Militaer_aktuell_2_2017
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WeltgesChehen<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
ComebaCk in eUropa<br />
Die USA stärken ihre<br />
Truppen am alten<br />
Kontinent — S. 14<br />
militär<br />
Cyber-abWehr<br />
Zu Besuch bei den<br />
Digital-Experten in der<br />
Stiftskaserne — S. 38<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 2|17<br />
EURO 3,80<br />
AKTUELL<br />
milizbeaUftragter<br />
brigadier erWin hameseder:<br />
„Ohne die Miliz ist die<br />
gegenwärtige Auftragslage<br />
nicht zu bewältigen!“ — S. 28<br />
Das Bundesheer braucht<br />
in den nächsten Jahren 2.000<br />
neue Unteroffiziere. In der<br />
Heeresunteroffiziersakademie<br />
in Enns soll das zukünftige<br />
Rückgrat der Truppe<br />
ausgebildet werden.<br />
personaloffensive beim heer<br />
Wanted: mehr<br />
Unteroffiziere
Informationen zu den Einstiegsmöglichkeiten unter<br />
piloten.bundesheer.at oder auf bundesheer.karriere
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
COV E R FOTO : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT FOTO S : G E O R G M A D E R , B U N D E S H E E R / WO L FG A N G G R E B I E N<br />
W<br />
eg von der Verwaltung und hin zum<br />
Einsatz. So lässt sich – stark vereinfacht<br />
– die Umstrukturierung im Zuge<br />
der <strong>aktuell</strong>en Bundesheer-Reform beschreiben.<br />
Für die Personalplaner des<br />
H eeres bedeutet das: Der ohnehin<br />
große Bedarf an Unteroffizieren hat sich durch diese Umgewichtung<br />
weiter verschärft. In den kommenden Jahren<br />
sind alleine in diesem Bereich 2.000 neue Arbeitsplätze<br />
vorgesehen, der Zustrom hält sich bislang allerdings in<br />
Grenzen. Um das benötigte Personal rekrutieren zu können,<br />
wurden daher in den vergangenen Monaten zahlreiche<br />
Verbesserungen auf Schiene gebracht – unter anderem<br />
wurde die Ausbildung deutlich moderner und attraktiver<br />
gestaltet. Wie das in der Praxis aussieht, hat sich unser<br />
Redakteur Johannes Luxner in der Heeresunteroffiziersakademie<br />
in Enns angesehen (zu lesen ist sein Bericht ab<br />
Seite 34). Vor Ort konnte er mit Soldaten in Ausbildung<br />
sprechen, aber auch mit dem Kommandanten Brigadier<br />
Nikolaus Egger, der ihm das theoretische Grundkonzept<br />
erläuterte und dabei auch die stärkere internationale<br />
Ausrichtung der Heeresunteroffiziersakademie betonte.<br />
Im Gespräch mit US-Militärs<br />
Georg Mader als „rasenden Reporter“ zu<br />
bezeichnen, könnte missverstanden werden.<br />
Unter dem Strich ist er aber genau das: immer<br />
auf der Suche nach neuen Geschichten! Dabei<br />
ist ihm kein Weg zu weit, wie sein Besuch<br />
auf der Flug- und Schiffsshow LIMA in Malaysia<br />
bewies (ab Seite 42). Auch die Entladung von<br />
schwerem US-Gerät in Bremerhaven wollte<br />
er sich nicht entgehen lassen und kam dort<br />
prompt mit Generalmajor Duane A. Gamble<br />
über die US-Pläne in Europa ins Gespräch.<br />
Stark international ausgerichtet ist auch der heimische<br />
Rüstungskonzern General Dynamics European Land Systems-Steyr<br />
(GDELS), trotzdem freut sich Geschäftsführer<br />
Martin Reischer über den kürzlich abgeschlossenen Vertrag<br />
zur Lieferung von 34 neuen Pandur-Mannschaftstransportern<br />
an das Bundesheer. „Der Auftrag ist ein Meilenstein<br />
für uns“, so Reischer im Gespräch mit Militär Aktuell-Chefredakteur<br />
Jürgen Zacharias (Interview ab Seite<br />
48). „Der Heimatmarkt ist schließlich unsere Visitenkarte“,<br />
so der GDELS-Manager weiter.<br />
So etwas wie einen Heimatmarkt kennen die Reporter Friedrich<br />
Orter, Karl Wendl und Christian Wehrschütz nicht. Sie<br />
waren und sind immer dort unterwegs, wo es brennt. Wo<br />
Krisen entstehen, neue Kriege entflammen, regionale und<br />
überregionale Konflikte ausgefochten werden. Unser Autor<br />
Georg Biron, der einst selbst in Nicaragua als Kriegsreporter<br />
unterwegs war, hat mit den Journalisten über ihre Arbeit gesprochen<br />
und worauf es ihnen dabei ankommt. Außerdem<br />
ist er in seinem Bericht (ab Seite 18) der Frage nachgegangen,<br />
ob man trotz aller Bemühungen überhaupt unabhängig<br />
und objektiv aus Krisengebieten berichten kann.<br />
Was Sie in dieser Ausgabe außerdem erwartet? Georg Mader<br />
analysiert das wiedergefundene militärische Interesse der<br />
USA an Europa (ab Seite 14) und die Zukunft der österreichischen<br />
Luftraumüberwachung (ab Seite 44). Wir haben<br />
zudem den Milizbeauftragten des Bundesheeres, Brigadier<br />
Erwin Hameseder, interviewt (ab Seite 28), berichten über<br />
die Rückkehr der Piraten in Somalia (ab Seite 10) und stellen<br />
das neue Kommando Landstreitkräfte vor (ab Seite 32).<br />
Militär Aktuell unterwegs<br />
Im vergangenen Sommer haben wir den<br />
österreichischen KFOR-Soldaten einen Besuch<br />
abgestattet, nun waren wir einige Tage bei<br />
UNIFIL im Libanon unterwegs. Vor Ort konnten<br />
wir Eindrücke von Land und Leuten sammeln,<br />
aber auch den Arbeitsalltag im Bundesheer-<br />
Kontingent kennenlernen. Die Ergebnisse unserer<br />
Recherchen (inklusive eines Interviews mit<br />
NCC Oberstleutnant Thomas Güttersberger)<br />
sind ab der kommenden Ausgabe nachzulesen.<br />
IMpreSSUM<br />
Medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
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redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />
Georg Biron, Brigadier Walter Feichtinger,<br />
c, Gerald Hainzl, Moritz Kolar, Johannes<br />
Luxner, Georg Mader, Oberst Dieter<br />
Muhr, Hans Schneeweiß<br />
Hersteller: PrintandSmile<br />
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M I l I t ä r A k t U e l l
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
Die Rückkehr der Seeräuber: Dürren und Missernten treiben<br />
Somalias Männer zurück aufs Meer. Dort nehmen sie nach<br />
Jahren der Ruhe wieder internationale Handelsschiffe ins Visier.<br />
Neue Struktur: Mithilfe eines moderneren Aufbaus<br />
sollen in der Heeresunteroffiziersakademie in Enns<br />
schon bald mehr Unteroffiziere für die Truppe ausge-<br />
034bildet werden.<br />
Abwehr-Zentrum: Ein Besuch im Kommando<br />
Führungsunterstützung und Cyber Defence in<br />
der Wiener Stiftskaserne.<br />
010<br />
038<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Berufsoffiziersanwärter bei der<br />
„Gemeinsamen Gefechts- und<br />
Schießausbildung“ in Allentsteig.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 KRISENHERD SOMALIA<br />
Zum ersten Mal seit 2012 haben<br />
somalische Piraten wieder ein<br />
größeres Frachtschiff gekapert.<br />
Der Präsident des Landes muss<br />
sich aber noch mit ganz anderen<br />
Problemen herumschlagen.<br />
014 DIE USA SIND ZURÜCK<br />
Ein Blick auf die NATO-Mission<br />
„Atlantic Resolve“: Die USA<br />
verlegen Soldaten und schweres<br />
Gerät nach Osteuropa.<br />
018 ZWISCHEN DEN FRONTEN<br />
Kriegsreporter bringen die<br />
Krisen der Welt in unsere<br />
Wohnzimmer. Ein Blick<br />
in die Arbeitsrealität der<br />
journalistischen Frontkämpfer.<br />
024 NEUES AUS DEM HEER<br />
Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
028 INTERVIEW<br />
Aufschwung jetzt? Wir haben<br />
mit dem Milizbeauftragten des<br />
Bundesheeres, Brigadier Erwin<br />
Hameseder, über Gegenwart<br />
und Zukunft der rot-weiß-roten<br />
Milizkräfte gesprochen.<br />
032 BUNDESHEER NEU<br />
Militär Aktuell-Serie: die neuen<br />
Verbände und Strukturen des<br />
Bundesheeres. Zum Auftakt<br />
porträtieren wir das Kommando<br />
Landstreitkräfte.<br />
034 TRUPPENBESUCH<br />
Militär Aktuell-Autor Johannes<br />
Luxner zu Gast in der Heeresunteroffiziersakademie<br />
in Enns.<br />
038 DIGITALE SICHERHEIT<br />
So schützt das Bundesheer sich<br />
selbst und sein österreichweites<br />
Netzwerk im Falle einer<br />
virtuellen Attacke.<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />
M I L I T ä R A K T U E L L
I N D I E S E M H E F T<br />
042 RÜSTUNGSNEWS<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />
044 EUROFIGHTER, SAAB & CO<br />
Wie sieht die Zukunft von Österreichs<br />
Luftraumüberwachung aus?<br />
Eine Analyse von Georg Mader.<br />
046 RÜSTUNGSAUFTRÄGE<br />
Die <strong>aktuell</strong>sten Deals vom<br />
globalen Rüstungsmarkt.<br />
048 INTERVIEW<br />
Martin Reischer, Geschäftsführer<br />
von General Dynamics European<br />
Land Systems-Steyr, im Gespräch<br />
über den Pandur-Verkauf an das<br />
Bundesheer und das Produkt-<br />
Portfolio seines Unternehmens.<br />
050 SCHLUSSPUNKT<br />
Das Bundesheer muss „völlig<br />
neu gedacht werden“ –<br />
ein Standpunkt von Militär<br />
Aktuell-Autor Dieter Muhr.<br />
051 INFOGRAFIK<br />
Die Leistungsmerkmale des<br />
Fernlenkmanipulators tEODor<br />
des Bundesheeres.<br />
051<br />
Sicherheit geht vor: Die<br />
Kampfmittelbeseitiger<br />
des Bundesheeres können<br />
bei ihren Einsätzen auf<br />
Hightech-Entschärfungsroboter<br />
tEODor<br />
zurückgreifen.
0 0 6 P A N O R A M A<br />
Fähnriche trainieren<br />
FOTO : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT<br />
Übung macht den meister: Frei nach<br />
diesem motto trainierten ende märz<br />
die Berufsoffiziersanwärter des<br />
akademikerbataillons der theresianischen<br />
militärakademie bei der<br />
„Gemeinsamen Gefechts- und<br />
Schießausbildung“ (GGSa) mit rund<br />
600 Soldaten aus ganz Österreich<br />
das Zusammenwirken verschiedener<br />
Waffengattungen. Die Fähnriche<br />
konnten dabei ihre kenntnisse beim<br />
Führen von unterstellten Soldaten<br />
unter Beweis stellen und den Bundesheer-Fotografen<br />
bot sich dabei<br />
eine perfekte Gelegenheit für spektakuläre<br />
aufnahmen wie diese.<br />
m i l i t ä r a k t u e l l
M O M E N T U M<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 8 w E L T & S T R A T E g I E<br />
Der sogenannte Krieg gegen den Terror kommt die US-Steuerzahler teuer zu stehen: Laut einer Studie<br />
der Brown University vom vergangenen September summieren sich die Ausgaben mit dem laufenden<br />
Jahr – dabei werden auch die erwarteten Aufwendungen für Veteranen eingerechnet – auf 4,79 Billionen<br />
Dollar, knapp 4,3 Billionen Euro. Noch <strong>aktuell</strong>ere Untersuchungen berücksichtigen zukünftige<br />
Ausgaben etwa zur Tilgung der für Militärausgaben aufgenommenen Kredite und der dafür fälligen<br />
Zinsen – und kommen so sogar auf einen Betrag von 6 Billionen Dollar (5,3 Billionen Euro). Zum<br />
Vergleich: Diese Summe entspricht dem 13-fachen Bruttoinlandsprodukt Österreichs.<br />
KRIEG GEGEN<br />
DEN TERROR<br />
KOSTET BILLIONEN<br />
IM FOKUS<br />
STREITKRÄFTE DER<br />
PHILIPPINEN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
220.000<br />
Soldaten<br />
45<br />
Kampfpanzer<br />
20<br />
Kampfflugzeuge<br />
PHILIPPINEN<br />
Die australische Außenministerin Julie Bishop ließ im März<br />
aufhorchen, als sie erklärte, dass sich ihr Land auf ein mögliches<br />
IS-Kalifat im Süden der Philippinen vorbereite. Rund<br />
600 südostasiatische IS-Kämpfer waren im Irak und in Syrien<br />
aktiv, so die Politikerin, und viele davon seien bereits wieder<br />
zurückgekehrt. In den Wochen danach schienen sich dann die<br />
Befürchtungen Bishops zu bestätigen, auf der Insel Mindanao<br />
brachen Kämpfe aus, es kam zu heftigen Auseinandersetzungen<br />
zwischen islamistischen Rebellen, die sich zum IS bekennen,<br />
und Regierungstruppen. Präsident Duterte verhängte daraufhin das Kriegsrecht und verlegte Truppen<br />
auf die Insel. Angeführt werden die Aufständischen von Prediger Isnilon Hapilon, der seit zehn Jahren auf der<br />
FBI-Liste der weltweit meistgesuchten Terroristen steht und für den Anschlag auf eine Fähre in der Bucht von<br />
Manila im Jahre 2004 verantwortlich gemacht wird, der 116 Todesopfer forderte. Hapilon hat dem IS die Treue<br />
geschworen und wurde von der IS-Führung offiziell zum Emir über die südlichen Philippinen ernannt.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E LT G E S C H E H E N<br />
TOP 3<br />
die grössten<br />
Waffen-importeure<br />
1 Der Waffenhandel hat in den vergangenen<br />
Jahren laut einer studie des Forschungsinstituts<br />
sIPrI deutlich zugelegt.<br />
Der export von Waffen erreichte demnach<br />
in den vergangenen fünf Jahren<br />
das größte Volumen seit 1990 und lag<br />
zwischen 2012 und 2016 um 8,4 Prozent<br />
höher als zwischen 2007 und 2011.<br />
Die größten exporteure sind die Usa,<br />
russland und China, größter Käufer von<br />
Waffen ist Indien mit einem anteil von<br />
13 Prozent an den globalen Importen.<br />
2 mit rund der Hälfte dieses Volumens<br />
liegt saudi-arabien auf Platz 2.<br />
3 auf rang drei folgt China mit einem<br />
Weltmarktanteil von 4,7 Prozent.<br />
AFGHANISTAN: TRISTE SICHERHEITSLAGE<br />
Die Ziele der US-geführten Intervention in Afghanistan waren klar umrissen:<br />
Terroristen besiegen! Und: Frieden schaffen! Heute, 16 Jahre später,<br />
lässt sich sagen, dass beides nicht erreicht werden konnte. Zwar besserte<br />
sich die Sicherheitslage zwischenzeitlich tatsächlich, heute vergeht aber<br />
wieder kaum ein Tag, an dem es nicht zu einem verheerenden Anschlag<br />
im Land kommt. Zumeist ist die Hauptstadt Kabul Ziel von Angriffen,<br />
Ende Mai legte etwa eine gewaltige Explosion einen ganzen Straßenzug<br />
am Eingang des Diplomatenviertels in Schutt und Asche. Bei dem Anschlag<br />
starben mindestens 90 Menschen, darunter auch mehrere Mitarbeiter<br />
der deutschen Botschaft.<br />
Nicht immer sind aber Zivilisten<br />
Ziel der Anschläge: Laut Angaben<br />
des US-Generalinspektors<br />
wurden im Vorjahr allein bis<br />
Mitte November 6.785 Soldaten<br />
und Polizisten in Afghanistan<br />
im Zuge von Angriffen getötet.<br />
Heuer dürfte die Zahl noch<br />
deutlich darüber liegen …<br />
„nordkorea ist eine<br />
direkte Bedrohung<br />
für amerika!“<br />
James T. Mattis<br />
Der koreanische Machthaber Kim Jong-un drückte bei seinem Raketenprogramm zuletzt<br />
ordentlich aufs Tempo und sorgt damit für eine neue Eiszeit zwischen seinem Land und den<br />
USA. Der amerikanische Verteidigungsminister James T. Mattis warnte angesichts der jüngsten<br />
Raketentests vor einem fürchterlichen Krieg im Fernen Osten. Eine Auseinandersetzung<br />
mit Nordkorea wäre wohl der „schlimmste Konlikt im Leben der meisten Menschen heute“,<br />
so Mattis, laut dem vom Regime in Pjöngjang „eine direkte Bedrohung für die Region, aber<br />
auch für die Vereinigten Staaten“ ausgehe. Die Gefahr eines Konflikts scheint also durchaus<br />
gegeben, die USA stockten jüngst jedenfalls ihre Truppen in der Region auf und verlegten mit<br />
der USS Ronald Reagan bereits den dritten Flugzeugträger in den Westpazifik.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , 1 2 3 r F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
KRISENHERD SOMALIA<br />
RÜCKKEHR<br />
DER PIRATEN<br />
Fünf Jahre war es ruhig, seit Kurzem treiben im Golf von Aden vor der Küste<br />
Somalias aber wieder Piraten ihr Unwesen. Eine Analyse von Gerald Hainzl.<br />
D<br />
ie Besatzung des<br />
Öltankers „Aris 13“<br />
hat im März dieses<br />
Jahres wohl nicht<br />
schlecht gestaunt, als<br />
mehr als zwei Dutzend<br />
Piraten ihr Schiff kaperten. Der<br />
Tanker sollte Treibstoff von Dschibuti<br />
in die somalische Hauptstadt Mogadischu<br />
transportieren, als sich zwei kleinere<br />
Boote näherten, sagte der Direktor<br />
der Organisation Oceans Beyond Piracy,<br />
John Steed. Die Besatzung habe<br />
noch einen Notruf absetzen können,<br />
bevor die Piraten das Schiff unter Kontrolle<br />
brachten, danach sei der Funkkontakt<br />
abgebrochen. Piratenüberfälle<br />
vor der Küste Somalias sind zwar<br />
grundsätzlich nichts Neues, bemerkenswert<br />
macht den <strong>aktuell</strong>en Vorfall<br />
aber die Tatsache, dass es sich dabei<br />
um den ersten gemeldeten Piratenangriff<br />
in der Region auf internationale<br />
Schiffe seit Mai 2012 handelte und bald<br />
darauf weitere Angriffe folgten. Die internationalen<br />
Missionen im Indischen<br />
Ozean einerseits und der Konflikt im<br />
Jemen andererseits – der den Piraten<br />
die Möglichkeit der Nutzung der Gegenküste<br />
nahm – hatten zuvor praktisch<br />
zu einem Erliegen der Piraterie<br />
am Horn von Afrika geführt.<br />
Während der internationalen Aufschrei<br />
infolge des Überfalls auf die „Aris 13“<br />
groß ist, hält sich die Aufregung in Somalia<br />
selbst in Grenzen. Dort ist Piraterie<br />
nur ein sehr nachrangiges Problem.<br />
Da die Regenzeit Ende 2016 zum dritten<br />
Mal in Folge ausblieb, leidet das<br />
Land vielmehr unter einer verheerenden<br />
Dürre. Bis März waren innerhalb<br />
Somalias mehr als 600.000 Menschen<br />
auf der Flucht vor Hunger und Durst<br />
und nach Schätzungen von Hilfsorganisationen<br />
werden es täglich um 8.000<br />
mehr. Der Wassermangel führt zudem<br />
dazu, dass immer mehr Nutztiere verenden<br />
und den Menschen dadurch<br />
die Lebensgrundlage entzogen wird.<br />
Krankheiten wie Cholera, die auf Mangelernährung<br />
zurückzuführen sind,<br />
breiten sich rasch aus und machen<br />
auch vor Staatsgrenzen nicht halt. Laut<br />
Angaben des UN-Kinderhilfswerks<br />
UNICEF werden heuer rund 275.000<br />
Kinder an akuter Mangelernährung leiden,<br />
rund die Hälfte der Bevölkerung –<br />
etwa sechs Millionen Menschen! – ist<br />
derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen.<br />
Diese läuft allerdings nur sehr<br />
schleppend an, was die Fluchtbewegungen<br />
im Land, aber auch über die<br />
Staatsgrenzen hinaus weiter verstärkt.<br />
PIRATEN IN SOMALIA Infolge internationalen Drucks und der Aufrüstung bedrohter Handelsschiffe kam die<br />
somalische Piraterie in den vergangenen Jahren praktisch zum Erliegen. Seit einiger Zeit mehren sich nun<br />
aber wieder Angriffe auf internationale Handelsschiffe.<br />
Verständlich, dass da eine Handvoll<br />
Piraten, die irgendwo vor der Küste ihr<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
P I R A T E N V O R S O M A L I A<br />
Unwesen treibt, nicht für die ganz großen<br />
Schlagzeilen sorgt. Trotzdem soll<br />
nun ein Stabilisierungsabkommen eine<br />
Rückkehr zu geordneten politischen<br />
Verhältnissen und ein Ende der<br />
Gewalt ermöglichen. Große Hoffnung<br />
wird in diesem Zusammenhang<br />
