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Militaer_aktuell_2_2017

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WeltgesChehen<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

ComebaCk in eUropa<br />

Die USA stärken ihre<br />

Truppen am alten<br />

Kontinent — S. 14<br />

militär<br />

Cyber-abWehr<br />

Zu Besuch bei den<br />

Digital-Experten in der<br />

Stiftskaserne — S. 38<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 2|17<br />

EURO 3,80<br />

AKTUELL<br />

milizbeaUftragter<br />

brigadier erWin hameseder:<br />

„Ohne die Miliz ist die<br />

gegenwärtige Auftragslage<br />

nicht zu bewältigen!“ — S. 28<br />

Das Bundesheer braucht<br />

in den nächsten Jahren 2.000<br />

neue Unteroffiziere. In der<br />

Heeresunteroffiziersakademie<br />

in Enns soll das zukünftige<br />

Rückgrat der Truppe<br />

ausgebildet werden.<br />

personaloffensive beim heer<br />

Wanted: mehr<br />

Unteroffiziere


Informationen zu den Einstiegsmöglichkeiten unter<br />

piloten.bundesheer.at oder auf bundesheer.karriere


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

COV E R FOTO : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT FOTO S : G E O R G M A D E R , B U N D E S H E E R / WO L FG A N G G R E B I E N<br />

W<br />

eg von der Verwaltung und hin zum<br />

Einsatz. So lässt sich – stark vereinfacht<br />

– die Umstrukturierung im Zuge<br />

der <strong>aktuell</strong>en Bundesheer-Reform beschreiben.<br />

Für die Personalplaner des<br />

H eeres bedeutet das: Der ohnehin<br />

große Bedarf an Unteroffizieren hat sich durch diese Umgewichtung<br />

weiter verschärft. In den kommenden Jahren<br />

sind alleine in diesem Bereich 2.000 neue Arbeitsplätze<br />

vorgesehen, der Zustrom hält sich bislang allerdings in<br />

Grenzen. Um das benötigte Personal rekrutieren zu können,<br />

wurden daher in den vergangenen Monaten zahlreiche<br />

Verbesserungen auf Schiene gebracht – unter anderem<br />

wurde die Ausbildung deutlich moderner und attraktiver<br />

gestaltet. Wie das in der Praxis aussieht, hat sich unser<br />

Redakteur Johannes Luxner in der Heeresunteroffiziersakademie<br />

in Enns angesehen (zu lesen ist sein Bericht ab<br />

Seite 34). Vor Ort konnte er mit Soldaten in Ausbildung<br />

sprechen, aber auch mit dem Kommandanten Brigadier<br />

Nikolaus Egger, der ihm das theoretische Grundkonzept<br />

erläuterte und dabei auch die stärkere internationale<br />

Ausrichtung der Heeresunteroffiziersakademie betonte.<br />

Im Gespräch mit US-Militärs<br />

Georg Mader als „rasenden Reporter“ zu<br />

bezeichnen, könnte missverstanden werden.<br />

Unter dem Strich ist er aber genau das: immer<br />

auf der Suche nach neuen Geschichten! Dabei<br />

ist ihm kein Weg zu weit, wie sein Besuch<br />

auf der Flug- und Schiffsshow LIMA in Malaysia<br />

bewies (ab Seite 42). Auch die Entladung von<br />

schwerem US-Gerät in Bremerhaven wollte<br />

er sich nicht entgehen lassen und kam dort<br />

prompt mit Generalmajor Duane A. Gamble<br />

über die US-Pläne in Europa ins Gespräch.<br />

Stark international ausgerichtet ist auch der heimische<br />

Rüstungskonzern General Dynamics European Land Systems-Steyr<br />

(GDELS), trotzdem freut sich Geschäftsführer<br />

Martin Reischer über den kürzlich abgeschlossenen Vertrag<br />

zur Lieferung von 34 neuen Pandur-Mannschaftstransportern<br />

an das Bundesheer. „Der Auftrag ist ein Meilenstein<br />

für uns“, so Reischer im Gespräch mit Militär Aktuell-Chefredakteur<br />

Jürgen Zacharias (Interview ab Seite<br />

48). „Der Heimatmarkt ist schließlich unsere Visitenkarte“,<br />

so der GDELS-Manager weiter.<br />

So etwas wie einen Heimatmarkt kennen die Reporter Friedrich<br />

Orter, Karl Wendl und Christian Wehrschütz nicht. Sie<br />

waren und sind immer dort unterwegs, wo es brennt. Wo<br />

Krisen entstehen, neue Kriege entflammen, regionale und<br />

überregionale Konflikte ausgefochten werden. Unser Autor<br />

Georg Biron, der einst selbst in Nicaragua als Kriegsreporter<br />

unterwegs war, hat mit den Journalisten über ihre Arbeit gesprochen<br />

und worauf es ihnen dabei ankommt. Außerdem<br />

ist er in seinem Bericht (ab Seite 18) der Frage nachgegangen,<br />

ob man trotz aller Bemühungen überhaupt unabhängig<br />

und objektiv aus Krisengebieten berichten kann.<br />

Was Sie in dieser Ausgabe außerdem erwartet? Georg Mader<br />

analysiert das wiedergefundene militärische Interesse der<br />

USA an Europa (ab Seite 14) und die Zukunft der österreichischen<br />

Luftraumüberwachung (ab Seite 44). Wir haben<br />

zudem den Milizbeauftragten des Bundesheeres, Brigadier<br />

Erwin Hameseder, interviewt (ab Seite 28), berichten über<br />

die Rückkehr der Piraten in Somalia (ab Seite 10) und stellen<br />

das neue Kommando Landstreitkräfte vor (ab Seite 32).<br />

Militär Aktuell unterwegs<br />

Im vergangenen Sommer haben wir den<br />

österreichischen KFOR-Soldaten einen Besuch<br />

abgestattet, nun waren wir einige Tage bei<br />

UNIFIL im Libanon unterwegs. Vor Ort konnten<br />

wir Eindrücke von Land und Leuten sammeln,<br />

aber auch den Arbeitsalltag im Bundesheer-<br />

Kontingent kennenlernen. Die Ergebnisse unserer<br />

Recherchen (inklusive eines Interviews mit<br />

NCC Oberstleutnant Thomas Güttersberger)<br />

sind ab der kommenden Ausgabe nachzulesen.<br />

IMpreSSUM<br />

Medieninhaber und Herausgeber:<br />

QMM Quality Multi Media GmbH,<br />

Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />

FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />

Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />

j.zacharias@qmm.at<br />

key Account Management:<br />

Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />

Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />

Artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />

textchef: Jakob Hübner<br />

Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />

lektorat: Gunther Natter<br />

redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />

Georg Biron, Brigadier Walter Feichtinger,<br />

c, Gerald Hainzl, Moritz Kolar, Johannes<br />

Luxner, Georg Mader, Oberst Dieter<br />

Muhr, Hans Schneeweiß<br />

Hersteller: PrintandSmile<br />

redaktionskontakt:<br />

Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />

Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Straße<br />

88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />

Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />

a.dressler@qmm.at, Günther Havranek<br />

www.qmm.at<br />

M I l I t ä r A k t U e l l


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

Die Rückkehr der Seeräuber: Dürren und Missernten treiben<br />

Somalias Männer zurück aufs Meer. Dort nehmen sie nach<br />

Jahren der Ruhe wieder internationale Handelsschiffe ins Visier.<br />

Neue Struktur: Mithilfe eines moderneren Aufbaus<br />

sollen in der Heeresunteroffiziersakademie in Enns<br />

schon bald mehr Unteroffiziere für die Truppe ausge-<br />

034bildet werden.<br />

Abwehr-Zentrum: Ein Besuch im Kommando<br />

Führungsunterstützung und Cyber Defence in<br />

der Wiener Stiftskaserne.<br />

010<br />

038<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Berufsoffiziersanwärter bei der<br />

„Gemeinsamen Gefechts- und<br />

Schießausbildung“ in Allentsteig.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 KRISENHERD SOMALIA<br />

Zum ersten Mal seit 2012 haben<br />

somalische Piraten wieder ein<br />

größeres Frachtschiff gekapert.<br />

Der Präsident des Landes muss<br />

sich aber noch mit ganz anderen<br />

Problemen herumschlagen.<br />

014 DIE USA SIND ZURÜCK<br />

Ein Blick auf die NATO-Mission<br />

„Atlantic Resolve“: Die USA<br />

verlegen Soldaten und schweres<br />

Gerät nach Osteuropa.<br />

018 ZWISCHEN DEN FRONTEN<br />

Kriegsreporter bringen die<br />

Krisen der Welt in unsere<br />

Wohnzimmer. Ein Blick<br />

in die Arbeitsrealität der<br />

journalistischen Frontkämpfer.<br />

024 NEUES AUS DEM HEER<br />

Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

028 INTERVIEW<br />

Aufschwung jetzt? Wir haben<br />

mit dem Milizbeauftragten des<br />

Bundesheeres, Brigadier Erwin<br />

Hameseder, über Gegenwart<br />

und Zukunft der rot-weiß-roten<br />

Milizkräfte gesprochen.<br />

032 BUNDESHEER NEU<br />

Militär Aktuell-Serie: die neuen<br />

Verbände und Strukturen des<br />

Bundesheeres. Zum Auftakt<br />

porträtieren wir das Kommando<br />

Landstreitkräfte.<br />

034 TRUPPENBESUCH<br />

Militär Aktuell-Autor Johannes<br />

Luxner zu Gast in der Heeresunteroffiziersakademie<br />

in Enns.<br />

038 DIGITALE SICHERHEIT<br />

So schützt das Bundesheer sich<br />

selbst und sein österreichweites<br />

Netzwerk im Falle einer<br />

virtuellen Attacke.<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T ä R A K T U E L L


I N D I E S E M H E F T<br />

042 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

044 EUROFIGHTER, SAAB & CO<br />

Wie sieht die Zukunft von Österreichs<br />

Luftraumüberwachung aus?<br />

Eine Analyse von Georg Mader.<br />

046 RÜSTUNGSAUFTRÄGE<br />

Die <strong>aktuell</strong>sten Deals vom<br />

globalen Rüstungsmarkt.<br />

048 INTERVIEW<br />

Martin Reischer, Geschäftsführer<br />

von General Dynamics European<br />

Land Systems-Steyr, im Gespräch<br />

über den Pandur-Verkauf an das<br />

Bundesheer und das Produkt-<br />

Portfolio seines Unternehmens.<br />

050 SCHLUSSPUNKT<br />

Das Bundesheer muss „völlig<br />

neu gedacht werden“ –<br />

ein Standpunkt von Militär<br />

Aktuell-Autor Dieter Muhr.<br />

051 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale des<br />

Fernlenkmanipulators tEODor<br />

des Bundesheeres.<br />

051<br />

Sicherheit geht vor: Die<br />

Kampfmittelbeseitiger<br />

des Bundesheeres können<br />

bei ihren Einsätzen auf<br />

Hightech-Entschärfungsroboter<br />

tEODor<br />

zurückgreifen.


0 0 6 P A N O R A M A<br />

Fähnriche trainieren<br />

FOTO : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT<br />

Übung macht den meister: Frei nach<br />

diesem motto trainierten ende märz<br />

die Berufsoffiziersanwärter des<br />

akademikerbataillons der theresianischen<br />

militärakademie bei der<br />

„Gemeinsamen Gefechts- und<br />

Schießausbildung“ (GGSa) mit rund<br />

600 Soldaten aus ganz Österreich<br />

das Zusammenwirken verschiedener<br />

Waffengattungen. Die Fähnriche<br />

konnten dabei ihre kenntnisse beim<br />

Führen von unterstellten Soldaten<br />

unter Beweis stellen und den Bundesheer-Fotografen<br />

bot sich dabei<br />

eine perfekte Gelegenheit für spektakuläre<br />

aufnahmen wie diese.<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


M O M E N T U M<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 w E L T & S T R A T E g I E<br />

Der sogenannte Krieg gegen den Terror kommt die US-Steuerzahler teuer zu stehen: Laut einer Studie<br />

der Brown University vom vergangenen September summieren sich die Ausgaben mit dem laufenden<br />

Jahr – dabei werden auch die erwarteten Aufwendungen für Veteranen eingerechnet – auf 4,79 Billionen<br />

Dollar, knapp 4,3 Billionen Euro. Noch <strong>aktuell</strong>ere Untersuchungen berücksichtigen zukünftige<br />

Ausgaben etwa zur Tilgung der für Militärausgaben aufgenommenen Kredite und der dafür fälligen<br />

Zinsen – und kommen so sogar auf einen Betrag von 6 Billionen Dollar (5,3 Billionen Euro). Zum<br />

Vergleich: Diese Summe entspricht dem 13-fachen Bruttoinlandsprodukt Österreichs.<br />

KRIEG GEGEN<br />

DEN TERROR<br />

KOSTET BILLIONEN<br />

IM FOKUS<br />

STREITKRÄFTE DER<br />

PHILIPPINEN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

220.000<br />

Soldaten<br />

45<br />

Kampfpanzer<br />

20<br />

Kampfflugzeuge<br />

PHILIPPINEN<br />

Die australische Außenministerin Julie Bishop ließ im März<br />

aufhorchen, als sie erklärte, dass sich ihr Land auf ein mögliches<br />

IS-Kalifat im Süden der Philippinen vorbereite. Rund<br />

600 südostasiatische IS-Kämpfer waren im Irak und in Syrien<br />

aktiv, so die Politikerin, und viele davon seien bereits wieder<br />

zurückgekehrt. In den Wochen danach schienen sich dann die<br />

Befürchtungen Bishops zu bestätigen, auf der Insel Mindanao<br />

brachen Kämpfe aus, es kam zu heftigen Auseinandersetzungen<br />

zwischen islamistischen Rebellen, die sich zum IS bekennen,<br />

und Regierungstruppen. Präsident Duterte verhängte daraufhin das Kriegsrecht und verlegte Truppen<br />

auf die Insel. Angeführt werden die Aufständischen von Prediger Isnilon Hapilon, der seit zehn Jahren auf der<br />

FBI-Liste der weltweit meistgesuchten Terroristen steht und für den Anschlag auf eine Fähre in der Bucht von<br />

Manila im Jahre 2004 verantwortlich gemacht wird, der 116 Todesopfer forderte. Hapilon hat dem IS die Treue<br />

geschworen und wurde von der IS-Führung offiziell zum Emir über die südlichen Philippinen ernannt.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

TOP 3<br />

die grössten<br />

Waffen-importeure<br />

1 Der Waffenhandel hat in den vergangenen<br />

Jahren laut einer studie des Forschungsinstituts<br />

sIPrI deutlich zugelegt.<br />

Der export von Waffen erreichte demnach<br />

in den vergangenen fünf Jahren<br />

das größte Volumen seit 1990 und lag<br />

zwischen 2012 und 2016 um 8,4 Prozent<br />

höher als zwischen 2007 und 2011.<br />

Die größten exporteure sind die Usa,<br />

russland und China, größter Käufer von<br />

Waffen ist Indien mit einem anteil von<br />

13 Prozent an den globalen Importen.<br />

2 mit rund der Hälfte dieses Volumens<br />

liegt saudi-arabien auf Platz 2.<br />

3 auf rang drei folgt China mit einem<br />

Weltmarktanteil von 4,7 Prozent.<br />

AFGHANISTAN: TRISTE SICHERHEITSLAGE<br />

Die Ziele der US-geführten Intervention in Afghanistan waren klar umrissen:<br />

Terroristen besiegen! Und: Frieden schaffen! Heute, 16 Jahre später,<br />

lässt sich sagen, dass beides nicht erreicht werden konnte. Zwar besserte<br />

sich die Sicherheitslage zwischenzeitlich tatsächlich, heute vergeht aber<br />

wieder kaum ein Tag, an dem es nicht zu einem verheerenden Anschlag<br />

im Land kommt. Zumeist ist die Hauptstadt Kabul Ziel von Angriffen,<br />

Ende Mai legte etwa eine gewaltige Explosion einen ganzen Straßenzug<br />

am Eingang des Diplomatenviertels in Schutt und Asche. Bei dem Anschlag<br />

starben mindestens 90 Menschen, darunter auch mehrere Mitarbeiter<br />

der deutschen Botschaft.<br />

Nicht immer sind aber Zivilisten<br />

Ziel der Anschläge: Laut Angaben<br />

des US-Generalinspektors<br />

wurden im Vorjahr allein bis<br />

Mitte November 6.785 Soldaten<br />

und Polizisten in Afghanistan<br />

im Zuge von Angriffen getötet.<br />

Heuer dürfte die Zahl noch<br />

deutlich darüber liegen …<br />

„nordkorea ist eine<br />

direkte Bedrohung<br />

für amerika!“<br />

James T. Mattis<br />

Der koreanische Machthaber Kim Jong-un drückte bei seinem Raketenprogramm zuletzt<br />

ordentlich aufs Tempo und sorgt damit für eine neue Eiszeit zwischen seinem Land und den<br />

USA. Der amerikanische Verteidigungsminister James T. Mattis warnte angesichts der jüngsten<br />

Raketentests vor einem fürchterlichen Krieg im Fernen Osten. Eine Auseinandersetzung<br />

mit Nordkorea wäre wohl der „schlimmste Konlikt im Leben der meisten Menschen heute“,<br />

so Mattis, laut dem vom Regime in Pjöngjang „eine direkte Bedrohung für die Region, aber<br />

auch für die Vereinigten Staaten“ ausgehe. Die Gefahr eines Konflikts scheint also durchaus<br />

gegeben, die USA stockten jüngst jedenfalls ihre Truppen in der Region auf und verlegten mit<br />

der USS Ronald Reagan bereits den dritten Flugzeugträger in den Westpazifik.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , 1 2 3 r F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

KRISENHERD SOMALIA<br />

RÜCKKEHR<br />

DER PIRATEN<br />

Fünf Jahre war es ruhig, seit Kurzem treiben im Golf von Aden vor der Küste<br />

