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FASZINATION PLASTIK? | WIE ICH LERNTE, OHNE PLASTIKTÜTE ZU LEBEN<br />

Barbara Vorsamer aus Süddeutsche.de vom 26. Januar 2<strong>01</strong>6<br />

Wie ich lernte,<br />

ohne Plastiktüte zu leben<br />

Nichts ist einfacher als Plastiktüten vermeiden.<br />

Oder? Über einen schwierigen Lernprozess,<br />

der sich am Ende auszahlt.<br />

Schon mal versucht, ein Brot, drei Äpfel, einen Becher<br />

Sahne, eine Packung Milch, ein paar Babygläschen<br />

und eine Packung Klopapier nach Hause zu balancieren?<br />

Also, ohne Tüte oder Tasche? Ich schon. Geht<br />

nicht. Die Äpfel kamen verdellt an, weil sie zwischendurch<br />

runtergefallen sind, die Sahne ist in der Handtasche<br />

ausgelaufen und für Brot, Milch, Babygläschen<br />

und Klopapier reichten zwei Hände beim besten Willen<br />

nicht.<br />

So etwas passiert, wenn man versucht, sich umweltbewusst<br />

zu verhalten. Meine Bequemlichkeit kommt<br />

regelmäßig meinem ökologischen Gewissen in die<br />

Quere. Letzteres weiß ganz genau: Plastiktüten sind<br />

überflüssig, ein wiederverwendbarer Stoffbeutel viel<br />

besser. Leider meldet er sich nie, wenn ich morgens<br />

das Haus verlasse – und dann stehe ich nach Feierabend<br />

wieder an der Supermarktkasse, meine Sachen<br />

liegen auf dem Band und ich habe wie immer keinen<br />

Jutebeutel dabei. In die Handtasche passt der ganze<br />

Kram nicht (zumindest wenn sie noch eine Weile halten<br />

soll – und meine Sachen sollen jetzt lange halten,<br />

denn auch das ist ökologisch).<br />

So schwer kann es doch nicht sein<br />

Also, schwupps, die Plastiktüte, vielleicht auch zwei,<br />

kein Problem, meine Bequemlichkeit zahlt die paar<br />

Cent gerne und trägt die Ware nach Hause. Dort<br />

kommt die Plastiktüte zu den anderen alten Plastiktüten,<br />

die selbstverständlich gesammelt werden, um<br />

sie wieder zu verwenden – was man aber nie tut, weil<br />

man ja immer vergisst, eine Tüte von zu Hause mitzunehmen.<br />

Das ökologische Gewissen schüttelt den<br />

Kopf: So schwer kann es doch nicht sein, an eine Einkaufstasche<br />

zu denken!<br />

Doch, irgendwie schon. 71 Plastiktüten verbrauchen<br />

die Deutschen durchschnittlich – pro Jahr und pro<br />

Person, also mehr als eine pro Woche. Der immense<br />

Verbrauch von Plastik ist ein riesiges Problem: Mit<br />

dem bisher produzierten Kunststoff könnte die Erde<br />

sechsmal komplett eingewickelt werden. 311 Millionen<br />

Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert. Acht<br />

Millionen Tonnen davon gelangen dann ins Meer, das<br />

entspricht einem Lastwagen voller Plastiktüten pro<br />

Minute. Und es dauert zwischen 100 und 500 Jahren<br />

– je nach Art des Kunststoffes – bis sich so eine Tüte<br />

wieder zersetzt hat.<br />

Die Tüte braucht kein Mensch<br />

Plastik so weit wie möglich zu vermeiden, erscheint<br />

also notwendig und ich beginne mit der Tüte, weil es<br />

am einfachsten ist. Klar, bei der Menge an Müll, die<br />

ein Haushalt so produziert, macht die Tüte nicht die<br />

Masse aus, das sind eher die Käseschachteln, die Joghurtbecher<br />

und Shampooflaschen. Doch während<br />

der Versuch, diese Produkte unverpackt zu kaufen, ein<br />

schier unmögliches Unterfangen ist (über das ich in<br />

dieser Serie auch noch schreiben werde), ist bei der<br />

Plastiktüte die Alternative klar: Weglassen.<br />

„Tragetaschen aus Kunststoff sollten Sie komplett vermeiden“,<br />

sagt Günter Dehoust, Experte für Abfallwirtschaft<br />

beim Öko-Institut in Berlin. Dass viele Verbraucher<br />

die Tragetasche guten Gewissens kaufen, weil<br />

sie sie als Mülltüte weiterbenutzen, sieht er kritisch:<br />

„Normale Mülltüten sind dafür viel besser geeignet,<br />

weil leichter, dünner und damit ressourcensparender.“<br />

Er rät zu wiederverwendbaren Einkaufstaschen.<br />

Doch die vergesse ich ja immer! Gibt es nicht einfachere<br />

Alternativen? Viele Supermärkte haben auch<br />

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