br />

ist zeitaufwendig und belastend.»<br />

Die Belastung fiel in einen Zeitraum,<br />

der für Jugendliche ohnehin<br />

ein Kraftakt ist. «Ausser vielleicht<br />

bei der Geburt und beim Tod sind<br />

die physiologischen und psychischen<br />

Ansprüche an einen Menschen<br />

nie grösser als während der<br />

Adoleszenz», sagt August Flammer.<br />

Der inzwischen emeritierte Professor<br />

für Entwicklungspsychologie an<br />

der Universität Bern hat Jugendliche<br />

über Jahre erforscht. «Freundschaften,<br />

Ausbildung, Lebensstil, Aussehen,<br />

Sexualität, die Ablösung von<br />

den Eltern – das alles ist ein enormer<br />

Aufwand für die Heranwachsenden.»<br />

Die zusätzliche Belastung zehrte<br />

an Giulias Kräften. Sie zog die Konsequenzen,<br />

pausierte mit der Fernmatur<br />

und stellte Hobbys ein. Als<br />

ihre Mutter nach sechs Wochen aus<br />

dem Spital nach Hause entlassen<br />

wurde, wehrten sich Vater und<br />

Tochter. Zu gross war ihre Angst,<br />

dass sie der Aufgabe nicht gewachsen<br />

sein würden. «Ich fühlte mich<br />

verantwortlich für meine Mutter, die<br />

eben noch im Sterben gelegen hatte.<br />

Mein Vater redete mit dem Arzt<br />

über eine Rehabilitationsklinik. Dieser<br />

fand aber, Mami sei jung und zu<br />

Hause besser aufgehoben. Die Familie<br />

sei ja noch da. Wir redeten mit<br />

Mami. Auch sie bestand darauf,<br />

nach Hause zu kommen. Bei ihren<br />

Freunden stiessen wir auf Unverständnis.<br />

So kam Mami heim. Wir<br />

freuten uns nicht.»<br />

Giulia hält inne, als warte sie ab,<br />

welche Reaktion auf ihre Worte<br />

folgt. Auf einem Möbel hinter ihr<br />

lächelt sie zusammen mit ihren<br />

56


Giulia fühlte sich<br />

während der<br />

Krankheit ihrer<br />

Mutter oft allein.<br />

Bei ihrem Kater<br />

hat sie Trost<br />

gefunden.<br />

Eltern aus einem Bilderrahmen.<br />

Eine Momentaufnahme der Harmonie,<br />

bevor die Krankheit ausbrach.<br />

«Familien können an dieser Situation<br />

wachsen», schreibt der Kinderund<br />

Jugendpsychiater Georg Romer<br />

in einem Fachartikel. Sie könnten<br />

aber auch vorübergehend oder ganz<br />

zusammenbrechen.<br />

Giulias Mutter kam nach Hause.<br />

Die Familie hielt den Veränderungen<br />

stand. Vorübergehend zu ­<br />

sammengebrochen ist Giulias Verständnis<br />

der Rollenverteilung. «Am<br />

Anfang machte ich den Haushalt,<br />

unterstützte Mami, wenn sie<br />

Schmerzen hatte, schaute, dass sie<br />

nichts ass, was ihr schaden könnte.<br />

Als ich ihr mal das Brot strich, erinnerte<br />

ich mich an ein Bild aus dem<br />

Internet: Eine Mutter trägt ihr Kind<br />

auf dem Arm, hält es später an der<br />

Hand und wenn sie eine alte Frau ist,<br />

hält das Kind die Mutter. Da wusste<br />

ich: Es ist zu früh. Mein Mami ist<br />

noch nicht alt.» Von «Parentifizierung»<br />

spricht die Fachwelt, wenn<br />

Übernehmen Kinder die Rolle<br />

der Eltern, sprechen Experten<br />

von einer «Parentifizierung».<br />

Kinder die Elternrolle übernehmen.<br />

Dieses Phänomen beobachtet Alain<br />

Di Gallo in seiner Praxis häufig.<br />

Bedenklich sei das besonders dann,<br />

«wenn das Kind nach kurzer Zeit<br />

nicht wieder in seine Rolle zurückschlüpft».<br />

Wichtig sei vor allem, dass<br />

das Kind reden könne und An ­<br />

sprechpersonen habe, denn >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>57


«Kinder halten sich<br />

aus Angst und<br />

Scham verborgen»<br />

Erkranken Eltern schwer, sind ihre<br />

Kinder mitbetroffen. Sie helfen<br />

mit bei der Pflege, im Haushalt<br />

und bei der Betreuung jüngerer<br />

Geschwister. Wie viele Kinder in der<br />

Schweiz in der Unterstützerrolle<br />

sind, will Agnes Leu von Careum<br />

Forschung sichtbar machen.<br />

Interview: Sarah King<br />

Frau Leu, seit vier Jahren erforschen Sie<br />

Kinder, die ihre schwerkranken Eltern pflegen<br />

– sogenannte «Young Carers».<br />

In unserer Forschung berücksichtigen<br />

wir Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene unter 25 Jahre. Sie übernehmen<br />

regelmässig Pflegeaufgaben für ein<br />

physisch oder psychisch erkranktes<br />

Familienmitglied – dies entweder über<br />

viele Jahre hinweg oder kurz und intensiv,<br />

zum Beispiel in einer Palliativsituation,<br />

wenn ein Elternteil stirbt. In den<br />

meisten Fällen kümmern sich diese<br />

Kinder um Eltern (50%), weniger häufig<br />

sind es Geschwister (30%) oder Grosseltern<br />

(3–4%). Oft werden diese Kinder<br />

zu wenig wahrgenommen. Dabei kann<br />

ihre Belastung so gross sein, dass ihr<br />

eigenes Wohl darunter leidet.<br />

In einem Teilprojekt befragten Sie Fachpersonen<br />

aus den Bereichen Bildung,<br />

Gesundheit und Soziales. Was können<br />

diese zum Thema beitragen?<br />

Wir wissen aus internationaler Forschung:<br />

Wenn Fachpersonen nicht sensibilisiert<br />

sind, können sie die jungen<br />

Leute nicht identifizieren. Das liegt nicht<br />

nur daran, dass sich betroffene Kinder<br />

aus Angst vor den Konsequenzen verstecken,<br />

sondern auch an unserem patientenorientierten<br />

System: Ärzte wissen<br />

oft nicht, wie viele Kinder ihre Patienten<br />

haben, wie alt sie sind oder was sie tun.<br />

Kinder kranker Eltern hören oft, was sie<br />

tun sollen, aber selten die Frage: «Wie<br />

geht es dir?» Diese kleine Frage könnte<br />

so viel verändern. Wir möchten, dass<br />

Fachpersonen die betroffenen Kinder<br />

wahrnehmen.<br />

Wie viele Kinder übernehmen in der<br />

Schweiz eine Unterstützerrolle?<br />

Bisherige Zahlen beruhen auf Schätzungen.<br />

Eigentlich können wir nur sagen:<br />

Wir haben das Phänomen in der<br />

Schweiz. Repräsentative Zahlen existieren<br />

noch nicht. Ich versuchte erfolglos<br />

herauszufinden, wie viele junge Menschen<br />

in einer Familie leben, in der ein<br />

Familienmitglied erkrankt ist. Nun starten<br />

wir diesen Frühling eine vom<br />

Schweizerischen Nationalfonds finanzierte<br />

nationale und repräsentative Studie.<br />

In über 700 Schulen aus drei Sprachregionen<br />

befragen wir etwa 12 000<br />

Schülerinnen und Schüler zu diesem<br />

Thema. Die obligatorische Schule ist der<br />

einzige Ort, wo Kinder sein müssen. So<br />

erhoffen wir möglichst alle betroffenen<br />

Kinder zu erfassen.<br />

Wenn sich Kinder kranker Eltern verstecken<br />

– tun sie das nicht auch in einem<br />

Fragebogen?<br />

Kinder halten sich verborgen aus Angst<br />

und Scham. Gerade zwischen 11- und<br />

14-jährig wollen sie gleich sein wie andere<br />

Gleichaltrige – ebenso cool sein, ausgehen<br />

oder denselben Sport treiben. In<br />

diesem Alter fällt es ihnen schwer, zuzugeben,<br />

dass sie zu Hause einen Angehörigen<br />

pflegen. Manche Kinder sind sich<br />

auch nicht bewusst, dass ihre Familiensituation<br />

aussergewöhnlich ist. Deshalb<br />

befragen wir alle Kinder anonymisiert<br />

mit einem standardisierten Fragebogen<br />

58 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Kinder von kranken Eltern<br />

halten sich aus Angst und<br />

Scham oft verborgen.<br />

Giulia hat<br />

Brieffreunde in<br />

der ganzen Welt.<br />

Sie bat sie, ihrer<br />

kranken Mutter<br />

zu schreiben.<br />

– so müssen sich die Betroffenen nicht<br />

zu erkennen geben.<br />

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?<br />

Wir streben Chancengleichheit für die<br />

jungen Leute in Ausbildung an. Einerseits<br />

braucht es Praxisinstrumente, um<br />

die betroffenen Kinder identifizieren zu<br />

können, andererseits wollen wir verlässliche<br />

Unterstützungsmassnahmen erarbeiten.<br />

Dazu gehören ganz simple Netzwerkkarten<br />

für Fachpersonen oder eine<br />

To-do-Liste für junge Menschen. Eine<br />

17-jährige Frau übernahm zum Beispiel<br />

nach Anleitung des Hausarztes die Insulinspritzen<br />

bei ihrem im Sterben liegenden<br />

Vater. Bei einer dieser Injektionen<br />

starb ihr Vater. Der Hausarzt war nicht<br />

erreichbar. Für sie war das traumatisch.<br />

Wir wollen verhindern, dass Kindern<br />

solche Aufgaben übertragen werden.<br />

Und sie müssen wissen, wie sie im Notfall<br />

reagieren können. Auch für Lehrer<br />

möchten wir Instrumente bieten, wie sie<br />

betroffene Kinder in ihrer Klasse erkennen<br />

können. Diese Kinder werden zum<br />

Teil gemobbt – sogar vom Lehrer, weil<br />

er nicht realisiert, warum das Kind so<br />

anders ist.<br />

Was sind für Sie die bisher wichtigsten<br />

Resultate?<br />

Es gibt auch in der Schweiz Kinder und<br />

Jugendliche, die Ausbildung und Pflegerolle<br />

zusammen vereinbaren müssen.<br />

Die Studien zeigen, dass sie oft eine<br />

wichtige Vermittlungsrolle zwischen<br />

allen involvierten Personen einnehmen.<br />

Sie informieren zwar, dürfen aber bei<br />

Entscheidungen nicht mitreden. In den<br />

persönlichen Interviews erfuhren wir<br />

ausserdem, dass viele dieser Kinder gerne<br />

eine fortführende Schule machen<br />

würden. Oft ist das aus verschiedenen<br />

Gründen nicht möglich. Es zeigte sich<br />

aber auch eine erstaunliche Tatsache:<br />

Viele dieser jungen Leute können auf<br />

eine gute Art mit der Situation umgehen<br />

und sind sehr leistungsfähig.<br />

Agnes Leu<br />

ist Professorin an der Kalaidos<br />

Fachhochschule, Departement Gesundheit,<br />

Zürich. Seit 2012 erforscht sie «Young<br />

Carers» und leitet das Forschungsprogramm<br />

«learn and care». Mehr zu den<br />

Forschungsprojekten und -ergebnissen ist zu<br />

finden unter www.careum.ch > Forschung ><br />

Young Carers.<br />

>>> nicht selten werde es in seiner<br />

Verantwortungsübernahme<br />

wenig beachtet. «Alles dreht sich um<br />

die erkrankte Person. Für das Leiden<br />

der Kinder herrscht wenig Verständnis.»<br />

«Hat ein Elternteil von dir Krebs<br />

und du wünschst dir, mit anderen<br />

Jugendlichen, die in der gleichen<br />

Situation sind, zu reden?» – Mit diesen<br />

Worten suchte Giulia im Sommer<br />

2015 Verständnis. Das Selbsthilfezentrum<br />

in Zürich unterstützte<br />

sie dabei. Auch in verschiedenen<br />

Arztpraxen legte Giulia einen Flyer<br />

auf. Reaktion? Keine. Das erstaunt<br />

nicht. Trotz vermehrter Aufklärungsarbeit<br />

sind körperliche und<br />

besonders psychische Krankheiten<br />

in der Familie ein verschwiegenes<br />

Thema. «Kinder von kranken Eltern<br />

verstecken sich», weiss Agnes Leu<br />

aus ihrer Forschung. «Sie dürfen<br />

oder wollen nicht reden. Manche<br />

realisieren auch nicht, dass sie in<br />

einer ausserordentlichen Situation<br />

sind.»<br />

Vom Vater fühlt sie sich verstanden<br />

Giulia versteckte sich nicht und fühlte<br />

sich doch übersehen: «Freunde<br />

meiner Eltern und Ärzte nahmen<br />

mich nicht mehr als Tochter wahr,<br />

sondern betrachteten mich als Pflegepersonal<br />

oder als Kind, das nichts<br />

versteht.» Als Fernmaturandin fragten<br />

auch keine Lehrer nach ihr. Vom<br />

Vater hingegen fühlte sie sich verstanden:<br />

«Wir wurden Verbündete,<br />

weil wir dieselben Bilder vor Augen<br />

hatten.» Der Vater war es auch, der<br />

Giulia zu einer Therapie motivierte.<br />

Die Therapeutin war es, die Giulia<br />

darin bestärkte, eine Haushaltshilfe<br />

einzufordern. Aber etwas Wesentliches<br />

fehlte dennoch: die Gleichaltrigen.<br />

«Auf der Suche nach ihrer Identität<br />

suchen Jugendliche alternative<br />

Lebensräume», sagt August Flammer.<br />

«Sie tauschen sich aus mit<br />

Gleichaltrigen, vergleichen, horchen<br />

in sich hinein. Für Mädchen ist die<br />

beste Freundin die wichtigste Be ­<br />

zugsperson. Mit ihr tauscht man<br />

In times aus und verbringt man am<br />

meisten Zeit. Diese Zeit fehlt<br />

Jugendlichen, die zu Hause stark be ­<br />

ansprucht werden.<br />

Dezember 2016: Giulia schlendert<br />

mit einem Freund Richtung<br />

Sihlcity. Jonas. Die beiden kennen<br />

sich seit der 1. Sekundarstufe. Nein,<br />

sie seien kein Paar. «Früher mal»,<br />

lacht Giulia. «Aber wir haben abgemacht,<br />

dass wir beste Freunde bleiben.»<br />

Beste Freunde klauen bisweilen<br />

ein kaputtes Velo, wenn ihre Hilfe<br />

gefragt ist. «Eines Nachts kam mein<br />

Vater ins Zimmer und sagte, >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>59


