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Erinnerungen ehemaliger Bewohner des Kreises Schlawe

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Deutschen innerhalb von 24 Stunden Arbeit nachweisen, dann gab es ein Dokument, und<br />

man konnte in der Stadt bleiben. Wir gingen also in unsere Hospitalstraße – aber unser<br />

Haus war noch von Russen besetzt. Zwei Häuser weiter stand das kleine einstöckige<br />

Haus der Förderers ganz leer. Mit Möbeln, die auf dem Hof herumlagen, ein Schrank,<br />

zwei Bettstellen, ein Sofa, Tisch und Stühle, richteten wir uns ein Zimmer ein. Dann<br />

gingen wir drei zum polnischen Magistrat und bekamen Arbeit – und unser Dokument.<br />

Das ehemalige Lazarett in der Landfrauenschule war aufzuräumen, sauber zu machen,<br />

der Hausgarten in Ordnung zu bringen. Es sollte alles für die polnische Miliz hergerichtet<br />

werden. Beaufsichtigt hat uns der damalige Chef der Miliz Janek Jerzewski. In den<br />

nächsten Tagen kamen noch drei Arbeitskräfte hinzu, nämlich Brigitte Wirtz aus Hagen<br />

mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Wir arbeiteten zusammen bis alles fertig war.<br />

Brigitte und Janek heirateten ein Jahr später. Er musste dann seinen Posten aufgeben und<br />

übernahm die ehemalige Fleischerei Janke in der Langen Straße. Es war wohl die erste<br />

Ehe zwischen einem Polen und einer Deutschen in Rügenwalde. Brigitte hatte es sehr<br />

schwer, die Polen haben sie zuerst angespuckt. Wir haben uns dann zurückgezogen, um<br />

ihr die Eingliederung zu erleichtern. Unserer Meinung nach war es besser für sie, weniger<br />

Kontakt zu Deutschen zu haben. Wilhelm blieb noch bei Janek in der Fleischerei<br />

beschäftigt und hatte so wenigstens zu essen.<br />

Ich musste in eine polnische Landwirtschaft (früher Trabandt, hinter dem Steintor), hatte<br />

schwer auf den Feldern zu arbeiten und oft nichts zu essen. Das kam aber der schweren<br />

Gelbsucht zugute, die ich wohl als einzige Nachwirkung vom Lager her hatte. So heilte<br />

diese bald aus – ab und zu fiel ich hin, aber ich sah immer zu, dass ich auf einem Heuhaufen<br />

zu liegen kam als wir Heu wenden mussten. Das Heu war wenigstens weich.<br />

Besser als mein Bett in unserer Unterkunft bei Förderers, denn zu dieser Zeit hatte ich<br />

nur eine Bettstelle mit leeren Säcken bedeckt. Später bekamen wir von einer Nachbarin,<br />

Frau Miels, noch Bettzeug. Bei ihr wohnte ein da gebliebener Franzose, es war also nicht<br />

so geplündert worden wie überall sonst. Schließlich nahmen die Polen einem ehemaligen<br />

Kriegsgefangenen nichts weg.<br />

Unfall mit Pferdewagen und Nachricht vom Vater<br />

Nach der Heuernte musste ich mit dem Pferdewagen Sand vom Darlowberg bei Rügenwalde<br />

zur Stadt fahren. Vom Steintor aus über den Marktplatz ging es ziemlich abwärts.<br />

Ob ich nicht genug gebremst hatte, oder ob sich das Pferd aus irgendeinem Grund erschreckt<br />

hatte, jedenfalls ging es mir durch. Ich weiß nicht mehr, ob ich abspringen wollte<br />

oder gestürzt bin. Ich bin mit der rechten Schläfe bei Milch-Reichow an der Ecke auf<br />

den Bordstein aufgeschlagen. Ich wurde bewusstlos, Polen haben mich ins Krankenhaus<br />

geschleift und mich dort auf eine Bank gelegt. Im Krankenhaus war noch unser Doktor<br />

Krüger, der hat meine Kopfwunde unterhalb der rechten Augenbraue bis zur Schläfe<br />

wunderbar wieder zusammengeflickt. Ich sollte nun Angaben über den Unfall machen,<br />

aber ich hatte einen totalen Filmriss. Es ist furchtbar, wenn man sich an nichts erinnern<br />

kann. Als ich gehen durfte, bin ich erst zur Arbeitsstelle, der polnischen Landwirtschaft<br />

bei Trabandt, um zu erfahren, was überhaupt geschehen war. Die Leute dort erzählten<br />

mir, dass das mir durchgegangene Pferdegespann wieder eingefangen worden ist. Dann<br />

bin ich mit wankenden Knien langsam nach Hause geschlichen. Dort hat mich meine<br />

Mutter mit den folgenden Worten empfangen: „Mein Gott, wie soll ich das blutverschmierte<br />

Kleid wieder sauber kriegen!“ Da bin ich zusammengeklappt – kein Kommentar.<br />

Als ich das erste Mal nach dem Unfall wieder auf den Pferdewagen musste, habe ich am<br />

ganzen Körper gezittert; ich konnte gar nichts dagegen tun.<br />

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