sowohl in Somalia als auch<br />
von der internationalen Gemeinschaft<br />
in den neugewählten Präsidenten<br />
Mohammed Abdullahi<br />
Farmajo gesetzt. Eine wesentliche<br />
Herausforderung für ihn und seine<br />
Regierung wird es sein, der Bevölkerung<br />
zu zeigen, dass seine Regierung<br />
auch tatsächlich die Lebensumstände<br />
im Land verbessern kann.<br />
Gelingt das nicht, können große<br />
Hoffnungen auch rasch zu großen<br />
Enttäuschungen und zu weiterem Zulauf<br />
zu Gruppen wie al-Shabaab führen.<br />
Zudem sollte sich der Präsident auch<br />
mit dem Status von Somaliland auseinandersetzen,<br />
das sich vor rund 26<br />
Jahren für unabhängig erklärt hat. Eine<br />
politische Lösung und Stabilisierung<br />
Somalias wird früher oder später auch<br />
die Frage wieder aufwerfen, wie Mogadischu<br />
mit der Somaliland-Frage<br />
umzugehen gedenkt.<br />
ten zwar in jüngster Zeit einige Erfolge<br />
verzeichnet werden. Trotzdem kann<br />
die Gruppe noch große Gebiete kontrollieren<br />
und bleibt damit eine Herausforderung<br />
für die Sicherheit. Al-<br />
Shabaab ist nach wie vor in der Lage,<br />
auf mehreren Ebenen gegen die staatlichen<br />
Strukturen zu kämpfen. Das<br />
reicht von Angriffen auf militärische<br />
Stützpunkte über Terroranschläge<br />
in Mogadischu bis zur<br />
Verhinderung von internationaler<br />
Hilfe für die hungernde<br />
Bevölkerung. Diese Situation<br />
nutzen die Rebellen<br />
Im Kampf gegen die Terrrorgruppe<br />
al-Shabaab konngezielt,<br />
um selbst Nahrungsmittel und<br />
andere Hilfen zu verteilen und damit<br />
Rückhalt in der Bevölkerung zu gewinnen.<br />
Um eine langfristige Stabilisierung<br />
zu erreichen, wird es daher notwendig<br />
sein, al-Shabaab in sämtliche Pläne und<br />
Überlegungen miteinzubeziehen. Dies<br />
gilt vor allem für die „einfachen“ Mitglieder<br />
der Gruppe sowie in Teilen<br />
auch für die somalischen Führungskader.<br />
Dabei sollte helfen, dass die Terroristen<br />
derselben Gesellschaft und somit<br />
dem somalischen Clansystem angehören<br />
und dadurch vermutlich leichter<br />
wieder integriert werden können.<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />
Auch unabhängig davon versucht Präsident<br />
Farmajo seit seinem Amtsantritt<br />
politisch nicht nur nach innen, sondern<br />
auch nach außen zu wirken. Seine Reise<br />
nach Äthiopien ist ein erstes Indiz dafür,<br />
dass er die Kooperation mit den<br />
Nachbarstaaten sucht, wohl auch in<br />
dem Wissen, dass jede Lösung für<br />
die Konflikte in Somalia auch der<br />
Unterstützung der Nachbarstaaten<br />
bedarf. Der kenianische Präsident<br />
Uhuru Kenyatta betonte beispielsweise,<br />
dass im Kampf gegen den<br />
Terrorismus enge Beziehungen<br />
der Schlüssel zum Erfolg sind.<br />
Durch die unterschiedlichen regionalen<br />
Dynamiken, aber auch<br />
im Kampf um regionale Vormachtstellung<br />
sowie eigene<br />
ökonomische und sicherheitspolitische<br />
Interessen<br />
der Nachbarstaaten dient<br />
Somalia zudem als Katalysator<br />
für deren Intentionen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 W E L T & S T R A T E G i E<br />
Bleibt die Frage, wie in diesem Fall mit<br />
ausländischen Kämpfern umgegangen<br />
werden soll.<br />
GEKAPERT Im März<br />
brachten Piraten den<br />
Öltanker „Aris 13“<br />
unter ihre Kontrolle.<br />
Wenige Tage später<br />
ließen sie die achtköpfige<br />
Besatzung<br />
aus Sri Lanka wieder<br />
frei, Lösegeld sei laut<br />
der Organisation<br />
Oceans Beyond Piracy<br />
allerdings nicht<br />
bezahlt worden.<br />
Neben der Mission der Afrikanischen<br />
Union (AMISOM) sind auch die USA<br />
in Somalia nachhaltig involviert. Der<br />
Kampf gegen die Terrorgruppe al-Shabaab<br />
wird mit Drohnen und Luftschlägen<br />
geführt. Der Tod eines US-Soldaten<br />
Anfang Mai weist aber auch auf ein<br />
Engagement am Boden hin. Schon wenige<br />
Tage zuvor hatte ein Sprecher von<br />
US AFRICOM gegenüber der Zeitschrift<br />
Newsweek bestätigt, dass etwa<br />
100 Soldaten in Somalia stationiert<br />
sind. Sie haben die Aufgabe, sowohl<br />
die Kräfte der Afrikanischen Union<br />
als auch die somalischen Streitkräfte<br />
auszubilden.<br />
Am Horn von Afrika treten aber auch<br />
neue Akteure auf, die sich aus sicherheitspolitischen<br />
Interessen in dieser<br />
Region engagieren. Ein Beispiel dafür<br />
sind die Vereinigten Arabischen Emirate<br />
(UAE), die neben einem Stützpunkt<br />
in Eritrea auch in der Republik Somaliland<br />
sogar mit Zustimmung der Regierung<br />
in Mogadischu einen Stützpunkt<br />
errichten. Gerade auch wegen der Vielzahl<br />
unterschiedlicher Player wird es<br />
für Somalia keine schnelle Friedens-<br />
Lösungen geben. Selbst bei gutem Willen<br />
aller Beteiligten wird es viele Jahre<br />
dauern, bis ein tragfähiges, stabiles<br />
politisches System errichtet ist, und<br />
dabei muss allen Beteiligten klar sein,<br />
dass es immer wieder zu Rückschlägen<br />
kommen wird. Alternativen dazu haben<br />
sie aber kaum, der nun beschrittene<br />
Weg scheint der einzige Erfolg<br />
versprechende zu sein.<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />
Afrika.<br />
„Stabilisierung, Terrorismusbekämpfung und Entwicklung!“<br />
BRIGADIER WALTER<br />
FEICHTINGER ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
Das Wiederaufkommen der Piraterie vor<br />
Somalia verweist auf drei strategische Herausforderungen,<br />
die eine umfassende Problemsicht<br />
erfordern. Dazu gehört erstens<br />
die Notwendigkeit einer nachhaltigen politischen<br />
Transformation fragiler oder gescheiterter<br />
Staaten. Zweitens die differenzierte<br />
Bekämpfung des transnationalen<br />
Terrorismus und drittens Entwicklungskonzepte,<br />
die auch Auswirkungen des Klimawandels<br />
berücksichtigen.<br />
Dieser Befund ist zwar nicht neu, allerdings<br />
offenbart sich im Falle Somalias die gesamte<br />
Problematik. Gerade in Afrika gibt es<br />
mehrere Staaten, deren Problemlagen denen<br />
Somalias gleichen und die hinsichtlich<br />
Migration und Sicherheit für Europa kurz-,<br />
mittel- und langfristig hohe Relevanz haben.<br />
Lehren aus Somalia können daher<br />
auch Lösungsansätze für andere Gebiete<br />
darstellen. Besonders aus europäischer<br />
Perspektive ist zu bedenken, dass die Bekämpfung<br />
der negativen Folgen und Symptome<br />
wie Piraterie und umfangreiche Wanderbewegungen<br />
in Folge wirtschaftlicher<br />
Unterentwicklung und Langzeitkonflikten<br />
auf Dauer sehr kostspielig und letztlich<br />
nicht effektiv sein kann. Der Einsatz gegen<br />
Piraten mag vielleicht noch als „Training“<br />
für das internationale Zusammenwirken<br />
von Marineverbänden von Nutzen sein -<br />
Kernaufgabe wird es aber wohl keine werden.<br />
Der Migrationsdruck kann nur dann<br />
abnehmen, wenn die Lebensverhältnisse<br />
vor Ort den Betroffenen eine Zukunftsperspektive<br />
eröffnen. Migrationskontrolle zu<br />
See und an Land vermag dabei bestenfalls<br />
ein Steuerungs-, aber kein Lösungsmittel zu<br />
sein. Dass dem transnationalen Terrorismus<br />
Rückzugsräume verwehrt oder entzogen<br />
werden müssen, gehört mittlerweile zum<br />
kleinen ABC internationaler Sicherheit.<br />
Staaten wie Somalia oder Libyen und deren<br />
Umgebung nachhaltig zu stabilisieren ist<br />
daher das Gebot der Stunde, so schwierig<br />
es auch sein mag. Denn infolge des rasanten<br />
Bevölkerungszuwachses in Schwellenund<br />
Entwicklungsländern und den negativen<br />
Folgen des Klimawandels werden die<br />
Probleme zunehmen. Eine nur punktuelle<br />
Wahrnehmung würde somit viel zu kurz<br />
greifen, es bedarf großzügiger Entwürfe<br />
und Konzepte, will Europa dieser Herausforderung<br />
gerecht werden.<br />
FOTO S : N A D j A M E i ST E R , P i C T U R E D E S K<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M-346.<br />
Training Für Die Zukunft<br />
M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente,<br />
technologisch fortgeschrittene Plattform für integrierte<br />
Trainingssysteme der nächsten Generation, Homeland<br />
Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens,<br />
der Republik Singapur und Israels im Einsatz und in<br />
Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />
Leonardo ist weltweit führend im Design, der<br />
Produktion und dem Support militärischer Flugzeuge. In<br />
den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />
über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40<br />
Ländern auf allen fünf Kontinenten trainiert.<br />
Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem<br />
Genie des großen Erfinders - Leonardo entwickelt die<br />
Technologie von morgen.<br />
leonardocompany.com<br />
Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space
DIE AMERIKAN<br />
HURRA,<br />
SIND WIEDER DA<br />
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Der Kalte Krieg lange vorbei, die Sicherheitslage vermeintlich entspannt:<br />
2013 zog die US Armee ihre letzten Kampfpanzer aus Europa ab. Gerade<br />
einmal vier Jahre später führt die geänderte Sicherheitslage nun zu<br />
einer Rückkehr in Brigadestärke: Über Bremerhaven verteilen die<br />
Amerikaner Truppen und schweres Gerät in Osteuropa.<br />
Text & Bilder: GEORG MADER<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
U S A : E U R O P A - S T R A T E G I E<br />
MASSIVE TRUPPENVERLEGUNGEN<br />
Mit jedem in Bremerhaven aus den USA<br />
eintreffenden Roll-on-roll-off-Schiff<br />
wurden bis zu 87 Kampfpanzer, 144<br />
Schützenpanzer, 18 Panzerhaubitzen<br />
oder 46 Hubschrauber transportiert.<br />
ER<br />
D<br />
ie Beziehungen zwischen<br />
Moskau und<br />
Washington als angespannt<br />
zu bezeichnen,<br />
ist fast schon<br />
eine Untertreibung.<br />
Seit Ende des Kalten Krieges war der<br />
Ton zwischen den beiden Großmächten<br />
nie rauer. Diskussionen über die zukünftige<br />
Ausrichtung der Ukraine, die<br />
russische Intervention auf der Krim<br />
und die Destabilisierung im Donbass<br />
führten zu tiefem Misstrauen und zu<br />
einer Neueinschätzung der Bedrohungslage.<br />
Plötzlich war in der NATO<br />
wieder von konventioneller Abschreckung<br />
und einer „Rückversicherung“<br />
für die (nicht mehr so)<br />
neuen östlichen Mitgliedsländer<br />
des transatlantischen<br />
Bündnisses<br />
die Rede. In vielen<br />
Staaten Osteuropas<br />
griff – auch ausgelöst<br />
durch eine massive<br />
russische Militärpräsenz<br />
im Ostseeraum –<br />
die Angst vor einer<br />
möglichen Intervention<br />
Moskaus um<br />
sich, der Ruf nach<br />
NATO- und US-<br />
Truppen wurde<br />
lauter. Und nun erhört:<br />
Die USA verlegen<br />
wieder schweres<br />
Gerät nach Europa und zeigen damit<br />
vor allem im Osten Präsenz – in Form<br />
einer eigenen Mission.<br />
Bedrohliche Musik, Szenen bewaffneter<br />
Milizionäre in der Ukraine, Karten<br />
eines sich nach Westen ausbreitenden<br />
Russlands, russische Tupolew-Bomber<br />
über der Ostsee: Die US-Armee in<br />
Europa hat auf ihrer Website ein Begleitvideo<br />
zu ihrer Operation „Atlantic<br />
Resolve“ (Atlantische Entschlossenheit)<br />
eindeutig bebildert. Die Botschaft ist<br />
klar: Die NATO muss Russland Einhalt<br />
gebieten, die Ostflanke der neuen<br />
NATO-Mitglieder in Osteuropa muss<br />
gestärkt, die Handlungsfähigkeit des<br />
westlichen Militärbündnisses im potenziellen<br />
Bündnisfall als gesichert dokumentiert<br />
werden. Russlands nächste<br />
Begehrlichkeit könnte ein östliches<br />
EU-Land sein, weshalb die US-Armee<br />
Europa nun zu Hilfe eilen muss – so<br />
jedenfalls die Schlussfolgerung.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Den <strong>aktuell</strong>en Truppenverlegungen der<br />
NATO-Staaten liegen konkrete Kriegsszenarien<br />
zugrunde, begründet werden<br />
sie mit „Stärke zeigen“ und „Abschreckung<br />
gegenüber Russland“. Der Aufmarsch<br />
ist Teil der „European Reassurance<br />
Initiative“ die auf NATO-Gipfeln<br />
zwischen 2014 und 2016 (Warschau)<br />
beschlossen wurde und von den USA<br />
für 2018 mit knapp 4,5 Milliarden Euro<br />
dotiert ist. Die Truppenpräsenz ist<br />
dabei allerdings stets auf neun Monate<br />
begrenzt, so umgeht das Militärbündnis<br />
die NATO-Russland-Akte von<br />
1997, nach der die NATO an Russlands<br />
Grenzen nicht „dauerhaft“ zusätzlich<br />
größere Einheiten stationieren darf.<br />
Die deutsche Bundesregierung hat all<br />
diese Beschlüsse explizit mitgetragen,<br />
in Folge wurden mehrere große Stützpunkte<br />
und Depots wie Grafenwöhr,<br />
Illesheim oder Dülmen bereitgestellt<br />
beziehungsweise reaktiviert und die<br />
Bundeswehr-Logistiker sind bis tief in<br />
die Entfaltung der Pläne unterstützend<br />
tätig. Immerhin transportiert ein einziges<br />
Roll-on-roll-off-Schiff aus New<br />
York oder Phildelphia bis zu 87 M1-<br />
Kampfpanzer, 144 Stryker- und Bradley-Schützenpanzer,<br />
18 Paladin-Panzerhaubitzen<br />
oder 46 Hubschrauber<br />
CH-47F, UH-60M oder AH-64D. An<br />
einem einzigen Wochenende Anfang<br />
Jänner kamen mit drei Schiffen in<br />
Bremerhaven 2.500 Gefechtsfahrzeuge<br />
(darunter 446 Kettenfahrzeuge und<br />
907 Radfahrzeuge, Anhänger und<br />
Container) an, die größte Verschiffung<br />
von US-Militärs nach Europa seit dem<br />
Ende der Sowjetunion. All diese Gerätschaften<br />
müssen dann von Bremerhaven<br />
aus weiter nach Bayern und von<br />
dort nach Rumänien, Estland oder Polen<br />
transportiert werden (siehe Karte).<br />
Die meisten Fahrzeuge (etwa jene der<br />
3. Brigade der 4. US-Infanteriedivision<br />
aus Fort Carson, Colorado) kommen<br />
auf 900 Güterwaggons ins neue<br />
polnische US-Hauptquartier Zagan.<br />
4.000 Soldaten fliegen direkt dorthin.<br />
Generalmajor Duane A. Gamble erläutert<br />
als Stellvertreter des US-Armeechefs<br />
in Europa, General Ben Hodges<br />
(Anm.: ein Interview mit ihm ist in Militär<br />
Aktuell #2/2016 nachzulesen), an<br />
einem bitterkalten Februarmorgen im<br />
Bremerhavener Kaiserhafen vor langen<br />
Reihen von Hubschraubern ohne Rotoren<br />
Details: „Die <strong>aktuell</strong>en Truppenverlegungen<br />
sind alle Teil der noch<br />
von Präsident Barack Obama angeschobenen<br />
Initiative zur Rückversicherung<br />
der Verbündeten, mit einem<br />
zunächst einmaligen Budget von einer<br />
Milliarde US-Dollar. Alle neun Monate<br />
wird damit eine unserer Brigaden<br />
ausgetauscht, in voller Stärke. Eine<br />
Panzerbrigade geht, eine andere<br />
kommt. Eine Heeresflieger-Brigade<br />
kommt, die nächste ist schon sowohl<br />
in Ausbildung als auch materieller<br />
Einsatzvorbereitung und geht in neun<br />
Monaten aufs Schiff. Zusätzlich wird<br />
Material für eine weitere Brigade dau-<br />
Über Bremerhaven<br />
in den Osten<br />
ADAZI<br />
ESTLAND<br />
LETTLAND<br />
RUSSLAND<br />
BREMERHAVEN<br />
DEUTSCHLAND<br />
SKWIERZYNA<br />
ZAGAN<br />
SWIETOSZOW<br />
BOLESLAWIEC<br />
LITAUEN<br />
POLEN<br />
RUKLA<br />
Der Fokus der <strong>aktuell</strong>en<br />
Truppenverlegungen liegt<br />
auf Rumänien, Bulgarien,<br />
den baltischen Ländern<br />
sowie Polen – und dort<br />
insbesondere auf dem<br />
US-Hauptquartier Zagan.<br />
Massiv unterstützt<br />
werden die USA dabei<br />
von Logistikeinheiten der<br />
deutschen Bundeswehr.<br />
GRAFENWÖHR<br />
TATA<br />
UNGARN<br />
RUMÄNIEN<br />
MIHAIL<br />
KOGALNICEANU<br />
BULGARIEN<br />
NOVO SELO<br />
G R A F I K : 1 2 3 R F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
U S A : E U R O P A - S T R A T E G I E<br />
KONVOI Die Verlegung und Verteilung<br />
der Gerätschaften erfolgt von Bremerhaven<br />
aus auf der Straße, vielfach aber<br />
auch auf der Schiene.<br />
erhaft an fünf Standorten eingelagert.<br />
So soll auch das schnelle Verlegen großer<br />
Truppenteile geübt und ermöglicht<br />
werden. All das ist Zeichen des fortgesetzten<br />
US-Engagements in Europa,<br />
um Frieden und Wohlstand zu sichern.<br />
Ich weiß, manche in Deutschland<br />
haben deswegen Sorge, aber wenn die<br />
Konvois durch Tschechien oder Polen<br />
kommen, gibt es in jeder Ortschaft<br />
Jubel und Volksfestcharakter. Ich<br />
denke, wir machen das Richtige.“<br />
Der Aufwand ist groß, von der Verlegung<br />
ganzer Divisionen innerhalb von<br />
nur 48 Stunden wie zu Zeiten des Kalten<br />
Krieges sind wir heute aber weit<br />
entfernt. Von den ersten Gipfelbeschlüssen<br />
bis zur tatsächlichen Ankunft<br />
von Hardware vergingen nun<br />
viele Monate, die Arbeiten im Hintergrund<br />
sind dennoch nicht zu unterschätzen,<br />
wie Generalmajor Gamble<br />
erklärt: „Einen derart hohen Logistikaufwand<br />
haben wir in der US-Armee<br />
seit den großen ,Reforger‘-Übungen<br />
in den 1970er-Jahren nicht mehr<br />
gesehen. Wir vom Kommando in<br />
Kaiserslautern sowie die Logistiker<br />
des European Command (EUCOM)<br />
haben das gut hinbekommen, das Zusammenwirken<br />
von See-, Bahn- und<br />
Lufttransport war eine große Herausforderung.<br />
Nun können die Panzer<br />
oder die Piloten der Heeresflieger ihre<br />
Interoperabilität mit unseren Alliierten<br />
und Partnern an der Ostflanke des<br />
Bündnisses vertiefen, es sind an die 80<br />
gemeinsame Einsatzübungen geplant.“<br />
Da die <strong>aktuell</strong>e Initiative noch von der<br />
Obama-Administration begonnen<br />
wurde, stellt sich die Frage: Haben<br />
die US-Verantwortlichen in Europa<br />
angesichts der „Sprunghaftigkeit“ des<br />
neuen Präsidenten Sorge, die teure<br />
Verlegung bald wieder rückabwickeln<br />
zu müssen? General Hodges verneint:<br />
„Wenn ich die geplanten Vorhaben und<br />
die zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />
betrachte, dann ist mein Eindruck<br />
ein anderer: Es hat keine Modifikation<br />
von Plänen oder Absichten gegeben –<br />
im Gegenteil. Ich war im Februar bei<br />
der Münchener Sicherheitskonferenz,<br />
wo sich unser Vizepräsident Mike Pence<br />
geäußert hat. Nach unserer Wahrnehmung<br />
lag das Gesagte genau auf<br />
der Linie, die wir hier verfolgen und<br />
mit unseren Alliierten abarbeiten.“<br />
Die Stärkung der US-Truppen dürfte<br />
demnach auch in den kommenden<br />
Monaten weiterlaufen, alles weitere<br />
wird von den Entwicklungen in Moskau<br />
und Washington abhängen.