Somalias aber wieder Piraten ihr Unwesen. Eine Analyse von Gerald Hainzl.<br />

D<br />

ie Besatzung des<br />

Öltankers „Aris 13“<br />

hat im März dieses<br />

Jahres wohl nicht<br />

schlecht gestaunt, als<br />

mehr als zwei Dutzend<br />

Piraten ihr Schiff kaperten. Der<br />

Tanker sollte Treibstoff von Dschibuti<br />

in die somalische Hauptstadt Mogadischu<br />

transportieren, als sich zwei kleinere<br />

Boote näherten, sagte der Direktor<br />

der Organisation Oceans Beyond Piracy,<br />

John Steed. Die Besatzung habe<br />

noch einen Notruf absetzen können,<br />

bevor die Piraten das Schiff unter Kontrolle<br />

brachten, danach sei der Funkkontakt<br />

abgebrochen. Piratenüberfälle<br />

vor der Küste Somalias sind zwar<br />

grundsätzlich nichts Neues, bemerkenswert<br />

macht den <strong>aktuell</strong>en Vorfall<br />

aber die Tatsache, dass es sich dabei<br />

um den ersten gemeldeten Piratenangriff<br />

in der Region auf internationale<br />

Schiffe seit Mai 2012 handelte und bald<br />

darauf weitere Angriffe folgten. Die internationalen<br />

Missionen im Indischen<br />

Ozean einerseits und der Konflikt im<br />

Jemen andererseits – der den Piraten<br />

die Möglichkeit der Nutzung der Gegenküste<br />

nahm – hatten zuvor praktisch<br />

zu einem Erliegen der Piraterie<br />

am Horn von Afrika geführt.<br />

Während der internationalen Aufschrei<br />

infolge des Überfalls auf die „Aris 13“<br />

groß ist, hält sich die Aufregung in Somalia<br />

selbst in Grenzen. Dort ist Piraterie<br />

nur ein sehr nachrangiges Problem.<br />

Da die Regenzeit Ende 2016 zum dritten<br />

Mal in Folge ausblieb, leidet das<br />

Land vielmehr unter einer verheerenden<br />

Dürre. Bis März waren innerhalb<br />

Somalias mehr als 600.000 Menschen<br />

auf der Flucht vor Hunger und Durst<br />

und nach Schätzungen von Hilfsorganisationen<br />

werden es täglich um 8.000<br />

mehr. Der Wassermangel führt zudem<br />

dazu, dass immer mehr Nutztiere verenden<br />

und den Menschen dadurch<br />

die Lebensgrundlage entzogen wird.<br />

Krankheiten wie Cholera, die auf Mangelernährung<br />

zurückzuführen sind,<br />

breiten sich rasch aus und machen<br />

auch vor Staatsgrenzen nicht halt. Laut<br />

Angaben des UN-Kinderhilfswerks<br />

UNICEF werden heuer rund 275.000<br />

Kinder an akuter Mangelernährung leiden,<br />

rund die Hälfte der Bevölkerung –<br />

etwa sechs Millionen Menschen! – ist<br />

derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen.<br />

Diese läuft allerdings nur sehr<br />

schleppend an, was die Fluchtbewegungen<br />

im Land, aber auch über die<br />

Staatsgrenzen hinaus weiter verstärkt.<br />

PIRATEN IN SOMALIA Infolge internationalen Drucks und der Aufrüstung bedrohter Handelsschiffe kam die<br />

somalische Piraterie in den vergangenen Jahren praktisch zum Erliegen. Seit einiger Zeit mehren sich nun<br />

aber wieder Angriffe auf internationale Handelsschiffe.<br />

Verständlich, dass da eine Handvoll<br />

Piraten, die irgendwo vor der Küste ihr<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


P I R A T E N V O R S O M A L I A<br />

Unwesen treibt, nicht für die ganz großen<br />

Schlagzeilen sorgt. Trotzdem soll<br />

nun ein Stabilisierungsabkommen eine<br />

Rückkehr zu geordneten politischen<br />

Verhältnissen und ein Ende der<br />

Gewalt ermöglichen. Große Hoffnung<br />

wird in diesem Zusammenhang<br />

sowohl in Somalia als auch<br />

von der internationalen Gemeinschaft<br />

in den neugewählten Präsidenten<br />

Mohammed Abdullahi<br />

Farmajo gesetzt. Eine wesentliche<br />

Herausforderung für ihn und seine<br />

Regierung wird es sein, der Bevölkerung<br />

zu zeigen, dass seine Regierung<br />

auch tatsächlich die Lebensumstände<br />

im Land verbessern kann.<br />

Gelingt das nicht, können große<br />

Hoffnungen auch rasch zu großen<br />

Enttäuschungen und zu weiterem Zulauf<br />

zu Gruppen wie al-Shabaab führen.<br />

Zudem sollte sich der Präsident auch<br />

mit dem Status von Somaliland auseinandersetzen,<br />

das sich vor rund 26<br />

Jahren für unabhängig erklärt hat. Eine<br />

politische Lösung und Stabilisierung<br />

Somalias wird früher oder später auch<br />

die Frage wieder aufwerfen, wie Mogadischu<br />

mit der Somaliland-Frage<br />

umzugehen gedenkt.<br />

ten zwar in jüngster Zeit einige Erfolge<br />

verzeichnet werden. Trotzdem kann<br />

die Gruppe noch große Gebiete kontrollieren<br />

und bleibt damit eine Herausforderung<br />

für die Sicherheit. Al-<br />

Shabaab ist nach wie vor in der Lage,<br />

auf mehreren Ebenen gegen die staatlichen<br />

Strukturen zu kämpfen. Das<br />

reicht von Angriffen auf militärische<br />

Stützpunkte über Terroranschläge<br />

in Mogadischu bis zur<br />

Verhinderung von internationaler<br />

Hilfe für die hungernde<br />

Bevölkerung. Diese Situation<br />

nutzen die Rebellen<br />

Im Kampf gegen die Terrrorgruppe<br />

al-Shabaab konngezielt,<br />

um selbst Nahrungsmittel und<br />

andere Hilfen zu verteilen und damit<br />

Rückhalt in der Bevölkerung zu gewinnen.<br />

Um eine langfristige Stabilisierung<br />

zu erreichen, wird es daher notwendig<br />

sein, al-Shabaab in sämtliche Pläne und<br />

Überlegungen miteinzubeziehen. Dies<br />

gilt vor allem für die „einfachen“ Mitglieder<br />

der Gruppe sowie in Teilen<br />

auch für die somalischen Führungskader.<br />

Dabei sollte helfen, dass die Terroristen<br />

derselben Gesellschaft und somit<br />

dem somalischen Clansystem angehören<br />

und dadurch vermutlich leichter<br />

wieder integriert werden können.<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />

Auch unabhängig davon versucht Präsident<br />

Farmajo seit seinem Amtsantritt<br />

politisch nicht nur nach innen, sondern<br />

auch nach außen zu wirken. Seine Reise<br />

nach Äthiopien ist ein erstes Indiz dafür,<br />

dass er die Kooperation mit den<br />

Nachbarstaaten sucht, wohl auch in<br />

dem Wissen, dass jede Lösung für<br />

die Konflikte in Somalia auch der<br />

Unterstützung der Nachbarstaaten<br />

bedarf. Der kenianische Präsident<br />

Uhuru Kenyatta betonte beispielsweise,<br />

dass im Kampf gegen den<br />

Terrorismus enge Beziehungen<br />

der Schlüssel zum Erfolg sind.<br />

Durch die unterschiedlichen regionalen<br />

Dynamiken, aber auch<br />

im Kampf um regionale Vormachtstellung<br />

sowie eigene<br />

ökonomische und sicherheitspolitische<br />

Interessen<br />

der Nachbarstaaten dient<br />

Somalia zudem als Katalysator<br />

für deren Intentionen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W E L T & S T R A T E G i E<br />

Bleibt die Frage, wie in diesem Fall mit<br />

ausländischen Kämpfern umgegangen<br />

werden soll.<br />

GEKAPERT Im März<br />

brachten Piraten den<br />

Öltanker „Aris 13“<br />

unter ihre Kontrolle.<br />

Wenige Tage später<br />

ließen sie die achtköpfige<br />

Besatzung<br />

aus Sri Lanka wieder<br />

frei, Lösegeld sei laut<br />

der Organisation<br />

Oceans Beyond Piracy<br />

allerdings nicht<br />

bezahlt worden.<br />

Neben der Mission der Afrikanischen<br />

Union (AMISOM) sind auch die USA<br />

in Somalia nachhaltig involviert. Der<br />

Kampf gegen die Terrorgruppe al-Shabaab<br />

wird mit Drohnen und Luftschlägen<br />

geführt. Der Tod eines US-Soldaten<br />

Anfang Mai weist aber auch auf ein<br />

Engagement am Boden hin. Schon wenige<br />

Tage zuvor hatte ein Sprecher von<br />

US AFRICOM gegenüber der Zeitschrift<br />

Newsweek bestätigt, dass etwa<br />

100 Soldaten in Somalia stationiert<br />

sind. Sie haben die Aufgabe, sowohl<br />

die Kräfte der Afrikanischen Union<br />

als auch die somalischen Streitkräfte<br />

auszubilden.<br />

Am Horn von Afrika treten aber auch<br />

neue Akteure auf, die sich aus sicherheitspolitischen<br />

Interessen in dieser<br />

Region engagieren. Ein Beispiel dafür<br />

sind die Vereinigten Arabischen Emirate<br />

(UAE), die neben einem Stützpunkt<br />

in Eritrea auch in der Republik Somaliland<br />

sogar mit Zustimmung der Regierung<br />

in Mogadischu einen Stützpunkt<br />

errichten. Gerade auch wegen der Vielzahl<br />

unterschiedlicher Player wird es<br />

für Somalia keine schnelle Friedens-<br />

Lösungen geben. Selbst bei gutem Willen<br />

aller Beteiligten wird es viele Jahre<br />

dauern, bis ein tragfähiges, stabiles<br />

politisches System errichtet ist, und<br />

dabei muss allen Beteiligten klar sein,<br />

dass es immer wieder zu Rückschlägen<br />

kommen wird. Alternativen dazu haben<br />

sie aber kaum, der nun beschrittene<br />

Weg scheint der einzige Erfolg<br />

versprechende zu sein.<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />

Afrika.<br />

„Stabilisierung, Terrorismusbekämpfung und Entwicklung!“<br />

BRIGADIER WALTER<br />

FEICHTINGER ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

Das Wiederaufkommen der Piraterie vor<br />

Somalia verweist auf drei strategische Herausforderungen,<br />

die eine umfassende Problemsicht<br />

erfordern. Dazu gehört erstens<br />

die Notwendigkeit einer nachhaltigen politischen<br />

Transformation fragiler oder gescheiterter<br />

Staaten. Zweitens die differenzierte<br />

Bekämpfung des transnationalen<br />

Terrorismus und drittens Entwicklungskonzepte,<br />

die auch Auswirkungen des Klimawandels<br />

berücksichtigen.<br />

Dieser Befund ist zwar nicht neu, allerdings<br />

offenbart sich im Falle Somalias die gesamte<br />

Problematik. Gerade in Afrika gibt es<br />

mehrere Staaten, deren Problemlagen denen<br />

Somalias gleichen und die hinsichtlich<br />

Migration und Sicherheit für Europa kurz-,<br />

mittel- und langfristig hohe Relevanz haben.<br />

Lehren aus Somalia können daher<br />

auch Lösungsansätze für andere Gebiete<br />

darstellen. Besonders aus europäischer<br />

Perspektive ist zu bedenken, dass die Bekämpfung<br />

der negativen Folgen und Symptome<br />

wie Piraterie und umfangreiche Wanderbewegungen<br />

in Folge wirtschaftlicher<br />

Unterentwicklung und Langzeitkonflikten<br />

auf Dauer sehr kostspielig und letztlich<br />

nicht effektiv sein kann. Der Einsatz gegen<br />

Piraten mag vielleicht noch als „Training“<br />

für das internationale Zusammenwirken<br />

von Marineverbänden von Nutzen sein -<br />

Kernaufgabe wird es aber wohl keine werden.<br />

Der Migrationsdruck kann nur dann<br />

abnehmen, wenn die Lebensverhältnisse<br />

vor Ort den Betroffenen eine Zukunftsperspektive<br />

eröffnen. Migrationskontrolle zu<br />

See und an Land vermag dabei bestenfalls<br />

ein Steuerungs-, aber kein Lösungsmittel zu<br />

sein. Dass dem transnationalen Terrorismus<br />

Rückzugsräume verwehrt oder entzogen<br />

werden müssen, gehört mittlerweile zum<br />

kleinen ABC internationaler Sicherheit.<br />

Staaten wie Somalia oder Libyen und deren<br />

Umgebung nachhaltig zu stabilisieren ist<br />

daher das Gebot der Stunde, so schwierig<br />

es auch sein mag. Denn infolge des rasanten<br />

Bevölkerungszuwachses in Schwellenund<br />

Entwicklungsländern und den negativen<br />

Folgen des Klimawandels werden die<br />

Probleme zunehmen. Eine nur punktuelle<br />

Wahrnehmung würde somit viel zu kurz<br />

greifen, es bedarf großzügiger Entwürfe<br />

und Konzepte, will Europa dieser Herausforderung<br />

gerecht werden.<br />

FOTO S : N A D j A M E i ST E R , P i C T U R E D E S K<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M-346.<br />

Training Für Die Zukunft<br />

M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente,<br />

technologisch fortgeschrittene Plattform für integrierte<br />

Trainingssysteme der nächsten Generation, Homeland<br />

Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens,<br />

der Republik Singapur und Israels im Einsatz und in<br />

Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />

Leonardo ist weltweit führend im Design, der<br />

Produktion und dem Support militärischer Flugzeuge. In<br />

den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />

über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40<br />

Ländern auf allen fünf Kontinenten trainiert.<br />

Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem<br />

Genie des großen Erfinders - Leonardo entwickelt die<br />

Technologie von morgen.<br />

leonardocompany.com<br />

Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space


DIE AMERIKAN<br />

HURRA,<br />

SIND WIEDER DA<br />

0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Der Kalte Krieg lange vorbei, die Sicherheitslage vermeintlich entspannt:<br />

2013 zog die US Armee ihre letzten Kampfpanzer aus Europa ab. Gerade<br />

einmal vier Jahre später führt die geänderte Sicherheitslage nun zu<br />

einer Rückkehr in Brigadestärke: Über Bremerhaven verteilen die<br />

Amerikaner Truppen und schweres Gerät in Osteuropa.<br />

Text & Bilder: GEORG MADER<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


U S A : E U R O P A - S T R A T E G I E<br />

MASSIVE TRUPPENVERLEGUNGEN<br />

Mit jedem in Bremerhaven aus den USA<br />

eintreffenden Roll-on-roll-off-Schiff<br />

wurden bis zu 87 Kampfpanzer, 144<br />

Schützenpanzer, 18 Panzerhaubitzen<br />

oder 46 Hubschrauber transportiert.<br />

ER<br />

D<br />

ie Beziehungen zwischen<br />

Moskau und<br />

Washington als angespannt<br />

zu bezeichnen,<br />

ist fast schon<br />

eine Untertreibung.<br />

Seit Ende des Kalten Krieges war der<br />

Ton zwischen den beiden Großmächten<br />

nie rauer. Diskussionen über die zukünftige<br />

Ausrichtung der Ukraine, die<br />

russische Intervention auf der Krim<br />

und die Destabilisierung im Donbass<br />

führten zu tiefem Misstrauen und zu<br />

einer Neueinschätzung der Bedrohungslage.<br />

Plötzlich war in der NATO<br />

wieder von konventioneller Abschreckung<br />

und einer „Rückversicherung“<br />

für die (nicht mehr so)<br />

neuen östlichen Mitgliedsländer<br />

des transatlantischen<br />

Bündnisses<br />

die Rede. In vielen<br />

Staaten Osteuropas<br />

griff – auch ausgelöst<br />

durch eine massive<br />

russische Militärpräsenz<br />

im Ostseeraum –<br />

die Angst vor einer<br />

möglichen Intervention<br />

Moskaus um<br />

sich, der Ruf nach<br />

NATO- und US-<br />

Truppen wurde<br />

lauter. Und nun erhört:<br />

Die USA verlegen<br />

wieder schweres<br />

Gerät nach Europa und zeigen damit<br />

vor allem im Osten Präsenz – in Form<br />

einer eigenen Mission.<br />

Bedrohliche Musik, Szenen bewaffneter<br />

Milizionäre in der Ukraine, Karten<br />

eines sich nach Westen ausbreitenden<br />

Russlands, russische Tupolew-Bomber<br />

über der Ostsee: Die US-Armee in<br />

Europa hat auf ihrer Website ein Begleitvideo<br />

zu ihrer Operation „Atlantic<br />

Resolve“ (Atlantische Entschlossenheit)<br />

eindeutig bebildert. Die Botschaft ist<br />

klar: Die NATO muss Russland Einhalt<br />

gebieten, die Ostflanke der neuen<br />

NATO-Mitglieder in Osteuropa muss<br />

gestärkt, die Handlungsfähigkeit des<br />

westlichen Militärbündnisses im potenziellen<br />

Bündnisfall als gesichert dokumentiert<br />

werden. Russlands nächste<br />

Begehrlichkeit könnte ein östliches<br />

EU-Land sein, weshalb die US-Armee<br />

Europa nun zu Hilfe eilen muss – so<br />

jedenfalls die Schlussfolgerung.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Den <strong>aktuell</strong>en Truppenverlegungen der<br />

