04 Extrakorporale Verfahren zur Lungenunterstützung
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Leitthema<br />
MedKlinIntensivmedNotfmed2017 ·112:426–436<br />
DOI 10.1007/s00063-017-03<strong>04</strong>-y<br />
Eingegangen: 18. April 2017<br />
Angenommen: 18. April 2017<br />
Online publiziert: 29. Mai 2017<br />
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017<br />
Redaktion<br />
S. Kluge, Hamburg<br />
S. Braune 1,2 ·A.Sieweke 1 · D. Jarczak 1 ·S.Kluge 1<br />
1<br />
Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland<br />
2<br />
IV. Medizinische Klinik, Internistische Intensivmedizin und Notaufnahme, St. Franziskus-Hospital,<br />
Münster, Deutschland<br />
<strong>Extrakorporale</strong> <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>Lungenunterstützung</strong><br />
Hintergrund<br />
Die technologische Weiterentwicklung<br />
von Systemen <strong>zur</strong> extrakorporalen <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
mit Verbesserung von<br />
Pumpen, Schlauchsystemen, Gasaustauschmembranen<br />
und Kanülen hat<br />
<strong>zur</strong> Steigerung sowohl von Effektivität<br />
als auch von Sicherheit dieser Systeme<br />
geführt. Trotz der derzeit noch sehr<br />
begrenzten wissenschaftlichen Evidenz<br />
kommen diese Systeme in der Intensivmedizin<br />
zunehmend <strong>zur</strong> Therapie<br />
unterschiedlicher Arten akuter respiratorischer<br />
Insuffizienzen zum Einsatz.<br />
Die Systeme lassen sich in <strong>Verfahren</strong><br />
<strong>zur</strong> extrakorporalen CO 2-Eliminierung<br />
(ECCO 2R) bei ventilatorischer Insuffizienz/Hyperkapnie<br />
und <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong><br />
extrakorporalen Membranoxygenierung<br />
(ECMO) bei schwerer hypoxämischer<br />
Insuffizienzunterteilen. Das Indikationsspektrum<br />
für den Einsatz der extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> reicht von<br />
einem Rescueeinsatz bei schwerer therapierefraktärer<br />
Hypoxämie und/oder<br />
Hyperkapnie über die Ermöglichung<br />
einer lungenprotektiven Beatmung und<br />
über die Unterstützung im Weaningprozess<br />
bis <strong>zur</strong> Vermeidung der Intubation<br />
und invasiven Beatmung. Trotz aller<br />
technologischer Fortentwicklung bleiben<br />
extrakorporale <strong>Lungenunterstützung</strong>sverfahren<br />
invasive und potenziell<br />
komplikationsträchtige Therapieformen,<br />
deren Einsatz stets differenziert und<br />
kompetent durchgeführt werden muss.<br />
Technologie und Systematik<br />
Allen <strong>Verfahren</strong> der extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> gemeinsam ist das<br />
Prinzip der Umleitung einer variablen<br />
Blutmenge pro Zeiteinheit (l/min) über<br />
eine extrakorporale Gasaustauschmembran<br />
mit entsprechender Oberfläche,<br />
dem Kernelement aller Systeme. Ausleitung<br />
und Rückführung des Patientenbluts<br />
erfolgt über perkutan angelegte<br />
Kanülen mit unterschiedlichen Durchmessern<br />
und an unterschiedlicher Lokalisation.<br />
Die Gasaustauschmembran<br />
besteht aus einem beschichteten Hohlfasersystem,<br />
das auf der einen Membranseite<br />
vom sog. Membrangas („sweep<br />
gas“) mit regulierbarem Sauerstoffanteil<br />
(FiO 2) und auf der anderen Membranseite<br />
vom Patientenblut umflossen wird.<br />
» Alle <strong>Verfahren</strong> erfordern eine<br />
effektive Antikoagulation<br />
Der Gasaustausch erfolgt durch Diffusion<br />
über die für Gase semipermeable<br />
Membran und ermöglicht schon ab<br />
einem Blutfluss von 0,2 l/min in Abhängigkeit<br />
vom eingestellten Membrangasfluss<br />
eine effektive CO 2-Elemination<br />
(Decarboxylierung). Während der Grad<br />
der Decarboxylierung im Wesentlichen<br />
vom Membrangasfluss abhängt und nur<br />
bis zu einem extrakorporalen Blutfluss<br />
von etwa 2l/min steigerbar ist, wird<br />
die Oxygenierungskapazität maßgeblich<br />
vom Blutfluss, der Hämoglobinkonzentration,<br />
Membranbeschaffenheit sowie<br />
der Transitzeit bestimmt [36, 55]. Alle<br />
<strong>Verfahren</strong> erfordern trotz spezieller<br />
Innenbeschichtung eine effektive Antikoagulation,<br />
um das Risiko von Thromben<br />
im extrakorporalen Kreislauf und<br />
im Bereich des kanülierten Gefäßes zu<br />
reduzieren [39].<br />
Arteriovenöse extrakorporale<br />
CO 2 -Eliminierung<br />
Das derzeit einzige kommerziell verfügbare<br />
pumpenlose arteriovenöse (av-)<br />
ECCO 2R-System Interventional Lung<br />
Assist (iLA®, Novalung, Heilbronn,<br />
Deutschland) wird weltweit seit dem<br />
Jahr 2001 eingesetzt [47]. Bei arteriovenöser<br />
Flussrichtung erfolgt die arteriofemorale<br />
Ausleitung des Bluts mittels<br />