0 1 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
D<br />
er erste Tote<br />
im Golfkrieg war ein Journalist. Farzad<br />
Bazoft ging als Sonderkorrespondent<br />
des Londoner Observer nach Bagdad.<br />
Dort wurde er noch vor den Bombardements<br />
der Alliierten von Saddam<br />
Husseins Geheimpolizei verhaftet und<br />
als Spion gehenkt. Mehr Glück hatten<br />
später der französische Fotograf Laurent<br />
Van Der Stockt und der Reuters-<br />
Reporter Patrick de Noirmont. Unmittelbar<br />
nach dem Verlassen des Hotel<br />
Rashid, wo die Journalisten untergebracht<br />
waren und ihre Arbeit nur unter<br />
Aufsicht der Zensoren erledigen konnten,<br />
wurden sie beschuldigt, verbotene<br />
Aufnahmen gemacht zu haben. Sie<br />
wurden verhaftet, eingesperrt und<br />
misshandelt. „Am schlimmsten war,<br />
dass wir wussten, dass mit uns alles<br />
passieren konnte“, erzählte Laurent<br />
später. „Sie beschuldigten uns der<br />
Spionage und erklärten, dass wir nach<br />
Kriegsrecht sofort hingerichtet werden<br />
könnten.“ Am nächsten Tag aber wurden<br />
sie zum Hotel Rashid zurückgebracht<br />
und freigelassen. Man hatte<br />
weder ihre Ausrüstung noch die Filme<br />
beschlagnahmt. „Wir hatten einfach<br />
Glück“, lächelte Patrick glücklich.<br />
FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
K R I E G S R E P O R T E R<br />
deutlich erhöhen. Soldaten und Revolutionäre<br />
sind es gewohnt, sofort auf<br />
jeden zu schießen, der eine andere<br />
Uniform trägt als ihre eigene. Die jungen<br />
Burschen in hautengen Kampfanzügen,<br />
die man hin und wieder über<br />
den Bildschirm flitzen sieht, wirken<br />
eher wie Schauspieler in einem Hollywood-Movie<br />
und nicht wie routinierte<br />
Chronisten. Denn Profis tragen geputzte<br />
Schuhe, Hosen mit Bügelfalten und<br />
ein weißes Hemd mit Krawatte, damit<br />
man sie unter keinen Umständen mit<br />
kämpfenden Soldaten verwechseln<br />
kann.<br />
COME<br />
BACK<br />
DER<br />
EINZEL<br />
KÄMPFER<br />
Die Nachrichten aus Kriegsgebieten<br />
sind ein großes Geschäft. Die<br />
„Katastrophenkarawanen“ der<br />
Reporter ziehen deshalb von einer Krise<br />
zur nächsten und schicken ihre Berichte<br />
nach Hause. Gefragt ist dabei nicht<br />
Objektivität, sondern Ehrlichkeit.<br />
Kontrollierter Leichtsinn ist eine journalistische<br />
Tugend. Aber niemand<br />
sollte seinen Schutzengel überfordern.<br />
Während früher die Reporter in<br />
Kampfanzügen Schulter an Schulter<br />
mit den Soldaten zwischen den feindlichen<br />
Linien hin und her marschiert<br />
sind, glaubten später die meisten zu<br />
wissen, dass weißes Hemd und Krawatte<br />
die Chancen, am Leben zu bleiben,<br />
Text: GEORG BIRON<br />
Reporter des Krieges haben eine Menge<br />
guter Ratschläge für die anderen parat.<br />
So hing etwa in der Bar des Commodore-Hotel<br />
in West-Beirut lange<br />
Zeit eine Checkliste für Journalisten.<br />
Begonnen hatte David Zucchino vom<br />
Philadelphia Inquirer, und nach und<br />
nach schrieben auch die anderen Korrespondenten<br />
ihre Erfahrungen dazu –<br />
als Warnung für nachkommende Kollegen.<br />
Man sollte keine Waffen tragen,<br />
hieß es, stattdessen lieber eine weiße<br />
Fahne. Und jede Menge Ausweise, am<br />
besten einen von jeder kämpfenden<br />
Partei. Soldaten lieben Ausweise. Und<br />
Zigaretten sollte man immer dabeihaben,<br />
auch als Nichtraucher, denn es<br />
kann Leben retten, wenn man einem<br />
Soldaten Zigaretten anbieten kann. Jeder<br />
Streit mit einem bewaffneten Mann<br />
sollte vermieden werden. Und wenn<br />
man unter Beschuss gerate, sollte man<br />
keineswegs viel nachdenken, sondern<br />
rennen. Dies sei die einzige Situation,<br />
in der Denken eindeutig von Nachteil<br />
wäre. Und schließlich: „Gegen Bomben<br />
und Kidnapping kannst du nichts<br />
machen. Deshalb bezahle wenigstens<br />
pünktlich die Raten für die Lebensversicherung!“<br />
Der österreichische Reporter Karl<br />
Wendl ist seit 30 Jahren immer wieder<br />
in Krisengebieten unterwegs. „Die<br />
Branche hat sich gründlich verändert“,<br />
sagt er. „Es gibt bei den Verlagen und<br />
TV-Stationen kaum noch große Budgets<br />
für die Kriegsberichterstattung.<br />
Früher wurden ganze Hotel-Etagen für<br />
die Reporter angemietet. Die Nachrichtenteams<br />
reisten mit riesigen Trucks<br />
an, in denen es alle technischen Finessen<br />
zur TV-Übertragung gab. Heute<br />
ist es eine One-Man-Show. Wer diesen<br />
Job wegen des Geldes macht, ist zum<br />
Scheitern verurteilt“ Mit Panzerweste,<br />
Smartphone und Selfie-Stick, Laptop<br />
und einem Satellitentelefon produziert<br />
Wendl im Alleingang für die Zeitung<br />
Österreich und den dazugehörigen<br />
Fernsehkanal sowie für das News-Portal<br />
oe24.at <strong>aktuell</strong>e Foto-Reportagen<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
sowie TV- und Radio-Beiträge aus<br />
diversen Krisenregionen dieser Welt.<br />
Schnell muss es gehen. Das Internet hat<br />
dafür gesorgt, dass jede Kriegspartei in<br />
Echtzeit über die sozialen Medien die<br />
Möglichkeit hat, ihre Sicht der Wahrheit<br />
zu verbreiten und somit Information<br />
und Desinformation zu liefern.<br />
Echte Reporter berichten im Idealfall,<br />
ohne Partei zu ergreifen. Kriegsberichterstatter<br />
stehen auf keiner Seite, sie<br />
mischen sich nicht ein, dokumentieren<br />
nur. Kameras und Computer sind ihre<br />
Waffen. „Lauter Wahnsinnige“, sagen<br />
die einen angewidert, „fantastische<br />
Journalisten“, meinen andere voller<br />
Ehrfurcht. „Wichtig ist die physische<br />
Nähe, aber auch die psychische Distanz“,<br />
erzählt Wendl, der schon bald<br />
ein Buch mit einprägsamen Titel zum<br />
Thema auf den Markt bringen möchte:<br />
30 Jahre Krieg! Reporter des Krieges<br />
bewegen sich ständig in Ausnahmesituationen<br />
und finden oft auch großen<br />
Gefallen an ihrem abenteuerlichen<br />
Leben, das mit jeder Menge Adrenalin<br />
verbunden ist. Aber Wendl weiß auch<br />
um die Gefahren: „Krieg bringt auf<br />
allen Seiten das Schlechteste der<br />
Menschen zutage.“<br />
Das weiß auch Friedrich Orter. Drei<br />
Jahrzehnte lang berichtete er im Auftrag<br />
des ORF über bewaffnete Konflikte.<br />
Vor fünf Jahren ist er in Pension gegangen.<br />
„Da draußen wird wirklich gestorben“,<br />
sagt er, „Menschen kämpfen<br />
ums nackte Überleben. Wenn man einmal<br />
in ein Massengrab geschaut hat, ist<br />
man nicht mehr der, der man vorher<br />
war. Nietzsche hat einmal gesagt:<br />
‚Wenn du lange genug in den Abgrund<br />
schaust, dann schaut der Abgrund auch<br />
in dich hinein!‘ Das von den Menschen<br />
inszenierte Leid bringt viele Journalistenkollegen<br />
dazu, den Beruf zu wechseln.<br />
Oder zur Flasche zu greifen.“<br />
Jedes Jahr sterben Journalisten irgendwo<br />
auf der Welt in einem Krieg. Was in<br />
diesen Menschen vorgeht, die für eine<br />
blutige Sensation ihr Leben riskieren,<br />
weiß niemand so recht zu sagen. Am<br />
allerwenigsten die Reporter selbst. Der<br />
englische Fotograf Tim Page wurde<br />
zufällig Kriegsberichterstatter. Ende<br />
der 1960er-Jahre war er als Hippie auf<br />
Haschisch-Trip im Fernen Osten unterwegs<br />
und kam auf allerlei Umwegen<br />
nach Vietnam, ohne genau zu wissen,<br />
was dort los war. In einem BBC-Interview<br />
gestand er: „Ich hatte überhaupt<br />
keine Vorstellung vom Krieg. Es war<br />
ein Trip, ich habe ihn ausgelebt. Keine<br />
Ahnung, welchen Anteil die Drogen<br />
dabei hatten, aber heute kann ich mit<br />
Sicherheit sagen: Das war die glanzvollste<br />
Sache, die ich je gemacht habe.<br />
Alles war so natürlich, und bis jetzt<br />
kann ich überall auf der Welt Essen<br />
bekommen und ein Bett und einen<br />
Joint. Alles ist okay.“<br />
Im Dschungel von Vietnam begleitete<br />
er eine amerikanische Bodeneinheit.<br />
Dabei stieg neben ihm ein Sergeant auf<br />
eine Landmine, Splitter trafen den Reporter.<br />
Der Sergeant war sofort tot, und<br />
Tim wurde zu Boden gerissen: „Ich saß<br />
da und fühlte mich sehr nass. Meine<br />
Gedärme hingen heraus. Das ist eine<br />
Feuchtigkeit, die wie Klebrigkeit ist. Es<br />
war, als würde ich frierend im Schnee<br />
sitzen und gleichzeitig vor Hitze umkommen.<br />
Ich erinnere mich, dass ich<br />
zu meiner Kamera griff, das Weitwinkel-Objektiv<br />
herunternahm und gegen<br />
eine Porträtlinse tauschte. Und ich<br />
schoss drei Bilder …“ Dann brachte<br />
man ihn ins Lazarett, wo sie ihn zusammenflickten<br />
und sein Leben retteten.<br />
„Der Schutzschild gegen den Wahnsinn<br />
des Krieges ist die Kamera“, so der Brite.<br />
„Man muss seinen Job machen. Das<br />
ist keine Frage von Hundertstelsekunden.<br />
Man muss immer daran denken,<br />
ein perfektes Bild zu machen.“ Es sei<br />
keine Tugend, „im Leichenschauhaus<br />
zu liegen“, meinte Nick Downie sarkastisch<br />
in einem Bericht für das Magazin<br />
Wiener. Sein Tonmann wurde in Afrika<br />
ein paar Schritte vor ihm erschossen:<br />
„Es berührte mich nicht wirklich. Ich<br />
hatte zu viele Tote gesehen. Erst zu<br />
Hause, als ich meine Frau im Arm hielt,<br />
musste ich an ihn denken und stellte<br />
fest, dass das Leben sehr lebenswert<br />
war.“ Der ehemalige Soldat Downie arbeitete<br />
15 Jahre lang als freier Journalist:<br />
„Als Freelancer muss man sich<br />
einen Krieg aussuchen, der bei den<br />
Herausgebern und Chefredakteuren<br />
und Fernsehintendanten populär ist,<br />
aber eben nicht so populär, dass sie ihre<br />
REPORTER-<br />
LEGENDEN<br />
Friedrich Orter<br />
(links) berichtete<br />
drei Jahrzehnte<br />
für den ORF aus<br />
Krisengebieten,<br />
Karl Wendl ist<br />
<strong>aktuell</strong> für die<br />
Zeitung Österreich,<br />
den zugehörigen<br />
TV-Kanal<br />
und die Plattform<br />
oe24.at tätig.<br />
eigenen Leute hinschicken. Vor allem<br />
Guerilla-Kriege sind ein sehr zähes<br />
Geschäft, da geht es nicht nur darum,<br />
ob man erschossen wird oder nicht.<br />
Ich habe mich eigentlich fast nie<br />
gefürchtet. Man hat nur Angst, wenn<br />
man von inkompetenten Leuten<br />
umgeben ist. Die Soldaten, mit denen<br />
ich unterwegs war, waren meistens<br />
sehr gute Soldaten.“<br />
Als freier Journalist einen Krieg an<br />
ein Medium zu verkaufen, ist oftmals<br />
härtere Arbeit als die Reportage selbst.<br />
Nick wusste, dass das Monate dauern<br />
kann: „Vor allem deshalb, weil die Herrschaften<br />
oft gar nicht wissen, was in<br />
der Welt vorgeht. Ich erzähle ihnen von<br />
der Westsahara und von der Polisario<br />
und sie machen lange Gesichter. Sie<br />
wissen nichts darüber. Es hängt von<br />
vielen Faktoren ab, ob das Publikum<br />
FOTO S : P I C T U R E D E S K , B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />
„Gefahrenzulage gibt es keine!“<br />
Christian Wehrschütz ist einer der profiliertesten heimischen Kriegsberichterstatter.<br />
Der ORF-Journalist über seine Arbeit, Gefahren im Einsatz, den<br />
Faktor Glück und die mächtige Konkurrenz von CNN, BBC und Co.<br />
Der geborene Grazer CHRISTIAN<br />
WEHRSCHÜTZ (56) ist Milizoffizier<br />
(Major) beim Heeres-Nachrichtenamt<br />
und arbeitet seit 1991 beim ORF.<br />
Seit 2001 berichtet er vom Balkan,<br />
2015 wurde er außerdem mit der Leitung<br />
des ORF-Auslandsbüros in Kiew<br />
betraut. Wehrschütz spricht Englisch,<br />
Russisch, Ukrainisch, Serbisch,<br />
Französisch, Slowenisch, Mazedonisch<br />
und Albanisch und ist Militärdolmetsch<br />
für Russisch und<br />
Ukrainisch. Er ist verheiratet und<br />
Vater zweier Töchter.<br />
Herr Wehrschütz, die meisten Leute<br />
fürchten, dass ein Krieg kommt.<br />
Kriegsberichterstatter gehen freiwillig<br />
in Krisengebiete. Warum machen<br />
Sie das?<br />
Das war alles nicht so geplant. Das ist<br />
ein Beruf, in den man hineinrutscht.<br />
Man braucht Glück und ein gutes Team.<br />
Wenn es einen einigermaßen sicheren<br />
Zugang zu einem umkämpften Gebiet<br />
gibt, dann fährt man natürlich hin und<br />
bekommt vielleicht exklusive Bilder. An<br />
Ruhm denke ich dabei nicht. Mein wichtigstes<br />
Ziel ist die objektive Darstellung<br />
einer Situation, damit sich der Zuschauer<br />
selbst ein Bild machen und<br />
eine Meinung bilden kann.<br />
Was sagt Ihre Familie dazu?<br />
Von den gefährlichsten Einsätzen weiß<br />
meine Familie nichts – aber den Faktor<br />
Angst und Sorge um den Vater und Ehemann<br />
gibt es natürlich. Wir haben keine<br />
gepanzerten Fahrzeuge, die Splitterschutzwesten<br />
sind nun viel praktischer<br />
als früher. Aber wie der Name schon<br />
sagt, gegen Volltreffer einer Artilleriegranate<br />
schützen sie nicht, und auch<br />
gegen Scharfschützen und Minen<br />
wirken sie kaum.<br />
Gibt es beim ORF bei derartigen<br />
Einsätzen eine „Gefahrenzulage“?<br />
Nein. Gefahrenzulage gibt es keine!<br />
Aber man kann eine Kriegsversicherung<br />
abschließen, das ist wichtig für die<br />
Familie.<br />
Wie behauptet man sich gegen die<br />
großen Nachrichtenkonzerne wie<br />
CNN oder die RTL Group?<br />
Bei Interviews haben große Anstalten<br />
wie etwa die BBC oder CNN einen<br />
besseren Zugang. Aber persönliche<br />
Kontakte und gute Sprachkenntnisse<br />
gleichen vieles wieder aus. Man muss<br />
die Sprache des Landes kennen, aus<br />
dem man berichtet. Man hat damit ein<br />
anderes Auftreten, wird ernst genommen<br />
und ist zudem auch nicht auf<br />
Dolmetscher angewiesen.<br />
Wie unabhängig von militärischen<br />
Interessen einzelner Gruppen kann<br />
man berichten?<br />
Das sind ja alles nicht meine Konflikte.<br />
Ich versuche, unvoreingenommen an<br />
die Situation heranzugehen. Deshalb<br />
bin ich auch dagegen, dass Korrespondenten<br />
aus den jeweiligen Ländern<br />
eingesetzt werden. Man muss halt sehr<br />
vorsichtig sein bezüglich der Quellen.<br />
Die muss man immer kritisch hinterfragen.<br />
Das Risiko, manipuliert zu werden,<br />
ist wegen der gewaltigen Info-Menge<br />
im Web und natürlich auch durch die<br />
Fake-News-Problematik heute viel<br />
größer als früher.<br />
Haben Sie einen Tipp für einen jungen<br />
Reporter oder eine Reporterin,<br />
der oder die aus Kriegsgebieten<br />
berichten möchte?<br />
Auslandskorrespondent ist der schönste<br />
Beruf, den man als Journalist haben<br />
kann. Man hat immer wieder mit neuen<br />
Menschen und Situationen zu tun und<br />
kann selbstständig arbeiten. Wichtigste<br />
Voraussetzung: Man muss die Sprache<br />
können. Daneben sollte man auch die<br />
jeweilige Kultur kennen und eine militärische<br />
Ausbildung ist ebenfalls hilfreich.<br />
Mein Rat: Mach keine Medienausbildung,<br />
studiere nicht Journalismus, sondern<br />
mach eine ordentliche Ausbildung.<br />
Es gibt übrigens keine geschlechtsspezifischen<br />
Unterschiede – es gab beispielsweise<br />
auch im Zweiten Weltkrieg viele<br />
erstklassige Scharfschützinnen. Die<br />
Frage „Mann oder Frau?“ stellt sich bei<br />
der Wahl dieses Berufs nicht, da gibt<br />
es nur Unterschiede bei den Einsatzorten.<br />
Lateinamerika ist anders als der<br />
arabische Raum, in dem es für Frauen<br />