NATO-Staaten liegen konkrete Kriegsszenarien<br />

zugrunde, begründet werden<br />

sie mit „Stärke zeigen“ und „Abschreckung<br />

gegenüber Russland“. Der Aufmarsch<br />

ist Teil der „European Reassurance<br />

Initiative“ die auf NATO-Gipfeln<br />

zwischen 2014 und 2016 (Warschau)<br />

beschlossen wurde und von den USA<br />

für 2018 mit knapp 4,5 Milliarden Euro<br />

dotiert ist. Die Truppenpräsenz ist<br />

dabei allerdings stets auf neun Monate<br />

begrenzt, so umgeht das Militärbündnis<br />

die NATO-Russland-Akte von<br />

1997, nach der die NATO an Russlands<br />

Grenzen nicht „dauerhaft“ zusätzlich<br />

größere Einheiten stationieren darf.<br />

Die deutsche Bundesregierung hat all<br />

diese Beschlüsse explizit mitgetragen,<br />

in Folge wurden mehrere große Stützpunkte<br />

und Depots wie Grafenwöhr,<br />

Illesheim oder Dülmen bereitgestellt<br />

beziehungsweise reaktiviert und die<br />

Bundeswehr-Logistiker sind bis tief in<br />

die Entfaltung der Pläne unterstützend<br />

tätig. Immerhin transportiert ein einziges<br />

Roll-on-roll-off-Schiff aus New<br />

York oder Phildelphia bis zu 87 M1-<br />

Kampfpanzer, 144 Stryker- und Bradley-Schützenpanzer,<br />

18 Paladin-Panzerhaubitzen<br />

oder 46 Hubschrauber<br />

CH-47F, UH-60M oder AH-64D. An<br />

einem einzigen Wochenende Anfang<br />

Jänner kamen mit drei Schiffen in<br />

Bremerhaven 2.500 Gefechtsfahrzeuge<br />

(darunter 446 Kettenfahrzeuge und<br />

907 Radfahrzeuge, Anhänger und<br />

Container) an, die größte Verschiffung<br />

von US-Militärs nach Europa seit dem<br />

Ende der Sowjetunion. All diese Gerätschaften<br />

müssen dann von Bremerhaven<br />

aus weiter nach Bayern und von<br />

dort nach Rumänien, Estland oder Polen<br />

transportiert werden (siehe Karte).<br />

Die meisten Fahrzeuge (etwa jene der<br />

3. Brigade der 4. US-Infanteriedivision<br />

aus Fort Carson, Colorado) kommen<br />

auf 900 Güterwaggons ins neue<br />

polnische US-Hauptquartier Zagan.<br />

4.000 Soldaten fliegen direkt dorthin.<br />

Generalmajor Duane A. Gamble erläutert<br />

als Stellvertreter des US-Armeechefs<br />

in Europa, General Ben Hodges<br />

(Anm.: ein Interview mit ihm ist in Militär<br />

Aktuell #2/2016 nachzulesen), an<br />

einem bitterkalten Februarmorgen im<br />

Bremerhavener Kaiserhafen vor langen<br />

Reihen von Hubschraubern ohne Rotoren<br />

Details: „Die <strong>aktuell</strong>en Truppenverlegungen<br />

sind alle Teil der noch<br />

von Präsident Barack Obama angeschobenen<br />

Initiative zur Rückversicherung<br />

der Verbündeten, mit einem<br />

zunächst einmaligen Budget von einer<br />

Milliarde US-Dollar. Alle neun Monate<br />

wird damit eine unserer Brigaden<br />

ausgetauscht, in voller Stärke. Eine<br />

Panzerbrigade geht, eine andere<br />

kommt. Eine Heeresflieger-Brigade<br />

kommt, die nächste ist schon sowohl<br />

in Ausbildung als auch materieller<br />

Einsatzvorbereitung und geht in neun<br />

Monaten aufs Schiff. Zusätzlich wird<br />

Material für eine weitere Brigade dau-<br />

Über Bremerhaven<br />

in den Osten<br />

ADAZI<br />

ESTLAND<br />

LETTLAND<br />

RUSSLAND<br />

BREMERHAVEN<br />

DEUTSCHLAND<br />

SKWIERZYNA<br />

ZAGAN<br />

SWIETOSZOW<br />

BOLESLAWIEC<br />

LITAUEN<br />

POLEN<br />

RUKLA<br />

Der Fokus der <strong>aktuell</strong>en<br />

Truppenverlegungen liegt<br />

auf Rumänien, Bulgarien,<br />

den baltischen Ländern<br />

sowie Polen – und dort<br />

insbesondere auf dem<br />

US-Hauptquartier Zagan.<br />

Massiv unterstützt<br />

werden die USA dabei<br />

von Logistikeinheiten der<br />

deutschen Bundeswehr.<br />

GRAFENWÖHR<br />

TATA<br />

UNGARN<br />

RUMÄNIEN<br />

MIHAIL<br />

KOGALNICEANU<br />

BULGARIEN<br />

NOVO SELO<br />

G R A F I K : 1 2 3 R F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


U S A : E U R O P A - S T R A T E G I E<br />

KONVOI Die Verlegung und Verteilung<br />

der Gerätschaften erfolgt von Bremerhaven<br />

aus auf der Straße, vielfach aber<br />

auch auf der Schiene.<br />

erhaft an fünf Standorten eingelagert.<br />

So soll auch das schnelle Verlegen großer<br />

Truppenteile geübt und ermöglicht<br />

werden. All das ist Zeichen des fortgesetzten<br />

US-Engagements in Europa,<br />

um Frieden und Wohlstand zu sichern.<br />

Ich weiß, manche in Deutschland<br />

haben deswegen Sorge, aber wenn die<br />

Konvois durch Tschechien oder Polen<br />

kommen, gibt es in jeder Ortschaft<br />

Jubel und Volksfestcharakter. Ich<br />

denke, wir machen das Richtige.“<br />

Der Aufwand ist groß, von der Verlegung<br />

ganzer Divisionen innerhalb von<br />

nur 48 Stunden wie zu Zeiten des Kalten<br />

Krieges sind wir heute aber weit<br />

entfernt. Von den ersten Gipfelbeschlüssen<br />

bis zur tatsächlichen Ankunft<br />

von Hardware vergingen nun<br />

viele Monate, die Arbeiten im Hintergrund<br />

sind dennoch nicht zu unterschätzen,<br />

wie Generalmajor Gamble<br />

erklärt: „Einen derart hohen Logistikaufwand<br />

haben wir in der US-Armee<br />

seit den großen ,Reforger‘-Übungen<br />

in den 1970er-Jahren nicht mehr<br />

gesehen. Wir vom Kommando in<br />

Kaiserslautern sowie die Logistiker<br />

des European Command (EUCOM)<br />

haben das gut hinbekommen, das Zusammenwirken<br />

von See-, Bahn- und<br />

Lufttransport war eine große Herausforderung.<br />

Nun können die Panzer<br />

oder die Piloten der Heeresflieger ihre<br />

Interoperabilität mit unseren Alliierten<br />

und Partnern an der Ostflanke des<br />

Bündnisses vertiefen, es sind an die 80<br />

gemeinsame Einsatzübungen geplant.“<br />

Da die <strong>aktuell</strong>e Initiative noch von der<br />

Obama-Administration begonnen<br />

wurde, stellt sich die Frage: Haben<br />

die US-Verantwortlichen in Europa<br />

angesichts der „Sprunghaftigkeit“ des<br />

neuen Präsidenten Sorge, die teure<br />

Verlegung bald wieder rückabwickeln<br />

zu müssen? General Hodges verneint:<br />

„Wenn ich die geplanten Vorhaben und<br />

die zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />

betrachte, dann ist mein Eindruck<br />

ein anderer: Es hat keine Modifikation<br />

von Plänen oder Absichten gegeben –<br />

im Gegenteil. Ich war im Februar bei<br />

der Münchener Sicherheitskonferenz,<br />

wo sich unser Vizepräsident Mike Pence<br />

geäußert hat. Nach unserer Wahrnehmung<br />

lag das Gesagte genau auf<br />

der Linie, die wir hier verfolgen und<br />

mit unseren Alliierten abarbeiten.“<br />

Die Stärkung der US-Truppen dürfte<br />

demnach auch in den kommenden<br />

Monaten weiterlaufen, alles weitere<br />

wird von den Entwicklungen in Moskau<br />

und Washington abhängen.


0 1 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

D<br />

er erste Tote<br />

im Golfkrieg war ein Journalist. Farzad<br />

Bazoft ging als Sonderkorrespondent<br />

des Londoner Observer nach Bagdad.<br />

Dort wurde er noch vor den Bombardements<br />

der Alliierten von Saddam<br />

Husseins Geheimpolizei verhaftet und<br />

als Spion gehenkt. Mehr Glück hatten<br />

später der französische Fotograf Laurent<br />

Van Der Stockt und der Reuters-<br />

Reporter Patrick de Noirmont. Unmittelbar<br />

nach dem Verlassen des Hotel<br />

Rashid, wo die Journalisten untergebracht<br />

waren und ihre Arbeit nur unter<br />

Aufsicht der Zensoren erledigen konnten,<br />

wurden sie beschuldigt, verbotene<br />

Aufnahmen gemacht zu haben. Sie<br />

wurden verhaftet, eingesperrt und<br />

misshandelt. „Am schlimmsten war,<br />

dass wir wussten, dass mit uns alles<br />

passieren konnte“, erzählte Laurent<br />

später. „Sie beschuldigten uns der<br />

Spionage und erklärten, dass wir nach<br />

Kriegsrecht sofort hingerichtet werden<br />

könnten.“ Am nächsten Tag aber wurden<br />

sie zum Hotel Rashid zurückgebracht<br />

und freigelassen. Man hatte<br />

weder ihre Ausrüstung noch die Filme<br />

beschlagnahmt. „Wir hatten einfach<br />

Glück“, lächelte Patrick glücklich.<br />

FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


K R I E G S R E P O R T E R<br />

deutlich erhöhen. Soldaten und Revolutionäre<br />

sind es gewohnt, sofort auf<br />

jeden zu schießen, der eine andere<br />

Uniform trägt als ihre eigene. Die jungen<br />

Burschen in hautengen Kampfanzügen,<br />

die man hin und wieder über<br />

den Bildschirm flitzen sieht, wirken<br />

eher wie Schauspieler in einem Hollywood-Movie<br />

und nicht wie routinierte<br />

Chronisten. Denn Profis tragen geputzte<br />

Schuhe, Hosen mit Bügelfalten und<br />

ein weißes Hemd mit Krawatte, damit<br />

man sie unter keinen Umständen mit<br />

kämpfenden Soldaten verwechseln<br />

kann.<br />

COME<br />

BACK<br />

DER<br />

EINZEL<br />

KÄMPFER<br />

Die Nachrichten aus Kriegsgebieten<br />

sind ein großes Geschäft. Die<br />

„Katastrophenkarawanen“ der<br />

Reporter ziehen deshalb von einer Krise<br />

zur nächsten und schicken ihre Berichte<br />

nach Hause. Gefragt ist dabei nicht<br />

Objektivität, sondern Ehrlichkeit.<br />

Kontrollierter Leichtsinn ist eine journalistische<br />

Tugend. Aber niemand<br />

sollte seinen Schutzengel überfordern.<br />

Während früher die Reporter in<br />

Kampfanzügen Schulter an Schulter<br />

mit den Soldaten zwischen den feindlichen<br />

Linien hin und her marschiert<br />

sind, glaubten später die meisten zu<br />

wissen, dass weißes Hemd und Krawatte<br />

die Chancen, am Leben zu bleiben,<br />

Text: GEORG BIRON<br />

Reporter des Krieges haben eine Menge<br />

guter Ratschläge für die anderen parat.<br />

So hing etwa in der Bar des Commodore-Hotel<br />

in West-Beirut lange<br />

Zeit eine Checkliste für Journalisten.<br />

Begonnen hatte David Zucchino vom<br />

Philadelphia Inquirer, und nach und<br />

nach schrieben auch die anderen Korrespondenten<br />

ihre Erfahrungen dazu –<br />

als Warnung für nachkommende Kollegen.<br />

Man sollte keine Waffen tragen,<br />

hieß es, stattdessen lieber eine weiße<br />

Fahne. Und jede Menge Ausweise, am<br />

besten einen von jeder kämpfenden<br />

Partei. Soldaten lieben Ausweise. Und<br />

Zigaretten sollte man immer dabeihaben,<br />

auch als Nichtraucher, denn es<br />

kann Leben retten, wenn man einem<br />

Soldaten Zigaretten anbieten kann. Jeder<br />

Streit mit einem bewaffneten Mann<br />

sollte vermieden werden. Und wenn<br />

man unter Beschuss gerate, sollte man<br />

keineswegs viel nachdenken, sondern<br />

rennen. Dies sei die einzige Situation,<br />

in der Denken eindeutig von Nachteil<br />

wäre. Und schließlich: „Gegen Bomben<br />

und Kidnapping kannst du nichts<br />

machen. Deshalb bezahle wenigstens<br />

pünktlich die Raten für die Lebensversicherung!“<br />

Der österreichische Reporter Karl<br />

Wendl ist seit 30 Jahren immer wieder<br />

in Krisengebieten unterwegs. „Die<br />

Branche hat sich gründlich verändert“,<br />

sagt er. „Es gibt bei den Verlagen und<br />

TV-Stationen kaum noch große Budgets<br />

für die Kriegsberichterstattung.<br />

Früher wurden ganze Hotel-Etagen für<br />

die Reporter angemietet. Die Nachrichtenteams<br />

reisten mit riesigen Trucks<br />

an, in denen es alle technischen Finessen<br />

zur TV-Übertragung gab. Heute<br />

ist es eine One-Man-Show. Wer diesen<br />

Job wegen des Geldes macht, ist zum<br />

Scheitern verurteilt“ Mit Panzerweste,<br />

Smartphone und Selfie-Stick, Laptop<br />

und einem Satellitentelefon produziert<br />

Wendl im Alleingang für die Zeitung<br />

Österreich und den dazugehörigen<br />

Fernsehkanal sowie für das News-Portal<br />

oe24.at <strong>aktuell</strong>e Foto-Reportagen<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

sowie TV- und Radio-Beiträge aus<br />

diversen Krisenregionen dieser Welt.<br />

Schnell muss es gehen. Das Internet hat<br />

dafür gesorgt, dass jede Kriegspartei in<br />

Echtzeit über die sozialen Medien die<br />

Möglichkeit hat, ihre Sicht der Wahrheit<br />

zu verbreiten und somit Information<br />

und Desinformation zu liefern.<br />

Echte Reporter berichten im Idealfall,<br />

ohne Partei zu ergreifen. Kriegsberichterstatter<br />

stehen auf keiner Seite, sie<br />

mischen sich nicht ein, dokumentieren<br />

nur. Kameras und Computer sind ihre<br />

Waffen. „Lauter Wahnsinnige“, sagen<br />

die einen angewidert, „fantastische<br />

Journalisten“, meinen andere voller<br />

Ehrfurcht. „Wichtig ist die physische<br />

Nähe, aber auch die psychische Distanz“,<br />

erzählt Wendl, der schon bald<br />

ein Buch mit einprägsamen Titel zum<br />

Thema auf den Markt bringen möchte:<br />

30 Jahre Krieg! Reporter des Krieges<br />

bewegen sich ständig in Ausnahmesituationen<br />

und finden oft auch großen<br />

Gefallen an ihrem abenteuerlichen<br />

Leben, das mit jeder Menge Adrenalin<br />

verbunden ist. Aber Wendl weiß auch<br />

um die Gefahren: „Krieg bringt auf<br />

allen Seiten das Schlechteste der<br />

Menschen zutage.“<br />

Das weiß auch Friedrich Orter. Drei<br />

Jahrzehnte lang berichtete er im Auftrag<br />

des ORF über bewaffnete Konflikte.<br />

Vor fünf Jahren ist er in Pension gegangen.<br />

„Da draußen wird wirklich gestorben“,<br />

sagt er, „Menschen kämpfen<br />

ums nackte Überleben. Wenn man einmal<br />

in ein Massengrab geschaut hat, ist<br />

man nicht mehr der, der man vorher<br />

war. Nietzsche hat einmal gesagt:<br />

‚Wenn du lange genug in den Abgrund<br />

schaust, dann schaut der Abgrund auch<br />

in dich hinein!‘ Das von den Menschen<br />

inszenierte Leid bringt viele Journalistenkollegen<br />

dazu, den Beruf zu wechseln.<br />

Oder zur Flasche zu greifen.“<br />

Jedes Jahr sterben Journalisten irgendwo<br />

auf der Welt in einem Krieg. Was in<br />

diesen Menschen vorgeht, die für eine<br />

blutige Sensation ihr Leben riskieren,<br />

weiß niemand so recht zu sagen. Am<br />

allerwenigsten die Reporter selbst. Der<br />

englische Fotograf Tim Page wurde<br />

zufällig Kriegsberichterstatter. Ende<br />

der 1960er-Jahre war er als Hippie auf<br />

Haschisch-Trip im Fernen Osten unterwegs<br />

und kam auf allerlei Umwegen<br />

nach Vietnam, ohne genau zu wissen,<br />

was dort los war. In einem BBC-Interview<br />

gestand er: „Ich hatte überhaupt<br />

keine Vorstellung vom Krieg. Es war<br />

ein Trip, ich habe ihn ausgelebt. Keine<br />

Ahnung, welchen Anteil die Drogen<br />

dabei hatten, aber heute kann ich mit<br />

Sicherheit sagen: Das war die glanzvollste<br />

Sache, die ich je gemacht habe.<br />

Alles war so natürlich, und bis jetzt<br />

kann ich überall auf der Welt Essen<br />

bekommen und ein Bett und einen<br />

Joint. Alles ist okay.“<br />

Im Dschungel von Vietnam begleitete<br />

er eine amerikanische Bodeneinheit.<br />

Dabei stieg neben ihm ein Sergeant auf<br />

eine Landmine, Splitter trafen den Reporter.<br />

Der Sergeant war sofort tot, und<br />

Tim wurde zu Boden gerissen: „Ich saß<br />

da und fühlte mich sehr nass. Meine<br />

Gedärme hingen heraus. Das ist eine<br />

Feuchtigkeit, die wie Klebrigkeit ist. Es<br />

war, als würde ich frierend im Schnee<br />

sitzen und gleichzeitig vor Hitze umkommen.<br />

Ich erinnere mich, dass ich<br />

zu meiner Kamera griff, das Weitwinkel-Objektiv<br />

herunternahm und gegen<br />

eine Porträtlinse tauschte. Und ich<br />

schoss drei Bilder …“ Dann brachte<br />

man ihn ins Lazarett, wo sie ihn zusammenflickten<br />

und sein Leben retteten.<br />

„Der Schutzschild gegen den Wahnsinn<br />

des Krieges ist die Kamera“, so der Brite.<br />

„Man muss seinen Job machen. Das<br />

ist keine Frage von Hundertstelsekunden.<br />

Man muss immer daran denken,<br />

ein perfektes Bild zu machen.“ Es sei<br />

keine Tugend, „im Leichenschauhaus<br />

zu liegen“, meinte Nick Downie sarkastisch<br />

in einem Bericht für das Magazin<br />

Wiener. Sein Tonmann wurde in Afrika<br />

ein paar Schritte vor ihm erschossen:<br />

„Es berührte mich nicht wirklich. Ich<br />

hatte zu viele Tote gesehen. Erst zu<br />

Hause, als ich meine Frau im Arm hielt,<br />

musste ich an ihn denken und stellte<br />

fest, dass das Leben sehr lebenswert<br />

war.“ Der ehemalige Soldat Downie arbeitete<br />

15 Jahre lang als freier Journalist:<br />

„Als Freelancer muss man sich<br />

einen Krieg aussuchen, der bei den<br />

Herausgebern und Chefredakteuren<br />

und Fernsehintendanten populär ist,<br />

aber eben nicht so populär, dass sie ihre<br />

REPORTER-<br />

LEGENDEN<br />

Friedrich Orter<br />

(links) berichtete<br />

drei Jahrzehnte<br />

für den ORF aus<br />

Krisengebieten,<br />

Karl Wendl ist<br />

<strong>aktuell</strong> für die<br />

Zeitung Österreich,<br />

den zugehörigen<br />

TV-Kanal<br />

und die Plattform<br />

oe24.at tätig.<br />

eigenen Leute hinschicken. Vor allem<br />

Guerilla-Kriege sind ein sehr zähes<br />

Geschäft, da geht es nicht nur darum,<br />

ob man erschossen wird oder nicht.<br />

Ich habe mich eigentlich fast nie<br />

gefürchtet. Man hat nur Angst, wenn<br />

man von inkompetenten Leuten<br />

umgeben ist. Die Soldaten, mit denen<br />

ich unterwegs war, waren meistens<br />

sehr gute Soldaten.“<br />

Als freier Journalist einen Krieg an<br />

ein Medium zu verkaufen, ist oftmals<br />

härtere Arbeit als die Reportage selbst.<br />

Nick wusste, dass das Monate dauern<br />

kann: „Vor allem deshalb, weil die Herrschaften<br />

oft gar nicht wissen, was in<br />

der Welt vorgeht. Ich erzähle ihnen von<br />

der Westsahara und von der Polisario<br />

und sie machen lange Gesichter. Sie<br />

wissen nichts darüber. Es hängt von<br />

vielen Faktoren ab, ob das Publikum<br />

FOTO S : P I C T U R E D E S K , B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />

„Gefahrenzulage gibt es keine!“<br />

Christian Wehrschütz ist einer der profiliertesten heimischen Kriegsberichterstatter.<br />

