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Juni - experimenta.de

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Am Nachbartisch lachen zwei Jungs. Besoffen daher lallend disputieren sie, mal belustigt,<br />

mal absolut ernst darüber, ob jetzt ein anstehen<strong>de</strong>r Koitus mit <strong>de</strong>m min<strong>de</strong>rjährigen Mädchen<br />

und <strong>de</strong>m breiten Becken wertvoller wäre o<strong>de</strong>r das noch halbvolle Budweiser, das <strong>de</strong>r Kerl<br />

dafür hat stehen lassen. Als sie sich später immer noch uneins sind, beschließen sie,<br />

<strong>de</strong>mnächst eine statistische Erhebung darüber zu machen und die Bevölkerung zu befragen.<br />

Bier o<strong>de</strong>r Koitus?<br />

Die dritte Lampe – wieso ist sie weg? Sie stand da hinten, ja, dort, in <strong>de</strong>r Ecke. Aber mit wem<br />

re<strong>de</strong> ich eigentlich - ich bin doch allein. Dennoch, in <strong>de</strong>r Ecke stand die letzte Lampe. Das war<br />

eine Meerjungfrau, die unter viel Mühen stehen konnte – wie, ist mir selbst unklar – und neben<br />

ihr stand ein Taucher. Er trug eine Tauchermaske. Der Taucher griff mit <strong>de</strong>r einen Hand um die<br />

Meerjungfrau herum und betatschte ihre linke Brust. Er schien sie or<strong>de</strong>ntlich durchzukneten,<br />

obwohl man ihr keine steifen Nippel hin drapiert hatte. Mit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Hand griff er sich in <strong>de</strong>n<br />

Schritt – offenbar an sein imaginäres Genital.<br />

Jetzt läuft schon wie<strong>de</strong>r Jazz. Ich glaube, jetzt ist mein Magen durchgebrannt. Ich gehe kurz<br />

aufs Klo und übergebe <strong>de</strong>n gesamten Chilischnaps in das Toilettenbecken. Ein bisschen was<br />

geht auch auf meinen abgetragenen, braunen, halb verratzten Cordanzug. Ich begebe mich,<br />

leicht stinkend, zurück an meinen Sitzplatz. Ein Beruhigungsbier steht schon bereit. Die<br />

bei<strong>de</strong>n Jungs lachten erneut.<br />

Jetzt sitze ich fast je<strong>de</strong>n Abend hier im Hemy und saufe meinen Schnaps. Wenn man mir<br />

früher das prophezeit hätte, hätte ich <strong>de</strong>njenigen ausgelacht. Früher als ich ein aufstreben<strong>de</strong>r<br />

Stern am Journalistenhimmel war. Nach<strong>de</strong>m ich die Journalistenschule in München glänzend<br />

abgeschlossen hatte, hatte ich gleich einen Vertrag bei einer großen Tageszeitung aus Berlin<br />

erhalten. Jung, aufstrebend, investigativ, kritisch, respektlos, anerkannt. Doch dann hatte ich<br />

ein Interview mit <strong>de</strong>m Berliner Oberbürgermeister geführt und seine inkompetente<br />

Selbstgerechtigkeit hatte mich so in Rage gebracht, dass ich ihn als „eitle Schwuchtel“<br />

bezeichnet hatte und tags darauf war ich arbeitslos. Von da an ging es bergab. Ich wusste<br />

we<strong>de</strong>r aus noch ein, bis ich hierhin kam, in meine alte Heimatstadt und eine Stelle bei <strong>de</strong>r<br />

örtlichen Tageszeitung <strong>de</strong>r Kleinstadt bekam. Doch das war nicht <strong>de</strong>r Tiefpunkt. Schon<br />

damals kam ich regelmäßig hierher, um mich zu betrinken. Ich bin doch nicht für<br />

Kleinstadtjournalismus geboren, für so etwas primitives, - bei <strong>de</strong>r Provinzzeitung, die immer<br />

zu allem Ja und Amen sagt. Und ihre Ausdrucksweise. Ich fürchtete fast, ihre Idiotie wür<strong>de</strong> auf<br />

mich abfärben. Aber das hat sich jetzt auch erledigt. Scheinbar kann ich mich nicht<br />

einglie<strong>de</strong>rn. Doch wem erzähl ich das eigentlich? Mir hört eh keiner zu.<br />

- Heh, Hannah, hörst du mir eigentlich zu?<br />

- Na, was <strong>de</strong>nkst du <strong>de</strong>nn? Natürlich nicht.<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong> 43<br />

<strong>Juni</strong> 2012

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