LynxDruck_2017_01-kurz
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FASZINATION PLASTIK? | EIN MEER AUS PLASTIK<br />
regelmäßig in Müllteilen verheddern und strangulieren.<br />
Mindestens 43 Prozent aller Wal- und Delfinarten,<br />
alle Arten von Meeresschildkröten sowie 36 Prozent<br />
der Seevögel und viele Fischarten können Müll<br />
fressen und verschlucken.<br />
Bei der Zersetzung geben Kunststoffe giftige und<br />
hormonell wirksame Zusatzstoffe wie Weichmacher,<br />
Flammschutzmittel und UV-Filter in die Meeresumwelt<br />
oder den Organismus ab, der sie aufnimmt. Mikroorganismen<br />
sind nicht in der Lage, die Kunststoffe<br />
vollständig zu zersetzen. Deshalb verbleiben die<br />
pulverartigen Kleinstpartikel in der Meeresumwelt,<br />
wahrscheinlich für immer. Weltweit wird eine Zunahme<br />
dieses Mikroplastiks in den Meereswirbeln,<br />
den Sedimenten und an den Stränden beobachtet. In<br />
allen kürzlich untersuchten Kotproben von Seehunden<br />
und Kegelrobben im niedersächsischen Wattenmeer<br />
wurde durch die Universität Oldenburg Mikroplastik<br />
gefunden.<br />
Mikroplastik gelangt aber auch direkt ins Meer: Die<br />
Verwendung in Kosmetikprodukten wie Peelings oder<br />
Zahnpasten ist mittlerweile Standard. Bis zu 2.000<br />
Kunstfasern aus Fleece-Kleidungsstücken, einem<br />
Velourstoff, der meist aus Polyester oder Polyacryl<br />
besteht, gelangen pro Waschgang in die Meeresumwelt,<br />
da sie von den Klärwerken nicht zurückgehalten<br />
werden. Geht ein typischer Transportcontainer mit<br />
Industriepellets aus Kunststoff zur späteren Weiterverarbeitung<br />
auf See verloren, gelangen 50 Milliarden<br />
davon ins Meer und sind an den Stränden von<br />
Sandkörnern kaum unterscheidbar. Laut Angaben der<br />
Kunststoffindustrie landen diese Pellets auch oft im<br />
Produktionsprozess in der Kanalisation und je nach<br />
Lage der Kläranlagen anschließend<br />
in Flüssen oder Küstengewässern.<br />
Mikroplastikpartikel binden persistente<br />
toxische (nachhaltig verbleibende,<br />
giftige (Anmerkung der<br />
Verfasserin)) Schadstoffe, die sich<br />
im Meer befinden, an ihrer Oberfläche.<br />
Das können auch bereits<br />
verbotene Substanzen wie das Insektizid<br />
Lindan oder das Pestizid<br />
DDT sein, die sich nach wie vor<br />
in der Meeresumwelt befinden.<br />
Diese Eigenschaft kann zu einer<br />
Anreicherung von Schadstoffen im<br />
Nahrungsnetz führen und möglicherweise<br />
auch Relevanz für den<br />
menschlichen Verzehr von Fischen<br />
und Meeresfrüchten haben.<br />
Mehr Kunststoffrecycling in<br />
der Europäischen Union ist ein<br />
Schlüssel zur Lösung des Problems. Welche Maßnahmen<br />
die EU in ihre geplante „Strategie für Kunststoffabfälle<br />
in der Umwelt“ übernehmen sollte, hat das<br />
UBA auf Basis neuer Studien zusammengestellt und<br />
in Brüssel präsentiert.<br />
In Europa landen immer noch mehr als 30 Prozent<br />
des Plastikabfalls auf Deponien, statt recycelt zu werden.<br />
Das Plastik geht so dem Kreislauf verloren und<br />
kann bei unsachgemäßer Deponierung in Flüsse und<br />
Meere gelangen. Etwa 800 Tierarten sind nach derzeitigem<br />
Kenntnisstand betroffen: Sie verwechseln etwa<br />
kleine Plastikteile mit Nahrung und verhungern mit<br />
vollem Magen.<br />
Eine bessere Erfassung der Kunststoffabfälle und<br />
mehr Kunststoffrecycling könnten den Meeresmüll<br />
verringern und wertvolle Ressourcen schonen. Um<br />
dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt das UBA der Politik<br />
unter anderem folgende Maßnahmen:<br />
• „Plastikabfälle sollten getrennt von anderen Abfällen<br />
gesammelt werden. Dies sollte als Pflicht in<br />
die EU-Abfallrahmenrichtlinie aufgenommen<br />
werden.<br />
• Auch für Kunststoffprodukte, die nicht Verpackung<br />
sind, sollten Recyclingquoten festgelegt<br />
werden, etwa für Haushaltsgegenstände.<br />
• Für ausgewählte Kunststoffprodukte sollte ein<br />
Mindestanteil von Kunststoffrezyklat festgelegt<br />
werden.<br />
• Vorgaben für Produkte sollen generell garantieren,<br />
dass sie langlebig und gut zu recyceln sind.“<br />
Im September 2<strong>01</strong>6 stellte das UBA seine Vorschläge<br />
auf einer Podiumsdiskussion mit Vertretern des EU-<br />
Abb.: Plastikmüll am Strand. Foto: pixabay<br />
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