Der ORF-Journalist über seine Arbeit, Gefahren im Einsatz, den<br />

Faktor Glück und die mächtige Konkurrenz von CNN, BBC und Co.<br />

Der geborene Grazer CHRISTIAN<br />

WEHRSCHÜTZ (56) ist Milizoffizier<br />

(Major) beim Heeres-Nachrichtenamt<br />

und arbeitet seit 1991 beim ORF.<br />

Seit 2001 berichtet er vom Balkan,<br />

2015 wurde er außerdem mit der Leitung<br />

des ORF-Auslandsbüros in Kiew<br />

betraut. Wehrschütz spricht Englisch,<br />

Russisch, Ukrainisch, Serbisch,<br />

Französisch, Slowenisch, Mazedonisch<br />

und Albanisch und ist Militärdolmetsch<br />

für Russisch und<br />

Ukrainisch. Er ist verheiratet und<br />

Vater zweier Töchter.<br />

Herr Wehrschütz, die meisten Leute<br />

fürchten, dass ein Krieg kommt.<br />

Kriegsberichterstatter gehen freiwillig<br />

in Krisengebiete. Warum machen<br />

Sie das?<br />

Das war alles nicht so geplant. Das ist<br />

ein Beruf, in den man hineinrutscht.<br />

Man braucht Glück und ein gutes Team.<br />

Wenn es einen einigermaßen sicheren<br />

Zugang zu einem umkämpften Gebiet<br />

gibt, dann fährt man natürlich hin und<br />

bekommt vielleicht exklusive Bilder. An<br />

Ruhm denke ich dabei nicht. Mein wichtigstes<br />

Ziel ist die objektive Darstellung<br />

einer Situation, damit sich der Zuschauer<br />

selbst ein Bild machen und<br />

eine Meinung bilden kann.<br />

Was sagt Ihre Familie dazu?<br />

Von den gefährlichsten Einsätzen weiß<br />

meine Familie nichts – aber den Faktor<br />

Angst und Sorge um den Vater und Ehemann<br />

gibt es natürlich. Wir haben keine<br />

gepanzerten Fahrzeuge, die Splitterschutzwesten<br />

sind nun viel praktischer<br />

als früher. Aber wie der Name schon<br />

sagt, gegen Volltreffer einer Artilleriegranate<br />

schützen sie nicht, und auch<br />

gegen Scharfschützen und Minen<br />

wirken sie kaum.<br />

Gibt es beim ORF bei derartigen<br />

Einsätzen eine „Gefahrenzulage“?<br />

Nein. Gefahrenzulage gibt es keine!<br />

Aber man kann eine Kriegsversicherung<br />

abschließen, das ist wichtig für die<br />

Familie.<br />

Wie behauptet man sich gegen die<br />

großen Nachrichtenkonzerne wie<br />

CNN oder die RTL Group?<br />

Bei Interviews haben große Anstalten<br />

wie etwa die BBC oder CNN einen<br />

besseren Zugang. Aber persönliche<br />

Kontakte und gute Sprachkenntnisse<br />

gleichen vieles wieder aus. Man muss<br />

die Sprache des Landes kennen, aus<br />

dem man berichtet. Man hat damit ein<br />

anderes Auftreten, wird ernst genommen<br />

und ist zudem auch nicht auf<br />

Dolmetscher angewiesen.<br />

Wie unabhängig von militärischen<br />

Interessen einzelner Gruppen kann<br />

man berichten?<br />

Das sind ja alles nicht meine Konflikte.<br />

Ich versuche, unvoreingenommen an<br />

die Situation heranzugehen. Deshalb<br />

bin ich auch dagegen, dass Korrespondenten<br />

aus den jeweiligen Ländern<br />

eingesetzt werden. Man muss halt sehr<br />

vorsichtig sein bezüglich der Quellen.<br />

Die muss man immer kritisch hinterfragen.<br />

Das Risiko, manipuliert zu werden,<br />

ist wegen der gewaltigen Info-Menge<br />

im Web und natürlich auch durch die<br />

Fake-News-Problematik heute viel<br />

größer als früher.<br />

Haben Sie einen Tipp für einen jungen<br />

Reporter oder eine Reporterin,<br />

der oder die aus Kriegsgebieten<br />

berichten möchte?<br />

Auslandskorrespondent ist der schönste<br />

Beruf, den man als Journalist haben<br />

kann. Man hat immer wieder mit neuen<br />

Menschen und Situationen zu tun und<br />

kann selbstständig arbeiten. Wichtigste<br />

Voraussetzung: Man muss die Sprache<br />

können. Daneben sollte man auch die<br />

jeweilige Kultur kennen und eine militärische<br />

Ausbildung ist ebenfalls hilfreich.<br />

Mein Rat: Mach keine Medienausbildung,<br />

studiere nicht Journalismus, sondern<br />

mach eine ordentliche Ausbildung.<br />

Es gibt übrigens keine geschlechtsspezifischen<br />

Unterschiede – es gab beispielsweise<br />

auch im Zweiten Weltkrieg viele<br />

erstklassige Scharfschützinnen. Die<br />

Frage „Mann oder Frau?“ stellt sich bei<br />

der Wahl dieses Berufs nicht, da gibt<br />

es nur Unterschiede bei den Einsatzorten.<br />

Lateinamerika ist anders als der<br />

arabische Raum, in dem es für Frauen<br />

sicherlich schwieriger und auch gefährlicher<br />

ist.<br />

FoTo : o R F/ W E LTJ o U R N A L / „ U K R A I N E - S o N G - Co N T E ST I M K R I E G “<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


K R I E G S R E P O R T E R<br />

Wenn Fernsehstationen rund um die<br />

Uhr Nachrichten bringen, bleibt nur<br />

wenig Zeit für die Recherchen. Man<br />

schaltet zum Reporter vor Ort, aber<br />

der weiß oft weniger als die Redakteure<br />

im Senderbüro, die <strong>aktuell</strong>e Berichte<br />

von den Agenturen gelesen haben.<br />

Durch neue Technologien sind die<br />

Produktionskosten für TV-Berichte<br />

gesunken. Facebook und Twitter sind<br />

wichtig geworden. Reporter sind im<br />

Alleingang unterwegs und produzieren<br />

ihre Storys. „Die Arbeit echter<br />

Reporter kann nicht ersetzt werden“,<br />

glaubt Orter. „Ich bin davon überzeugt,<br />

dass manche Bilder, die angeblich<br />

aus Syrien stammen, alte Bilder<br />

aus anderen Ländern waren. Deshalb<br />

ist es weiterhin nötig, Reporter auszuschicken.<br />

Wir müssen nicht objektiv<br />

sein, wir müssen ehrlich sein. Wenn<br />

Sie da draußen sind, dann können Sie<br />

nur den Ausschnitt zeigen, den Sie<br />

erleben, einen Mosaikstein. Das Gesamtbild<br />

muss die Redaktion zusamüber<br />

einen Krieg informiert wird oder<br />

nicht. Ich kann mich noch gut erinnern:<br />

Ich wollte einen Film über Angola<br />

verkaufen, und niemand wollte ihn<br />

haben. Ich war sehr verwundert, bis<br />

mir zwei amerikanische Fernseh-Bosse<br />

endlich den Grund dafür verraten<br />

haben: Zu wenig Blut! Damals war<br />

ich knapp davor, meinen Job aufzugeben,<br />

so sehr hatten sie mich entmutigt.“<br />

Die Nachrichten sind ein Geschäft, die<br />

„Katastrophenkarawanen“ ziehen von<br />

einer Krise zur nächsten und schicken<br />

ihre Berichte nach Hause. „Und alle<br />

Medien schauen nur in eine Richtung“,<br />

sagt Orter. „In den 1990er-Jahren war<br />

das der Balkan, dann war es Tadschikistan,<br />

später der Irak und so weiter.<br />

Das Gefährliche dabei ist aber, dass<br />

alle nur über ein und dasselbe Ereignis<br />

berichten. Aber es gibt noch Hunderte<br />

andere Krisengebiete zur gleichen Zeit<br />

auf der Welt. Die sind aber für die<br />

Sender nicht interessant.“<br />

mensetzen. Das ist die Wahrheits -<br />

suche.“<br />

Martha Gelhorn, Grande Dame der<br />

Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert<br />

und eine der wenigen Frauen<br />

in dieser merkwürdigen Branche, begann<br />

bereits in den 1930er-Jahren im<br />

Spanischen Bürgerkrieg und verfasste<br />

noch im hohen Alter Reportagen,<br />

hauptsächlich aus Lateinamerika.<br />

„Meine Arbeit hat mich immer glücklich<br />

gemacht. Wenn man getötet wird,<br />

wird man getötet, darüber habe ich nie<br />

nachgedacht“, verriet sie in einem Interview<br />

im ORF-Fernsehen und wusste<br />

witzige Anekdoten über Ernest Hemingway<br />

zu erzählen. Ihr Beruf war für<br />

sie „nicht bloß ein Job“, sondern immer<br />

auch eine moralische Aufgabe: „Irgendjemand<br />

muss über die Unmenschlichkeit<br />

in der Welt berichten. Alles ist besser<br />

als zu schweigen. Wenn man nichts<br />

tun kann, dann sollte man zumindest<br />

weinen.“


0 2 4 h e e r & m e h r<br />

Toller Erfolg für das Bundesheer:<br />

Zum ersten Mal hat im Mai ein<br />

österreichischer Panzerzug an<br />

der von der US-Army ausgetragenen<br />

„Strong Europe Tank Challenge“<br />

am deutschen Truppenübungsplatz<br />

in Grafenwöhr teilgenommen<br />

und konnte dort<br />

gleich den Sieg erringen. Die Soldaten<br />

des Panzerbataillons 14<br />

aus Wels setzten sich dabei<br />

gegen Konkurrenten aus Frankreich,<br />

Polen, Rumänien, der<br />

Ukraine sowie Deutschland und<br />

den USA durch. Den Grundstein<br />

für den Sieg legten sie in den drei<br />

Hauptdisziplinen Angriff, Verteidigung<br />

und Steilfeuer-Präzision,<br />

insgesamt konnten sie acht der<br />

zwölf Einzeldisziplinen für sich<br />

entscheiden.<br />

ALLES<br />

PANZER<br />

JÄGERBATAILLON 25:<br />

COMBAT READY!<br />

im zweiten halbjahr übernimmt mit dem Jägerbataillon<br />

25 erstmals eine österreichische einheit das Kommando<br />

über eine Krisen-eingreiftruppe der nato für<br />

den Kosovo. im mai wurden die eineinhalbjährigen<br />

vorbereitungen darauf mit einem zweiwöchigen training<br />

am truppenübungsplatz altmark in deutschland<br />

abgeschlossen. dabei wurden die österreichischen<br />

soldaten (die eingreiftruppe besteht neben 650<br />

Österreichern auch aus 170 deutschen soldaten) von<br />

einem nato-monitoring-team auf ihre personelle und<br />

materielle einsatzbereitschaft sowie ihre einsatzführung<br />

überprüft. das gesamtergebnis fiel mit „combat<br />

ready“ – erwartungsgemäß – zufriedenstellend aus.<br />

Foto s : 7 t h a r m y t r a i n i n g co m m a n d, B u n d e s h e e r /<br />

m a n F r e d r au n e g g e r , B u n d e s h e e r / u n t e r v e r s c h lu ss


N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

BOARDING TEAM: DAS JAGDKOMMANDO<br />

TRAINIERTE IM MITTELMEER<br />

Im März beteiligte sich das Jagdkommando mit einem Boarding Team<br />

auf dem deutschen Marineschiff „Main” an der EU-Operation „Sophia“.<br />

Zwei Monate später trainierten nun Soldaten des Jagdkommandos am<br />

NATO Maritime Interdiction Training Centre auf Kreta das Unter-Kontrolle-<br />

Bringen und Durchsuchen von verdächtigen Schiffen. Dabei mussten<br />

sich die Soldaten verdächtigen Schiffen rasch nähern. Bei möglichen<br />

Einsätzen kann sich die Situation vor Ort als harmlos herausstellen, die<br />

Soldaten können aber auch mit Waffenschmugglern oder Menschenhändlern<br />

konfrontiert werden und auf Widerstand stoßen.


0 2 8 H E E R & M E H R<br />

ES GIBT<br />

KEINE<br />

ZWEI-KLASSEN-ARMEE!<br />

Die Miliz soll in den kommenden Jahren personell<br />

wie materiell aufgewertet werden. Brigadier Erwin<br />

Hameseder, der Milizbeauftragte des Bundesheeres,über<br />

den laufenden Aufwuchs, die nächsten Schritte und geplante<br />

Verbesserungen im Bereich „Militär und Wirtschaft“.<br />

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Foto: SEBASTIAN FREILER<br />

Herr Brigadier, die Miliz<br />

befindet sich derzeit<br />

im Aufwuchs. Wie<br />

geht es dabei voran?<br />

Nach der derzeitigen Planung soll die<br />

Miliz in den nächsten zehn Jahren um<br />

6.500 auf 31.500 Beorderte aufwachsen.<br />

Die <strong>aktuell</strong>en Zahlen der Freiwilligen<br />

für die Miliz machen mich sehr zuversichtlich,<br />

dass wir den geplanten Aufwuchs<br />

und die Nährung der bestehenden<br />

Strukturen auch realisieren können.<br />

Wie nachhaltig dieser Aufwuchs sein<br />

wird, hängt aber maßgeblich von den<br />

Rahmenbedingungen ab, denen die Milizsoldaten<br />

ausgesetzt sind. Dies betrifft<br />

in erster Linie die Verpflichtung der<br />

österreichischen Bundesregierung, die<br />

erforderliche Ausstattung mit moderner<br />

Ausrüstung, Bewaffnung, Führungsmitteln<br />

und Fahrzeugen sicherzustellen.<br />

Welche Faktoren sind darüber hinaus<br />

aus ihrer Sicht ausschlaggebend?<br />

Immer wichtiger sind die gesellschaftliche<br />

Anerkennung und vor allem die positive<br />

Haltung der Arbeitgeber. Schließlich<br />

findet die Miliztätigkeit im Spannungsfeld<br />

des Arbeitsmarktes statt. Das<br />

Verständnis eines Arbeitgebers oder<br />

eines Kunden endet meist dort, wo die<br />

Auswirkungen des Milizengagements<br />

durch Abwesenheiten sichtbar werden.<br />

Je mehr Verständnis die Arbeitgeber für<br />

die Erfordernisse der Miliz aufbringen,<br />

desto eher verpflichten sich Wehrpflichtige<br />

für die Miliz. Ein weiterer wichtiger<br />

Punkt ist der „Miliz-Service“ – die Milizbetreuung.<br />

Ein Freiwilliger in der Einsatzorganisation<br />

erwartet sich eine entgegenkommende<br />

und aktive Betreuung<br />

nach modernem Standard, aber auch<br />

die milizfreundliche Gestaltung der<br />

Kaderausbildung durch Ausbildungsmodule<br />

mit Ausbau der Fernlehre.<br />

Im von Ihnen angesprochen Bereich<br />

„Miliz und Wirtschaft“ gab es zuletzt<br />

ja einige Verbesserungen.<br />

Ich bin als Milizbeauftragter selbst in<br />

der Wirtschaft tief verankert und sehe<br />

daher in diesem Bereich ganz klar einen<br />

meiner Schwerpunkte. Herausragend<br />

ist dabei die Initiative 2015: Der Verteidigungsminister<br />

hat in diesem Jahr mit<br />

der Wirtschaftskammer eine Kooperationsurkunde<br />

unterzeichnet mit dem<br />

Ziel, die Kommunikation, Information<br />

und die Synergien zwischen Bundesheer<br />

und Wirtschaftskammer auszubauen.<br />

Ein deutliches Signal an die Wirtschaft<br />

setzen wir nun mit der Einführung eines<br />

„Milizgütesiegels“ und in der Premium-<br />

Klasse mit dem „Miliz-Award“. Diese<br />

Auszeichnungen beziehungsweise Zertifizierungen<br />

sollen die Verbundenheit<br />

und die aktive Zusammenarbeit<br />

der Wirtschaft mit dem Bundesheer<br />

und insbesondere mit<br />

der Miliz zum Ausdruck bringen.<br />

Eine „Milizbroschüre<br />

für die Arbeitgeber“, die<br />

Anfang Juni <strong>2017</strong> erschienen<br />

ist, enthält<br />

wichtige Informationen,<br />

mit denen das<br />

Verständnis für die<br />

Milizerfordernisse gefördert<br />

werden soll.<br />

Die für den Aufwuchs<br />

notwendigen<br />

Freiwilligen<br />

müssen<br />

zu einem<br />

guten Teil<br />

aus dem<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

Grundwehrdienst gewonnen werden.<br />

Damit das funktioniert, müssen die<br />

Rekruten das Heer aber auch als<br />

attraktiv empfinden und für das<br />

Heer begeistert werden – inwieweit<br />

gibt es in diesem Bereich noch Nachholbedarf?<br />

2013 wurde das Thema „Reform des<br />

Wehrdienstes“, umfassend behandelt,<br />

die Umsetzung wurde aber leider teilweise<br />

durch die Investitionsbremse behindert.<br />

Vieles konnte aber verbessert<br />

werden und in den vergangenen Jahren<br />

ist sehr viel unternommen worden, um<br />

die Attraktivität der Miliz zu heben.<br />

So wurde das Budget für die Anerkennungsprämien<br />

verdreifacht, ein Freiwilliger<br />

bekommt zum Beispiel bei Erstverpflichtung<br />

mit absolvierter vorbereitender<br />

Milizausbildung rund tausend Euro.<br />

Und wer die Kaderausbildung zum Milizunteroffizier<br />

und Milizoffizier innerhalb<br />

einer bestimmten Zeiteinheit positiv<br />

absolviert, wird gesondert belohnt.<br />

Für jeden Tag Milizübung gibt es einen<br />

gesonderten Anteil an Milizprämie und<br />

während der Waffenübungen besteht<br />

Freifahrt bei der ÖBB. Wir wissen aber,<br />

dass das Geld allein für das Engagement<br />

in der Miliz nicht ausschlaggebend ist.<br />

Der wichtigste Faktor ist die „gelebte<br />

Kameradschaft“ und die wertschätzende<br />

Behandlung. Während des Grundwehrdienstes<br />

ist es entscheidend, die<br />

Miliz für die Rekruten „sichtbar, erlebbar<br />

und begreifbar“ zu machen und<br />

ihnen eine interessante, abwechslungsreiche<br />

und herausfordernde Ausbildung<br />

zu bieten.<br />

MILIZBEAUFTRAGTER Brigadier Erwin<br />

Hameseder ist Obmann der Raiffeisenholding<br />

WIEN/NÖ und berät als Milizbeauftragter<br />

den Verteidigungsminister<br />

in Angelegenheiten der Miliz.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 0 H E E R & M E H R<br />

