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02/2018

Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 2/Februar <strong>2018</strong><br />

Lutz Jäncke<br />

«Kinder, die musizieren,<br />

haben mehr von ihrem<br />

Gehirn»<br />

Papa trinkt<br />

Wie eine Familie<br />

die Sucht des<br />

Vaters überwand<br />

Regenbogenfamilie, Leihmutterschaft, Samenspende –<br />

das traditionelle Familienbild wandelt sich<br />

Mutter,<br />

Mutter, Kind


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Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Es gibt Zuschriften, die beim Lesen runtergehen wie Öl. Und für die allein es sich lohnt,<br />

dieses Magazin zu machen. «Ich bin Mutter von zwei Kindern im Alter von 7 und 4 Jahren»,<br />

schreibt Mirjam Lang aus Bubikon ZH. «Regelmässig erhalte ich von der Schule Ihr<br />

«Fritz+Fränzi», welches ich mit Begeisterung lese. Der Artikel über Joel und seine Familie<br />

hat uns sehr berührt, wir finden Ihre Spendenaktion fantastisch und haben sehr gehofft, dass<br />

es klappt. Wir haben einen kleinen Beitrag geleistet, er kam von Herzen, und wir wünschen<br />

der Familie nur das Beste und vor allem viel Freude mit dem geeigneten Vierbeiner.»<br />

Herzlichen Dank, liebe Frau Lang, Ihnen und allen anderen grossen und kleinen Spendern<br />

unserer Aktion «Ein Autismusbegleithund für Joel». Wir sind überwältigt; mit Ihrer grosszügigen<br />

Unterstützung haben wir den erforderlichen Betrag von 30 000 Franken tatsächlich<br />

zusammenbekommen. Wie geht es nun weiter? In der Woche vom 12. Februar wird Joel<br />

seinen Begleithund kennenlernen. Wir werden über die Zusammenschulung in der nächsten<br />

Ausgabe berichten (sie erscheint am 7. März).<br />

Was Kinderohren brauchen:<br />

1. Ich hab dich lieb!<br />

2. Gut gemacht!<br />

3. Ich bin stolz auf dich!<br />

4. Du bist etwas Besonderes!<br />

5. Schön, dass es dich gibt!<br />

6. Ich glaub an dich!<br />

www.zaubereinmaleins.de<br />

Vor einem Jahr schrieb ich an dieser Stelle: «Ein bisschen stolz sind wir beim Schweizer<br />

ElternMagazin schon, mit Michèle Binswanger die vom Branchenmagazin ‹Schweizer Journalist›<br />

ausgezeichnete ‹Gesellschaftsjournalistin des Jahres 2016› an Bord zu haben.» Nun, das<br />

stolze Gefühl hält an, denn unsere Kolumnistin wurde auch im vergangenen Jahr erneut zur<br />

Besten ihrer Zunft in der Sparte «Gesellschaft» gewählt. In der Begründung<br />

der Jury heisst es unter anderem: «Michèle Binswanger steht für selbstbewussten<br />

Feminismus ohne politische Korrektheit, hat Lust an gesellschaftlichen<br />

Brüchen, ist eine echte Inspirationsquelle, unideologisch und unverblümt,<br />

hat immer eine Meinung abseits des Mainstreams.»<br />

Davon, dass die studierte Philosophin und zweifache Mutter immer wieder<br />

den Nerv der Zeit trifft, können Sie sich auch in dieser Ausgabe überzeugen:<br />

In Ihrer aktuellen Kolumne beschreibt unsere Autorin, was die Pubertät mit<br />

ihrer Tochter macht. «Nicht zu wissen, wer man ist und wohin man steuert,<br />

kann anstrengend sein. Aber es gibt kein grösseres Abenteuer, als sich selbst<br />

zu finden.» Ein wunderbarer, sehr persönlicher Text – Seite 45.<br />

Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Mit dieser Ausgabe stösst Stefanie Rietzler zum<br />

Expertenteam von «Eine Frage – drei Meinungen» Stefanie Rietzler ist Psychologin,<br />

Autorin («Erfolgreich lernen mit ADHS») und leitet zusammen mit Fabian Grolimund die<br />

Akademie für Lernchoaching in Zürich. Die erste Frage an unsere neue Kollegin hat es in<br />

sich: «Meine achtjährige Tochter wünscht sich Krücken zum Geburtstag», schreibt uns eine<br />

Mutter. «Jetzt frage ich mich: Darf man mit Krücken «krank sein» spielen?» Die Antworten<br />

von Nicole Althaus, Peter Schneider und Stefanie Rietzler – Seite 74.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen und erhellende Momente mit dieser Ausgabe und<br />

freue mich wie immer über Post von Ihnen.<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>3


Inhalt<br />

Ausgabe 2 / Februar <strong>2018</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

10<br />

Dossier: Mutter,<br />

Mutter, Kind<br />

10 Familie im Wandel<br />

Bereits jedes fünfte Kind in der Schweiz<br />

wächst heute nicht mehr in der<br />

Konstellation Vater-Mutter-Kind auf.<br />

22 Resiliente Regenbogenkinder<br />

Sozialforscherin Andrea Buschner<br />

erklärt, warum das Aufwachsen<br />

in einer neuen Familienkonstellation<br />

für Kinder ein Vorteil sein kann.<br />

Bild: Désirée Good / 13 Photo<br />

32 Was ist erlaubt?<br />

Die Medizin macht vieles möglich,<br />

zugelassen ist jedoch längst nicht alles.<br />

Eine Übersicht.<br />

Cover<br />

Bettina und Fiona<br />

Aremu sind die Mütter<br />

von Tobi, 7. In unserem<br />

Dossier berichten<br />

sie aus ihrem<br />

Familienleben.<br />

Bilder: Désirée Good / 13 Photo, Vera Hartmann / 13 Photo, Stephan Rappo / 13 Photo<br />

4 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


34<br />

45<br />

48<br />

Lutz Jäncke, ist Auswendiglernen überhaupt<br />

noch zeitgemäss?<br />

«Was macht die Pubertät mit meinem Kind?»,<br />

fragt sich Michèle Binswanger.<br />

Beats Alkoholsucht dominierte jahrelang den<br />

Alltag der ganzen Familie. Eine Reportage.<br />

Erziehung & Schule<br />

40 Jung und verschuldet<br />

Über die Tücken der Ratenzahlung<br />

sollten Teenager früh aufgeklärt<br />

werden.<br />

46 Unter schlechten Bedingungen<br />

In einer Studie wurden die Arbeitsbedingungen<br />

von Lehrpersonen<br />

untersucht. Die Resultate sind<br />

beunruhigend.<br />

48 Ich, der Alkoholiker<br />

Ein Vater erzählt von seiner<br />

Sucht – und wie er die Krankheit<br />

überwunden hat.<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

60 Bluthochdruck<br />

Rund zwei Prozent aller Schweizer<br />

Kinder leiden unter Bluthochdruck.<br />

Tendenz steigend. Eltern sollte<br />

die Diagnose nicht unterschätzen.<br />

Digital & Medial<br />

44 In eigener Sache<br />

Wer sich auf eine Lehrstelle bewirbt,<br />

muss Selbstmarketing betreiben.<br />

64 Generation Smartphone<br />

Jugendliche hängen nur am Handy.<br />

«Stimmt nicht», sagen diese –<br />

und wenden sich in unserem Beitrag<br />

an besorgte Eltern.<br />

69 Adi & Jess voll im Stress<br />

Was tun, wenn der Stoff für die<br />

Abschlussprüfung unbewältigbar<br />

scheint? Die neueste Folge<br />

der Videoserie gibt Antworten.<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

34 Monatsinterview<br />

Der Neuropsychologe Lutz Jäncke<br />

über die Kunst des Lernens<br />

und die kindliche Hirnentwicklung.<br />

42 Fabian Grolimund<br />

Unser Bildungssystem ist in Verruf<br />

geraten. Aber den Kindern hilft<br />

das mediale Schulbashing nicht.<br />

45 Kampfzone Pubertät<br />

Wenn ihre Kinder zu Teenagern<br />

werden, machen sich viele Eltern<br />

Sorgen. Meist weil sie sich an ihre<br />

eigene Pubertät zurückerinnern,<br />

weiss Michèle Binswanger.<br />

56 Jesper Juul<br />

Übermässige Fürsorge macht unsere<br />

Kinder ängstlich und unsicher,<br />

warnt der dänische Familientherapeut<br />

Jesper Juul.<br />

58 Leserbriefe<br />

74 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Darf man seiner gesunden Tochter<br />

Krücken zum Geburtstag schenken?<br />

Service<br />

63 Verlosung<br />

70 Ein Wochenende …<br />

… in Andermatt-Sedrun<br />

72 Sponsoren/Impressum<br />

72 Abo<br />

73 Buchtipps<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 7. März <strong>2018</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>5


Entdecken<br />

Verdammt stark!<br />

3 FRAGEN<br />

Wenn Sie Ihrem Kind das nächste<br />

Mal ein Schimpfwort verbieten<br />

wollen – überlegen Sie es sich lieber.<br />

Laut einer britischen Studie hat das<br />

Fluchen nämlich einen besseren Ruf<br />

verdient. Wenn wir fluchen, löst das<br />

eine körperliche Reaktion aus –<br />

das konnte Dr. Richard Stephens,<br />

Psychologe an der Keele University,<br />

mit Tests belegen. In einer ersten<br />

Untersuchung waren Probanden in<br />

zwei Gruppen aufgeteilt. Sie sollten<br />

ihre Hände in Eiswasser halten, aber<br />

nur eine der Gruppen durfte ihrem<br />

Impuls folgen, zu fluchen. Das<br />

Ergebnis: Die Fluchenden ertrugen<br />

den Schmerz länger als die anderen –<br />

sie gaben viel früher auf.<br />

an Regula Straub, Geschäftsführerin der Schweizer Berghilfe<br />

«Wir wollen die Bergwelt als Ganzes fördern»<br />

<strong>2018</strong> wird die Schweizer Berghilfe 75 Jahre alt: ein Grund zum<br />

Feiern! Was Familien im Jubiläumsjahr an Aktionen erwartet, erklärt<br />

Geschäftsführerin Regula Straub.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Frau Straub, 1943 erfolgte zum ersten Mal ein schweizweiter<br />

Spendenaufruf mit dem Titel «Berg-Hilfe». Für wen wurde Geld<br />

gesammelt?<br />

Das war sozusagen die Geburtsstunde der Schweizer Berghilfe. Man<br />

wollte die Bergbauernfamilien unterstützen, deren Väter während<br />

des Zweiten Weltkriegs zur Sicherung der Landesgrenzen im Aktivdienst<br />

waren. Das Geld floss also in die Berglandwirtschaft.<br />

Und heute?<br />

2005 wurde der Verein Schweizer Berghilfe in eine Stiftung umgewandelt.<br />

Gleichzeitig beschloss man, mit den Spendengeldern neben der<br />

Landwirtschaft auch Projekte in weiteren Bereichen wie zum Beispiel im<br />

Tourismus, im Gewerbe oder in der Bildung zu fördern. Wir wollen die<br />

Bergwelt als Ganzes begreifen und fördern.<br />

Was erwartet uns im Jubiläumsjahr?<br />

Auf einer Art Schnitzeljagd – der «Berghilfe Trophy» – zeigen 44 Projekte,<br />

was mit der Unterstützung der Schweizer Berghilfe in den verschiedenen<br />

Bergregionen der Schweiz alles entstanden ist: von der Käserei über die<br />

Alphütte bis hin zum Berghotel oder zur Köhlerei. Bei einigen Projekten<br />

gibt es spezielle Veranstaltungen, andere bieten das ganze Jahr hindurch<br />

Aktivitäten an. Und wer vom 1. Januar bis 31. Dezember <strong>2018</strong> mindestens<br />

3 der 44 Projekte besucht hat, nimmt am Wettbewerb um die «Berghilfe<br />

Trophy» teil und hat die Chance, attraktive Preise zu gewinnen.<br />

www.trophy.berghilfe.ch<br />

Knapp 40 % der Bevölkerung kennen die Risiken<br />

des Rauchens ungenügend: Menschen unter<br />

20 und über 40 Jahren, solche mit tieferem<br />

Bildungsniveau, täglich Rauchende und solche,<br />

die nicht mit dem Rauchen aufhören möchten,<br />

haben in der Regel schlechtere Kenntnisse über<br />

die Schädlichkeit des Tabakkonsums.<br />

(Quelle: Ergebnisse der Studie «Etat des connaissances de la population<br />

sur la dangerosité du tabagisme et du tabagisme passif en 2016». Die Studie<br />

ist eine Analyse der Daten aus dem Suchtmonitoring Schweiz.)<br />

Eine Schatzkiste für Eltern<br />

Was für eine Beziehung möchte ich zu meinem Kind haben? Wer<br />

entscheidet bei uns über finanzielle Fragen? Was mag mein Kind<br />

gern? Was nicht? Eltern stellen sich viele Fragen, manche sind leicht<br />

zu beantworten, andere nicht. Sich mit ihnen auseinanderzusetzen<br />

lohnt sich aber fast immer – zum<br />

Beispiel mit der «Eltern-kiste» und<br />

ihren schön gestalteten Karten.<br />

Jede dieser Karten enthält<br />

verschiedene Fragen zu einem<br />

bestimmten Familienthema.<br />

Eine wahre Schatzkiste!<br />

Nicole Troxler-Menzi, Werner<br />

Troxler: Elternkiste, Verlag<br />

Hirschi + Troxler, Fr. 34.90<br />

www.beziehungskiste.ch<br />

Bilder: ZvG<br />

6 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>7


Rubrik<br />

«Es ist also weniger<br />

die Herkunft als die<br />

Migration als solche, die<br />

ausschlag gebend dafür ist,<br />

ob jemand kriminell wird.»<br />

(Quelle: www.bazonline.ch. Der Kriminologe Martin Killias spricht über die<br />

Ergebnisse seiner Untersuchungen über das Delinquenzverhalten von<br />

4000 Jugendlichen in der Schweiz mit und ohne Migrationshintergrund sowie von<br />

6000 Gleichaltrigen in Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien.<br />

So würden nicht nur Schweizer Jugendliche ohne Migrationshintergrund weniger<br />

häufig delinquent als Kinder von Migranten. Auch die Jugendlichen in<br />

den Herkunftsländern der Migranten werden deutlich seltener straffällig.)<br />

Prof. Dr. Martin<br />

Killias ist ein<br />

renomierter<br />

Schweizer<br />

Strafrechtler.<br />

Westen für<br />

Zappelkinder<br />

Verhaltensauffällige Kinder zu<br />

unterrichten, ist für Lehrpersonen<br />

sehr anstrengend. An Hamburger<br />

Schulen werden deshalb seit<br />

einiger Zeit Sandwesten eingesetzt, um<br />

Zappelkinder zu beruhigen. Die Idee kommt – wie so<br />

vieles – aus den USA. Die Westen «verteilen Gewicht<br />

und Druck gleichmässig und flächendeckend auf die<br />

Muskel- und Belastungssensoren. Das steigert die<br />

kognitive Leistungsfähigkeit», erklärt eine Hamburger<br />

Sonderpädagogin das Konzept. «Für die Kinder ist das<br />

wie behutsames Handauflegen.» Die Westen wiegen zwei<br />

bis fünf Kilogramm und werden höchstens 30 Minuten<br />

angelegt, damit sich die Kinder nicht komplett an<br />

sie gewöhnen. Mittlerweile kommen die Westen an<br />

13 Schulen der Hansestadt zum Einsatz. Schweizer<br />

Pädagogen bewerten dieses Konzept eher kritisch.<br />

Wie man auf die Welt kommt … Der Weg durch den Geburtskanal ist<br />

nicht angenehm. Aber er lohnt sich anscheinend. Im Rahmen einer Studie verfolgten<br />

australische Wissenschaftler die Entwicklung von 3666 Neugeborenen bis ins Schulalter.<br />

Die per Kaiserschnitt geborenen Kinder schnitten in einigen Tests zu Grammatik, Rechen-,<br />

Lese- und Schreibfertigkeiten schlechter ab. Warum? Bei einer Vaginalgeburt komme das<br />

Baby mit Bakterien im Geburtskanal der Mutter in Kontakt. Deshalb entwickle sich die<br />

Darmflora des Kindes anders als nach einem Kaiserschnitt. Nun können Bakterien im Darm<br />

die Entwicklung des Nervensystems – und damit des Gehirns – beeinflussen. Trotzdem gebe<br />

es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass ein Kaiserschnitt tatsächlich die schlechteren<br />

Testergebnisse verursacht, so die Forscher.<br />

Die Spritze<br />

gegen Akne<br />

Eitergelbe Pickel auf Stirn und<br />

Wangen: Gerade Jugendliche<br />

plagen sich in der Pubertät mit<br />

Akne herum – noch. Denn<br />

Wissenschaftler an der University<br />

of California in San Diego<br />

forschen seit Jahren an einer<br />

Akne-Impfung. Was nicht<br />

unproblematisch sein soll. Laut<br />

den Forschern wird Akne zum<br />

Teil von P.acnes-Bakterien<br />

ausgelöst, die wir ein Leben lang<br />

mit uns herumtragen und die<br />

sich auch positiv auf den Körper<br />

auswirken. Der nun entwickelte<br />

Impfstoff soll die Akneverursachenden<br />

Wirkungen der<br />

P.acnes-Bakterien blockieren,<br />

ohne die Bakterien selbst zu<br />

töten. Bevor der Impfstoff auf<br />

den Markt kommt, muss er noch<br />

an Gewebeproben von Akne-<br />

Patienten getestet werden.<br />

Bilder: Getty Images<br />

8 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

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Gut zu wissen<br />

Eine Zwischenmahlzeit für Kinder (4-10 Jahre)<br />

sollte nicht mehr als<br />

130-150 KCAL<br />

enthalten. Dies entspricht ca. 10 % des<br />

Tagesenergiebedarfs. 1<br />

1<br />

Quelle: Forschungsinstitut für Kinderernährung<br />

SO WERTVOLL SIND MILCHPRODUKTE<br />

P Sie liefern wichtiges Calcium und Proteine.<br />

P Calcium wird für ein gesundes Wachstum bei Kindern benötigt.<br />

P Sie sind daher im Vergleich zu vielen Guetzli und Schokolade<br />

eine gute Snack-Wahl.<br />

P Die SGE (Schweizer Gesellschaft für Ernährung) empfi ehlt für<br />

Kinder drei bis vier Portionen Milch-produkte pro Tag. 2<br />

2<br />

Quelle: SGE - Merkblatt Ernährung von Kindern Juni 2017<br />

CLEVER SNACKEN<br />

WARUM ZWISCHENMAHLZEITEN SO<br />

WICHTIG SIND<br />

Wenn Kinder nachmittags nach einer kleinen Stärkung<br />

fragen, sind sich Eltern oft unsicher. Soll mein Kind zwischen<br />

den Hauptmahlzeiten wirklich snacken? Ernährungsexperten<br />

sagen „ja“, denn Zwischenmahlzeiten halten den Blutzuckerspiegel<br />

aufrecht, was wiederum die Koordination,<br />

Konzentration und Leistungsfähigkeit fördert. Kinder, die<br />

Zwischenmahlzeiten essen, kommen daher fi tter und<br />

konzentrierter durch den Tag. Grundsätzlich wird je zu einem<br />

kleinen Znüni und Zvieri geraten. Bei der Auswahl sollte<br />

auf den Fett- und Zuckeranteil geachtet werden.<br />

AUSGEWOGEN SNACKEN<br />

MIT DANONINO<br />

Obst und Rohkost sowie Milch- und Vollkornprodukte bilden<br />

zusammen mit einem Glas Wasser einen ausgewogenen<br />

Snack. Für die Portion Milch sind Danonino eine gute Wahl,<br />

da sie pro 100 g nur 2,9 g Fett enthalten. Dies ist ein etwas<br />

geringerer Fettanteil als der von Vollmilch (3,5 %). Leckere<br />

Kombinationen sind:<br />

• 1 Becher Danonino, 1 halbe Scheibe Vollkornbrot (dünn<br />

mit Frischkäse bestrichen), Gurken- und Karottensticks<br />

oder<br />

• 1 Danonino für unterwegs, 2 Scheiben Vollkornknäckebrot,<br />

Apfelspalten<br />

Übrigens: Danonino sind glutenfrei, ohne Gelatine und<br />

haben keine Konservierungsstoffe.


Dossier<br />

Wir sind<br />

Familie!<br />

Samenspende, Leihmutterschaft, Regenbogenfamilie: Es gibt heute viele<br />

Möglichkeiten, eine Familie zu gründen. Und ebenso viele, Familie zu leben.<br />