sicherlich schwieriger und auch gefährlicher<br />
ist.<br />
FoTo : o R F/ W E LTJ o U R N A L / „ U K R A I N E - S o N G - Co N T E ST I M K R I E G “<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
K R I E G S R E P O R T E R<br />
Wenn Fernsehstationen rund um die<br />
Uhr Nachrichten bringen, bleibt nur<br />
wenig Zeit für die Recherchen. Man<br />
schaltet zum Reporter vor Ort, aber<br />
der weiß oft weniger als die Redakteure<br />
im Senderbüro, die <strong>aktuell</strong>e Berichte<br />
von den Agenturen gelesen haben.<br />
Durch neue Technologien sind die<br />
Produktionskosten für TV-Berichte<br />
gesunken. Facebook und Twitter sind<br />
wichtig geworden. Reporter sind im<br />
Alleingang unterwegs und produzieren<br />
ihre Storys. „Die Arbeit echter<br />
Reporter kann nicht ersetzt werden“,<br />
glaubt Orter. „Ich bin davon überzeugt,<br />
dass manche Bilder, die angeblich<br />
aus Syrien stammen, alte Bilder<br />
aus anderen Ländern waren. Deshalb<br />
ist es weiterhin nötig, Reporter auszuschicken.<br />
Wir müssen nicht objektiv<br />
sein, wir müssen ehrlich sein. Wenn<br />
Sie da draußen sind, dann können Sie<br />
nur den Ausschnitt zeigen, den Sie<br />
erleben, einen Mosaikstein. Das Gesamtbild<br />
muss die Redaktion zusamüber<br />
einen Krieg informiert wird oder<br />
nicht. Ich kann mich noch gut erinnern:<br />
Ich wollte einen Film über Angola<br />
verkaufen, und niemand wollte ihn<br />
haben. Ich war sehr verwundert, bis<br />
mir zwei amerikanische Fernseh-Bosse<br />
endlich den Grund dafür verraten<br />
haben: Zu wenig Blut! Damals war<br />
ich knapp davor, meinen Job aufzugeben,<br />
so sehr hatten sie mich entmutigt.“<br />
Die Nachrichten sind ein Geschäft, die<br />
„Katastrophenkarawanen“ ziehen von<br />
einer Krise zur nächsten und schicken<br />
ihre Berichte nach Hause. „Und alle<br />
Medien schauen nur in eine Richtung“,<br />
sagt Orter. „In den 1990er-Jahren war<br />
das der Balkan, dann war es Tadschikistan,<br />
später der Irak und so weiter.<br />
Das Gefährliche dabei ist aber, dass<br />
alle nur über ein und dasselbe Ereignis<br />
berichten. Aber es gibt noch Hunderte<br />
andere Krisengebiete zur gleichen Zeit<br />
auf der Welt. Die sind aber für die<br />
Sender nicht interessant.“<br />
mensetzen. Das ist die Wahrheits -<br />
suche.“<br />
Martha Gelhorn, Grande Dame der<br />
Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert<br />
und eine der wenigen Frauen<br />
in dieser merkwürdigen Branche, begann<br />
bereits in den 1930er-Jahren im<br />
Spanischen Bürgerkrieg und verfasste<br />
noch im hohen Alter Reportagen,<br />
hauptsächlich aus Lateinamerika.<br />
„Meine Arbeit hat mich immer glücklich<br />
gemacht. Wenn man getötet wird,<br />
wird man getötet, darüber habe ich nie<br />
nachgedacht“, verriet sie in einem Interview<br />
im ORF-Fernsehen und wusste<br />
witzige Anekdoten über Ernest Hemingway<br />
zu erzählen. Ihr Beruf war für<br />
sie „nicht bloß ein Job“, sondern immer<br />
auch eine moralische Aufgabe: „Irgendjemand<br />
muss über die Unmenschlichkeit<br />
in der Welt berichten. Alles ist besser<br />
als zu schweigen. Wenn man nichts<br />
tun kann, dann sollte man zumindest<br />
weinen.“
0 2 4 h e e r & m e h r<br />
Toller Erfolg für das Bundesheer:<br />
Zum ersten Mal hat im Mai ein<br />
österreichischer Panzerzug an<br />
der von der US-Army ausgetragenen<br />
„Strong Europe Tank Challenge“<br />
am deutschen Truppenübungsplatz<br />
in Grafenwöhr teilgenommen<br />
und konnte dort<br />
gleich den Sieg erringen. Die Soldaten<br />
des Panzerbataillons 14<br />
aus Wels setzten sich dabei<br />
gegen Konkurrenten aus Frankreich,<br />
Polen, Rumänien, der<br />
Ukraine sowie Deutschland und<br />
den USA durch. Den Grundstein<br />
für den Sieg legten sie in den drei<br />
Hauptdisziplinen Angriff, Verteidigung<br />
und Steilfeuer-Präzision,<br />
insgesamt konnten sie acht der<br />
zwölf Einzeldisziplinen für sich<br />
entscheiden.<br />
ALLES<br />
PANZER<br />
JÄGERBATAILLON 25:<br />
COMBAT READY!<br />
im zweiten halbjahr übernimmt mit dem Jägerbataillon<br />
25 erstmals eine österreichische einheit das Kommando<br />
über eine Krisen-eingreiftruppe der nato für<br />
den Kosovo. im mai wurden die eineinhalbjährigen<br />
vorbereitungen darauf mit einem zweiwöchigen training<br />
am truppenübungsplatz altmark in deutschland<br />
abgeschlossen. dabei wurden die österreichischen<br />
soldaten (die eingreiftruppe besteht neben 650<br />
Österreichern auch aus 170 deutschen soldaten) von<br />
einem nato-monitoring-team auf ihre personelle und<br />
materielle einsatzbereitschaft sowie ihre einsatzführung<br />
überprüft. das gesamtergebnis fiel mit „combat<br />
ready“ – erwartungsgemäß – zufriedenstellend aus.<br />
Foto s : 7 t h a r m y t r a i n i n g co m m a n d, B u n d e s h e e r /<br />
m a n F r e d r au n e g g e r , B u n d e s h e e r / u n t e r v e r s c h lu ss
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
BOARDING TEAM: DAS JAGDKOMMANDO<br />
TRAINIERTE IM MITTELMEER<br />
Im März beteiligte sich das Jagdkommando mit einem Boarding Team<br />
auf dem deutschen Marineschiff „Main” an der EU-Operation „Sophia“.<br />
Zwei Monate später trainierten nun Soldaten des Jagdkommandos am<br />
NATO Maritime Interdiction Training Centre auf Kreta das Unter-Kontrolle-<br />
Bringen und Durchsuchen von verdächtigen Schiffen. Dabei mussten<br />
sich die Soldaten verdächtigen Schiffen rasch nähern. Bei möglichen<br />
Einsätzen kann sich die Situation vor Ort als harmlos herausstellen, die<br />
Soldaten können aber auch mit Waffenschmugglern oder Menschenhändlern<br />
konfrontiert werden und auf Widerstand stoßen.
0 2 8 H E E R & M E H R<br />
ES GIBT<br />
KEINE<br />
ZWEI-KLASSEN-ARMEE!<br />
Die Miliz soll in den kommenden Jahren personell<br />
wie materiell aufgewertet werden. Brigadier Erwin<br />
Hameseder, der Milizbeauftragte des Bundesheeres,über<br />
den laufenden Aufwuchs, die nächsten Schritte und geplante<br />
Verbesserungen im Bereich „Militär und Wirtschaft“.<br />
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Foto: SEBASTIAN FREILER<br />
Herr Brigadier, die Miliz<br />
befindet sich derzeit<br />
im Aufwuchs. Wie<br />
geht es dabei voran?<br />
Nach der derzeitigen Planung soll die<br />
Miliz in den nächsten zehn Jahren um<br />
6.500 auf 31.500 Beorderte aufwachsen.<br />
Die <strong>aktuell</strong>en Zahlen der Freiwilligen<br />
für die Miliz machen mich sehr zuversichtlich,<br />
dass wir den geplanten Aufwuchs<br />
und die Nährung der bestehenden<br />
Strukturen auch realisieren können.<br />
Wie nachhaltig dieser Aufwuchs sein<br />
wird, hängt aber maßgeblich von den<br />
Rahmenbedingungen ab, denen die Milizsoldaten<br />
ausgesetzt sind. Dies betrifft<br />
in erster Linie die Verpflichtung der<br />
österreichischen Bundesregierung, die<br />
erforderliche Ausstattung mit moderner<br />
Ausrüstung, Bewaffnung, Führungsmitteln<br />
und Fahrzeugen sicherzustellen.<br />
Welche Faktoren sind darüber hinaus<br />
aus ihrer Sicht ausschlaggebend?<br />
Immer wichtiger sind die gesellschaftliche<br />
Anerkennung und vor allem die positive<br />
Haltung der Arbeitgeber. Schließlich<br />
findet die Miliztätigkeit im Spannungsfeld<br />
des Arbeitsmarktes statt. Das<br />
Verständnis eines Arbeitgebers oder<br />
eines Kunden endet meist dort, wo die<br />
Auswirkungen des Milizengagements<br />
durch Abwesenheiten sichtbar werden.<br />
Je mehr Verständnis die Arbeitgeber für<br />
die Erfordernisse der Miliz aufbringen,<br />
desto eher verpflichten sich Wehrpflichtige<br />
für die Miliz. Ein weiterer wichtiger<br />
Punkt ist der „Miliz-Service“ – die Milizbetreuung.<br />
Ein Freiwilliger in der Einsatzorganisation<br />
erwartet sich eine entgegenkommende<br />
und aktive Betreuung<br />
nach modernem Standard, aber auch<br />
die milizfreundliche Gestaltung der<br />
Kaderausbildung durch Ausbildungsmodule<br />
mit Ausbau der Fernlehre.<br />
Im von Ihnen angesprochen Bereich<br />
„Miliz und Wirtschaft“ gab es zuletzt<br />
ja einige Verbesserungen.<br />
Ich bin als Milizbeauftragter selbst in<br />
der Wirtschaft tief verankert und sehe<br />
daher in diesem Bereich ganz klar einen<br />
meiner Schwerpunkte. Herausragend<br />
ist dabei die Initiative 2015: Der Verteidigungsminister<br />
hat in diesem Jahr mit<br />
der Wirtschaftskammer eine Kooperationsurkunde<br />
unterzeichnet mit dem<br />
Ziel, die Kommunikation, Information<br />
und die Synergien zwischen Bundesheer<br />
und Wirtschaftskammer auszubauen.<br />
Ein deutliches Signal an die Wirtschaft<br />
setzen wir nun mit der Einführung eines<br />
„Milizgütesiegels“ und in der Premium-<br />
Klasse mit dem „Miliz-Award“. Diese<br />
Auszeichnungen beziehungsweise Zertifizierungen<br />
sollen die Verbundenheit<br />
und die aktive Zusammenarbeit<br />
der Wirtschaft mit dem Bundesheer<br />
und insbesondere mit<br />
der Miliz zum Ausdruck bringen.<br />
Eine „Milizbroschüre<br />
für die Arbeitgeber“, die<br />
Anfang Juni <strong>2017</strong> erschienen<br />
ist, enthält<br />
wichtige Informationen,<br />
mit denen das<br />
Verständnis für die<br />
Milizerfordernisse gefördert<br />
werden soll.<br />
Die für den Aufwuchs<br />
notwendigen<br />
Freiwilligen<br />
müssen<br />
zu einem<br />
guten Teil<br />
aus dem<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
Grundwehrdienst gewonnen werden.<br />
Damit das funktioniert, müssen die<br />
Rekruten das Heer aber auch als<br />
attraktiv empfinden und für das<br />
Heer begeistert werden – inwieweit<br />
gibt es in diesem Bereich noch Nachholbedarf?<br />
2013 wurde das Thema „Reform des<br />
Wehrdienstes“, umfassend behandelt,<br />
die Umsetzung wurde aber leider teilweise<br />
durch die Investitionsbremse behindert.<br />
Vieles konnte aber verbessert<br />
werden und in den vergangenen Jahren<br />
ist sehr viel unternommen worden, um<br />
die Attraktivität der Miliz zu heben.<br />
So wurde das Budget für die Anerkennungsprämien<br />
verdreifacht, ein Freiwilliger<br />
bekommt zum Beispiel bei Erstverpflichtung<br />
mit absolvierter vorbereitender<br />
Milizausbildung rund tausend Euro.<br />
Und wer die Kaderausbildung zum Milizunteroffizier<br />
und Milizoffizier innerhalb<br />
einer bestimmten Zeiteinheit positiv<br />
absolviert, wird gesondert belohnt.<br />
Für jeden Tag Milizübung gibt es einen<br />
gesonderten Anteil an Milizprämie und<br />
während der Waffenübungen besteht<br />
Freifahrt bei der ÖBB. Wir wissen aber,<br />
dass das Geld allein für das Engagement<br />
in der Miliz nicht ausschlaggebend ist.<br />
Der wichtigste Faktor ist die „gelebte<br />
Kameradschaft“ und die wertschätzende<br />
Behandlung. Während des Grundwehrdienstes<br />
ist es entscheidend, die<br />
Miliz für die Rekruten „sichtbar, erlebbar<br />
und begreifbar“ zu machen und<br />
ihnen eine interessante, abwechslungsreiche<br />
und herausfordernde Ausbildung<br />
zu bieten.<br />
MILIZBEAUFTRAGTER Brigadier Erwin<br />
Hameseder ist Obmann der Raiffeisenholding<br />
WIEN/NÖ und berät als Milizbeauftragter<br />
den Verteidigungsminister<br />
in Angelegenheiten der Miliz.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 0 H E E R & M E H R<br />
Apropos „wertschätzende Behandlung“:<br />
Ein Problem war und ist vielfach,<br />
dass Miliz und präsente Verbände<br />
als Zwei-Klassen-Armee wahrgenommen<br />
werden.<br />
Dem Begriff der „Zwei-Klassen-Armee“<br />
trete ich entschieden entgegen. Wenn<br />
ich noch Ansätze dazu feststelle, wird<br />
dies dem Chef des Generalstabes und<br />
dem Herrn Bundesminister entsprechend<br />
kommuniziert. Gerade Herr<br />
Bundesminister Doskozil hat entsprechende<br />
budgetäre Maßnahmen gesetzt,<br />
dass bei der Ausstattung der Miliz sichtbare<br />
Erfolge eintreten, zuletzt bei der<br />
Ausstattung mit dem Kampfanzug 3<br />
Infanteriemodul und mit dem neuen<br />
Kampfhelm. Die gleiche Verantwortung<br />
im Einsatz erfordert die gleiche Ausrüstung!<br />
Ist das in der Truppe auch allen entsprechend<br />
bewusst?<br />
Die präsenten Kräfte erkennen zunehmend<br />
den „Mehrwert“ der Miliz für die<br />
Erfüllung der laufenden Aufträge, da die<br />
Miliz temporär zur personellen Verstärkung<br />
und Verdichtung eingesetzt wird,<br />
zum Beispiel bei den Assistenzeinsätzen<br />
im Inland an der Staatsgrenze. Und im<br />
Ausland bei den UNO-Missionen stellt<br />
die Miliz nach wie vor rund 50 Prozent<br />
der Soldatinnen und Soldaten. Ohne die<br />
laufende Unterstützung durch die Miliz<br />
ist die gegenwärtige Auftragslage nicht<br />
mehr zu bewältigen!<br />
Was spricht also noch dagegen, sich<br />
in der Miliz zu engagieren?<br />
Nichts. Ganz im Gegenteil, es spricht<br />
sogar sehr viel dafür. Als Milizsoldatin<br />
und Milizsoldat hat jeder die Chance,<br />
sich viele wertvolle Eigenschaften und<br />
Fähigkeiten, die auch in der Wirtschaft<br />
gefragt sind, anzueignen und zu trainieren.<br />
Disziplin, Durchhaltevermögen,<br />
Teamfähigkeit unter extremen Bedingungen,<br />
Führungskompetenz und interkulturelle<br />
Kompetenz sind in jedem<br />
zivilen Betrieb gefragt. Aktuell arbeiten<br />
wir auch daran, beim Heer erworbene<br />
Kompetenzen vermehrt zivil anrechenbar<br />
zu machen, idealerweise nach dem<br />
„Nationalen Qualifikationsrahmen“.<br />
Wie kann man noch vorhandenen<br />
Bedenken für ein Miliz-Engagement<br />
in Zukunft erfolgreich begegnen?<br />
AUF DEM WEG IN DIE ZUKUNFT Das Milizsystem erfährt <strong>aktuell</strong> eine deutliche Aufwertung. Die Soldaten<br />
nehmen im Anlassfall vor allem beim Schutz kritischer Infrastruktur eine entscheidende Rollen ein.<br />
Es geht letztlich um die Übernahme von<br />
Verantwortung für die Sicherheit Österreichs.<br />
Für viele Milizsoldaten ist es ein<br />
wesentlicher Motivationsfaktor „einen<br />
persönlichen sinnvollen Beitrag zu leisten<br />
für die Sicherheit unseres Landes.“<br />
Die vermehrte aktive Einbindung der<br />
Wirtschaft ist dabei ein wichtiger Faktor;<br />
insbesondere über die Sozialpartner.<br />
Diese sind wichtige Schnittstellen,<br />
wenn es darum geht, ein breiteres<br />
Verständnis als bisher für die Belange<br />
der Landesverteidigung zu schaffen.<br />
Sind dahingehend konkrete Schritte<br />
geplant?<br />
Wesentliche Schritte werden gerade gesetzt,<br />
indem am „Tag der Miliz“ – in Zukunft<br />
jeweils der 9. Juni – die Wirtschaft<br />
„vor den Vorhang“ geholt wird. Ich habe<br />
Herrn Bundesminister Doskozil auch<br />
vorgeschlagen zu genehmigen, dass beorderte<br />
Milizsoldaten am „Tag der Miliz“<br />
– soweit dies aus arbeitsrechtlichen<br />
Gründen möglich ist – am Arbeitsplatz<br />
in Uniform erscheinen, um ein sichtbares<br />
Zeichen zu setzen.<br />
Wie soll die Miliz darüber hinaus<br />
weiter attraktiviert werden?<br />
Ich beabsichtige, vermehrt auch legistische<br />
Maßnahmen anzustoßen, um die<br />
Attraktivität des Präsenzdiensts als Milizsoldat<br />
zu erhöhen. Als herausragendes<br />
Beispiel möchte ich die gelungene<br />
Anpassung eines Gesetzes im Verfassungsrang<br />
im Jahr 2015 ansprechen,<br />