einer 13–15 Fr großen Kanüle und die<br />
femorovenöse Rückführung des extrakorporal<br />
decarboxylierten Bluts über<br />
eine 15–17 Fr großen Kanüle. Die zwischengeschaltete<br />
Gasaustauschmembran<br />
wird unterhalb Herzhöhe zwischen den<br />
Beinen des Patienten positioniert. Treibende<br />
Kraft für den extrakorporalen<br />
Blutfluss ist der arteriovenöse Druckgradient<br />
des patienteneigenen Blutkreislaufs.<br />
Da der effektive Blutfluss von<br />
0,6–1,5 l/min abhängig vom mittleren<br />
arteriellen Druck ist, ist eine stabile<br />
Kreislaufsituation Grundvoraussetzung<br />
für die Anwendung einer av-ECCO 2R.<br />
Der schematische Aufbau ist in . Abb. 1<br />
dargestellt.<br />
Venovenöse extrakorporale<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong><br />
Venovenöse (vv-)Systeme der extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> (vv-<br />
ECCO 2R und vv-ECMO) sind immer<br />
pumpengetrieben. Gemeinsames<br />
Prinzip ist der funktionell in Reihe geschaltete<br />
extrakorporale Kreislauf mit<br />
venokavaler Aus- und Rückführung des<br />
Patientenbluts. Treibende Kraft dieses<br />
extrakorporalen Blutkreislaufs ist ein<br />
in den extrakorporalen Kreislauf inte-<br />
426 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017
grierter Pumpenkopf, der durch eine<br />
meist zentrifugal wirkende nichtokklusive<br />
Pumpe angetrieben wird. Die früher<br />
verwendeten okklusiven (Roller-)Pumpen<br />
kommen heutzutage wegen ihrer<br />
höheren technischen Fehleranfälligkeiten<br />
und des wesentlich höheren mechanischen<br />
Bluttraumas bei den modernen<br />
Mid- und High-flow-Systemen nicht<br />
mehr zum Einsatz.<br />
» Der Übergang von der reinen<br />
Decarboxylierungsleistung <strong>zur</strong><br />
zusätzlichen Oxygenierung ist<br />
fließend<br />
Der Übergang von einer reinen Decarboxylierungsleistung<br />
(vv-ECCO 2R)<br />
zu einer zusätzlichen Oxygenierung<br />
(vv-ECMO) ist fließend und vom extrakorporalen<br />
Blutfluss abhängig. Ab<br />
Blutflüssen von etwa 1,5–2 l/min beginnt<br />
eine relevante Oxygenierungsleistung.<br />
In Abhängigkeit des Schweregrads<br />
der Hypoxämie und des Herzzeitminutenvolumens<br />
(HZV) können für eine<br />
ausreichende Gesamtoxygenierung des<br />
Patienten extrakorporale Blutflüsse bis<br />
zu 7 l/min notwendig sein, um den Anteil<br />
des über die ECMO oxygenierten<br />
Bluts auf über 50 % des HZV zu bringen.<br />
Das extrakorporal oxygenierte Blut muss<br />
anschließend vom rechten Herzen über<br />
den Lungenkreislauf zum linken Herzen<br />
und von dort über den Systemkreislauf<br />
zu den Endorganen gelangen.<br />
Die Höhe des maximal möglichen<br />
Blutflusses ist abhängig vom intravasalen<br />
Füllungszustand, Kanülen- und<br />
Schlauchinnendurchmesser, Membranoberfläche<br />
und Leistungsfähigkeit des<br />
Pumpensystems. Der schematische Aufbau<br />
ist in . Abb. 2 dargestellt. Anhand<br />
der Höhe des extrakorporalen Blutflusses<br />
kann man zwischen Low-flow-,<br />
Mid-flow- und High-flow-Systemen unterscheiden.<br />
Einen Überblick über die<br />
verschiedenen Systeme ist in . Tab. 1<br />
dargestellt.<br />
Low-flow-Systeme<br />
Low-flow-Systeme (Blutflüsse von etwa<br />
0,2–1,0 l/min) leisten in Abhängigkeit<br />
vom Membrangasfluss und Blutfluss<br />
eine partielle bis nahezu vollständige<br />
Decarboxylierung ohne klinisch relevante<br />
Oxygenierungskapazität. Für die<br />
perkutane venöse Kanülierung werden<br />
in der Regel Doppellumenkatheter<br />
bis zu einer Größe von 16 Fr eingesetzt.<br />
Systeme wie Prismalung® (Baxter, Unterschleißheim,<br />
Deutschland) oder Decap®<br />
(Hemodec, Salerno, Italien) integrieren<br />
die Gasaustauschmembran in ein<br />
kontinuierliches venovenöses Nierenersatzsystem<br />
(CVVH[D]) mit der Option<br />
einer gleichzeitigen Nierenersatztherapie<br />
[4, 16, 26]. Das Hemolung-RAS® -<br />
System (Alung Technologies, Pittsburgh,<br />
USA) kombiniert Pumpenelement und<br />
Gasaustauschmembran zu einer Systemeinheit<br />
[43].<br />
Mid-flow- und High-flow-Systeme<br />
Mid-flow-(Blutflüsse von etwa 1,0–2,0<br />
l/min) und High-flow-Systeme (Blutflüsse<br />
von etwa 2,0–7,0 l/min) bieten<br />
neben der Decarboxylierung mit zunehmender<br />
Blutflussrate auch eine steigende<br />
Oxygenierungskapazität bis zum kom-<br />
Hier steht eine Anzeige.<br />
K
Leitthema<br />
Abb. 1 8 Schematischer av-ECCO 2R-Kreislauf mit arteriovenöser Flussrichtung. av arteriovenös,<br />
ECCO 2R extrakorporale CO 2-Eliminierung<br />
pletten funktionellen Lungenersatz (vv-<br />
ECMO). Bei Mid-flow-Systemen, wie<br />
iLA Activve® (Novalung, Heilbronn,<br />
Deutschland), das „ECCO 2-R-System“<br />