In der Schweiz wächst bereits jedes fünfte Kind in einer anderen<br />

Konstellation auf als Mutter-Vater-Kind. Wie sieht Familie in<br />

Zukunft aus? Und was machen diese neuen Modelle mit den Kindern?<br />

Text: Virginia Nolan Bilder: Désirée Good und Sally Montana / 13 Photo<br />

10 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Drei Frauen, eine<br />

Regenbogenfamilie:<br />

Bettina und Fiona<br />

Aremu mit ihrer<br />

Tochter Tobi, 7.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>11


Dossier<br />

Alternative Familienmodelle<br />

werden immer beliebter:<br />

Rund 30 000 Kinder in der<br />

Schweiz haben heute<br />

gleichgeschlechtliche Eltern.<br />

Papi oder Papa – für Max*<br />

macht das einen Unterschied.<br />

Der Bub wächst<br />

mit zwei Vätern auf, lebt<br />

abwechselnd bei ihnen<br />

und seiner Mutter, die in direkter<br />

Nachbarschaft des Männerpaars<br />

wohnt. Wenn Max Geburtstag hat,<br />

kommen drei Grosselternpaare zum<br />

Fest. Schülerin Tobi hat zwei Mütter.<br />

Cedric und Felix leben bei Mama<br />

und Papa, aber sie wissen, dass es da<br />

noch zwei andere Frauen gibt, in<br />

deren Bauch sie wohnen durften, die<br />

Mama geholfen haben, ihren Kinderwunsch<br />

zu verwirklichen. Aline*<br />

wurde von ihrer Mama ausgetragen<br />

und geboren, ist biologisch aber<br />

nicht verwandt mit ihr. Die Anderthalbjährige<br />

stammt aus einer Em ­<br />

bryonenspende. Daraus macht ihre<br />

Familie kein Geheimnis, denn für<br />

sie zählt nicht die genetische Verbindung,<br />

sondern die der Herzen.<br />

Jedes siebte Kind lebt mit nur<br />

einem Elternteil<br />

Die Geschichten dieser Kinder sind<br />

nicht konstruiert, sondern aus dem<br />

Leben der Familien gegriffen, die in<br />

diesem Dossier von sich erzählen<br />

werden. Sie zeigen, dass unsere traditionelle<br />

Vorstellung von Familie<br />

der Realität zunehmend weniger<br />

gerecht wird. Dafür spricht auch die<br />

Statistik, die belegt, dass in der<br />

Schweiz jedes fünfte Kind in einer<br />

anderen Konstellation aufwächst als<br />

der Kernfamilie, die aus zwei leiblichen<br />

Elternteilen und ihrem Nachwuchs<br />

besteht.<br />

Es wäre verfehlt, deren Untergang<br />

zu beschwören, leben doch hierzulande<br />

immerhin 80 Prozent der<br />

Familien mit Kindern nach wie vor<br />

dieses Modell. Doch die Zahl gelebter<br />

alternativer Familienmodelle<br />

steigt: Einelternfamilien zum Beispiel<br />

machen bereits 14 Prozent aller<br />

Haushalte mit Kindern aus, weitere<br />

6 Prozent sind Patchworkfamilien,<br />

in denen Kinder bei einem leiblichen<br />

Elternteil mit neuem Partner<br />

leben. Von der offiziellen Statistik<br />

nicht erfasst werden Kinder, die bei<br />

Pflegeeltern aufwachsen – schätzungsweise<br />

sind es rund 13 000 –,<br />

oder solche in Regenbogenfamilien.<br />

Je nach Erhebung haben in der<br />

Schweiz bis zu 30 000 Kinder gleichgeschlechtliche<br />

Eltern, die Mehrheit<br />

davon lebt bei lesbischen Paaren.<br />

Wenn unsere gegenwärtige Vorstellung<br />

von Familie überholt ist:<br />

Wie wird Familie in Zukunft aussehen?<br />

Antworten auf diese Frage liefert<br />

unter anderem Klaus Preisner,<br />

Soziologe an der Universität Zürich.<br />

«Familie wird vielfältiger», sagt er<br />

zusammenfassend. Preisner ist Mitautor<br />

der OECD-Studie «Families to<br />

2030», in der Sozialforscher<br />


Dossier<br />

«Tobi kennt ihre<br />

Geschichte», sagen ihre<br />

Mütter Bettina und<br />

Fiona. «Sie weiss, dass<br />

uns ein Mann mit einer<br />

Samenspende ein<br />

Geschenk gemacht hat.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>13


Dossier<br />

14 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

aufzeigen, wie die Lebensrealität<br />

von Familien in 20 Jahren<br />

aussehen könnte.<br />

Die traditionelle Konstellation<br />

aus verheirateten Paaren mit Kindern<br />

werde seltener, folgert der<br />

Bericht. In den OECD-Ländern lebe<br />

heute fast jedes zehnte Kind in einer<br />

Patchworkfamilie, rund jedes siebte<br />

bei einem alleinerziehenden Elternteil<br />

und jedes fünfzehnte wachse bei<br />

den Grosseltern auf. «Noch mehr<br />

Menschen als heute werden alternative<br />

Formen zur Kernfamilie leben»,<br />

sagt Klaus Preisner, «teilweise als<br />

Folge eines gescheiterten klassischen<br />

Familienmodells, teilweise aber<br />

auch, weil es von vornherein die<br />

gewünschte Form war.» Entsprechend<br />

werden gemäss der OECD-<br />

Studie Einelternfamilien bis 2030<br />

bereits 20 Prozent aller Schweizer<br />

Haushalte mit Kindern ausmachen,<br />

ebenso werde die Zahl der Patchwork-<br />

und Regenbogenfamilien<br />

weiter ansteigen.<br />


Dossier<br />

Individualisierung und Pluralisierung<br />

lauten die Schlagworte,<br />

mit denen Soziologen unsere Zu ­<br />

kunft beschreiben. Sie gelten für<br />

Lebensentwürfe, die nach eigenem<br />

Gusto statt auf sozialen Druck hin<br />

erfolgen, aber auch für Familienformen,<br />

die vielfältiger daherkommen<br />

als die Mama-Papa-Kind-Variante.<br />

Die Gründe für diesen gesellschaftlichen<br />

Wandel sind vielfältig.<br />

Zentral, sagt Soziologe Preisner, sei<br />


Dossier<br />

Die Krankenkasse übernimmt keine<br />

Kosten. Eine Zusatzmassnahme zur IVF ist<br />

die Spermieninjektion (ICSI). Dabei<br />

werden einzelne Spermien direkt in die<br />

Eizelle injiziert, um die Chancen auf eine<br />

Befruchtung zu steigern.<br />

Über Präimplantationsdiagnostik<br />

(PID) ist in der Schweiz zuletzt rege diskutiert<br />

worden. Bei diesem Verfahren werden<br />

befruchtete Eizellen genetisch untersucht,<br />

bevor sie im Rahmen einer künstlichen<br />

Befruchtung in die Gebärmutter eingepflanzt<br />

werden. Die PID soll sicherstellen,<br />

dass zukünftige Kinder nicht unter einer<br />

genetisch bedingten Krankheit leiden.<br />

Seit der Volksabstimmung im Juni 2016 ist<br />

die PID in der Schweiz unter gewissen<br />

Bedingungen erlaubt: So dürfen Paare in<br />

vitro gezeugte Embryos auf Chromosomenstörungen<br />

und Erbkrankheiten testen<br />

lassen, nicht aber auf äusserliche<br />

Merkmale wie Augen- oder Haarfarbe.<br />

Sind im Rahmen des künstlichen<br />

Befruchtungsverfahrens mehr Embryonen<br />

herangereift, als der Frau pro Zyklus eingepflanzt<br />

werden können, werden diese<br />

eingefroren. Der Preis für die sogenannte<br />

Kryokonservierung beträgt zwischen 500<br />

bis 1000 Franken pro Jahr. Dafür kosten<br />

zusätzliche Behandlungszyklen mit eingefrorenen<br />

Embryonen «nur» noch 1000 bis<br />

1500 Franken statt der üblichen 4000 bis<br />

9000 Franken.<br />

Im Gefrierschrank konservierte Em -<br />

bryonen müssen vernichtet werden, wenn<br />

die Eltern keinen Bedarf mehr dafür haben.<br />

In anderen Ländern wie etwa Spanien<br />

können sie mit dem Einverständnis der<br />

Eltern jedoch auch zur Spende freigegeben<br />

werden. Dann wird der Embryo einer Empfängerin<br />

eingesetzt, die ihn auf diese Weise<br />

«adoptiert» und austrägt. Die Embryonenspende<br />

ist in der Schweiz verboten.<br />

Eine hierzulande ebenfalls verbotene<br />

und vor allem in den USA rege genutzte<br />

reproduktionsmedizinische Möglichkeit<br />

ist die Leihmutterschaft. In Anspruch<br />

genommen wird sie von homosexuellen<br />

oder heterosexuellen Paaren, bei letzteren<br />

scheitert der Kinderwunsch meist an<br />

Gebärmutterproblemen der Frau. Eine<br />

Leihmutter erklärt sich bereit, an deren<br />

Stelle das Kind auszutragen, und verpflichtet<br />

sich gegen ein Entgelt und per<br />

Vertrag, auf spätere elterliche Rechte und<br />

Pflichten zu verzichten. Die Leihmutter hat<br />

keine genetische Verbindung zum Kind,<br />

das sie austrägt. Stattdessen werden in der<br />

Geburtsurkunde die Wunscheltern als<br />

rechtliche Eltern eingetragen. Manchmal<br />

ist von diesen nur ein oder kein Elternteil<br />

mit dem Kind verwandt, denn viele Leihmutterkinder<br />

werden mithilfe einer<br />

Eizellen- oder Samenspende gezeugt.<br />

In den USA belaufen sich die Kosten für<br />

eine Leihmutterschaft insgesamt auf rund<br />

100 000 Dollar. Im Fall der Familie Körner<br />

(vgl. Seite 21) gingen 25 000 Dollar an die<br />

Leihmutter, den Rest erhielten Ärzte,<br />

Anwälte, die Agentur und die Kliniken. In<br />

der Ukraine kostet die Dienstleistung je<br />

nach Anbieter halb so viel – dafür seien<br />

Leihmütter und Wunscheltern rechtlich<br />

schlechter abgesichert, betont Rechtsanwältin<br />

Karin Hochl (vgl. Seite 32).<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>17


Dossier<br />

Gruppenbild mit<br />

drei Eltern: Marc,<br />

Matthias und Sonja<br />

kümmern sich<br />

liebevoll um Max.<br />

18 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

«Unser Sohn wächst in<br />

zwei Teilfamilien auf»<br />

Marc, 37, und Matthias, 33, wünschten sich ein<br />

Kind. Das Männerpaar hat sich dafür mit Sonja,<br />

39, zusammengetan.<br />

«Matthias wusste schon immer, dass er Kinder haben<br />

wollte; er war da die treibende Kraft. Als unser Kinderwunsch<br />

spruchreif wurde, gab es verschiedene Optionen.<br />

Klar war, dass wir keine Götti-Rolle übernehmen wollten,<br />

sondern ein Modell anstrebten, das uns die gleichen<br />

Rechte ermöglichte wie der Mutter des Kindes.<br />

Für uns war es naheliegend, uns mit einer Frau zusammenzutun.<br />

Wir finden es wichtig, dass unser Kind ein<br />

Mami hat – was aber nicht bedeutet, dass wir andere<br />

Modelle weniger gut finden. Wir haben uns zunächst im<br />

Internet nach einer Co-Mutter umgesehen und uns dann<br />

mit Frauen getroffen. Das war lustig, passte aber nicht.<br />

Sonja lernten wir über Freunde kennen – oder besser<br />

gesagt: noch besser kennen. Wir hatten schon vor Jahren<br />

gemeinsam eine Studentenparty organisiert. Es war<br />

«Mein Kinderwunsch war so stark, dass er in meinen früheren<br />

Beziehungen immer zu Uneinigkeit geführt hatte.<br />

Es ist ein grosses Glück, dass ich mit Matthias und Marc<br />

Gleichgesinnte gefunden habe. Von der Idee bis zur<br />

Geburt dauerte es fast vier Jahre. Mit unserem Sohn ging<br />

mein grösster Traum in Erfüllung. Als ich schwanger war,<br />

zog ich bei Marc und Matthias gegenüber ein. Für unseren<br />

Sohn ist die räumliche Nähe wichtig, und unser Famischnell<br />

klar, dass wir ähnliche Wert- und Familienvorstellungen<br />

haben. Wir liessen uns dennoch Zeit, uns kennenzulernen,<br />

trafen uns regelmässig, verreisten gemeinsam,<br />

um zu sehen, wie wir zu dritt funktionieren. Das Wichtigste<br />

war für uns, Sonjas Vertrauen zu gewinnen,<br />

schliesslich würde das gemeinsame Kind zur Hälfte bei<br />

uns wohnen.<br />

Nach etwas mehr als zwei Jahren wollten wir es wagen.<br />

Gemeinsam erarbeiteten wir einen Familienvertrag,<br />

der festhielt, wie wir vorgehen wollen. Als wir unseren<br />

Familien eröffneten, dass wir Väter würden, waren sie<br />

etwas überrumpelt, aber die Freude war gross.<br />

Kürzlich ist unser Sohn ein Jahr alt geworden. Dass er<br />

in zwei Teilfamilien aufwächst, beschert uns die eine<br />

oder andere logistische Herausforderung, die wir aber<br />

ganz gut meistern. In der Erziehung müssen wir nicht<br />

alles genau gleich handhaben, wichtig ist, dass wir im<br />

Kern dieselben Werte teilen. Als Teilfamilien üben wir<br />

noch, das richtige Mass an Nähe und Distanz zu finden.<br />

Manchmal hat man zum Beispiel das Gefühl, man habe<br />

jetzt noch eine Schwiegerfamilie. Das ist schön, aber<br />

manchmal auch anstrengend.»<br />

«Es war ein Glücksfall,<br />

die beiden Papas<br />

zu finden»<br />

Drei Eltern können einander gut entlasten,<br />

weiss Mutter Sonja. Davon profitiere nicht<br />

zuletzt das Kind.<br />

lienvertrag sieht vor, dass wir sie aufrechterhalten,<br />

solange er ein Kind ist. Marc und Matthias haben mich<br />

liebevoll durch die Schwangerschaft begleitet und waren<br />

bei der Geburt dabei. Nach der Geburt durfte ich für zwei<br />

Wochen bei ihnen einziehen, das war schön. Wir haben<br />

uns für wechselnde Obhut, also ein 50:50-Modell entschieden.<br />

Am Anfang war es für mich schwierig, das<br />

Baby abzugeben. Marc und Matthias zeigten viel Verständnis.<br />

Ich war dann häufiger zu Besuch bei ihnen und<br />

ging zum Stillen vorbei. Mittlerweile bin ich sehr<br />

glücklich mit unserem Familienmodell. Zu dritt können<br />

wir einander optimal entlasten, davon hat nicht nur der<br />

Einzelne, sondern auch das Kind etwas. Mein Umfeld<br />

freute sich riesig, als ich Mutter wurde. Als in meiner<br />

Schulklasse ein Schüler fragte, warum mein Baby zwei<br />

Väter habe, meinte ein anderes Kind ganz selbstverständlich:<br />

‹Na, weil beide Papas das Baby lieben!›<br />

Was für eine schöne und einleuchtende Erklärung.»<br />

19


Dossier<br />

Kathrin Zehnder, hätten aber<br />

auch andere Emanzipationsbewegungen<br />

ihren Verdienst, etwa die<br />

von Schwulen, Lesben oder Transmenschen,<br />

die sich das Recht auf<br />

einen amtlichen Beziehungsstatus<br />

oder eine Familie erkämpften.<br />

«Auch die Digitalisierung und die<br />

zunehmende Mobilität spielen eine<br />

Rolle», ist Zehnder überzeugt, «wir<br />

können zu jeder Zeit an jedem Ort<br />

sein, das eröffnet nicht nur neue<br />

Bedürfnisse, sondern auch ganz<br />

andere Möglichkeiten, Verbindungen<br />

einzugehen.»<br />


Dossier<br />

«Es war so demütigend»<br />

Nach einer Odyssee durch Kinderwunschkliniken<br />

und Adoptionsbehörden wurden Regula, 52, und<br />

Thomas Körner, 50, mithilfe von Leihmüttern Eltern.<br />

Der darauffolgende Rechtsstreit liess die Familie<br />

die Flucht in die USA ergreifen.<br />

«Fast 20 Jahre lang hatten wir versucht, Eltern zu werden.<br />

Es half weder die Reproduktionsmedizin, noch blieb viel<br />

Hoffnung auf eine Adoption. Als endlich die Adoptionsbewilligung<br />

für die USA vorlag, trat das Haager Übereinkommen<br />

in Kraft, das internationale Adoptionen in Vertragsstaaten<br />

stark einschränkt. 2008 sah Regula einen Film über Leihmutterschaft.<br />

Wenig später reisten wir in die USA. Die<br />

Agentur war professionell, wir wurden mehrfach von einer<br />

Psychologin interviewt, die später auch das erste Gespräch<br />

mit der Leihmutter moderierte. Wir waren dabei, als unser<br />

Kind mithilfe einer Eizellenspende gezeugt wurde, waren da,<br />

als der Embryo zur Leihmutter transferiert wurde, reisten<br />

für jeden Ultraschall an. 2010 erblickte Felix in Ohio das<br />

Licht der Welt.<br />

Zurück in der Schweiz, waren wir überglücklich. 2013 gab es<br />

Familienzuwachs: Cedric kam zur Welt. Wieder mithilfe einer<br />

Eizellenspende und einer Leihmutter. Als wir seine US-<br />

Geburtsurkunde beim Zuger Zivilstandsamt einreichten,<br />

bockten die Behörden. Sie weigerten sich, Regula als rechtliche<br />

Mutter anzuerkennen, weil sie Cedric nicht geboren<br />

hat. Auch Thomas akzeptierten sie – trotz DNA-Test, der<br />

seine Vaterschaft belegt – nicht als rechtlichen Elternteil.<br />

Man drohte uns mit Strafanzeige, reichte bei der KESB eine<br />

Gefährdungsmeldung ein. Cedric erhielt einen Vormund,<br />

und wir mussten Abklärungen für eine Pflegeplatzbewilli<br />

gung über uns ergehen lassen. Es war so demütigend.<br />

Später bot man Thomas die Anerkennung als Cedrics<br />

rechtlichen Vater an, allerdings unter der Bedingung, dass<br />

Regula die Adoption beantragt – für ihren eigenen Sohn!<br />

Dagegen wehrten wir uns. Der Rechtsstreit dauert bis heute<br />

an. 2014 liess sich Thomas von seinem Arbeitgeber in die<br />

USA versetzen – wir wanderten aus. Wir wurden in Connecticut<br />

herzlich aufgenommen und vermissen dennoch<br />

schmerzlich die Heimat. Den Kindern geht es gut. Sie<br />

wissen, woher sie kommen. Als wir uns die Weihnachtsgeschichte<br />

anschauten, sagte Felix einmal: ‹Schau, Mami,<br />

sogar Jesus hatte eine Leihmutter!›»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>21


Dossier<br />

«Auf die Beziehung<br />

kommt es an»<br />

Wie geht es Kindern, die in<br />

neuen Familienkonstellationen<br />

aufwachsen? Am besten untersucht<br />

wurde diese Frage in Studien<br />

zu Regenbogenfamilien.<br />

Sozialforscherin Andrea Buschner<br />

kennt die Antworten.<br />

Interview: Virginia Nolan<br />

Frau Buschner, wie geht es Kindern<br />

in Regenbogenfamilien?<br />

Sie erreichen oft leicht höhere Werte,<br />

wenn es um Resilienz geht, jene Widerstandsfähigkeit,<br />

die uns Krisen gut<br />

meistern und ein gutes Selbstwertgefühl<br />

bewahren lässt. Wir führen diesen<br />

Umstand darauf zurück, dass Kinder in<br />

diesen Familien einen sehr hohen Stellenwert<br />

haben – die Eltern mussten<br />

meist einen steinigen Weg gehen, um sie<br />

zu bekommen. Das zentrale Fazit der<br />

Wissenschaft lautet aber, dass nicht die<br />

Familienkonstellation, sondern die Beziehungsqualität<br />

innerhalb der Familie<br />

bedeutsam ist für die Entwicklung eines<br />

Kindes. Zudem macht es einen Unterschied,<br />

ob Kinder in eine gleichgeschlechtliche<br />

Beziehung hineingeboren<br />

werden oder nicht.<br />

Inwiefern?<br />

Kinder, die in homosexuellen Stieffamilien<br />

aufwachsen, also mit einem<br />

neuen, gleichgeschlechtlichen Partner<br />

eines Elternteils, stammen meist aus<br />

früheren heterosexuellen Beziehungen.<br />

Sie haben, wie andere Scheidungskinder,<br />

häufig an der Trennung der Eltern zu<br />

nagen. Diese ist für Kinder aus allen<br />

Familienkonstellationen ein sogenannter<br />

Risikofaktor, der sich negativ auf die<br />

psychische Entwicklung auswirken kann.<br />

Insgesamt dürften Kinder, die in eine<br />

gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren<br />

werden, also etwas unbeschwerter<br />

starten.<br />

Wie oft werden Kinder aus Regenbogenfamilien<br />

diskriminiert?<br />

Der Anteil schwankt je nach Studie<br />

zwischen 20 und 50 Prozent. Bei unserer<br />

Untersuchung mit Kindern aus lesbischen<br />

Stieffamilien sagten rund<br />

20 Prozent der Mütter, dass ihr Kind<br />

aufgrund seiner familiären Situation<br />

schon einmal diskriminiert worden sei.<br />

Demnach waren 80 Prozent der Kinder,<br />

die solche Erfahrungen gemacht hatten,<br />

mit Beschimpfungen oder Hänseleien<br />

konfrontiert worden. Deutlich seltener<br />

waren dagegen Diskriminierungsformen<br />

wie Gewaltandrohungen, körperliche<br />

oder sexuelle Gewalt.<br />

Vom wem kommen die Angriffe?<br />

Überwiegend von Gleichaltrigen und<br />

meist in Teenagerjahren. Jedoch fühlen<br />

sich längst nicht alle Kinder, die schon<br />

einmal diskriminiert wurden, dadurch<br />

auch belastet. Das wird deutlich in Untersuchungen,<br />

die zeigen, dass Kinder aus<br />

Regenbogenfamilien nicht schlechter<br />

abschneiden als andere Kinder, wenn es<br />

um psychisches Wohlbefinden geht.<br />

Diese Tatsache legt nahe, dass es in<br />

ihrem familiären Kontext Schutzfaktoren<br />

gibt, die negative Effekte von Diskriminierung<br />

reduzieren können.<br />

Nämlich?<br />

Untersuchungen zeigen, dass die emotionale<br />

Unterstützung innerhalb der<br />

Familie am wichtigsten ist. Wenn zu<br />

Hause jemand ist, der das Kind auffängt,<br />

an den es sich wenden und mit dem es<br />

nach Lösungen suchen kann, wirkt das<br />

wie ein Puffer.<br />

Kann auch die Schule dazu beitragen,<br />

dass Kinder aus Regenbogenfamilien<br />

Diskriminierung besser wegstecken?<br />

Ja, Kinder sind besser dagegen<br />

gewappnet, wenn ihre Schule Themen<br />

wie sexuelle und familiäre Vielfalt aufgreift.<br />

Solche Pläne stossen oft auf<br />

Widerstand, angeblich aus Angst, dass<br />

22 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Irgendwann wurde<br />

es ihnen zu viel:<br />

Wegen eines<br />

Rechtsstreits mit<br />

den Behörden<br />

wanderten die<br />

Körners 2014<br />

in die USA aus.<br />

Paaren nimmt das Gesetz die<br />

Entscheidung ab: Produziert die<br />

Frau etwa keine gesunden Eizellen,<br />

ist eine künstliche Befruchtung<br />

zwecklos, es bleibt noch die Eizellenspende.<br />

In der Schweiz ist sie, im<br />

Gegensatz zur Samenspende, jedoch<br />

verboten.<br />


Dossier<br />

«Mir lief die Zeit davon»<br />

Kerstin, 41, ist froh um die moderne<br />

Reproduktionsmedizin: Sie verdankt ihre Töchter<br />

einer Samen- sowie einer Embryonenspende.<br />

«Unsere Odyssee startete 2008. Ich war 32, beruflich<br />

erfolgreich und umhergekommen. Jetzt wollten mein<br />

Partner und ich Kinder. Ich wurde jedoch nicht<br />

schwanger. Zum Glück hatte ich eine Frauenärztin, die<br />

uns zu Tests schickte, statt es uns weiter versuchen zu<br />

lassen. Das hätte, wie die Resultate zeigten, nichts<br />

gebracht: Mein Partner war unfruchtbar. Wir entschieden<br />

uns für eine Samenspende und heirateten, damit wir von<br />

dieser Möglichkeit Gebrauch machen konnten. Wenig<br />

später erfolgte meine erste Insemination. Unser Kind<br />

kündigte sich erst nach der sechsten an. Die Freude war<br />

riesig. 2013 kam Anna* zur Welt.<br />

Sie sollte kein Einzelkind bleiben, das war für mich<br />

klar. Ein Jahr nach Annas Geburt startete ich den ersten<br />

Inseminationszyklus. Acht Behandlungen blieben<br />

erfolglos. Ich war 38, mir lief die Zeit davon. Ich drängte<br />

meinen Partner zu einer künstlichen Befruchtung (IVF),<br />

erhoffte mir davon höhere Chancen auf eine Schwangerschaft.<br />

Er stimmte widerwillig zu. Die IVF-Zyklen sind<br />

körperlich belastend, mich nahm das Ganze auch psychisch<br />

mit, zumal ich nicht schwanger wurde.<br />

Irgendwann sagte mein Mann, er mache nicht mehr<br />

mit. Ich stand vor der Wahl: unsere Ehe oder ein weiteres<br />

Kind. Ich entschied mich für Letzteres. Und suchte nach<br />

Alternativen. Nach einem Beratungsgespräch in einer<br />

spanischen Klinik wählte ich eine Embryonenspende.<br />

Ende 2015 reiste ich für den Embryotransfer nach<br />

Spanien, neun Monate später brachte ich Aline zur Welt.<br />

Unsere Geschichte ist kein Geheimnis. Mein Ex-Mann<br />

und ich haben Anna früh erklärt, dass es einen lieben<br />

Mann gibt, dank dessen Hilfe sie bei uns ist. Dafür gibt es<br />

unter anderem sehr schöne Kinderbücher. Aline hat auch<br />

eines. Mein Ex-Mann und ich haben ein gutes Verhältnis,<br />

darüber bin ich sehr froh. Ich bin dankbar für meine<br />

Töchter und gespannt, wohin unsere Reise führen wird.<br />

Die Babykleider habe ich sicherheitshalber behalten …»<br />

auszureizen. Umso schlimmer<br />

ist das Gefühl persönlichen Versagens,<br />

wenn selbst das nichts<br />

bringt.»<br />

Das Wissen um die Möglichkeiten<br />

der modernen Medizin trage<br />

überdies dazu bei, dass junge Frauen<br />

ihren Kinderwunsch zunehmend<br />

vertagten, sagt Ärztin Pfammatter:<br />

«Ab 25 Jahren sinkt die weibliche<br />

Fruchtbarkeit kontinuierlich, ab<br />

35 Jahren rapide. Frauen sind sich<br />

dessen zu wenig bewusst.»<br />

Es sind nicht nur heterosexuelle<br />

Paare, die ihre Hoffnung an die<br />

Reproduktionsmedizin klammern.<br />


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>25


Dossier<br />

Anna wurde<br />

2013 geboren.<br />

Die sechste<br />

Insemination<br />

war erfolgreich<br />

(vgl. Seite 16).<br />

26 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

sich Behandlungen unterziehen,<br />

die in der Schweiz verboten<br />

sind. Zu ihnen gehören Regula Körner,<br />

Mutter zweier Leihmutterkinder,<br />

oder Alines Mutter Kerstin, die<br />

sich in Spanien den Embryo einer<br />

anderen Frau einsetzen liess (vgl.<br />

Seite 24).<br />


Dossier<br />

Aline kam 2016<br />

zur Welt. Sie<br />

wurde in einer<br />

spanischen<br />

Klinik gezeugt.<br />


Publireportage<br />

Dank dem breiten Angebot an Schweizer Milchprodukten findet sich für jedes Bedürfnis etwas Passendes.<br />

Das Beste für Eltern und Kinder<br />

Für echte Milch gibt’s keinen Ersatz<br />

Milch ist ein nährstoffreiches, gesundes Grundnahrungsmittel für<br />

alle, besonders aber für Kinder. Glücklicherweise gibt es auch bei<br />

Laktoseintoleranz passende Lösungen, denn auf Milchprodukte<br />

zu verzichten ist keine gute Idee.<br />

Mehr erfahren?<br />

Weitere Informationen<br />

und Tipps bei Unverträglichkeiten<br />

unter<br />

www.swissmilk.ch/<br />

unvertraeglichkeiten<br />

Eltern wollen für ihre Kinder natürlich das Beste.<br />

Wenn sie vermuten, dass ihr Kind bestimmte<br />

Lebensmittel nicht verträgt, streichen sie diese oft<br />

in guter Absicht vom Menüplan oder ersetzen sie<br />

durch Alternativen. Das ist aber nicht immer eine<br />

gute Lösung.<br />

Fragen Sie Ihren Arzt<br />

Klagt ein Kind häufig über Bauchweh, liegt die<br />

Vermutung nahe, dass ein Lebensmittel schuld ist.<br />

Oft folgen dann Selbstdiagnosen und individuelle<br />

Ernährungsexperimente. Diese können aber Nährstoffmängel<br />

nach sich ziehen und führen meist<br />

nur kurzfristig zu einer Besserung. Sinnvoller ist es,<br />

die Beschwerden durch eine Fachperson abklären<br />

zu lassen, denn die Gründe können vielfältig sein.<br />

Wenn tatsächlich eine Laktoseintoleranz vorliegt –<br />

die bei Kindern jedoch nur äusserst selten vorkommt<br />

–, dann sollten Milchprodukte nicht gestrichen,<br />

sondern gezielt ausgewählt werden. Es gibt<br />

ein grosses Angebot an passenden, fermentierten<br />

Milchprodukten. Gut verträglich sind Hart- und<br />

Halbhartkäse wie etwa Emmentaler oder Tilsiter<br />

sowie alle Jogurtsorten.<br />

Pflanzendrinks sind kein Milchersatz<br />

Keine gute Lösung ist es, Milch durch Pflanzendrinks<br />

zu ersetzen. Die Ernährungswissenschaft<br />

zeigt immer wieder, dass insbesondere Kinder<br />

von Milch profitieren. Drei Milchportionen täglich<br />

unterstützen den Aufbau und die Entwicklung von<br />

Knochen und Muskeln. Zudem liefern sie generell<br />

viele Nährstoffe in idealem Verhältnis zueinander,<br />

was für ein gesundes Wachstum äusserst vorteilhaft<br />

ist.<br />

Niemand kann heute abschätzen, wie sich der<br />

Ersatz von Kuhmilch durch Pflanzendrinks langfristig<br />

auf die Gesundheit von Kindern auswirken<br />

wird. Es gibt dafür weder Langzeitstudien noch<br />

genügend Erfahrung. Ernährungsfachpersonen<br />

und Kinderärzte schätzen das Risiko eines Nährstoffmangels<br />

mit Folgen für die körperliche und<br />

geistige Entwicklung der Kinder als hoch ein. Denn<br />

Pflanzendrinks sind nährstoffarm und enthalten<br />

keine Baustoffe für das Wachstum.<br />

!<br />

Milchprodukte bei Laktoseintoleranz<br />

Milch liefert ein reichhaltiges Spektrum an<br />

Inhaltsstoffen. Davon profitieren Personen<br />

jeden Alters, insbesondere aber Kinder.<br />

Milchprodukte tragen viel zu einer gesunden<br />

Ernährung bei. Deshalb sollten sie auch bei<br />

Laktoseintoleranz auf dem Menüplan zu finden<br />

sein. Welche Milchprodukte besonders<br />

geeignet sind, erfahren Sie unter<br />

www.swissmilk.ch/unvertraeglichkeiten ><br />

Laktoseintoleranz > verträgliche Milchprodukte.<br />

Wer von einer Laktoseintoleranz<br />

betroffen ist, wählt<br />

am besten gereiften Käse.<br />

Auch Jogurt wird häufig gut<br />

vertragen.<br />

Schweizer Milch ist ein<br />

Naturprodukt, sie wird<br />

standortgerecht auf Familienbetrieben<br />

produziert<br />

und braucht nur kurze<br />

Transportwege.<br />

Milch liefert Eiweiss, Kalzium,<br />

Vitamine und Fette für den<br />

Aufbau von Muskeln und<br />

Knochen. Drei Portionen am<br />

Tag sind genau richtig.