Erziehung & Schule<br />

Kinder kranker Eltern müssen<br />

über alles reden können und<br />

alles fragen dürfen. Sie<br />

brauchen ehrliche Antworten.<br />

>>> er müsse nochmals ins Spital.<br />

Mami musste auf die Intensivstation<br />

verlegt werden. Ich rief Jonas an, um<br />

nicht allein zu sein. Er wohnt 25<br />

Fussminuten entfernt.» – «Das dauerte<br />

mir zu lange, so schnappte ich<br />

mir auf dem Weg ein kaputtes Velo<br />

und stand nach einer Minute vor<br />

Giulias Tür», sagt der 19-Jährige. Er<br />

fand seine Freundin sprachlos vor.<br />

«Ich spürte nur ihre Angst. Oder<br />

eher ein Bangen um etwas. Extremer<br />

als die Angst um das eigene Leben.»<br />

Der beste Freund ist es also, der<br />

dem Gefühl Kinder kranker Eltern<br />

einen Namen gibt: Sie bangen.<br />

Ein Jahr lang blieb Giulia zu Hause<br />

und leistete ihrer Mutter Gesellschaft.<br />

Sie redeten, schauten TV<br />

oder gingen spazieren. Als ihre Mutter<br />

in die Physiotherapie ging, löste<br />

Giulia ein Abo im selben Fitnesscenter.<br />

«Ich wollte Mami nicht alleine<br />

lassen.» Jonas sah zu, wie sich seine<br />

Freundin immer mehr von ihren<br />

Freunden zurückzog. Berechtigt, wie<br />

Giulia damals dachte: «Zum Teil verstanden<br />

mich Gleichaltrige nicht<br />

mehr. Ass ich zum Beispiel während<br />

der Grippesaison Pancakes nicht mit<br />

blossen Händen, galt ich als Tussi.<br />

Wäre ich aber krank geworden, hätte<br />

ich Mami nicht besuchen können.<br />

Manche fanden auch, dass ich Fakten<br />

ohne Empfindung erzähle. Solche<br />

Kommentare helfen mir nicht,<br />

mich zu öffnen.»<br />

Was hilft denn? Das weiss Alain<br />

Di Gallo: «Eine offene Atmosphäre.<br />

Kinder kranker Eltern sollen über<br />

alles reden und alles fragen dürfen.<br />

Sie brauchen ehrliche Antworten.<br />

Wenn man nichts tabuisiert und<br />

offen mit ihnen spricht, sind sie mit<br />

ihren Gefühlen nicht alleine. Bei<br />

Jugendlichen muss man aber auch<br />

respektieren, dass sie nicht immer<br />

über alles reden wollen. Sie sind oft<br />

mit sich selbst in Auseinandersetzung.<br />

Wenn hingegen Eltern erkranken,<br />

alle traurig sind und erstarren,<br />

dann ist es wichtig, Jugendliche<br />

direkt darauf anzusprechen.»<br />

Normal ist der Alltag noch nicht<br />

Was Alain Di Gallo aus seiner Praxiserfahrung<br />

weiss, setzte Jonas in -<br />

tui tiv um. «Giulia redete selten über<br />

ihre Sorgen. Ich stellte dann die Fragen<br />

so, dass sie Antwort geben musste.<br />

Nicht ja, nein, sondern spezifisch.<br />

So, wie es wirklich ist.»<br />

Und wie ist es heute wirklich?<br />

Giulia denkt nach. «Mami ist wieder<br />

gesund. Aber einen normalen Alltag<br />

gibt es noch nicht. Ich habe Mühe,<br />

einfach wieder Tochter zu sein.<br />

Manchmal sind unsere Rollen noch<br />

verschoben. So auch mein Zeitgefühl.<br />

Ich erledige die Dinge nicht<br />

mehr so schnell wie früher.» Jonas<br />

ist optimistischer. «Sie geht wieder<br />

mehr mit Kolleginnen ins Kino. Und<br />

die Erfahrung hat sie erwachsener<br />

gemacht: Sie will Probleme klären.<br />

Eigentlich ist es so, als käme die alte<br />

Giulia zurück. Aber mit Update.»<br />

Giulia nickt. «Ich bin unabhängiger<br />

und verantwortungsbewusster. Fahre<br />

ich Auto, spiele ich nicht mit meinem<br />

Leben. Ich streite auch weniger<br />

mit meinen Eltern.»<br />

Von «Entwicklungssprung»<br />

spricht August Flammer, wenn Kinder<br />

früher Verantwortung übernehmen<br />

als Gleichaltrige. Analog zur<br />

körperlichen Frühreife bestehe zum<br />

Beispiel das Risiko, dass psychisch<br />

frühentwickelte Kinder bei Kollegen<br />

anecken. Dafür werde die Selbständigkeit<br />

gefördert. «Gleichzeitig leidet<br />

aber möglicherweise die Entwicklung<br />

in anderen Bereichen – in<br />

der Bildung oder im Berufsentscheid.»<br />

Der Berufsentscheid ist für<br />

Giulia noch fern. «Zuerst muss ich<br />

wissen, wer ich bin. Das ist nicht so<br />

einfach.»<br />

Die Entwicklung kann «springen»,<br />

stillstehen, aber auch rückläufig<br />

sein, wie Alain Di Gallo erklärt.<br />

«Vor allem bei kleineren Kindern ist<br />

eine Regression auf eine frühere<br />

Altersstufe in einer belastenden Situation<br />

eine normale Reaktion. So hat<br />

zum Beispiel ein 7-jähriges Kind<br />

alleine im Bett plötzlich Angst.»<br />

Damit verschaffe es sich Zuwendung.<br />

Alain Di Gallo sieht den Nutzen:<br />

«Reculer pour mieux sauter.»<br />

Etwas zurückweichen, um mit mehr<br />

Anlauf springen zu können, so die<br />

sinngemässe Übersetzung.<br />

Giulia ist mitten im Sprung. Bald<br />

wird sie 19. Auf ihrem Schreibtisch<br />

stapeln sich Bücher. Sie will aufholen,<br />

was sie in der Schule verpasst<br />

hat. Daneben redet sie weiter über<br />

das Erlebte – in Blogs und anderen<br />

Medien.<br />

Ihre Botschaft: «Es ist wichtig,<br />

dass man redet.» Nicht nur für sich<br />

selbst. Sondern «damit sich andere<br />

nicht alleine fühlen».


Publireportage<br />

Der BMW 2er<br />

Gran Tourer bietet<br />

Platz für alle –<br />

und für alles.<br />

BMW 2er Gran Tourer<br />

Auf die Grösse kommt es an<br />

Raus aus dem Haus, rein in den Van: Der BMW 2er Gran Tourer macht Lust auf Action.<br />

Wenn es sein muss, kann das Familienauto aber auch ganz vernünftig sein.<br />

Nebel, Kälte, Januarloch: Die letzten Wochen<br />

haben gute Ausreden geboten, ein bisschen<br />

länger zu schlafen oder mehr Serien zu schauen.<br />

Doch jetzt ist die Zeit gekommen, um wieder<br />

raus an die frische Luft zu gehen – sei es<br />

für ein letztes Ski-Erlebnis in den Bergen oder<br />

eine erste Wanderung.<br />

Der BMW 2er Gran Tourer ist für all das<br />

wie geschaffen. Denn dieser Allrad-Van steht<br />

nicht nur für Vernunft; das erfolgreiche Familienauto<br />

hat sich auch den Fahrspass gross auf<br />

die Haube geschrieben. Schliesslich ist der Alleskönner<br />

aus München ein echter BMW.<br />

Sportlichkeit ist für ihn Pflicht – das dynamisches<br />

Fahrverhalten, der Doppelauspuff, der<br />

elegante Hüftschwung an den Flanken oder<br />

die Sportlenkung verraten seine DNA.<br />

Der BMW 2er GT ist aber auch ein gutes<br />

Beispiel dafür, dass es manchmal eben doch<br />

auf die Grösse ankommt. Denn er bietet Platz<br />

für alle – und für (fast) alles. Nicht nur, weil<br />

sich hinten eine dritte Sitzreihe hochklappen<br />

lässt und er so bis zu 7 Personen Platz bietet.<br />

Auch weil der Kofferraum selbst für einen<br />

grossen Kinderwagen samt Unmengen von<br />

Spielsachen geräumig genug ist, bei umgeklapptem<br />

Beifahrersitz Objekte von bis zu 2,60<br />

Meter Länge ins Auto passen und man die<br />

Rückbank um 13 Zentimeter verschieben<br />

kann. Damit lässt sich entweder der Laderaum<br />

so optimieren, dass von der Ski-Ausrüstung bis<br />

zur Hiking Gear garantiert alles reinpasst.<br />

Oder man kann damit den Fond so umbauen,<br />

dass auch Erwachsene bequem reisen.<br />

Seine grosszügigen Masse machen den<br />

BMW 2er GT zum perfekten Familienauto –<br />

und trotzdem wirkt er nicht wie ein Transporter,<br />

sondern wie ein moderner Van. Das merkt<br />

man, wenn man drinsitzt – oder wenn man<br />

Kindersitze montiert. Denn im Gegensatz zum<br />

Active Tourer passen bei diesem BMW 2er drei<br />

Sitze auf die Rückbank. Wer einen praktischen<br />

Allrounder für den Alltag mit Kindern sucht<br />

und trotzdem nicht auf den BMW typischen<br />

Komfort und die Sportlichkeit verzichten will,<br />

liegt mit diesem Auto goldrichtig.<br />

Dass der 2er Gran Tourer auch bei der Sicherheit<br />

mit seinen diversen Assistenzsystemen<br />

oder dem intelligenten Notruf für In- und<br />

Ausland vorne mitfährt, versteht sich bei<br />

BMW von selbst. Und mit seinem Verbrauch<br />

im umweltfreundlichen ECO PRO-Modus von<br />

nur 5 Liter auf 100 Kilometer schont er die<br />

Umwelt. Mit Ausreden wird’s bei diesem Auto<br />

also schwierig – besonders, weil das aktuelle<br />

Angebot mit attraktiven Preisen das perfekte<br />

Argument für eine Probefahrt liefert.<br />

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BMW 218d xDrive<br />

Gran Tourer<br />

Antrieb<br />

2,0-Liter-Vierzylinder motor, 150 PS,<br />

6-Gang-Handschaltgetriebe,<br />

intelligentes Allrad system xDrive<br />

Fahrwerte<br />

0 – 100 km/h in 8,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit<br />

205 km/h<br />

Masse<br />

4556 Mm (L), 1800 Mm (B), 1608 Mm (H)<br />

Gewicht<br />

1605 kg<br />

Laderaum<br />

645 bis 1905 Liter<br />

Verbrauch<br />

4,9 – 5,1 l/100 km, 128 – 133g CO2/km<br />

Preis<br />

ab 34’800 Franken (unverbindliche<br />

Preisempfehlung)


Erziehung & Schule<br />

Auf den Lehrer kommt es an<br />

Was macht einen guten Lehrer aus? Ist es die Freude am Beruf und die Leidenschaft für<br />

die Vermittlung von Wissen? Sein pädagogisches Können? Oder ist ein guter Lehrer vor<br />

allem eine starke Persönlichkeit mit einer wichtigen Vorbildfunktion? Text: Christine Staehelin<br />

«Das Vertrauen in die<br />

Schule und den Beruf des<br />

Lehrers schwindet.»<br />

Christine Staehelin, M.A., ist<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin in der<br />