und PALP® (Maquet, Rastatt, Deutschland),<br />
erleichtert die Anlage einer Doppellumenkanüle<br />
mit einem Gesamtdurchmesser<br />
von bis zu 24 Fr in die<br />
rechte Vena jugularis interna bei wachen<br />
Patienten die Mobilisation [1]. Auch für<br />
High-flow-Systeme (vv-ECMO) ist eine<br />
rechtsjuguläre Kanülierung mit einer<br />
großlumigen bikavalen Doppellumenkanüle<br />
einer Größe bis 32 Fr möglich [2,<br />
59]. . Abb. 3 zeigt ein vv-ECMO-System<br />
im Einsatz.<br />
Venoarterielle extrakorporale<br />
Herz-Lungen-Unterstützung<br />
Pumpengetriebene Systeme mit venoarterieller<br />
Flussrichtung werden als kardiopulmonaler<br />
Bypass dem körpereigenen<br />
Kreislauf parallel geschaltet und können<br />
sowohl Lungen- als auch Herzfunktion<br />
temporär unterstützen. Bei einem das<br />
Lungenversagen begleitenden rechtsund/oder<br />
linkskardialen Pumpversagen,<br />
wieetwabeieinemakutenCorpulmonale<br />
oder einer begleitenden septischen und/<br />
oder ischämischen Kardiomyopathie,<br />
muss die Rückgabe des extrakorporal<br />
<strong>Verfahren</strong> das weltweit bisher am bei Versagen der nichtinvasiven<br />
häufigsten eingesetzte <strong>Verfahren</strong> ist [47],<br />
kommenindenletztenJahrenzunehmend<br />
neu entwickelte pumpengetriebene<br />
venovenöse <strong>Verfahren</strong> (vv-ECCO 2R)<br />
zum Einsatz. Wesentliche Vorteile venovenöser<br />
Systeme sind der Verzicht auf<br />
eine arterielle Kanülierung mit den entsprechenden<br />
Risiken arterieller Gefäßkomplikationen,<br />
die relative Unabhängigkeit<br />
von der kardialen Pumpleistung<br />
sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen<br />
Oxygenierung durch Systeme mit der<br />
Option von höheren Bluflussbereichen.<br />
Indikationen<br />
Die Hauptindikation für den Einsatz<br />
einer ECCO 2R ist das schwere therapierefraktäre<br />
hyperkapnische Lungenversagen<br />
ohne schwere hypoxämische<br />
Insuffizienz. Der Einsatz der ECCO 2R<br />
kann dabei akut als Rescueverfahren<br />
bei schwerster lebensbedrohlicher Hyperkapnie<br />
bzw. Azidose erfolgen oder<br />
oxygenierten Bluts über einen funktionellen<br />
<strong>zur</strong> Ermöglichung einer lungenpro-<br />
pulmonalarteriellen Bypass tektiven Beatmung bzw. <strong>zur</strong> Minimie-<br />
direkt dem Systemkreislauf im Gegenstromprinzip<br />
zugeführt werden [48].<br />
Der schematische Aufbau ist in . Abb. 4<br />
dargestellt. Die arterielle Rückgabe des<br />
rung der Beatmungsinvasivität und der<br />
damit assoziierten Nebenwirkung der<br />
sog. ventilatorinduzierten Lungenschädigung<br />
(VILI). Da die extrakorporale<br />
extrakorporal oxygenierten Blutvolumens<br />
Decarboxylierung pathophysiologisch<br />
kann für das gesamte (venoarte-<br />
rielle [va-]ECMO) oder einen Teil des<br />
extrakorporalen Blutvolumens erfolgen<br />
(hybride Konfiguration einer venovenoarteriellen<br />
ECMO, siehe . Abb. 5). Die<br />
Erweiterung der extrakorporalen Unterstützung<br />
auf Herz- und Lungenfunktion<br />
erhöht die Komplexität der Therapie und<br />
des klinischen Managements erheblich.<br />
Als weiterführende Literatur zu diesen<br />
über die reine <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
hinausgehenden <strong>Verfahren</strong> sei auf den<br />
Übersichtsartikel von Graf und Thiele<br />
in dieser Ausgabe verwiesen [31].<br />
die muskuläre Atempumpe des Patienten<br />
entlastet, kann ECCO 2R potenziell<br />
die Entwöhnung von der invasiven Beatmung<br />
unterstützen. Der Einsatz von<br />
ECCO 2R bei wachen nichtintubierten<br />
Patienten mit akuter (akut-auf-chronischer)<br />
ventilatorischer Insuffizienz <strong>zur</strong><br />
primären Vermeidung einer Intubation<br />
und invasiven Beatmung stellt derzeit<br />
(noch) einen experimentellen Ansatz<br />
bzw. individuellen Heilversuch dar [51].<br />
Indikationen für eine ECCO 2R-Therapie<br />
sind [10, 45]:<br />
4 Rescuetherapie einer schwersten<br />
therapierefraktären Hyperkapnie<br />
<strong>Extrakorporale</strong> CO 2 -Elimierung und Azidose ohne begleitende oder<br />
drohende schwere Hypoxämie,<br />
ECCO 2R-<strong>Verfahren</strong>basierenaufdenfrühen<br />
tierexperimentellen Versuchen von<br />
Kolobow und Gattinoni et al. [40]. Mithilfe<br />
der ECCO 2R kann bei Patienten mit<br />
hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz<br />
eine effektive Decarboxylierung erzielt<br />
werden. Während das av-ECCO 2RiLA®<br />
4 Ermöglichung einer (ultra-)lungenprotektiven<br />
invasiven Beatmung<br />
ohne begleitende oder drohende<br />
schwere Hypoxämie,<br />
4 Entlastung der Atemmuskelpumpe<br />
im Rahmen des Weanings,<br />
4 Entlastung der Atemmuskelpumpe<br />