Dossier<br />

«Wir wünschen uns,<br />

dass unser<br />

Familienmodell<br />

nicht über die<br />

Abwesenheit eines<br />

Mannes definiert<br />

wird», sagen<br />

Bettina und Fiona.<br />

Kinderwunsch auf Eis<br />

Kinderkriegen ist nicht ewig<br />

möglich – dank Social Freezing aber<br />

deutlich später. Mit eingefrorenen<br />

Eizellen erhalten sich Frauen die<br />

Chancen auf eine Mutterschaft<br />

jenseits der 35.<br />

Text: Virginia Nolan<br />

Dass unsere Biologie dem modernen<br />

Lebensstil hinterherhinkt, zeigt sich am<br />

Beispiel der weiblichen Fruchtbarkeit.<br />

Sie erreicht ihren Höhepunkt im Alter von<br />

25 Jahren – dann, wenn heute die<br />

meisten jungen Frauen alles andere im<br />

Kopf haben als Kinder. Danach sinken die<br />

Chancen auf eine Schwangerschaft kontinuierlich,<br />

ab 35 rapide, denn mit steigendem<br />

Alter der Frau nimmt die Anzahl<br />

und Qualität ihrer Eizellen ab.<br />

Bereits in den 1970er-Jahren forschten<br />

Wissenschaftler an Methoden, unbefruchtete<br />

Eizellen von jungen Frauen einzufrieren<br />

– mit dem Ziel, sie Jahre später<br />

auftauen, befruchten und der Frau als<br />

Embryo wieder einpflanzen zu lassen.<br />

In der Praxis angewendet wird das Verfahren<br />

erst seit einigen Jahren.<br />

Die ursprüngliche Zielgruppe waren<br />

junge Krebspatientinnen vor einer Therapie,<br />

denen die sogenannte Kryokonservierung<br />

von Eizellen die Chancen auf<br />

eine spätere Mutterschaft erhalten sollte.<br />

Heute bieten Spitäler und Kinderwunschkliniken<br />

die Behandlung unter<br />

dem Namen Social Freezing aber auch<br />

gesunden Frauen an, die ihren Kinderwunsch<br />

vertagen, sei es aus beruflichen<br />

oder privaten Gründen. Für den Eingriff,<br />

der ambulant erfolgt, braucht es vorgängig<br />

eine Hormonbehandlung zur Stimulation<br />

der Eierstöcke. Später werden<br />

die Eierstöcke über die Scheide mit<br />

einer Nadel punktiert und die Eizellen<br />

abgesaugt. Gesunde Frauen dürfen<br />

ihre Eizellen maximal fünf Jahre lagern,<br />

Krebspatientinnen unbefristet.<br />

Die Kosten für ein Social Freezing<br />

belaufen sich je nach Anbieter auf rund<br />

4000 bis 5500 Franken, die Lagerungsgebühren<br />

werden mit 200 Franken pro<br />

Jahr separat verrechnet. Die Krankenkasse<br />

übernimmt, auch bei Krebspatientinnen,<br />

keinen Kostenanteil.<br />

In den USA erlebt Social Freezing einen<br />

Boom, seitdem Arbeitgeber wie Apple<br />

oder Google ihren Mitarbeiterinnen die<br />

Kosten dafür zahlen. Auch in der Schweiz<br />

registrieren Reproduktionsmediziner<br />

wachsendes Interesse. «Tendenziell<br />

nimmt die Nachfrage zu», sagt Daniela<br />

Pfammatter, Gynäkologin in der Kinderwunschklinik<br />

OVA IVF in Zürich. Wer<br />

beabsichtigte, eine Eizellreserve anzulegen,<br />

sollte möglichst früh darüber<br />

nachdenken, sagt die Ärztin: «Die meisten<br />

Frauen werden erst gegen Mitte 30<br />

vorstellig. Das ist an der Grenze: Werden<br />

Eizellen nach 35 eingefroren, nehmen<br />

die Chancen auf eine spätere Schwangerschaft<br />

deutlich ab.»<br />

30 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

URLAUB AUF FAMILISCH<br />

Trotz grosser gesellschaftlicher<br />

Umwälzungen wird die<br />

traditionelle Kleinfamilie nicht<br />

verschwinden: Das Modell<br />

erweist sich als erstaunlich stabil.<br />

Die traditionelle Kleinfamilie,<br />

da ist sich Preisner sicher, wird aber<br />

nicht verschwinden. Trotz massiver<br />

gesellschaftlicher Umwälzungen –<br />

oder vielleicht gerade aufgrund dieser<br />

– sei das Modell erstaunlich stabil.<br />

In einer schnelllebigen und<br />

wirtschaftlich zunehmend unsicheren<br />

Welt, so Preisner, werde sich das<br />

auch nicht ändern.<br />

Demzufolge gibt der Rückzug der<br />

Menschen ins Private der Kleinfamilie<br />

erst recht Auftrieb. «Was wir<br />

jetzt als alternative Familien be ­<br />

zeichnen», sagt Klaus Preisner,<br />

«Patchwork- oder Regenbogenfamilien<br />

zum Beispiel, das sind, rein<br />

strukturell gesehen, Kleinfamilien,<br />

aufgebrochen und neu formiert<br />

zwar, aber stark am klassischen<br />

Modell orientiert: Da sind zwei<br />

Erwachsene, die sich um Kinder<br />

kümmern, als Paar leben und eine<br />

Familie sein wollen.»


Dossier<br />

Familie in der Grauzone<br />

Es gibt viele Wege, eine Familie zu gründen. Der Gesetzgeber erlaubt aber längst nicht<br />

alle, und vor allem: nicht jedem. Eine Bestandsaufnahme. Text: Virginia Nolan<br />

Verliebt, verlobt, verheiratet:<br />

Das bleibt<br />

für die meisten Paare<br />

der Königsweg. Ihre<br />

Beziehung rechtlich<br />

abzusichern, wenn Nachwuchs ins<br />

Spiel kommt, scheint Paaren ein<br />

Bedürfnis zu sein; dafür spricht,<br />

dass die meisten in der Schweiz<br />

geborenen Kinder noch immer aus<br />

einer Ehe hervorgehen. Der Zivilstand<br />

«verheiratet» steht aber nicht<br />

allen offen: So sind gleichgeschlechtliche<br />

Paare von der Ehe ausgeschlossen.<br />

Seit 2007 haben zwar auch sie<br />

die Möglichkeit, ihre Liebe amtlich<br />

zu machen. Die «eingetragene Partnerschaft»<br />

ist der Ehe aus juristischer<br />

Sicht in den meisten Punkten<br />

gleichgestellt. Ausnahmen gibt es<br />

wenige, doch sind sie umso gewichtiger<br />

für alle, die sich eine Familie<br />

wünschen.<br />

Durch Adoption zum Familienglück<br />

Im Gegensatz zu Einzelpersonen<br />

und Verheirateten verbietet das<br />

Gesetz gleichgeschlechtlichen Paaren<br />

zum Beispiel die gemeinsame<br />

Adoption eines Kindes. Immerhin<br />

ist <strong>2018</strong> das revidierte Adoptionsrecht<br />

in Kraft getreten. «Es gibt neuerdings<br />

auch Homosexuellen die<br />

Möglichkeit, das Kind ihrer Partnerin<br />

oder ihres Partners zu adoptieren»,<br />

sagt Karin Hochl. Sie ist<br />

Rechtsanwältin in Zürich, zu ihren<br />

In Zukunft wird es möglich<br />

sein, dass ein Kind zwei<br />

Mütter und zwei Väter hat.<br />

Spezialgebieten gehören Partnerschaftsrecht,<br />

Familienplanung für<br />

gleichgeschlechtliche Paare sowie<br />

rechtliche Fragen zur Fortpflanzungsmedizin.<br />

In Zukunft werde es<br />

rechtlich also möglich sein, dass ein<br />

Kind zwei Mütter oder zwei Väter<br />

habe. «Die sogenannte Stiefkindadoption<br />

stellt sicher, dass Kinder, die<br />

mit gleichgeschlechtlichen Eltern<br />

aufwachsen, im Todes- oder Trennungsfall<br />

der Eltern rechtlich genauso<br />

abgesichert sind wie Kinder, die<br />

aus einer Ehe hervorgegangen sind»,<br />

so Karin Hochl.<br />

Per <strong>2018</strong> hat der Gesetzgeber<br />

auch die Bestimmungen für die allgemeinen<br />

Adoptionsvoraussetzungen<br />

gelockert. So beträgt das<br />

Mindest alter für Einzelpersonen<br />

und verheiratete Paare, die ein Kind<br />

adoptieren wollen, neuerdings 28<br />

statt 35 Jahre. Bei Ehepaaren ist<br />

überdies nicht mehr die Dauer der<br />

Ehe relevant, sie müssen stattdessen<br />

drei Jahre lang einen gemeinsamen<br />

Haushalt geführt haben. Für Unverheiratete<br />

und gleichgeschlechtliche<br />

Paare bleibt die gemeinschaftliche<br />

Adoption verboten. Ausserdem ist<br />

eine Adoption nicht möglich, wenn<br />

der Altersunterschied zwischen dem<br />

Kind und den künftigen Adoptiveltern<br />

mehr als 45 Jahre beträgt.<br />

Auch wer seinen Kinderwunsch<br />

mithilfe der Reproduktionsmedizin<br />

erfüllen will, muss in der Schweiz<br />

strenge Kriterien erfüllen. So steht<br />

die medizinisch unterstützte Fortpflanzung<br />

ausschliesslich heterosexuellen<br />

Paaren offen. «Einzelpersonen<br />

oder gleichgeschlechtlichen<br />

Paaren sind entsprechende Behandlungen<br />

untersagt», sagt Anwältin<br />

Hochl. «Wer sie als Arzt trotzdem<br />

vornimmt, macht sich strafbar.» Zu<br />

den gängigsten reproduktionsmedizinischen<br />

Verfahren gehören hierzulande<br />

medizinische Behandlungen,<br />

etwa zur Stimulation der<br />

Eizellen, die künstliche Befruchtung<br />

sowie die Insemination. Auch<br />

Samenspenden sind in der Schweiz<br />

erlaubt, allerdings dürfen nur Ehepaare<br />

davon Gebrauch machen.<br />

Eizellenspenden sind verboten<br />

Zu den verbotenen Praktiken zählen<br />

hingegen die Eizellen- sowie die<br />

Embryonenspende. Frauen, die für<br />

eine solche Behandlung ins Ausland<br />

reisen, haben in der Regel aber keine<br />

juristischen Konsequenzen zu<br />

befürchten – der Gesetzgeber kann<br />

schliesslich nicht erahnen, auf welche<br />

Art und Weise ein Kind gezeugt<br />

wurde. «Die Frau, die das Kind zur<br />

Welt bringt, gilt vor dem schweizerischen<br />

Gesetz immer als Mutter»,<br />

sagt Karin Hochl.<br />

Das gilt auch für lesbische, nichtverheiratete<br />

oder Singlefrauen,<br />

die ihren Kinderwunsch über eine<br />

private Samenspende oder eine<br />

Samenbank im Ausland erfüllen.<br />

«Recht licher Vater wäre da im Prinzip<br />

der Samenspender», sagt Hochl,<br />

«jedoch ist eine Vaterschaft ausgeschlossen,<br />

wenn die Spende über<br />

eine ausländische Samenbank<br />

erfolgte.<br />

Bei privaten Samenspenden hingegen<br />

kann der Staat zwangsweise<br />

die Vaterschaft des Spenders feststellen<br />

lassen. Die Mutter kann das verhindern,<br />

indem sie die Identität des<br />

privaten Spenders konsequent verschweigt.»<br />

Einen gewichtigen Nach-<br />

32 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


teil haben in diesem Fall jedoch<br />

Frauenpaare: Der Staat anerkennt<br />

die Partnerin der biologischen Mutter<br />

nicht als zweiten Elternteil, und<br />

eine Stiefkindadoption ist erst nach<br />

einem Jahr möglich. «Bis dahin»,<br />

sagt Hochl, «besteht zwischen dem<br />

zweiten Elternteil und dem Kind<br />

keinerlei rechtliche Beziehung.»<br />

Kontrovers diskutiert wird in der<br />

Schweiz auch die Leihmutterschaft.<br />

Sie ist gemäss geltendem Recht verboten<br />

– jedoch für immer mehr kinderlose<br />

Paare eine Option. «Wir<br />

erhalten pro Woche ein bis zwei<br />

Anfragen von Paaren, die sich zum<br />

Thema rechtlich beraten lassen<br />

möchten», sagt Anwältin Karin<br />

Hochl. Wie viele Leihmutterkinder<br />

in der Schweiz leben, ist ungewiss.<br />

Das Bundesamt für Justiz hat Kenntnis<br />

von 30 Kindern, Hochl schätzt<br />

die Dunkelziffer auf 500 bis 1000.<br />

Schweizer Paare, die sich für eine<br />

Leihmutterschaft entscheiden, reisen<br />

dazu oft in die USA. «Dort<br />

geniessen Leihmütter einen relativ<br />

guten rechtlichen und medizinischen<br />

Schutz», sagt Hochl. Auch die<br />

Ukraine sei ein immer häufigeres<br />

Ziel. «Da bestehen in Bezug auf die<br />

Rechtssicherheit als auch den Schutz<br />

der Leihmutter jedoch grosse Unterschiede<br />

zu den USA», so Hochl. In<br />

der amerikanischen oder der ukrainischen<br />

Geburtsurkunde des Kindes<br />

werden die Wunscheltern als rechtliche<br />

Eltern eingetragen. Als solche<br />

anerkennt die Schweiz diese aber<br />

nur, wenn sie mit dem Kind genetisch<br />

verwandt sind. Das Bundesgericht<br />

begründet diesen Entscheid<br />

damit, dass die Umgehung des Leihmutterverbots<br />

einen Verstoss gegen<br />

die öffentliche Ordnung darstelle.<br />

Elternlose Kinder<br />

Dieses Schicksal hat Regula Körner<br />

(vgl. Seite 21) ereilt: Die Behörden<br />

anerkennen sie nicht als rechtliche<br />

Mutter ihres Sohnes, weil sie keine<br />

genetische Verbindung zu ihm hat.<br />

Der Bub, dessen biologischer Vater<br />

Körners Ehemann ist, wurde von<br />

einer amerikanischen Leihmutter<br />

ausgetragen. In solchen Fällen bleibt<br />

dem nichtgenetischen Elternteil nur<br />

die Möglichkeit, die Stiefkindadoption<br />

für ein Kind zu beantragen, das<br />

laut Geburtsurkunde bereits sein<br />

eigenes ist.<br />

Diesen Weg dürfen Betroffene<br />

allerdings erst nach einem Jahr<br />

beschreiten. «Das ist mit einer Unsicherheit<br />

verbunden, die das Kindeswohl<br />

fundamental verletzt», sagt<br />

Anwältin Hochl. «Insbesondere, da<br />

die Dauer des Adoptionsverfahrens<br />

ungewiss ist. Trennt sich das Paar<br />

währenddessen oder stirbt der genetische<br />

Elternteil, ist das Kind rechtlich<br />

nicht abgesichert. Wer etwa<br />

Die Leihmutterschaft ist für<br />

immer mehr Paare eine Option –<br />

aber per Gesetz verboten.<br />

getrennt lebt, kann nicht mehr<br />

adoptieren.» Aber auch andere Kriterien<br />

wie der maximale Altersunterschied<br />

zwischen Eltern und Kind<br />

verunmöglichten unter Umständen<br />

die Adoption.<br />

Was ist mit einem Leihmutterkind,<br />

dessen beide Elternteile keine<br />

genetische Verbindung zu ihm<br />

nachweisen können, weil Samen<br />

und Eizellen aus Fremdspenden<br />

stammten? «In der Schweiz gilt ein<br />

solches Kind als elternlos», sagt<br />

Hochl. Und: «Dann müssen die<br />

Eltern seine rechtliche Beziehung zu<br />

ihm über Adoption herstellen.»<br />

Somit werden die Kindeseltern<br />

aus der Geburtsurkunde zu Pflegeeltern,<br />

und über diesen Status kommen<br />

sie während mindestens einem<br />

Jahr nicht hinaus. «Die Tatsache,<br />

dass die Eltern das Verbot der Leihmutterschaft<br />

umgangen haben,<br />

gewichtet man stärker als den<br />

Anspruch des Kindes auf rechtliche<br />

Absicherung», sagt Hochl. «Das kritisiere<br />

ich scharf. Ein Kind sollte<br />

zwei Elternteile haben, von Geburt<br />

an.»<br />

Im nächsten Heft:<br />

Scheidungskinder<br />

Bild: Thomas Schweigert / 13 Photo<br />

Trennen sich die Eltern, sollen die Kinder möglichst<br />

keinen Schaden nehmen – aber wie kann dies<br />

gelingen? Worauf müssen Eltern achten?<br />

Scheidungskinder, unser Dossier-Thema in der<br />

März-Ausgabe.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>33


Monatsinterview<br />

«Wer Musik macht,<br />

hat mehr vom Gehirn»<br />

Wie lernen Kinder? Ist Auswendiglernen wichtig? Und was bringt (Früh-)Förderung<br />

wirklich? Ein Gespräch mit dem Neuropsychologen Lutz Jäncke über die Kunst<br />

des Lernens, jugendliche Selbstdisziplin und das Problem der Konzentration<br />

in der Pubertät. Text: Claudia Landolt Bilder: Vera Hartman / 13 Photo<br />

Ein Gebäude der Universität in Zürich<br />

Nord. Es herrscht Campusatmosphäre :<br />

Junge Menschen mit Rucksäcken<br />

huschen durch die labyrinthartigen<br />

Gänge, eine Schlange vor der<br />

Cafeteria, Pizza und Sandwiches sind<br />

begehrt. In seinem Eckbüro erwartet<br />

uns Lutz Jäncke. Ein grosser,<br />

distinguierter, elegant gekleideter<br />

Mann. Auf dem Fenstersims gleich<br />

neben der Tür steht eine Collage aus<br />

Sand, Liegestuhl und Sonnenschirm.<br />

Ein Geburtstagsgeschenk seiner<br />

Mitarbeiter: Ein Gutschein für Ferien<br />

auf Sylt, seiner Lieblingsinsel. Doch<br />

das muss warten: «Zu viel Arbeit.»<br />

Herr Jäncke, mein Sohn fragt, ob<br />

Gamen dumm macht. Tut es das?<br />

Gamen sollte man nicht grundsätzlich<br />

verteufeln. Es gibt mittlerweile<br />

einige Studien, die belegen, dass<br />

Gamen die Fingerfertigkeit erhöht.<br />

Auch haben Computergames positive<br />

Auswirkungen auf die Ausbildung<br />

einer Identität und die soziale<br />

und kognitive Entwicklung. Andere<br />

Untersuchungen stellen fest, dass das<br />

Belohnungszentrum im Hirn vergrössert<br />

ist. Das Belohnungszentrum<br />

ist für Lustempfindungen jeglicher<br />

Art zuständig. Bei Vielspielern, die<br />

täglich spielen, ist dieses Zentrum<br />

deutlich grösser.<br />

Wie finden Kinder das richtige Mass?<br />

Es ist schwierig für ein Kind, sich<br />

einem Computerspiel zu entziehen.<br />

Wenn ein Kind zwei Stunden an<br />

einer Konsole gespielt hat und man<br />

es dort wegholen will, erlebt man<br />

häufig ein Phänomen, das dem Entzug<br />

bei Drogensüchtigen ähnelt: Das<br />

Kind wehrt sich gegen den Entzug,<br />

wird bockig und schreit. Das habe<br />

ich bei meinen eigenen Kindern<br />

auch erlebt.<br />

«Eltern müssen<br />

Kindern Grenzen<br />

setzen. Je klarer<br />

die Grenze, desto<br />

besser.»<br />

Was ist die Lösung?<br />

Begrenzungen sind wichtig. Erst<br />

recht bei Kindern und Jugendlichen<br />

zwischen 11 und 14 Jahren, deren<br />

Gehirn gerade total umgebaut wird.<br />

Sie sind von ihrer Hirnentwicklung<br />

her gar nicht in der Lage, sich selbst<br />

effektiv zu begrenzen, darum müssen<br />

Eltern quasi den fehlenden Frontalkortex,<br />

das Stirnhirn, «ersetzen»,<br />

bis dieses ausgereift ist. Das ist<br />

Erziehung.<br />

Eltern sollen Grenzen setzen?<br />

Absolut. Je klarer die Grenze, desto<br />

besser.<br />

Nehmen wir ein Beispiel: Ein<br />

Siebtklässler möchte sich fürs Lernen<br />

motivieren – mit seiner Spielkonsole.<br />

Was wäre da eine sinnvolle<br />

Begrenzung?<br />

Ich würde ihm nahelegen, zuerst<br />

seine Pflichten zu erledigen, und erst<br />

dann seinem Wunsch nachkommen,<br />

sich zu belohnen. Man muss jedoch<br />

sehen, dass es für Jugendliche sehr<br />

schwierig ist, für eine verzögerte<br />

Belohnung zu arbeiten. Das hat<br />

nichts mit Renitenz, sondern mit der<br />

Gehirnentwicklung zu tun. Das<br />

kindliche Gehirn lässt sich leicht<br />

ablenken. Die Krux ist: Je öfter sich<br />

ein Kind dem Impuls der sofortigen<br />

Belohnung hingibt, desto langsamer<br />

entwickelt sich der Frontalkortex.<br />

Was ist Ihre Schlussfolgerung?<br />

Ich empfehle Eltern, ihre Kinder<br />

dazu zu bringen, Dinge nacheinander<br />

zu tun. Musik oder soziale Netzwerke<br />

sind etwas für die Pausen, zum<br />

Entspannen. Gamen sollten Kinder<br />

erst, wenn alles abgeschlossen ist.<br />

Denn die Belohnungsreize wirken<br />

fast wie Drogen auf das Gehirn.<br />

Danach ist es für ein Kind >>><br />

34 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

Studierende der Uni<br />

Zürich haben den<br />

Neuropsychologen<br />

Lutz Jäncke<br />

wiederholt zum<br />

besten Dozenten<br />

gewählt.