Pädagogischen Arbeitsstelle LCH,<br />

Primarlehrerin und Mutter zweier Söhne.<br />

Wenn Sie an Ihre<br />

eigene Schulzeit<br />

zurückdenken:<br />

Erinnern<br />

Sie sich an eine<br />

gute Lehrerin, einen guten Lehrer?<br />

Was hat sie oder ihn ausgezeichnet?<br />

Warum haben Sie seinen Unterricht<br />

gern besucht? Warum taucht gerade<br />

dieser oder jener Lehrer* in Ihrer<br />

Erinnerung auf?<br />

Ich habe eine kleine Umfrage in<br />

meinem Bekanntenkreis gemacht<br />

Ein guter Lehrer ist in der Lage,<br />

Dinge so zu erklären,<br />

dass sie verstanden werden.<br />

und genau diese Fragen gestellt. Das<br />

waren die Antworten:<br />

• An erster Stelle wurde das gros se<br />

Wissen des Lehrers ge nannt, seine<br />

Liebe und Begeisterung für<br />

das eigene Fach und seine Fähigkeit,<br />

dieselbe Be geisterung für die<br />

Sache bei den Schülerinnen und<br />

Schülern zu wecken und ihnen<br />

da mit neue Perspektiven zu er -<br />

öffnen.<br />

• Mehrfach positiv erwähnt wurden<br />

Lehrer, denen es ge lingt, mit<br />

ihren Schülerinnen und Schülern<br />

in die Welt des Wissens einzutauchen<br />

und deren Bedeutsamkeit<br />

und Schönheit aufzuzeigen.<br />

• Im Weiteren wurde das Interesse<br />

des Lehrers an der Vermittlung<br />

des Wissens angeführt, sein<br />

Bestreben, dieses verständlich<br />

und damit das Lehren und Lernen<br />

zum zentralen Element des<br />

Unterrichts zu machen. Das<br />

be deutet gleichzeitig, dass er an<br />

die Lern- und Begeisterungsfähigkeit<br />

seiner Schülerinnen<br />

und Schüler glauben muss. Lernen<br />

ist immer mit Herausforderungen<br />

verbunden. Der Lehrer<br />

muss darauf vertrauen, dass seine<br />

Schülerinnen und Schüler das<br />

lernen können, was er ihnen vermitteln<br />

will.<br />

• Ein Lehrer muss in der Lage sein,<br />

Sachverhalte so zu erklären, dass<br />

sie verstanden werden – und<br />

zwar immer wieder von Neuem.<br />

Das heisst nichts anderes, als dass<br />

er seine Schülerinnen und Schüler<br />

ernst nimmt, dass er Interesse<br />

zeigt für sie, dass es ihm wichtig<br />

ist, sich gemeinsam einer Sache<br />

zu widmen. Lehrer müssen ihre<br />

Schüler und Schülerinnen sehen,<br />

erkennen und verstehen und<br />

ihnen die Möglichkeit geben, sich<br />

selbst einzubringen, denn Lehren<br />

und Lernen finden immer in der<br />

Wechselseitigkeit der Beziehungen<br />

zwischen dem Lehrer, den<br />

Schülern und Schülerinnen sowie<br />

der Sache statt.<br />

• Lehrer dürfen Ecken und Kanten<br />

haben und auch manchmal etwas<br />

eigenwillig auftreten, aber sie<br />

sollten gerecht, geduldig, verständnis-<br />

und humorvoll sein.<br />

Und sie müssen zeigen, dass sie<br />

ihren Beruf lieben. Lehrer sind<br />

Vorbilder, nicht nur hinsichtlich<br />

ihres Weltbezugs und ihrer Freude<br />

an der Sache und am Unterrichten,<br />

sondern auch als Persönlichkeit.<br />

Wer bereit ist, sich<br />

immer wieder von Neuem auf<br />

seine Gegenüber einzulassen,<br />

sich immer wieder von Neuem<br />

für Themen und Inhalte zu<br />

begeistern, zeigt damit eine<br />

gewisse Leidenschaft für die Welt<br />

– und gibt diese weiter an die<br />

nächste Generation.<br />

Die Resultate meiner nicht repräsentativen<br />

Umfrage werden von der<br />

Forschung gestützt: «Auf den Lehrer,<br />

die Lehrerin kommt es an!», lautet<br />

das zentrale Ergebnis der viel beachteten<br />

Hattie-Studie aus dem Jahr<br />

2009, die auf einer Analyse von 800<br />

Metastudien und damit auf der Be -<br />

62 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Lehrer dürfen Ecken und Kanten<br />

haben. Aber sie sollten geduldig,<br />

fair und humorvoll sein.<br />

fragung von 250 Millionen Schülerinnen<br />

und Schülern beruht.<br />

Was heisst das nun in einer Zeit,<br />

in der auch die Fähigkeiten der Lehrer<br />

zunehmend kompetenztheoretisch<br />

gefasst und damit vermeintlich<br />

messbar werden? Was passiert mit<br />

den wichtigen Lehrertugenden wie<br />

Geduld, Verlässlichkeit, Vertrauen,<br />

Beständigkeit und Heiterkeit, die<br />

sich kompetenztheoretisch nicht<br />

fassen lassen? Was geschieht mit der<br />

Begeisterung für die Sache und für<br />

die Welt, wenn diese nicht mehr<br />

durch Lehrer verkörpert, sondern<br />

nur noch durch Bücher oder im<br />

Internet abgebildet werden?<br />

Die laufenden Reformen im Bildungssystem<br />

verweisen auf ein<br />

schwindendes Vertrauen in diese<br />

öffentliche Institution und letztlich<br />

auch in die Lehrerinnen und Lehrer.<br />

Wie liesse sich sonst erklären, dass<br />

auf Innovation statt auf Tradition,<br />

auf Expertokratie statt auf Erfahrungswissen<br />

gesetzt wird?<br />

Gleichzeitig verweist die Politik<br />

in diesen ungewissen Zeiten häufig<br />

auf die Bedeutung der Bildung als<br />

wichtigste Ressource für die<br />

Zukunft. Aber auf welche Bildung<br />

mit welchem Inhalt? Wie lässt sie<br />

sich noch beschreiben, wenn sie<br />

immer wieder neu erfunden wird?<br />

Und welche Ziele soll die Bildung,<br />

welche letztlich auf geteiltem Wissen<br />

basiert, haben, wenn Individualisierungstendenzen<br />

das gesellschaftliche<br />

Leben prägen?<br />

Wenn wir nicht wissen, ob morgen<br />

noch gilt, was heute bedeutsam<br />

ist? Wenn unklar wird, was Wissen<br />

überhaupt noch für eine Bedeutung<br />

hat in einer Zeit, in welcher der<br />

Begriff postfaktisch zum Wort des<br />

Jahres 2016 gekürt wird?<br />

Diese Fragen verweisen darauf,<br />

wie wichtig es ist, sich vertieft mit<br />

der Bedeutung der Bildung und mit<br />

ihren Zielen und Inhalten auseinanderzusetzen.<br />

Und da die Vermittlung<br />

von Bildung – die nicht nur<br />

Wissensvermittlung, sondern auch<br />

die Einstellungen und Haltungen<br />

zum Wissen, Orientierung und<br />

Reflexion meint – an Schulen immer<br />

noch in erster Linie über die Lehrer<br />

stattfindet, muss auch vertieft über<br />

die Bedeutung der Lehrer nachgedacht<br />

werden.<br />

Wer wird sich später noch an die<br />

guten Lehrer erinnern können,<br />

wenn der Beruf des Lehrers zunehmend<br />

bedrängt und beschnitten<br />

wird? An all jene, die ihre Leidenschaft<br />

für die Welt weitergaben und<br />

damit wissbegierige, verantwortungsvolle<br />

und mündige Schülerinnen<br />

und Schüler bildeten – eine<br />

hoffnungsvolle nächste Generation<br />

gerade in schwierigen Zeiten.<br />

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Es ist immer die weibliche und die<br />

männliche Form gemeint.<br />

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Do sier<br />

Do sier<br />

Entspa nung.<br />

«Ehrlich auf den Punkt gebracht»<br />

«Ich wünsche mir beim Thema<br />

Sexualität mehr Vielfalt»<br />

(Dossier «Sexualität», Heft 12/2016 / 1/<strong>2017</strong>)<br />

Bild: Linnea Lar son / plainpicture<br />

10 Dezember 2016 / Januar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Wenn die<br />

Sexualität<br />

erwacht<br />

Erforschen Kinder die Welt, gehört der eigene Körper dazu. Doch<br />

viele Eltern wissen nicht, wie sie der erwachenden Sexualität<br />

ihrer Kinder begegnen so len. Keinesfa ls mit Schweigen, raten<br />

Experten. Ein entspannter Umgang mit Sex und eine frühe<br />

Aufklärung begünstigen die körperliche Entwicklung der Kinder.<br />

Text: Claudia Marinka und Claudia Landolt<br />

Bilder: Linnea Larsson, Sian Davey, Ruth Erdt<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember 2016 / Januar <strong>2017</strong> 1<br />

Sehr geehrte Fritz+Fränzi-Redaktion<br />

In Ihrer Dezember-Ausgabe geht es um Sexualität und Sexualerziehung.<br />

Was mir auffällt, wenn es in Ihrem Heft um dieses<br />

Thema geht, ist eine gewisse Einseitigkeit. Dies im Gegensatz zu<br />

anderen Themen, bei denen Sie Experten zu Wort kommen<br />

lassen, die der gesellschaftlichen Vielfalt, der Unterschiedlichkeit<br />

von Eltern und ihren Standpunkten Rechnung tragen.<br />

Wenn Sie fast ausschliesslich Bruno Wermut oder andere<br />

Vertreter der sogenannten «Sexualpädagogik der Vielfalt» zu Wort<br />

kommen lassen, klingt das für mich eben gerade nicht nach<br />

Vielfalt, sondern nach einseitiger Beeinflussung von Eltern. Es<br />

gibt auch im Bereich der Sexualerziehung noch andere Ansätze,<br />

die bedenkenswert sind und deshalb zu Wort kommen sollten.<br />

Als Mutter von vier Kindern (der Jüngste ist 16 Jahre alt)<br />

geben mir Bruno Wermuts Ratschläge zu denken. Kürzlich<br />

beantwortete er in einem Interview die Frage eines Jugendlichen,<br />

der sich Sorgen machte, weil sein Penis schmerzt, wenn er<br />

masturbiert (drei Mal pro Tag). Wermut empfahl Gleitcrème,<br />

redete von «Pimmel» und fand es unproblematisch, wenn<br />

Jugendliche so viel masturbieren. (Uns Eltern wird in schulischen<br />

Elternabenden gesagt, wir sollten Kindern gegenüber für die<br />

Geschlechtsorgane die fachlich korrekten Ausdrücke verwenden.)<br />

In Ihrem Heft sagt Bruno Wermut, Eltern sollten ihren Kindern<br />

die eigenen Anschauungen nicht «überstülpen». Weshalb nicht?<br />

In anderen Bereichen tun wir das ja auch. Daraus besteht doch<br />

Erziehung. Ich beeinflusse mein Kind zum Beispiel sehr stark<br />

dahingehend, dass es auch Menschen anderer Hautfarbe<br />

respektvoll behandeln soll. Weshalb um alles in der Welt soll ich<br />

meinem Kind beim wichtigen Thema Sexualität nicht das ans<br />

Herz legen, was ich für langfristig zielführend und der gesunden<br />

sexuellen Entwicklung förderlich halte?<br />

Kinder und Jugendliche erwarten von Eltern Orientierung und<br />

konkrete Hilfestellungen für ihre Lebensgestaltung. Dass viele der<br />

von Ihnen positiv «beworbenen» Sexualpädagogen Teenager<br />

ermutigen, im Sexuellen auszuprobieren, worauf sie Lust haben<br />

(«Hauptsache, ihr verhütet und beide sind einverstanden»),<br />

empfinde ich als fahrlässig und wichtige Fakten ignorierend.<br />

Ich würde mich freuen, wenn Sie auch andere, ganzheitlichere und<br />

beziehungsorientiertere Ansätze zu Wort kommen lassen.<br />

Mir als Mutter, Elterncoach und Präventionsfachfrau ist<br />

wichtig, dass Teenager Sexualität als Beziehungsgeschehen<br />

verstehen, das ganzheitlich in die Persönlichkeit integriert ist.<br />

Regula Lehmann (per Mail)<br />

Geschäftsführerin «Elterninitiative Sexualerziehung», Kursleiterin,<br />

Elterncoach und Autorin von «Sexualerziehung? Familiensache!»<br />

«Bin geschockt»<br />

(«Eine Chance für<br />

Mohamed», Heft 2/<strong>2017</strong>)<br />

Sehr geehrte Frau Hartmann<br />

Erziehung & Schule<br />

Eine Chance<br />

für Mohamed<br />

Ob man ans Gymnasium kommt oder nicht, entscheidet die Herkunft. Das ist leider<br />

auch in der Schweiz noch immer so. Das Programm ChagALL so l für mehr<br />

Chancengleichheit sorgen. Junge, begabte Migrantinnen und Migranten werden<br />

dabei für eine höhere Schullaufbahn fit gemacht. Eine Erfolgsgeschichte.<br />

Text: Evelin Hartma n Bilder: Roshan Adihe ty / 13 Photo<br />

52<br />

Februar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Erziehung & Schule<br />

Für eine be sere<br />

Konzentration:<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Februar <strong>2017</strong> 53<br />

Ich war geschockt, als ich Ihren Artikel gelesen habe mit<br />

dem Titel «Eine Chance für Mohamed». Haben wir<br />

nicht schon genug fremde Leute in unserem Land,<br />

müssen wir diese dann noch zu den Obrigkeiten<br />

unserer Kinder heranzüchten? Dieser Integrationskult<br />

macht viele Menschen und vor allem mich traurig, dass<br />

wir unser Land durch diese Leute zerstören lassen.<br />

Das Schlimmste bei diesen Flüchtlingen und<br />

Eingewanderten ist, dass sie da bleiben und ihren Kult<br />

uns aufzwingen wollen. Zum Glück gibt es Menschen<br />

wie Donald Trump, die für das eigene Land einstehen.<br />

Ich arbeite daran, meinen Kindern beizubringen, dass<br />

dieser Integrationszwang nicht gut ist.<br />

Marco Specker (per Mail)<br />

Mohamed (rechts)<br />

und die anderen<br />

Teilnehmer lernen<br />

Übungen zur<br />

64 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Do sier<br />

Do sier<br />

Leserbriefe<br />

«Kein einfaches Thema»<br />

(Dossier «Sexualität», Heft 12/2016 / 1/<strong>2017</strong>)<br />

«Fühl mich verstanden»<br />

(Dossier «Die Lüge von der<br />

Vereinbarkeit», Heft 11/2016)<br />

Die Lüge von<br />

der Vereinbarkeit<br />

Wer Kinder hat und Ka riere machen möchte, zahlt einen hohen<br />

Preis – besonders als Frau. Mü te reiben sich auf zwischen<br />

Familie und Beruf. Denn die viel zitierte Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf bedeutet vor a lem eins: ganz viel Stress.<br />

Eine Entmystifizierung. Text: Siby le Stillhart Bilder: Jan von Ho leben<br />

10 November 2016 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November 2016 1<br />

Ich gratuliere euch zur Ausgabe «Sexualität». Kein einfaches<br />

Thema. Gut umgesetzt und aus den verschiedensten<br />

Perspektiven betrachtet.<br />

Marc Bodmer (per Mail)<br />

Ich reagiere selten schriftlich auf Artikel, aber diesmal muss es<br />

gesagt sein: ein Dankeschön von Herzen für den Artikel «Die<br />

Lüge von der Vereinbarkeit» und den Text «Kinderhaben: das<br />

grösste Glück – der grösste Stress».<br />

Tatsachen werden ehrlich, ungeschönt, lebensnah auf den<br />

Punkt gebracht. Ich erkenne mich mit einem weinenden und<br />

einem lachenden Auge wieder. Das macht mir meine Sache<br />

nicht leichter und nicht schwerer, aber ich fühle mich<br />

verstanden. Und das reicht mir auch schon.<br />

Dominique Im Hof (per Mail)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />

Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />

wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />

oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich.<br />

Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi<br />

oder Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

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genannt, die auch für Jugendliche frei erhältlich sind. Harmlos sind sie<br />

aufgrund ihrer Wirkstoffe aber keineswegs, warnen Suchtexperten. Was Eltern über<br />

die neuen Modedrogen wissen sollten. Text: Susanna Steimer Miller<br />

frei in verschiedenen Apotheken,<br />

um nicht aufzufallen. Heute ist die<br />

Jugendliche süchtig nach dem Hustensirup<br />

und möchte davon wegkommen,<br />

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Hustenmitteln, die Dext ro me thorphan<br />

oder Codein enthalten, berauschen<br />

wollen. Valeria Rauseo, stellvertretende<br />

Geschäftsführerin der<br />

Olympia-Apotheke am Stauffacher,<br />

erzählt: «Vor allem am Freitag fragen<br />

bei uns Jugendliche, aber auch Er ­<br />

wachsene nach codeinhaltigen Hustensirups<br />

oder -tropfen, um sich fürs<br />

Wochenende einzudecken.» Die<br />

jüngsten Jugendlichen schätzt die<br />

Apothekerin auf 13 Jahre. Bei einem<br />

Preis von 7.30 Franken pro Fläschchen<br />

ist der Trip für die meisten<br />

Jugendlichen erschwinglich.<br />

Die Wirkung von Codein kann<br />

von Gelassenheit, Unbeschwertheit,<br />

Euphorie, Aufgeregtheit bis hin zu<br />

einer Steigerung des Selbstbewusst­<br />

Ein Trend, der zunimmt:<br />

Jugendliche berauschen<br />

sich mit Hustenmitteln.<br />

Mit 14 Jahren probierte<br />

es Lea*<br />

zum ersten Mal<br />

aus. Sie ging zum<br />

Medikamentenschrank<br />

im Badezimmer ihrer<br />

Eltern und schluckte Hustensirup<br />

mit dem psychoaktiven Wirkstoff<br />

Dextromethorphan (DXM), nicht<br />

etwa, weil sie erkältet war, sondern<br />

um auszuprobieren, wie es sich an ­<br />

fühlt, high zu sein. Die eingenommene<br />

Menge lag weit über der in der<br />

Packungsbeilage empfohlenen Do ­<br />

sierung.<br />

Die Oberstufenschülerin be ­<br />

schreibt ihren ersten Trip: «Ich hatte<br />

das Gefühl, ich könnte fliegen. Die<br />

Schwerkraft war wie ausgeschaltet.<br />

Gleichzeitig war ich total verwirrt<br />

und konnte mich auf nichts mehr<br />

konzentrieren. Ich hörte und sah<br />

Dinge, die nicht da waren.»<br />

Obwohl es ihr während ihres<br />

Trips speiübel wurde, wiederholte<br />

die Jugendliche das Experiment<br />

immer wieder. Am Anfang alle paar<br />

Wochen, später mehrmals wöchentlich<br />

mit zunehmender Dosis. Den<br />

Hustensirup besorgte sie sich rezeptseins<br />

reichen. Manche Jugendliche<br />

mischen die Hustentropfen mit<br />

Süssgetränken wie Sprite und weiteren<br />

Medikamenten. Diese Mischungen<br />

werden auch Texas Tea, Sizzurp<br />

oder Purple Drank genannt.<br />

Thilo Beck, Chefarzt Psychiatrie<br />

beim Zentrum für Suchtmedizin<br />

Arud in Zürich, erzählt: «Diese po ­<br />

tenziell gefährlichen Cocktails werden<br />

von amerikanischen Rappern in<br />

Musikvideos verherrlicht.» Der<br />

Fachmann weiss, dass Jugendliche,<br />

die solche Hustenpräparate am<br />

Wochenende auf Partys nutzen,<br />

meist nicht süchtig danach sind.<br />

Beck warnt jedoch davor, dass die<br />

Opiate Codein und Dextromethorphan<br />

bei regelmässiger Einnahme<br />

süchtig machen können, und plä­<br />

66 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


diert dafür, Jugendliche adäquat<br />

über Wirkung und Gefahren zu<br />

informieren. Als besonders pro ble ­<br />

ma tisch be urteilt er die Interaktion<br />

mit anderen Substanzen, etwa Alkohol:<br />

«Diese Kombination erhöht das<br />

Risiko für eine Vergiftung.»<br />

Über www.know-drugs.ch können<br />

Eltern und Jugendliche das<br />

Info-Set «Drugs – just say know»<br />

bestellen, das aus einem Faltprospekt<br />

mit allgemeinen Informationen<br />

und 24 Karten be steht, die über<br />

mehr als 30 psychoaktive Substanzen<br />

informieren. Bisher wurde das<br />

Set bereits über 50 000 Mal angefordert.<br />

In Zürich (www.safeparty.ch/<br />

wo-wird-getestet.html) und Bern<br />

(www.raveitsafe.ch/angebot/dib)<br />

haben Jugendliche die Möglichkeit,<br />

Substanzen anonym und kostenlos<br />

testen zu lassen.<br />

Nur noch auf Rezept<br />

Cornelia Reichert, Oberärztin bei<br />

Tox Info Suisse, ist überzeugt, dass<br />

Jugendliche die Risiken von Medikamenten<br />

unterschätzen. Sie erklärt:<br />

«Hustensirup ist günstig und vielerorts<br />

rezeptfrei erhältlich. Je nach<br />

Dosierung kann Codein eine starke<br />

Abnahme der Atemfrequenz verursachen<br />

und im Extremfall sogar zu<br />

einem Koma oder zum Tod führen.<br />

Dextromethorphan kann zusätzlich<br />

noch zu Agitation, Halluzinationen<br />

und epileptischen Krampfanfällen<br />

führen.» Die Olympia-Apotheke hat<br />

gehandelt und gibt den an sich frei<br />

verkäuflichen Hustensirup nur noch<br />

bei Reizhusten auf Rezept ab, wenn<br />

ein Verdacht auf nicht verschreibungsgemässen<br />

Gebrauch besteht.<br />

Valeria Rauseo wirft ein: «Allerdings<br />

gehen manche Jugendliche so weit,<br />

dass sie Rezepte fälschen, um an den<br />

Sirup zu gelangen.»<br />

Tox Info Suisse erhält immer wieder<br />

Anfragen zu neuartigen Drogen<br />

mit psychoaktiver Wirkung. Diese<br />

sogenannten Legal Highs, Designerdrogen<br />

oder Research Chemicals<br />

werden vor allem im Internet unter<br />

so harmlos klingenden Namen wie<br />

Badesalz, Spice, Räuchermischung<br />

oder Raumlufterfrischer angeboten<br />

– oft noch mit dem Hinweis «not for<br />

human consumption» (nicht für die<br />

Konsumation durch Menschen).<br />

Legal Highs enthalten oft Substanzen<br />

aus der medizinischen Forschung,<br />

synthetisch hergestellte<br />

Wirkstoffe, die ähnlich wie Cannabis,<br />

Kokain, Amphetamine oder<br />

LSD wirken. Die Substanzen stammen<br />

meist aus China, werden in<br />

Osteuropa konfektioniert und in<br />

peppig aufgemachten kleinen Päckchen<br />

übers Netz relativ günstig verkauft.<br />

Oft fehlen Angaben zu den<br />

Inhaltsstoffen oder sie entsprechen<br />

nicht dem tatsächlichen Inhalt – wer<br />

sie bestellt, kauft eine Wundertüte<br />

und spielt Russisches Roulette.<br />

Diese Substanzen beurteilt Cornelia<br />

Reichert als potenziell sehr ge ­<br />

fährlich, weil Erfahrungen mit den<br />

Hunderten von Wirkstoffen fehlten:<br />

«Eine genaue Risikoeinschätzug bei<br />

einer Überdosierung ist deshalb<br />

äusserst schwierig.»<br />

Die Gesetzeslage<br />

Legal Highs, die gemäss Thilo Beck<br />

in der Schweiz nicht sehr populär<br />

sind und eher von älteren Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen ausprobiert<br />

werden, können am Anfang<br />

Glücksgefühle hervorrufen, oft aber<br />

auch zu schweren Psychosen wie<br />

zum Beispiel Halluzinationen führen.<br />

Die Wirkung ist unberechenbar.<br />

Betroffene können je nach Substanz,<br />

Dosis, Begleitumständen und eigener<br />

psychischer Verfassung sehr<br />

aggressiv werden. In den USA sind<br />

einige Fälle beschrieben, in denen<br />

Jugendliche, die vermutlich zuvor<br />

Legal Highs konsumiert hatten,<br />

Amok gelaufen sind, Selbstmord<br />

begangen oder sich selbst verstümmelt<br />

haben.<br />

Legal Highs gibt es in unzähligen<br />

Variationen. Damit die Substanzen<br />

nicht unter das Betäubungsmittelgesetz<br />

fallen, spielen die Hersteller mit<br />

dem Gesetzgeber Katz und >>><br />

Bei einer Kombination von<br />

Alkohol und Hustenpräparaten<br />

droht Vergiftungsgefahr!<br />

Finger weg von Suchtmitteln – das können<br />

Eltern tun<br />

• Legen Sie möglichst früh in der Kindheit die<br />

Basis für eine gute Beziehung zu Ihrem Kind.<br />

Ein durch Respekt und Vertrauen geprägtes<br />

Verhältnis erleichtert es, auch in schwierigen<br />

Situationen im Gespräch zu bleiben.<br />

• Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass Sie da sind.<br />

Das gibt Kindern und Jugendlichen Halt.<br />

• Fragen Sie nach und zeigen Sie Interesse an<br />

dem, was Ihr Kind in seiner Freizeit tut. Dabei<br />

geht es nicht um Kontrolle.<br />

• Schaffen Sie eine Beziehung, die auf<br />

gegenseitigem Vertrauen und Offenheit für die<br />

Sichtweise des Gegenübers aufbaut. So schaffen<br />

Sie eine Atmosphäre, in der Ihr Kind Ihnen eher<br />

mitteilt, was es in der Freizeit tut.<br />

• Bleiben Sie offen für Gespräche und insistieren<br />

Sie, wenn Sie sich Sorgen machen.<br />

• Wenn Sie das Gefühl haben, nicht mehr an Ihren<br />

Sohn oder Ihre Tochter heranzukommen, suchen<br />

Sie dennoch immer wieder das Gespräch.<br />

• Wenn Sie nicht weiterkommen, wenden Sie sich<br />

an eine Erziehungs- und Jugendberatungsstelle.<br />

• Lassen Sie zu, dass Ihr Kind Freundschaften<br />

pflegt und ausgeht – schaffen Sie fürs Ausgehen<br />

am Abend einen klaren Rahmen (wann, wie<br />

häufig und bis um welche Uhrzeit darf unser<br />

Sohn / unsere Tochter in den Ausgang).<br />

• Wenn Jugendliche abends weggehen, sollten Sie<br />

immer wissen, wohin Ihr Kind geht, mit wem und<br />

wie es nach Hause kommt.<br />

• Besprechen Sie vorab die Konsequenzen, wenn<br />

sich Ihr Kind nicht an die Regeln hält.<br />

• Thematisieren Sie mit Ihrem Kind den Umgang<br />

mit psycho aktiven Substanzen.<br />

Quelle und weitere Informationen:<br />

www.suchtschweiz.ch/eltern<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>67


Ernährung & Gesundheit<br />

>>> Maus und verändern die Drogen<br />

laufend. «Um dem zu begegnen,<br />

können diese neuen Drogen in<br />

einem beschleunigten Verfahren<br />

zeitnah der Betäubungsmittelgesetzgebung<br />

unterstellt werden. Teilweise<br />

werden auch Gruppen unterstellt,<br />

die mögliche neue Substanzen be ­<br />

reits einschliessen», erklärt Danièle<br />

Bersier, Mediensprecherin beim<br />

Schweizerischen Heilmittelinstitut<br />

Swissmedic. Viele Legal Highs sind<br />

also nicht legal und werden vom<br />

Zoll beschlagnahmt.<br />

Eltern sollten gegenüber<br />

Kindern ihre Haltung zu<br />

Drogen klar kommunizieren.<br />

Die meisten Jugendlichen, die psychoaktive<br />

Substanzen konsumieren,<br />

tun dies aus Neugier und gehen nicht<br />

zu einem regelmässigen Konsum<br />

über. Monique Portner-Helfer von<br />

Sucht Schweiz sagt dazu: «Einen<br />

einmaligen Probierkonsum sollten<br />

Eltern nicht dramatisieren. Wichtig<br />

ist, dass sie mit den betroffenen<br />

Jugendlichen nachdrücklich über<br />

die Risiken sprechen und ihre Haltung<br />

klar kommunizieren.»<br />

Anja Lischer von der Jugendberatung<br />

Streetwork, die auch die<br />

Webseite Safeparty.ch betreibt, rät<br />

Eltern, offen zuzuhören und nicht<br />

gleich mit Anschuldigungen oder<br />

Mahnungen zu kommen. «Wenn<br />

man den Konsum von Drogen und<br />

die Drogen selber nur schlechtredet,<br />

kann es schnell passieren, dass Konsumierende<br />

einem nicht mehr zuhören<br />

und einen nicht ernst nehmen.»<br />

Eltern sollten sich gut informieren<br />

Für Konsumierende sei der Drogenkonsum<br />

auch mit positiven Eigenschaften<br />

verbunden, sagt Lischer.<br />

Deshalb sollten sich Eltern auch nach<br />

diesen erkundigen und diese ernst<br />

nehmen. Hilfreich für ein Gespräch<br />

sei auch, wenn sich die Eltern gut<br />

über die Wirkungen, Risiken und<br />

Nebenwirkungen der Substanzen<br />

informieren. Sie sollen ihrem Kind<br />

ruhig auch sagen, dass sie sich Sor­<br />

Unsere<br />

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gen machen und ihnen viel daran<br />