428 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017
Zusammenfassung · Abstract<br />
Beatmung (NIV) bei Patienten mit<br />
akutem (akut-auf-chronischem)<br />
ventilatorischem Lungenversagen <strong>zur</strong><br />
Vermeidung einer (Re-)Intubation.<br />
Da alle ECCO 2R-<strong>Verfahren</strong> invasive<br />
Maßnahmen mit spezifischen eigenen<br />
Risiken und Komplikationen darstellen,<br />
sollte die Indikation <strong>zur</strong> ECCO 2R stets<br />
kritisch geprüft werden und vor Beginn<br />
einer ECCO 2R alle konventionellen<br />
Maßnahmen, insbesondere NIV und die<br />
Optimierung der lungenprotektiven invasiven<br />
Beatmung ausgeschöpft worden<br />
sein [65].<br />
Bei der Entscheidung für den Einsatz<br />
einer ECCO 2R bei primär führender<br />
Hyperkapnie kann die A-priori-Abschätzung<br />
der Wahrscheinlichkeit einer sich<br />
im Verlauf zusätzlich entwickelnden progredienten<br />
Hypoxämie, für die eine zusätzliche<br />
extrakorporale Oxygenierung<br />
(vv-ECMO) notwendig wird, schwierig<br />
sein [11].<br />
Grundvoraussetzung für eine<br />
ECCO 2R-Therapie ist die prinzipielle<br />
Reversibilität der zugrunde liegenden<br />
akuten Lungenerkrankung oder die<br />
Option eines Bridging <strong>zur</strong> Lungentransplantation.<br />
Auch diese A-priori-<br />
Einschätzung ist im klinischen Alltag oft<br />
schwierig.<br />
Evidenz<br />
Die klinische Evidenz hinsichtlich der<br />
Wirksamkeit und Sicherheit einer<br />
ECCO 2R-Therapie ist derzeit noch<br />
sehr begrenzt. Als Rescueverfahren bei<br />
schwerster beatmungsrefraktärer lebensbedrohlicher<br />
Hyperkapnie und Azidose<br />
ohne wesentliche Hypoxämie sind Einzelfallbeschreibungen<br />
z. B. im Rahmen<br />
eines Status asthmaticus mit dynamischer<br />
Überblähung [12] odereinerakuten<br />
restriktiven Lungenerkrankungen<br />
[52] publiziertworden.<br />
Zum Einsatz von ECCO 2R<strong>zur</strong>Ermöglichung<br />
einer lungenprotektiven<br />
Beatmung sind einige Fallserien publiziert<br />
worden [25, 49]. Allerdings handelt<br />
es sich hier neben 2 randomisierten<br />
klinischen Studien um Observationsstudien<br />
ohne Vergleichsgruppen. Die bisher<br />
einzige prospektive randomisierte multizentrische<br />
Xtravent-Studie zum Einsatz<br />
Med Klin Intensivmed Notfmed 2017 · 112:426–436<br />
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017<br />
S.Braune·A.Sieweke·D.Jarczak·S.Kluge<br />
DOI 10.1007/s00063-017-03<strong>04</strong>-y<br />
<strong>Extrakorporale</strong> <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> extrakorporalen <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
haben in den letzten Jahren eine<br />
rapide technologische Weiterentwicklungmit<br />
Verbesserung von Effektivität und Sicherheit<br />
erfahren. Trotz der derzeit noch sehr begrenzten<br />
wissenschaftlichen Evidenz kommen<br />
diese Systeme in der Intensivmedizin zunehmend<br />
<strong>zur</strong> Therapie unterschiedlicher Arten<br />
akuter respiratorischer Insuffizienzen zum<br />
Einsatz.DieSystemelassensichin<strong>Verfahren</strong><br />
<strong>zur</strong> extrakorporalen Kohlendioxid (CO 2-<br />
)Eliminierung (ECCO 2R) bei ventilatorischer Insuffizienz<br />
und <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> extrakorporalen<br />
Membranoxygenierung (ECMO) bei schwerer<br />
hypoxämischer Insuffizienz unterteilen.<br />
Extracorporeal lung support<br />
Abstract<br />
Systems for extracorporeal lung support have<br />
recently undergone significant technological<br />
improvements leading to more effective and<br />
safe treatment. Despite limited scientific<br />
evidence these systems are increasingly used<br />
in the intensive care unit for treatment of<br />
different types of acute respiratory failure. In<br />
general two types of systems can be differentiated:<br />
devices for extracorporeal carbon<br />
dioxide removal (ECCO 2R) for ventilatory<br />
insufficiency and devices for extracorporeal<br />
membrane oxygenation (ECMO) for severe<br />
hypoxemic failure. Despite of all technological<br />
developments extracorporeal lung support<br />
Trotz der technologischen Fortentwicklung<br />
bleiben extrakorporale <strong>Lungenunterstützung</strong>sverfahren<br />
invasive und potenziell<br />
komplikationsträchtige Therapieformen mit<br />
Blutungen und Gefäßverletzungen als die<br />
beiden Hauptkomplikationen. Daher sollten<br />
Indikation und Kontraindikationen stets<br />
kritisch abgewogen werden und ihr Einsatz<br />
nur in Zentren mit entsprechender Erfahrung<br />
und Expertise erfolgen.<br />
Schlüsselwörter<br />
Respiratorisches Versagen · Hyperkapnie ·<br />
<strong>Extrakorporale</strong> Membranoxygenierung ·<br />