Monatsinterview<br />

Wenn das Gehirn<br />

gross wird: Lutz<br />

Jäncke erklärt<br />

die Folgen des<br />

Gehirnumbaus in<br />

der Pubertät.<br />

>>> schwierig, sich wieder an die<br />

Hausaufgaben zu setzen.<br />

Was brauchen Kinder zum Lernen?<br />

Kinder brauchen Inputs, gute<br />

Modelle, Vorlagen und Möglichkeiten<br />

zum Wissenserwerb und zur<br />

Wissensanwendung. Und sie brauchen<br />

Erfahrungen, um zu reifen.<br />

Und Selbstdisziplin – etwas, worauf<br />

Sie grossen Wert legen.<br />

Ich plädiere dafür, Selbstdisziplin,<br />

Konzentration und Selbstkontrolle<br />

zu üben. Denn ein Kind, das alles<br />

bekommt – ein Fernseher, eine Playstation,<br />

ein Smartphone und ein<br />

Computer, wird im Reifungsverlauf<br />

nie üben, selbstdiszipliniert zu sein.<br />

Das heisst, diese regulativen Funktionen<br />

werden nicht implementiert.<br />

Wenn Kinder alles bekommen, was<br />

sie sich wünschen, ohne dafür eine<br />

Gegenleistung zu erbringen, erzieht<br />

man sie zu Lustmenschen.<br />

Wie einfach ist das Lernen in der<br />

Pubertät?<br />

Konzentrationsfähigkeit, Selbstdisziplin<br />

sowie die Fähigkeit, Relevantes<br />

von Irrelevantem zu unterscheiden,<br />

sind psychologische Funktionen, die<br />

«Das Stirnhirn von<br />

Mädchen hat<br />

durchschnittlich<br />

eineinhalb Jahre<br />

Vorsprung.»<br />

für die Schule von grosser Bedeutung<br />

sind. Lehrpersonen und auch Eltern<br />

sollten nun aber wissen, dass genau<br />

diese Funktionen sehr langsam reifen.<br />

Der Frontalkortex, das Stirnhirn,<br />

hinkt bei Jugendlichen stark<br />

hinterher.<br />

Das kindliche Gehirn ist unreif?<br />

Genau. Das Stirnhirn ist ein spät<br />

reifendes System und erst um das<br />

20. Lebensjahr abgeschlossen.<br />

Reifen Mädchen früher als Jungen?<br />

Ja. Das Stirnhirn von Mädchen hat<br />

durchschnittlich eineinhalb Jahre<br />

Vorsprung. Zudem sind Mädchen<br />

vor und nach der Pubertät oft selbstdisziplinierter,<br />

konzentrierter und<br />

verantwortungsbewusster.<br />

Qualitäten, auf die die Schule grossen<br />

Wert legt.<br />

Meiner Meinung nach sollten Pädagogen<br />

und Schule, aber auch Eltern<br />

Lehren aus der Tatsache des unreifen<br />

jugendlichen Hirns ziehen.<br />

Was heisst das?<br />

In der Schule geht es meist darum,<br />

explizites Wissen zu erwerben und<br />

dieses dann abrufen zu können. Ich<br />

36 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


nenne es auch «bulimisches Lernen».<br />

Das heisst, die Kinder schaufeln Wissen<br />

in sich rein, geben dieses bei<br />

Tests wieder und haben es wenig<br />

später vergessen. Das ist in dieser<br />

Altersperiode nicht sehr sinnvoll.<br />

Was wäre sinnvoll?<br />

Um etwas effizient und nachhaltig<br />

im Langzeitgedächtnis zu verankern,<br />

muss das neu Gelernte in bestehende<br />

Wissensnetzwerke eingefügt werden.<br />

Das erfordert vernetztes Denken.<br />

Konkret sollte man Schülerinnen<br />

und Schüler dazu veranlassen, sich<br />

Stoff durch semantische Verarbeitung<br />

einzuprägen.<br />

Was heisst das?<br />

Um einen Text zu lernen, muss man<br />

ihn zuerst verstehen. Dazu müssen<br />

Wortbedeutungen erkannt und eingeordnet<br />

werden. Je mehr etwas<br />

analysiert und in Zusammenhänge<br />

einsortiert wird, desto besser wird<br />

es im Gedächtnis verankert. Alles<br />

Beiläufige wird rasch vergessen.<br />

Was hilft auch?<br />

Emotionen oder Erinnerungen an<br />

Emotionen sind hilfreich, denn<br />

Emotionen sind gute Gedächtnisverstärker.<br />

Je intensiver eine Erfahrung<br />

ist, desto mehr prägt sie sich in<br />

unser Gedächtnis ein.<br />

Was ist mit Wiederholungen?<br />

Die Wiederholung ist die Mutter des<br />

Lernens. Denn das Gehirn sortiert.<br />

Häufig vorkommende Informationen<br />

sind wichtig, punktuell vermittelte<br />

sind weniger wichtig.<br />

Macht es aus neuropsychologischer<br />

Sicht Sinn, die Rechtschreibung nicht<br />

zu korrigieren, wie es teilweise in der<br />

Unterstufe praktiziert wird?<br />

Nein, das ist lernpsychologisch völlig<br />

falsch. Kinder sollen nicht spielerisch<br />

lernen und Fehler machen,<br />

nach dem Motto: Krummes biegt<br />

sich wieder hin. Fehler sollten korrigiert<br />

und falsche Wörter nochmals<br />

richtig geschrieben werden.<br />

Wie lernen Kinder am besten?<br />

Was sich im Gehirn der Kinder festsetzen<br />

muss, sollte glasklar, störungsfrei<br />

und häufig vermittelt werden.<br />

Wer ständig auf verschiedenen<br />

«Erfolg und Mühe<br />

gehören zusammen.<br />

Lernen gelingt<br />

selten nebenbei.»<br />

Medien spielt und Multitasking<br />

macht, arbeitet langsamer, fehlerhafter,<br />

schwimmt an der Oberfläche.<br />

Schuld sind die beschränkten Ressourcen<br />

des Gehirns.<br />

Nützt elterlicher Druck, damit Kinder<br />

lernen?<br />

Erfolg und Mühe gehören schon<br />

zusammen. Selten gelingt das Lernen<br />

so quasi nebenbei. Drill und Druck<br />

sind aber die schlechtesten Formen<br />

des Lernzugangs. Besser ist es, sich<br />

stets das positive Ziel, den Gewinn<br />

oder die Belohnung, zu vergegenwärtigen,<br />

wenn man lernt.<br />

Gibt es Tricks, wie man sich motivieren<br />

kann?<br />

Klar. Je mehr Freude man an einer<br />

Fragestellung hat, desto mehr Eigenmotivation<br />

kann man entwickeln.<br />

Das wiederum hat mit Selbstdisziplin<br />

zu tun. Aus der Motivationspsychologie<br />

weiss man, dass wir dann<br />

besonders gut sind, wenn wir uns<br />

selbst das Anspruchsniveau stecken<br />

und es erfüllen. Das – und eine störungsfreie<br />

Lernumgebung – ist der<br />

Clou beim Lernen.<br />

Wie setzt sich eine gute Schulnote<br />

zusammen?<br />

Neuropsychologen haben untersucht,<br />

wie sich die Einflussfaktoren<br />

einer guten Schulnote zusammensetzen.<br />

10 Prozent war Intelligenz,<br />

40 Prozent Motivation, Selbstkontrolle<br />

und Selbstdisziplin.<br />

Und die restlichen 50 Prozent?<br />

Die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit<br />

und Konzentration sowie das Wollen.<br />

Letzteres ist unglaublich wichtig.<br />

Kann man das Wollen beeinflussen?<br />

Ja: durch Lob und Anerkennung<br />

sowie eine gute Lernatmosphäre.<br />

Womit wir wieder bei den ablenkbaren<br />

Gehirnen unserer Kinder wären.<br />

Ja, tatsächlich sind alle unsere Funktionen,<br />

die unser Verhalten kontrollieren,<br />

zwischen 11 und 16 Jahren<br />

noch nicht ausgereift. Entsprechende<br />

Mühe haben Jugendliche, sich zu<br />

beherrschen, ruhig zu sitzen und<br />

aufmerksam zu sein. Darum sage ich<br />

immer: Sie können nichts dafür!<br />

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen,<br />

sondern sich entwickelnde,<br />

noch nicht erwachsene Menschen.<br />

Genau in jenen Jahren müssen sich<br />

Kinder für ihre Zukunft qualifizieren.<br />

Zwölf Jahre ist der absolut falsche<br />

Zeitpunkt für diese Selektion. Die<br />

Hirnforschung zeigt zur Genüge,<br />

dass genau in jener Zeit das Gehirn<br />

in einer radikalen Umbauphase ist.<br />

Der Frontalkortex ist in heller Aufregung,<br />

es ist die schlimmste Phase<br />

im Leben eines Kindes.<br />

Jetzt weiss ich, warum man Sie gerne<br />

als Schulkritiker bezeichnet.<br />

Ich bin der Meinung, dass Selektion<br />

kein Ausbildungsprinzip ist. Kinder<br />

sind keine Erbsen, die man aussortieren<br />

muss. Wir kategorisieren – das<br />

Gute ins Kröpfchen, das Schlechte<br />

ins Töpfchen. Diese Schubladisierung<br />

hat sich nachweislich als falsch<br />

erwiesen. Ich verstehe nicht, wie in<br />

der heikelsten Phase des Gehirnaufund<br />

-umbaus wichtige Prüfungen<br />

stattfinden, welche über spätere Karrieren<br />

entscheiden.<br />

Manche Teenager haben dann auch<br />

genug und verweigern das Lernen.<br />

Wenn Jugendliche die Kontrolle verlieren,<br />

sind sie deswegen nicht böse.<br />

Sie wissen nicht, was sie tun! Wir<br />

dürfen sie mit ihren Nöten nicht<br />

allein lassen. Wir, Eltern und Lehrer,<br />

müssen ihnen helfen, sie führen und<br />

anleiten. Das Allerwichtigste in der<br />

Erziehung ist doch, dass Kinder<br />

geliebt werden.<br />

Welche Rolle für den Schulerfolg<br />

spielen genetische Voraussetzungen?<br />

Kinder sind sehr verschieden. Es gibt<br />

solche, die früher reifen, andere, die<br />

später reifen. Manche Kinder haben<br />

bessere genetische Vorausset- >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>37


Monatsinterview<br />

Lutz Jäncke über ...<br />

... das süsse Nichtstun<br />

Wer nur auf dem Sofa sitzt, Games<br />

spielt oder TV sieht und Chips isst,<br />

aktiviert seine Stirnhirnstrukturen<br />

nicht. Diesen Prozess bezeichne ich<br />

als «use it or loose it». Es bedeutet:<br />

Wenn Nervenzellen nicht aktiv sind,<br />

bauen sie Verbindungen ab und<br />

verkümmern. Das sollte man<br />

wissen – auch in Bezug auf das<br />

Alter.<br />

... Selbstdisziplin<br />

Ungemein wichtig! Je intensiver<br />

man sich mit dem Schulstoff<br />

aus einandersetzt, desto bessere<br />

Schulnoten folgen. Deshalb haben<br />

Elternhaus und Schule die Aufgabe,<br />

dem Kind beizubringen, sich den<br />

Verlockungen des Alltages zu<br />

entziehen und sich genügend dem<br />

Lernen zu widmen.<br />

... Überforderung<br />

Überforderung entsteht dort, wo<br />

Kinder zu viele Wahlmöglichkeiten<br />

haben. Und das ist vor allem in<br />

der Freizeit. Nicht die schulischen<br />

Inhalte überfordern die Kinder,<br />

sondern die ausserschulischen.<br />

... Talent oder Fleiss<br />

Beides ist unabdingbar. Leistung<br />

ist immer eine Funktion von Wollen<br />

mal Können mal Möglichkeit.<br />

>>> zungen. Studien an eineiigen<br />

Zwillingen haben aber gezeigt, dass<br />

Begabung lediglich zur Hälfte erblich<br />

bedingt ist. Grosse Teile des<br />

Gehirns sind nicht durch unsere<br />

Erbanalage festgelegt. Der Mensch<br />

ist auf Erfahrung und Lernen angewiesen.<br />

Er ist zum Lernen verdammt.<br />

Was ist mit jenen Kindern, die keine<br />

guten Startbedingungen haben?<br />

Diese benötigen unsere Hilfe noch<br />

viel mehr. Das Gute ist: Das Gehirn<br />

ist plastisch, es kann sich verändern<br />

und selbst widrigste Startbedingungen<br />

überwinden.<br />

Bedeutet das, dass wir auch mit 70 Jahren<br />

noch Japanisch lernen können?<br />

Ja, es dauert vielleicht einfach ein<br />

bisschen länger. Spass beiseite: Das<br />

Gehirn ist auch im Alter veränderbar,<br />

es kann wieder jünger werden<br />

– wenn wir es benutzen. Durch Lernen<br />

verhindern wir, dass der normale<br />

Degenerationsprozess eintritt.<br />

Gilt der Umkehrschluss auch? Dass<br />

Frühfördung wünschenswert ist?<br />

Aus neurowissenschaftlicher Sicht<br />

kann Frühförderung nicht früh<br />

genug beginnen. Schon kleine Kinder<br />

können mit Zahlen und Buchstaben<br />

umgehen und drei Sprachen<br />

«Musizierende<br />

Kinder können<br />

komplizierte Sätze<br />

besser verstehen.»<br />

lernen. Das heisst aber nicht, dass<br />

sie schon im Mutterleib Mozart<br />

hören sollen. Ein spielerischer<br />

Umgang mit Frühförderung im Kindergarten<br />

ist dagegen sehr sinnvoll.<br />

Apropos Mozart: Ihr Steckenpferd ist<br />

die Musik. Sind musizierende<br />

Menschen intelligenter?<br />

Ich sage gern: Wer Musik macht, hat<br />

mehr vom Gehirn. Es gibt eine Reihe<br />

von ernstzunehmenden Studien,<br />

die interessante Dinge belegen.<br />

Nämlich?<br />

Erstens: Kinder haben nach einem<br />

Jahr Musikunterricht einen Intelligenzquotienten,<br />

der acht bis neun<br />

Punkte höher ist als ohne Musiktraining.<br />

Zweitens: Kinder mit Musikunterricht<br />

haben ein besseres verbales<br />

Gedächtnis. Und drittens:<br />

Musizierende Kinder können komplizierte<br />

Sätze besser verstehen.<br />

Wie werden Kinder schlau?<br />

Nicht allein durch Leistung. Sie müssen<br />

auch kreativ sein und mit dem<br />

erworbenen Wissen umgehen können.<br />

Lernen basiert auf Verstärkung<br />

und dem Ausbau von Assoziationen.<br />

Beide Seiten der Medaille, die Aneignung<br />

von Wissen und die Anwendung<br />

davon, sind wichtig. Wenn<br />

Kinder immer nur Wissen in sich<br />

hineintrichtern müssen, tötet man<br />

ihre Kreativität.<br />

Was ist für Sie eine kindgerechte<br />

Schule?<br />

Ich bin ein Fan der skandinavischen<br />

Schulen.<br />

Was machen diese Schulen gut?<br />

Sie konzentrieren sich zunächst auf<br />

die Grundfertigkeiten wie Lesen,<br />

Schreiben, Rechnen. Dieses Kerngeschäft<br />

lehren sie, und zwar intensiv.<br />

Und sie vermitteln Wissen fächerübergreifend<br />

und blockweise. Englisch<br />

nehmen sie nicht nur in einer<br />

Lektion pro Tag durch, sondern<br />

tageweise. Auch in Fächern wie<br />

Sport wird dann zum Beispiel nur<br />

Englisch gesprochen. Überhaupt<br />

haben kulturelle Fächer wie Musik,<br />

Theater und Philosophie in diesen<br />

Ländern einen hohen Stellenwert.<br />

Fächer, die in Regelschulen eher stiefmütterlich<br />

behandelt werden.<br />

Ja, und das finde ich schade. Mit<br />

Musik oder Theater trainieren Kinder<br />

übergeordnete Funktionen wie<br />

Selbstdisziplin, Aufmerksamkeit,<br />

Planung, Belohnungsaufschub und<br />

Sozialverhalten. Sie feiern Erfolge<br />

und sind stolz auf die eigene Leistung.<br />

Und verstehen wir eine Sprache<br />

oder eine geschichtliche Epoche<br />

nicht besser, wenn wir gleichzeitig<br />

die Philosophie und die Kunst der<br />

Epoche kennen?<br />

>>><br />

38 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ein geistreiches und<br />

sehr kurzweiliges<br />

Gespräch –<br />

die leitende Autorin<br />

Claudia Landolt<br />

mit Lutz Jäncke.<br />

Zur Person<br />

Lutz Jäncke, 60, ist Professor für<br />

Neuropsychologie an der Univer sität<br />

Zürich. Schwerpunkte seiner Forschung<br />

sind die kognitive Psychologie und die<br />

Plastizität des Gehirns. Jäncke gehört<br />

zu den am häufigsten zitierten<br />

Wissenschaftlern weltweit. Von den<br />

Studierenden wurde er mehrfach für<br />

seine Art der Wissensvermittlung<br />

ausgezeichnet. Lutz Jäncke ist<br />

verheiratet, Vater zweier erwachsener<br />

Söhne und lebt in Zürich.<br />

Meine Schule<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>39


In Zusammenarbeit mit der Credit Suisse<br />

Erziehung & Schule<br />

In Raten in die<br />

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Schuldenkrise<br />

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mehr Jugendliche in die Schuldenfalle: 2016 waren mehr als doppelt so<br />

viele im Zahlungsrückstand bei ihrem Handyanbieter als noch im Vorjahr.<br />

Wie Sie Ihr Kind vor den Gefahren der Ratenzahlung bewahren. Text: Florence Schnydrig Moser<br />

Schulden belasten und nehmen zu<br />

Belastung durch<br />

finanzielle<br />

Verpflichtungen<br />

Handyschulden<br />

«Sind die finanziellen<br />

Verpflichtungen für Ihr<br />

Leben eine Belastung?»,<br />

Antworten «grosse» und<br />

«sehr grosse Belastung»<br />

addiert, in Prozent<br />

«Haben Sie persönlich<br />

finanzielle Verpflichtungen<br />

bei Mobilfunkanbietern?»,<br />

in Prozent<br />

Smartphone, Kleider, Scooter:<br />

Immer mehr Konsumträume<br />

können heute per<br />

Ratenzahlung erfüllt werden.<br />

Die Zahlungsmodelle<br />

sind verschieden, eines ist allen<br />

gemeinsam: Sie suggerieren einen<br />

besonders günstigen Preis, den man<br />

vermeintlich nebenbei in kleinen<br />

Häppchen abbezahlt.<br />

Kinder und Jugendliche sind<br />

besonders anfällig für solche Lockangebote.<br />

Zu verführerisch klingt es,<br />

das neue Smartphone sofort in den<br />

Händen halten zu können. Doch<br />

gerade hier ist besondere Vorsicht<br />

geboten: Zusätzlich zu den Anschaffungskosten<br />

können monatliche<br />

Vertragsgebühren anfallen. Diese<br />

werden oft unterschätzt – und können<br />

Jugendliche in die Schulden falle<br />

treiben.<br />

Jeder zehnte Jugendliche hat<br />

Schulden bei Verwandten oder<br />

Freunden<br />

Das Verschuldungsniveau hat im<br />

letzten Jahr zugenommen. Gründe<br />

dafür gibt es mehrere. Unter anderem<br />

geben immer mehr Jugendliche<br />

an, im Zahlungsrückstand gegenüber<br />

ihrem Mobilfunkbetreiber zu<br />

sein. Das Jugendbarometer der Credit<br />

Suisse zeigt: Während 2015 noch<br />

3 Prozent Verbindlichkeiten gegen­<br />

Quelle: Credit Suisse, Jugendbarometer 2016 Bild: Iryna Tiumentseva / Fotolia<br />

40 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


So schützen Sie Ihr Kind<br />

«Heute kaufen, morgen bezahlen»<br />

– für Kinder kann es schwierig sein,<br />

die Auswirkungen eines solchen<br />

Angebots zu erkennen. Deshalb<br />

ist es wichtig, ihm einerseits ein<br />

Vorbild zu sein und selbst nur in<br />

Ausnahmefällen auf Kredit einzukaufen<br />

– und andererseits immer<br />

wieder darüber zu sprechen.<br />

Diese Tipps können helfen, Ihr Kind für die<br />

Schuldenfalle Ratenzahlung zu sensibilisieren:<br />

Tipp 1: Langzeitfolgen bewusst<br />

machen<br />

Erklären Sie Ihrem Kind, dass es bei einer<br />

Ratenzahlung einen Vertrag abschliesst,<br />

an den es lange gebunden ist, dass die<br />

Schulden über viele Monate oder sogar<br />

Jahre abbezahlt werden müssen – vielleicht<br />

sogar dann noch, wenn das Smartphone<br />

schon lange kaputt ist. Bei gleich<br />

mehreren auf Raten gekauften Produkten<br />

kommt so schnell ein unübersichtlicher<br />

Berg an Schulden zusammen.<br />

Tipp 2: Versteckte Kosten erklären<br />

Erklären Sie Ihrem Kind den Unterschied<br />

zwischen gespartem Geld und einem<br />

Kredit: In beiden Fällen dauert es eine<br />

ganze Weile, bis es die Summe für ein<br />

Produkt zusammengespart oder abbezahlt<br />

hat. Der Unterschied ist aber:<br />

Für einen Kredit bezahlt es Zinsen – das<br />

können bis zu 10 Prozent sein. Geben Sie<br />

Ihrem Kind ein Rechenbeispiel: Wenn es<br />

ein Smartphone für 500 Franken kaufen<br />

und 10 Prozent Zinsen für den Ratenkredit<br />

bezahlen würde, müsste es 50 Franken<br />

zusätzlich aufbringen. Unter dem Strich<br />

ist die Ratenzahlung also oft deutlich<br />

teurer.<br />

Tipp 3: Alternativen aufzeigen<br />

Inspirieren Sie Ihr Kind, über Alternativen<br />

nachzudenken. Vielleicht wäre ein günstigeres<br />

Modell eine Alternative? Oder es<br />

leiht sich ein altes Handy der Familie, bis<br />

es die Summe für sein Wunschgerät angespart<br />

hat. Vielleicht nimmt Ihr Kind auch<br />

einen Ferienjob an, um nicht so lange<br />

warten zu müssen – und freut sich dann<br />

über das Gefühl, sich das Smartphone<br />

selbst erarbeitet zu haben.<br />

über dem Mobilfunkanbieter angaben,<br />

waren es ein Jahr später schon<br />

7 Prozent – mehr als doppelt so<br />

viele. Zudem haben 11 Prozent der<br />

16- bis 25-Jährigen auch Schulden<br />

bei Familienmitgliedern oder<br />

Bekannten.<br />

Ein Grossteil der Schweizer Ju -<br />

gend lichen hat zwar keine finanziellen<br />

Verpflichtungen; von den verschuldeten<br />

Jugendlichen gab aber<br />

ein Drittel an, allfällig vorhandene<br />

Schulden seien eine grosse oder<br />

sogar sehr grosse Belastung. Das<br />

sind 12 Prozent mehr als 2016.<br />

Keine Ratenzahlung ohne<br />

Zustimmung der Eltern<br />

Um zu verhindern, dass Kinder und<br />

Jugendliche ungeschützt in die<br />

Schuldenfalle tappen, hat der Gesetzgeber<br />

die Ratengeschäfte klar geregelt.<br />

Das Konsumkreditgesetz (KKG)<br />

schreibt vor: Personen unter 18 Jahren<br />

dürfen keine Ratenzahlungen<br />

ohne die Erlaubnis ihrer Eltern tätigen.<br />

Denn nur Volljährigen darf ein<br />

Kredit gewährt werden. Eine eigene<br />

Kreditkarte oder das neue Smartphone<br />

auf Pump sind damit für<br />

Jugendliche ohne Zustimmung der<br />

Eltern ausgeschlossen.<br />

Das bedeutet: Schliesst ein Kind<br />

ohne Wissen und durch Unterschrift<br />

bestätigtes Einverständnis der Eltern<br />

einen Kaufvertrag mit Ratenzahlung<br />

ab, ist dieser rechtswidrig. Die Eltern<br />

können den Vertrag als nichtig<br />

erklären. Wichtig ist, dass sie den<br />

Händler vor der ersten Zahlung darüber<br />

informieren. Dann müssen<br />

weder das Kind noch die Eltern die<br />

angefallenen Rechnungen begleichen.<br />

Das gekaufte Produkt muss<br />

aber zurückgegeben werden.<br />

Ratenzahlung heisst Kredit<br />

Am besten verstehen Kinder, wie ein<br />

Kauf auf Raten funktioniert, wenn<br />

ihnen das zugrunde liegende Vertragsmodell<br />

bewusst wird: Bei einem<br />

Kauf mit Ratenzahlung schliessen<br />

sie gleichzeitig einen Vertrag über<br />

einen Finanzierungskredit ab – denn<br />

nichts anderes verbirgt sich hinter<br />

dem Prinzip der Ratenzahlung.<br />

Die Zahlungsbedingungen können<br />

sehr unterschiedlich sein: Mal<br />

wird bereits beim Kauf ein bestimmter<br />

Betrag angezahlt, mal ist die erste<br />

Rate erst später fällig. Auch unterscheiden<br />

sich die Laufzeiten der<br />

Verträge, die Höhe der Raten und<br />

die der Zinsen.<br />

Florence<br />

Schnydrig Moser<br />

ist Leiterin von Products & Investment<br />

Services bei der Credit Suisse und<br />

Auftraggeberin der Taschengeldstudie.<br />

In der Viva Kids World der Credit Suisse finden<br />

Eltern Tipps und Tricks für die Finanz erziehung.<br />

Kinder entdecken Finanzthemen gemeinsam<br />

mit der Viva-Kids-Bande.<br />

credit-suisse.com/vivakidsworld<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>41