Apropos „wertschätzende Behandlung“:<br />

Ein Problem war und ist vielfach,<br />

dass Miliz und präsente Verbände<br />

als Zwei-Klassen-Armee wahrgenommen<br />

werden.<br />

Dem Begriff der „Zwei-Klassen-Armee“<br />

trete ich entschieden entgegen. Wenn<br />

ich noch Ansätze dazu feststelle, wird<br />

dies dem Chef des Generalstabes und<br />

dem Herrn Bundesminister entsprechend<br />

kommuniziert. Gerade Herr<br />

Bundesminister Doskozil hat entsprechende<br />

budgetäre Maßnahmen gesetzt,<br />

dass bei der Ausstattung der Miliz sichtbare<br />

Erfolge eintreten, zuletzt bei der<br />

Ausstattung mit dem Kampfanzug 3<br />

Infanteriemodul und mit dem neuen<br />

Kampfhelm. Die gleiche Verantwortung<br />

im Einsatz erfordert die gleiche Ausrüstung!<br />

Ist das in der Truppe auch allen entsprechend<br />

bewusst?<br />

Die präsenten Kräfte erkennen zunehmend<br />

den „Mehrwert“ der Miliz für die<br />

Erfüllung der laufenden Aufträge, da die<br />

Miliz temporär zur personellen Verstärkung<br />

und Verdichtung eingesetzt wird,<br />

zum Beispiel bei den Assistenzeinsätzen<br />

im Inland an der Staatsgrenze. Und im<br />

Ausland bei den UNO-Missionen stellt<br />

die Miliz nach wie vor rund 50 Prozent<br />

der Soldatinnen und Soldaten. Ohne die<br />

laufende Unterstützung durch die Miliz<br />

ist die gegenwärtige Auftragslage nicht<br />

mehr zu bewältigen!<br />

Was spricht also noch dagegen, sich<br />

in der Miliz zu engagieren?<br />

Nichts. Ganz im Gegenteil, es spricht<br />

sogar sehr viel dafür. Als Milizsoldatin<br />

und Milizsoldat hat jeder die Chance,<br />

sich viele wertvolle Eigenschaften und<br />

Fähigkeiten, die auch in der Wirtschaft<br />

gefragt sind, anzueignen und zu trainieren.<br />

Disziplin, Durchhaltevermögen,<br />

Teamfähigkeit unter extremen Bedingungen,<br />

Führungskompetenz und interkulturelle<br />

Kompetenz sind in jedem<br />

zivilen Betrieb gefragt. Aktuell arbeiten<br />

wir auch daran, beim Heer erworbene<br />

Kompetenzen vermehrt zivil anrechenbar<br />

zu machen, idealerweise nach dem<br />

„Nationalen Qualifikationsrahmen“.<br />

Wie kann man noch vorhandenen<br />

Bedenken für ein Miliz-Engagement<br />

in Zukunft erfolgreich begegnen?<br />

AUF DEM WEG IN DIE ZUKUNFT Das Milizsystem erfährt <strong>aktuell</strong> eine deutliche Aufwertung. Die Soldaten<br />

nehmen im Anlassfall vor allem beim Schutz kritischer Infrastruktur eine entscheidende Rollen ein.<br />

Es geht letztlich um die Übernahme von<br />

Verantwortung für die Sicherheit Österreichs.<br />

Für viele Milizsoldaten ist es ein<br />

wesentlicher Motivationsfaktor „einen<br />

persönlichen sinnvollen Beitrag zu leisten<br />

für die Sicherheit unseres Landes.“<br />

Die vermehrte aktive Einbindung der<br />

Wirtschaft ist dabei ein wichtiger Faktor;<br />

insbesondere über die Sozialpartner.<br />

Diese sind wichtige Schnittstellen,<br />

wenn es darum geht, ein breiteres<br />

Verständnis als bisher für die Belange<br />

der Landesverteidigung zu schaffen.<br />

Sind dahingehend konkrete Schritte<br />

geplant?<br />

Wesentliche Schritte werden gerade gesetzt,<br />

indem am „Tag der Miliz“ – in Zukunft<br />

jeweils der 9. Juni – die Wirtschaft<br />

„vor den Vorhang“ geholt wird. Ich habe<br />

Herrn Bundesminister Doskozil auch<br />

vorgeschlagen zu genehmigen, dass beorderte<br />

Milizsoldaten am „Tag der Miliz“<br />

– soweit dies aus arbeitsrechtlichen<br />

Gründen möglich ist – am Arbeitsplatz<br />

in Uniform erscheinen, um ein sichtbares<br />

Zeichen zu setzen.<br />

Wie soll die Miliz darüber hinaus<br />

weiter attraktiviert werden?<br />

Ich beabsichtige, vermehrt auch legistische<br />

Maßnahmen anzustoßen, um die<br />

Attraktivität des Präsenzdiensts als Milizsoldat<br />

zu erhöhen. Als herausragendes<br />

Beispiel möchte ich die gelungene<br />

Anpassung eines Gesetzes im Verfassungsrang<br />

im Jahr 2015 ansprechen,<br />

von meinem Vorgänger initiiert. Dabei<br />

wurde für Frauen in Milizverwendung<br />

die Möglichkeit der freiwilligen Verpflichtung<br />

zu Milizübungen geschaffen<br />

– mit gleichen Rechten und Pflichten<br />

wie die Männer. Aktuelle Vorhaben<br />

betreffen die Erweiterung des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes<br />

für die Längerdienenden<br />

im Zuge der Kaderanwärterausbildung<br />

2 und sozialrechtlichen<br />

Nachteile für Vielübende. Es kann nicht<br />

sein, dass ein überdurchschnittlich<br />

engagierter Milizangehöriger letztlich<br />

mit einer niedrigeren Pension oder<br />

dem Verlust von Urlaubsansprüchen<br />

„belohnt“ wird. Ich fordere daher, dass<br />

diese Situation verbessert wird.<br />

Blicken wir abschließend noch in<br />

die Zukunft: Wohin soll sich die<br />

Miliz in den kommenden Jahren<br />

entwickeln?<br />

Im Bundesheerplan ist unter anderem<br />

festgeschrieben, dass von den zehn vorhandenen<br />

Milizbataillonen vier Jägerbataillone<br />

inklusive eines angemessenen<br />

Mobilitätsanteiles voll ausgestattet werden.<br />

Darauf werde ich besonders achten.<br />

Die Umsetzung der Phase 1, die bis<br />

2020 reicht, ist voll im Gange, wobei <strong>aktuell</strong><br />

aber nur „ein Drittel“ des Budget-<br />

Bedarfes für die Miliz als gesichert gilt,<br />

was höchst unbefriedigend ist. Die weiteren<br />

konkreten Planungen für die Phase<br />

2 und 3 hängen von den budgetären<br />

Vorgaben ab. In gleichem Maße betrifft<br />

dies aber auch die Präsenzorganisation.<br />

Mein klares Ziel ist es daher, mich intensiv<br />

in engster Abstimmung mit der<br />

militärischen Führung dafür einzusetzen,<br />

dass für die Weiterentwicklung des<br />

Bundesheeres und damit auch insbesondere<br />

für die Miliz die notwendigen<br />

Budgetmittel zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

FOTO : B U N D E S H E E R / C H R I ST I A N J O H A N N E S<br />

FOTO S : X X X X X X X<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


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Under the Patronage of<br />

His Highness Sheikh Mohammad bin Rashid Al Maktoum<br />

Vice President and Prime Minister of the UAE, Ruler of Dubai<br />

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Media Partners


0 3 2 H E E R & M E H R<br />

BREIT AUFGESTELLT Die Landstreitkräfte umfassen zahlreiche Verbände und Einheiten. Darunter beispielsweise das Panzergrenadierbataillon<br />

35 (als Teil der 4. Panzergrenadierbrigade), das Pionierbataillon 3 (als Teil des Kommandos Schnelle Einsätze) und das Jägerbataillon 17 (als Teil<br />

der 7. Jägerbrigade).<br />

DAS KOMMANDO<br />

LAND<br />

STREIT<br />

KRÄFTE<br />

Infolge der jüngsten Bundesheer-Reform werden in Österreich erstmals seit 38 Jahren neue<br />

Truppen aufgestellt. Wir stellen in den kommenden Ausgaben die neuen Verbände und<br />

Kommanden vor. Den Auftakt macht das Kommando Landstreitkräfte. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

as Bundesheer hat<br />

D<br />

mit 1. Jänner seine<br />

neue Organisationsstruktur<br />

eingenommen.<br />

Dabei<br />

wurde das alte<br />

Streitkräfteführungskommando<br />

aufgelöst und in ein Kommando<br />

Land- und ein Kommando Luftstreitkräfte<br />

mit Sitz in Graz beziehungsweise<br />

Salzburg geteilt. Aus<br />

der alten Struktur verblieben für<br />

beide Kommanden lediglich die Abteilung<br />

Personalwesen mit einem<br />

Teil Graz und einem in Salzburg-<br />

Wals.<br />

Dem Kommando Landstreitkräfte<br />

sind das Kommando Schnelle Einsätze,<br />

die Leichte Brigade (7. Jäger -<br />

brigade), die Schwere Brigade (4.<br />

Panzergrenadierbrigade), das Kommando<br />

Gebirgskampf, die Heerestruppenschule,<br />

die Auslandseinsatzbasis<br />

und alle neun Militärkommanden<br />

unterstellt. Insgesamt leisten<br />

310 Personen ihren Dienst im Kommando<br />

in der Grazer Belgier-Kaserne,<br />

sie führen alle Inlands- und Auslandseinsätze<br />

des Heeres. Das Kommando<br />

Landstreitkräfte schafft die<br />

Rahmenbedingungen für die Einsätze<br />

und stellt die Vorbereitung sowie<br />

nationale Führung sicher – egal ob<br />

bei humanitären Hilfseinsätzen, Katastrophenhilfe,<br />

friedensunterstützenden<br />

Operationen oder dem Einsatz<br />

von Militärbeobachtern und<br />

Experten.<br />

Das Kommando über die Landstreitkräfte<br />

hat Generalleutnant Franz<br />

Reißner. Für die Führung der Landstreitkräfte<br />

stehen ihm außerdem<br />

zehn Abteilungen (u. a. Ausbildung,<br />

Planung, Operative Einsatzführung,<br />

Logistik, Militärische Sicherheit und<br />

Personalwesen) und fünf Stabsstellen<br />

zur Verfügung.<br />

FOTO : B U N D E S H E E R , B U N D E S H E E R / KU R T K R E I B I C H , H B F/ DA N I E L<br />

T R I P P O LT, B U N D E S H E E R / G A N G L B E R G E R S E V E R I N ,<br />

B U N D E S H E E R / R O B E R T G I E SSAU F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S E R I E : D I E N E U E N K O M M A N D E N – T E I L 1<br />

INTERVIEW<br />

„Wir sind auf einem<br />

sehr guten Weg!“<br />

Generalleutnant<br />

Franz Reißner ist<br />

Kommandant<br />

der Landstreitkräfte.<br />

Herr Generalleutnant, was sind <strong>aktuell</strong><br />

die größten Herausforderungen in<br />

Ihrem Verantwortungsbereich?<br />

Derzeit stehen etwa 2.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten im In- oder Auslandseinsatz,<br />

womit wir bezogen auf die Einwohnerzahl<br />

im absoluten Spitzenfeld<br />

aller EU-Mitgliedstaaten liegen. Wir<br />

benötigen daher Nachwuchs und suchen<br />

in den nächsten Jahren 9.800 engagierte<br />

junge Frauen und Männer, die<br />

bereit sind, aktiv an Österreichs und<br />

Europas Sicherheit mitzuwirken. Dafür<br />

bieten wir gute Bezahlung und sichere<br />

Arbeitsplätze in vielfältigen militärischen<br />

Berufen.<br />

FACTBOX<br />

Kommando Landstreitkräfte<br />

Kommandant Generalleutnant Franz Reißner<br />

Sitz/Hauptquartier Belgier-Kaserne, Graz ( )<br />

Personal 310 Personen in Graz, österreichweit<br />

umfassen die Landstreitkräfte insgesamt<br />

13.200 Soldatinnen und Soldaten<br />

Aktuelle Einsätze Inland 900 Soldaten<br />

(Grenzeinsatz bzw. Botschaftsbewachung)<br />

Aktuelle Einsätze Ausland<br />

1.100 Soldaten in 18 Missionen<br />

Unterstellte Verbände/Einheiten ( )<br />

Kommando Schnelle Einsätze,<br />

Leichte Brigade/7. Jägerbrigade,<br />

Schwere Brigade/4. Panzergrenadierbrigade,<br />

Kommando Gebirgskampf, die Heerestruppenschule,<br />

die Auslandseinsatzbasis und alle neun Militärkommanden<br />

Welche Herausforderungen stellen<br />

sich für die Landstreitkräfte darüber<br />

hinaus?<br />

Wir haben mit Jahresbeginn die<br />

Strukturen der Landstreitkräfte an die<br />

<strong>aktuell</strong>e Sicherheitslage angepasst.<br />

So stehen Österreich erstmals spezialisierte<br />

Truppen zur gemeinschaftlichen<br />

Bewältigung von subkonventionellen<br />

Bedrohungen zur Verfügung. Die Steigerung<br />

der Effizienz dieser Truppen<br />

steht nun im Zentrum unserer Bemühungen.<br />

Das machen wir einerseits<br />

mit der Stärkung der Soldatinnen und<br />

Soldaten in Quantität und mit spezialisierter<br />

Ausbildung und andererseits<br />

mit dem Zulauf neuester Ausrüstung<br />

und Bewaffnung. Wir sind auf diesem<br />

Weg schon sehr gut unterwegs.<br />

m i L i t ä R a K t u e L L


0 3 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

DIE<br />

UNTEROFFIZIERS-<br />

SCHMIEDE<br />

Die Heeresunteroffiziersakademie in enns geht seit September 2016<br />

neue Wege. Die Unteroffiziersausbildung wurde generalüberholt: Sie ist nun<br />

deutlich straffer in den Abläufen, moderner und zeitgemäßer im Aufbau und<br />

orientiert sich mehr an den Erfordernissen der einzelnen Verbände.<br />

Ein Truppenbesuch. text: JOHaNNeS luXNer Fotos: SeBaStiaN Freiler<br />

D<br />

ie Ennser Towarek-<br />

Kaserne ist zwar<br />

seit Jahrzehnten das<br />

Zentrum der Unteroffiziersausbildung<br />

und -weiterbildung in Österreich,<br />

doch seit Herbst 2016 herrscht in den<br />

historischen Gebäuden aus Kaisers<br />

Zeiten besonders geschäftiges Treiben.<br />

„Seit September vergangenen<br />

Jahres befinden sich rund 900 Personen<br />

in der Kaderanwärterausbildung<br />

2“, drückt Kommandant Brigadier<br />

Nikolaus Egger die neuen Verhältnisse<br />

in Zahlen aus und erklärt: „Das<br />

bedeutet eine Verdreifachung im<br />

Vergleich zu früher. Mit Blick auf die<br />

Ausmusterungsrate rechnen wir mit<br />

einer Verdoppelung der Zahlen.“ Die<br />

launige Prophezeiung von Generalleutnant<br />

Karl Schmidseder im Zuge<br />

der Ausmusterung im vergangenen<br />

Februar, dass die Ennser Stadthalle<br />

vor diesem Hintergrund für derartige<br />

Veranstaltungen bald zu klein sein<br />

könnte, ist also gar nicht so fern der<br />

Realität.<br />

Der wesentliche Faktor des regen<br />

Zulaufs ist der Personaloffensive des<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


T R U P P E N B E S U C H<br />

DIE HEERESUNTER-<br />

OFFIZIERSAKADEMIE<br />

EINSATZ GEFRAGT Körperliche Fitness ist<br />

Grundvoraussetzung für angehende Unteroffiziere,<br />

die in der Hindernisbahn ebenso zu beweisen<br />

ist wie bei der Bewältigung mancher Hürde.<br />

Auch der Aufbau von Zelten will geübt sein.<br />

GUT IN SCHUSS Teile der Schießausbildung<br />

finden am Pistolensimulator statt.<br />

Der Ursprung der<br />

heutigen Heeresunteroffiziersakademie<br />

(HUAk) liegt<br />

in der im Jahr 1958<br />

gegründeten Heeresunteroffiziersschule,<br />

deren Ausbildungsstruktur<br />

bis Mitte der 1990er-Jahre bestanden<br />

hat. Im Jahr 1995 wurde die Ausbildung<br />

schließlich den Erfordernissen<br />

der Zeit angepasst, die Heeresunteroffiziersakademie<br />

bekam ihren heutigen<br />

Namen. Im vergangenen Jahr<br />

wurde die Ausbildung neuerlich<br />

adaptiert, sie hat seit September 2016<br />

eine neue Struktur und kann nun in<br />

einem Stück innerhalb von 18 Monaten<br />

absolviert werden. Der Standort<br />

der Heeresunteroffiziersakademie<br />

befindet sich seit jeher in der Towarek-Kaserne<br />

in Enns und versteht sich<br />

als Kompetenzzentrum für die nationale<br />

und internationale Unteroffiziersausbildung<br />

und –weiterbildung.<br />

Die Ausbildung der Heeresunteroffiziersakademie<br />

befindet sich im steten<br />

Wandel: Der Fremdsprachenunterricht<br />

wurde angesichts der vielen<br />

Auslandseinsätze ausgebaut und im<br />

Lauf der Jahrzehnte ergänzten Themen<br />

und Fächer wie Militärethik, Cyberkriminalität<br />

oder auch Gleichstellungsthemen<br />

die Lehrpläne. In der<br />

Towarek-Kaserne sind rund 130 Mitarbeiter<br />

beschäftigt. Die Heeresunteroffiziersakademie<br />

ist in Form zahlreicher<br />

Kooperationen international eng<br />

vernetzt – etwa mit der Schule für<br />

Feldjäger und Stabsdienst in Hannover.<br />

Im vergangenen Jahr hat sich insbesondere<br />

die Ausbildungskooperation<br />

mit den Ländern Ungarn, Serbien<br />

und Bosnien intensiviert.<br />

Bundesheeres geschuldet, wie Brigadier<br />

Egger weiter erklärt. „Die Sicherheit<br />

des Arbeitsplatzes und die solide<br />

Bezahlung sind große Anreize.“ Doch<br />

die Heeresunteroffiziersakademie ist<br />

nicht nur angesichts des generellen<br />

Imagewandels des Bundesheeres<br />

attraktiver geworden, auch die Ausbildung<br />

wurde generalüberholt und<br />

damit attraktiver. Egger: „War die<br />

Ausbildung bislang sehr modulartig<br />

aufgebaut, so findet sie nun an einem<br />

Stück statt und kann in 18 Monaten<br />

absolviert werden.“ Im Zuge<br />

der Kaderanwärterausbildung<br />

1 kommen zudem verschiedenste<br />

Berufsgruppen zusammen.<br />

Jene, die eine Offizierslaufbahn<br />

einschlagen wollen ebenso wie<br />

Unteroffiziersanwärter – egal ob<br />

Oberösterreich<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 6 H E E R & M E H R<br />

teamPlaYer Wer die HUAk besucht, erhält eine Ausbildung in grundlegenden soldatischen<br />