Beatmung · Weaning<br />
remains an invasive and a potentially<br />
dangerous form of treatment with bleeding<br />
and vascular injury being the two main<br />
complications. For this reason indications and<br />
contraindications should always be critically<br />
considered and extracorporeal lung support<br />
should only be carried out in centers with<br />
appropriate experience and expertise.<br />
Keywords<br />
Respiratory failure · Hypercapnia · Extracorporeal<br />
membrane oxygenation · Ventilation ·<br />
Weaning<br />
von av-ECCO 2R<strong>zur</strong>Ermöglichungeiner<br />
ultraprotektiven Beatmung (Beatmung<br />
mit Tidalvolumen von 3 ml/kg ideales<br />
Körpergewicht [IBW] unter av-ECCO 2R<br />
vs. konventioneller Beatmung mit Tidalvolumen<br />
von 6 ml/kgIBW) bei Patienten<br />
mit mittelschwerem und schwerem<br />
„acute respiratory distress syndrome“<br />
(ARDS) zeigte, außer einer Reduktion laborchemischer<br />
Inflammationsparameter<br />
unter ultraprotektiver Beatmung, keinen<br />
Mortalitätsbenefit [7]. Die Ergebnisse<br />
der derzeit laufenden randomisierten<br />
multizentrischen SUPERNOVA-Studie<br />
zum Einsatz von 3 unterschiedlichen<br />
<strong>Verfahren</strong> der vv-ECCO 2R<strong>zur</strong>Ermöglichung<br />
einer ultraprotektiven Beatmung<br />
(4 ml/kgIBW) stehen noch aus [60].<br />
» Die Xtravent-Studie zum<br />
Einsatz von av-ECCO 2 RbeiARDS<br />
zeigte keinen Mortalitätsbenefit<br />
In der bereits genannten Xtravent-Studie<br />
wurde für die Subgruppe der Patienten<br />
mit schwerem ARDS (Horowitz-<br />
Index
Leitthema<br />
Abb. 2 9 Schematischer<br />
vv-ECCO 2R-/vv-ECMO-<br />
Kreislauf mit venovenöser<br />
Flussrichtung. Gasaustauschmembran<br />
links:<br />
zunehmende Oxygenierungskapazität<br />
mit<br />
steigendem Blutfluss bis<br />
zum Lungenersatzverfahren,<br />
erfordert Heizeinheit.<br />
Gasaustauschmembran<br />
rechts: ausschließlich<br />
Decarboxylierung. BF Blutflussrate,<br />
ECCO 2R extrakorporale<br />
CO 2-Eliminierung,<br />
ECMO extrakorporale<br />
Membranoxygenierung,<br />
vv venovenös<br />
nings. In einer kleinen Fallserie zum Einsatz<br />
von vv-ECCO 2R <strong>zur</strong> frühen Extubation<br />
bei 5 invasiv beatmeten Patienten<br />
mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung(COPD)konntenalle<br />
PatientenerfolgreichunterECCO<br />
2Rmobilisiert<br />
und innerhalb von 72 h nach ECCO 2R-<br />
Beginn extubiert werden [1].<br />
Zum Einsatz von ECCO 2R<strong>zur</strong>primären<br />
Vermeidung einer Intubation<br />
und invasiven Beatmung bei hyperkapnischen<br />
Patienten mit Versagen der NIV<br />
existieren momentan lediglich einige<br />
Fallserien und Fall-Kontroll-Studien. In<br />
einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie<br />
von Kluge et al. konnte bei 90%<br />
der Patienten mit NIV-Versagen durch<br />
den Einsatz einer av-ECCO 2RdieIntubation<br />
vermieden werden [38]. Sehr<br />
unterschiedliche Erfolgsraten mit Intubationsraten<br />
von bis zu 44 % zeigten 3<br />
kleinere prospektive Studien zum Einsatz<br />
vonvv-ECCO 2RanhyperkapnischenPatienten<br />
mit manifestem NIV-Versagen<br />
[11, 14] oder drohendem NIV-Versagen<br />
[21]. Ein im Jahr 2015 publiziertes<br />
systematisches Review fand zusammenfassend<br />
bei insgesamt 70 Patienten eine<br />
Rate an erfolgreicher Intubationsvermeidung<br />
von 93 % [58]. Allerdings waren die<br />
Ergebnisse der aktuellsten ECLAIR-Studiemit25ECCO<br />
2R-Patientennicht indie<br />
Analyse eingegangen [11]. Unterschiede<br />
im Studiendesign und den angewendeten<br />
ECCO 2R-<strong>Verfahren</strong> erschweren den<br />
Vergleich der Einzelergebnisse. Weitere<br />
prospektive randomisierte Studien<br />
mit ausreichend hoher Fallzahl zu dieser<br />
Fragestellung sind notwendig, um<br />
die Wirksamkeit und Sicherheit dieser<br />
Therapiestrategie zu überprüfen.<br />
Venovenöse extrakorporale<br />
Membranoxygenierung<br />
Indikationen<br />
Bei einem lebensbedrohlichen therapierefraktären<br />
globalen Lungenversagen<br />
(Horowitz-Index
Tab. 1 Systeme für eine extrakorporale CO 2-Eliminierung (ECCO 2R) bzw. venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung (vv-ECMO)<br />
av-ECCO 2R vv-ECCO 2R kombiniert mit CRRT vv-ECCO 2R vv-ECCO 2Rbisvv-ECMO<br />
iLA® Decap® Prismalung® HEMOLUNG® iLA Activve® ECCO 2-R bis PLS®<br />
PALP® bis CardioHelp ®<br />
BF 0,6–1,5 l/min BF
Leitthema<br />
4 Invasive Beatmung länger als 7 Tage,<br />
4 Immunsuppression mit Neutropenie,<br />
4 akute intrakranielle Blutung,<br />
4 schwerste oder terminale Komorbiditäten,<br />
4 hohes Lebensalter.<br />
Abb. 3 8 Venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung (vv-ECMO, High-flow-System) mit venovenöser<br />