Elterncoaching<br />

Die Schule –<br />

unser Feind?<br />

Die Kritik an unserem Bildungssystem nimmt seit<br />

Jahren an Schärfe zu. Wie Eltern dem begegnen sollten.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 38-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 5,<br />

und einer Tochter, 2. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Es fällt mir nicht leicht,<br />

den heutigen Artikel zu<br />

schreiben, weil er viele<br />

Menschen aus meinem<br />

Umfeld vor den Kopf<br />

stossen und mir wahrscheinlich<br />

einige böse Kommentare einhandeln<br />

wird. Aber das Thema beschäftigt<br />

mich zu oft, um das Folgende<br />

ungesagt zu lassen. Es geht um die<br />

zunehmend aggressiver werdende<br />

Kritik an der Schule.<br />

In unserer Zeit, in der es auf<br />

Klickraten und Interaktionen in den<br />

sozialen Medien ankommt und gerne<br />

alles auf Facebook und Co. geteilt<br />

wird, was knackig und plakativ<br />

daherkommt, greifen Journalistinnen,<br />

Autoren und Expertinnen vermehrt<br />

auf die Strategie «Polarisieren<br />

und emotionalisieren» zurück. Mit<br />

Titeln wie «Schulinfarkt» oder «Das<br />

Lehrerhasser-Buch» wird um Auf-<br />

Experten, die sich zum Thema<br />

Schule äussern, vermischen<br />

berechtigte Kritik immer mehr mit<br />

populistischer Rhetorik.<br />

merksamkeit gebuhlt. Die Experten,<br />

die zum Thema Schule interviewt<br />

und in Talkshows eingeladen werden,<br />

vermischen berechtigte Kritik<br />

immer mehr mit populistischer<br />

Rhetorik.<br />

Macht lernen dumm?<br />

Einige Monate vor Erscheinen des<br />

Buchs «Anna, die Schule und der<br />

liebe Gott. Der Verrat unseres Bildungssystems<br />

an unseren Kindern»<br />

des deutschen Professors Gerald<br />

Hüther lud der deutsche Professor<br />

und Philosoph Richard David Precht<br />

den Autor in seine Sendung ein –<br />

unter dem Titel: «Skandal Schule.<br />

Macht lernen dumm?»<br />

Precht leitete die Sendung mit<br />

folgender Pauschalisierung ein: «An<br />

unseren Schulen werden die Kinder<br />

von den falschen Leuten nach den<br />

falschen Methoden in den falschen<br />

Dingen unterrichtet.»<br />

Das war vor sechs Jahren. Seither<br />

hat sich der Ton noch verschärft.<br />

Gerald Hüther behauptet, dass unsere<br />

Schulen unsere Kinder zu «Systemlingen»<br />

dressieren, die nicht<br />

selber denken können, sie zu unkreativen<br />

Kümmerwesen verkommen<br />

lassen.<br />

Der Film «Alphabet», der in den<br />

letzten drei Jahren viel diskutiert<br />

wurde, zeigt nicht nur interessante<br />

Lern- und Bildungsalternativen. Er<br />

wirbt auf dem Filmplakat und der<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

42 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


DVD-Hülle auch mit dem Zitat:<br />

«Bei ihrer Geburt sind 98% aller<br />

Menschen hochbegabt, nach der<br />

Schulzeit sind es nur noch 2 Prozent.»<br />

Seither begegnet mir diese<br />

Aussage auf Facebook, in Artikeln<br />

und in Büchern immer wieder.<br />

Kommentare wie diese versetzen<br />

Eltern in Aufruhr. Wie können wir<br />

unsere Kinder, die uns so viel bedeuten,<br />

solch scheinbar grausigen Institutionen<br />

anvertrauen?<br />

Wut und Ängste schüren hilft<br />

niemandem<br />

Doch woher kommen solche Zahlen,<br />

mit denen unser aktuelles Schulsystem<br />

kritisiert wird? In diesem Fall<br />

gehen sie auf eine Studie zurück, die<br />

vor 50 Jahren von George Land in<br />

den USA durchgeführt wurde.<br />

Gemessen wurde darin nicht die<br />

Begabung von Kindern im Allgemeinen,<br />

sondern eine ganz bestimmte<br />

Form der Kreativität: die Fähigkeit<br />

zum divergenten Denken. Die Studie<br />

zeigt, dass Kinder darin sehr viel<br />

besser sind als Erwachsene. Daraus<br />

darf man aber keinesfalls schliessen,<br />

dass die Kinder dies in der Schule<br />

verlernen. Wir könnten analog zeigen,<br />

dass Kinder im Alter von vier<br />

Jahren sehr viel schneller eine neue<br />

Sprache aufnehmen als Zwölfjährige<br />

oder Erwachsene. Daraus abzuleiten,<br />

dass uns unsere sprachlichen Fähigkeiten<br />

durch die Schule abtrainiert<br />

werden, wäre aber alles andere als<br />

eine korrekte Schlussfolgerung.<br />

Es ist richtig und wichtig, unser<br />

Bildungssystem immer wieder<br />

genau unter die Lupe zu nehmen,<br />

Mängel und Probleme zu benennen<br />

und auf Lösungen zu drängen. Wir<br />

dürfen kritisch sein, aber wir sollten<br />

unsere Kritikfähigkeit auch gegenüber<br />

den Kritikern bewahren und<br />

genauer hinschauen. Es ist niemandem<br />

gedient, wenn wir die Schule<br />

zum Feind erklären und unnötig<br />

Wut und Ängste schüren.<br />

Viele Schulkritiker wünschen sich<br />

eine Rebellion und operieren nach<br />

dem Motto «Der Zweck heiligt die<br />

Mittel». Wir leben aber nicht in einer<br />

Diktatur, sondern in einer Demokratie.<br />

Gerade hier in der Schweiz lösen<br />

wir Probleme im Dialog.<br />

Wir verlieren die guten Lehrer<br />

Was benötigen wir für gute Schulen?<br />

Beziehung! Genau das betonen auch<br />

Hüther und Precht, deren Grundbotschaften<br />

ich wertvoll und wahr<br />

finde. Wir alle möchten eine Schule,<br />

in der sich die Schülerinnen und<br />

Schüler wohl fühlen, gerne lernen<br />

und ihre Stärken und Potenziale entdecken<br />

können. Dafür benötigen wir<br />

Lehrpersonen, die gerne unterrichten<br />

und sich auf die Schülerinnen<br />

und Schüler einlassen können. Und<br />

hier liegt das Problem in der Vehemenz,<br />

mit der Hüther und Precht die<br />

Schule attackieren.<br />

Denn je negativer die Stimmung<br />

wird, je mehr die Schule zum Sündenbock<br />

für alle gesellschaftlichen<br />

Probleme erklärt wird, desto weniger<br />

junge Erwachsene werden sich<br />

aus den richtigen Gründen auf diesen<br />

Beruf einlassen. Und je weniger<br />

Wertschätzung die Lehrkräfte für<br />

ihre immer anspruchsvoller werdende<br />

Arbeit erhalten, desto weniger<br />

können sie diese an unsere Kinder<br />

weitergeben und desto eher werfen<br />

gerade die Engagiertesten unter<br />

ihnen nach ein paar Jahren das<br />

Handtuch.<br />

Noch immer sind in der Schweiz<br />

die meisten Eltern und Lehrpersonen<br />

bereit und willens, sich aufeinander<br />

einzulassen. Noch dürfen wir<br />

uns darüber freuen, dass die meisten<br />

Begegnungen zwischen Eltern und<br />

Lehrpersonen konstruktiv verlaufen,<br />

Gespräche mit dem nötigen Respekt<br />

und in gegenseitiger Wertschätzung<br />

geführt werden. Noch haben die<br />

meisten Eltern Vertrauen in die<br />

Lehrpersonen ihrer Kinder. Wir<br />

müssen dafür sorgen, dass dies so<br />

bleibt.<br />

Hüther und Precht haben eigentlich<br />

eine sehr schöne Botschaft: Sie<br />

sagen, dass Ermutigung und Beziehung<br />

der Schlüssel zum Lernen sind<br />

Je weniger Wertschätzung<br />

Lehrkräfte für ihre Arbeit<br />

erhalten, desto weniger<br />

Wertschätzung können sie an<br />

unsere Kinder weitergeben.<br />

und nicht Abwertung. Sie betonen,<br />

dass Zusammenarbeit und konstruktiver<br />

Dialog und nicht Konkurrenzdenken<br />

und Feindseligkeit uns<br />

als Menschen weiterbringen. Ich<br />

wünschte mir, dass wir mit dieser<br />

Haltung allen im Schulsystem<br />

begegnen – den Eltern, den Kindern<br />

und den Lehrpersonen. Und<br />

wir tun gut daran, dort kritisch hinzuschauen,<br />

wo Medien, Experten<br />

und wir selbst diese Haltung vermissen<br />

lassen.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Mein Kind lügt<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>43


Digital & Medial<br />

Die Kunst des<br />

Selbstmarketings<br />

Um bei der Lehrstellensuche erfolgreich zu<br />

sein, müssen Jugendliche ihre Stärken erst<br />

selber kennenlernen. Die wichtigsten Tipps für<br />

eine erfolgreiche Bewerbung. Text: Michael In Albon<br />

Bild: Antonio Guillem<br />

Die Suche nach der<br />

richtigen Lehrstelle<br />

ist für Jugendliche<br />

eine neue Erfahrung.<br />

Selbständig sollen sie<br />

die Stelle suchen, Firmen kontaktieren,<br />

Bewerbungen schreiben, sich<br />

bemühen und andere von sich überzeugen.<br />

Obwohl sie dabei von Lehrpersonen,<br />

Laufbahnzentren und<br />

Eltern unterstützt werden, ist der<br />

Druck gross. Selbstmarketing kann<br />

helfen: Wichtig ist es dabei, glaubwürdig<br />

zu sein. Bewerber müssen<br />

dafür ihre Stärken kennen und diese<br />

zeigen. Etwa indem ein Teenager mit<br />

wahren Geschichten seine Stärken<br />

darstellt, ohne aufschneiderisch zu<br />

wirken. Jugendliche sollten sich für<br />

ihre Bewerbungen genügend Zeit<br />

nehmen. Am besten planen sie fixe<br />

Zeiten dafür ein, im Rahmen von<br />

drei bis vier Stunden pro Woche.<br />

Wer bin ich?<br />

Hilfreich, um herauszuarbeiten, welche<br />

Begabungen man vorweisen<br />

kann, ist das Beantworten folgender<br />

Fragen: Welche Fächer fallen mir in<br />

der Schule leicht? Was kann ich besser<br />

als andere? Wofür werde ich<br />

gelobt, wofür kritisiert? Wie beurteilt<br />

mich meine Lehrperson? Auf welche<br />

Erfolge und Leistungen kann ich<br />

zurückblicken – auch neben der<br />

Schule? Im Sport etwa, in der Musik,<br />

in der Pfadi, im Schülerparlament<br />

oder als Konfliktlotse? Zudem:<br />

Betreue ich regelmässig meine<br />

Geschwister oder kümmere ich mich<br />

um meine Grosseltern? Stärken zeigen<br />

sich auch an Orten, die den<br />

Jugendlichen gar nicht bewusst sind.<br />

Online ist König<br />

Immer mehr Unternehmen bevorzugen<br />

den elektronischen Weg –<br />

gehen Sie als Eltern davon aus, dass<br />

sich unsere Kinder dereinst ausschliesslich<br />

digital bewerben werden.<br />

Bei Bewerbungen per E-Mail<br />

oder über Online-Tools ist es wichtig,<br />

die Dateien als Pdfs zu versenden<br />

und den Namen im Dateinamen zu<br />

integrieren. Zeugnisse scannen kann<br />

man auch mithilfe einer kostenlosen<br />

App wie zum Beispiel «Genius Scan»<br />

für Android und iOS. Damit lassen<br />

sich Dokumente nacheinander abfotografieren,<br />

zuschneiden, nachbearbeiten<br />

und in einem Dokument<br />

zusammenfassen.<br />

Es empfiehlt sich, ein elektronisches<br />

Dossier anzulegen mit Noten,<br />

Projektarbeiten, Fotos, ausserschulischen<br />

Arbeiten in allen möglichen<br />

Formaten: Videos, PDFs, Fotoalben,<br />

Audiodateien. Wichtig ist, dass das<br />

Dossier in einem Online-Speicher<br />

sicher aufbewahrt wird. Dieses<br />

E-Portfolio wird unsere Kinder<br />

nicht nur bei der Lehrstellensuche,<br />

sondern während ihrer ganzen<br />

beruflichen Karriere begleiten.<br />

Wer bereits mit der Bewerbung Nähe<br />

zum Fachgebiet zeigt, sticht heraus.<br />

Indem ein angehender Informatiker<br />

etwa eine Online-Bewerbung mit<br />

eigener Website erstellt oder eine<br />

angehende Schreinerin Teile ihrer<br />

Bewerbung aus Holz zimmert. Das<br />

bedeutet nicht, dass jede Bewerbung<br />

ausgefallen sein muss. Jugendliche<br />

sollten aber sehr wohl Zeit investieren,<br />

um ihr Profil zu schärfen. Das<br />

überzeugt zuallererst sie selber – sie<br />

gewinnen Selbstbewusstsein, treten<br />

sicherer auf und erhöhen damit ihre<br />

Chancen.<br />

Michael In Albon<br />

ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />

und Experte Medienkompetenz von<br />

Swisscom.<br />

Auf einen Klick<br />

Yousty.ch ist laut eigener Aussage das grösste Online-<br />

Lehrstellenportal der Schweiz. Es bietet dazu wertvolle<br />

Hilfe, wie man sich bewirbt. Auf SRF.ch/myschool finden<br />

sich unter dem Begriff «Berufswelt» filmische Einblicke<br />

in Berufsbilder. berufsberatung.ch bietet Informationen<br />

zu allen Berufen und nennt die Angebote jedes Kantons.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

44 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Kolumne<br />

Der leise Neid auf<br />

pubertierende Teenies<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

Michèle Binswanger<br />

Die studierte Philosophin ist Journalistin<br />

und Buchautorin. Sie schreibt zu<br />

Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder<br />

und lebt in Basel.<br />

Die Vorstellung, dem Nachwuchs könnte etwas zustossen,<br />

ist für jede Mutter grauenhaft. Aber manche Dinge müssen<br />

den Kindern zustossen. Wer liebt, dem stösst Schmerz zu.<br />

Und wer lebt, dem stösst die Pubertät zu.<br />

Dass die eben noch süss nach Hefe duftenden Babys<br />

plötzlich fettige Haare und Pickel bekommen, ist unvermeidlich. Und<br />

wenn man kein Wort mehr von dem versteht, was die beiden Teenies<br />

beim Mittagstisch miteinander verhandeln, und bei ihren Witzen, wie<br />

einst die eigene Mutter, die Pointe erklärt bekommen muss, dann ist es so<br />

weit: Die Pubertät ist da. Und damit auch die grösste aller Sorgen: Was<br />

macht sie mit meinem Kind? Und was macht mein Kind damit?<br />

Ich habe Grund zur Sorge. Die Erinnerung an meine eigenen Teenagerjahre<br />

ist düster, ich war ein einziger Krisenherd. Ich hasste die<br />

Schule, die Lehrer, fühlte mich unverstanden und ungeliebt und dachte<br />

viel an den Tod. Glücklicherweise scheint meine Sechzehnjährige mit<br />

dieser turbulenten Zeit besser zurechtzukommen als ich damals. Zwar<br />

findet auch sie die Schule das Allerletzte, aber sie meistert die Sache bravourös.<br />

Und schafft sogar, was ich nie für möglich gehalten hätte: dass ich<br />

sie um diese Phase ein bisschen beneide.<br />

«Kennt ihr das», fragte sie neulich beim Nachtessen, «wenn ein Lied<br />

dich plötzlich in die Vergangenheit zurückversetzt und man so ein Ziehen<br />

in der Brust kriegt, weil diese Phase unwiederbringlich vorbei ist?»<br />

Ja!, wollte ich sagen, kenne ich, funktioniert auch mit Düften und<br />

Büchern! Aber bevor ich mich fragen konnte, wann mir das zum letzten<br />

Mal passiert ist, fuhr die Tochter fort: «Und dann stellst du fest, dass<br />

diese unwiederbringliche Vergangenheit erst zwei Monate her ist.»<br />

Kann man das Empfinden eines Teenagers noch besser auf den Punkt<br />

bringen? Und gleichzeitig auch den Unterschied zum Erwachsensein?<br />

Teenagersein heisst, in einer Nussschale durch eine stürmisch aufgewühlte<br />

See zu navigieren, unkontrolliert von Wellenbergen in Abgründe zu<br />

sausen. Nicht zu wissen, wer man ist und wohin man steuert, kann<br />

anstrengend sein, ist manchmal schlicht zu viel. Aber es gibt kein grösseres<br />

Abenteuer, als sich selbst zu finden.<br />

Die Pubertät dauert nicht ewig und dann beruhigt sich die stürmische<br />

See, das Leben mündet in einen träge dahinziehenden Fluss, und wenn<br />

erst mal Kinder kommen, ist die Richtung klar, Wellen wirft höchstens<br />

noch das eigene Schiff. Dagegen hatte ich nie etwas einzuwenden, doch<br />

angesichts der gefühlvollen Seufzer meiner Tochter fragte ich mich plötzlich:<br />

Ist mir nicht auch etwas verloren gegangen? Wann habe ich zuletzt<br />

solche Leidenschaft und Intensität empfunden? Wann habe ich zum letzten<br />

Mal mein Leben total umgekrempelt und mich neu erfunden? Werde<br />

ich das je wieder erfahren?<br />

Vielleicht liegt darin die Krux: dass Menschen sich das in der Regel<br />

nicht freiwillig antun, dass es einem zustossen muss. Wie wenn man eine<br />

Familie gründet und keine Ahnung hat, was das heisst. Meine Tochter<br />

jedenfalls macht mir Mut, mich auch künftig auf Abenteuer einzulassen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>45


Erziehung & Schule<br />

Wie zu Stosszeiten<br />

am Takeaway-Stand<br />

Für eine Studie begleitete ein Arzt drei Lehrpersonen während ihrer Arbeit. Ziel war es,<br />

die Lehrtätigkeit und den Arbeitsplatz aus Sicht der Arbeitsmedizin und - psychologie<br />

zu beobachten und zu beschreiben. Die Resultate sind beunruhigend. Text: Franziska Peterhans<br />