liegt, dass es ihm gut geht.<br />

Anja Lischer ergänzt: «Am besten<br />

ist es, wenn die Eltern in klaren Ich-<br />

Botschaften sprechen.» Also «ich<br />

mache mir Sorgen um dich» oder<br />

«ich beobachte, dass du Drogen ausprobierst»<br />

anstatt «warum schluckst<br />

du das Zeug?!». Für solche Gespräche<br />

müssen sich Eltern viel Zeit nehmen,<br />

aktiv zuhören und in erster<br />

Linie auf die Gefühle reagieren. Statt<br />

die eigenen Befürchtungen darzustellen,<br />

beschreiben die Eltern besser<br />

das Verhalten ihres Kindes, ohne<br />

es zu bewerten (z. B. «ich merke,<br />

dass du wütend bist»).<br />

Wenn Jugendliche mehrmalig<br />

oder regelmässig potenziell schädigende<br />

Substanzen konsumieren,<br />

empfiehlt Monique Portner-Helfer<br />

den Umständen, die dazu beigetragen<br />

haben (z. B. Gruppendruck) auf<br />

den Grund zu gehen: Was steckt hinter<br />

dem Konsum? Was ist diesbezüglich<br />

zu tun? Wenn es den Betroffenen<br />

schwerfällt, den Konsum zu<br />

stoppen, oder wenn Jugendliche<br />

nicht zu einer Veränderung bereit<br />

sind, ist es wichtig, Fachpersonen<br />

beizuziehen. Sucht- und Jugendberatungsstellen<br />

können Eltern und<br />

Jugendlichen in solchen Situationen<br />

weiterhelfen.<br />

>>><br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

Susanna<br />

Steimer Miller<br />

ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />

«Baby & Kleinkind» und schreibt als Autorin<br />

über Gesundheits- und Ernährungsthemen.<br />

Eltern sollten ein Vorbild sein<br />

Rund 160 000 Menschen in der Schweiz<br />

sind von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />

abhängig und über 60 000 nehmen täglich<br />

oder fast täglich starke Schmerzmittel ein.<br />

Die Suchtgefahr ist bei Medikamenten auf<br />

der Basis von Benzodiazepinen oder<br />

benzodiazepinähnlichen Stoffen sowie<br />

bei Opiaten besonders gross. Jugendliche<br />

sind von Medikamentensucht nur<br />

selten betroffen. Etwa 0,1 Prozent der<br />

Jugendlichen verwenden regelmässig<br />

Schlaf- und Beruhigungsmittel. Dennoch<br />

müssen sich Eltern bewusst sein, dass<br />

ihr Umgang mit Medikamenten für ihr<br />

Kind prägend ist. Wenn Kinder ihre Eltern<br />

oft beim Schlucken von Medikamenten<br />

beobachten oder bei kleinen Beschwerden<br />

sofort welche erhalten, erhöht sich ihr<br />

Risiko, dass sie später als Erwachsene<br />

rasch und häufig zu Medikamenten greifen.<br />

Immer da, wo Zahlen sind.<br />

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März <strong>2017</strong>69


Digital & Medial<br />

VR-Brillen<br />

auf Kindergesichtern?<br />

Eine Welt, die nur virtuell existiert, in der man sich aber bewegen, die man erfahren<br />

und erfühlen kann: Das ist Virtual Reality. Immer häufiger entdecken auch<br />

Jugendliche diese neue Technologie. Mit sogenannten VR-Brillen tauchen sie in<br />

fiktive Welten ein und erleben Sinneseindrücke wie Geräusche und Berührungen.<br />

Aber nicht nur Augenärzte warnen vor den Folgen. Text: Stephan Petersen<br />

Die virtuelle Realität<br />

fühlt sich echt an,<br />

manchmal zu echt.<br />

Das mussten die Tester<br />

des Kletterspiels<br />

The Climb erfahren. Immer wieder<br />

rissen sich die Spieler nach einem<br />

virtuellen Absturz in der Steilwand<br />

die VR-Brillen vom Kopf und rannten<br />

zum WC, um sich zu übergeben.<br />

Erst nach mehreren Versionen<br />

konnten die Game-Entwickler das<br />

Problem entschärfen. Nun erleben<br />

die Spieler den freien Fall lediglich<br />

einige Augenblicke lang, dann wird<br />

der Bildschirm schwarz. Doch das<br />

Beispiel zeigt: VR-Brillen sind nicht<br />

frei von Ne benwirkungen. Und<br />

Übelkeit ist nicht die einzige.<br />

Was sind VR-Brillen?<br />

Fangen wir von vorne an: Was sind<br />

VR-Brillen eigentlich? Die Abkürzung<br />

VR bedeutet Virtual Reality,<br />

also Virtuelle Realität. VR-Brillen<br />

projizieren Bilder auf einen augennahen<br />

Bildschirm. Seitlich sind sie<br />

meistens geschlossen, so dass der<br />

Träger visuell komplett von der realen<br />

Welt abgeschnitten ist. Ziel ist es,<br />

künstlich erzeugte 3D-Welten so<br />

realistisch und glaubhaft wie möglich<br />

dazustellen.<br />

Der Nutzer taucht voll in eine andere<br />

Realität ab. Sensoren auf der Brille<br />

registrieren die Kopfbewegungen<br />

des Nutzers. Schaut man in der Realität<br />

nach links, dreht man sich auch<br />

in der virtuellen Welt nach links.<br />

Einige VR-Brillen funktionieren mit<br />

Gestensteuerung, andere benötigen<br />

zusätzliche Hardware, etwa in Form<br />

eines Controllers.<br />

Trockene Augen und Kurzsichtigkeit<br />

Da die aktuellen VR-Brillen noch<br />

nicht lange auf dem Markt sind, gibt<br />

es nur wenige Untersuchungen zu<br />

ihrer Wirkung. Bisherige Studien<br />

deuten allerdings darauf hin, dass<br />

VR-Brillen bei Kindern zu Kurzsichtigkeit<br />

führen könnten.<br />

Der Londoner Augenchirurg<br />

David Allamby sagt hierzu: «Eltern<br />

und jüngere Menschen sollten sich<br />

der Risiken bewusst sein. Mit VR<br />

wird es möglicherweise immer mehr<br />

Menschen geben, die an einem<br />

Mangel an Tageslicht leiden – etwas,<br />

das sich auf das natürliche Wachstum<br />

unserer Augen auswirkt und zu<br />

Kurzsichtigkeit beziehungsweise<br />

Myopie führen kann.»<br />

Ausserdem halte, sagt David<br />

Allam by, die virtuelle Realität die<br />

Augen davon ab, Objekte auf weite<br />

Untersuchungen deuten<br />

darauf hin, dass VR-Brillen<br />

bei Kindern zu Kurzsichtigkeit<br />

führen können.<br />

Entfernung zu fokussieren. Auch<br />

das könne Kurzsichtigkeit zur Folge<br />

haben. Ein weiterer unangenehmer<br />

Nebeneffekt sei, dass Spieler in der<br />

virtuellen Realität zu wenig blinzeln.<br />

Dies führe zu trockenen Augen und<br />

könne auf Dauer schmerzhaft werden.<br />

Zudem sind die neurologischen<br />

Langzeitfolgen noch nicht abzusehen.<br />

Was passiert, wenn sich Menschen<br />

regelmässig in der virtuellen<br />

Realität aufhalten? Die ersten Nutzer<br />

sind daher je nach Standpunkt Pioniere<br />

oder Versuchskaninchen.<br />

Auch die Hersteller von VR-Brillen<br />

können die Folgen nicht ab -<br />

schätzen und empfehlen eine Nutzung<br />

für Spieler erst ab 13 Jahren.<br />

Zudem warnen sie vor der eingangs<br />

beschriebenen Motion Sickness be -<br />

ziehungsweise Kinetose, bei der<br />

neben Übelkeit auch noch andere<br />

Bild: iStockphoto<br />

70 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dank VR-Brille in<br />

der Kletterwand<br />

statt im<br />

Wohnzimmer.<br />

Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen<br />

auftreten können.<br />

Zur Motion Sickness kommt es,<br />

wenn die Sinnesorgane widersprüchliche<br />

Informationen erhalten.<br />

Beim Spiel The Climb sagen die<br />

Augen dem Spieler, dass er abstürzt.<br />

Der Körper nimmt jedoch keine Be ­<br />

wegung wahr. Aus dem gleichen<br />

Grund wird vielen Menschen<br />

schlecht, wenn sie während einer<br />

Autofahrt lesen.<br />

Unter den VR-Gamern klagen<br />

mehr als 50 Prozent über Übelkeit,<br />

Schwindel oder Kopfschmerzen<br />

nach einem Ausflug in die virtuelle<br />

Realität. Teilweise be richten sie auch<br />

von einer schnell eintretenden mentalen<br />

Erschöpfung. Untersuchungen<br />

kommen übrigens zu dem Ergebnis,<br />

dass Kinder am anfälligsten für<br />

Motion Sickness sind.<br />

Ob die Entwicklungsstudios das<br />

Problem der Kinetose in den Griff<br />

bekommen? Steve Baker, der mehr<br />

als 25 Jahre Erfahrung im Bereich<br />

militärische Flugsimulationen und<br />

virtuelle Realität aufweist, macht<br />

sich keine Hoffnungen: «Ich glaube<br />

nicht daran, dass es ein System für<br />

virtuelle Realität gibt, das zum einen<br />

die Erfahrung bietet, zum anderen<br />

nicht bei den meisten zu Übelkeit<br />

führt.»<br />

Gesteigertes Mittendrin-Gefühl<br />

Das Mittendrin-Gefühl im Game ist<br />

mit der fortgeschrittenen Technik<br />

viel intensiver als bei einem normalen<br />

Game. Noch vermag niemand<br />

abzuschätzen, welche psychischen<br />

Folgen dieses gesteigerte Abtauchen<br />

in Spiele haben kann. Bereits jetzt<br />

verfügen Games über ein nicht zu<br />

unterschätzendes Sucht- und Fluchtpotenzial.<br />

Statt Alltagssorgen und<br />

Routine erlebt der Spieler im Game<br />

Abenteuer und Ab wechslung – er ist<br />

Held und Hauptdarsteller. Zu Erfolgen<br />

und Belohnungen kommt man<br />

hier einfacher als in der Schule oder<br />

im Sport.<br />

Der Zusammenhang von Gewalt<br />

und Games ist seit vielen Jahren ein<br />

kontroverses und intensiv beforschtes<br />

Thema. «Vor dem Hintergrund<br />

der beeindruckenden Daten­ >>><br />

Hersteller von VR-Brillen<br />

empfehlen eine Nutzung für<br />

Spieler erst ab 13 Jahren.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>71