Flussrichtung (a). Aufbau als Mid-flow-System (b). Alternative Kanülierung mit jugulärer<br />
bikavaler Doppellumenkanüle (c). 1 venöse Ausleitung; 2 venöse Rückführung (helles oxygeniertes<br />
Blut); 3(hf) Gasaustauschmembran High-flow-<strong>Verfahren</strong>; 3(mf) Gasaustauschmembran Mid-flow-<br />
<strong>Verfahren</strong>; 4 Membrangasschlauch; 5 Konsole; 6 Druckabnehmer; 7 Pumpenkopf<br />
Abb. 4 8 Schematischer Kreislauf einer venoarteriellen extrakorporalen Membranoxygenierung<br />
(va-ECMO)mitvenoarteriellerFlussrichtung.ArterielleRückführungdesoxygeniertenunddecarboxylierten<br />
Bluts. Unterstützung der Herzfunktion in Abhängigkeit von Herzzeitvolumen und Blutfluss<br />
Einsatz der extrakorporaler<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong><br />
Kontraindikationen<br />
Die Identifikation von Risikofaktoren<br />
für schwere Komplikationen und ein<br />
schlechtes Outcome unter extrakorporaler<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> ist essenziell<br />
und im klinischen Alltag a priori oft<br />
schwer abzuschätzen. Nach den Leitlinien<br />
der Extracorporeal Life Support<br />
Organization[22]werdenfürdenEinsatz<br />
einer vv-ECMO bei akutem Lungenversagen<br />
folgende relative Kontraindikationen<br />
genannt:<br />
Grundsätzlich sind diese Kontraindikationen<br />
auch auf den Einsatz von vv-<br />
ECCO 2R übertragbar, hier existieren allerdings<br />
bislang keine offiziellen Empfehlungen<br />
oder Leitlinien.<br />
Während derzeit für den Einsatz von<br />
ECCO 2R-<strong>Verfahren</strong> auch keine validierten<br />
Risikoscores existieren, wurden für<br />
den Einsatz von ECMO beim akuten<br />
Lungenversagen einige validierte Risikoscores<br />
publiziert [21, 54, 56].<br />
Letztlich stellt im klinischen Alltag<br />
die Abschätzung von individueller Prognose<br />
und Komplikationswahrscheinlichkeit<br />
eine große Herausforderung dar und<br />
bleibt stets eine Einzelfallentscheidung.<br />
Komplikationen<br />
Komplikationen der extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> sind häufig und<br />
potenziell lebensbedrohlich [24, 44, 45,<br />
58]. Daher ist es wichtig, dass typische<br />
ECMO-/ECCO 2R-assoziierte Komplikationen<br />
rasch erkannt und umgehend<br />
behandelt werden. Die häufigsten Komplikationen<br />
sind Blutungskomplikationen<br />
mit Inzidenzen bis zu 50 % und<br />
kanülierungsassoziierte Verletzungen.<br />
Blutungen sind durch die <strong>zur</strong> Vermeidung<br />
von Thrombosen im extrakorporalen<br />
Schlauch- und Membransystem<br />
notwendige therapeutische Antikoagulation,<br />
vorbestehende Koagulopathien<br />
sowie durch Gerinnungsaktivierungen<br />
des extrakorporalenKreislaufs selbst, wie<br />
etwa das erworbene von-Willebrand-<br />
Syndrom oder Verbrauchskoagulopathien,<br />
bedingt [34, 35]. Bis zu 13 % der<br />
ECMO-Patienten erleiden neurologische<br />
Komplikationen,v.a.intrazerebraleBlutungen,<br />
zerebrale Insulte und Krampfanfälle<br />
mit Verschlechterung der Gesamtprognose<br />
[32, 44]. Einen Überblick<br />
über die Art und Häufigkeit von ECMO-<br />
Komplikationen ist in . Tab. 2dargestellt.<br />
Für ein effektives Komplikationsmanagement<br />
sind sowohl die entsprechende<br />
Expertise des intensivmedizinischen<br />
432 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017
Abb. 5 8 Venovenoarterielle extrakorporale Membranoxygenierung (vva-ECMO, High-flow System)<br />
mitvenovenöserundvenoarteriellerFlussrichtung<strong>zur</strong>pulmonalenundkardialenUnterstützung(a,b).<br />
KanülierungmitFixierung(c,d).1arterielleReperfusionskanülerechtesBein,2venöseAusleitung,3femoralearterielleRückführungundjugulärevenöseRückführung4Pumpenkopf,5Gasaustauschmembran,<br />
6 Membrangasschlauch, 7 Konsole, 8 Heizeinheit<br />
ECMO-/ECCO 2R-Behandlungsteams<br />
als auch die Vorhaltung entsprechend<br />
geschulter chirurgischer Teams (Allgemeinchirurgie,<br />
Herz- und/oder Gefäßchirurgie)<br />
zwingend notwendig.<br />
Klinisches Management<br />
Vor Implementierung eines extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong>ssystems ist<br />
eine transthorakale Echokardiographie<br />
<strong>zur</strong> Abschätzung des Herzzeitvolumens<br />
(HZV) sowie eine Doppler-Sonographie<br />
der zu kanülierenden Gefäße zum<br />
Ausschluss von Thrombosen und <strong>zur</strong><br />
Abschätzung der Gefäßgröße zu empfehlen.<br />
Eine sonographisch gestützte<br />
Gefäßpunktion kann die Komplikationen<br />
bei der Kanülenanlage senken [5].<br />
Die Auswahl der Kanülenart und -größe<br />
erfolgt nach dem für eine ausreichende<br />
Decarboxylierung bzw. Oxygenierung<br />