von meinem Vorgänger initiiert. Dabei<br />
wurde für Frauen in Milizverwendung<br />
die Möglichkeit der freiwilligen Verpflichtung<br />
zu Milizübungen geschaffen<br />
– mit gleichen Rechten und Pflichten<br />
wie die Männer. Aktuelle Vorhaben<br />
betreffen die Erweiterung des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes<br />
für die Längerdienenden<br />
im Zuge der Kaderanwärterausbildung<br />
2 und sozialrechtlichen<br />
Nachteile für Vielübende. Es kann nicht<br />
sein, dass ein überdurchschnittlich<br />
engagierter Milizangehöriger letztlich<br />
mit einer niedrigeren Pension oder<br />
dem Verlust von Urlaubsansprüchen<br />
„belohnt“ wird. Ich fordere daher, dass<br />
diese Situation verbessert wird.<br />
Blicken wir abschließend noch in<br />
die Zukunft: Wohin soll sich die<br />
Miliz in den kommenden Jahren<br />
entwickeln?<br />
Im Bundesheerplan ist unter anderem<br />
festgeschrieben, dass von den zehn vorhandenen<br />
Milizbataillonen vier Jägerbataillone<br />
inklusive eines angemessenen<br />
Mobilitätsanteiles voll ausgestattet werden.<br />
Darauf werde ich besonders achten.<br />
Die Umsetzung der Phase 1, die bis<br />
2020 reicht, ist voll im Gange, wobei <strong>aktuell</strong><br />
aber nur „ein Drittel“ des Budget-<br />
Bedarfes für die Miliz als gesichert gilt,<br />
was höchst unbefriedigend ist. Die weiteren<br />
konkreten Planungen für die Phase<br />
2 und 3 hängen von den budgetären<br />
Vorgaben ab. In gleichem Maße betrifft<br />
dies aber auch die Präsenzorganisation.<br />
Mein klares Ziel ist es daher, mich intensiv<br />
in engster Abstimmung mit der<br />
militärischen Führung dafür einzusetzen,<br />
dass für die Weiterentwicklung des<br />
Bundesheeres und damit auch insbesondere<br />
für die Miliz die notwendigen<br />
Budgetmittel zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
FOTO : B U N D E S H E E R / C H R I ST I A N J O H A N N E S<br />
FOTO S : X X X X X X X<br />
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0 3 2 H E E R & M E H R<br />
BREIT AUFGESTELLT Die Landstreitkräfte umfassen zahlreiche Verbände und Einheiten. Darunter beispielsweise das Panzergrenadierbataillon<br />
35 (als Teil der 4. Panzergrenadierbrigade), das Pionierbataillon 3 (als Teil des Kommandos Schnelle Einsätze) und das Jägerbataillon 17 (als Teil<br />
der 7. Jägerbrigade).<br />
DAS KOMMANDO<br />
LAND<br />
STREIT<br />
KRÄFTE<br />
Infolge der jüngsten Bundesheer-Reform werden in Österreich erstmals seit 38 Jahren neue<br />
Truppen aufgestellt. Wir stellen in den kommenden Ausgaben die neuen Verbände und<br />
Kommanden vor. Den Auftakt macht das Kommando Landstreitkräfte. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
as Bundesheer hat<br />
D<br />
mit 1. Jänner seine<br />
neue Organisationsstruktur<br />
eingenommen.<br />
Dabei<br />
wurde das alte<br />
Streitkräfteführungskommando<br />
aufgelöst und in ein Kommando<br />
Land- und ein Kommando Luftstreitkräfte<br />
mit Sitz in Graz beziehungsweise<br />
Salzburg geteilt. Aus<br />
der alten Struktur verblieben für<br />
beide Kommanden lediglich die Abteilung<br />
Personalwesen mit einem<br />
Teil Graz und einem in Salzburg-<br />
Wals.<br />
Dem Kommando Landstreitkräfte<br />
sind das Kommando Schnelle Einsätze,<br />
die Leichte Brigade (7. Jäger -<br />
brigade), die Schwere Brigade (4.<br />
Panzergrenadierbrigade), das Kommando<br />
Gebirgskampf, die Heerestruppenschule,<br />
die Auslandseinsatzbasis<br />
und alle neun Militärkommanden<br />
unterstellt. Insgesamt leisten<br />
310 Personen ihren Dienst im Kommando<br />
in der Grazer Belgier-Kaserne,<br />
sie führen alle Inlands- und Auslandseinsätze<br />
des Heeres. Das Kommando<br />
Landstreitkräfte schafft die<br />
Rahmenbedingungen für die Einsätze<br />
und stellt die Vorbereitung sowie<br />
nationale Führung sicher – egal ob<br />
bei humanitären Hilfseinsätzen, Katastrophenhilfe,<br />
friedensunterstützenden<br />
Operationen oder dem Einsatz<br />
von Militärbeobachtern und<br />
Experten.<br />
Das Kommando über die Landstreitkräfte<br />
hat Generalleutnant Franz<br />
Reißner. Für die Führung der Landstreitkräfte<br />
stehen ihm außerdem<br />
zehn Abteilungen (u. a. Ausbildung,<br />
Planung, Operative Einsatzführung,<br />
Logistik, Militärische Sicherheit und<br />
Personalwesen) und fünf Stabsstellen<br />
zur Verfügung.<br />
FOTO : B U N D E S H E E R , B U N D E S H E E R / KU R T K R E I B I C H , H B F/ DA N I E L<br />
T R I P P O LT, B U N D E S H E E R / G A N G L B E R G E R S E V E R I N ,<br />
B U N D E S H E E R / R O B E R T G I E SSAU F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S E R I E : D I E N E U E N K O M M A N D E N – T E I L 1<br />
INTERVIEW<br />
„Wir sind auf einem<br />
sehr guten Weg!“<br />
Generalleutnant<br />
Franz Reißner ist<br />
Kommandant<br />
der Landstreitkräfte.<br />
Herr Generalleutnant, was sind <strong>aktuell</strong><br />
die größten Herausforderungen in<br />
Ihrem Verantwortungsbereich?<br />
Derzeit stehen etwa 2.000 Soldatinnen<br />
und Soldaten im In- oder Auslandseinsatz,<br />
womit wir bezogen auf die Einwohnerzahl<br />
im absoluten Spitzenfeld<br />
aller EU-Mitgliedstaaten liegen. Wir<br />
benötigen daher Nachwuchs und suchen<br />
in den nächsten Jahren 9.800 engagierte<br />
junge Frauen und Männer, die<br />
bereit sind, aktiv an Österreichs und<br />
Europas Sicherheit mitzuwirken. Dafür<br />
bieten wir gute Bezahlung und sichere<br />
Arbeitsplätze in vielfältigen militärischen<br />
Berufen.<br />
FACTBOX<br />
Kommando Landstreitkräfte<br />
Kommandant Generalleutnant Franz Reißner<br />
Sitz/Hauptquartier Belgier-Kaserne, Graz ( )<br />
Personal 310 Personen in Graz, österreichweit<br />
umfassen die Landstreitkräfte insgesamt<br />
13.200 Soldatinnen und Soldaten<br />
Aktuelle Einsätze Inland 900 Soldaten<br />
(Grenzeinsatz bzw. Botschaftsbewachung)<br />
Aktuelle Einsätze Ausland<br />
1.100 Soldaten in 18 Missionen<br />
Unterstellte Verbände/Einheiten ( )<br />
Kommando Schnelle Einsätze,<br />
Leichte Brigade/7. Jägerbrigade,<br />
Schwere Brigade/4. Panzergrenadierbrigade,<br />
Kommando Gebirgskampf, die Heerestruppenschule,<br />
die Auslandseinsatzbasis und alle neun Militärkommanden<br />
Welche Herausforderungen stellen<br />
sich für die Landstreitkräfte darüber<br />
hinaus?<br />
Wir haben mit Jahresbeginn die<br />
Strukturen der Landstreitkräfte an die<br />
<strong>aktuell</strong>e Sicherheitslage angepasst.<br />
So stehen Österreich erstmals spezialisierte<br />
Truppen zur gemeinschaftlichen<br />
Bewältigung von subkonventionellen<br />
Bedrohungen zur Verfügung. Die Steigerung<br />
der Effizienz dieser Truppen<br />
steht nun im Zentrum unserer Bemühungen.<br />
Das machen wir einerseits<br />
mit der Stärkung der Soldatinnen und<br />
Soldaten in Quantität und mit spezialisierter<br />
Ausbildung und andererseits<br />
mit dem Zulauf neuester Ausrüstung<br />
und Bewaffnung. Wir sind auf diesem<br />
Weg schon sehr gut unterwegs.<br />
m i L i t ä R a K t u e L L
0 3 4 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
DIE<br />
UNTEROFFIZIERS-<br />
SCHMIEDE<br />
Die Heeresunteroffiziersakademie in enns geht seit September 2016<br />
neue Wege. Die Unteroffiziersausbildung wurde generalüberholt: Sie ist nun<br />
deutlich straffer in den Abläufen, moderner und zeitgemäßer im Aufbau und<br />
orientiert sich mehr an den Erfordernissen der einzelnen Verbände.<br />
Ein Truppenbesuch. text: JOHaNNeS luXNer Fotos: SeBaStiaN Freiler<br />
D<br />
ie Ennser Towarek-<br />
Kaserne ist zwar<br />
seit Jahrzehnten das<br />
Zentrum der Unteroffiziersausbildung<br />
und -weiterbildung in Österreich,<br />
doch seit Herbst 2016 herrscht in den<br />
historischen Gebäuden aus Kaisers<br />
Zeiten besonders geschäftiges Treiben.<br />
„Seit September vergangenen<br />
Jahres befinden sich rund 900 Personen<br />
in der Kaderanwärterausbildung<br />
2“, drückt Kommandant Brigadier<br />
Nikolaus Egger die neuen Verhältnisse<br />
in Zahlen aus und erklärt: „Das<br />
bedeutet eine Verdreifachung im<br />
Vergleich zu früher. Mit Blick auf die<br />
Ausmusterungsrate rechnen wir mit<br />
einer Verdoppelung der Zahlen.“ Die<br />
launige Prophezeiung von Generalleutnant<br />
Karl Schmidseder im Zuge<br />
der Ausmusterung im vergangenen<br />
Februar, dass die Ennser Stadthalle<br />
vor diesem Hintergrund für derartige<br />
Veranstaltungen bald zu klein sein<br />
könnte, ist also gar nicht so fern der<br />
Realität.<br />
Der wesentliche Faktor des regen<br />
Zulaufs ist der Personaloffensive des<br />
m i l i t ä r a k t u e l l
T R U P P E N B E S U C H<br />
DIE HEERESUNTER-<br />
OFFIZIERSAKADEMIE<br />
EINSATZ GEFRAGT Körperliche Fitness ist<br />
Grundvoraussetzung für angehende Unteroffiziere,<br />
die in der Hindernisbahn ebenso zu beweisen<br />
ist wie bei der Bewältigung mancher Hürde.<br />
Auch der Aufbau von Zelten will geübt sein.<br />
GUT IN SCHUSS Teile der Schießausbildung<br />
finden am Pistolensimulator statt.<br />
Der Ursprung der<br />
heutigen Heeresunteroffiziersakademie<br />
(HUAk) liegt<br />
in der im Jahr 1958<br />
gegründeten Heeresunteroffiziersschule,<br />
deren Ausbildungsstruktur<br />
bis Mitte der 1990er-Jahre bestanden<br />
hat. Im Jahr 1995 wurde die Ausbildung<br />
schließlich den Erfordernissen<br />
der Zeit angepasst, die Heeresunteroffiziersakademie<br />
bekam ihren heutigen<br />
Namen. Im vergangenen Jahr<br />
wurde die Ausbildung neuerlich<br />
adaptiert, sie hat seit September 2016<br />
eine neue Struktur und kann nun in<br />
einem Stück innerhalb von 18 Monaten<br />
absolviert werden. Der Standort<br />
der Heeresunteroffiziersakademie<br />
befindet sich seit jeher in der Towarek-Kaserne<br />
in Enns und versteht sich<br />
als Kompetenzzentrum für die nationale<br />
und internationale Unteroffiziersausbildung<br />
und –weiterbildung.<br />
Die Ausbildung der Heeresunteroffiziersakademie<br />
befindet sich im steten<br />
Wandel: Der Fremdsprachenunterricht<br />
wurde angesichts der vielen<br />
Auslandseinsätze ausgebaut und im<br />
Lauf der Jahrzehnte ergänzten Themen<br />
und Fächer wie Militärethik, Cyberkriminalität<br />
oder auch Gleichstellungsthemen<br />
die Lehrpläne. In der<br />
Towarek-Kaserne sind rund 130 Mitarbeiter<br />
beschäftigt. Die Heeresunteroffiziersakademie<br />
ist in Form zahlreicher<br />
Kooperationen international eng<br />
vernetzt – etwa mit der Schule für<br />
Feldjäger und Stabsdienst in Hannover.<br />
Im vergangenen Jahr hat sich insbesondere<br />
die Ausbildungskooperation<br />
mit den Ländern Ungarn, Serbien<br />
und Bosnien intensiviert.<br />
Bundesheeres geschuldet, wie Brigadier<br />
Egger weiter erklärt. „Die Sicherheit<br />
des Arbeitsplatzes und die solide<br />
Bezahlung sind große Anreize.“ Doch<br />
die Heeresunteroffiziersakademie ist<br />
nicht nur angesichts des generellen<br />
Imagewandels des Bundesheeres<br />
attraktiver geworden, auch die Ausbildung<br />
wurde generalüberholt und<br />
damit attraktiver. Egger: „War die<br />
Ausbildung bislang sehr modulartig<br />
aufgebaut, so findet sie nun an einem<br />
Stück statt und kann in 18 Monaten<br />
absolviert werden.“ Im Zuge<br />
der Kaderanwärterausbildung<br />
1 kommen zudem verschiedenste<br />
Berufsgruppen zusammen.<br />
Jene, die eine Offizierslaufbahn<br />
einschlagen wollen ebenso wie<br />
Unteroffiziersanwärter – egal ob<br />
Oberösterreich<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 6 H E E R & M E H R<br />
teamPlaYer Wer die HUAk besucht, erhält eine Ausbildung in grundlegenden soldatischen<br />
Aufgaben, aber auch eine erste Ausbildung in Sachen militärischer Führung.<br />
Miliz- oder Präsenzstand, ob Matura<br />
oder nicht. „Mit dieser Durchmischung<br />
haben wir bereits gute Erfahrungen<br />
gemacht“, so Egger, „inhaltlich<br />
dreht sich die Ausbildung zunächst<br />
um grundlegende soldatische Aufgaben<br />
und sie ist auch eine erste Führungsausbildung.“<br />
Der zweite Teil der Ausbildung findet<br />
an den jeweiligen Waffen- und Fachschulen<br />
statt. Dann trennen sich die<br />
Wege. Milizionäre kehren in ihren<br />
Beruf zurück, Offiziere gehen an die<br />
Militärakademie und für die Unteroffiziersanwärter<br />
geht es zurück in die<br />
Heeresunteroffiziersakademie. „Sie<br />
bekommen den letzten Feinschliff –<br />
etwa in Fremdsprachen, Rechtsfächern,<br />
aber auch im Bereich Führungsverhalten<br />
und Ausbildungsmethodik.“<br />
Diese neue Struktur sei insofern<br />
von großem Vorteil, weil sie eine<br />
große Planbarkeit und eine schnelle<br />
Kaderproduktion gewährleistet und<br />
auch Seiteneinsteigern Möglichkeiten<br />
gibt, beschreibt Egger die Neuerungen,<br />
spricht aber auch die Nachteile<br />
an: „In der militärischen Praxis ist bis<br />
dahin noch nicht viel geschehen. Die<br />
Leute haben noch keine militärische<br />
Heimat, was aber auch als Chance<br />
verstanden werden kann: Sie können<br />
sozusagen als Rohperlen in den jeweiligen<br />
Verband integriert werden.“<br />
Doch an der Heeresunteroffiziersakademie<br />
ist im vergangenen Jahr noch<br />
„Ich will wieder in den Auslandseinsatz!“<br />
Felix Prähauser aus Salzburg<br />
besucht seit März <strong>2017</strong> die HUAk<br />
in Enns. Ihn reizen insbesondere<br />
die Auslandseinsätze des Bundesheeres,<br />
als Sanitäter war er bereits<br />
in Bosnien.<br />
Wie ist ihre entscheidung, eine laufbahn<br />
als unteroffizier einzuschlagen,<br />
zustande gekommen?<br />
Die Unteroffizierslaufbahn war für mich<br />
eine logische Schlussfolgerung. Nachdem<br />
mir damals beim Grundwehrdienst<br />
die Arbeit als Sanitäter sehr gefallen hat,<br />
bin ich dabei geblieben und nun schon<br />
sechs Jahre beim Bundesheer. Ich war<br />
währenddessen auch mit der Kaderpräsenzeinheit<br />
in Bosnien im Auslandseinsatz<br />
und das war für mich dann der<br />
Knackpunkt.<br />
inwiefern?<br />
Weil der Einsatz eine Erfahrung sehr positiver<br />
Art war, auch wenn es eine große<br />
Herausforderung bedeutet, wenn du mit<br />
Leuten, die du erst kurz kennst, 24 Stunden<br />
am Tag unterwegs bist und zusammenarbeitest.<br />
Ich war in Bosnien als<br />
Notarztwagenfahrer tätig, der Teamgeist<br />
war bemerkenswert und es herrscht bei<br />
Auslandseinsätzen ein etwas anderer<br />
Umgang, weil es für alle eine besondere<br />
Situation ist. All das hat mich angespornt,<br />
die Heeresunteroffiziersakademie zu machen,<br />
um in der Folge weitere Auslandseinsätze<br />
zu absolvieren.<br />
Wie gestaltet sich die ausbildung bis<br />
jetzt?<br />
Sehr positiv, vor allem, weil es wenig<br />
Frontalunterricht gibt und die Leute in<br />
den Unterricht stark miteinbezogen<br />
werden. Das kommt gut an. Außerdem<br />
gefällt mir die viele Zeit, die wir draußen<br />
verbringen – bei Übungen und Märschen,<br />
das gehört für mich unabdingbar<br />
dazu, schließlich will ich Soldat sein.<br />
inwiefern spüren sie den positiven<br />
ruck, der momentan durch das heer<br />
geht, persönlich?<br />
Früher habe ich meistens die Frage nach<br />
dem Warum gehört, als ich erzählt habe,<br />
dass ich beim Bundesheer bin. Das<br />
