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s'Magazin usm Ländle, 26. März 2017

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POLITIK UND RECHT<br />

FORTSETZUNG<br />

habeich etwa erst vorkurzem ein längeres<br />

Interview zur Entscheidung des<br />

Verfassungsgerichtshofes bezüglich<br />

der Bettelverbote gegeben. Davon ist<br />

hängen geblieben, dass ich dem Bludenzer<br />

Bürgermeister ausrichten lasse,<br />

er solle seineBettelverordnung abändern.<br />

Dabei war das nur ein kurzer<br />

Nebensatz.<br />

Sind Sie mitunter eine Zielscheibe für<br />

Anfeindungen?<br />

Ja.Zwar bin ich im persönlichen Kontakt<br />

noch nie angefeindet worden, in<br />

den einschlägigen Internetforen<br />

sieht’saberanders aus. Zudemwird an<br />

meiner Person mitunter der politische<br />

Diskurs aufgezogen. Es ist völlig in<br />

Ordnung, wenn meine Stellungnahmen<br />

als Landesvolksanwalt in die politischen<br />

Debatten einfließen.Nicht in<br />

Ordnung ist allerdings, wennsogetan<br />

wird, als handle es sich dabei um die<br />

persönlichen Marotten des Herrn<br />

Bachmayr-Heyda. Ich mache keine<br />

Politik, ich achte nur darauf, ob politische<br />

Entscheidungen auch im Einklang<br />

mit Recht, Verfassung und den<br />

europäischenGrundwerten stehen.<br />

Sind Sie schon jemals vonsich aus tätig<br />

geworden?<br />

Nein, imHintergrund stand immereine<br />

Beschwerde oder Anregung. Der<br />

Themenblock „Umgang mit Bettelei<br />

in Vorarlberg“ ist schon von meiner<br />

Vorgängerin bearbeitet worden, das<br />

lag also auf demTisch.<br />

Wie gehen Sie eigentlich persönlich mit<br />

Bettelei um?<br />

Das hängt von meiner Tagesverfassung<br />

ab. Manchmal gebe ich was,<br />

manchmal gehe ich einfachweiter und<br />

manchmal bin ich von der Zurschaustellung<br />

der Armut sobetroffen, dass<br />

ich mich abwende –esgibt beimir alle<br />

Schattierungen von Reaktionen. Ich<br />

finde es übrigensrichtig,dass aggressives<br />

und aufdringliches Betteln verboten<br />

ist –dahab ich es ganz mit dem<br />

Großteil der Vorarlberger Bevölkerung.<br />

Doch wenn man wie gewisse<br />

Städte dazu übergeht, auch stillesBetteln<br />

zuverbieten, muss ich von Amts<br />

wegen tätig werden. Schließlich hat<br />

der österreichische Verfassungsgerichtshof<br />

2012 festgestellt, dass ein<br />

gänzliches Verbot des stillen Bettelns<br />

der österreichischen Verfassung und<br />

den europäischenGrundwerten widerspricht.<br />

Warum emotionalisiert das Thema so?<br />

Wirleben in Vorarlberg Gott sei Dank<br />

in einem sehrreichen Land,bewohnen<br />

einen der reichsten Flecken der Welt<br />

überhaupt. Wirsind Armut,insbesondere<br />

das Zurschaustellen von Armut,<br />

nicht gewöhnt. Letztlich zeigt sich in<br />

der Bettelei auch die Kehrseite der<br />

Globalisierung: Jeder bereistgerne die<br />

Welt, freutsich an der Auswahl importierter<br />

Produkte. Doch mit demElend<br />

dieser Welt wollen wir nicht konfrontiert<br />

werden. Was meiner Meinung<br />

nachentscheidend ist: Wenn derKreis<br />

armer Menschen überschaubar wirkt<br />

und ich das Gefühl habe, helfen zu<br />

können, dannnehmeich die Situation<br />

nicht als bedrohlich wahr. Die Angst<br />

kommt erst mit demGefühl der Überforderung.<br />

STECK<br />

BRIEF<br />

geboren 1964 in Wien,<br />

Jus-Studium. 1990Umzug<br />

nach Vorarlberg, ab<br />

1992 beim Institut für<br />

Sozialdienste, von<br />

2005 bis 2015 Leiterder<br />

Sachwalterschaft.<br />

2015 zum Landesvolksanwalt<br />

bestellt.In<br />

zweiter Ehe verheiratet,dreiKinder.<br />

•••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••<br />

Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise<br />

war dieses Gefühl der Überforderung<br />

und die damit verbundenen Ängste sehr<br />

präsent. Auch geltendes Recht wurde<br />

ausgehebelt –erst fiel Dublin II, dann<br />

Schengen, vonden folgenden Anlassgesetzgebungen<br />

ganz zu schweigen. Istdas<br />

nicht ein fatales Signal?<br />

Recht ist immer ein Produkt gesellschaftlicher<br />

Veränderungen. Was wir<br />

vor 100 Jahren für gerecht gehalten<br />

haben, ist heute längst überholt. Das<br />

Recht ist schnelllebig: Noch in den<br />

70ern durften Frauen in Österreich<br />

ohne die Zustimmung ihres Mannes<br />

nicht arbeiten gehen, noch in den<br />

90ern war Vergewaltigung in der Ehe<br />

erlaubt. Das Rechtschafft einem Rahmen<br />

für eine bestimmte, als stabil angenommene<br />

Situation. Und manchmal<br />

wird die Rechtslage eben von den<br />

aktuellen Entwicklungen überrollt.<br />

Ich finde es richtig, dass man damals<br />

die schnelle Hilfe vor das Rechtstellte<br />

und somit eine humanitäre Katastrophe<br />

verhindert hat. Im Übrigen haben<br />

die Staatengut funktioniert –eswurde<br />

nur so dargestellt, als wären sie hoffnungslos<br />

überfordert. Hunderttausende<br />

sind nach Europa geflohen, und<br />

doch hatletztlich alles seine Ordnung<br />

gefunden –das ist eine Leistung, die<br />

man anerkennen sollte!<br />

Der Rechtsstaat lebt auch von der Akzeptanz<br />

der Bürger. Problematisch ist,<br />

wenn diese das Gefühl haben, dass nicht<br />

alle an Gesetze und Regeln gebunden<br />

sind. Gerade internationale Großkonzerne<br />

scheinen sich vielen Verpflichtungen<br />

entziehen zu können. ..<br />

Ja,das ist sicherso. Und daraus resultiert<br />

ein unguter Reflex: Wenn wir im<br />

Großen die Probleme nicht lösen können,<br />

dann werden wir im Kleinen genauer<br />

und pingeliger.Beispiel Steuer-<br />

8<br />

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