Aufgaben, aber auch eine erste Ausbildung in Sachen militärischer Führung.<br />

Miliz- oder Präsenzstand, ob Matura<br />

oder nicht. „Mit dieser Durchmischung<br />

haben wir bereits gute Erfahrungen<br />

gemacht“, so Egger, „inhaltlich<br />

dreht sich die Ausbildung zunächst<br />

um grundlegende soldatische Aufgaben<br />

und sie ist auch eine erste Führungsausbildung.“<br />

Der zweite Teil der Ausbildung findet<br />

an den jeweiligen Waffen- und Fachschulen<br />

statt. Dann trennen sich die<br />

Wege. Milizionäre kehren in ihren<br />

Beruf zurück, Offiziere gehen an die<br />

Militärakademie und für die Unteroffiziersanwärter<br />

geht es zurück in die<br />

Heeresunteroffiziersakademie. „Sie<br />

bekommen den letzten Feinschliff –<br />

etwa in Fremdsprachen, Rechtsfächern,<br />

aber auch im Bereich Führungsverhalten<br />

und Ausbildungsmethodik.“<br />

Diese neue Struktur sei insofern<br />

von großem Vorteil, weil sie eine<br />

große Planbarkeit und eine schnelle<br />

Kaderproduktion gewährleistet und<br />

auch Seiteneinsteigern Möglichkeiten<br />

gibt, beschreibt Egger die Neuerungen,<br />

spricht aber auch die Nachteile<br />

an: „In der militärischen Praxis ist bis<br />

dahin noch nicht viel geschehen. Die<br />

Leute haben noch keine militärische<br />

Heimat, was aber auch als Chance<br />

verstanden werden kann: Sie können<br />

sozusagen als Rohperlen in den jeweiligen<br />

Verband integriert werden.“<br />

Doch an der Heeresunteroffiziersakademie<br />

ist im vergangenen Jahr noch<br />

„Ich will wieder in den Auslandseinsatz!“<br />

Felix Prähauser aus Salzburg<br />

besucht seit März <strong>2017</strong> die HUAk<br />

in Enns. Ihn reizen insbesondere<br />

die Auslandseinsätze des Bundesheeres,<br />

als Sanitäter war er bereits<br />

in Bosnien.<br />

Wie ist ihre entscheidung, eine laufbahn<br />

als unteroffizier einzuschlagen,<br />

zustande gekommen?<br />

Die Unteroffizierslaufbahn war für mich<br />

eine logische Schlussfolgerung. Nachdem<br />

mir damals beim Grundwehrdienst<br />

die Arbeit als Sanitäter sehr gefallen hat,<br />

bin ich dabei geblieben und nun schon<br />

sechs Jahre beim Bundesheer. Ich war<br />

währenddessen auch mit der Kaderpräsenzeinheit<br />

in Bosnien im Auslandseinsatz<br />

und das war für mich dann der<br />

Knackpunkt.<br />

inwiefern?<br />

Weil der Einsatz eine Erfahrung sehr positiver<br />

Art war, auch wenn es eine große<br />

Herausforderung bedeutet, wenn du mit<br />

Leuten, die du erst kurz kennst, 24 Stunden<br />

am Tag unterwegs bist und zusammenarbeitest.<br />

Ich war in Bosnien als<br />

Notarztwagenfahrer tätig, der Teamgeist<br />

war bemerkenswert und es herrscht bei<br />

Auslandseinsätzen ein etwas anderer<br />

Umgang, weil es für alle eine besondere<br />

Situation ist. All das hat mich angespornt,<br />

die Heeresunteroffiziersakademie zu machen,<br />

um in der Folge weitere Auslandseinsätze<br />

zu absolvieren.<br />

Wie gestaltet sich die ausbildung bis<br />

jetzt?<br />

Sehr positiv, vor allem, weil es wenig<br />

Frontalunterricht gibt und die Leute in<br />

den Unterricht stark miteinbezogen<br />

werden. Das kommt gut an. Außerdem<br />

gefällt mir die viele Zeit, die wir draußen<br />

verbringen – bei Übungen und Märschen,<br />

das gehört für mich unabdingbar<br />

dazu, schließlich will ich Soldat sein.<br />

inwiefern spüren sie den positiven<br />

ruck, der momentan durch das heer<br />

geht, persönlich?<br />

Früher habe ich meistens die Frage nach<br />

dem Warum gehört, als ich erzählt habe,<br />

dass ich beim Bundesheer bin. Das<br />

kommt jetzt nicht mehr vor. Die Menschen<br />

erkennen seit der Flüchtlingskrise<br />

den Sinn des Heeres wieder. Ich war<br />

selbst sechs Monate lang als Sanitäter<br />

am Salzburger Hauptbahnhof im Einsatz.<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


T R U P P E N B E S U C H<br />

mehr in Bewegung gekommen, was<br />

im Gegensatz zur Vielzahl junger<br />

Leute in Ausbildung nach außen<br />

kaum sichtbar ist – etwa im Bereich<br />

der sehr eng geflochtenen internationalen<br />

Ausbildungskooperationen<br />

der Heeresunteroffiziersakademie.<br />

„Insbesondere Ungarn, aber auch<br />

Serbien und Bosnien kommen in<br />

Ausbildungsfragen sehr auf uns zu.<br />

Derzeit haben wir etwa Angehörige<br />

der deutschen Bundeswehr hier, die<br />

ein Seminar besuchen.“<br />

Die internationale Ausrichtung hat in<br />

Enns eine lange Tradition. Die Heeresunteroffiziersakademie<br />

kooperiert<br />

mit der Schule für Feldjäger und<br />

Stabsdienst der Bundeswehr in Hannover<br />

mit einem Schwerpunkt im<br />

Bereich Stabsdienst und dem Austausch<br />

von Lehrpersonal. Darüber<br />

hinaus arbeitet die Heeresunteroffiziersakademie<br />

mit der Berufsunteroffiziersschule<br />

der Schweizer Armee<br />

(BUSA) im Bereich Ausbildungsme-<br />

REGER ZULAUF „Die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die solide Bezahlung sind große Anreize“,<br />

nennt Kommandant Nikolaus Egger wesentliche Faktoren hinsichtlich des regen Zulaufs in Enns.<br />

thodik sehr eng zusammen. Und<br />

mit dem regen Zulauf und der neuen<br />

Ausbildungsstruktur ist in der Towarek-Kaserne<br />

auch in Sachen Infrastruktur<br />

etliches in Bewegung gekommen.<br />

Ein Bauwerk wurde generalsaniert,<br />

um moderne Unterkünfte<br />

zu bieten. „Aber auch in Sachen<br />

Lehrsäle, Lernmittel und -methoden<br />

hat sich viel getan“, freut sich Egger.<br />

„Sogar ein neues Sportgebäude steht<br />

in Aussicht.“


0 3 8 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

1<br />

4<br />

2<br />

3<br />

CYBER-ABWEHR<br />

Zum Schutz seines virtuellen Raums setzt das Bundesheer auf das Kommando<br />

Führungsunterstützung und Cyber Defence in der Stiftkaserne in Wien.<br />

Oberleutnant Striedinger erklärt, wie man Angriffe auf das System erkennt und<br />

auf Attacken richtig reagiert. Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Das Bundesheer hat früh erkannt,<br />

dass vom Cyberraum neue Gefahren<br />

ausgehen, die das Potenzial haben,<br />

die Sicherheit Österreichs zu gefährden.<br />

Seit Jahren betreiben die rotweiß-roten<br />

Streitkräfte daher massive<br />

Anstrenungen zur Erhöhung der<br />

Cybersicherheit, die sich auch in<br />

internationalen Erfolgen niederschlagen:<br />

So nehmen Soldaten des<br />

Bundesheeres seit 2012 aktiv an der<br />

Nato-Übung „Cyber Coalition“ teil<br />

und konnten diesen digitalen Hacker-Abwehr-Wettkampf<br />

im ersten<br />

Jahr auch gleich gewinnen.<br />

Das Bundesheer überwacht sein<br />

österreichweites Digitalnetzwerk von<br />

Räumen (1) in der Wiener Stiftkaserne<br />

aus. Mehrere Cyber-Experten<br />

analysieren dort den laufenden<br />

Datenverkehr (2) und bedienen<br />

sich dazu auch eines Monitoring-<br />

Programms, das die Unmengen an<br />

Informationen filtert und übersichtlich<br />

bündelt. Auf einem großen Bildschirm<br />

(3) ist das <strong>aktuell</strong>e Cyberlagebild<br />

dargestellt. Darauf lässt sich<br />

etwa in Form von Tortendiagrammen<br />

erkennen, wie oft jemand versucht in<br />

das Netzwerk einzudringen (die Rede<br />

ist von „anklopfen“) oder wie viele<br />

Viren im System unterwegs sind.<br />

Angriffe auf das Netzwerk (4) gehen<br />

meist mit einer sehr hohen Netzauslastung<br />

einher, diese liegt dann bei<br />

bis zu 90 Prozent. Erkennen die<br />

Experten in der Stiftkaserne einen<br />

derartigen Daten-Ansturm, werden<br />

die Kollegen alarmiert (5) – im<br />

Regelfall ist das zwei- bis dreimal<br />

pro Woche der Fall.<br />

Dauert der Angriff auf das Netz länger<br />

als eine halbe Stunde, beginnen<br />

die Cyber-Soldaten mit der Suche<br />

nach der Ursache beziehungsweise<br />

dem Aggressor (6). Die Ermittelungen<br />

laufen über unterschiedliche<br />

Geräte, die Zugriff auf verschiedene<br />

Netzwerke erlauben.<br />

Mittels Ausschlussverfahren wird<br />

versucht den Bösewicht zu stellen.<br />

Die Gefahr kann etwa von einem<br />

E-Mail oder einem über einen USB-<br />

Stick eingeschleppten Virus ausgehen,<br />

aber auch über eine automatisierte<br />

Maßnahme eines Programmes.<br />

Abhängig von der Gefahrenquelle<br />

werden geeignete Gegenmaßnahmen<br />

eingeleitet (7), der Bedrohung wird<br />

anschließend mit Programmzeilen<br />

zu Leibe gerückt.<br />

Ist die Gefahr gebannt, wird in einer<br />

Nachbesprechung (8) der Hergang<br />

im Detail aufgearbeitet. Mithilfe dieser<br />

Analyse sollen Lehren für weitere<br />

Angriffe und möglichst effektive Abwehr-Maßnahmen<br />

gezogen werden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S E R V I C E<br />

5<br />

6<br />

7 8<br />

GEGNER IM CYBERSPACE<br />

Mit Programmzeilen versuchen die Leute<br />

des Kommandos Führungsunterstützung und<br />

Cyber Defence Aggressoren zu Leibe zu rücken.<br />

PROFIS AM WERK<br />

Oberleutnant Striedinger (links) bringt als<br />

Milizoffizier das Wissen aus seinem beruflichen<br />

Umfeld in seine Tätigkeit beim Bundesheer mit ein.


0 4 0<br />

R<br />

E C Y C L I N G<br />

DER<br />

KREIS-<br />

LAUF<br />

DES<br />

GLASES<br />

Austria Glas Recycling – ein Unternehmen der ARA – ist ein europaweit anerkanntes<br />

System für Glasrecycling. Geschäftsführer Harald Hauke im Interview über<br />

Unternehmer, Nachhaltigkeit und die Zukunft.<br />

I<br />

n Österreich wirft kaum jemand<br />

eine Glasflasche unbedacht<br />

einfach weg, sondern<br />

sammelt Altglas in<br />

den dafür vorgesehenen<br />

Containern. Flächendeckend<br />

sind über 70.000 Container für<br />

die Entsorgung aufgestellt und jedes<br />

Kind kennt die Trennung in Buntund<br />

Weißglas. Austria Glas Recycling<br />

ist eine Non-Profit-Organisation, die<br />

in Zusammenarbeit mit Spezialisten<br />

und der Bevölkerung die Sammelmengen<br />

jährlich steigert und Österreich<br />

mit einer Glasrecyclingquote<br />

von mehr als 80 Prozent einen Platz<br />

in der internationalen Top-Riege<br />

sichert.<br />

Die Österreicher sind<br />

eifrige Sammler von<br />

Altglas. Für den privaten<br />

Haushalt auf jeden<br />

Fall, doch wie sieht es<br />

in großen Unternehmen<br />

aus? Funktioniert<br />

hier die Sammlung<br />

ebenfalls reibungslos?<br />

Die Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer in<br />

Österreich sind sich ihrer Verantwortung<br />

für Ressourcenschonung<br />

und Umweltschutz bewusst – einerseits<br />

als Lizenzpartner des Glasrecyclingsystems<br />

von Austria Glas Recycling<br />

und ARA, andererseits beim<br />

Entsorgen der Betriebs- und Küchenabfälle.<br />

Die Recyclingquote für<br />

Glasverpackungen von jährlich über<br />

80 Prozent belegt das eindrucksvoll.<br />

Wie viele Tonnen Altglas werden<br />

jährlich gesammelt und recycelt?<br />

Mehr als 235.000 Tonnen.<br />

Was passiert mit dem Altglas, das<br />

wir in den Container werfen?<br />

Das von Austria Glas Recycling gesammelte<br />

Altglas wird der Glasindustrie<br />

als Rohstoff verkauft. Es wird<br />

eingeschmolzen und zu neuen Glas-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


verpackungen geformt. Glas ist von<br />

seiner Natur aus für Recycling gemacht.<br />

Sie können Glas unendlich<br />

oft zu 100 Prozent recyceln.<br />

Auch wenn die Trennung und Entsorgung<br />

von Glas in Österreich<br />

selbstverständlich ist, geht Austria<br />

Glas Recycling auch in die Schulen<br />

und sensibilisiert die Kinder?<br />

Ja, natürlich. Umweltbildung ist seit<br />

Gründung des österreichischen Glasrecyclingsystems<br />

in den 1970er-Jahren<br />

Teil des Erfolgsrezeptes. Austria<br />

Glas Recycling bietet ein vielfältiges<br />

Programm für Volksschulkinder<br />

ebenso wie für Teenager. Aktuell läuft<br />

der Essay-Wettbewerb AGENDA<br />

2030 – Das geht uns alle an. Mitmachen<br />

empfohlen, es winkt Preisgeld.<br />

Warum muss eigentlich Bunt- und<br />

Weißglas getrennt werden?<br />

Buntglas wird für Produkte eingesetzt,<br />

für die Lichtschutz erforderlich<br />

ist (Medikamente, Bier, …). Weißglas<br />

entfärbt Buntglas. Zum Buntglas darf<br />

daher nur grünes, braunes, blaues<br />

und anderes gefärbtes Glas. Eine einzige<br />

grüne Flasche färbt 500 kg farbloses<br />

Glas grünlich. Daher darf nur völlig<br />

farbloses Glas zum Weißglas.<br />

Wie fleißig wird in anderen<br />

Ländern gesammelt?<br />

Österreich zählt zu den internationalen<br />

Frontrunnern. In anderen Ländern<br />

arbeitet man am Aufbau einer<br />

funktionierenden Abfallwirtschaft.<br />

Die EU setzt viel Aufmerksamkeit in<br />

die Etablierung von Circular Economy.<br />

Österreichs Glasrecyclingsystem<br />

dient als Blaupause und Vorbild.<br />

Nachhaltigkeit steht in einem<br />

Recy cling-Unternehmen an erster<br />

Stelle. Gibt es auf diesem Gebiet<br />

trotzdem noch Luft nach oben?<br />

Nachhaltigkeit – wie wir von Austria<br />

Glas Recycling sie verstehen – ist ein<br />

Weg. Man ist nie am Ziel. Die Dilemmas<br />

zwischen Ökonomie und<br />

Ökologie verändern sich im Laufe<br />

der Geschichte, die Anforderungen<br />

und Wertigkeiten von Gesellschaften<br />

unterliegen einem Wandel. Mit<br />

unserem Nachhaltigkeitsmanagementsystem<br />

stellen wir die richtigen<br />

Fragen, finden die passenden Antworten<br />

und setzen die richtigen<br />

Maßnahmen für ein nachhaltiges –<br />

also ökonomisch erfolgreiches, umweltorientiertes<br />

und sozial verantwortungsvolles<br />

– Glasrecycling -<br />

system.<br />

Gibt es Anreize für Unternehmen,<br />

damit nachhaltig und umweltverträglich<br />

das Glas entsorgt wird?<br />

Unternehmen sind verpflichtet, Altstoffe<br />

ordnungsgemäß zu entsorgen.<br />

Doch unabhängig davon ist es kaufmännisch<br />

sinnvoll, denn die getrennte<br />

Entsorgung der Altstoffe reduziert<br />

Restmüllkosten. Und letztlich:<br />

Je höher das Recycling von Altglas,<br />

desto wirtschaftlicher ist der<br />

Glaskreislauf. Das wirkt sich positiv<br />

auf den Lizenztarif aus.<br />

Inwiefern setzt das Bundesheer<br />

auf zeitgemäßes Glasrecyclng?<br />

Wir freuen uns sehr, daß auch in<br />

den Kasernen des österreichischen<br />

Bundesheeres fleißig Glas gesammelt<br />

wird. Dafür möchte ich mich<br />

an dieser Stelle herzlich bedanken.<br />

FACTS & FIGURES<br />

Scherben bringen Glück: Mehrwert für Umwelt & Klima<br />

G R A F I K : WO L FG A N G R . F Ü R ST, AG R<br />

Das gesammelte Altglas wird zu<br />

100 Prozent in der Verpackungsglasindustrie<br />

verwertet. Aus gebrauchten<br />

Glasverpackungen<br />

werden neue – stets in 1A-Qualität.<br />

Immer und immer wieder!<br />

Glasrecycling – ein perfekter<br />

regionaler Materialkreislauf<br />

Gebrauchte Glasverpackungen<br />

sind der mengenmäßig wichtigste<br />

Rohstoff für die Herstellung neuer<br />

Verpackungen. Die Einsatzquote<br />

beträgt bei Weißglas bis zu 60 Prozent,<br />

bei Braunglas bis zu 70 Prozent<br />

und bei Grünglas bis zu 90<br />

Prozent. In Österreich produzierte<br />

Glasverpackungen bestehen im<br />

Durchschnitt aller Farben, Formen<br />

und Größen zu zwei Drittel aus<br />

Altglas. Dabei gilt: Je sauberer die<br />

gesammelten Glasverpackungen<br />

sind, desto mehr Altglas kann eingesetzt<br />

werden. Das ist billiger als<br />

Deponieren und spart Ressourcen<br />

und Energie. Zudem stärkt der<br />

Einsatz des Sekundärrohstoffes<br />

Altglas die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der heimischen<br />

Glasindustrie. Das sichert Arbeitsplätze<br />

in Österreich.<br />

Glasrecycling ist Umwelt- und Klimaschutz<br />

Die positiven Auswirkungen auf<br />

die Umwelt können sich sehen lassen.<br />

Dank getrennter Sammlung<br />

und stofflicher Verwertung von<br />

Glasverpackungen sparen wir jährlich<br />

beträchtliche Mengen an Rohstoffen:<br />

- 164.000 Tonnen Quarzsand<br />

- 53.000 Tonnen Kalk und Dolomit<br />

- 41.000 Tonnen Soda<br />

- 573.000 m³ Abbauvolumen<br />

- 213.000 m³ Deponievolumen für<br />

Einwegglas<br />

- 225.000.000 kWh elektrische<br />

Energie<br />

- 6.000.000m³ Erdgas<br />

(Zahlenangaben gerundet)<br />

CO 2 -Reduktion<br />

Je 10 Prozent Altglas bei der Neuproduktion<br />

reduzieren 3 Prozent<br />

Energieverbrauch und 7 Prozent<br />

CO 2 -Emissionen. Die jährliche<br />

Einsparung an elektrischer Energie<br />

entspricht dem Jahresbedarf<br />

von etwa 51.000 Haushalten<br />

und reduziert unser aller CO 2 -<br />

Footprint.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 2<br />

S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />

Im Kräftemessen mit China setzen die USA in Südostasien auch darauf, Staaten mit Ansprüchen in dieser Region (also<br />

potenziell in Konflikt mit Peking stehende Länder) als Partner und Kunden zu gewinnen. Auf der LIMA-<strong>2017</strong> Flug- und<br />

Schiffsshow in Langkawi/Malaysia hat sich im März aber gezeigt, dass diese Staaten zunehmend auf Kriegsschiffe „Made<br />

in China“ setzen. Während man einerseits also Territorialkonflikte austrägt, scheint andererseits der Wille zur bilateralen<br />

Lösung zu überwiegen. Der malaysische Marinechef kommentierte den bei LIMA unterzeichneten Vertrag seines Landes<br />

über vorerst vier chinesische Küstenkampfschiffe im Volumen von rund 250 Millionen Euro pragmatisch: „Unser<br />

Vertrag wurde nicht mit China Shipbuilding (Anm.: CSIC) geschlossen, sondern mit BOUSTEAD Naval Shipyard BNS in<br />