«Eine Lehrperson muss auch<br />

für Eltern nicht rund um die<br />

Uhr erreichbar sein.»<br />

Franziska Peterhans ist Zentralsekretärin des<br />

LCH und Mutter von drei erwachsenen Kindern.<br />

Weitere Informationen zur Studie: www.lch.ch/<br />

publikationen/studien.<br />

Um es vorwegzunehmen:<br />

Eltern wissen<br />

es genauso wie die<br />

Be treuerinnen in<br />

Kinder tagesstätten:<br />

Das Zusammensein mit Kindern ist<br />

bereichernd und beglückend, aber<br />

auch fordernd und anstrengend.<br />

Genauso ist es für die Lehrerinnen<br />

und Lehrer.<br />

Doch wie sieht das aus Sicht eines<br />

Mediziners aus? Der Dachverband<br />

Lehrerinnen und Lehrer Schweiz<br />

(LCH) hat die Arbeitsbelastung von<br />

Lehrpersonen durch das Institut für<br />

Arbeitsmedizin ifa beobachten und<br />

messen lassen. Die Ergebnisse wurden<br />

mit Vorgaben des Arbeitsgesetzes<br />

sowie der für alle Berufe geltenden<br />

Bau- und Gesundheitsnormen<br />

verglichen. Die Untersuchung zeigte,<br />

dass der Lehrberuf eine Vielzahl<br />

von psychosozialen Belastungen<br />

aufweist und die Arbeitsräume teils<br />

erhebliche Mängel aufweisen.<br />

Zu kurze Pausen und mangelde<br />

Rückzugsmöglichkeiten<br />

Was verursacht also konkret Stress<br />

und Belastung bei Lehrerinnen und<br />

Lehrern? Die Ergebnisse zeigen<br />

deutlich: Psychosoziale Faktoren wie<br />

die Häufigkeit der Interaktion zwischen<br />

Lehrpersonen und Schülerinnen<br />

und Schülern, die fehlenden<br />

oder zu kurzen Pausen, die mangelhaften<br />

Rückzugsmöglichkeiten und<br />

die ständige Erreichbarkeit machen<br />

den Lehrberuf anstrengend und<br />

belasten die Lehrerinnen und Lehrer<br />

teilweise sehr.<br />

So notierten die Fachpersonen<br />

des Instituts für Arbeitsmedizin ifa<br />

in Baden bei einer Kindergartenlehrperson<br />

während ihrer Arbeit<br />

über 200 Interaktionen pro Stunde.<br />

Gleich hohe oder höhere Werte<br />

erzielen nur wenige Berufsleute, so<br />

etwa der Billettkontrolleur im Zug<br />

oder die Angestellte eines Takeaway-<br />

Stands zu Stosszeiten. Die Interaktionen<br />

bei diesen Berufen sind jedoch<br />

bei Weitem nicht so komplex.<br />

Interessant ist auch der Unterschied,<br />

wenn nur die halbe Klasse<br />

anwesend ist: Die Interaktionen halbieren<br />

sich nicht, sondern sind mit<br />

70 deutlich geringer als die Hälfte.<br />

Mit mehr als einer Kontaktaufnahme<br />

pro Minute ist die Interaktionsdichte<br />

zwar nach wie vor beachtlich,<br />

aber deutlich geringer als bei vollzähliger<br />

Klasse. Im Englischunterricht<br />

in einer Primarklasse wurden<br />

sogar 276 Interaktionen pro Stunde<br />

gemessen. Nicht verwunderlich, ist<br />

doch der Fremdsprachenunterricht<br />

an der Primarschule stark auf das<br />

Mündliche ausgerichtet.<br />

Auch wenn es unzählige Witze<br />

über Lehrer und ihre vielen Pausen<br />

gibt: Gerade für Lehrpersonen sind<br />

erholsame Pausen während der<br />

Unterrichtstage rar. Rückzugsmöglichkeiten<br />

sind oft gar nicht gegeben.<br />

Gerade im Kindergarten müssen die<br />

Kinder meist durchgehend und pausenlos<br />

beaufsichtigt sein, auch während<br />

dem Znüni.<br />

Darum sind «Znünipausen»<br />

sicher keine Pausen für Kindergartenlehrpersonen.<br />

Bei einem derart<br />

intensiven Arbeitsalltag wären aber<br />

ein kurzer Gang nach draussen und<br />

die Möglichkeit, sich kurz zurückzuziehen,<br />

unabdingbar. Andernfalls<br />

entstehe eine ungünstige und er ­<br />

müdende Dauerbelastung im Ar ­<br />

beitsleben, erklären die Arbeitsmediziner.<br />

Dicke Luft im Klassenzimmer<br />

Es gibt zwar Vorschriften, wie viel<br />

Platz einem Geissbock im Stall einzuräumen<br />

ist, nämlich 3,5 Quadratmeter.<br />

Wie viel Raum für Kinder und<br />

Lehrpersonen im Schulzimmer zur<br />

46 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Online-Kurs für<br />

Eltern<br />

Verfügung stehen sollte, damit ein<br />

lernförderndes Klima gewährleistet<br />

werden kann, ist jedoch nicht geregelt.<br />

Sie befinden sich im Schulzimmer<br />

und merken es nicht einmal:<br />

Aber die CO 2 -Konzentration nimmt<br />

rasch zu und die Raumluftqualität<br />

verschlechtert sich.<br />

Auch wenn die Sinnesorgane sich<br />

laufend daran gewöhnen, so verschlechtert<br />

sich die Luft sehr schnell<br />

und kann bei gefüllten Klassenzimmern<br />

bald zu Konzentrationsstörungen,<br />

Leistungsabfall und sogar<br />

Kopfschmerzen und Reizungen der<br />

Atemwege führen.<br />

Auch mit regelmässigem Stosslüften<br />

ist die Garantie für gute<br />

Raumluft nicht gegeben, halten die<br />

Arbeitsmediziner fest. Daher sollte<br />

die Raumluft mit CO 2 -Messgeräten<br />

kontrolliert werden, und bei kritischen<br />

Resultaten sollten die nötigen<br />

Massnahmen in die Wege geleitet<br />

werden. Gleiches gilt gemäss ifa<br />

auch für das Messen der Raumbeleuchtung,<br />

der Temperatur und<br />

der Luftfeuchtigkeit.<br />

«Erhebliche Abweichungen<br />

von der Norm»<br />

Klar ist, dass die Raumgrösse eines<br />

Klassenzimmers und die Grös se der<br />

Klasse von hoher Bedeutung sind<br />

– nicht nur in Bezug auf die Dichte<br />

der Interaktionen: Ist die Schülerzahl<br />

pro Raumvolumen zu hoch und<br />

dadurch die Luft schlecht, lernen die<br />

Kinder weniger gut.<br />

Zusammenfassend hält die Studie<br />

fest: «Die Arbeitsplätze der Lehrpersonen<br />

wiesen punkto Belüftung,<br />

Beleuchtung, Raumgrösse zum Teil<br />

erhebliche Abweichungen von der<br />

Norm auf.» Nicht nur wegen der<br />

Lehrpersonen, auch wegen der Kinder<br />

müssten sich die Schulgemeinden<br />

dringend um Verbesserungen<br />

bemühen. Kinder sollten in ihren<br />

Schulzimmern gesund bleiben und<br />

gut lernen können. Das Lernen wird<br />

aber nachweislich tangiert, wenn die<br />

Luft abgestanden ist bzw. einen zu<br />

hohen CO 2 -Gehalt aufweist.<br />

Andere Bereiche, die die Studie<br />

beleuchtet, sind die vielen Zuständigkeiten,<br />

das Arbeiten in der Freizeit<br />

sowie die fast ständige Erreichbarkeit.<br />

Lehrpersonen äussern in der<br />

Berufszufriedenheitsstudie des LCH<br />

aus dem Jahr 2014, dass das Verhältnis<br />

zwischen Arbeitszeit und Erholungszeit<br />

problematisch sei. Das<br />

Gefühl, nie fertig zu sein mit der<br />

Arbeit, gehört zu den Schwierigkeiten<br />

im Lehrberuf, mit denen sich<br />

Lehrerinnen und Lehrer immer wieder<br />

auseinandersetzen müssen.<br />

Um gesund zu bleiben, ist es<br />

gerade in diesem Beruf besonders<br />

wichtig, sich gut zu strukturieren<br />

und abzugrenzen. Die Bewertung<br />

einer Prüfung etwa muss nicht nach<br />

22 Uhr per WhatsApp mit Eltern<br />

«diskutiert» werden. Es ergibt<br />

durchaus Sinn, dass eine Lehrperson<br />

auch für Eltern nicht permanent per<br />

E-Mail, WhatsApp und Telefon<br />

erreichbar ist. Notfälle sind davon<br />

natürlich ausgenommen.<br />

82 Prozent der Lehrerinnen und<br />

Lehrer würden ihren Beruf wieder<br />

wählen – das hat die Berufszufriedenheitsstudie<br />

des LCH ergeben.<br />

Diese Zufriedenheit ist hauptsächlich<br />

auf den «direkten Kontakt mit<br />

Menschen» und insbesondere die<br />

Unterrichtstätigkeit mit Kindern<br />

und Jugendlichen zurückzuführen.<br />

Ein wirklich guter Befund – für die<br />

Lehrerinnen und die Lehrer, aber<br />

auch für die Kinder.<br />

Umso mehr sollten die Arbeitgeber,<br />

die Gemeinden und Kantone zu<br />

Räumlichkeiten beitragen, die das<br />

Lernen begünstigen und die Ge -<br />

sundheit nicht beeinträchtigen. Und<br />

dafür sorgen, dass gesundheitserhaltende<br />

Verhältnisse geschaffen werden,<br />

damit viele Lehrerinnen und<br />

Lehrer ihren Beruf weiterhin engagiert<br />

und zum Wohle der Kinder<br />

ausüben können.<br />

In der Schule geht es um die<br />

Zukunft unserer Kinder – umso<br />

wichtiger, dass sie von gesunden<br />

und motivierten Lehrpersonen<br />

unterrichtet werden.<br />

Beziehung<br />

sta Erziehung<br />

und der Rest<br />

kommt von selbst!<br />

Der Kurs für ein tiefes, anderes<br />

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Für stimmige und friedliche<br />

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Gefühl, die Eltern zu<br />

sein, die wir aus dem Herzen<br />

heraus sein wollen.<br />

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Vertrauen in die Kinder,<br />

in die Beziehung und in die<br />

eigene Haltung stärken<br />

oder verändern können.<br />

Man kann Vieles sofort<br />

anwenden. Ich empfehle<br />

den Kurs allen, die mit<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

zu tun haben.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>


Rubrik<br />

48 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Reportage<br />

Wenn Papa<br />

trinkt<br />

In der Schweiz trinkt jede fünfte Person zu viel:<br />

Alkoholmissbrauch ist eine Volkskrankheit.<br />

Und ist ein Vater oder eine Mutter süchtig, leidet die ganze<br />

Familie. Beat Schaffner* war jahrelang alkoholkrank.<br />

Zusammen mit seiner Frau Margrit erzählt er, was die Sucht<br />

mit ihrer Familie gemacht hat – und wie sie die Krankheit<br />

überwinden konnten.<br />

Text: Falco Meyer Bilder: Stephan Rappo / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>49


Reportage<br />

Als die Eltern Mitte 30 waren,<br />

musste die Familie erst einmal<br />

herausfinden, wer sie war,<br />

ohne den Alkohol.<br />

Draussen bricht der<br />

Winter herein, in<br />

einem einzigen nassen<br />

Windstoss. Aber<br />

Beat und Margrit*<br />

sind drüber hinweg, über die Kälte,<br />

über die Schwere, die Verwirrung,<br />

den Krach, die Depression. Stattdessen<br />

ist Arbeit angesagt: an sich<br />

selbst, an der Beziehung, an der<br />

Familie. Beat und Margrit haben<br />

drei Kinder. «Wir sind endlich angekommen»,<br />

sagt Margrit. «Wir mussten<br />

mit Mitte 30 erst einmal herausfinden,<br />

wer wir sind, ohne den<br />

Alkohol.»<br />

Beat ist trocken, und zwar schon<br />

seit mehr als zehn Jahren. Davor war<br />

er es nie. «Ich bin so geboren», sagt<br />

er. Beat konnte nie trinken, ohne<br />

sich zu betrinken, ohne die Kontrolle<br />

zu verlieren. Das erste Mal als<br />

Ministrant. Beat hat mit zwölf den<br />

Messwein probiert. Und ist dann die<br />

Kirchentreppe hinuntergestolpert.<br />

«Ich kann mich an das Gefühl noch<br />

gut erinnern», sagt er und lacht, «ich<br />

hatte gummige Knie.»<br />

Als Beat zum ersten Mal verliebt<br />

war, kaufte er sich eine Flasche<br />

Whisky. «Um es nicht mehr zu spüren»,<br />

sagt er. So ein Gefühl kannte<br />

er nicht, hielt er nicht aus. Eine Strategie,<br />

die er bald bewusst einsetzte.<br />

Zum Beispiel, wenn er als junger<br />

Mann seine depressive Mutter<br />

besuchte. «Ich habe es kaum ausgehalten,<br />

mit ihr am Tisch zu sitzen.<br />

Bis ich ein Glas Weisswein bekommen<br />

habe. Dann wurde das Gefühl<br />

erträglich.» Beat trank, wenn es darum<br />

ging, Emotionen auszuhalten,<br />

gute wie schlechte. Es gibt keinen<br />

zwingenden Grund für Beats Alkoholkrankheit<br />

in seiner Biografie. Sie<br />

war schlicht und einfach: eine destruktive<br />

Überlebensstrategie, die<br />

sich verselbstständigt hat.<br />

Keiner hat etwas gemerkt<br />

«Mir hat er von Anfang an gesagt,<br />

dass er sich nicht unter Kontrolle<br />

hat», erinnert sich Margrit. «Aber ich<br />

dachte als naive Zwanzigjährige:<br />

Wenn er es ja weiss, dann ist das kein<br />

Problem. Dann kann er es ändern.»<br />

Das er das überhaupt nicht konnte,<br />

dass das für einen Alkoholiker gar<br />

nicht möglich ist, das habe sie damals<br />

nicht gewusst. Zu dieser Zeit standen<br />

die Studentin und der gelernte<br />

Bäcker am Anfang ihrer Beziehung.<br />

Mit 25 schrieb Margrit ihre Diplomarbeit.<br />

Das Thema: Alkoholismus.<br />

Beat füllt heimlich einen der<br />

Fragebogen aus, die herumliegen.<br />

«Es hat mich einfach interessiert.»<br />

Das Ergebnis hat ihn erschüttert:<br />

«Sie sind Alkoholiker, suchen Sie<br />

sich Hilfe.»<br />

Beat war kein Penner. War nie<br />

aggressiv. Beat war erfolgreicher<br />

Unternehmer, Familienvater, Kollege.<br />

So wirkte es für Aussenstehende.<br />

Die Familie wohnt in einer kleinen<br />

Gemeinde im Kanton Aargau.<br />

7000 Einwohner, man kennt sich,<br />

kennt Beat wegen seines Unternehmens.<br />

Trotzdem: Gemerkt habe von<br />

seinen Problem keiner etwas, sagt<br />

das Paar. Bis heute gibt es Leute, die<br />

denken, sein Entzug sei völlig übertrieben<br />

gewesen. «Die denken, das<br />

bisschen Alkohol, deshalb bist du<br />

noch lange kein Alkoholiker. Aber<br />

das stimmt nicht», sagt Beat. «Es ist<br />

nicht die Menge, es ist der Kontrollverlust.»<br />

Sobald er ein Glas getrunken<br />

hatte, ging es los. Die guten<br />

Vorsätze waren weggespült. Am<br />

Schluss war er komplett betrunken,<br />

hat lautstark philosophiert, war der<br />

Grösste.<br />

Am Tag danach war Beat jeweils<br />

wieder zurechnungsfähig. Zumindest<br />

teilweise. «Ich habe mich<br />

immer rasiert, geduscht, bin immer<br />

pünktlich arbeiten gegangen», sagt<br />

er. Den Schnaps hat er irgendwann<br />

gegen Bier und Wein getauscht. «Da<br />

konnte ich die Menge etwas besser<br />

dosieren.»<br />

Beat und Margrit waren nicht die<br />

verwahrloste Klischee-Alkoholiker-Familie<br />

– sie sind damit die<br />

Regel, nicht die Ausnahme. Der<br />

Alkoholismus ist eine Schweizer<br />

Volkskrankheit: Rund 250 000 Menschen<br />

sind hierzulande alkoholabhängig.<br />

Und jede fünfte Person<br />

trinkt Alkohol missbräuchlich: Zur<br />

falschen Zeit, zu viel, zu oft. Jeder<br />

zwölfte Todesfall in der Schweiz ist<br />

auf Alkohol zurückzuführen. Das<br />

sind Zahlen des Bundesamtes für<br />

Gesundheit aus dem Jahr 2016.<br />

Die Kinder waren nicht mehr<br />

wichtig<br />

«Wenn wir in unserer Beziehung<br />

Krach hatten, dann wegen dem<br />

Alkohol», erinnert sich Margrit.<br />

Aber schlimmer als das Torkeln, das<br />

Lallen war der ständige Vertrauensbruch,<br />

wenn Beat am Abend für die<br />

Kinder zuständig war, während<br />

Margrit unterwegs war. «Natürlich<br />

bringe ich sie rechtzeitig ins Bett»,<br />

versprach Beat dann, «natürlich<br />

klappt alles gut.» Nur, wenn dann<br />

die Freunde da waren und Beat die<br />

erste und dann die zweite Flasche<br />

Wein getrunken hatte, dann war das<br />

nicht mehr wichtig. «Dann sind die<br />

Kinder halt irgendwann irgendwo<br />

eingeschlafen, wenn sie müde<br />

waren», sagt Beat. Seinen Knockout<br />

haben sie jeweils nicht mehr mitbekommen.<br />

Obwohl: Als Alkoholiker<br />

50 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

verträgt man viel. «Nach aussen hat<br />

man mir das nicht angemerkt, dass<br />

ich an einem Abend zwei Flaschen<br />

Wein oder fünf bis zehn Bier getrunken<br />

hatte», sagt Beat heute. «Als<br />

Alkoholiker rechnest du in einer<br />

anderen Liga.»<br />

Ein Sattelschlepper als Ausweg<br />

Die Alkoholkrankheit wurde zum<br />

Lebensmittelpunkt der Familie. Und<br />

Margrit erlebte das, was die Experten<br />

als Co-Abhängigkeit bezeichnen: die<br />

Verunsicherung, die Hilflosigkeit,<br />

das Unvermögen, etwas ändern zu<br />

können. Sie wurde depressiv.<br />

Margrit stellt ihren Kaffee auf den<br />

Tisch und seufzt. Heute staunt sie<br />

über die eigene Vergangenheit. Sie<br />

sitzt im Wohnzimmer, schaut aus<br />

dem Fenster, Nebel. «Ich bin oft in<br />

der Wohnung gesessen und habe<br />

mich nicht getraut, hinauszugehen»,<br />

erinnert sie sich. «Ich hatte Angst,<br />

dass sie mir die Kinder wegnehmen.<br />

Denn mit mir stimmte ja offenbar<br />

etwas nicht.» Nach Jahren voller<br />

Unsicherheiten war sie irgendwann<br />

davon überzeugt, psychisch krank<br />

zu sein.<br />

Von ihrem Umfeld wurde Margrit<br />

damals die wütende Mutter, die<br />

überstrenge, diejenige, welche ihren<br />

Mann an die Kandare nimmt, welche<br />

die Familie auf Trab hält. Diejenige,<br />

mit der etwas nicht stimmte.<br />

Und das, obwohl sie solch einen<br />

Mann hat: Einen, der sie alles<br />

machen lässt, der so liebenswürdig<br />

ist, den sie gar nicht verdient hat.<br />

Margrit sagt: «Irgendwann hatte ich<br />

es so oft gehört, dass ich angefangen<br />

habe, es zu glauben: Ich bin krank,<br />

nicht der Beat.» Dass das typisch ist<br />

für die Frauen von Alkoholkranken,<br />

wusste sie damals nicht.<br />

Irgendwann hatte es Margrit so<br />

oft gehört, dass sie es glaubte:<br />

Sie war krank, nicht ihr Mann.<br />

Margrit hat das Problem übernommen.<br />

Er hatte die Sucht, sie die Symptome.<br />

«Ich war gar nicht da», sagt<br />

Margrit, «immer irgendwie abwesend.<br />

Dass ich für die Kinder emotional<br />

nicht vorhanden war, bereue<br />

ich heute am meisten. Sie sagen mir<br />

zwar, dass sie das nicht gemerkt<br />

haben. Aber ich merke es.» Beat<br />

auch. Er war nach aussen charmant,<br />

lebensfreudig, gut organisiert. Innerlich<br />

aber war er betäubt, unglücklich,<br />

selbstmordgefährdet. «Dieser Sattelschlepper<br />

da, der könnte<br />


eichen», hat er manchmal<br />

gedacht, am Morgen, auf dem Weg<br />

ins Büro.<br />

Beat hat sich damals bei jeder<br />

Gelegenheit betrunken. Das heisst:<br />

nicht immer. Sondern so, dass alles<br />

weiter funktioniert hat. «Ich wusste<br />

ja, dass etwas nicht stimmte. Deshalb<br />

habe ich angefangen, mir den<br />

Alkohol einzuteilen. Ich trank montags<br />

und dienstags nicht, mittwochs<br />

nur bei Besuch. Also musste ich für<br />

Besuch sorgen.» Beat lacht, heute<br />

steht er anders da im Leben. Heute<br />


Reportage<br />

trank mittlerweile jeden Tag. Und<br />

wenn er einmal nicht trank, wachte<br />

er mitten in der Nacht schweissgebadet<br />

auf – wegen des kurzen Entzuges.<br />

Das war der Tiefpunkt. Das<br />

Ende: Auf einem Geschäftsausflug<br />

traf er eine andere Frau. «Sie hat<br />

mich völlig aufgewühlt», sagt Beat.<br />

«Er kam nach Hause und wollte trocken<br />

werden», erinnert sich Margrit.<br />

«Das war für mich extrem bedrohlich,<br />

dass eine andere Frau das in ihm<br />

auslösen konnte, was ich nicht<br />

geschafft hatte.»<br />

Beat wollte wieder etwas fühlen.<br />

«Noch in der selben Woche sind wir<br />

ans erste Treffen der anonymen<br />

Alkoholiker gegangen.» Und seither<br />

jede Woche. Trennung kam nicht in<br />

Frage. «Man liebt ja den Men-<br />

«Man liebt den Menschen<br />

dahinter», sagt Margrit.<br />

«Den, der er sein könnte.»<br />


schen dahinter», sagt Margrit.<br />

«Den, der er sein könnte. Er sieht<br />

den Menschen hinter meiner De ­<br />

pression und ich den hinter seinem<br />

Alkohol.»<br />

Den körperlichen Entzug machte<br />

Beat zu Hause. Damals war der<br />

älteste Sohn zwölf Jahre alt, der<br />

mittlere acht, der jüngste drei. «In<br />

meiner Arroganz dachte ich damals,<br />

ich schaffe das. Das war für Margrit<br />

und die Kinder vielleicht das<br />

Schlimmste von allem», sagt Beat.<br />

«Das tut mir heute noch unglaublich<br />

leid.» Drei Wochen lang war<br />

Beat ausser sich. «Ich war Jesus und<br />

Teufel zugleich», erinnert er sich.<br />

Sagte Margrit und den Kindern Dinge<br />

wie: «Ich weiss nicht mehr, ob<br />

irgendetwas, das ich euch jemals<br />

gesagt habe, stimmt. Ich weiss nicht,<br />

ob ich euch jemals wirklich geliebt<br />


Reportage<br />

habe. Ich weiss nur, dass ich im<br />

Moment gar nichts spüre.» Im<br />

Nachhinein ist ihm klar: «Das war<br />

für Margrit und die Kinder unglaublich<br />

verletzend.»<br />

Margrit: «Wir waren für die Kinder<br />

überhaupt nicht mehr berechenbar,<br />

wir haben als Familie nur noch<br />

geradeso funktioniert. Das war für<br />

uns sicher die traumatischste Phase.»<br />

Was man bei den Anonymen<br />

Alkoholikern als Erstes lernt? «Dass<br />

das, was uns passiert ist, alle Familien<br />

mit Alkoholikern erleben», sagt<br />

Margrit. Ihre Symptome, die Versuche,<br />

etwas zu ändern, die Unmöglichkeit,<br />

das Flüchten. «Bei den<br />

Anonymen Alkoholikern haben sie<br />

das alles schon x-Mal gehört.» Das<br />

ist eine Erleichterung. Mit Hilfe der<br />

Selbsthilfegruppe konnte die Familie<br />

die Sucht loswerden. Das ist für<br />

die beiden ein Geschenk. Und die<br />

Kinder? Ob sie einen Schaden<br />

davongetragen haben, können Beat<br />

und Margrit nicht beurteilen. «Meine<br />

Alkoholsucht hat sicher alle<br />

Familienmitglieder getroffen», sagt<br />

Beat. Aber der Umgang mit der<br />

Suchtkrankheit und das gemeinsame<br />

Aufarbeiten derselben habe die<br />

Familie auch gestärkt. Inwieweit die<br />

jetzige Lebensituation der Kinder<br />

anders wäre ohne die Trinkerei,<br />

könne man nicht wissen, sagt Beat.<br />

«Aber alle drei stehen heute selbständig<br />

und sicher im Leben.»


Kolumne<br />

Dauernde Sorge ist Gift<br />

für das Kind<br />

Kinder müssen lernen, Hindernisse zu überwinden –<br />

auch wenn dies mit Schmerzen verbunden ist.<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung des<br />

Rückenmarks und sitzt im Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Als Mutter ist es mir<br />

wichtig, dass unsere<br />

drei Kinder erfahren,<br />

wie sich Schmerz und<br />

Trauer anfühlen. Ich<br />

akzeptiere, dass sie phasenweise<br />

unglücklich sind oder auch mal weinen.<br />

So ist das Leben. Ich tröste sie<br />

dann und kümmere mich wenn<br />

nötig um die Wunde. In meinem<br />

Umfeld beobachte ich allerdings oft,<br />

dass Kinder ängstlich sind und<br />

zuerst überprüfen, was ihre Eltern<br />

denken, bevor sie sich selbst etwas<br />

trauen. Als ob sie wissen wollten,<br />

wie ihre Eltern in diesem Moment<br />

funktionieren.<br />

Viele Eltern trösten ihr Kind so<br />

schnell, dass es die Situation nicht<br />

richtig erleben kann. Irgendwie<br />

habe ich das Gefühl, dass viele<br />

Eltern die Trauer ihrer Kinder nicht<br />

aushalten können. Ich erlebe Eltern,<br />

die ihren Kindern verbieten, auf<br />

Bäume zu klettern oder schnell zu<br />

Die Sorge um die Kinder<br />

soll eine angemessene<br />

Mischung aus Liebe und<br />

Fürsorge sein.<br />

rennen. Aus Angst, es könnte etwas<br />

passieren.<br />

Die Zeitungen sind voll von<br />

Unfällen und schrecklichen Ereignissen.<br />

Ist es da ein Wunder, dass<br />

sich viele fürchten? Ich weiss, dass<br />

sich Kinder ernsthaft und schwer<br />

verletzen können. Aber muss nicht<br />

ich entscheiden, wieviel ich ihnen<br />

zutraue? Ich kann ja nicht dauernd<br />

vor ihnen herlaufen und alles<br />

Gefährliche aus dem Weg räumen<br />

– oder hinter ihnen hergehen, um<br />

zu überprüfen, ob sie Angst haben.<br />

Ich bin mir sicher, dass sie merken,<br />

ob sie sich einer Situation gewachsen<br />

fühlen und etwas nicht tun,<br />

wenn sie es sich nicht zutrauen. Und<br />

auch umgekehrt bin ich zuversichtlich,<br />

dass ihnen gelingt, was sie tun.<br />

Wie denken Sie darüber?<br />

Jesper Juul antwortet:<br />

Es ist in der Tat so, dass wir nicht<br />

verhindern können, dass die Kinder<br />

Schmerzen erleiden – und wir sollten<br />

dies auch nicht tun. Die Sorge<br />

um die Kinder soll eine angemessene<br />

Mischung aus Liebe und Fürsorge<br />

sein.<br />

Sie haben völlig recht mit Ihrer<br />

Beobachtung, dass Ein- bis Vierjährige<br />

mit der Einstellung, den Gefühlen<br />

und Reaktionen ihrer Eltern<br />

kooperieren. Sie beobachten und<br />

spiegeln die Reaktionen der Eltern.<br />

Das beginnt schon zu Hause im<br />

Wohnzimmer, wenn beim Fangen­<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