Digital & Medial<br />

Trockene Augen, Kopfschmerzen,<br />

Übelkeit: VR-Brillen sind nicht<br />

frei von Nebenwirkungen.<br />

>>> lage darf die Erkenntnis als<br />

empirisch gut gesichert gelten, dass<br />

Gewaltspiele zu erhöhtem aggressivem<br />

Verhalten bei Kindern und<br />

Jugendlichen beitragen können»,<br />

sagt hierzu Martina Zemp, Psychologin<br />

an der Universität Zürich.<br />

Offene Fragen<br />

Welche Auswirkungen hat es, wenn<br />

das Mittendrin-Gefühl dank der<br />

VR-Brille noch intensiver ist? Was<br />

geschieht im Kopf eines Menschen,<br />

wenn er in einem Actionspiel wie<br />

GTA den Computerfiguren nicht nur<br />

mittels Controller das virtuelle<br />

Lebenslicht ausbläst, sondern in der<br />

virtuellen Welt das Gefühl hat, sich<br />

mitten im Geschehen zu befinden,<br />

und die Charaktere mit der Gestensteuerung,<br />

also den eigenen Händen,<br />

virtuell tötet?<br />

Die Verantwortlichen bei PEGI,<br />

dem europaweiten Alters-Einstufungssystem,<br />

denken wegen des<br />

starken Mittendrin-Gefühls über<br />

eine neue Inhaltsbeurteilung für<br />

VR-Spiele nach. Bei der deutschen<br />

Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle<br />

(USK) hat man bereits reagiert.<br />

Dort werden VR-Spiele meist höher<br />

eingestuft. So gibt es etwa ein Spiel,<br />

in dem man als Tiefseetaucher in<br />

einem Käfig unter Wasser sitzt und<br />

von einem Hai attackiert wird – die<br />

«normale» Version erhielt USK 12,<br />

die VR-Version USK 16.<br />

Ob das ausreicht? Da die Technik<br />

so neu ist und es noch keine Langzeituntersuchungen<br />

gibt, wird sicher<br />

immer wieder Diskus sionsbedarf<br />

bestehen – in der Branche wie in den<br />

Familien.<br />

>>><br />

Entscheidungs-Argumente<br />

auf einen Blick<br />

• VR-Brillen sind der neue Trend<br />

beim Gaming und erlauben<br />

ein nie dagewesenes<br />

Mittendrin-Gefühl.<br />

• Es gibt keine langfristigen<br />

Untersuchungen über mögliche<br />

körperliche und psychische<br />

Folgen.<br />

• Bekannte Nebenwirkungen sind<br />

Übelkeit, Kopfschmerzen und<br />

trockene Augen; Ärzte rechnen<br />

mit einem erhöhten Risiko für<br />

Kurzsichtigkeit.<br />

• Die Altersempfehlungen der<br />

Hersteller für eine Nutzung der<br />

VR-Brillen liegen bei 13 Jahren.<br />

• VR-Spiele erhalten oft eine<br />

höhere Alterseinstufung als<br />

die «normalen» Versionen.<br />

Laden und starten<br />

sie die Fritz+Fränzi-<br />

App und folgen Sie dem<br />

Link in die 360-Grad-Unterwasserwelt,<br />

um einen Eindruck von der<br />

Virtual Reality zu bekommen.<br />

Tipp: Mobilgerät bewegen<br />

und sich umsehen!<br />

Stephan Peterson<br />

ist studierter Historiker und freier Journalist.<br />

Zu seinen Themen gehören unter anderem<br />

Videospiele und Familie. Er ist Vater zweier<br />

Kinder im Alter von sieben und elf Jahren.<br />

72 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Publireportage<br />

Action und Chillen:<br />

bei Reka ist beides<br />

möglich.<br />

Reka-Ferien mit Teenies?<br />

Und ob! Biken auf dem Pumptrack, Grillen im Teens Club,<br />

Chillen am Strand … Reka-Feriendörfer bieten Abwechslung<br />

für Teenager und Erwachsene. Von Julia Scheidegger<br />

«Blackbox» heisst der Teil im Jugendraum<br />

des Reka-Feriendorfs Zinal, wo man richtig<br />

chillen kann. Vorne trifft man sich zum<br />

Töggele, Billard oder Ping Pong spielen.<br />

In der Lounge im oberen Stock gönnt sich<br />

die ältere Generation ein Glas Wein.<br />

Draussen sorgt der Bike-Pumptrack für<br />

Nervenkitzel. Am Kletterfelsen können<br />

sich angehende Bergsteiger üben. Das<br />

Feriendorf steht denn auch unter dem<br />

Motto «Majestätische Bergwelt».<br />

Im Teens Club trifft man sich zum Kochen<br />

oder Grillen. Er ist fester Bestandteil<br />

des Familienprogramms, das alle Reka-Feriendörfer<br />

anbieten.<br />

Gletscher, Schlucht & Adrenalin<br />

Das Reka-Feriendorf Blatten-Belalp liegt<br />

am Rande des UNESCO Weltnaturerbes<br />

Jungfrau-Aletsch. Eines der Highlights ist<br />

die 124 m lange Hängebrücke, die in<br />

80 m Höhe vor dem Grossen Aletschgletscher<br />

über die Massaschlucht führt:<br />

Adrenalin pur! Der Freizeitpark Hexenkessel<br />

bietet einen Seilpark mit einfachen bis<br />

hin zu spektakulären Parcours. Das top-<br />

moderne Reka-Feriendorf hat einen grossen<br />

Aussenteerplatz mit Rampen, Street<br />

Soccer Toren und Basketball Korb, Scooter<br />

werden gratis verliehen. Im Hallenbad<br />

und im Fitnessraum kann man ganz schön<br />

Kalorien verbrennen.<br />

Sonne, Meer & Dolce Vita<br />

Das Reka-Ferienresort Golfo del Sole liegt<br />

direkt am feinsandigen Strand, rund 3 km<br />

nördlich der toskanischen Stadt Follonica.<br />

Zum Resort gehören eine Tennis- und eine<br />

Surfschule, Velo- und Bikevermietung sowie<br />

diverse Restaurants und Bars. Zusätzliches<br />

Plus: Hotelservice in den Bungalows<br />

und Ferienwohnungen (gegen<br />

Gebühr), nummerierte Liegestühle mit-<br />

Sonnenschirm am Strand und geführte<br />

Biketouren während bestimmter Wochen.<br />

Informationen und Buchung<br />

unter www.reka.ch<br />

oder <strong>03</strong>1 329 66 99<br />

(Montag bis Freitag, 8 – 17 Uhr)


Digital & Medial<br />

Therapie im Chatroom?<br />

Der Klient, sein Problem, der Therapeut und vielleicht noch eine Couch – diese bekannte<br />

Konstellation ist heute längst nicht mehr die Regel. Das ständige Vor-dem-Bildschirm-<br />

Sitzen ist ein Grund, warum Jugendliche eine Therapie brauchen. Aber es kann auch<br />

Teil der Lösung sein. Viele Therapeuten holen die Jugendlichen heute dort ab,<br />

wo sie sind: online. Die psychoanalytische Sozialarbeiterin Sylvia Künstler über Risiken<br />