Malaysia. Die werden die ersten beiden in China gebauten 3.000-Tonnen-Schiffe ausrüsten und dann in CSIC-Lizenz<br />

eventuell bis zu 18 Stück bauen.“ Andere Länder verfahren ähnlich: So kamen einige der neuen chinesischen Korvetten<br />

und Fregatten vor Langkawi aus Pakistan, Vietnam, Indonesien und Bangladesch.<br />

CHINA-GEGNER<br />

CHINA-SCHIFFE<br />

IM FOKUS<br />

DER KONZERN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

14.000<br />

Mitarbeiter<br />

1,62 Mrd. Euro<br />

Umsatz (2016)<br />

Top-Produkte<br />

Kampfjet Su-30M<br />

& Berijew A-50<br />

IRKUT CORPORATION<br />

Die sibirische Flugzeugbau-Holding IRKUT ist eine der noch in der UdSSR dislozierten Fabriken, welche unter anderem<br />

Varianten der hundertfach gebauten russischen Su-30M herstellt. Das russische Luftwaffen-Kunstflugteam<br />

„Russische Recken“ hat erst im Oktober auf die neueste Version Su-30SM mit Vorflügel und Schubvektorsteuerung<br />

umgestellt und trat im März in Malaysia das erste Mal damit auf. Seit 2006 ist IRKUT – dazu gehören auch die<br />

Unternehmen Berijew und Jakowlew – selbst Teil des<br />

staatlichen Syndikats OAK, welches auf westlichen<br />

Märkten als United Aircraft Corporation (UAC) auftritt<br />

und wiederum zum vom Putin-Vertrauten Tschemezow<br />

geleiteten Konglomerat ROSTEC gehört. 2015<br />

und 2016 wurden je rund 60 Sukhois an die russische<br />

Luftwaffe (VKS) geliefert, bis Ende 2018 sollen es<br />

140 sein. IRKUT liefert auch Su-30 für Algerien und<br />

Kasachstan und fertigt außerdem die Komponenten<br />

für über 300 in Indien montierte und zu zwei<br />

Drittel ausgelieferte Su-30MKI.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />

RUSSLANDS NEUE<br />

GEFECHTSFAHRZEUGE<br />

Bereits zum zweiten Mal wurden anlässlich<br />

der 9.-Mai-Parade am Moskauer<br />

Roten Platz neue Kampffahrzeuge für die<br />

russische Armee gezeigt. Damit scheint<br />

bestätigt, dass es sich dabei nicht nur –<br />

wie von vielen Seiten vermutet – um<br />

Versuchsgeräte handelt, sondern um<br />

Typen, die (mit allerdings deutlich<br />

gedehnten Einführungshorizonten)<br />

tatsächlich eingeführt werden. Heuer<br />

wieder dabei war der „vielgehypte“<br />

Kampfpanzer T-14 Armata (Bild) mit<br />

unbemanntem Turm, der aber wohl erst<br />

gegen Ende des Jahrzehnts in nennens-<br />

werten Stückzahlen zur Truppe kommen<br />

wird. Der 25-Tonnen-Schützenpanzer<br />

Kurganetz-25 dürfte angeblich<br />

sogar erst ab 2021 eingeführt werden.<br />

Weiters zu sehen waren der 8x8 Radpanzer<br />

K-17 Bumerang, der den BTR-<br />

80 ersetzen soll, das Selbstfahr-Artilleriegeschütz<br />

2S35 Kolitsija (152 mm<br />

Kaliber) sowie die Allschutzfahrzeuge<br />

Kamas Taifun-K und Ural Taifun-U.<br />

„DAS IST EINE FRAGE DER ANFORDERUNGEN“<br />

GIUSEPPE<br />

GIORDO<br />

ist CEO des<br />

tscheschichen<br />

Hubschrauberbauers<br />

Aero-Vodochody.<br />

Giuseppe Giordo wechselte vor einem Jahr von Alenia-<br />

Aermacchi in die Geschäftsführung des tschechischen<br />

Konkurrenten Aero-Vodochody. Wir haben mit ihm über<br />

die <strong>aktuell</strong>e Marktlage am Flugzeug-Trainermarkt und<br />

das Produkt-Portfolio seines Unternehmens gesprochen.<br />

Herr Giordo, Sie kennen den Trainermarkt und die verschiedenen<br />

Anforderungen der Luftwaffen in diesem<br />

Segment sehr gut. Wie ist ihr Unternehmen vor diesem<br />

Hintergrund mit der kommenden L-39NG und der für<br />

den Irak wieder aufgenommen L-159-Serie aufgestellt?<br />

Natürlich kann man mit einer L-39NG den Eurofighter in<br />

seiner Rolle nicht unterstützen. Aber es ist eine Frage<br />

der Anforderungen und welche Kosten man in Zukunft<br />

anpeilt. Wenn jemand ein Substitut zur Entlastung und<br />

Verbilligung seiner Luftpolizei sucht, dann kann das die<br />

neue L-159 sicher sehr gut ausfüllen.<br />

Produkten sicher weit unter dieser Zahl. Ich schätze, dass wir<br />

etwa um den Faktor 1,2 unter der einstrahligen M345 liegen.<br />

Bei der L-39NG handelt es sich um die Neuauflage eines<br />

lange existierenden Musterns. Welche Vorteile bietet das<br />

im Vergleich zu einem völlig neuen Modell?<br />

Die neue NG wird ab 2019 mit zahlreichen Neuheiten aufwarten<br />

können, so hat sie einen ganz neuen Flügel mit innen<br />

liegendem Treibstofftank bekommen. Der Vorteil ist, dass<br />

eine Neuauflage meist früher verfügbar ist. Der Kunde erhält<br />

zudem Berechenbares. Man kennt das Gerät und betritt<br />

damit nicht komplettes Neuland.<br />

Sie haben uns vorhin die erste L-159T1+ als Zweisitzer mit Radar<br />

für die tschechische Luftwaffe gezeigt sowie die erste neu<br />

gebaute L-159T für den Irak. Wie laufen diese Programme?<br />

Sie haben die US-Firma Draken vergessen, die als Feinddarsteller<br />

in Amerika mit L-159 sehr zufrieden ist und mehr Flieger<br />

will. Die wollen sogar einen technischen „Hub“ für die<br />

vielen L-39 in den USA aufziehen. Die irakischen Maschinen<br />

sind bereits im scharfen Einsatz und bei der L-159T1+ sind mit<br />

dem ‚+‘ das Grifo-Radar, Radarwarnemfänger und Täuschkörperwerfer<br />

gemeint. Unsere Heimatluftwaffe VzS AČR will mit<br />

mehreren solchen L-159A-Umbauten in Pardubice sogar ein<br />

internationales Trainingszentrum aufbauen. Und am 31. März<br />

flog auch schon der L-159T2EX-Demonstrator, eine stark<br />

modernisierte L-159B.<br />

FoTo S : G E o R G M A D E R , N oW i KoW/ i H S<br />

Wie wichtig ist dabei, ob ein Typ ein- oder zweistrahlig ist?<br />

Gegenfrage: Wenn Sie mit der – auch von wirtschaftlichen<br />

Gedanken getriebenen – Lösung im Unterschallbereich<br />

bleiben wollen, warum brauchen Sie dann zwei Triebwerke?<br />

Ein Triebwerk ist heute nahezu oder eigentlich<br />

gleich sicher wie zwei.<br />

Auf welchem Preisniveau – ich frage nicht nach Kalkulationen,<br />

die erst im Wettbwerb offengelegt werden – bewegen<br />

sich Ihre Flugzeuge? 20 Millionen Euro pro Stück?<br />

Genaue Zahlen sind sensitiv, aber wir liegen mit unseren<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

QUO VA DI S<br />

LUFTRAUM-<br />

ÜBERWACHUNG?<br />

Die Rollen von Eurofighter und Saab-105Ö werden im Bundesheer gerade völlig<br />

neu gedacht. Am 13. Juni präsentierte „Airchief“ Brigadier Karl Gruber ein Konzept<br />

für die zukünftige rot-weiß-rote Luftraumüberwachung. Text & Bilder: GEORG MADER<br />

D<br />

as Österreichische<br />

Bundesheer hat ein<br />

Problem. Hier soll<br />

aber nicht die Rede<br />

von seiner in manchen<br />

Bereichen immer<br />

noch viel zu knappen Finanzausstattung<br />

sein (die sich zuletzt deutlich<br />

gebessert hat), sondern vielmehr<br />

von der Luftraumüberwachung. Die<br />

ist nämlich ganz auf den Eurofighter<br />

aufgebaut und der gilt in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung infolge zweifelhafter<br />

Berichterstattung und politischer<br />

Ränkespiele vielfach als ausrangiertes<br />

Steinzeitmodell, das nur<br />

mit einem Maschinengewehr (!) bewaffnet<br />

ist und bei Nacht nicht flie-<br />

gen kann. „Stimmt nicht!“, sagte daher<br />

Anfang Mai „Airchief“ Brigadier<br />

Karl Gruber ungewohnt deutlich gegenüber<br />

Journalisten. „Erstens verfügen<br />

die österreichischen Eurofighter<br />

über die IR-Lenkwaffe IRIS-T. Zweitens<br />

kann der Eurofighter mangels<br />

IRST nachts nur nicht identifizieren<br />

und drittens ist er nach F-22 und<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


L U F T R A U M Ü B E R W A C H U N G<br />

„Der Eurofighter<br />

ist kein Schrott.<br />

Er ist nach F-22<br />

und F-35 das<br />

modernste Teil<br />

am Markt!“<br />

Airchief Brigadier Karl Gruber<br />

F-35 das modernste Teil am Markt!<br />

Der Eurofighter ist kein Schrott!“, so<br />

Österreichs oberster Flieger, der im<br />

Februar von Verteidigungsminister<br />

Hans Peter Doskozil den Auftrag erhalten<br />

hat, bis Mitte Juni ein Konzept<br />

mit Vorschlägen für eine „zeitgemäße<br />

und ökonomischere“ heimische<br />

Luftraumüberwachung vorzulegen.<br />

Dieses Konzept spielt mit vielen<br />

Variablen, unter anderem auch den<br />

bald 50 Jahre alten Saab-105Ö. Zwölf<br />

„105er“ nehmen nämlich derzeit immer<br />

noch – was viele nicht wissen –<br />

rotierend mit dem Eurofighter 14-tägig<br />

die Luftraumüberwachung wahr<br />

und sollen demnächst durch einen<br />

neuen Typen ersetzt werden. Welcher<br />

das sein wird, ist aber auch abhängig<br />

von der Rolle des Eurofighter<br />

in der zukünftigen Luftraumüberwachung.<br />

Gibt man dem EADS-Jet<br />

mehr Gewicht (sprich Flugstunden),<br />

genügt wohl ein einfacher, also einstrahliger<br />

Typ als Saab-105Ö-Nachfolger.<br />

Andernfalls kommt man um<br />

die Anschaffung eines zweistrahligen<br />

Jets nicht umhin. Um das Ganze aber<br />

nun vollends kompliziert zu machen:<br />

Auch ein totaler Systemwechsel weg<br />

von unseren Tranche-1-Eurofightern<br />

ist nicht ausgeschlossen, wird zumindest<br />

theoretisch durchdiskutiert. In<br />

dem Fall müsste man aber eine neue<br />

Beschaffung einleiten und auch das<br />

Kapitel des Saab-105Ö-Nachfolgers<br />

völlig neu denken. Brigadier Gruber<br />

verglich daher zuletzt die Konzepterstellung<br />

mit dem Drehen an zahlreichen<br />

unterschiedlichen Rädchen,<br />

die alle irgendwie zusammenhängen<br />

und sich gegenseitig beeinflussen.<br />

Das Problem dabei: Manche dieser<br />

Räder lassen sich auch vom „Airchief“<br />

nicht einstellen, werden von<br />

außen gelenkt und gesteuert. Und dabei<br />

spielt auch die Politik eine große<br />

Rolle, stehen im Herbst doch Neuwahlen<br />

an. Diese könnten natürlich<br />

auch Auswirkungen auf das Ressort<br />

haben und damit auf Grubers Konzept.<br />

Leicht möglich, dass mit einem<br />

neuen Minister beziehungsweise neuen<br />

politischen Gegebenheiten einige<br />

Variablen neu definiert werden oder<br />

noch mal alles von vorne gedacht<br />

werden muss. Und dann wären da ja<br />

auch noch eine Klage gegen Airbus<br />

und ein Untersuchungsausschuss,<br />

dessen beider Ausgang und vor allem<br />

mittel- bis langfristige juristische<br />

Folgen für Republik und Bundesheer<br />

derzeit noch völlig ungewiss sind.


0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

PLÄNE<br />

Die USA stocken ihren<br />

Verteidigungsetat im<br />

kommenden Jahr um<br />

rund zehn Prozent auf<br />

571,2 Milliarden Euro auf.<br />

Mit dem Geld soll das<br />

Gehalt der Soldaten und<br />

militärischen Mitarbeiter<br />

erhöht, aber auch kräftig<br />

in neue Flugzeuge,<br />

Schiffe und andere<br />

Gerätschaften investiert<br />

werden. Ein Überblick.<br />

DEUTSCHLAND<br />

Vor zwei Jahren hat Verteidigungsministerin<br />

Ursula von der<br />

Leyen den Ankauf von 104 Leopard<br />

2 A7V angekündigt, nun<br />

machte das Bundesamt für Ausrüstung,<br />

Informationstechnik<br />

und Nutzung der Bundeswehr<br />

Nägel mit Köpfen. Generalunternehmer<br />

ist Krauss-Maffei<br />

Wegmann, die ersten Panzer<br />

sollen 2019 geliefert werden.<br />

www.kmweg.de<br />

IM FOKUS<br />

Militärische Beschaffungen weltweit<br />

USA<br />

Mega-Auftrag für die deutschschweizerische<br />

Waffenfirma<br />

SIG Sauer: Die US-Streitkräfte<br />

werden bei dem Unternehmen<br />

in den kommenden Jahren<br />

P320-Pistolen, Munition<br />

und Zubehör im Wert von<br />

rund 500 Millionen Euro<br />

kaufen. Die Waffen werden in<br />

der amerikanischen Fabrik in<br />

New Hampshire produziert.<br />

www.sigsauer.de<br />

Donald Trump legte vor<br />

wenigen Wochen seinen<br />

ersten Budgetentwurf<br />

vor und machte<br />

damit deutlich, wohin<br />

er mit dem Land will.<br />

Aber auch, wie er die Zukunft des<br />

Militärs gestalten will, das sich laut<br />

Entwurf über eine deutliche finanzielle<br />

Aufwertung freuen darf. Trump<br />

möchte das Budget demnach aus<br />

ohnehin schon rekordverdächtigen<br />

Höhen um weitere zehn Prozent auf<br />

639,1 Milliarden Dollar (571,2 Milliarden<br />

Euro) anheben, um die „Einsatzbereitschaft<br />

der Truppe wiederherzustellen“<br />

und die „Kampfkraft<br />

der Streitkräfte zu erhöhen“. Zudem<br />

FRANKREICH<br />

Nexter, Renault Truck Defense<br />

und Thales haben einen Auftrag<br />

der französischen Beschaffungsbehörde<br />

Direction Générale<br />

de l’Armement an Land gezogen:<br />

Von 2018 bis 2020 sollen<br />

die Unternehmen im Rahmen<br />

des „Projekts Skorpion“<br />

319 Mehrzweckfahrzeuge Griffon<br />

und 20 Aufklärungs- und<br />

Kampffahrzeuge Jaguar liefern.<br />

www.defense.gouv.fr<br />

werden damit laut Verteidigungsminister<br />

James T. Mattis die „Löcher<br />

in Ausrüstung und Training gefüllt<br />

werden, die durch frühere Budgetkürzungen<br />

verursacht wurden“.<br />

Die zusätzlichen Finanzmittel sollen<br />

zu einem großen Teil in Gehaltserhöhungen<br />

für militärische (2,1 Prozent)<br />

und zivile (1,9 Prozent) Mitarbeiter<br />

fließen. Darüber hinaus sind aber<br />

auch große Investitionen in die Bereiche<br />

Forschung, Rüstung und Entwicklung<br />

geplant. So soll der Bereich<br />

„Wissenschaft und Technologie“ beispielsweise<br />

mit 11,8 Milliarden Euro<br />

dotiert werden, den Ankauf von 70<br />

F-35 Joint Strike Fighter will sich das<br />

Land im kommenden Jahr 9,2 Milliarden<br />

Euro kosten lassen. Mit 4,9 Milliarden<br />

Euro ist der Ankauf von zwei<br />

U-Booten der Virginia-Klasse budgetiert,<br />

4,1 Milliarden Euro kostet ein<br />

neuer Flugzeugträger der Gerald-R.-<br />

Ford-Klasse und weitere 3,6 Milliarden<br />

Euro der Ankauf von zwei Zerstörern<br />

der Arleigh-Burke-Klasse. Im<br />

Finanzplan berücksichtigt sind außerdem<br />

15 KC-46-Tankflugzeuge (2,8<br />

Milliarden Euro) und insgesamt 2.647<br />

Joint Light Tactical Vehicle (980 Millionen<br />

Euro), für den strategischen<br />

Langstreckenbomber B-21 (keine Angabe<br />

von Stückzahlen) ist ein Budget<br />

von 1,8 Milliarden Euro reserviert.<br />

FOTO S : P H OTO BY N AV Y/ CO U R T E SY O F T H E F -3 5 L I G H T N I N G I I J O I N T ST R I K E F I G H T E R P R O G R A M O F F I C E P U B L I C A F FA I R S / J S F.CO M , K M W, B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Samstag, 08.07.<strong>2017</strong> – Sonntag, 09.07.<strong>2017</strong><br />

Zeitreise & Mittelaltermarkt<br />

Montur und<br />

Pulverdampf<br />

www.hgm.at


0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

„DAS IST EIN MEILENSTEIN<br />

FÜR UNS“<br />

General Dynamics European Land Systems-Steyr liefert in den kommenden<br />

Jahren 34 Pandur-Mannschaftstransporter an das Bundesheer.<br />

Geschäftsführer Martin Reischer über diesen Auftrag, den Standort Wien<br />

und das Produktportfolio von GDELS-Steyr. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

err Reischer,<br />

H<br />

GDELS-Steyr hat in<br />

Österreich als Waffen-<br />

und Fahrzeughersteller<br />

eine lange<br />

Tradition. Inwiefern<br />

ist das heute ein Vorteil oder Nachteil?<br />

Sicherlich ein Vorteil. General Dynamics<br />

European Land Systems-Steyr<br />

(Anm.: kurz GDELS-Steyr) genießt<br />

einen hervorragenden Ruf für hoch zuverlässige<br />

Produkte und wir sehen uns<br />

verpflichtet, unseren Kunden qualitativ<br />

hochwertige Produkte und Dienstleistungen<br />

zu liefern. In den vergangenen<br />

Jahren hat sich GDELS-Steyr konsolidiert,<br />

um seine Zukunft und kontinuierlichen<br />

Service für unsere Kunden<br />

zu sichern. Es war die einzige Möglich-<br />

keit, sich an die Realität der nationalen<br />

und internationalen Verteidigungsmärkte<br />

anzupassen und gleichzeitig<br />

die Fähigkeiten und Technologien zu<br />

bewahren, die es uns ermöglichen,<br />

unsere Produkte Pandur und Ulan<br />

zu pflegen, zu aktualisieren und weiterzuentwickeln.<br />

Welches Produktportfolio deckt das<br />

Unternehmen <strong>aktuell</strong> ab?<br />

Vertrieblich decken wir prinzipiell das<br />

komplette GDELS-Portfolio ab, von<br />

der Munition über Kettenfahrzeuge<br />

wie unsere hochmoderne Ascod-Fahrzeugfamilie,<br />

zu der auch der Ulan gehört,<br />

und Radfahrzeuge bis hin zu Brückensystemen.<br />

Entwicklungstechnisch<br />

decken wir natürlich den Pandur 6×6<br />

ab, aber auch den Pandur 8×8 entwickeln<br />

wir weiter. Im Bereich Kettenfahrzeuge<br />

leisten wir hier am Standort<br />

außerdem einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Weiterentwicklung unserer Ascod-<br />

