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Patchwork- familien - marketing Deutscher Kinderschutzbund

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ErziEhung & Entwicklung<br />

90 starke eltern starke kinder<br />

Es gibt viele Momente im Leben eines Kindes, in denen seine Eltern spüren, dass es wieder<br />

ein Stück selbstständiger geworden ist: Wenn es mit ungefähr 18 Monaten plötzlich darauf<br />

besteht, alles alleine zu machen – alleine zu essen, sich alleine die Zähne zu putzen, sich alleine<br />

anzuziehen. Wenn es zum ersten Mal fröhlich in die Kindergartengruppe läuft, anstatt<br />

sich weinend an die Mama zu klammern. Wenn es zum ersten Mal bei Oma oder dem besten<br />

Freund übernachtet, zum ersten Mal allein zur Schule oder einkaufen geht, zum ersten Mal<br />

allein Bus fährt oder verreist.<br />

Diese Momente sind schön, sie machen stolz. Aber sie haben immer auch etwas von einem<br />

Abschied und sind daher mit Wehmut verbunden. Es schmerzt zu merken: Mein Kind<br />

braucht mich gar nicht mehr so sehr, es kommt alleine klar. Selbst wenn das so natürlich<br />

nicht stimmt. Es braucht seine Eltern immer noch, nur anders. Nicht mehr nur als Versorger,<br />

sondern als starken Rückhalt, als sichere Basis für die ersten selbstständigen Schritte in die<br />

Welt hinaus. Es braucht jetzt eine Mama, die ermutigt: „Toll, dass du das alleine versuchst!<br />

Du schaffst das bestimmt!“ und einen Papa, der tröstet: „Ist nicht schlimm, dass es diesmal<br />

noch nicht geklappt hat. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du das auch!“<br />

ES ScHMERZT ZU MERKEN:<br />

Mein Kind braucht mich gar<br />

nicht mehr so sehr, es kommt<br />

alleine klar.<br />

Wenn Loslassen schwerfällt<br />

Doch ihren Nachwuchs zuversichtlich loszulassen,<br />

fällt Eltern von heute besonders schwer. Prof. Dr.<br />

Dieter Spanhel, Erziehungswissenschaftler, Buchautor<br />

und Vorstandsmitglied im JFF Institut für<br />

Medienpädagogik in Forschung und Praxis in<br />

München, sieht zwei Gründe dafür: „Erstens wer-<br />

den Eltern durch die zahlreichen Medienberichte über entführte und missbrauchte Kinder<br />

verunsichert und haben Angst, dass etwas passieren könnte, wenn sie ihr Kind einfach laufen<br />

lassen. Und zweitens meinen viele, sie wüssten am besten, was gut für ihr Kind ist, und<br />

wollen seine Entwicklung im Griff behalten und nach ihren Überzeugungen gestalten und<br />

steuern.“ Aber Kinder können schon sehr früh ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche ausdrücken.<br />

„Diese“, so der Experte, „ müssen die Eltern sensibel wahrnehmen und mit berücksichtigen.“<br />

Selbstständigkeit ist ein wertvolles Gut, ein wichtiges Erziehungsziel. Die motivationspsychologische<br />

Forschung zeigt, dass ein Kind drei grundlegende Erfahrungen machen muss,<br />

damit es zu einem selbstständigen Menschen heranwächst: Die Erfahrung, selbst etwas bestimmen<br />

zu können (Autonomieerfahrung), die Erfahrung, selbst etwas bewirken zu können<br />

(Selbstwirksamkeitserfahrung), und die Erfahrung sicherer Beziehungen in der Familie, im<br />

Freundeskreis, in der Schule oder im Sportverein (soziales Eingebundensein).<br />

Eine wichtige Fähigkeit aus dem Bereich Selbstständigkeit, die früh gefördert gehört: Konflikte<br />

alleine lösen. Spätestens auf dem Schulhof können Mama und Papa nicht mehr dabei<br />

sein und eingreifen, wenn sich die Klassenkameraden um einen Fußball streiten. Bis dahin<br />

sollte das Kind gelernt haben, für sein Recht einzutreten, Kompromisse auszuhandeln und<br />

auch mal nachzugeben. Besser also, man ermutigt es schon im Sandkasten, sich die Schippe<br />

selbst zurückzuholen, die ein anderes Kind weggenommen hat, anstatt das mal eben mütterlich-resolut<br />

zu regeln. Besser, der Geschwisterstreit bekommt Raum, sich zu entfalten und<br />

selbst zu klären (solange es nicht zu gefährlichen Aggressionen kommt), anstatt dass Papa<br />

streng für Gerechtigkeit sorgt. „Es kommt darauf an, dass die Kinder Regeln für das Aushandeln<br />

von Kompromissen lernen“, erklärt Erziehungswissenschaftler Spanhel, „vor allem die<br />

wichtigste Regel: Konflikte werden grundsätzlich gewaltfrei gelöst.“<br />

Den angemessenen Rahmen<br />

finden<br />

Der Leitspruch der italienischen<br />

Reformpädagogin Maria<br />

Montessori, deren Lehren<br />

unser modernes Verständnis<br />

von Erziehung in vielen Aspekten<br />

geprägt haben, lautete<br />

nicht umsonst bereits Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts „Hilf<br />

mir, es selbst zu tun“. Man<br />

kann ein Kind beglucken<br />

und man kann es ins offene<br />

Messer rennen lassen. Beides<br />

ist wenig sinnvoll. Die Erziehung<br />

zur Selbstständigkeit<br />

versteht sich als goldener Mittelweg<br />

zwischen den beiden<br />

Extremen. „Ein Kind braucht<br />

Selbstständigkeit innerhalb<br />

eines Rahmens“, erklärt<br />

Spanhel, „Je sicherer und klarer<br />

gekennzeichnet der Rahmen<br />

ist, je konsequenter die<br />

Eltern darauf achten, dass er<br />

eingehalten wird, desto sicherer<br />

bewegt es sich innerhalb<br />

dieses Rahmens. Nur wenn<br />

das Kind das Gefühl hat, dass<br />

man ihm vertraut und ihm<br />

etwas zutraut, kann es sich<br />

innerhalb des Rahmens auf<br />

Neues einlassen und wichtige<br />

Lernschritte und Lebenserfahrungen<br />

machen.“<br />

Der Rahmen, das sind die<br />

Regeln, die die Eltern vorgeben.<br />

Die Grenzen, die sie setzen.<br />

Der Bereich, in dem sich<br />

das Kind frei bewegen kann.<br />

Die Entscheidungen, die es<br />

alleine treffen darf. In den<br />

verschiedenen Altersstufen,<br />

die das Kind durchläuft, wird<br />

dieser Rahmen unterschiedlich<br />

aussehen: So darf das<br />

Kindergartenkind noch nicht<br />

alleine im Hof oder Garten<br />

starke eltern starke kinder<br />

91

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