Mixology - Magazin für Barkultur 3-17

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

Vodka wird wieder charakterstark – das wissen wir. Doch findet dieses Profil auch schon Beachtung an der Bar? Oder bleibt er der dienstbare Träger anderer Aromen, der Rauschkatalysator? Eine Recherche in den Bars der Hauptstadt. Text Juliane E. Reichert Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, keinen Vodka zu mögen. Ganz im Gegenteil. Nach einer jugendlichen Katastrophe aus Kartoffeln und Übermut haben die Getränke meiner Wahl zwei Grundeigenschaften: Ich vertrage sie und sie schmecken mir. Beides trifft auf Vodka nicht zu. Im Zuge eines Textes über Vodka in Highballs sollte allerdings Vodka verkostet werden, bestenfalls in einem Highball. Im allerbesten Falle sollten das sogar verschiedene sein, um dem Text die nötige Differenziertheit zu verleihen. Und da geht es auch schon los mit den Problemen – wie, zur Hölle, schmeckt Vodka? »Gut ist, wenn’s nicht brennt«, ist das Fazit einer privaten Feldstudie. Und der Geschmack? »Mild.« Nur wenige Menschen mögen es vermutlich, wenn es richtig sprittig ist, und die Vorzüge eines milden Destillats leuchten durchaus ein: Man mischt es mit einem Filler seiner Wahl und danach schmeckt dann der Drink – voilà! Insgeheim ist das seit Jahren mein Vorwurf an Vodka gewesen: Der will ja gar nicht schmecken, bloß betrunken machen. Tut so, als gehöre er an die Bar – wo all die aromenverliebten Anwärter auf ein Acajlikörpatent sitzen – und schmeckt einfach nur mild? Im Vertrauen auf eine kaum überschaubare Hochkultur des Getreidebrandes und eine Unmenge fähiger Bartender kann es das nicht gewesen sein. Immerhin etwas los im Glas Der Plan: verschiedene Vodkas an den Tresen dieser Stadt, dazu ein Filler, dazu ein Mensch vom Fach. Los geht es mit einem polnischen Belvedere aus Roggen. Er riecht nach Vodka und schmeckt ... ja, mild. Mit einem Schweppes Tonic Water schmeckt er nach Schnaps-Schweppes und mit einer Limette nach Schnaps-Schweppes mit Limette. Die Verzauberung könnte größer sein. Dominic an der Thelonious Bar stimmt zu: »Ich denke nicht, dass das Gros der Gäste große Unterschiede beim Vodka schmeckt.« Als Shot wird Vodka kaum noch bestellt, seine Bühne bleibt heute vor allem der Moscow Mule. Wie um meine Ressentiments des Nichtgeschmacks zu widerlegen, gibt es danach den Smokecraft Edelholzvodka. In einem Curacionsverfahren werden hier ätherische Öle aus Zedern-, Kirsch-, Buchen- und Eichenholz gewonnen und mit Vodka aus Sommerweizen vermengt und danach schmeckt es, als sei Fasching und Vodka hätte sich als ein Islay Whisky verkleidet – allerdings mit etwas schräg sitzender Perücke. Auch mit Tonic noch fragwürdig. Aber: Immerhin ist etwas los – also, im Glas. Anders der Chopin in Weizenausführung, der schmeckt nämlich süß und nach Getreide, beinahe wie eine auf dem Pausenhof verputzte Packung Kellogg’s Smacks. In einem Vodka Martini kann ich erstmals verstehen, dass Menschen Vodka trinken. Immerhin das wäre geschafft. Lammfell im Walbauch Weiter geht es mit einem »Owls» der Liquor Company aus Berlin-Neukölln. So schön und neuköllsch