HERBST 2012 EDITION - Edition Raetia
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Der Medientheoretiker Marshall McLuhan prägte den Begriff des „Globalen Dorfes“, um<br />
auszudrücken, wie durch moderne Kommunikationsmittel die Welt zu einem Dorf wird.<br />
Diesen Gedanken weiterspinnend merken wir heute, wie einerseits die Welt ins Dorf<br />
kommt, aber andererseits das Dorf auch in die Welt – das Interesse am ländlichen Leben<br />
wächst. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch unser Programm als Regionalverlag:<br />
Das Interessante an Südtirol als Botschafter nach außen tragen, den Blick auf die lokale<br />
Realität weiten und Verbindungspunkte zwischen der Welt en gros und en détail (Claudio<br />
Magris) aufzeigen, das sind unsere Leitlinien.<br />
Das vorliegende Herbstprogramm bietet hierfür eine ganze Reihe an Beispielen. Im Bereich<br />
Geschichte etwa Hans-Günter Richardis „Gäste, Glanz und Granaten“, die Geschichte<br />
Toblachs und des Höhlensteintales als Tourismusdestination für illustre Gäste, bald aber<br />
als Frontverlauf während des Ersten Weltkrieges, oder die Bände „An der Grenze“ und<br />
„Ich lasse mich nicht länger für einen Narren halten“, zwei interdisziplinäre Studien, die<br />
sich mit Grenzorten beziehungsweise dem Umgang mit Psychiatriepatienten beschäftigen,<br />
und dabei jeweils die Nachbarregionen einschließen sowie den aktuellen Stand der internationalen<br />
Forschung in den regionalen Kontext einbringen. Mit Beispielen aus ganz Mitteleuropa<br />
greift der Innsbrucker Politologe Günther Pallaver das Thema Erinnerungskultur in<br />
Bezug auf „Umstrittene Denkmäler“ auf. Unter dem Titel „Ich war das Jadekind“ erscheinen<br />
in der Reihe „Memoria“ die Lebenserinnerungen der Meranerin Marion Schiffler, die<br />
in den 1920er-Jahren in China aufwuchs. Wie ein lokales Ereignis weltweite Aufmerksamkeit<br />
erlangt, erzählt der Pathologe Eduard Egarter Vigl, „Ötzis Leibarzt“. Er war es, der die<br />
Gletschermumie nach ersten Untersuchungen in Innsbruck laufend untersuchte, und er<br />
war es, der Jahre später die Pfeilspitze in Ötzis Rücken entdeckt und so die Todesursache<br />
klärte – spannend wie ein Krimi.<br />
Südtirol ist als Urlaubsland beliebt, viele seiner Schätze sind jedoch weitgehend unbekannt.<br />
Brunamaria Dal Lago Veneri, Schülerin Italo Calvinos und Anthropologin, versammelt für<br />
ihren „kuriosen Reiseführer“ Südtirols und Trentinos Sagen, Legenden und vor Ort erzählte<br />
Geschichten, und fördert so versteckte Sehenswürdigkeiten, unbekannte Bräuche<br />
oder technische Kulturgüter zutage. Einen neuen Blick aufs Land wirft auch der Fotograf<br />
Othmar Seehauser, der „365 Wortbilder“ sammelte – fotografische Südtirolimpressionen<br />
kombiniert mit Textauszügen Südtiroler Autoren.<br />
Womit wir bei der Literatur wären: Auch hier gilt der erweiterte Blickwinkel, auch hier<br />
entdecken wir Kurioses: Der „rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch widmete eine seiner literarischen<br />
Reportagen einem jungen Tiroler Bauern, der seine letzten Tiere verkaufte, um<br />
in Spanien gegen den Faschismus zu kämpfen. Die Hintergründe dieser Story, der Kisch<br />
den Titel „Die drei Kühe“ gab, zeichnet Joachim Gatterer nach. Auf Spurensuche in der<br />
Literatur begeben sich auch der Berliner Künstler Hans Winkler zusammen mit den Autoren<br />
Kurt Lanthaler und Martin Hanni: Sie beginnt mit einer Zeitungsnotiz aus dem Jahr<br />
1900, dass der Schriftsteller Franz Held in die „Irreanstalt“ von Bozen/Gries eingewiesen<br />
worden sei. Held, der eigentlich Herzfeld hieß und aus Düsseldorf stammte, war der Vater<br />
zweier wichtiger Dadaisten, John Heartfield und Wieland Herzfelde, schrieb selbst<br />
(vor)-dadaistische Texte, war Anarchist und wurde wegen Gotteslästerung verurteilt.<br />
Viel Vergnügen und spannende Entdeckungen<br />
wünschen Gottfried Solderer, Thomas Kager und das <strong>Raetia</strong>-Team