Ärzte Woche, 20. Jahrgang Nr. 6, 2006 Medizinische Probleme von Migranten ernst nehmen Salzburger Projekt analysierte Möglichkeiten der Gesundheitsförderung Bei der Betreuung von Menschen aus anderen Ländern fällt eine Häufung nicht unbedingt not- wendiger Untersuchungen auf. Außerdem bleiben Befunde oft unerklärt.. In Salzburg lief im November 2005 ein vom Fonds Gesundes Österreich und dem Land Salzburg gefördertes Projekt des Arbeitskreises <strong>für</strong> Vorsorgemedizin (AVOS). Bei GeNeM Gesundheits-vorsorgeNetz <strong>für</strong> <strong>MigrantInnen</strong>“ stand die Gesundheits- situation von türkischen Migranten im Mittelpunkt. Dem Projekt sollen nun Österreichweit konkrete Maßnahmen in der Gesundheitsförderung folgen. Probleme mit Verständigung Laut einer aktuellen Studie des Gesundheitsministeriums werden bei Migranten viele Untersuchungen durchgeführt, die eigentlich nicht nötig wären. Dies liegt vor allem auch an Problemen in der gegenseitigen Verständigung, was oft zu unnötig langen Aufenthalten im Spital führt. Die Schwierigkeit, differenzierte Angaben über die Symptome zu machen, führt offenbar immer wieder zu einer Geringschätzung der geistigen Fähigkeiten von Migranten. „Viele warten auch sehr lange, bis sie zum Arzt gehen, so dass dann oft vielschichtige medizinische und soziale Probleme anstehen“, berichtet Dr. Kaan Akmanlar. Der Arzt <strong>für</strong> Allgemeinmedizin ist an der Herzchirurgie der Landes kliniken Salzburg tätig und war medizinischer Leiter des Pilotprojekts. Höherer Erklärungsbedarf <strong>für</strong> Befunde und Maßnahmen Migranten wenden sich oft direkt an Spezial- ambulanzen, wodurch die wichtige koordi- nierende Tätigkeit des Hausarztes kaum greifen kann. Außerdem werden, so Akmanlar, Befunde oft zuwenig genau erklärt beziehungsweise die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Dies bedeute <strong>für</strong> niedergelassene Ärzte, insbesondere Allgemeinmediziner, nicht einfach nur den Anwei sungen in den Rezepten und Arztbriefen zu folgen. Gerade komplexere gesundheitliche Probleme erfordern mehr Zeit, um das Problem an sich und die nötigen Schritte zu erklären, so Akmanlar. Ein einmaliges längeres Gespräch kann da sehr viel bewirken und auch die Vertrauensbasis verbessern. Übersetzer können helfen Im Bedarfsfall sollte auf Übersetzer zurück-gegriffen werden, die nicht aus der Familie stammen, weil diese leicht in Interessenskonflikte kommen können. Prinzipiell ist die Beziehung Arzt-Patient im Sinne einer gegenseitigen Wertschätzung ausschlaggebend und nicht so sehr, dass die jeweilige Sprache des Patienten gesprochen wird, meint Akmanlar. Integration werde oft als Anpassung definiert, sollte jedoch ein gegenseitiges Geben und Nehmen sein. Großes Interesse an Vorsorge Bei den türkischen Migranten gibt es auch ein großes Interesse an Gesundheitsvorsorge, besonders in den Bereichen Ernährung und Bewegung, berichtet Akmanlar. Wertvoll da<strong>für</strong> sei das Einlassen auf die mitgebrachte Kultur und Werthaltungen. So stießen Vorträge mit Dolmetsch auch zu Themen wie Stress und generell psychische Probleme, Männer- und Frauengesundheit, Sucht und andere auf breites Interesse. Im Rahmen des Pilotprojektes wurden auch auf die guten Erfahrungen einer Wiener Beratungsstelle im Frauengesundheitszentrum Süd <strong>für</strong> Männer und Frauen aus der Türkei zurückgegriffen. Dort werden Befunde genauer besprochen, von Dolmetschern übersetzt und auch über Lebensstilfragen gesprochen, berichtet Akmanlar. Solche Projekte unterstützen auch die Arbeit der Ärzte im intra- und extramuralen Bereich, tragen zum Empowerment bei und ermöglichen eine stärkere Partizipation am eigenen Gene-sungsprozess bzw. bei Maßnahmen hin zu einem gesünderen Lebensstil. Als wichtigen Aspekt <strong>für</strong> eine bessere Gesundheitsversorgung und -förderung von Migranten wertet Akmanlar auch die Vernetzung von medizinischen Fachleuten und verschiedenen Beratungsstellen. Dies hatte im Pilotprojekt einen besonderen Stellenwert und soll auch 2006 gemeinsam mit anderen Maßnahmen weiter gefördert werden. Mag. Christian F. Freisleben 34
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