und Chancen. Interview: Kathrin Blum<br />

Frau Künstler, aus dem Alltag von<br />

Jugendlichen sind neue Medien nicht<br />

mehr wegzudenken. Wie wirkt sich das<br />

auf Ihren Arbeitsalltag aus?<br />

Es ist ein riesiges Problem, wenn wir<br />

eine Jugendgruppe vor uns haben<br />

und alle ihre Smartphones zücken.<br />

Alle müssen nur «ganz schnell, ganz<br />

kurz»… Wenn man ihnen ihr Telefon<br />

wegnimmt, ist das im übertragenen<br />

Sinne gesprochen so, wie<br />

wenn man ihnen die Hand oder ein<br />

Bein amputieren würde. Das Handy<br />

hat eine immense Bedeutung<br />

bekommen, das «In-Kontakt-Sein<br />

mit der Welt» ist für die Jugendlichen<br />

essenziell.<br />

Selbst wenn sich die Jugendlichen<br />

gerade in einer sozialtherapeutischen<br />

Sitzung befinden?<br />

Ja – und manchmal vielleicht auch<br />

gerade dann. Es kann natürlich auch<br />

eine Art sein, den Kontakt zu uns zu<br />

«Mitten in der Sitzung wird<br />

das Smartphone gezückt.<br />

Und dann nimmt ein Freund<br />

virtuell teil.»<br />

vermeiden oder uns die Kontaktaufnahme<br />

zumindest zu erschweren.<br />

Die Klienten teilen uns auch etwas<br />

mit, wenn sie den Kontakt zu anderen<br />

suchen, wenn eigentlich wir zu<br />

ihnen Kontakt aufnehmen möchten.<br />

Hin und wieder kommt es vor, dass<br />

wir nicht nur zu zweit in einer Einzelstunde<br />

sind, sondern dass per<br />

Internet oder Handy von den Jugendlichen<br />

noch jemand dazugeholt<br />

wird. Nimmt ein Jugendlicher jemanden<br />

(virtuell) mit in die Therapie,<br />

fragen wir uns: Warum macht<br />

er das? Was will uns der Klient damit<br />

mitteilen? Es ist möglich, dass dadurch<br />

ein Problem in die Stunde<br />

mitgebracht wird, über das der Jugendliche<br />

nicht sprechen kann. So<br />

macht er es dennoch zum Thema.<br />

Sehen Sie neue Medien in der Psychotherapie<br />

eher als Chance oder Risiko?<br />

Mal sind sie Risiko, mal Chance. Wir<br />

sehen beispielsweise junge Menschen<br />

mit autistischen Störungen,<br />

die aus der Welt fallen, weil sie es<br />

nicht schaffen, zu anderen Kontakt<br />

aufzunehmen oder gar Beziehungen<br />

aufzubauen – zumindest nicht, wenn<br />

ihnen diese anderen gegenübersitzen.<br />

Für sie kann es eine grosse<br />

Chance sein, im Netz virtuelle<br />

Freundschaften zu schliessen. Und<br />

diese Freundschaften können durchaus<br />

sehr intensiv sein. Ich erinnere<br />

mich da an eine Klientin, die<br />

Freundschaft geschlossen hat zu<br />

einer Frau in Moskau. Sie haben<br />

täglich telefoniert, geskypt oder<br />

gechattet, waren füreinander da,<br />

wenn eine in Not war. Das war eine<br />

echte Freundschaft. Aber die junge<br />

Frau hätte diesen Kontakt ohne die<br />

räumliche Distanz nicht ausgehalten.<br />

Für Autisten sind neue Medien<br />

und soziale Netzwerke eine grosse<br />

Chance, in Beziehungen zu treten.<br />

Werden allerdings alle anderen Beziehungen<br />

durch Freundschaften im<br />

Netz ersetzt, kann das durchaus auch<br />

für autistische Menschen zum Problem<br />

werden. Ausserdem gibt es die<br />

dunklen Seiten, etwa die ganzen<br />

Mobbinggeschichten. Neue Medien<br />

sind extrem ambivalent.<br />

Viele Jugendliche verbringen mehrere<br />

Stunden täglich in der virtuellen Welt.<br />

Wann stellt sich die Frage nach der<br />

Internetsucht?<br />

Da müssen wir differenzieren. Exzessive<br />

Computernutzung wird oft<br />

als Problem betrachtet. Übersehen<br />

darf man dabei nicht, dass diese oft<br />

nur die Folge eines anderen Problems<br />

ist. Sozusagen das Sym ptom.<br />

Wenn beispielsweise ein Jugendli-<br />

74 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


cher antriebslos ist, eine Depression<br />

entwickelt, verbringt er deshalb<br />

möglicherweise viel Zeit vor dem<br />

Bildschirm, weil er es nicht mehr<br />

schafft, rauszugehen. Und vor dem<br />

Bildschirm vergeht die Zeit einfach<br />

schneller. Viele versinken völlig in<br />

dieser anderen Welt. Man muss sehr<br />

genau hinschauen, ob die Computersucht<br />

nicht andere Pro bleme verdeckt<br />

und nur die Oberfläche darstellt.<br />

Vielen dieser Pa tienten, die auf<br />

den ersten Blick computersüchtig<br />

scheinen, fällt es in der Klinik nicht<br />

schwer, dort zu verzichten. Durch<br />

die Therapie und den Kontakt zu<br />

anderen Jugendlichen mit ähnlichen<br />

oder gleichen Problemen brauchen<br />

sie den Computer nicht mehr.<br />

Wann sollten sich Eltern Sorgen<br />

machen?<br />

Es gibt ein paar klare Grenzlinien.<br />

Die Zahl der Stunden, die jemand<br />

vor dem Computer sitzt, ist allerdings<br />

wenig ausschlaggebend. Entscheidender<br />

sind die Fragen: Verlieren<br />

Jugendliche normale Bezüge?<br />

Gehen sie in die Schule, in Vereine,<br />

treffen sie reale Freunde? Wenn sie<br />

andere, alltägliche Dinge nicht vernachlässigen,<br />

sitzen sie zwar vielleicht<br />

zu lange am Computer, sind<br />

aber nicht krankhaft süchtig. Sobald<br />

ein Leistungsabfall eintritt, ein<br />

Rückzug oder eine Veränderung im<br />

Sozialverhalten, sind das Warnzeichen,<br />

die man ernst nehmen und<br />

denen man auf den Grund gehen<br />

sollte.<br />

Ist es nicht auch ein Warnzeichen,<br />

wenn Jugendliche sich dem ganzen<br />

Soziale-Netzwerke-Hype verweigern?<br />

Mädchen und Jungen stellen sich<br />

ausserhalb ihrer Jugendkultur, wenn<br />

sie neue Medien ablehnen. Sie begeben<br />

sich dadurch nicht selten in die<br />

Einsamkeit. Denn das Smartphone<br />

ist durchaus auch Bezugspunkt. Oft<br />

sitzen Jugendliche zu dritt über<br />

einem Bildschirm und zeigen sich<br />

Sachen. Computer und Handy<br />

haben ja auch interaktive Elemente.<br />

Wenn die Jugendlichen sich aber<br />

sonst nicht aus ihren sozialen Kon­<br />

takten zurückziehen, würde ich es<br />

nicht als Warnzeichen sehen.<br />

Und wie gehen Sie nun in der Sitzung<br />

vor, wenn das Smartphone stört?<br />

Verbieten Sie das Gerät?<br />

Mit radikalen Einschränkungen tun<br />

wir uns schwer. Und, wie gesagt,<br />

Jugendliche mit Aspergersyndrom<br />

sind mitunter auf dieses Medium<br />

angewiesen. Es ist ihr Zugang zur<br />

Welt. Deshalb lassen wir es gerade<br />

bei ihnen zu. Und nicht nur das. Wir<br />

versuchen, genau darüber in Kontakt<br />

zu kommen. Es gibt junge Menschen,<br />

die erzählen beispielsweise<br />

von ihren Computerspielen und was<br />

sie da machen. Wir versuchen, neutral<br />

und interessiert zuzuhören –<br />

und nicht gleich zu wettern: blödes<br />

Ballerspiel. Oder es gibt die Jugendlichen,<br />

die nicht über ihr Problem<br />

sprechen können und es deshalb<br />

«verpacken», indem sie von einem<br />

Freund oder einer Freundin erzählen,<br />

die gerade eine Nachricht geschrieben<br />

hat. In der geht es eben<br />

um den Konflikt, der den Klienten<br />

gerade selbst beschäftigt. In der virtuellen<br />

Welt entstehen Gruppen,<br />

Freundschaften, Konflikte – genau<br />

wie im realen Leben. Das müssen wir<br />

nutzen. Ich habe das Internet tatsächlich<br />

schon als Brücke erlebt.<br />

Computer und Handy bieten uns als<br />

Therapeuten die Möglichkeit, mit<br />

den Jugendlichen in Kontakt zu treten.<br />

Das kann durchaus in einem<br />

Chatroom sein.<br />

Haben Sie schon mit Klienten<br />

gechattet?<br />

Ja. Mit einer Klientin habe ich mich<br />

regelmässig im Chatroom verabredet,<br />

um dort die sozialtherapeutischen<br />

Einzelstunden mit ihr zu halten.<br />

Ihre Schwierigkeiten >>><br />

«Im Internet fällt es manchen<br />

Jugendlichen leichter,<br />

Beziehungen und Vertrauen<br />

aufzubauen.»<br />

Erste Hilfe für Jugendliche im Internet<br />

• Die neuen Kommunikationswege nutzen, um<br />

Jugendlichen zu helfen, möchte die Plattform<br />

JugendNotmail. Für die in Berlin ansässige<br />

Online-Beratung arbeiten ehrenamtlich über<br />

100 Psychologen und Sozialpädagogen – 365<br />

Tage im Jahr. Auffällig: Mindestens 360 Mails<br />

kamen 2015 aus der Schweiz. In den Anfragen<br />

geht es um Depressionen, Selbstverletzung,<br />

Missbrauch, Suizidgedanken, Essstörungen.<br />

«Neben der Einzelberatung können sich die<br />

hilfesuchenden Jugendlichen im Forum und<br />

den monatlichen Themenchats austauschen»,<br />

so Sprecherin Amelie Schwierholz. Sie betont:<br />

«Die Beratung kann keine Therapie ersetzen.»<br />

Erweise sich eine als nötig, vermittelten die<br />

Mitarbeiter den Jugendlichen weiter.<br />

• www.u25-schweiz.ch ist eine kostenlose und<br />

anonyme Online-Hilfe für Jugendliche – von<br />

Jugendlichen mit spezieller Ausbildung. Die<br />

Berater sind zwischen 17 und 25 Jahre alt,<br />

hinter ihnen stehen Sozialarbeiter und<br />

Psychologen. Angesprochen werden sollen<br />

Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 25<br />

Jahren mit Suizidgedanken. Träger dieses<br />

Projekts ist der Verein Lebe! in Winterthur.<br />

• Auch viele Stellen, die bisher eher angerufen<br />

wurden, beraten heute Chat, SMS oder Mail:<br />

Die Dar gebotene Hand (www.143.ch), Das<br />

Sorgentelefon (das-sorgentelefon.com)<br />

und die Jugendberatung von Pro Juventute<br />

(www.147.ch).<br />

Laden und<br />

starten Sie die<br />

Fritz+Fränzi-App<br />

und lesen Sie online ein<br />

Originalprotokoll einer<br />

Chat-Beratung.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>75


«Auch ich habe mehr Zeit,<br />

die Dinge so zu formulieren,<br />

dass sie nicht verletzen.»<br />

>>> konnten schriftlich und doch<br />

im direkten Kontakt mit ihr «besprochen»<br />

werden. Etwas, das im konkreten<br />

Miteinander schwer möglich<br />

war. Auch mir fiel es manchmal<br />

leichter, potenziell kränkende Dinge<br />

so zu formulieren, dass sie sie nicht<br />

verletzten. Ein Chat hat im Gegensatz<br />

zu anderem Schriftverkehr den<br />

Vorteil, dass man fast ohne Verzögerung<br />

auf das Gegenüber eingehen<br />

und doch kurz über das Geschriebene<br />

nachdenken kann. Besagte Klientin<br />

konnte im Chat Dinge in Worte<br />

fassen und eine innere Nähe zulassen,<br />

was im direkten Kontakt eben<br />

gerade nicht gelang. Generell können<br />

manche Klienten bedrohliche,<br />

schmerzhafte Dinge besser ansprechen,<br />

wenn es «beiläufig» passiert<br />

und man dem Gegenüber nicht in<br />

die Augen schauen muss.<br />

Sie sagen von sich selbst, dass Sie<br />

neuen Medien offen gegenüberstehen.<br />

Als Kind der 60er-Jahre sind Sie allerdings<br />

nicht mit dem Internet gross<br />

geworden. Ist es für Ihre Generation<br />

schwierig, die sogenannten Digital<br />

Natives zu verstehen?<br />

Es stimmt natürlich, dass ich da in<br />

der Position der Lernenden bin und<br />

mir manchmal sogar Zwölfjährige<br />

am Computer etwas Neues zeigen<br />

können. Dass sich Kinder und<br />

Jugendliche eine ganz neue Welt<br />

erschlossen haben, die uns fremd ist,<br />

ist durchaus eine Herausforderung.<br />

Aber eine, die wir meistern können,<br />

wenn wir offen und neugierig sind<br />

und bleiben.<br />

>>><br />

Eine Brücke<br />

zurück zu den<br />

Menschen<br />

Ellen Ringier über<br />

Familienregeln.<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />

Zur Person<br />

Sylvia Künstler arbeitet in Tübingen als<br />

psychoanalytische Sozialarbeiterin. Sie hat<br />

zwei erwachsene Kinder, die das Internet<br />

intensiv nutzen. Sie selbst ist weder bei<br />

Twitter noch bei Facebook aktiv, nutzt das<br />

World-Wide-Web allerdings täglich, um sich<br />

zu informieren und zu kommunizieren.<br />

Kathrin Blum<br />

aus Freiburg arbeitet festangestellt als<br />

Redaktorin bei einer Tageszeitung und<br />

freiberuflich für verschiedene Medien. Die<br />

33-Jährige fürchtet, dass es nicht mehr allzu<br />

lange dauert, bis ihre Töchter (dreieinhalb<br />

und zwei Jahre alt) sich für neue Medien<br />

interessieren.<br />

Zu Weihnachten bekamen mein Mann und ich<br />

ein ungewöhnliches Geschenk von einem jungen<br />

Mann, dem Partner einer unserer Töchter: ein<br />

Bild, unsere beiden Enkel mit Bleistift und Kohle<br />

auf Papier gezeichnet, eine wunderschöne<br />

Erinnerung an die beiden Kleinkinder.<br />

Weihnachten ist vorbei und ich überlege, wo<br />

und wie ich dieses Bild, das immerhin eine halbe<br />

Plakatgrösse hat, rahmen lassen soll. Ich lege das<br />

Blatt auf den Tisch, betrachte die beiden Enkel,<br />

wie sie spielend am Boden kauern, ganz offensichtlich<br />

in spielerischem Kontakt miteinander.<br />

Reden können die beiden noch nicht richtig, und<br />

so werden sie sich wohl lautmalerisch verstanden<br />

haben.<br />

Und dann werde ich gewahr, dass der Hintergrund<br />

des Bildes aus einem ganz fein geschriebenen<br />

Text in Grossbuchstaben besteht, zuoberst<br />

lese ich: FAMILY RULES.<br />

Bild:Maurice Haas / 13 Photo<br />

76 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Stiftung Elternsein<br />

Zum besseren Verständnis dessen, was ich sagen<br />

will, muss ich hier noch anmerken, dass ich Mitte<br />

60, der junge Mann Mitte 20 ist. Was also will<br />

mich ein 26-Jähriger an «Familienregeln» lehren?<br />

Lesen Sie selber:<br />

HELP EACH OTHER<br />

ALWAYS TELL THE TRUTH<br />

SHARE<br />

DO YOUR BEST<br />

PAY WITH HUGS AND KISSES<br />

LISTEN TO YOUR PARENTS<br />

LAUGH AT YOURSELF<br />

SAY I LOVE YOU<br />

TRY NEW THINGS<br />

BE THANKFUL<br />

SHOW COMPASSION<br />

BE HAPPY<br />

LOVE EACH OTHER<br />

DREAM BIG<br />

RESPECT ONE ANOTHER<br />

LAUGH OUT LOUD<br />

KEEP YOUR PROMISES<br />

SAY PLEASE AND THANK YOU<br />

USE KIND WORDS<br />

KNOW YOU ARE LOVED *<br />

Während meine Gedankenwelt zusehends von<br />

den politischen Verhältnissen innerhalb und<br />

ausserhalb meines Landes bestimmt wird, während<br />

ich mich nächtelang gedanklich damit quäle,<br />

dass sich kaum einer darum kümmert, dass<br />

das «Weltethos», wie Prof. Dr. Hans Küng dieses<br />

so anschaulich beschrieben hat, vor die Hunde<br />

geht. Das supranationale Organ, die UNO, welche<br />

zur Aufgabe hätte, Menschenrechten zum Durchbruch<br />

zu verhelfen, droht zu einem zahnlosen<br />

Papiertiger zu verkommen. Die prägenden Stichworte<br />

dieses Jahrzehnts heissen Krieg und Kriegsflüchtlinge.<br />

Populisten machen sich allenthalben<br />

beliebt, zumindest dort, wo Wähler das Vertrauen<br />

in ihre «ordentlichen» Regierungen verloren<br />

haben.<br />

Während all dies geschieht, gelingt es einem<br />

jungen Mann, mir mittels eines Weihnachtsgeschenks,<br />

das weder eine Marke noch einen Preis<br />

hat, eine Brücke zu bauen! Eine gedankliche<br />

Brücke, die mich zurück zu den Menschen führt,<br />

die mir am meisten bedeuten, die ich liebe: meine<br />

Familie. Ich spiele Ihnen, liebe Leserinnen<br />

und Leser, eine Brücke weiter, die in diesem Kontext<br />

FAMILY RULES heisst.<br />

Auf deren Namen kommt es mir nicht an,<br />

sondern auf die Möglichkeit, mittels weniger<br />

Regeln einen direkten Weg ins Herz der eigenen<br />

Familie, der Kinder (zurück) zu finden, das<br />

«Kleine und Feine» im Leben einer Familie nicht<br />

für das «Grosse und Ganze» aufs Spiel zu setzen!<br />

Natürlich habe ich, wie Sie auch, diese und<br />

viele andere Regeln verinnerlicht. Sie sind ein<br />

Teil von mir. Und doch weiss ich, dass kein Tag<br />

vergangen ist, an dem ich die Regeln nicht gebrochen<br />

habe.<br />

Zu müde, um ein Bobo wirklich mitzufühlen<br />

oder über einen Scherz meiner Kinder zu lachen.<br />

Zu viele Sorgen, um meiner Liebe Ausdruck zu<br />

verleihen oder mich auch nur aufrichtig dankbar<br />

zu zeigen. Keine Zeit, etwas Neues spielerisch<br />

umzusetzen oder – allzu oft – ein Versprechen<br />

einzuhalten.<br />

Ich kann die Liste beliebig lang werden lassen<br />

…<br />

Meine Kinder sind nun, wie der junge Maler,<br />

junge Erwachsene und junge Eltern. Ich wünsche<br />

ihnen und allen jungen Menschen, dass sie jederzeit<br />

die Kraft haben werden, über die Brücke von<br />

den Eltern zu den Kindern zu gehen.<br />

* Helft einander – sag immer die Wahrheit – teile – gib<br />

dein Bestes – sag es mit Umarmungen und Küssen –<br />

hör auf deine Eltern – lach über dich – sag es mit<br />

Liebe – probier Neues aus – sei dankbar – zeig Mitgefühl<br />

– sei glücklich – liebt einander – hab grosse Träume<br />

- respektier den anderen – lach laut – halt deine<br />

Versprechen – sag Bitte und Danke – sag nette Dinge<br />

– sei dir gewiss, dass du geliebt wirst<br />

STIFTUNG ELTERNSEIN<br />

«Eltern werden ist nicht schwer,<br />

Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />

Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />

Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie<br />

richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und<br />

Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern,<br />

Kindern, Lehrern und die Vernetzung der eltern- und<br />

erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschsprachigen<br />

Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer<br />

ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>77


Digital & Medial<br />

Halten Sie den<br />

Streit aus!<br />

Digitale Medien führen immer wieder zu Streit.<br />

Mit dem ersten Smartphone Ihres Kindes<br />

bekommen Sie oft endlose Debatten gratis<br />

dazu. Und das ist gut so. Lesen Sie hier wieso.<br />

Text: Michael In Albon<br />

Bild: Swisscom<br />

Der Vater einer 13-Jährigen<br />

trifft den Nerv<br />

vieler Familien,<br />

wenn er sagt: «Ei-<br />

gentlich verstehe ich<br />

mich mit meiner Tochter super –<br />

wenn das Thema Handy nicht wäre.»<br />

Denn ständig gibt es Auseinandersetzungen<br />

um die Nutzung der Bildschirmgeräte.<br />

Selbst bei den grundlegendsten<br />

Regeln wie etwa der<br />

Medienzeit.<br />

Eine Stunde sind 60 Minuten,<br />

sollte man meinen. Wann jedoch so<br />

eine Stunde beginnt und wann sie<br />

endet, ist keineswegs eindeutig.<br />

Gehört etwa das YouTube-Tutorial<br />

über Bruchrechnen dazu? – «Das ist<br />

ja Lernen.» Oder das Sportpanorama<br />

– «Das willst ja eigentlich du<br />

schauen». Und was ist mit den<br />

Minuten, in denen Ihr Kind zwischendurch,<br />

während seiner Me -<br />

dienzeit, auf die Toilette muss? Das<br />

gilt es auszuhandeln.<br />

Streiten macht unabhängig<br />

Solche Diskussionen drücken auf die<br />

Stimmung, hören nicht auf – und<br />

sind anstrengend. Denn trotz klarer<br />

Regeln und Abmachungen versuchen<br />

Kinder und Jugendliche immer<br />

wieder, längere Nutzungszeiten herauszuschlagen.<br />

Häufig argumentieren<br />

sie damit, dass alle anderen ihre<br />

Geräte viel länger nutzen dürfen –<br />

alle Freunde, alle Klassenkameraden,<br />

ja die ganze Welt! Das ermüdet,<br />

frustriert und ist normal. Vor allem<br />

aber ist es positiv. Halten Sie als<br />

Eltern den Streit aus – gerade mit<br />

Teenagern. Er gehört zu ihrer Entwicklung.<br />

Schwierig ist dabei, dass<br />

Sie in einem konstruktiven Dialog<br />

bleiben.<br />

Das heisst: Lassen Sie Ihr Kind<br />

seinen Standpunkt vertreten und<br />

legen Sie Ihren dar. So lernen Teenager<br />

argumentieren und entwickeln<br />

ein gesundes Selbstbewusstsein.<br />

Dieses stärkt sie; vor allem um dem<br />

Gruppendruck von Gleichaltrigen<br />

standzuhalten. Jugendliche, die sich<br />

häufig fundierte Streitgespräche mit<br />

ihren Eltern liefern, sind weniger<br />

anfällig für negative Einflüsse. Sie<br />

entwickeln zu Hause eine gesunde<br />

Selbständigkeit, die sich auf die<br />

Beziehung mit Gleichaltrigen überträgt.<br />

Legen Sie also Ihre Erfahrungen<br />

dar, pochen Sie auf das Einhalten<br />

von Regeln und scheuen Sie den<br />

Konflikt mit Ihrem Kind nicht. Aber<br />

streiten Sie richtig: Streiten Sie um<br />

die Sache, nicht um die Beziehung.<br />

Überzeugen Sie mit sachlichen<br />

Argumenten; vermeiden Sie Dauer-<br />

monologe oder Beschimpfungen.<br />

Und lassen Sie Ihre Teenager ihre<br />

Argumente vorbringen. Denken Sie<br />

nun, diese strengere Haltung lässt<br />

Kindern und Jugendlichen weniger<br />

Freiräume? Bedenken Sie: Diese<br />

Haltung vermittelt Ihren Kindern<br />

gleichzeitig Orientierung und<br />

schützt sie vor Überforderung.<br />

Denn Kinder, die sich im Schutz<br />

einer funktionierenden Familie auseinandersetzen<br />

können, haben die<br />

besseren Chancen, sich ihr Erwachsenwerden<br />

zu «erstreiten». Dabei<br />

kann es ruhig mal heftiger zur Sache<br />

gehen.<br />

Michael In Albon<br />

Michael In Albon ist Beauftragter<br />

Jugendmedienschutz und Experte<br />

Medienkompetenz von Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

78 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Diese Anspannung aller Anwesenden, wenn eine<br />