zu erwartenden notwendigen Blutfluss.<br />
Eine herausragende Bedeutung kommt<br />
der strengen Asepsis bei der Kanülenanlage<br />
bzw. -pflege sowie der sicheren<br />
Kanülenfixierung <strong>zur</strong> Vermeidung von<br />
Kanüleninfektionen respektive -dislokationen<br />
zu.<br />
Unmittelbar nach erfolgreicher Implementierung<br />
der extrakorporalen <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
ist <strong>zur</strong> Minimierung<br />
der VILI eine (ultra-)protektive Beatmung<br />
(Tidalvolumen von 4–6 ml/<br />
kgIBW, inspiratorischer Plateaudruck,<br />
P insp,
Leitthema<br />
Tab. 2 Komplikationen unter Therapie mit extrakorporaler Membranoxygenierung. (Aus [39])<br />
Ursache<br />
Komplikation (Häufigkeit in %, z. T. hohe Dunkelziffer)<br />
Gerätebedingt – „Clotting“ im extrakorporalen Kreislauf (bis 25 %)<br />
Kanülenbedingt<br />
Systemisch<br />
– Gerätfehlfunktion (bis 5 %)<br />
– Defekt des extrakorporalen Schlauchsystem (1–4 %)<br />
– Gefäßverletzungen<br />
– Gefäßthrombosen<br />
– Kanülendislokation<br />
(Insgesamt etwa 8 % kanülenassoziierte Komplikationen)<br />
– Blutungen(50%)<br />
– Kanülenassoziiert (17 %)<br />
– Pulmonal, gastrointestinal, zerebral (8 %, 6 %, 8 %)<br />
– Erworbenes von-Willebrand-Faktor-Syndrom (bis 80 %)<br />
– Thrombozytopenie/-pathie (bis 50 %)<br />
– Zerebrale Ischämie (bis 8 %)<br />
– Hämolyse(3%)<br />
– Verbrauchskoagulopathie (3 %)<br />
– Kanüleninfektion<br />
von Decarboxylierungs- bzw. Oxygenierungsleistung,<br />
der Veränderungen des<br />
Membrandruckgradienten und/oder des<br />
Anstiegs der D-Dimere als Hinweis für<br />
eine zunehmende Gerinnungsaktivierung<br />
in der Membran. Bei einem akuten<br />
Ausfall des Systems muss sofort die invasive<br />
Beatmung intensiviert werden und<br />
innerhalb kürzester Zeit technisch und<br />
personell ein Systemwechsel möglich<br />
sein.<br />
» Bei Blutungskomplikationen<br />
kann die Antikoagulation<br />
reduziert oder pausiert werden<br />
Nach klinischer Stabilisierung sollte eine<br />
Reduktion der Sedierung mit nachfolgenderassistierterBeatmungundBeginn<br />
der Beatmungsentwöhnung erfolgen.<br />
Dabei sind exzessive transpulmonale<br />
Druckschwankungen unter (früher) assistierter<br />
Spontanatmung zu vermeiden,<br />
da diese wahrscheinlich auch zu einem<br />
VILI beitragen können [13, 29].<br />
Hier kann das Monitoring von Ösophagusdruck<br />
und/oder diaphragmaler<br />
elektrischer Impedanz mittels spezieller<br />
Ösophagussonden hilfreich sein [13].<br />
Um die Sedierungsreduktion und das<br />
Weaning zu erleichtern, ist eine dilatative<br />
Tracheotomie auch unter laufender<br />
ECMO-/ECCO 2R-Therapie möglich [9].<br />
Trotz schwacher Evidenz erfolgt in den<br />
meisten ECMO-Zentren unter Beachtung<br />
entsprechender Vorsichtsmaßnahmen<br />
eine Frühmobilisation von ECMO-<br />
Patienten [2, 30].<br />
Schließlich beginnt das Weaning der<br />
vv-ECMO/ECCO 2RmitReduktionvon<br />
Gasfluss und/oder Blutfluss unter engmaschigem<br />
Monitoring bis hin <strong>zur</strong> Dekanülierung.<br />
Nach Dekanülierung sollte<br />
stets eine sonographische Untersuchung<br />
der punktierten Gefäße zum Ausschluss<br />
von kanülenassoziierten Thrombosen erfolgen<br />
[62].<br />
» Die sog. Wach-ECMO/-ECCO 2 R<br />
setzte einen kooperativen<br />
nichtdeliranten Patienten voraus<br />
Eine besondere Herausforderung stellt<br />
das Management der ECMO/ECCO 2R<br />
bei wachen nicht intubierten Patienten<br />
dar (sog. Wach-ECMO/-ECCO 2R; [42]).<br />
Den Vorteilen der Vermeidung zahlreicher<br />
negativer Aspekte der invasiven<br />
Beatmung stehen die Komplexität der<br />
Interaktion von Patient und extrakorporaler<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> und das<br />
besondere Management eines wachen<br />
Patienten unter dieser Therapieform<br />
gegenüber. Grundvoraussetzung sind<br />
ein erfahrenes Behandlungsteam und<br />
ein kooperativer nichtdeliranter Patient.<br />
Im Fall einer ausbleibenden Besserung<br />
und weiterbestehenden Abhängigkeit<br />
von der extrakorporalen <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
ohne Transplantationsoption<br />
können schwerwiegende psychologischethische<br />
Konflikte entstehen [3].<br />
Fazit für die Praxis<br />
4 Bei der extrakorporalen <strong>Lungenunterstützung</strong><br />
lassen sich Systeme <strong>zur</strong><br />
extrakorporalen CO 2-Eliminierung<br />
(ECCO 2R) und Systeme <strong>zur</strong> extrakorporalen<br />
Membranoxygenierung<br />
(ECMO) unterscheiden. Diese <strong>Verfahren</strong><br />
haben in den letzten Jahren eine<br />
technologische Weiterentwicklung<br />
mit Verbesserung von Effektivität<br />