56 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


spielen ein Kind zu schnell um die<br />

Ecke kommt und mit dem anderen<br />

zusammenstösst. Wenn sie von<br />

ihren Eltern dazu einen einfachen<br />

und nüchternen Kommentar erhalten,<br />

erheben sie sich schnell wieder<br />

und alles ist okay. Reagieren die<br />

Erwachsenen mit Entsetzen, Angst,<br />

Sorge oder Ähnlichem, beginnen<br />

die Kinder zu weinen.<br />

Ich erinnere mich an ein achtjähriges<br />

Mädchen auf einem Schulausflug<br />

ans Meer. Sie stand lange und<br />

unschlüssig am Strand, während<br />

sich die anderen Kinder bereits im<br />

Wasser tummelten. Als wir sie fragten,<br />

ob sie denn Angst vor dem Wasser<br />

habe, sagte sie nur: «Nein, aber<br />

ich denke gerade darüber nach, was<br />

meine Mama sagen würde.» Dauernde<br />

Sorge und übermässige Angst<br />

sind pures Gift für Kinder – für<br />

deren Selbstwahrnehmung und<br />

Selbstvertrauen.<br />

Fahrradhelme oder das Sicherheitsnetz<br />

um ein Trampolin sind<br />

wichtige Erfindungen, um Kopfoder<br />

Rückenverletzungen zu verhindern.<br />

Eine 30 Zentimeter dicke<br />

Gummimatte unter einer Schaukel<br />

auf dem Spielplatz dient jedoch ausschliesslich<br />

Eltern oder Institutionen<br />

als Absicherung.<br />

Das Leben ist nicht schmerzfrei<br />

In unserer Kultur gibt es die Tendenz<br />

zu glauben, dass das Leben schmerzfrei<br />

sein soll. Ein Trend, der unseren<br />

Kindern die Möglichkeit nimmt, von<br />

ihren eigenen, überraschenden<br />

Erfahrungen zu lernen, Hindernisse<br />

– oft schmerzvoll – zu überwinden<br />

und die Folgen ihres Handelns zu<br />

begreifen.<br />

Dieser Trend orientiert sich nicht<br />

daran, was gut und gesund für<br />

un sere Kinder ist. Er widerspiegelt<br />

nur den Narzissmus der Erwachsenen<br />

– dient also den Eltern für ihr<br />

eigenes Selbstbild als Eltern, das<br />

sich nicht über die Kindererlebens-<br />

Kompetenz definiert. Gleichzeitig<br />

ist es auch traurig für die Erwachsenen<br />

selbst, wenn die Freude und<br />

Aufregung der Kinder über Experimente<br />

von Sorge und Angst verdrängt<br />

wird.<br />

Kindgerechte Vor-«Sorge»<br />

Wir fragten das Kind, ob es<br />

Angst habe, ins Wasser zu gehen.<br />

«Nein», sagte es. «Aber ich<br />

denke gerade darüber nach, was<br />

meine Mama sagen würde.»<br />

Kinder sind, wie wir wissen, sehr<br />

unterschiedlich. Manche scheinen<br />

ein wenig aufmerksamer und vorsichtiger<br />

geboren zu sein. Sie bereiten<br />

sich auch geistig schon sehr sorgfältig<br />

auf die nächste Phase ihrer<br />

Entwicklung vor. Andere preschen<br />

ohne Rücksicht auf Verluste nach<br />

vorne und können nur von ihren<br />

konkreten Erfahrungen lernen. Beide<br />

Extreme sind, wie sie sind, und<br />

Eltern sollten sich nicht wünschen,<br />

dass ihre Kinder anders sind. Deshalb<br />

ist es wichtig, dass Eltern und<br />

andere Erwachsene sich bewusst<br />

werden, wie sie genau dieses Kind<br />

am besten in seiner Entwicklung<br />

unterstützen können.<br />

Niemand kann eine exakte Antwort<br />

auf die Frage geben, wann<br />

genau Eltern eingreifen sollten. Eine<br />

gute Richtschnur ist aber die Frage:<br />

«Tue ich das, weil es meinem Kind<br />

zugutekommt, oder tue ich es, um<br />

mich selber zu beruhigen oder zu<br />

trösten?»<br />

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />

die er persönlich beantworten soll?<br />

Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />

einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />

8008 Zürich<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>57


«Was um Himmels willen<br />

kann ich denn noch essen?»<br />

«Milch und Milchprodukte<br />

sind Grundnahrungsmittel»<br />

(Dossier «Fleisch, Milch, Ei. Was ist gut für<br />

mein Kind – und was nicht?» Heft 11/2017)<br />

Den Artikel «Du bist, was du isst» können wir nicht unkommentiert<br />

lassen. Die Autorin will Mythen prüfen und einordnen.<br />

Das geschieht aber nicht, vielmehr werden Zweifel gesät am<br />

gesundheitlichen Nutzen tierischer Nahrungsmittel und<br />

besonders an der Milch. Der Beitrag hinterlässt den Eindruck,<br />

dass Milch gesundheitsschädlich sei und dass man sie guten<br />

Gewissens weglassen könne. Dies ist nicht richtig und unserer<br />

Meinung nach gar verantwortungslos.<br />

In Fachkreisen ist unbestritten, dass Milch und Milchprodukte<br />

Grundnahrungsmittel sind und einen wichtigen Beitrag an die<br />

Nährstoffversorgung in jedem Alter leisten. Deshalb empfiehlt<br />

die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE drei<br />

Portionen täglich. Gesundheitsprobleme gehen nicht auf<br />

einzelne Lebensmittel zurück, sondern auf einen ungesunden<br />

Lebensstil mit unausgewogener, übermässiger Ernährung und<br />

zu wenig Bewegung.<br />

Nur mit Kalzium kann Knochenmasse aufgebaut werden.<br />

Der Grundstein dazu wird in der Kindheit gelegt. Auch die<br />

Knochenfestigkeit hängt unter anderem von der Kalziumversorgung<br />

ab. Viele wissenschaftliche Studien belegen einen positiven<br />

Effekt der Milch auf gesunde Knochen. Denn Milch ist eine ideale<br />

Kalziumquelle und enthält viele weitere knochenfördernde<br />

Inhaltsstoffe. Im Artikel wird jedoch kolportiert, dass Milch die<br />

Knochen nicht schütze, sondern mehr Knochenbrüche und ein<br />

höheres Osteoporose-Risiko bewirke. Die Knochenbrüchigkeit<br />

ist genetisch bedingt und kann durch eine kalziumreiche<br />

Ernährung nicht verhindert werden. Wer aber im Kindesalter<br />

genügend Knochenmasse aufbaut und lebenslang durch eine<br />

gesunde, kalziumreiche Ernährung und genügend Bewegung zur<br />

Knochengesundheit aktiv beiträgt, profitiert im höheren Alter<br />

davon.<br />

Krebs ist eine sehr komplexe Erkrankung, die neben der Ernährung<br />

durch Lebensstilfaktoren, Umwelteinflüsse, genetische<br />

Voraussetzungen und chronische Infektionen beeinflusst wird.<br />

Die Entstehung von Krebs einem bestimmten Lebensmittel<br />

zuzuschreiben, ist nicht statthaft.<br />

Dass die im Artikel propagierten zwei Milchportionen täglich<br />

massvoll seien, ist die persönliche Ansicht des zitierten Experten.<br />

Die Behauptung steht im Widerspruch zu den offiziellen Empfehlungen<br />

von drei täglichen Milchportionen. Milch und Milchprodukte<br />

sind gut untersuchte Lebensmittel mit hohem gesundheitlichem<br />

Nutzen. Risiken sind keine bekannt.<br />

Verband Schweizer Milchproduzenten SMP/Swissmilk (per Mail)<br />

«Ich habe täglich einen Liter<br />

Milch getrunken»<br />

Beim Lesen Ihres Beitrags fiel mir ein, wie viel Milch ich in meiner<br />

Jugend getrunken habe. Während meiner Lehrzeit war es täglich<br />

etwa ein Liter Milch und eine Portion Joghurt. Jetzt bin ich<br />

78 Jahre alt, 158 cm gross, habe weder Osteoporose noch jemals<br />

einen Knochen gebrochen ... Soo schlimm kann Milch wirklich<br />

nicht sein!<br />

Erika Amsler, Schinznach-Dorf<br />

58 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Leserbriefe<br />

«Erst wenn der letzte Fluss<br />

vergiftet ist, werden wir merken:<br />

Geld kann man nicht essen»<br />

Der Artikel erinnert mich an einen Spruch, den mir<br />

die Klassenkameraden vor über 20 Jahren ins<br />

Freundschaftsbuch geschrieben haben: Erst wenn<br />

der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet,<br />

der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass<br />

man Geld nicht essen kann! Damals dachten wir<br />

Kinder, so weit würde es bestimmt nie kommen.<br />

Wenn ich heute aber von hormonverseuchter Milch<br />

und hormonverseuchtem Fleisch lese, davon, dass<br />

Gemüse mit Pestiziden vergiftet ist und dass, was im<br />

Artikel noch am besten wegkommt, Poulet und Fisch,<br />

bei näherer Betrachtung genauso mit Antibiotika<br />

bzw. von der Verschmutzung der Seen und Meere<br />

belastet ist, so stehe ich immer wieder vor derselben<br />

Frage: Was um Himmels willen kann ich denn noch<br />

essen bzw. meiner Familie vorsetzen?<br />

Gabriela Birchmeier (per Mail)<br />

«Hut ab, wie sich<br />

diese Mutter für<br />

ihre Kinder einsetzt»<br />

(Reportage «Ein Hund nach<br />

Mass für Joel» und Spenden aktion<br />

für einen Autismus-Hund, Heft 11/2017)<br />

Ich habe auf Ihrer Website gelesen, dass der Betrag für den Hund<br />

zusammengekommen ist, und habe mich für Joel und seine<br />

Familie sehr, sehr gefreut! Juhu! Diese Geschichte hat mich sehr<br />

berührt, und ich habe sofort etwas gespendet. Ich finde es super,<br />

dass Sie solche Beiträge bringen, und ich finde es auch bemerkenswert<br />

von der Mutter, wie sie sich für ihre Kinder einsetzt und<br />

den Stolz überwindet und um Hilfe bittet. Hut ab! Es ist keine<br />

Schande – jeder kann in eine Notsituation geraten. Ich wünsche<br />

dieser Familie von ganzem Herzen nur das Allerbeste! Ich finde Ihr<br />

Heft einfach toll! Ich wünsche mir und allen Leserinnen und<br />

Lesern weiterhin so viele tolle, interessante und aufschlussreiche<br />

Berichte. Vielen Dank!<br />

Marlies Meier (per Mail)<br />

«Für eine gesunde Nahrung<br />

braucht es eine<br />

naturnahe Produktion»<br />

Herzlichen Dank für diesen umfangreichen und<br />

interessanten Bericht. Die Ernährung ist aus meiner<br />

Sicht sehr wichtig. Ich komme ursprünglich von<br />

einem Bergbauernhof in Graubünden, die Natur liegt<br />

mir sehr am Herzen. Damit unsere Nahrung gesund<br />

ist, braucht es eine naturnahe Produktion. Es stellen<br />

sich viele Fragen: Müssen Gemüse und Früchte<br />

immer perfekt sein? Wie werden die Tiere gehalten?<br />

Müssen Nahrungsmittel immer billiger werden oder<br />

braucht es eine faire Bezahlung von Produzenten in<br />

allen Teilen der Erde? Schade, dass so viele Pestizide<br />

und so weiter versprüht werden, dass die Tiere<br />

teilweise so eng gehalten werden und deshalb<br />

Antibiotikum unumgänglich wird. Der Konsument<br />

bestimmt mit, ob sich da etwas ändert. Wir sind alle<br />

für unsere Umwelt mitverantwortlich, nicht nur die<br />

Bauern. Zur Info: Es gibt eine Unterschriftensammlung<br />

für «eine Schweiz ohne synthetische Pestizide».<br />

Christine Haldemann (per Mail)<br />

«Es hat zu viel<br />

Jesper Juul im<br />

ElternMagazin»<br />

(Monatsinterview mit Jesper Juul, Heft 12/2017)<br />

Das ElternMagazin gefällt mir grundsätzlich sehr gut. Allerdings<br />

ist mir etwas zu viel Jesper Juul darin. Ich finde seine Gedanken<br />

und Haltung durchaus gut, aber mittlerweile habe ich verinnerlicht,<br />

was er meint, und es kommt meiner Ansicht nach nicht<br />

mehr Neues dazu. Es gäbe sicher auch andere Pädagogen, die<br />

neue Denkanstösse geben könnten.<br />

Katharina Schmid (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />

Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns wissen!<br />

Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder Redaktion<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich. Und natürlich auch über Twitter:<br />

@fritzundfraenzi oder Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>59


Bluthochdruck –<br />

die unterschätzte Diagnose<br />

Rund zwei Prozent der Schweizer Kinder haben Bluthochdruck, Tendenz steigend. Experten machen<br />

hierfür vor allem die zunehmende Zahl an übergewichtigen Kindern und Jugendlichen verantwortlich.<br />

Was Eltern wissen müssen. Text: Anja Lang<br />

Bild: iStockphoto<br />

60 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ernährung & Gesundheit<br />

Cheeseburger, Chips<br />

und Cola ade! Seit der<br />

Kinderarzt bei Julian<br />

einen zu hohen Blutdruck<br />

festgestellt hat,<br />

muss der Zehnjährige lernen, gesünder<br />

zu essen, um abzunehmen.<br />

Denn starkes Übergewicht hat bei<br />

Julian zu erhöhten Blutdruckwerten<br />

geführt. Werden diese nicht gesenkt,<br />

kann das auf Dauer zu Gefässschäden<br />

an seinen Organen und ernsthaften<br />

Folgeerkrankungen wie<br />

Schlaganfall , Arteriosklerose, Herzinfarkt,<br />

oder Nierenversagen führen.<br />

Zwei Prozent der Kinder in der<br />

Schweiz haben Bluthochdruck<br />

Die Entstehung von Bluthochdruck,<br />

fachsprachlich arterielle Hypertonie,<br />

bei Kindern kann unterschiedliche<br />

Ursachen haben: «Zum einen können<br />

organische Ursachen wie eine<br />

Herzerkrankung oder ein Nierenleiden<br />

zu einem erhöhten Blutdruck im<br />

Kindesalter führen», weiss Professor<br />

Giacomo Simonetti, Vorstandsmitglied<br />

der Swiss Society of Hypertension<br />

und Chefarzt der Kinderklinik<br />

am Regionalkrankenhaus von Bellinzona<br />

und Valli. «Diese Form der<br />

arteriellen Hypertonie gab es schon<br />

immer. Sie ist aber vergleichsweise<br />

selten.»<br />

Eine Zunahme lässt sich vor<br />

allem bei der sogenannten essentiellen<br />

oder auch primären arteriellen<br />

Hypertonie verzeichnen. Davon<br />

spricht man, wenn keine ursächlichen<br />

Grunderkrankungen ausgemacht<br />

werden können. «In der Regel<br />

sind für diese inzwischen deutlich<br />

häufigere Form des Bluthochdrucks<br />

bei Kindern Übergewicht und Adipositas<br />

verantwortlich», erklärt<br />

Simonetti. «Daneben können aber<br />

auch bestimmte Medikamente wie<br />

etwa der Wirkstoff Methylphenidat<br />

zur Behandlung von ADHS, Kortison<br />

oder auch Lakritze den kindlichen<br />

Blutdruck ansteigen lassen.»<br />

Wird der sehr früh entstandene<br />

Bluthochdruck nicht rechtszeitig<br />

behandelt, kann es zu schweren<br />

Schäden an den Gefässen kommen.<br />

Und gefährliche Folgeerkrankungen<br />

wie Schlaganfall, Nieren-, Herz- und<br />

Kreislauferkrankungen, die man<br />

sonst nur bei älteren Patienten<br />

kennt, können schon in jungen Jahren<br />

auftreten.<br />

Hoher Blutdruck tut (leider)<br />

nicht weh<br />

Besonders heimtückisch an hohem<br />

Blutdruck ist, dass die Krankheit<br />

über lange Zeit nahezu symptomlos<br />

verläuft. «Die Kinder spüren den zu<br />

hohen Blutdruck nicht», erklärt der<br />

Tessiner Kinderarzt. «Bluthochdruck<br />

tut nicht weh und macht auch<br />

sonst kaum spürbare Probleme.»<br />

Somit merken auch die Eltern oft<br />

nichts und es kann passieren, dass<br />

der zu hohe Blutdruck lange Zeit<br />

unerkannt und damit auch unbehandelt<br />

bleibt.<br />

«Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung<br />

wird deshalb in der Schweiz<br />

eine präventive Routinemessung des<br />

Blutdrucks ab einem Alter von sechs<br />

Jahren empfohlen», betont Simonetti.<br />

«Bei Kindern mit einem erhöhten<br />

Risikopotenzial für Bluthochdruck,<br />

also mit Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

bei familiärer<br />

Vorbelastung von Hypertonie in der<br />

Familie, bei Frühgeborenen, bei laufender<br />

Kortison- und Ritalinbehandlung<br />

sowie bei übergewichtigen<br />

und fettleibigen Kindern, sollten<br />

allerdings immer zusätzlich weitere<br />

gezielte Messungen erfolgen.»<br />

Dasselbe gilt, wenn unklare Symptome<br />

wie häufiges Nasenbluten<br />

und Erbrechen, anhaltende Kopfschmerzen<br />

und Schwindel<br />


auftreten, die, neben anderen<br />

Ursachen, auch auf einen erhöhten<br />

Blutdruck hinweisen können.<br />


Ernährung & Gesundheit<br />

liegende Krankheit therapiert werden»,<br />

weiss Simonetti. «Ist Übergewicht<br />

die Ursache, kann eine Lebensstiländerung<br />

gute Erfolge bringen.»<br />

Betroffene Kinder und Jugendliche<br />

müssen dazu einerseits lernen, ge ­<br />

sünder und fettarmer zu essen.<br />

Dazu muss oft der komplette<br />

Speiseplan der Kinder auf den Kopf<br />

gestellt werden: weg von kalorienreichen,<br />

aber nährstoffarmen Fast-<br />

Food-Gerichten und Süssigkeiten<br />

vor dem Fernseher hin zu viel Ge ­<br />

müse und Obst, satt machenden<br />

Vollkornprodukten und fettarmen<br />

tierischen Eiweisslieferanten in<br />

Form von Milchprodukten, Fleisch<br />

und Fisch. «Wichtig im Sinne der<br />

Blutdrucksenkung ist auch, den vorher<br />

oft hohen Salzkonsum zu reduzieren»,<br />

weiss Simonetti. «Zudem<br />

sollten stark zuckerhaltige Getränke<br />

vermieden und der Durst mit Mineralwasser,<br />

Saftschorlen und ungesüssten<br />

Tees gestillt werden.»<br />

Ausserdem sollten die Kinder<br />

anfangen, sich wieder mehr zu<br />

bewegen. «Dazu muss kein Hochleistungssport<br />

betrieben werden»,<br />

betont der Kinderarzt. «Leichte<br />

Ausdauersport arten wie Walken,<br />

Schwimmen oder Fahrradfahren<br />

bringen schon viel.» Damit die Kinder<br />

diese Lebensstil änderung aber<br />

auch umsetzen und vor allem durchhalten<br />

können, brauchen sie tatkräftige<br />

Unterstützung. Dazu gibt es in<br />

der Schweiz viele Programme,<br />

Camps und Gruppen mit Gleichgesinnten,<br />

die es einfacher machen<br />

(siehe Box Seite 62). Lokale Adressen<br />

können auch bei den Kinderärzten<br />

erfragt werden. Vor allem aber<br />

ist es wichtig, dass die Eltern den<br />

neuen Lebensstil unterstützen und<br />

möglichst selbst mit gutem Beispiel<br />

vorangehen. Es lohnt sich, denn mit<br />

jedem Pfund, das purzelt, sinkt auch<br />

der Bluthochdruck.


Digital & Medial<br />

«WIR SIND<br />

KEINE<br />

SMOMBIES!»<br />

Jugendliche hängen zu viel am Handy – sagen Erwachsene. Beim Forschungsprojekt<br />

«Generation Smartphone» haben Jugendliche selbst mitgeforscht, sie haben<br />

Konsumtagebücher geschrieben und ihre Ansichten zum Thema eingebracht.<br />

Zwei junge Forscherinnen, Finni Doan, 15, und Nadja Gmür, 16, wenden sich in Form<br />

von persönlichen Chats und einer E-Mail direkt an die Eltern von Jugendlichen.<br />

Text: Finni Doan (Chat), Nadja Gmür (E-Mail)<br />

64 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Simon<br />

Hey, das glaubsch mer nie: Min<br />

Vater hät mer hüt demit droht, mir<br />

s Smartphone wegzne, sötti<br />

wiiterhin so schlechti Note<br />

heibringe!<br />

Anna<br />

What? Wie wettsch denn<br />

OHNI überhaupt lerne? Und<br />

was isch mit em Klassechat?<br />

Verpassisch ja alles!<br />

Simon<br />

Ich glaub er checkt gar nöd, das i eso<br />

quasi vo minere Umwelt abgschirmt<br />

wäri: D Online-Änderige im Stundeplan,<br />

de Wetterbricht lese, abmache,<br />

Voci i de Lernapp nomal duregah ...<br />

Forschungsprojekt «Generation Smartphone»<br />

Welche Risiken, welche Chancen birgt das Smartphone<br />

für Jugendliche? Welche Bedeutung hat es im Alltag?<br />

Diese und andere Fragen will das Forschungsprojekt<br />

«Generation Smartphone» beantworten. Für die<br />

Forschung der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW<br />

und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />

ZHAW, die von der Stiftung Mercator Schweiz<br />

gefördert wird, dokumentierten 30 Jugendliche im Alter<br />

zwischen 12 und 19 Jahren in Tagebuchform, wann und<br />

wie oft sie ihr Smartphone nutzen. Die Tagebücher geben<br />

Einblick in die alltägliche Smartphone-Nutzung und die<br />

damit verbundenen Emotionen und Einstellungen,<br />

anschliessend wurden die Jugendlichen interviewt. Das<br />

Datenmaterial wurde von einem Team von professionellen<br />

Forschenden sowie acht jugendlichen Co-Forschenden<br />

ausgewertet. Dadurch fliesst auch das Insiderwissen<br />

der «Generation Smartphone» in die wissenschaftliche<br />

Studie ein. Demnächst erscheinen von Jugendlichen<br />

gestaltete Postkarten mit «Botschaften» an andere<br />

Jugendliche zur Smartphone-Nutzung, der Abschlussbericht<br />

des Projekts erscheint im Frühjahr <strong>2018</strong>.<br />

Weitere Informationen zum Projekt:<br />

www.stiftung-mercator.ch/de/projekte/<br />

generation-smartphone<br />

Anna<br />

Dini Lieblingsserie müsstisch<br />

immer denn luege, wenn si im<br />

Fernseh chunnt, für euses<br />

Gschichtsplakat müessted mer<br />

eus in echt irgendwo treffe und<br />

uf Instagram würed alli meine,<br />

du ignoriersch sie eifach,<br />

wennd plötzlich für es Ziitli weg<br />

wärsch.<br />

Simon<br />

Und überhaupt: Grad morn triff ich<br />

de Luca, i emene richtige Kaff<br />

wohnt de. Zum Glück gits es Navi!<br />

Anna<br />

S isch scho no lässig, wie all die<br />

grosse unpraktische Sache und<br />

Funktione i so emene chline<br />

Smartphone vereint worde sind!<br />

Simon<br />

Obwohl … Mir isch mengisch<br />

scho chli unwohl zmuet, wenn ich<br />

dra denk, was mis Phone als<br />

Wegbegleiter so alles ufzeichnet ...<br />

Bild: iStockphoto<br />


Digital & Medial<br />

Betreff: Gebt uns einfach etwas Zeit!<br />

NG<br />

von:<br />

an:<br />

Nadja Gmür<br />

Eltern von Teenagern mit Smartphones<br />

Liebe Eltern<br />

Wir Jugendliche haben es satt, immer in einen Topf geworfen zu werden. «Die heutige Jugend ist nur noch<br />

am Handy.» «Die verdummen ja total, wenn die nur vor dem Bildschirm sitzen.» Das ist total verallgemeinernd.<br />

Wir sind nicht alle «Smombies», also Smartphone-Zombies. (Übrigens benutzt kein Jugendlicher<br />

dieses Wort.)<br />

Natürlich gibt es immer Ausnahmen, Leute, die ihren Umgang mit dem Smartphone nicht im Griff haben.<br />

Aber viele Teenager haben eine unproblematische Beziehung zu ihrem Smartphone und vor allem auch<br />

eine, die sich wandelt. Vielleicht haben Sie, liebe Eltern, Ihrem Kind kürzlich ein Smartphone gekauft. Und<br />

würden sich jetzt am liebsten dafür ohrfeigen, denn Ihr Nachwuchs hängt nur noch vor dem Bildschirm<br />

rum. «Mein Kind ist bestimmt schon abhängig», denken Sie vielleicht.<br />

Wir können Ihnen Ihre Sorge etwas nehmen: Denken Sie einmal zurück an die Zeit, als Ihr Kind noch etwas<br />

jünger war. Bestimmt hat sich Ihr Kind ein bestimmtes Spielzeug gewünscht. Und was ist passiert, als es<br />

dieses endlich bekommen hat? Genau. Das Kind beschäftigte sich für einige Zeit fast ausschliesslich mit<br />

dem neuen, interessanten Gegenstand.<br />

Mit dem Handy ist das genauso. Wenn man ein neues Handy bekommt, ist das erst mal sehr aufregend.<br />

Was kann das Gerät alles? Was passiert, wenn ich bestimmte Funktionen aktiviere? Wie funktionieren<br />