kommt jetzt nicht mehr vor. Die Menschen<br />
erkennen seit der Flüchtlingskrise<br />
den Sinn des Heeres wieder. Ich war<br />
selbst sechs Monate lang als Sanitäter<br />
am Salzburger Hauptbahnhof im Einsatz.<br />
m i l i t ä r a k t u e l l
T R U P P E N B E S U C H<br />
mehr in Bewegung gekommen, was<br />
im Gegensatz zur Vielzahl junger<br />
Leute in Ausbildung nach außen<br />
kaum sichtbar ist – etwa im Bereich<br />
der sehr eng geflochtenen internationalen<br />
Ausbildungskooperationen<br />
der Heeresunteroffiziersakademie.<br />
„Insbesondere Ungarn, aber auch<br />
Serbien und Bosnien kommen in<br />
Ausbildungsfragen sehr auf uns zu.<br />
Derzeit haben wir etwa Angehörige<br />
der deutschen Bundeswehr hier, die<br />
ein Seminar besuchen.“<br />
Die internationale Ausrichtung hat in<br />
Enns eine lange Tradition. Die Heeresunteroffiziersakademie<br />
kooperiert<br />
mit der Schule für Feldjäger und<br />
Stabsdienst der Bundeswehr in Hannover<br />
mit einem Schwerpunkt im<br />
Bereich Stabsdienst und dem Austausch<br />
von Lehrpersonal. Darüber<br />
hinaus arbeitet die Heeresunteroffiziersakademie<br />
mit der Berufsunteroffiziersschule<br />
der Schweizer Armee<br />
(BUSA) im Bereich Ausbildungsme-<br />
REGER ZULAUF „Die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die solide Bezahlung sind große Anreize“,<br />
nennt Kommandant Nikolaus Egger wesentliche Faktoren hinsichtlich des regen Zulaufs in Enns.<br />
thodik sehr eng zusammen. Und<br />
mit dem regen Zulauf und der neuen<br />
Ausbildungsstruktur ist in der Towarek-Kaserne<br />
auch in Sachen Infrastruktur<br />
etliches in Bewegung gekommen.<br />
Ein Bauwerk wurde generalsaniert,<br />
um moderne Unterkünfte<br />
zu bieten. „Aber auch in Sachen<br />
Lehrsäle, Lernmittel und -methoden<br />
hat sich viel getan“, freut sich Egger.<br />
„Sogar ein neues Sportgebäude steht<br />
in Aussicht.“
0 3 8 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
1<br />
4<br />
2<br />
3<br />
CYBER-ABWEHR<br />
Zum Schutz seines virtuellen Raums setzt das Bundesheer auf das Kommando<br />
Führungsunterstützung und Cyber Defence in der Stiftkaserne in Wien.<br />
Oberleutnant Striedinger erklärt, wie man Angriffe auf das System erkennt und<br />
auf Attacken richtig reagiert. Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
Das Bundesheer hat früh erkannt,<br />
dass vom Cyberraum neue Gefahren<br />
ausgehen, die das Potenzial haben,<br />
die Sicherheit Österreichs zu gefährden.<br />
Seit Jahren betreiben die rotweiß-roten<br />
Streitkräfte daher massive<br />
Anstrenungen zur Erhöhung der<br />
Cybersicherheit, die sich auch in<br />
internationalen Erfolgen niederschlagen:<br />
So nehmen Soldaten des<br />
Bundesheeres seit 2012 aktiv an der<br />
Nato-Übung „Cyber Coalition“ teil<br />
und konnten diesen digitalen Hacker-Abwehr-Wettkampf<br />
im ersten<br />
Jahr auch gleich gewinnen.<br />
Das Bundesheer überwacht sein<br />
österreichweites Digitalnetzwerk von<br />
Räumen (1) in der Wiener Stiftkaserne<br />
aus. Mehrere Cyber-Experten<br />
analysieren dort den laufenden<br />
Datenverkehr (2) und bedienen<br />
sich dazu auch eines Monitoring-<br />
Programms, das die Unmengen an<br />
Informationen filtert und übersichtlich<br />
bündelt. Auf einem großen Bildschirm<br />
(3) ist das <strong>aktuell</strong>e Cyberlagebild<br />
dargestellt. Darauf lässt sich<br />
etwa in Form von Tortendiagrammen<br />
erkennen, wie oft jemand versucht in<br />
das Netzwerk einzudringen (die Rede<br />
ist von „anklopfen“) oder wie viele<br />
Viren im System unterwegs sind.<br />
Angriffe auf das Netzwerk (4) gehen<br />
meist mit einer sehr hohen Netzauslastung<br />
einher, diese liegt dann bei<br />
bis zu 90 Prozent. Erkennen die<br />
Experten in der Stiftkaserne einen<br />
derartigen Daten-Ansturm, werden<br />
die Kollegen alarmiert (5) – im<br />
Regelfall ist das zwei- bis dreimal<br />
pro Woche der Fall.<br />
Dauert der Angriff auf das Netz länger<br />
als eine halbe Stunde, beginnen<br />
die Cyber-Soldaten mit der Suche<br />
nach der Ursache beziehungsweise<br />
dem Aggressor (6). Die Ermittelungen<br />
laufen über unterschiedliche<br />
Geräte, die Zugriff auf verschiedene<br />
Netzwerke erlauben.<br />
Mittels Ausschlussverfahren wird<br />
versucht den Bösewicht zu stellen.<br />
Die Gefahr kann etwa von einem<br />
E-Mail oder einem über einen USB-<br />
Stick eingeschleppten Virus ausgehen,<br />
aber auch über eine automatisierte<br />
Maßnahme eines Programmes.<br />
Abhängig von der Gefahrenquelle<br />
werden geeignete Gegenmaßnahmen<br />
eingeleitet (7), der Bedrohung wird<br />
anschließend mit Programmzeilen<br />
zu Leibe gerückt.<br />
Ist die Gefahr gebannt, wird in einer<br />
Nachbesprechung (8) der Hergang<br />
im Detail aufgearbeitet. Mithilfe dieser<br />
Analyse sollen Lehren für weitere<br />
Angriffe und möglichst effektive Abwehr-Maßnahmen<br />
gezogen werden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S E R V I C E<br />
5<br />
6<br />
7 8<br />
GEGNER IM CYBERSPACE<br />
Mit Programmzeilen versuchen die Leute<br />
des Kommandos Führungsunterstützung und<br />
Cyber Defence Aggressoren zu Leibe zu rücken.<br />
PROFIS AM WERK<br />
Oberleutnant Striedinger (links) bringt als<br />
Milizoffizier das Wissen aus seinem beruflichen<br />
Umfeld in seine Tätigkeit beim Bundesheer mit ein.
0 4 0<br />
R<br />
E C Y C L I N G<br />
DER<br />
KREIS-<br />
LAUF<br />
DES<br />
GLASES<br />
Austria Glas Recycling – ein Unternehmen der ARA – ist ein europaweit anerkanntes<br />
System für Glasrecycling. Geschäftsführer Harald Hauke im Interview über<br />
Unternehmer, Nachhaltigkeit und die Zukunft.<br />
I<br />
n Österreich wirft kaum jemand<br />
eine Glasflasche unbedacht<br />
einfach weg, sondern<br />
sammelt Altglas in<br />
den dafür vorgesehenen<br />
Containern. Flächendeckend<br />
sind über 70.000 Container für<br />
die Entsorgung aufgestellt und jedes<br />
Kind kennt die Trennung in Buntund<br />
Weißglas. Austria Glas Recycling<br />
ist eine Non-Profit-Organisation, die<br />
in Zusammenarbeit mit Spezialisten<br />
und der Bevölkerung die Sammelmengen<br />
jährlich steigert und Österreich<br />
mit einer Glasrecyclingquote<br />
von mehr als 80 Prozent einen Platz<br />
in der internationalen Top-Riege<br />
sichert.<br />
Die Österreicher sind<br />
eifrige Sammler von<br />
Altglas. Für den privaten<br />
Haushalt auf jeden<br />
Fall, doch wie sieht es<br />
in großen Unternehmen<br />
aus? Funktioniert<br />
hier die Sammlung<br />
ebenfalls reibungslos?<br />
Die Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer in<br />
Österreich sind sich ihrer Verantwortung<br />
für Ressourcenschonung<br />
und Umweltschutz bewusst – einerseits<br />
als Lizenzpartner des Glasrecyclingsystems<br />
von Austria Glas Recycling<br />
und ARA, andererseits beim<br />
Entsorgen der Betriebs- und Küchenabfälle.<br />
Die Recyclingquote für<br />
Glasverpackungen von jährlich über<br />
80 Prozent belegt das eindrucksvoll.<br />
Wie viele Tonnen Altglas werden<br />
jährlich gesammelt und recycelt?<br />
Mehr als 235.000 Tonnen.<br />
Was passiert mit dem Altglas, das<br />
wir in den Container werfen?<br />
Das von Austria Glas Recycling gesammelte<br />
Altglas wird der Glasindustrie<br />
als Rohstoff verkauft. Es wird<br />
eingeschmolzen und zu neuen Glas-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
verpackungen geformt. Glas ist von<br />
seiner Natur aus für Recycling gemacht.<br />
Sie können Glas unendlich<br />
oft zu 100 Prozent recyceln.<br />
Auch wenn die Trennung und Entsorgung<br />
von Glas in Österreich<br />
selbstverständlich ist, geht Austria<br />
Glas Recycling auch in die Schulen<br />
und sensibilisiert die Kinder?<br />
Ja, natürlich. Umweltbildung ist seit<br />
Gründung des österreichischen Glasrecyclingsystems<br />
in den 1970er-Jahren<br />
Teil des Erfolgsrezeptes. Austria<br />
Glas Recycling bietet ein vielfältiges<br />
Programm für Volksschulkinder<br />
ebenso wie für Teenager. Aktuell läuft<br />
der Essay-Wettbewerb AGENDA<br />
2030 – Das geht uns alle an. Mitmachen<br />
empfohlen, es winkt Preisgeld.<br />
Warum muss eigentlich Bunt- und<br />
Weißglas getrennt werden?<br />
Buntglas wird für Produkte eingesetzt,<br />
für die Lichtschutz erforderlich<br />
ist (Medikamente, Bier, …). Weißglas<br />
entfärbt Buntglas. Zum Buntglas darf<br />
daher nur grünes, braunes, blaues<br />
und anderes gefärbtes Glas. Eine einzige<br />
grüne Flasche färbt 500 kg farbloses<br />
Glas grünlich. Daher darf nur völlig<br />
farbloses Glas zum Weißglas.<br />
Wie fleißig wird in anderen<br />
Ländern gesammelt?<br />
Österreich zählt zu den internationalen<br />
Frontrunnern. In anderen Ländern<br />
arbeitet man am Aufbau einer<br />
funktionierenden Abfallwirtschaft.<br />
Die EU setzt viel Aufmerksamkeit in<br />
die Etablierung von Circular Economy.<br />
Österreichs Glasrecyclingsystem<br />
dient als Blaupause und Vorbild.<br />
Nachhaltigkeit steht in einem<br />
Recy cling-Unternehmen an erster<br />
Stelle. Gibt es auf diesem Gebiet<br />
trotzdem noch Luft nach oben?<br />
Nachhaltigkeit – wie wir von Austria<br />
Glas Recycling sie verstehen – ist ein<br />
Weg. Man ist nie am Ziel. Die Dilemmas<br />
zwischen Ökonomie und<br />
Ökologie verändern sich im Laufe<br />
der Geschichte, die Anforderungen<br />
und Wertigkeiten von Gesellschaften<br />
unterliegen einem Wandel. Mit<br />
unserem Nachhaltigkeitsmanagementsystem<br />
stellen wir die richtigen<br />
Fragen, finden die passenden Antworten<br />
und setzen die richtigen<br />
Maßnahmen für ein nachhaltiges –<br />
also ökonomisch erfolgreiches, umweltorientiertes<br />
und sozial verantwortungsvolles<br />
– Glasrecycling -<br />
system.<br />
Gibt es Anreize für Unternehmen,<br />
damit nachhaltig und umweltverträglich<br />
das Glas entsorgt wird?<br />
Unternehmen sind verpflichtet, Altstoffe<br />
ordnungsgemäß zu entsorgen.<br />
Doch unabhängig davon ist es kaufmännisch<br />
sinnvoll, denn die getrennte<br />
Entsorgung der Altstoffe reduziert<br />
Restmüllkosten. Und letztlich:<br />
Je höher das Recycling von Altglas,<br />
desto wirtschaftlicher ist der<br />
Glaskreislauf. Das wirkt sich positiv<br />
auf den Lizenztarif aus.<br />
Inwiefern setzt das Bundesheer<br />
auf zeitgemäßes Glasrecyclng?<br />
Wir freuen uns sehr, daß auch in<br />
den Kasernen des österreichischen<br />
Bundesheeres fleißig Glas gesammelt<br />
wird. Dafür möchte ich mich<br />
an dieser Stelle herzlich bedanken.<br />
FACTS & FIGURES<br />
Scherben bringen Glück: Mehrwert für Umwelt & Klima<br />
G R A F I K : WO L FG A N G R . F Ü R ST, AG R<br />
Das gesammelte Altglas wird zu<br />
100 Prozent in der Verpackungsglasindustrie<br />
verwertet. Aus gebrauchten<br />
Glasverpackungen<br />
werden neue – stets in 1A-Qualität.<br />
Immer und immer wieder!<br />
Glasrecycling – ein perfekter<br />
regionaler Materialkreislauf<br />
Gebrauchte Glasverpackungen<br />
sind der mengenmäßig wichtigste<br />
Rohstoff für die Herstellung neuer<br />
Verpackungen. Die Einsatzquote<br />
beträgt bei Weißglas bis zu 60 Prozent,<br />
bei Braunglas bis zu 70 Prozent<br />
und bei Grünglas bis zu 90<br />
Prozent. In Österreich produzierte<br />
Glasverpackungen bestehen im<br />
Durchschnitt aller Farben, Formen<br />
und Größen zu zwei Drittel aus<br />
Altglas. Dabei gilt: Je sauberer die<br />
gesammelten Glasverpackungen<br />
sind, desto mehr Altglas kann eingesetzt<br />
werden. Das ist billiger als<br />
Deponieren und spart Ressourcen<br />
und Energie. Zudem stärkt der<br />
Einsatz des Sekundärrohstoffes<br />
Altglas die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der heimischen<br />
Glasindustrie. Das sichert Arbeitsplätze<br />
in Österreich.<br />
Glasrecycling ist Umwelt- und Klimaschutz<br />
Die positiven Auswirkungen auf<br />
die Umwelt können sich sehen lassen.<br />
Dank getrennter Sammlung<br />
und stofflicher Verwertung von<br />
Glasverpackungen sparen wir jährlich<br />
beträchtliche Mengen an Rohstoffen:<br />
- 164.000 Tonnen Quarzsand<br />
- 53.000 Tonnen Kalk und Dolomit<br />
- 41.000 Tonnen Soda<br />
- 573.000 m³ Abbauvolumen<br />
- 213.000 m³ Deponievolumen für<br />
Einwegglas<br />
- 225.000.000 kWh elektrische<br />
Energie<br />
- 6.000.000m³ Erdgas<br />
(Zahlenangaben gerundet)<br />
CO 2 -Reduktion<br />
Je 10 Prozent Altglas bei der Neuproduktion<br />
reduzieren 3 Prozent<br />
Energieverbrauch und 7 Prozent<br />
CO 2 -Emissionen. Die jährliche<br />
Einsparung an elektrischer Energie<br />
entspricht dem Jahresbedarf<br />
von etwa 51.000 Haushalten<br />
und reduziert unser aller CO 2 -<br />
Footprint.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 2<br />
S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />
Im Kräftemessen mit China setzen die USA in Südostasien auch darauf, Staaten mit Ansprüchen in dieser Region (also<br />
potenziell in Konflikt mit Peking stehende Länder) als Partner und Kunden zu gewinnen. Auf der LIMA-<strong>2017</strong> Flug- und<br />
Schiffsshow in Langkawi/Malaysia hat sich im März aber gezeigt, dass diese Staaten zunehmend auf Kriegsschiffe „Made<br />
in China“ setzen. Während man einerseits also Territorialkonflikte austrägt, scheint andererseits der Wille zur bilateralen<br />
Lösung zu überwiegen. Der malaysische Marinechef kommentierte den bei LIMA unterzeichneten Vertrag seines Landes<br />
über vorerst vier chinesische Küstenkampfschiffe im Volumen von rund 250 Millionen Euro pragmatisch: „Unser<br />
Vertrag wurde nicht mit China Shipbuilding (Anm.: CSIC) geschlossen, sondern mit BOUSTEAD Naval Shipyard BNS in<br />
Malaysia. Die werden die ersten beiden in China gebauten 3.000-Tonnen-Schiffe ausrüsten und dann in CSIC-Lizenz<br />
eventuell bis zu 18 Stück bauen.“ Andere Länder verfahren ähnlich: So kamen einige der neuen chinesischen Korvetten<br />
und Fregatten vor Langkawi aus Pakistan, Vietnam, Indonesien und Bangladesch.<br />
CHINA-GEGNER<br />
CHINA-SCHIFFE<br />
IM FOKUS<br />
DER KONZERN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
14.000<br />
Mitarbeiter<br />
1,62 Mrd. Euro<br />
Umsatz (2016)<br />
Top-Produkte<br />
Kampfjet Su-30M<br />
& Berijew A-50<br />
IRKUT CORPORATION<br />
Die sibirische Flugzeugbau-Holding IRKUT ist eine der noch in der UdSSR dislozierten Fabriken, welche unter anderem<br />
Varianten der hundertfach gebauten russischen Su-30M herstellt. Das russische Luftwaffen-Kunstflugteam<br />
„Russische Recken“ hat erst im Oktober auf die neueste Version Su-30SM mit Vorflügel und Schubvektorsteuerung<br />
umgestellt und trat im März in Malaysia das erste Mal damit auf. Seit 2006 ist IRKUT – dazu gehören auch die<br />
Unternehmen Berijew und Jakowlew – selbst Teil des<br />
staatlichen Syndikats OAK, welches auf westlichen<br />
Märkten als United Aircraft Corporation (UAC) auftritt<br />
und wiederum zum vom Putin-Vertrauten Tschemezow<br />
geleiteten Konglomerat ROSTEC gehört. 2015<br />
und 2016 wurden je rund 60 Sukhois an die russische<br />
Luftwaffe (VKS) geliefert, bis Ende 2018 sollen es<br />
140 sein. IRKUT liefert auch Su-30 für Algerien und<br />