Familie und darüber hinaus sind wir<br />

am derzeit größten Schützenpanzer-<br />

Neubauprogramm für die britischen<br />

Streitkräfte beteiligt. Eine wesentliche<br />

Kompetenz am Standort Wien ist dabei<br />

die Entwicklung von Bordelektronik<br />

und unser System Integration Lab.<br />

Sie haben den Pandur angesprochen:<br />

Kürzlich konnte GDELS-Steyr einen<br />

Auftrag zur Lieferung von 34 Stück<br />

des Mannschaftstransporters an das<br />

Bundesheer an Land ziehen. Darüber<br />

hinaus müssten aber doch auch an-<br />

FOTO S : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT, H B F/ G U N T H E R P U S C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

dere der erwähnten Produkte für das<br />

Bundesheer interessant sein, oder?<br />

Der Auftrag, den Sie ansprechen, ist ein<br />

Meilenstein für uns. Erfreulicherweise<br />

liefern wir außerdem die Infanteriebrücke<br />

IAB an das Bundesheer und gerade<br />

auch im Bereich der Radfahrzeuge<br />

haben wir etwa mit dem Duro 4×4 ein<br />

Produkt im Angebot, das sich bereits<br />

viele Jahre im Einsatz bewährt hat.<br />

Auch bei Großwaffensystemen wie dem<br />

Ulan haben wir einiges zu bieten; hier<br />

haben wir in den letzten Jahren kontinuierlich<br />

im Bereich verbesserter Fahrzeugschutz,<br />

Führungsfähigkeit und<br />

Bewaffnung investiert – beispielhaft<br />

möchte ich die Lenkflugkörper-Integration<br />

erwähnen. Aber auch im Bereich<br />

Pionierwesen haben wir mit unseren<br />

Brückensystemen Produkte anzubieten,<br />

die absolut interessant sind, und das<br />

nicht nur im militärischen Bereich,<br />

sondern auch im Katastrophenschutz.<br />

Sind weitere konkrete Abschlüsse<br />

in Österreich oder auch im Ausland<br />

zu erwarten?<br />

Wir arbeiten natürlich laufend an neuen<br />

Projekten, die die bestehende Fahrzeugflotte<br />

betreffen – hier sind wir mit<br />

verschiedenen internationalen Kunden<br />

in konkreten Gesprächen. Natürlich<br />

hoffen wir, mit dem Bundesheer unseren<br />

Heimatkunden weiter unterstützen<br />

zu dürfen, damit Spitzentechnologie<br />

„Made in Austria“ auch für die Zukunft<br />

gesichert ist.<br />

Wie wichtig sind Aufträge des Bundesheeres<br />

für die Exporte des Unternehmens?<br />

Oder anders gefragt: Verkauft<br />

es sich leichter ins Ausland,<br />

wenn auch das Bundesheer die<br />

Produkte nutzt?<br />

Absolut! Der Heimmarkt ist die Visitenkarte<br />

und meistens ist bei einem<br />

Kundenbesuch im Ausland schon die<br />

zweite Frage, ob das Produkt im Heimmarkt<br />

eingeführt ist.<br />

Bleiben wir gleich beim Exportbereich:<br />

Wie sehr beeinträchtigt die<br />

restriktive Gesetzgebung Österreichs<br />

den Konkurrenzkampf mit internationalen<br />

Konzernen?<br />

Das ist sicherlich kein einfaches Thema<br />

und hier wünschen wir uns einen<br />

konstruktiven Dialog mit den österreichischen<br />

Behörden, um die Planungssicherheit<br />

zu verbessern. Wichtig erscheint<br />

uns als Industrieunternehmen,<br />

dass sich im Bereich Export vergleichbare<br />

Regeln beispielsweise innerhalb<br />

der EU etablieren würden; damit könnten<br />

Wettbewerbsnachteile aufgrund des<br />

nationalen Standorts vermieden werden.<br />

Wir brauchen den Export und einen<br />

starken Heimatkunden, der Qualität<br />

und Leistungsfähigkeit der Produkte<br />

sowie nationale industrielle Wertschöpfung<br />

fordert und fördert.<br />

IM GESPRÄCH<br />

GDELS-Steyr-<br />

Geschäftsführer<br />

Martin Reischer<br />

und Verteidigungsminister<br />

Hans<br />

Peter Doskozil<br />

Vor diesem Hintergrund müsste es<br />

doch für den Konzern leichter sein,<br />

den Standort ins Ausland zu verlegen.<br />

Welche Faktoren sprechen trotzdem<br />

für Wien?<br />

Wie gesagt standen und stehen wir firmenpolitisch<br />

zu unserem Heimatkunden<br />

Österreich – hier ist Verlässlichkeit<br />

und Planbarkeit oberstes Gebot. Darüber<br />

hinaus können wir konzernintern<br />

mit sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern<br />

punkten, das unterscheidet GDELS von<br />

anderen Unternehmen. Außerdem sind<br />

wir seit Anbeginn europäisch aufgestellt,<br />

mit amerikanischen Wurzeln,<br />

klar.<br />

Welche Zukunft sehen Sie vor diesem<br />

Hintergrund mittel- bis langfristig<br />

für den Standort?<br />

Mittelfristig gilt es weiterhin die gute<br />

und verlässliche Partnerschaft mit dem<br />

Bundesheer fortzuführen und weiter<br />

auszubauen. Das Gleiche gilt für unsere<br />

zweiten Heimatmärkte wie die Tschechische<br />

Republik und Slowenien.<br />

Mittel- bis langfristig wollen wir mit<br />

unserem neuen Pandur 6×6 und<br />

natürlich mit unserem Kettenfahrzeug<br />

Ulan erfolgreich sein.


0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />

transformation, rekonstruktion, reinkarnation?<br />

Vom Dilemma Der militärstrategen<br />

Die große Zeit des Sparens ist zwar endlich vorbei, aber reicht die jüngste Budgetaufstockung,<br />

um die rot-weiß-roten Streitkräfte den <strong>aktuell</strong>en Bedrohungsszenarien anzupassen? Militär<br />

Aktuell-Autor Oberst Dieter Muhr meint „Nein, noch nicht“ und plädiert für eine „Reinkarnation“<br />

des Bundesheeres: „Die militärische Landesverteidigung sowie die Methoden und Mittel<br />

des staatlichen Krisenmanagements – also das Bundesheer – müssen neu gedacht werden!“<br />

es ist schon einige Jahre her, da wurde<br />

die transformation des Bundesheeres<br />

ausgerufen. das große Ziel<br />

der Militärstrategen damals war, das<br />

Bundesheer nach dem kalten krieg in ein<br />

sicherheitspolitisches instrument für das<br />

krisenmanagement im ausland auszurichten.<br />

Viele kleine schritte sollten zu<br />

Veränderungen führen, das ganze nannte<br />

sich transformation. sie war die umsetzung<br />

einer strategie, deren Ziele und<br />

Wege klar definiert waren. doch eines<br />

fehlte: die Mittel. logisch, dass diese<br />

transformation bald tot war.<br />

Vor dem hintergrund bescheidender Mittel<br />

musste also eine andere strategie her:<br />

Militärstrategen behielten in der Folge<br />

die aufgabe internationale einsätze bei<br />

und ließen das konventionelle Bundesheer<br />

auf einen „rekonstruktionskern“<br />

zusammenschmelzen. Bei Änderung der<br />

Bedrohungslage würde man daraus über<br />

die rekonstruktion schnell aufwachsen<br />

können, so die hoffnung. die inlandseinsätze<br />

verloren damit an Bedeutung und<br />

das Bundesheer blieb weiter im sparmodus:<br />

Viele der Beschaffungsziele mussten<br />

zeitlich geschoben werden.<br />

„Wir brauchen<br />

einen neuen sicherheitspolitischen<br />

ansatz, der<br />

zukunftsorientiert und<br />

kreativ sein muss!“<br />

so weit, so bekannt. plötzlich kommt das<br />

umfeld Österreichs in Bewegung, von<br />

einer sicherheitspolitischen Zeitenwende<br />

ist die rede, rasante technologische entwicklungen<br />

bringen neue Bedrohungsphänomene<br />

hervor (z. B. cyber). das<br />

Bundesheer soll daher sein krisenmanagement<br />

unvermittelt steigern und<br />

gleichzeitig mit der rekonstruktion beginnen.<br />

doch Militärstrategen müssen<br />

erkennen, wie schwer das ist. erstes problem:<br />

gleichzeitigkeit. einsätze im inund<br />

ausland bewerkstelligen und gleichzeitig<br />

aufwachsen ist schwer machbar.<br />

Zweites problem: Begriff rekonstruktion.<br />

Man will das Bundesheer in einen vormaligen<br />

urzustand zurückversetzen, aber<br />

mit den althergebrachten Mitteln und<br />

Methoden alleine kann man den neuen<br />

Bedrohungen nicht begegnen. rekonstruktion<br />

ist daher kein passendes sicherheitspolitisches<br />

Ziel. drittes problem:<br />

Budget. erste positive schritte sind zwar<br />

gesetzt. doch die nachhaltige, zusätzliche<br />

Finanzierung des Bundesheeres ist<br />

noch nicht sichergestellt. die rekonstruktion,<br />

also das denken in althergebrachten<br />

strukturen zur rückentwicklung, verschnitten<br />

mit der konfrontation mit neuen<br />

akteuren, möglichen neuen gegnern,<br />

neuen phänomenen und dazu noch die<br />

aufgaben im inland – das alles überstrapaziert<br />

das Bundesheer als organisation.<br />

abläufe werden überkompliziert, wo<br />

gerade jetzt klare Zielsetzungen das gebot<br />

der stunde sind. Für seine aufgabenwahrnehmung<br />

braucht das Bundesheer<br />

überproportional viel energie.<br />

Was ist zu tun? ein neuer sicherheitspolitischer<br />

ansatz muss her. er muss zukunftsorientiert<br />

und kreativ sein. die militärische<br />

landesverteidigung sowie die Methoden<br />

und Mittel des staatlichen krisenmanagements<br />

– also das Bundesheer –<br />

müssen neu gedacht werden. geben wir<br />

diesem ansatz ruhig einen passenden<br />

namen: reinkarnation! das Bundesheer<br />

muss über eine vernünftige auslegung<br />

der militärischen landesverteidigung<br />

frisch aus der taufe gehoben werden.<br />

aufgaben müssen klar definiert, aufgabenträger<br />

genannt, vielleicht sogar erst<br />

noch geschaffen werden.<br />

diese reinkarnation muss zu einem Bundesheer<br />

führen, welches auf die neuen<br />

aufgaben ausgerichtet und dafür ausgerüstet<br />

ist. um das zu erreichen, braucht<br />

es eben genau jetzt einen anschub zur<br />

inhaltlichen neuaufstellung mit der<br />

notwendigen Finanzierung: die reinkarnation<br />

eben. dazu wird es die besten<br />

und kreativsten köpfe benötigen. hier<br />

schließt sich der kreis: die aufstellung<br />

des Bundesheeres wird dann wiederum<br />

über einen stetigen Veränderungsprozess,<br />

eine transformation, weitergeführt<br />

werden. nur so wird Österreich zu jedem<br />

Zeitpunkt über ein relevantes instrument<br />

der sicherheitspolitik verfügen.<br />

Foto s : B u n d e s h e e r / h o r st g o r u p, M a r t i n a r B e i t h u B e r<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 1 P A N O R A M A<br />

Der militärische Alltag birgt<br />

viele explosive Gefahren.<br />

In besonders gefährlichen<br />

Situationen kommt<br />

beim Bundesheer der<br />

tEODor zum Einsatz – ein<br />

ferngelenkter Roboter zur<br />

Kampfmittelbeseitigung.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS<br />

ENTSCHÄRF<br />

Zu den Aufgaben von EOD-Teams aus kampfmittelbelastetem Gelände.<br />

(Explosive Ordnance Disposal) gehört<br />

Die Spezialisten sind außerdem für<br />

– je nach Vorgabe und Einsatz-<br />

die Beseitigung unkonventioneller<br />

raum – die Beseitigung von Blindgängern<br />

Spreng- und Brandvorrichtungen in<br />

und alter Munition ebenso und an Häusern zuständig, auch Au-<br />

wie die Notfallbergung von Personen tobomben zählen dazu. Um die Ein-<br />

LÄNGE<br />

1.300 Millimeter<br />

HÖHE<br />

2.800 Millimeter<br />

GREIFER<br />

Der 6-Achsen-Manipulatorarm<br />

mit Linearachse<br />

hat eine Tragkraft von<br />

100 Kilogramm, lässt<br />

sich einfach bedienen<br />

und kann per Knopfdruck<br />

an spezifische<br />

Aufgaben angepasst<br />

werden.<br />

BREITE<br />

680 Millimeter<br />

WERKZEUGE<br />

Das umfangreiche und unkompliziert zu handhabende<br />

Werkzeugmagazin erlaubt einen raschen Wechsel der<br />

Tools. Neben Werkzeugen für Entschärfungsaufgaben,<br />

zur Abwehr von ABC-Bedrohungen oder der Brandbekämpfung<br />

kann der tEODor auch mit Schusssystemen<br />

wie diesem Schießbolzengerät (Bild oben) und<br />

optischen Systemen ausgestattet werden.<br />

FACTBOX<br />

tEODor<br />

(telerob Explosive Ordnance<br />

Disposal and observation robot)<br />

Hersteller telerob Gesellschaft für<br />

Fernhantierungstechnik mbH, Deutschland<br />

Gewicht 360 Kilogramm<br />

Geschwindigkeit max. 3 km/h<br />

Steigfäigkeit auf Treppen max. 32 Grad<br />

Tragkraft 100 Kilogramm<br />

Betriebsart 2 × 12 Volt-Batterien<br />

Stationierung Heereslogistikschule<br />

Bruckneudorf und bei den drei<br />

Pionierbataillonen Villach, Salzburg und Melk<br />

I L LU ST R AT I O N E N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

UNGS-ROBOTER<br />

sätze der Kampfmittelbeseitiger<br />

maximal sicher zu machen, greifen<br />

diese nach Möglichkeit auf den<br />

tEODor zurück. Rund 500<br />

Exemplare des Fernlenkmanipulators<br />

und Entschärfungsro-<br />

EINSATZ<br />

Der tEODor hat weitreichende Einsatzmöglichkeiten.<br />

Er kann sich zu Häusern und Zimmern<br />

Zugang verschaffen (Türen öffnen, Hindernisse<br />

beseitigen) und Räume sowie Gebäude mit Spezialkameras<br />

erkunden und überwachen. Außerdem<br />

kann er nach Sprengfallen in versteckten<br />

Ladungen suchen, verschiedene Schusssysteme<br />

wie etwa ein Schießbolzengerät abfeuern, aber<br />

auch Gegenstände in Sicherheit bringen oder<br />

Röntgensysteme positionieren.<br />

KAMERAS<br />

Die installierten Kameras verfügen über ein mehrstufiges<br />

Lichtsystem, zudem besteht die Option,<br />

weitere Kameras, Infrarot- und Röntgensysteme<br />

anzubringen. Dadurch ist der Fernlenkmanipulator<br />

auch uneingeschränkt nachttauglich. Durch<br />

seine robuste und spritzwassergeschützte Bauweise<br />

ist er zudem allwettertauglich.<br />

boters sind derzeit in 45 Ländern<br />

weltweit im Einsatz. Seit mehr als<br />

zehn Jahren gehören die kleinen<br />

Roboter auch zur Ausstattung<br />

des Bundesheeres. In dieser<br />

Zeit konnten sich die Hightech-<br />

KETTEN<br />

Dank seines flexiblen<br />

Kettenantriebs überwindet<br />

der tEODor so gut<br />

wie jedes Hindernis und<br />

besitzt selbst auf Stufen<br />

eine Steigfähigkeit von<br />

bis zu 32 Grad.<br />

LASER<br />

Der integrierte Laserentfernungsmesser<br />

ermöglicht die exakte<br />

Anzeige der Entfernung<br />

zum Objekt auf<br />

dem Bedienpult.<br />

FERNSTEUERUNG<br />

Mithilfe des übersichtlichen Bedienfelds auf der Fernsteuerung kann der<br />

tEODor in Echtzeit auch über große Distanzen hinweg gesteuert werden.<br />

Geräte – und vor allem ihr Bedienpersonal<br />

– bei Einsätzen in Bosnien,<br />

im Kosovo oder bei internationalen<br />

Übungen bereits mehrfach<br />

auszeichnen.<br />

INTERVIEW<br />

„Der tEODor hilft uns bei<br />

der USBV-Beseitigung.“<br />

Offiziersstellvertreter<br />

Christian Tod erklärt die<br />

Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten<br />

des Geräts.<br />

Was ist der tEODor genau?<br />

Es handelt sich bei dem Gerät um einen<br />

Fernlenkmanipulator, der bei der Behandlung<br />

und Beseitigung sogenannter<br />

USBVs (Anm.: Unkonventionelle Sprengund<br />

Brandvorrichtungen) eingesetzt<br />

wird, besser bekannt als IEDs, improvised<br />

explosive devices.<br />

Welche Voraussetzungen sind notwendig,<br />

um einen tEODor zu steuern?<br />

Der Bediener des Roboters heißt bei uns<br />

Techniker. Nach mehrjähriger Ausbildung<br />

zum Kampfmittelbeseitiger erhält<br />

man nach positiver Absolvierung die<br />

Befähigung zum Techniker und kann<br />

danach in eine Kommandantenfunktion<br />

aufsteigen. Voraussetzung dafür ist eine<br />

abgeschlossene Stabsunteroffizier-Ausbildung<br />

oder Offizier-Ausbildung.<br />

FOTO : B E I G E ST E L LT<br />

Wo kam der tEODor beim Bundesheer<br />

bereits überall zum Einsatz?<br />

In den Einsatzgebieten Bosnien und<br />

Kosovo, aber auch bei internationalen<br />

Übungen etwa in Spanien und Kanada.<br />

Welche Werkzeuge zeichnen den<br />

tEODor besonders aus?<br />

Die Kameras und die Zange. Letztere<br />

ist vielseitig einsetzbar, man kann damit<br />

ziehen, greifen, drehen, aufdrücken und<br />

diverse Anbaugeräte aufnehmen.<br />

M i l i T ä r a k T u E l l


UNSER HEER<br />

ICH BIN BEREIT.<br />

IN DER MILIZ.<br />

MIT SICHERHEIT.<br />

Stelle auch du dich der Herausforderung.<br />

bundesheer.at


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