Mutter auf dem Spielplatz mit «Ich zähle bis drei!» droht<br />

und schon bei zwei angelangt ist ...<br />

Tweet von @FrauVanSass<br />

Bilder: iStockphoto, ZVG<br />

Medienkompetenz-Tipp:<br />

Der Umgang mit Fake News<br />

Falsch- oder Hass-Meldungen zu<br />

erkennen, ist schon für Erwachsene<br />

nicht einfach. Spielen Sie mit Ihren<br />

Kindern deshalb die Tipps auf hass-imnetz.info/toolskennen<br />

durch. Wie man<br />

Bilder auf Manipulation überprüft,<br />

erfährt man auf hass-im-netz.info/<br />

bilderchecken. Falschmeldungen, die bereits bekannt sind, werden auf<br />

mimikama.at oder auf hoaxmap.org aufgelistet. Und damit diese Listen<br />

auch aktuell bleiben, melden Sie gefundene Falschinhalte. Wie das geht,<br />

erfahren Sie auf no-hate-speech.de/melden. Auf hass-im-netz.info/<br />

melden gibt es gleich ein entsprechendes Formular.<br />

Wenn das Herz<br />

überquillt …<br />

Die erste Liebe ist zauberhaft –<br />

und unfassbar kompliziert. Das<br />

erfährt auch Sophie, als sie mit<br />

ihrem Vater in eine neue Stadt<br />

zieht. Sie ist sauer auf das Leben und auf<br />

der Suche nach sich selbst. Dann verändert ein Kuss mit<br />

der besten Freundin alles. Ein unaufgeregter wunderschöner<br />

Liebesroman für Mädchen ab 14 Jahren – und zwar<br />

ganz egal, ob ihr Herz für Jungen oder Mädchen schlägt.<br />

Anne Freytag: Den Mund voll ungesagter Dinge. Heyne,<br />

<strong>2017</strong>. 400 Seiten, Taschenbuch ca. 20 Fr., E-Book 14 Fr.<br />

Wickersofa<br />

Longo Kunststoffgeflecht<br />

schwarz,<br />

Kissen Stoff beige,<br />

Gestell Metall,<br />

inkl. Schutzhülle,<br />

140 x 76 x 95 cm,<br />

Liegefläche:<br />

124 x 184 cm<br />

498.-<br />

Partyzelt<br />

Casablanca Stoff navyblau oder grün,<br />

Gestell Aluminium, faltbar, inkl. Tragtasche,<br />

300 x 300 cm<br />

UV-Schutz 50+<br />

Wickergarnitur<br />

Saigon Kunststoffgeflecht grau,<br />

59.-<br />

Kissen Stoff grau, Wurfkissen Stoff<br />

türkis gemustert, Gestell Aluminium,<br />

LIEFERUNG<br />

BORDSTEINKANTE<br />

Garnitur: 210/270 x 65 x 90 cm,<br />

998.-<br />

Salontisch: 110 x 27 x 55 cm<br />

99.-<br />

Seitenwand<br />

Casablanca 2er-Set 29.-<br />

Schaukelstuhl<br />

Rocking Chair<br />

Textilene schwarz, Gestell<br />

Metall alufarben, Belastbarkeit<br />

max. 100 kg, 150 x 80 cm<br />

99.-<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>79<br />

Riesenauswahl. Immer. Günstig.<br />

ottos.ch


Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Werner Dessauer Stiftung<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigen<br />

Administration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />

total verbreitet 101 725<br />

davon verkauft 18 572<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Forum<br />

Bildung / Elternnotruf / Pro Juventute /<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik<br />

Zürich / Schweizerisches Institut für Kinderund<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Schweizerische Vereinigung der<br />

Elternorganisationen / Marie-Meierhofer-Institut<br />

für das Kind / Schule und Elternhaus Schweiz /<br />

Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />

und Väter SVAMV / Kinderlobby Schweiz /<br />

kibesuisse Verband Kinderbetreuung Schweiz<br />

Jetzt<br />

gewinnen!<br />

März-Verlosung<br />

Fritz+Fränzi verlost …<br />

im Wert von je Fr. 79.–<br />

10 × 1 Familienticket (2 Erw. / 2 Kinder) für den Familytrail<br />

Helfen macht Spass!<br />

Eine spannende Schnitzeljagd durch Zürich, Bern oder<br />

Basel erleben und dabei noch anderen helfen? Das sind<br />

die Familytrails von World Vision Schweiz und Foxtrail.<br />

Mit Spiel und Spass knifflige Rätsel lösen und dabei die<br />

Stadt sowie die Arbeit eines Kinderhilfswerks mit neuen<br />

Augen entdecken. Die Schnitzeljagd nimmt Ihre ganze<br />

Familie mit auf eine Reise zu Menschen in fernen Ländern.<br />

Sie möchten dabei sein?<br />

Bilder: ZVG<br />

Mehr unter: www.familytrail.ch<br />

Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung<br />

Teilnahmeschluss: 5. April <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF WV ZH oder<br />

FF WV BS oder FF WV BE an 959 senden (30 Rp./SMS)


Buchtipps<br />

dtv, Reihe<br />

Hanser, <strong>2017</strong>,<br />

Fr. 17.90,<br />

ab 12 Jahren.<br />

Hilfe! Ich will hier<br />

raus!<br />

Als Oma Cordula<br />

behauptet, im<br />

Garten sei ein<br />

Schatz versteckt,<br />

zieht erst nur<br />

Henrik mit der Schaufel los. Doch<br />

bald gräbt die ganze Stadt … Eine<br />

verrückte Geschichte mit originellen<br />

Figuren.<br />

Dressler, 2014, Fr. 17.90,<br />

ab 8 Jahren<br />

Ob Holly und ihre Brüder oder Sam und<br />

Dave, ob Henrik oder die Mississippi-<br />

Bande: Sie alle haben auf ihrer<br />

Schatzsuche viel Optimismus und eine<br />

Portion Glück nötig.<br />

Auf der Suche nach dem Schatz<br />

Eine Insel für uns allein<br />

Die Mississippi-<br />

Bande. Wie wir mit<br />

drei Dollar reich<br />

wurden<br />

Beim Angeln finden<br />

Te Trois und seine<br />

Freunde drei Dollar –<br />

in Louisiana um 1900 ein Vermögen!<br />

Der Italiener Davide Morosinotto<br />

spinnt daraus eine Abenteuergeschichte<br />

im Geiste Tom Sawyers.<br />

Thienemann, <strong>2017</strong>, Fr. 21.90,<br />

ab 10 Jahren<br />

Bilder: ZVG<br />

Drei Geschwister ohne<br />

Eltern und ein verstecktes<br />

Erbe: beste<br />

Voraussetzungen für<br />

eine abenteuerliche<br />

Schatzsuche! Die britische Autorin<br />

Sally Nicholls lässt in ihrem neusten<br />

Roman die zwölfjährige Holly<br />

erzählen, die mit ihren zwei Brüdern<br />

in London lebt. Der Älteste,<br />

Jonathan, war beim Tod der Mutter<br />

achtzehn und be kam das Sorgerecht<br />

für seine Ge schwister. Die drei halten<br />

fest zu sammen.<br />

Doch den Tierarzt für das kranke<br />

Kaninchen können die drei nicht<br />

alleine bezahlen. Da erfahren sie,<br />

dass ihre verstorbene Tante ihnen<br />

einen gros sen Teil des Vermögens<br />

vermacht hat – nur: Kein Mensch<br />

weiss, wo sie die Koffer mit den<br />

Papieren und dem Schmuck versteckt<br />

hat. Zum Glück gehen Jonathan<br />

und Holly im Londoner<br />

«Maker Space» ein und aus. In dieser<br />

offenen Werkstatt tragen alle<br />

gerne mit ihren Fertigkeiten zur<br />

Lösung des Rätsels bei: Da werden<br />

Fotos analysiert, Schlösser geknackt,<br />

das Internet mobilisiert – und bald<br />

ist klar: die Schatzsuche führt auf<br />

die Orkney-Inseln, was Jonathan<br />

gar nicht begeistert. Doch Holly ist<br />

Feuer und Flamme: Aufgeben liegt<br />

jetzt nicht drin! Und ihre Hartnäckigkeit<br />

wird belohnt …<br />

Von wegen heute gibt es keine<br />

echten Abenteuer mehr! Von den<br />

Erlebnissen, die durch das Internet<br />

und das Teilen von Wissen und<br />

Können erst möglich sind, erzählt<br />

dieser erfrischende Roman.<br />

Sally Nicholls<br />

wurde 1983<br />

geboren. Die<br />

britische Kinderund<br />

Jugendbuchautorin<br />

schrieb<br />

mit 23 Jahren<br />

ihren Debütroman.<br />

Sam und Dave<br />

graben ein Loch<br />

Dass Sam und<br />

Dave ein Loch<br />

graben, ist auf den<br />

Bildern deutlich<br />

zu sehen. Ebenso<br />

deutlich wird,<br />

dass sie den Diamanten dabei immer<br />

haarscharf verpassen! Grosser<br />

Bilderbuchspass von Mac Barnett<br />

und Jon Klassen.<br />

NordSüd, 2015, Fr. 21.90,<br />

ab 4 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2017</strong>81


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Unsere Tochter, 9, hat Angst vor Dieben. Ich erkläre ihr, dass da, wo wir<br />

wohnen, keine Diebe seien. Das ist aber gelogen. Wenn ich ihr nun sage,<br />

es gebe zwar Diebe, aber die könnten uns nichts stehlen, weil wir starke<br />

Türen haben, sorgt sie sich weiterhin. Wissen Sie einen Rat?<br />

Gregor, 51, Altstätten<br />

Nicole Althaus<br />

Schön wärs, man könnte den<br />

geliebten Kleinen alle Ängste<br />

nehmen, sie luftdicht verschliessen<br />

und mit dem Müll<br />

entsorgen. Doch die Angst<br />

gehört zum Leben. So wie die<br />

Freude und die Trauer. Sagen<br />

Sie Ihrer Tochter das. Und<br />

dass Angst die Menschen<br />

lehrt, aufzupassen. Schliessen Sie abends gemeinsam<br />

die Tür zu und wenn nötig die Fensterläden. Und dann<br />

singen und kochen Sie zusammen und zeigen, dass<br />

man mit der Angst gut leben kann.<br />

Tonia von Gunten<br />

Wie gehen Sie heute mit<br />

Ihren eigenen Ängsten um?<br />

Und wie war es als Kind für<br />

Sie? Sprechen Sie mit Ihrer<br />

Tochter: «Ich habe heute keine<br />

Angst mehr vor Dieben.<br />

Doch du machst dir Sorgen.<br />

Sage es mir bitte, wenn du<br />

selber eine gute Idee gegen<br />

diese Angst hast, okay?» Als Kind lernt man den<br />

Umgang mit der eigenen Angst am besten, indem man<br />

erlebt, dass dieses Gefühl zum grossen Ganzen im<br />

Leben mit dazugehört und alle Menschen hin und<br />

wieder solche Gefühle erleben.<br />

Peter Schneider<br />

Ich fürchte, die Sorge können<br />

Sie ihr kaum abnehmen. Sie<br />

müssen Ihrerseits aber auch<br />

nicht befürchten, die Angst<br />

vor Dieben würde darum zu<br />

einem ständigen Begleiter im<br />

Leben Ihrer Tochter. Kinder<br />

sind hilfloser als Erwachsene;<br />

sie verfügen auch nicht über<br />

die relativierende Wurschtigkeit, die uns Erwachsenen<br />

den Alltag erleichtert. Sie haben mehr Zeit, sich in ihre<br />

Ängste zu vertiefen und sie mit allerlei Fantasien auszuschmücken.<br />

(Dasselbe gilt oft auch für alte Menschen.)<br />

Im Alter Ihrer Tochter haben Kinder auch den Glauben<br />

verloren, dass ihre Eltern sie vor allem schützen können.<br />

Das ergibt eine Neigung zur Hilflosigkeit, auf die<br />

man beruhigend reagieren sollte, die man aber eben<br />

auch nicht ausmerzen kann.<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin und<br />

Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag».<br />

Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und<br />

hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert<br />

und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei<br />

Kindern, 16 und 12.<br />

Tonia von Gunten, 43, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 10 und 7.<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

82 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Die Herausforderungen an Sie als Eltern<br />

nehmen stetig zu – wir unterstützen Sie dabei!<br />

Abonnieren Sie<br />

Elternkompetenz!<br />

■ 10 Ausgaben pro Jahr «Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi».<br />

■ Umfassende Themen-Dossiers in jeder Ausgabe und zusätzliche Spezialbeilagen.<br />

■ Zahlreiche unterstützende Berichte rund um Erziehung, Schule und Gesundheit.<br />

■ Lern- und Medientipps von ausgewiesenen Fachleuten und Experten.<br />

68<br />

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Bestellen Sie online<br />

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Angebot gilt exklusiv für Neuabonnenten. Belieferung zu den genannten Konditionen innerhalb der Schweiz<br />

und des Fürstentums Liechtenstein. Alle Preisangaben verstehen sich inkl. MWST.


* V-Klasse 220 d TREND, kompakt, 163 PS (120 kW), 2143 cm 3 , Barkaufpreis: CHF 49 700.– (Fahrzeugpreis CHF 57 564.– abzüglich CHF 7864.– Kundenrabatt und Retailprämien).<br />

** Inkl. MERCEDES-SWISS-INTEGRAL (3 Jahre Garantie und 10 Jahre Gratis-Service, beides bis 100 000 km – es gilt das zuerst Erreichte). 5,9 l/100 km (Benzinäquivalent: 6,67 l/100 km), 154 g CO 2<br />

/km<br />

(Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 134 g CO 2<br />

/km), Energieeffizienz-Kategorie: E. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94%, 1. grosse Rate:<br />

CHF 11 000.–, Leasingrate ab dem 2. Monat: CHF 399.–. Ein Angebot der Mercedes-Benz Financial Services Schweiz AG. Vollkaskoversicherung obligatorisch. Eine Kreditvergabe ist verboten, falls<br />

diese zu einer Überschuldung des Leasingnehmers führen kann. Angebot gültig bis 30.6.<strong>2017</strong>. Immatrikulation bis 30.9.<strong>2017</strong>.<br />

Abgebildetes Modell: V-Klasse 220 d TREND, lang, mit Sonderausstattungen (Dachreling, eloxiert, LED Intelligent Light System), Barkaufpreis: CHF 52 948.–, 5,9 l/100 km (Benzinäquivalent: 6,67 l/100 km),<br />

154 g CO 2<br />

/km, Energieeffizienz-Kategorie: E. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94%, 1. grosse Rate: CHF 11 600.–, Leasingrate ab dem 2. Monat:<br />

CHF 429.–. Angebot gültig bis 30.6.<strong>2017</strong>. Immatrikulation bis 30.9.<strong>2017</strong>. Unverbindliche Preisempfehlung. Änderungen vorbehalten. Nur bei teilnehmenden Händlern.<br />

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