Kasachstan und fertigt außerdem die Komponenten<br />
für über 300 in Indien montierte und zu zwei<br />
Drittel ausgelieferte Su-30MKI.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />
RUSSLANDS NEUE<br />
GEFECHTSFAHRZEUGE<br />
Bereits zum zweiten Mal wurden anlässlich<br />
der 9.-Mai-Parade am Moskauer<br />
Roten Platz neue Kampffahrzeuge für die<br />
russische Armee gezeigt. Damit scheint<br />
bestätigt, dass es sich dabei nicht nur –<br />
wie von vielen Seiten vermutet – um<br />
Versuchsgeräte handelt, sondern um<br />
Typen, die (mit allerdings deutlich<br />
gedehnten Einführungshorizonten)<br />
tatsächlich eingeführt werden. Heuer<br />
wieder dabei war der „vielgehypte“<br />
Kampfpanzer T-14 Armata (Bild) mit<br />
unbemanntem Turm, der aber wohl erst<br />
gegen Ende des Jahrzehnts in nennens-<br />
werten Stückzahlen zur Truppe kommen<br />
wird. Der 25-Tonnen-Schützenpanzer<br />
Kurganetz-25 dürfte angeblich<br />
sogar erst ab 2021 eingeführt werden.<br />
Weiters zu sehen waren der 8x8 Radpanzer<br />
K-17 Bumerang, der den BTR-<br />
80 ersetzen soll, das Selbstfahr-Artilleriegeschütz<br />
2S35 Kolitsija (152 mm<br />
Kaliber) sowie die Allschutzfahrzeuge<br />
Kamas Taifun-K und Ural Taifun-U.<br />
„DAS IST EINE FRAGE DER ANFORDERUNGEN“<br />
GIUSEPPE<br />
GIORDO<br />
ist CEO des<br />
tscheschichen<br />
Hubschrauberbauers<br />
Aero-Vodochody.<br />
Giuseppe Giordo wechselte vor einem Jahr von Alenia-<br />
Aermacchi in die Geschäftsführung des tschechischen<br />
Konkurrenten Aero-Vodochody. Wir haben mit ihm über<br />
die <strong>aktuell</strong>e Marktlage am Flugzeug-Trainermarkt und<br />
das Produkt-Portfolio seines Unternehmens gesprochen.<br />
Herr Giordo, Sie kennen den Trainermarkt und die verschiedenen<br />
Anforderungen der Luftwaffen in diesem<br />
Segment sehr gut. Wie ist ihr Unternehmen vor diesem<br />
Hintergrund mit der kommenden L-39NG und der für<br />
den Irak wieder aufgenommen L-159-Serie aufgestellt?<br />
Natürlich kann man mit einer L-39NG den Eurofighter in<br />
seiner Rolle nicht unterstützen. Aber es ist eine Frage<br />
der Anforderungen und welche Kosten man in Zukunft<br />
anpeilt. Wenn jemand ein Substitut zur Entlastung und<br />
Verbilligung seiner Luftpolizei sucht, dann kann das die<br />
neue L-159 sicher sehr gut ausfüllen.<br />
Produkten sicher weit unter dieser Zahl. Ich schätze, dass wir<br />
etwa um den Faktor 1,2 unter der einstrahligen M345 liegen.<br />
Bei der L-39NG handelt es sich um die Neuauflage eines<br />
lange existierenden Musterns. Welche Vorteile bietet das<br />
im Vergleich zu einem völlig neuen Modell?<br />
Die neue NG wird ab 2019 mit zahlreichen Neuheiten aufwarten<br />
können, so hat sie einen ganz neuen Flügel mit innen<br />
liegendem Treibstofftank bekommen. Der Vorteil ist, dass<br />
eine Neuauflage meist früher verfügbar ist. Der Kunde erhält<br />
zudem Berechenbares. Man kennt das Gerät und betritt<br />
damit nicht komplettes Neuland.<br />
Sie haben uns vorhin die erste L-159T1+ als Zweisitzer mit Radar<br />
für die tschechische Luftwaffe gezeigt sowie die erste neu<br />
gebaute L-159T für den Irak. Wie laufen diese Programme?<br />
Sie haben die US-Firma Draken vergessen, die als Feinddarsteller<br />
in Amerika mit L-159 sehr zufrieden ist und mehr Flieger<br />
will. Die wollen sogar einen technischen „Hub“ für die<br />
vielen L-39 in den USA aufziehen. Die irakischen Maschinen<br />
sind bereits im scharfen Einsatz und bei der L-159T1+ sind mit<br />
dem ‚+‘ das Grifo-Radar, Radarwarnemfänger und Täuschkörperwerfer<br />
gemeint. Unsere Heimatluftwaffe VzS AČR will mit<br />
mehreren solchen L-159A-Umbauten in Pardubice sogar ein<br />
internationales Trainingszentrum aufbauen. Und am 31. März<br />
flog auch schon der L-159T2EX-Demonstrator, eine stark<br />
modernisierte L-159B.<br />
FoTo S : G E o R G M A D E R , N oW i KoW/ i H S<br />
Wie wichtig ist dabei, ob ein Typ ein- oder zweistrahlig ist?<br />
Gegenfrage: Wenn Sie mit der – auch von wirtschaftlichen<br />
Gedanken getriebenen – Lösung im Unterschallbereich<br />
bleiben wollen, warum brauchen Sie dann zwei Triebwerke?<br />
Ein Triebwerk ist heute nahezu oder eigentlich<br />
gleich sicher wie zwei.<br />
Auf welchem Preisniveau – ich frage nicht nach Kalkulationen,<br />
die erst im Wettbwerb offengelegt werden – bewegen<br />
sich Ihre Flugzeuge? 20 Millionen Euro pro Stück?<br />
Genaue Zahlen sind sensitiv, aber wir liegen mit unseren<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
QUO VA DI S<br />
LUFTRAUM-<br />
ÜBERWACHUNG?<br />
Die Rollen von Eurofighter und Saab-105Ö werden im Bundesheer gerade völlig<br />
neu gedacht. Am 13. Juni präsentierte „Airchief“ Brigadier Karl Gruber ein Konzept<br />
für die zukünftige rot-weiß-rote Luftraumüberwachung. Text & Bilder: GEORG MADER<br />
D<br />
as Österreichische<br />
Bundesheer hat ein<br />
Problem. Hier soll<br />
aber nicht die Rede<br />
von seiner in manchen<br />
Bereichen immer<br />
noch viel zu knappen Finanzausstattung<br />
sein (die sich zuletzt deutlich<br />
gebessert hat), sondern vielmehr<br />
von der Luftraumüberwachung. Die<br />
ist nämlich ganz auf den Eurofighter<br />
aufgebaut und der gilt in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung infolge zweifelhafter<br />
Berichterstattung und politischer<br />
Ränkespiele vielfach als ausrangiertes<br />
Steinzeitmodell, das nur<br />
mit einem Maschinengewehr (!) bewaffnet<br />
ist und bei Nacht nicht flie-<br />
gen kann. „Stimmt nicht!“, sagte daher<br />
Anfang Mai „Airchief“ Brigadier<br />
Karl Gruber ungewohnt deutlich gegenüber<br />
Journalisten. „Erstens verfügen<br />
die österreichischen Eurofighter<br />
über die IR-Lenkwaffe IRIS-T. Zweitens<br />
kann der Eurofighter mangels<br />
IRST nachts nur nicht identifizieren<br />
und drittens ist er nach F-22 und<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
L U F T R A U M Ü B E R W A C H U N G<br />
„Der Eurofighter<br />
ist kein Schrott.<br />
Er ist nach F-22<br />
und F-35 das<br />
modernste Teil<br />
am Markt!“<br />
Airchief Brigadier Karl Gruber<br />
F-35 das modernste Teil am Markt!<br />
Der Eurofighter ist kein Schrott!“, so<br />
Österreichs oberster Flieger, der im<br />
Februar von Verteidigungsminister<br />
Hans Peter Doskozil den Auftrag erhalten<br />
hat, bis Mitte Juni ein Konzept<br />
mit Vorschlägen für eine „zeitgemäße<br />
und ökonomischere“ heimische<br />
Luftraumüberwachung vorzulegen.<br />
Dieses Konzept spielt mit vielen<br />
Variablen, unter anderem auch den<br />
bald 50 Jahre alten Saab-105Ö. Zwölf<br />
„105er“ nehmen nämlich derzeit immer<br />
noch – was viele nicht wissen –<br />
rotierend mit dem Eurofighter 14-tägig<br />
die Luftraumüberwachung wahr<br />
und sollen demnächst durch einen<br />
neuen Typen ersetzt werden. Welcher<br />
das sein wird, ist aber auch abhängig<br />
von der Rolle des Eurofighter<br />
in der zukünftigen Luftraumüberwachung.<br />
Gibt man dem EADS-Jet<br />
mehr Gewicht (sprich Flugstunden),<br />
genügt wohl ein einfacher, also einstrahliger<br />
Typ als Saab-105Ö-Nachfolger.<br />
Andernfalls kommt man um<br />
die Anschaffung eines zweistrahligen<br />
Jets nicht umhin. Um das Ganze aber<br />
nun vollends kompliziert zu machen:<br />
Auch ein totaler Systemwechsel weg<br />
von unseren Tranche-1-Eurofightern<br />
ist nicht ausgeschlossen, wird zumindest<br />
theoretisch durchdiskutiert. In<br />
dem Fall müsste man aber eine neue<br />
Beschaffung einleiten und auch das<br />
Kapitel des Saab-105Ö-Nachfolgers<br />
völlig neu denken. Brigadier Gruber<br />
verglich daher zuletzt die Konzepterstellung<br />
mit dem Drehen an zahlreichen<br />
unterschiedlichen Rädchen,<br />
die alle irgendwie zusammenhängen<br />
und sich gegenseitig beeinflussen.<br />
Das Problem dabei: Manche dieser<br />
Räder lassen sich auch vom „Airchief“<br />
nicht einstellen, werden von<br />
außen gelenkt und gesteuert. Und dabei<br />
spielt auch die Politik eine große<br />
Rolle, stehen im Herbst doch Neuwahlen<br />
an. Diese könnten natürlich<br />
auch Auswirkungen auf das Ressort<br />
haben und damit auf Grubers Konzept.<br />
Leicht möglich, dass mit einem<br />
neuen Minister beziehungsweise neuen<br />
politischen Gegebenheiten einige<br />
Variablen neu definiert werden oder<br />
noch mal alles von vorne gedacht<br />
werden muss. Und dann wären da ja<br />
auch noch eine Klage gegen Airbus<br />
und ein Untersuchungsausschuss,<br />
dessen beider Ausgang und vor allem<br />
mittel- bis langfristige juristische<br />
Folgen für Republik und Bundesheer<br />
derzeit noch völlig ungewiss sind.
0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
PLÄNE<br />
Die USA stocken ihren<br />
Verteidigungsetat im<br />
kommenden Jahr um<br />
rund zehn Prozent auf<br />
571,2 Milliarden Euro auf.<br />
Mit dem Geld soll das<br />
Gehalt der Soldaten und<br />
militärischen Mitarbeiter<br />
erhöht, aber auch kräftig<br />
in neue Flugzeuge,<br />
Schiffe und andere<br />
Gerätschaften investiert<br />
werden. Ein Überblick.<br />
DEUTSCHLAND<br />
Vor zwei Jahren hat Verteidigungsministerin<br />
Ursula von der<br />
Leyen den Ankauf von 104 Leopard<br />
2 A7V angekündigt, nun<br />
machte das Bundesamt für Ausrüstung,<br />
Informationstechnik<br />
und Nutzung der Bundeswehr<br />
Nägel mit Köpfen. Generalunternehmer<br />
ist Krauss-Maffei<br />
Wegmann, die ersten Panzer<br />
sollen 2019 geliefert werden.<br />
www.kmweg.de<br />
IM FOKUS<br />
Militärische Beschaffungen weltweit<br />
USA<br />
Mega-Auftrag für die deutschschweizerische<br />
Waffenfirma<br />
SIG Sauer: Die US-Streitkräfte<br />
werden bei dem Unternehmen<br />
in den kommenden Jahren<br />
P320-Pistolen, Munition<br />
und Zubehör im Wert von<br />
rund 500 Millionen Euro<br />
kaufen. Die Waffen werden in<br />
der amerikanischen Fabrik in<br />
New Hampshire produziert.<br />
www.sigsauer.de<br />
Donald Trump legte vor<br />
wenigen Wochen seinen<br />
ersten Budgetentwurf<br />
vor und machte<br />
damit deutlich, wohin<br />
er mit dem Land will.<br />
Aber auch, wie er die Zukunft des<br />
Militärs gestalten will, das sich laut<br />
Entwurf über eine deutliche finanzielle<br />
Aufwertung freuen darf. Trump<br />
möchte das Budget demnach aus<br />
ohnehin schon rekordverdächtigen<br />
Höhen um weitere zehn Prozent auf<br />
639,1 Milliarden Dollar (571,2 Milliarden<br />
Euro) anheben, um die „Einsatzbereitschaft<br />
der Truppe wiederherzustellen“<br />
und die „Kampfkraft<br />
der Streitkräfte zu erhöhen“. Zudem<br />
FRANKREICH<br />
Nexter, Renault Truck Defense<br />
und Thales haben einen Auftrag<br />
der französischen Beschaffungsbehörde<br />
Direction Générale<br />
de l’Armement an Land gezogen:<br />
Von 2018 bis 2020 sollen<br />
die Unternehmen im Rahmen<br />
des „Projekts Skorpion“<br />
319 Mehrzweckfahrzeuge Griffon<br />
und 20 Aufklärungs- und<br />
Kampffahrzeuge Jaguar liefern.<br />
www.defense.gouv.fr<br />
werden damit laut Verteidigungsminister<br />
James T. Mattis die „Löcher<br />
in Ausrüstung und Training gefüllt<br />
werden, die durch frühere Budgetkürzungen<br />
verursacht wurden“.<br />
Die zusätzlichen Finanzmittel sollen<br />
zu einem großen Teil in Gehaltserhöhungen<br />
für militärische (2,1 Prozent)<br />
und zivile (1,9 Prozent) Mitarbeiter<br />
fließen. Darüber hinaus sind aber<br />
auch große Investitionen in die Bereiche<br />
Forschung, Rüstung und Entwicklung<br />
geplant. So soll der Bereich<br />
„Wissenschaft und Technologie“ beispielsweise<br />
mit 11,8 Milliarden Euro<br />
dotiert werden, den Ankauf von 70<br />
F-35 Joint Strike Fighter will sich das<br />
Land im kommenden Jahr 9,2 Milliarden<br />
Euro kosten lassen. Mit 4,9 Milliarden<br />
Euro ist der Ankauf von zwei<br />
U-Booten der Virginia-Klasse budgetiert,<br />
4,1 Milliarden Euro kostet ein<br />
neuer Flugzeugträger der Gerald-R.-<br />
Ford-Klasse und weitere 3,6 Milliarden<br />
Euro der Ankauf von zwei Zerstörern<br />
der Arleigh-Burke-Klasse. Im<br />
Finanzplan berücksichtigt sind außerdem<br />
15 KC-46-Tankflugzeuge (2,8<br />
Milliarden Euro) und insgesamt 2.647<br />
Joint Light Tactical Vehicle (980 Millionen<br />
Euro), für den strategischen<br />
Langstreckenbomber B-21 (keine Angabe<br />
von Stückzahlen) ist ein Budget<br />
von 1,8 Milliarden Euro reserviert.<br />
FOTO S : P H OTO BY N AV Y/ CO U R T E SY O F T H E F -3 5 L I G H T N I N G I I J O I N T ST R I K E F I G H T E R P R O G R A M O F F I C E P U B L I C A F FA I R S / J S F.CO M , K M W, B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Samstag, 08.07.<strong>2017</strong> – Sonntag, 09.07.<strong>2017</strong><br />
Zeitreise & Mittelaltermarkt<br />
Montur und<br />
Pulverdampf<br />
www.hgm.at
0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
„DAS IST EIN MEILENSTEIN<br />
FÜR UNS“<br />
General Dynamics European Land Systems-Steyr liefert in den kommenden<br />
Jahren 34 Pandur-Mannschaftstransporter an das Bundesheer.<br />
Geschäftsführer Martin Reischer über diesen Auftrag, den Standort Wien<br />
und das Produktportfolio von GDELS-Steyr. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
err Reischer,<br />
H<br />
GDELS-Steyr hat in<br />
Österreich als Waffen-<br />
und Fahrzeughersteller<br />
eine lange<br />
Tradition. Inwiefern<br />
ist das heute ein Vorteil oder Nachteil?<br />
Sicherlich ein Vorteil. General Dynamics<br />
European Land Systems-Steyr<br />
(Anm.: kurz GDELS-Steyr) genießt<br />
einen hervorragenden Ruf für hoch zuverlässige<br />
Produkte und wir sehen uns<br />
verpflichtet, unseren Kunden qualitativ<br />
hochwertige Produkte und Dienstleistungen<br />
zu liefern. In den vergangenen<br />
Jahren hat sich GDELS-Steyr konsolidiert,<br />
um seine Zukunft und kontinuierlichen<br />
Service für unsere Kunden<br />
zu sichern. Es war die einzige Möglich-<br />
keit, sich an die Realität der nationalen<br />
und internationalen Verteidigungsmärkte<br />
anzupassen und gleichzeitig<br />
die Fähigkeiten und Technologien zu<br />
bewahren, die es uns ermöglichen,<br />
unsere Produkte Pandur und Ulan<br />
zu pflegen, zu aktualisieren und weiterzuentwickeln.<br />
Welches Produktportfolio deckt das<br />
Unternehmen <strong>aktuell</strong> ab?<br />
Vertrieblich decken wir prinzipiell das<br />
komplette GDELS-Portfolio ab, von<br />
der Munition über Kettenfahrzeuge<br />
wie unsere hochmoderne Ascod-Fahrzeugfamilie,<br />
zu der auch der Ulan gehört,<br />
und Radfahrzeuge bis hin zu Brückensystemen.<br />
Entwicklungstechnisch<br />
decken wir natürlich den Pandur 6×6<br />
ab, aber auch den Pandur 8×8 entwickeln<br />
wir weiter. Im Bereich Kettenfahrzeuge<br />
leisten wir hier am Standort<br />
außerdem einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Weiterentwicklung unserer Ascod-<br />
Familie und darüber hinaus sind wir<br />
am derzeit größten Schützenpanzer-<br />
Neubauprogramm für die britischen<br />
Streitkräfte beteiligt. Eine wesentliche<br />
Kompetenz am Standort Wien ist dabei<br />
die Entwicklung von Bordelektronik<br />
und unser System Integration Lab.<br />
Sie haben den Pandur angesprochen:<br />
Kürzlich konnte GDELS-Steyr einen<br />