und Sicherheit erfahren und werden<br />
mit zunehmender Häufigkeit in<br />
Deutschland angewendet.<br />
4 Derzeit existiert für die extrakorporalen<br />
<strong>Lungenunterstützung</strong> eine sehr<br />
begrenzte wissenschaftliche Evidenz.<br />
Daher ist eine strenge Indikationsstellung<br />
erforderlich.<br />
4 <strong>Extrakorporale</strong> <strong>Lungenunterstützung</strong>sverfahren<br />
sollten nur dort angewendet<br />
werden, wo ausreichende<br />
Expertise besteht und Komplikationen<br />
adäquat behandelt werden<br />
können. Hauptkomplikationen sind<br />
Blutungen und Gefäßverletzungen.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Dr. S. Kluge<br />
Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum<br />
Hamburg-Eppendorf<br />
Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland<br />
skluge@uke.de<br />
Einhaltung ethischer Richtlinien<br />
Interessenkonflikt. S. Braune hat Vortragshonorare<br />
von der Novalung GmbH erhalten. S. Kluge ist<br />
Mitglied im Advisory Board der Novalung GmbH und<br />
der Firma Gambro, er hat zudem Vortragshonorare<br />
von der Novalung GmbH und der Firma Gambro erhalten.A.SiewekeundD.Jarczakgebenan,dasskein<br />
Interessenkonflikt besteht.<br />
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren<br />
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.<br />
434 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017
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Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017 435
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flowandbraintissueoxygenationafteraneurysmal<br />
subarachnoid hemmorrhage: results of a phase I<br />
study.NeurocritCare25:205–214<br />
65. Westhoff M, Bachmann M, Braune S et al<br />
(2016) Schweres hyperkapnisches Atemversagen<br />
bei akuter COPD-Exazerbation: Stellenwert von<br />
Beatmung und ECCO2R. Dtsch Med Wochenschr<br />
141:1758–1717<br />
Limathe, J.<br />
Neurologische Notfälle<br />
Präklinische und innerklinische<br />
Akutversorgung<br />
Berlin Heidelberg: Springer-Verlag<br />
2016, 1. Auflage, 291 S., 105 Abb.,<br />
(ISBN: 978-3-662-49774-6), Softcover<br />
49,99 EUR<br />
Ein wichtiger Baustein<br />
für das weite<br />
Feld der Notfallmedizin<br />
ist Ende<br />
2016 im Springer<br />
Verlag erschienen.<br />
Litmathe befasst<br />
sich als Herausgeber<br />
in diesem Werk in<br />
insgesamt 15 Kapiteln und auf ca. 290 Seiten<br />
mit allen neurologischen, notfallmedizinisch<br />
relevanten Aspekten. Verschiedene Autoren<br />
tragen hierin ihre spezielle Expertise zu den<br />
verschiedenen Topics bei.<br />
Zuvorderst werden die wichtigsten Krankheitsbilder<br />
wie ischämischer Schlaganfall,<br />
intracranielle Blutung und der akute Krampfanfall<br />
behandelt. Weiterhin werden aber auch<br />
wichtige und immer wieder in einer Notaufnahme<br />
anzutreffende Krankheitsbilder/-<br />
symptome wie Meningitis oder Schwindel<br />
behandelt. Von äußerster praktischer Relevanz<br />
sind zudem auch die Themen „unklare<br />
Bewusstseinstrübung“ und psychiatrische<br />
Notfälle. Schließlich wird das Buch ergänzt<br />
durch ein Kapitel aus der Kinderneurologie.<br />
Auch intensivmedizinisch relevante Folgen<br />
von Reanimationen und betriebswirtschaftliche<br />
Aspekte im Zusammenspiel Neurologie/ZNA<br />
finden Berücksichtigung. In einem<br />
freiwilligen Quiz am Ende des Buches kann<br />
der Leser sein neu erworbenes Wissen überprüfen.<br />
Der Herausgeber möchte sich vor allem<br />
an junge Ärzte richten, die sich in ihrem<br />
täglichen Einsatz in Notaufnahme oder Rettungsdienst<br />
als interdisziplinär verpflichtete<br />
Ärzte häufig neurologischen Akutpatienten<br />
gegenüber sehen. Hier soll gerade für „Nicht-<br />
Neurologen“ eine oft noch vorhandene Unsicherheit<br />
abgebaut werden.<br />
Insgesamt ist das Werk anschaulich gestaltet,<br />
mit zahlreichen, den Text ergänzenden Abbildungen<br />
und Schaubildern versehen und<br />
weist einen angenehmen Lesefluss auf. Der<br />
analytische Charakter bei allen Einzelautoren<br />
und der stets beibehaltene rote Faden ermöglichen<br />
eine Nutzung des Buches sowohl<br />
<strong>zur</strong> Gesamtlektüre wie auch zum schnellen<br />
Nachschlagen.<br />
Dem Herausgeber ist es mit der Vorlage dieses<br />
Buches in jedem Fall gelungen, das Ziel,<br />
jungen notfallmedizinisch tätigen Ärzten<br />
aus nicht neurologischen Fächern die Unsicherheit<br />
zu nehmen, zu erreichen. Gerade in<br />
diesem Kontext konnte eine noch bestehende<br />
Lücke in der medizinischen Fachliteratur<br />
erfolgreich geschlossen werden.<br />
Dr.M.Kurt,Berlin<br />
436 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5 · 2017