das Design auch sein mag – der Weizenvodka schmeckt mit etwas Wohlwollen kantig und ohne Wohlwollen sprittig, auf einen Highball mit ihm wird daher verzichtet. Artem, Besitzer der Neuköllner Vater Bar hilft weiter mit einem Quartett aus Chopin in Kartoffelausführung, dem fünffach destillierten Berliner Weizenvodka Abyme und einer Einliterflasche russischen Vodkas, der übersetzt etwas wie »brotig« heißt. Seine Maische wurde mit Brot und Zwiebeln angesetzt, entsprechend ehrlich schmeckt er. Außerdem gibt es den sibirischen Grain-Klassiker Beluga. Diesen in Pur-Version als Favoriten erkoren, wird er mit Thomas Henry Tonic aufgefüllt und in dieser Form gegen den Kartoffel-Chopin angetrunken – er gewinnt! Weil er nach mehr schmeckt als »mild«. Weil er erdig und würzig schmeckt, dabei wohlig warm macht und dem Tonic ein weiches Mundgefühl verleiht. Laura Maria Marsueschke, Besitzerin der Thelonious Bar, fühlt sich beim Beluga »wie in einem Lammfell. In einem Walbauch«. Geborgen und wohlig, möchte sie damit sagen, und ich pflichte ihr bei. Allerdings müssen wir nicht drei Tage und drei Nächte in einem Walbauch beten wie Jonas – drei weitere Vodkas tun es auch. Nämlich ein Mietowa, ein Orzech Wloski und Green Mark. Nummer eins schmeckt wie ein Pfeffi aus Vodka, Nummer zwei nach Walnuss, alle beide möchte man sich in einem Highball nicht so recht vorstellen. Anders ist das mit Green Mark. Friedemann Klock aus dem Würgeengel kredenzt ihn mit Cointreau, und in der Tat mischt sich der russische Klassiker ausgezeichnet mit dem Orangenaroma. Siehe da: Dort ergänzen sich Aromen. Clubland 4 cl Vodka, 4,5 cl White Port, 1 Dash Angostura Bitters. Im Rührglas auf Eis verrühren und in eine vorgekühlte Coupette abseihen. Mit einer Zitronenzeste aromatisieren. Fotos: Tim Klöcker 81
HOW TO COCKTAIL VODKA MARTINI Manchmal muss es einfach ein Vodka Martini sein, das wusste schon James Bond. Weil man nicht immer Lust auf Gin hat. Weil es auch aromatischen, hochkomplexen Vodka gibt, der durch einen Spritzer Wermut und eine Idee Cocktail Bitters noch bereichert wird. Es gilt: Weniger ist mehr, gerade im Vergleich zum Gin Martini. In jedem Fall: gerührt! 6 cl würziger Vodka 1 cl trockener Wermut 2–3 Tropfen Orange Bitters Glas: Cocktailschale Garnitur: Zitronenzeste Die Zutaten in einem Rührglas mischen und auf kompaktem, klarem Eis mindestens 30 Sekunden lang gründlich kaltrühren. Ins vorgekühlte Glas abseihen und mit einer Zitronenzeste aromatisieren. Fotos: Constantin Falk, Drink-Design: Nils Wrage, Location: Weinhandlung von Eisen, Berlin 83
Seite 3 und 4: APERITIF VEREHRTE LESER! Auch ich m
Seite 5 und 6: MIXOLOGY TASTE FORUM 68 Gleich zwei
Seite 7 und 8: Kronenhalle Rämisstrasse 4, 8001 Z
Seite 9 und 10: STARS IN BARS KINLY, NICHT KINGLY T
Seite 11 und 12: Entgegen der Annahme Vieler ist die
Seite 13 und 14: ALCHEMIST IDEE. GESCHICHTE. IDEENGE
Seite 15 und 16: MIXOLOGY TASTE FORUM 2017
Seite 17: COCKTAIL WARUM SO BESCHEIDEN? Mosco
Seite 21 und 22: BRAUER-INTERVIEW DER SCHWERTWAL IN
Seite 23 und 24: 103

Mixology - Magazin für Barkultur 3-17

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?