Auftrag zur Lieferung von 34 Stück<br />
des Mannschaftstransporters an das<br />
Bundesheer an Land ziehen. Darüber<br />
hinaus müssten aber doch auch an-<br />
FOTO S : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT, H B F/ G U N T H E R P U S C H<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
dere der erwähnten Produkte für das<br />
Bundesheer interessant sein, oder?<br />
Der Auftrag, den Sie ansprechen, ist ein<br />
Meilenstein für uns. Erfreulicherweise<br />
liefern wir außerdem die Infanteriebrücke<br />
IAB an das Bundesheer und gerade<br />
auch im Bereich der Radfahrzeuge<br />
haben wir etwa mit dem Duro 4×4 ein<br />
Produkt im Angebot, das sich bereits<br />
viele Jahre im Einsatz bewährt hat.<br />
Auch bei Großwaffensystemen wie dem<br />
Ulan haben wir einiges zu bieten; hier<br />
haben wir in den letzten Jahren kontinuierlich<br />
im Bereich verbesserter Fahrzeugschutz,<br />
Führungsfähigkeit und<br />
Bewaffnung investiert – beispielhaft<br />
möchte ich die Lenkflugkörper-Integration<br />
erwähnen. Aber auch im Bereich<br />
Pionierwesen haben wir mit unseren<br />
Brückensystemen Produkte anzubieten,<br />
die absolut interessant sind, und das<br />
nicht nur im militärischen Bereich,<br />
sondern auch im Katastrophenschutz.<br />
Sind weitere konkrete Abschlüsse<br />
in Österreich oder auch im Ausland<br />
zu erwarten?<br />
Wir arbeiten natürlich laufend an neuen<br />
Projekten, die die bestehende Fahrzeugflotte<br />
betreffen – hier sind wir mit<br />
verschiedenen internationalen Kunden<br />
in konkreten Gesprächen. Natürlich<br />
hoffen wir, mit dem Bundesheer unseren<br />
Heimatkunden weiter unterstützen<br />
zu dürfen, damit Spitzentechnologie<br />
„Made in Austria“ auch für die Zukunft<br />
gesichert ist.<br />
Wie wichtig sind Aufträge des Bundesheeres<br />
für die Exporte des Unternehmens?<br />
Oder anders gefragt: Verkauft<br />
es sich leichter ins Ausland,<br />
wenn auch das Bundesheer die<br />
Produkte nutzt?<br />
Absolut! Der Heimmarkt ist die Visitenkarte<br />
und meistens ist bei einem<br />
Kundenbesuch im Ausland schon die<br />
zweite Frage, ob das Produkt im Heimmarkt<br />
eingeführt ist.<br />
Bleiben wir gleich beim Exportbereich:<br />
Wie sehr beeinträchtigt die<br />
restriktive Gesetzgebung Österreichs<br />
den Konkurrenzkampf mit internationalen<br />
Konzernen?<br />
Das ist sicherlich kein einfaches Thema<br />
und hier wünschen wir uns einen<br />
konstruktiven Dialog mit den österreichischen<br />
Behörden, um die Planungssicherheit<br />
zu verbessern. Wichtig erscheint<br />
uns als Industrieunternehmen,<br />
dass sich im Bereich Export vergleichbare<br />
Regeln beispielsweise innerhalb<br />
der EU etablieren würden; damit könnten<br />
Wettbewerbsnachteile aufgrund des<br />
nationalen Standorts vermieden werden.<br />
Wir brauchen den Export und einen<br />
starken Heimatkunden, der Qualität<br />
und Leistungsfähigkeit der Produkte<br />
sowie nationale industrielle Wertschöpfung<br />
fordert und fördert.<br />
IM GESPRÄCH<br />
GDELS-Steyr-<br />
Geschäftsführer<br />
Martin Reischer<br />
und Verteidigungsminister<br />
Hans<br />
Peter Doskozil<br />
Vor diesem Hintergrund müsste es<br />
doch für den Konzern leichter sein,<br />
den Standort ins Ausland zu verlegen.<br />
Welche Faktoren sprechen trotzdem<br />
für Wien?<br />
Wie gesagt standen und stehen wir firmenpolitisch<br />
zu unserem Heimatkunden<br />
Österreich – hier ist Verlässlichkeit<br />
und Planbarkeit oberstes Gebot. Darüber<br />
hinaus können wir konzernintern<br />
mit sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern<br />
punkten, das unterscheidet GDELS von<br />
anderen Unternehmen. Außerdem sind<br />
wir seit Anbeginn europäisch aufgestellt,<br />
mit amerikanischen Wurzeln,<br />
klar.<br />
Welche Zukunft sehen Sie vor diesem<br />
Hintergrund mittel- bis langfristig<br />
für den Standort?<br />
Mittelfristig gilt es weiterhin die gute<br />
und verlässliche Partnerschaft mit dem<br />
Bundesheer fortzuführen und weiter<br />
auszubauen. Das Gleiche gilt für unsere<br />
zweiten Heimatmärkte wie die Tschechische<br />
Republik und Slowenien.<br />
Mittel- bis langfristig wollen wir mit<br />
unserem neuen Pandur 6×6 und<br />
natürlich mit unserem Kettenfahrzeug<br />
Ulan erfolgreich sein.
0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />
transformation, rekonstruktion, reinkarnation?<br />
Vom Dilemma Der militärstrategen<br />
Die große Zeit des Sparens ist zwar endlich vorbei, aber reicht die jüngste Budgetaufstockung,<br />
um die rot-weiß-roten Streitkräfte den <strong>aktuell</strong>en Bedrohungsszenarien anzupassen? Militär<br />
Aktuell-Autor Oberst Dieter Muhr meint „Nein, noch nicht“ und plädiert für eine „Reinkarnation“<br />
des Bundesheeres: „Die militärische Landesverteidigung sowie die Methoden und Mittel<br />
des staatlichen Krisenmanagements – also das Bundesheer – müssen neu gedacht werden!“<br />
es ist schon einige Jahre her, da wurde<br />
die transformation des Bundesheeres<br />
ausgerufen. das große Ziel<br />
der Militärstrategen damals war, das<br />
Bundesheer nach dem kalten krieg in ein<br />
sicherheitspolitisches instrument für das<br />
krisenmanagement im ausland auszurichten.<br />
Viele kleine schritte sollten zu<br />
Veränderungen führen, das ganze nannte<br />
sich transformation. sie war die umsetzung<br />
einer strategie, deren Ziele und<br />
Wege klar definiert waren. doch eines<br />
fehlte: die Mittel. logisch, dass diese<br />
transformation bald tot war.<br />
Vor dem hintergrund bescheidender Mittel<br />
musste also eine andere strategie her:<br />
Militärstrategen behielten in der Folge<br />
die aufgabe internationale einsätze bei<br />
und ließen das konventionelle Bundesheer<br />
auf einen „rekonstruktionskern“<br />
zusammenschmelzen. Bei Änderung der<br />
Bedrohungslage würde man daraus über<br />
die rekonstruktion schnell aufwachsen<br />
können, so die hoffnung. die inlandseinsätze<br />
verloren damit an Bedeutung und<br />
das Bundesheer blieb weiter im sparmodus:<br />
Viele der Beschaffungsziele mussten<br />
zeitlich geschoben werden.<br />
„Wir brauchen<br />
einen neuen sicherheitspolitischen<br />
ansatz, der<br />
zukunftsorientiert und<br />
kreativ sein muss!“<br />
so weit, so bekannt. plötzlich kommt das<br />
umfeld Österreichs in Bewegung, von<br />
einer sicherheitspolitischen Zeitenwende<br />
ist die rede, rasante technologische entwicklungen<br />
bringen neue Bedrohungsphänomene<br />
hervor (z. B. cyber). das<br />
Bundesheer soll daher sein krisenmanagement<br />
unvermittelt steigern und<br />
gleichzeitig mit der rekonstruktion beginnen.<br />
doch Militärstrategen müssen<br />
erkennen, wie schwer das ist. erstes problem:<br />
gleichzeitigkeit. einsätze im inund<br />
ausland bewerkstelligen und gleichzeitig<br />
aufwachsen ist schwer machbar.<br />
Zweites problem: Begriff rekonstruktion.<br />
Man will das Bundesheer in einen vormaligen<br />
urzustand zurückversetzen, aber<br />
mit den althergebrachten Mitteln und<br />
Methoden alleine kann man den neuen<br />
Bedrohungen nicht begegnen. rekonstruktion<br />
ist daher kein passendes sicherheitspolitisches<br />
Ziel. drittes problem:<br />
Budget. erste positive schritte sind zwar<br />
gesetzt. doch die nachhaltige, zusätzliche<br />
Finanzierung des Bundesheeres ist<br />
noch nicht sichergestellt. die rekonstruktion,<br />
also das denken in althergebrachten<br />
strukturen zur rückentwicklung, verschnitten<br />
mit der konfrontation mit neuen<br />
akteuren, möglichen neuen gegnern,<br />
neuen phänomenen und dazu noch die<br />
aufgaben im inland – das alles überstrapaziert<br />
das Bundesheer als organisation.<br />
abläufe werden überkompliziert, wo<br />
gerade jetzt klare Zielsetzungen das gebot<br />
der stunde sind. Für seine aufgabenwahrnehmung<br />
braucht das Bundesheer<br />
überproportional viel energie.<br />
Was ist zu tun? ein neuer sicherheitspolitischer<br />
ansatz muss her. er muss zukunftsorientiert<br />
und kreativ sein. die militärische<br />
landesverteidigung sowie die Methoden<br />
und Mittel des staatlichen krisenmanagements<br />
– also das Bundesheer –<br />
müssen neu gedacht werden. geben wir<br />
diesem ansatz ruhig einen passenden<br />
namen: reinkarnation! das Bundesheer<br />
muss über eine vernünftige auslegung<br />
der militärischen landesverteidigung<br />
frisch aus der taufe gehoben werden.<br />
aufgaben müssen klar definiert, aufgabenträger<br />
genannt, vielleicht sogar erst<br />
noch geschaffen werden.<br />
diese reinkarnation muss zu einem Bundesheer<br />
führen, welches auf die neuen<br />
aufgaben ausgerichtet und dafür ausgerüstet<br />
ist. um das zu erreichen, braucht<br />
es eben genau jetzt einen anschub zur<br />
inhaltlichen neuaufstellung mit der<br />
notwendigen Finanzierung: die reinkarnation<br />
eben. dazu wird es die besten<br />
und kreativsten köpfe benötigen. hier<br />
schließt sich der kreis: die aufstellung<br />
des Bundesheeres wird dann wiederum<br />
über einen stetigen Veränderungsprozess,<br />
eine transformation, weitergeführt<br />
werden. nur so wird Österreich zu jedem<br />
Zeitpunkt über ein relevantes instrument<br />
der sicherheitspolitik verfügen.<br />
Foto s : B u n d e s h e e r / h o r st g o r u p, M a r t i n a r B e i t h u B e r<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 1 P A N O R A M A<br />
Der militärische Alltag birgt<br />
viele explosive Gefahren.<br />
In besonders gefährlichen<br />
Situationen kommt<br />
beim Bundesheer der<br />
tEODor zum Einsatz – ein<br />
ferngelenkter Roboter zur<br />
Kampfmittelbeseitigung.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS<br />
ENTSCHÄRF<br />
Zu den Aufgaben von EOD-Teams aus kampfmittelbelastetem Gelände.<br />
(Explosive Ordnance Disposal) gehört<br />
Die Spezialisten sind außerdem für<br />
– je nach Vorgabe und Einsatz-<br />
die Beseitigung unkonventioneller<br />
raum – die Beseitigung von Blindgängern<br />
Spreng- und Brandvorrichtungen in<br />
und alter Munition ebenso und an Häusern zuständig, auch Au-<br />
wie die Notfallbergung von Personen tobomben zählen dazu. Um die Ein-<br />
LÄNGE<br />
1.300 Millimeter<br />
HÖHE<br />
2.800 Millimeter<br />
GREIFER<br />
Der 6-Achsen-Manipulatorarm<br />
mit Linearachse<br />
hat eine Tragkraft von<br />
100 Kilogramm, lässt<br />
sich einfach bedienen<br />
und kann per Knopfdruck<br />
an spezifische<br />
Aufgaben angepasst<br />
werden.<br />
BREITE<br />
680 Millimeter<br />
WERKZEUGE<br />
Das umfangreiche und unkompliziert zu handhabende<br />
Werkzeugmagazin erlaubt einen raschen Wechsel der<br />
Tools. Neben Werkzeugen für Entschärfungsaufgaben,<br />
zur Abwehr von ABC-Bedrohungen oder der Brandbekämpfung<br />
kann der tEODor auch mit Schusssystemen<br />
wie diesem Schießbolzengerät (Bild oben) und<br />
optischen Systemen ausgestattet werden.<br />
FACTBOX<br />
tEODor<br />
(telerob Explosive Ordnance<br />
Disposal and observation robot)<br />
Hersteller telerob Gesellschaft für<br />
Fernhantierungstechnik mbH, Deutschland<br />
Gewicht 360 Kilogramm<br />
Geschwindigkeit max. 3 km/h<br />
Steigfäigkeit auf Treppen max. 32 Grad<br />
Tragkraft 100 Kilogramm<br />
Betriebsart 2 × 12 Volt-Batterien<br />
Stationierung Heereslogistikschule<br />
Bruckneudorf und bei den drei<br />
Pionierbataillonen Villach, Salzburg und Melk<br />
I L LU ST R AT I O N E N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N F O G R A F I K<br />
UNGS-ROBOTER<br />
sätze der Kampfmittelbeseitiger<br />
maximal sicher zu machen, greifen<br />
diese nach Möglichkeit auf den<br />
tEODor zurück. Rund 500<br />
Exemplare des Fernlenkmanipulators<br />
und Entschärfungsro-<br />
EINSATZ<br />
Der tEODor hat weitreichende Einsatzmöglichkeiten.<br />
Er kann sich zu Häusern und Zimmern<br />
Zugang verschaffen (Türen öffnen, Hindernisse<br />
beseitigen) und Räume sowie Gebäude mit Spezialkameras<br />
erkunden und überwachen. Außerdem<br />
kann er nach Sprengfallen in versteckten<br />
Ladungen suchen, verschiedene Schusssysteme<br />
wie etwa ein Schießbolzengerät abfeuern, aber<br />
auch Gegenstände in Sicherheit bringen oder<br />
Röntgensysteme positionieren.<br />
KAMERAS<br />
Die installierten Kameras verfügen über ein mehrstufiges<br />
Lichtsystem, zudem besteht die Option,<br />
weitere Kameras, Infrarot- und Röntgensysteme<br />
anzubringen. Dadurch ist der Fernlenkmanipulator<br />
auch uneingeschränkt nachttauglich. Durch<br />
seine robuste und spritzwassergeschützte Bauweise<br />
ist er zudem allwettertauglich.<br />
boters sind derzeit in 45 Ländern<br />
weltweit im Einsatz. Seit mehr als<br />
zehn Jahren gehören die kleinen<br />
Roboter auch zur Ausstattung<br />
des Bundesheeres. In dieser<br />
Zeit konnten sich die Hightech-<br />
KETTEN<br />
Dank seines flexiblen<br />
Kettenantriebs überwindet<br />
der tEODor so gut<br />
wie jedes Hindernis und<br />
besitzt selbst auf Stufen<br />
eine Steigfähigkeit von<br />
bis zu 32 Grad.<br />
LASER<br />
Der integrierte Laserentfernungsmesser<br />
ermöglicht die exakte<br />
Anzeige der Entfernung<br />
zum Objekt auf<br />
dem Bedienpult.<br />
FERNSTEUERUNG<br />
Mithilfe des übersichtlichen Bedienfelds auf der Fernsteuerung kann der<br />
tEODor in Echtzeit auch über große Distanzen hinweg gesteuert werden.<br />
Geräte – und vor allem ihr Bedienpersonal<br />
– bei Einsätzen in Bosnien,<br />
im Kosovo oder bei internationalen<br />
Übungen bereits mehrfach<br />
auszeichnen.<br />
INTERVIEW<br />
„Der tEODor hilft uns bei<br />
der USBV-Beseitigung.“<br />
Offiziersstellvertreter<br />
Christian Tod erklärt die<br />
Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten<br />
des Geräts.<br />
Was ist der tEODor genau?<br />
Es handelt sich bei dem Gerät um einen<br />
Fernlenkmanipulator, der bei der Behandlung<br />
und Beseitigung sogenannter<br />
USBVs (Anm.: Unkonventionelle Sprengund<br />
Brandvorrichtungen) eingesetzt<br />
wird, besser bekannt als IEDs, improvised<br />
explosive devices.<br />
Welche Voraussetzungen sind notwendig,<br />
um einen tEODor zu steuern?<br />
Der Bediener des Roboters heißt bei uns<br />
Techniker. Nach mehrjähriger Ausbildung<br />
zum Kampfmittelbeseitiger erhält<br />
man nach positiver Absolvierung die<br />
Befähigung zum Techniker und kann<br />
danach in eine Kommandantenfunktion<br />
aufsteigen. Voraussetzung dafür ist eine<br />
abgeschlossene Stabsunteroffizier-Ausbildung<br />
oder Offizier-Ausbildung.<br />
FOTO : B E I G E ST E L LT<br />
Wo kam der tEODor beim Bundesheer<br />
bereits überall zum Einsatz?<br />
In den Einsatzgebieten Bosnien und<br />
Kosovo, aber auch bei internationalen<br />
Übungen etwa in Spanien und Kanada.<br />
Welche Werkzeuge zeichnen den<br />
tEODor besonders aus?<br />
Die Kameras und die Zange. Letztere<br />
ist vielseitig einsetzbar, man kann damit<br />
ziehen, greifen, drehen, aufdrücken und<br />
diverse Anbaugeräte aufnehmen.<br />
M i l i T ä r a k T u E l l
UNSER HEER<br />
ICH BIN BEREIT.<br />
IN DER MILIZ.<br />
MIT SICHERHEIT.<br />
Stelle auch du dich der Herausforderung.<br />
bundesheer.at
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