WhatsApp, Instagram, Snapchat? Es ist ganz normal, dass man sich mit einem neuen Gerät vertraut<br />

machen will. Wenn Sie sich nun denken, dass diese Phase bei Ihrem Kind schon sehr lange andauert,<br />

halten Sie sich vor Augen, wie viele Möglichkeiten ein Handy zu bieten hat. Da ist es fast logisch, dass die<br />

Zeit des Kennenlernens etwas länger dauert.<br />

Generell nimmt mit zunehmendem Alter das Interesse bei Jugendlichen an ihrem Smartphone ab. Man<br />

verpasst nichts, wenn man einen Trend mal nicht mitmacht. Das ist eine wohltuende Erkenntnis, die zum<br />

Erwachsenwerden dazugehört. Das Smartphone ist Teil unserer Gesellschaft geworden; durch eigene<br />

Erfahrungen lernen Jugendliche am besten den Umgang mit diesem Medium.<br />

Lassen Sie uns die Zeit, die wir brauchen. So wie jeder Jugendliche das Smartphone unterschiedlich<br />

braucht, so braucht jeder Jugendliche unterschiedlich lange, eine gesunde Beziehung zu seinem Smartphone<br />

zu entwickeln.<br />

Liebe Grüsse, eure Anna<br />


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Simon<br />

Anna? Bisch no wach? Ich hett no<br />

e Frag bezüglich Mathi …<br />

Anna<br />

Simon, din Ernst? Es isch bald<br />

zwölfi und du fangsch erscht<br />

mit em Lerne für d Prüefig a?<br />

Simon<br />

… Bin uf YouTube hängeblibe. Hesch<br />

gwüsst, dass es in Thailand Rieseroche<br />

hett, wo giftig sind?<br />

Anna<br />

Simon, wo simer grad gsi? Ich<br />

glaub nöd bi Rieseroche.<br />

Simon<br />

Tschuldigung, aso, ich han scho online<br />

nagluegt weg de Glichige mit Variable,<br />

aber ich hett mir für gwüssi Lösige en<br />

Fake-Lehreraccount müese erstelle, und<br />

da hani denn scho Skrupel gha…<br />

Checksch du s Thema?<br />

Anna<br />

Staht doch alles im Klassechat!<br />

Simon<br />

Döt bini nüm dinne, irgendöper<br />

hett mich usekickt willi z’vill Links<br />

gschickt han.<br />

Nadja Gmür<br />

16, wohnt in Wald im Zürcher Oberland. Sie versucht, weniger Zeit<br />

am Handy zu verbringen. «Unter der Woche bin ich täglich ein bis<br />

zwei Stunden am Handy, am Wochenende, je nachdem, ob ich etwas<br />

unternehme, bis zu sechs Stunden, Musik nicht einberechnet. Die<br />

meiste Zeit verbringe ich auf YouTube und WhatsApp. Während<br />

YouTube für mich zur Unterhaltung dient, nutze ich WhatsApp für die<br />

Kommunikation mit Freunden und Klassenkameraden. Das Handy ist<br />

für mich auch für die Schule mittlerweile unentbehrlich. Voci lerne ich<br />

beispielsweise nur noch mit einer App, und auch Gruppenaufträge<br />

bespreche ich über WhatsApp. Bei mir zu Hause gibt es keine Regeln<br />

im Umgang mit dem Handy, aber ich setze mir selber welche. Zum<br />

Beispiel lege ich mein Handy über Nacht in die Küche.»<br />

Anna<br />

Da muesch unbedingt wieder<br />

ine! Hesch mitübercho dasmer<br />

morn uf Bsuech is Bruefsinformationszentrum<br />

gönd?<br />

Simon<br />

Ja, zum Glück hett mer de Marco no<br />

churz ahglüte… Checksch Mathi jetzt?<br />

Anna<br />

Aso guet, ich erchlärs der churz, s next<br />

Mal frögsch aber bitte früehner, gell?<br />

Mached mer en Videochat uf?<br />

Finni Doan<br />

15, wohnt in Zürich und nutzt seit der mittleren Primarstufe ein<br />

Smartphone. Ende der sechsten Klasse trat ein Fairphone in ihr<br />

Leben, kurz vor Ende des partizipativen Forschungsprojekts<br />

«Generation Smartphone» wich es einem Klapp-Nokia. «Als das<br />

Gefühl, abgelenkt zu werden, nicht länger nur ein Gefühl war und<br />

bevor noch mehr Zeit und gute Noten verloren gingen, war der<br />

Handytausch vollbracht. Jetzt bin ich telefonisch sowie per Mail<br />

immer noch erreichbar, wenn auch im Vergleich zu früher nur noch<br />

eingeschränkt. Der treibenden Verlockung bin ich aber nicht mehr<br />

ausgesetzt. Es lebt sich einfacher – schnelles Nachprüfen diverser<br />

Öffnungszeiten und Adressen einmal ausgenommen.»<br />

Simon<br />

Super, gern! Und weisch, nach de<br />

Schuel hani zersch mal müese chli<br />

abecho und entspanne… Bim Musig<br />

lose uf em Smartphone hani denn d Ziit<br />

echli us de Auge verlore.<br />

Simon ruft mit Video an<br />

68 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Prüfungen clever vorbereiten<br />

Im dritten Teil unserer<br />

neuen Videoserie «Adi &<br />

Jess» merkt Adi, dass ihm<br />

die Zeit davonläuft. Bis zur<br />

Abschlussprüfung kann er<br />

unmöglich den gesamten<br />

Stoff nochmals durcharbeiten.<br />

Er muss Prioritäten setzen und sich einen Lernplan erstellen.<br />

Grössere Prüfungen wie die Lehrabschlussprüfung oder<br />

Matura/Abitur stellen für Jugendliche eine grosse Herausforderung<br />

dar. Oft ist es das erste Mal, dass sie eine Fülle von Inhalten<br />

über einen längeren Zeitraum hinweg vorbereiten, während<br />

laufend neuer Stoff dazukommt. Es tauchen Fragen auf wie: «Es<br />

ist so viel, wie soll ich das nur schaffen?», «Wie finde ich heraus,<br />

was wichtig ist?», «Wie teile ich mir den Stoff am besten ein,<br />

damit ich nicht in Zeitnot komme?»<br />

Der Film zeigt, dass es nicht sinnvoll ist, einfach draufloszulernen<br />

und ein Thema nach dem anderen zu bearbeiten. Adi bringt<br />

zuerst in Erfahrung, wie die Prüfungen aufgebaut sind und was<br />

er am Ende wissen und können muss. Nachdem er sich mit den<br />

Anforderungen vertraut gemacht hat, erstellt er einen Prioritätenplan<br />

und beginnt mit den wichtigsten Inhalten.<br />

Teil 1 und 2 verpasst?<br />

In Teil 1 haben Adi und Jess verschiedene Lernmythen aus der<br />

Welt geschafft.<br />

In Teil 2 lernt Adi, wie man sich lange Textinhalte<br />

merken kann.<br />

Die Videos der Psychologen<br />

Stefanie Rietzler und<br />

Fabian Grolimund über<br />

einfache, aber wirkungsvolle<br />

Lernstrategien<br />

sind abrufbar unter:<br />

www.fritzundfraenzi.ch/video<br />

Starten<br />

Sie die<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie das aktuelle<br />

Video mit Adi & Jess.<br />

Das Familienparadies<br />

im Herzen der 4 Vallées<br />

Skifahren, Schlittschuhlaufen, Snowtunbing,<br />

Schatzsuche und vieles mehr erwartet Sie in Nendaz<br />

Mehr Infos : www.nendaz.ch/familien<br />

Das Nendaz Schweizer Tourisme<br />

ElternMagazin Fritz+Fränzi Februar <strong>2018</strong>69<br />

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#Nendaz


Ein Wochenende …<br />

in der SkiArena<br />

Andermatt-Sedrun<br />

Feriendorf<br />

Andermatt<br />

Reuss<br />

Zürich<br />

Casa Popolo<br />

Nätschen<br />

Andermatt<br />

Schlittelpiste<br />

Furkapassstrasse<br />

Erleben …<br />

URI<br />

GRAUBÜNDEN<br />

Oberalppass<br />

Milez<br />

Chur<br />

Bogn<br />

Stella Libra<br />

Rueras<br />

Dieni<br />

Sedrun<br />

Hotel<br />

la Cruna<br />

Amaretto von Biobauer Edi Hess. Seit zwei Saisons ziehen sie<br />

Kinder auf Skiern bei Rueras den Schlittelweg hoch – die<br />

dann jeweils schnellstmöglich wieder herunterfahren, um<br />

erneut hochgezogen zu werden: Hier ist für einmal der Skilift<br />

die Attraktion und nicht die Abfahrt. Und er ist dazu natürlich<br />

total umweltfreundlich, schliesslich kommt die Energie aus<br />

Bio-Heu statt aus Atom- oder anderen Kraftwerken. Um in den<br />

Genuss von «Edis Bio-Pferdelift» zu kommen, muss man<br />

das Wochenende allerdings schon am Donnerstag beginnen.<br />

«Edis Bio-Pferdeskilift» in Rueras, jeweils Donnerstag von 14<br />

bis 17 Uhr, für Inhaber einer Wintergästekarte gratis.<br />

disentis-sedrun.graubuenden.ch, www.biohof-edihess.ch<br />

… Rund 200 Bauarbeiter, 40 schwere Baumaschinen,<br />

10 Baukräne, 3 Helikopter, 8 Baustellen: An den Hängen<br />

oberhalb Andermatts und Sedruns wurde diesen Sommer<br />

hart gearbeitet. Diese Saison sind drei neue Sessellifte<br />

eröffnet worden, womit der grösste Teil der Verbindung der<br />

Skigebiete Andermatt und Sedrun in Betrieb ist. Damit<br />

entstand am Gotthard das grösste und modernste<br />

Skigebiet der Zentralschweiz.<br />

… Neu eröffnet wurde diese Saison auch die «MATTI<br />

Kids Arena» bei der Mittelstation NätschenI. Neben Übungshängen<br />

gibt es Spielplätze drinnen und draussen, ein<br />

Familienrestaurant mit MATTI-Bärenhöhle und Spielmöglichkeiten<br />

für Kinder. Für Familien geeignet ist auch der<br />

Snowpark Valtgeva in der Nähe des Bahnhofs Sedrun.<br />

Er verfügt über eine gut überblickbare Anfängerpiste sowie<br />

eine 200 Meter lange Snowtubing-Piste, auf der man mit<br />

grossen Gummireifen hinuntersausen kann. Zwei Skilifte<br />

bringen zudem auch Fortgeschrittene auf geeignetes Terrain.<br />

www.skiarena.ch<br />

… So weit, so schön, doch drei Pferde stehlen allen die Show:<br />

die Freiberger Miki und Volero und der Trakehner Wallach<br />

… Und wer trotz allem lieber sitzend die Hänge hoch- und<br />

runterfährt, für diejenigen gibt es in Andermatt-Sedrun gleich<br />

drei Schlittelpisten, zwei davon mit Gondelbahntransport.<br />

Die schönste, rasanteste und längste Abfahrt die Furkapassstrasse<br />

hinunter muss man sich allerdings erst mit einer<br />

zweistündigen Bergwanderung verdienen.<br />

Schlittelpiste Nätschen-Andermatt: 5,5 Kilometer, Schlittenmiete<br />

an der Talstation Nätschen und am Bahnhof Andermatt.<br />

Schlittelpiste Milez-Dieni: 3,5 Kilometer, Schlittenmiete an der<br />

Talstation Dieni. Schlittelerlebnis Furkapassstrasse von<br />

Tiefenbach bis Realp: 7 Kilometer, Schlittenmiete im Hotel<br />

Tiefenbach, Wanderung hoch ca. zwei Stunden auf einem<br />

Winterwanderweg.<br />

Geniessen …<br />

… Einzigartig in Sedrun ist auch die «Stalla Libra»:<br />

Der Kunstausstellungsort «Freier Stall» wurde vor sieben<br />

Jahren von zwei nach London ausgewanderten Sedrunern in<br />

einem historischen Stall eröffnet. Vor zwei Jahren haben zwei<br />

junge Gestalter des Royal College of Art London darin ein<br />

«Spielhaus» gebaut, in welchem kleine und grosse Kinder an<br />

70 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Bilder: ZvG<br />

In Andermatt-Sedrun<br />

kann man auch im Winter<br />

baden und grillieren – die<br />

Hauptattraktion für Kids ist<br />

aber Edi Hess’ Pferdeskilift.<br />

künstlerisch gestalteten Insatllationen ihre Geschicklichkeit,<br />

Kreativität und Ausdauer testen können.<br />

Geöffnet von Mittwoch bis Samstag jeweils nachmittags von 12<br />

bis 18 Uhr, Eintritt frei.<br />

disentis-sedrun.graubuenden.ch<br />

… Haben die Kids (oder die Eltern) vom Schlitteln und<br />

Skifahren kalte Füsse bekommen, empfiehlt sich das Bogn<br />

Sedrun, ein Bad an der Quelle des Rheins. Für Action gibt es<br />

Wasserfälle, einen Strömungs- und einen Wildwasserkanal<br />

sowie ein 25-Meter-Becken für Schwimmer, für Entspannung<br />

einen modernen Wellnessbereich mit Saunas, römischen<br />

Dampfbädern und einer grossen Panoramaterrasse.<br />

www.bognsedrun.ch<br />

… Und natürlich machen Skifahren und in Ställen herumturnen<br />

nicht nur müde, sondern auch hungrig. In besonderem<br />

Ambiente kann man hungrige Mäuler am Nätschen stopfen:<br />

Dort stehen Kotas – das sind skandinavische Grillhütten für<br />

sechs bis zehn Personen, eine Art Saunas, in welchen Würste<br />

grilliert statt Menschen ins Schwitzen gebracht werden.<br />

www.skiarena.ch<br />

Übernachten …<br />

… ein Kinderhotel gibt es in Andermatt-Sedrun (noch) nicht,<br />

ein Kinderspielzimmer und einen Aufenthaltsraum zum Lesen,<br />

Fernsehen und Kinderfilme schauen gibt es aber im heimeligen<br />

Hotel La Cruna in Sedrun. Ideal für Gruppen und<br />

Familien ist auch das zentral gelegene Casa Popolo in<br />

Andermatt: Es verströmt Lagerhausflair und bietet ein gutes<br />

Preis-Leistungs-Verhältnis. In einer Gastroküche kann selber<br />

gekocht werden, gegessen wird in einem grossen Speisesaal.<br />

Moderne Ferienwohnungen für gehobenere Ansprüche finden<br />

sich im stetig wachsenden Feriendorf Andermatt Reuss am<br />

Eingang des historischen Andermatt und in Gehdistanz zu<br />

Bahnhof, Läden und Skigebiet.<br />

Hotel La Cruna, Via Alpsu 65, Sedrun, Doppelzimmer ab<br />

90 Franken, Kinder bis 5 Jahre gratis, bis 12 Jahre 50%, bis 15<br />

Jahre 30%. Casa Popolo, Gotthardstrasse 31, Andermatt,<br />

Übernachtung ab 40 Franken pro Person, für aktuelle<br />

Familienangebote direkt anfragen: casa.popolo@bluewin.ch.<br />

www.hotelcruna.ch, www.casapopolo.ch<br />

www.andermatt-swissalps.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>71


Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsor<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Happel Foundation<br />

Mirjam und Martin<br />

Bisang Staub<br />

Impressum<br />

18. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

Nik Niethammer (Chefredaktor),<br />

Evelin Hartmann (stv. Chefredaktorin),<br />

Bianca Fritz (Leitung Online),<br />

Florian Blumer, Claudia Landolt,<br />

Irena Ristic, Florina Schwander, Leo Truniger<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Patrik Luther,<br />

p.luther@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigenverkauf<br />

Corina Sarasin, Tel. 044 277 72 67,<br />

c.sarasin@fritzundfraenzi.ch<br />

Jacqueline Zygmont, Tel. 044 277 72 65,<br />

j.zygmont@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigenadministration<br />

Dominique Binder, Tel. 044 277 72 62,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2017)<br />

total verbreitet 1<strong>02</strong> 108<br />

davon verkauft 24 846<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />

Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />

Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />

Schweiz / Schweizerischer Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />

Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

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Telefon: 0800 814 813<br />

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1 Ausgabe zum Kennenlernen<br />

72 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Buchtipps<br />

Iain Lawrence:<br />

Der Riesentöter.<br />

Freies<br />

Geistes leben,<br />

2017, Fr. 28.90,<br />

ab 10 Jahren.<br />

Peter Goes:<br />

Zeitreise – Vom<br />

Urknall bis heute<br />

Auf grosszügigen,<br />

wimmligen<br />

Doppelseiten<br />

präsentiert der<br />

Illustrator Peter Goes je eine Epoche<br />

– vom Ursprung des Lebens über die<br />

Hunnen und Azteken bis zum<br />

Internetzeitalter gibt es unglaublich<br />

viel zu entdecken!<br />

Beltz & Gelberg, 2016, Fr. 38.90,<br />

ab 8 Jahren<br />

Bilder: zVg<br />

Von früheren Zeiten zu lesen, heisst auch,<br />

etwas über die Gegenwart zu lernen.<br />

In diesen Kinder- und Jugendbüchern<br />

wagen die Autorinnen und Autoren einen<br />

unkonventionellen Blick auf<br />

vergangene Jahrzehnte und Jahrhunderte.<br />

Der Blick zurück<br />

Polio ist ein Wort, das<br />

heutigen Kindern in der<br />

Schweiz zum Glück<br />

höchstens noch vom<br />

Impfausweis be kannt ist.<br />

Noch vor einigen Jahrzehnten sah<br />

dies anders aus: Kleine Kinderlähmungspatientinnen<br />

und -pa tienten<br />

lagen in sogenannten eisernen Lungen,<br />

die ihnen atmen halfen.<br />

Genau von solchen Kindern handelt<br />

der Roman «Der Riesentöter»<br />

von Iain Lawrence. Ein unübliches<br />

Thema für Kinderliteratur: Der<br />

Autor katapultiert die jungen Leserinnen<br />

und Leser nicht nur zurück<br />

in die Fünfzigerjahre und damit in<br />

eine Zeit, in der Kinderlähmung<br />

eine ernste Bedrohung darstellte,<br />

sondern er mutet ihnen auch gleich<br />

zwei Erzählebenen zu: eine realistische<br />

und eine fantastische. In der<br />

ersten lebt das Mädchen Laurie ein<br />

einsames Leben, da ihr Vater sie aus<br />

Angst vor dem Polio-Virus überbehütet.<br />

In Dickie findet Laurie endlich<br />

einen Freund – bis dieser an<br />

Kinderlähmung erkrankt. Heimlich<br />

schleicht sich Laurie ins Krankenhaus.<br />

Dort nimmt die fantastische<br />

Geschichte ihren Anfang, welche die<br />

fabulierfreudige Laurie den Kindern<br />

auf der Polio-Station bei jedem ihrer<br />

Besuche weitererzählt. Es ist eine<br />

Geschichte von Riesen, Gnomen,<br />

Drachen, von Abenteuer und Mut,<br />

eine Geschichte, in der sich die<br />

kranken Kinder wiederfinden. «Der<br />

Riesentöter» bietet so nicht nur eine<br />

einfühlsame Sicht auf eine andere<br />

Zeit, sondern auch ein fantasievolles,<br />

märchenhaftes Abenteuer.<br />

Der Autor Iain<br />

Lawrence<br />

katapultiert<br />

die jungen<br />

Leser in die<br />

Fünfziger jahre.<br />

John Boyne: Der<br />

Junge auf dem Berg<br />

Mitleid und Abscheu<br />

zugleich ruft Boynes<br />

Roman über den<br />

Jungen Pierrot<br />

hervor, der in Hitlers<br />

Sommerresidenz zum überzeugten<br />

Hitlerjugend-Mitglied wird.<br />

Jugendliche Empfänglichkeit für den<br />

Extremismus: ein hochaktuelles<br />

Thema.<br />

Fischer, 2017, Fr. 27.00, ab 12 Jahren<br />

Alexandra Litwina/<br />

Anna Desnitskaya:<br />

In einem alten Haus<br />

in Moskau – Ein<br />

Streifzug durch<br />

100 Jahre russische<br />

Geschichte<br />

Ein Haus in Moskau und seine<br />

Bewohner stehen im Zentrum dieses<br />

Sachbilderbuchs, das an Detailfülle<br />

in Text und Bild kaum zu überbieten<br />

ist. Ein faszinierender Blick in die<br />

russische Geschichte!<br />

Gerstenberg, 2017, Fr. 36.90,<br />

ab 12 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Februar <strong>2018</strong>73


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Meine Tochter hat sich zu ihrem achten Geburtstag Krücken gewünscht.<br />

Ich habe keinen Augenblick daran gedacht, dass es ein unsinniges<br />

Geschenk sein könnte. Als neulich meine Schwiegermutter zu Besuch<br />

war, zeigte sie sich schockiert: «Einem Kind Krücken zu schenken, geht<br />

ja gar nicht!» Geht das wirklich nicht? Darf man «krank sein» spielen mit<br />

einem Arztkoffer, mit Spritzen, Pflaster, Verbandszeug und Stethoskop,<br />

aber nicht mit Krücken? Was finden Sie? Sandra, 36, St. Gallen<br />

Nicole Althaus<br />

Ich erinnere mich, dass wir in<br />

unseren Spitalspielen den<br />

alten Buggy zum Rollstuhl<br />

umfunktionierten und eine<br />

Stehlampe als Infusionsständer<br />

benutzten. Auch gab es<br />

stets einen Blinden im Spital,<br />

der immer und überall im<br />

Weg rumstand. Kinderspiele<br />

müssen nicht politisch korrekt sein. Ich kann also am<br />

Wunsch Ihrer Tochter nichts Verwerfliches finden. Man<br />

kann sich allerdings überlegen, ob es der Fantasie der<br />

Kinder nicht förderlich wäre, wenn diese ein Spielgerät<br />

auch mal selber bauen müssten. Den Rollator sähen Sie<br />

ja auch nicht unbedingt auf dem Gabentisch, oder?<br />

Stefanie Rietzler<br />

Manche Kinder wünschen<br />

sich ein Doktor-Bibber-Spiel,<br />

bei dem sie einem Patienten<br />

Plastikorgane entnehmen<br />

müssen, andere legen ihren<br />

Stofftieren Verbände an – ihre<br />

Tochter spielt eben gerne mit<br />

Krücken. Wo ist das Pro blem?<br />

In meiner Schulzeit wurden<br />

Krücken auch gerne als Turngeräte verwendet: Hatte<br />

sich ein Mitschüler am Bein verletzt, bildete sich vor<br />

ihm oft eine Schlange. Jeder wollte auf den Krücken<br />

Gleichgewichtsübungen machen oder Kunststücke vollführen.<br />

Ich wünsche fröhliches Humpeln!<br />

Peter Schneider<br />

Antithese: Ein total<br />

gewöhnlicher Wunsch ist<br />

das schon nicht; wenngleich<br />

auch nicht annähernd<br />

so krass, wie wenn<br />

sie sich ein Spekulum zum<br />

Doktorspielen gewünscht<br />

hätte. Prothese: Warum soll<br />

das «gar nicht gehen»?<br />

Zumal Ihre Tochter mit den Krücken auch nicht gehen,<br />

sondern humpeln möchte. (Hat Ihre Schwiegermutter<br />

vielleicht Angst, dass da eine künftige Scheininvalide<br />

heranwächst?) Synthese: Ich wünsche Ihrem Kind viel<br />

Freude mit den Geburtstagskrücken. Hals- und Beinbruch!<br />

Nicole Althaus, 49, ist Chefredaktorin Magazine,<br />

Kolumnistin, Autorin und Mitglied der<br />

Chefredaktion der «NZZ am Sonntag». Zuvor war<br />

sie Chefredaktorin von «wir eltern» und hat den<br />

Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert und<br />

geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei<br />

Kindern, 18 und 14.<br />

Stefanie Rietzler ist Psychologin, Autorin<br />

(«Erfolgreich lernen mit ADHS») und leitet die<br />

Akademie für Lerncoaching in Zürich.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

Peter Schneider, 59, arbeitet als Psychoanalytiker<br />

und Kolumnist in Zürich. Bis 2017 war er Professor<br />

für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie<br />

in Bremen; zurzeit lehrt er Geschichte und<br />

Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

74 Februar <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


©Tdh/Tad<br />

Orangen für die<br />

Gesundheit von Kindern<br />

Wir suchen Freiwillige, die uns<br />

tatkräftig bei der Orangenaktion<br />

unterstützen und so bedürftigen<br />

Kindern helfen.<br />

Kontakt + Informationen:<br />

Terre des hommes – Kinderhilfe<br />

Orangenteam<br />

Tel: 058 611 06 66<br />

E-Mail: orange@tdh.ch<br />

www.tdh.ch/orangenaktion


Grosse Ferien<br />

mit kleinen Entdeckern.<br />

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Reisen ist nicht möglich. Der Gutschein ist nicht mit anderen<br />

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Schöne Ferien,<br />

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