Top-Titelthema_Arbeitszeitmodelle
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
aktuelles<br />
Das neue Schwerbehindertenrecht<br />
AiB 5 | 2017<br />
Das neue Gesetz stärkt<br />
die Rechte der Schwerbehindertenvertretung.<br />
Sprechstunden) heranzuziehen. Hier war bisher<br />
jedoch umstritten, ob bei entsprechender<br />
Betriebsgröße auch mehr als zwei stellvertretende<br />
Mitglieder herangezogen werden konnten.<br />
Nunmehr wurde in § 95 Abs. 1 Satz 5<br />
SGB IX klargestellt, dass die Heranziehung<br />
nicht auf maximal zwei Stellvertreter begrenzt<br />
ist, sondern »ab jeweils weiteren 100 beschäftigten<br />
schwerbehinderten Menschen« jeweils<br />
ein weiteres stellvertretendes Mitglied herangezogen<br />
werden kann. 7<br />
Neuregelung von Schulungsansprüchen<br />
Neu geregelt wurden auch die Schulungsansprüche<br />
der stellvertretenden Mitglieder der SBV.<br />
Neben der Vertrauensperson hat künftig auch<br />
das erste stellvertretende Mitglied einen uneingeschränkten<br />
Anspruch auf die Teilnahme an<br />
erforderlichen Schulungen (§ 96 Abs. 4 Satz 3<br />
SGB IX). Daneben haben weiterhin auch diejenigen<br />
stellvertretenden Mitglieder einen Schulungsanspruch,<br />
die nach § 95 Abs. 1 Satz 5 SGB<br />
IX für bestimmte Aufgaben herangezogen sind<br />
(§ 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Offen bleibt, was<br />
mit den übrigen stellvertretenden Mitgliedern<br />
ist, wenn es häufig oder länger zu Vertretungsfällen<br />
kommt oder ein Nachrücken absehbar wird.<br />
Stärkung von Beteiligungsrechten<br />
Zu einer wesentlichen Stärkung der Beteiligungsrechte<br />
der SBV hat der neugefasste § 95<br />
Abs. 2 Satz 3 SGB IX geführt. Danach ist die<br />
Kündigung eines schwerbehinderten Menschen<br />
unwirksam, wenn der Arbeitgeber diese ohne<br />
Beteiligung der SBV ausspricht. Dabei tritt die<br />
Unwirksamkeitsfolge unabhängig davon ein, ob<br />
der betroffene Arbeitnehmer die jeweils 6-monatigen<br />
Wartefristen nach § 1 Abs. 1 KSchG<br />
und § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX erfüllt hat. 8 Mit<br />
Blick auf Systematik, Sinn und Zweck ist die<br />
neue Bestimmung weit auszulegen und führt<br />
auch dann zur Unwirksamkeit einer Kündigung,<br />
wenn die Beteiligung der SBV zwar<br />
nicht vollständig unterblieben ist, sie jedoch<br />
fehlerhaft erfolgte, beispielsweise unvollständige<br />
oder falsche Informationen oder zu späte<br />
Beteiligung. 9 Im Hinblick auf die notwendige<br />
Stellungnahmefrist für die Anhörung der SBV<br />
ist § 102 BetrVG entsprechend heranzuziehen,<br />
so dass bei ordentlichen Kündigungen eine<br />
Frist von einer Woche und bei außerordentlichen<br />
Kündigungen eine Frist von drei Tagen<br />
nötig ist. 10 Eine Heilung der Verletzung eines<br />
Beteiligungsrechts (beispielsweise durch nachträgliche<br />
Unterrichtung oder Anhörung der<br />
SBV) kommt grundsätzlich nicht in Betracht. 11<br />
Allerdings greift die Unwirksamkeitsfolge<br />
letztlich nur durch, wenn der betroffene<br />
Arbeitnehmer rechtzeitig Kündigungsschutzklage<br />
erhebt. Anderenfalls gilt die Kündigung<br />
nach §§ 4, 7 KSchG als wirksam. 12<br />
Unterlassungsanspruch bei Verletzung<br />
anderer Beteiligungsrechte<br />
Auch die übrigen Beteiligungsrechte der SBV<br />
haben durch das BTHG eine gewisse Stärkung<br />
erfahren. In den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren<br />
wurde ausdrücklich hervorgehoben,<br />
dass auch zugunsten der SBV ein<br />
Unterlassungsanspruch bestehen kann (beispielsweise<br />
wenn der Arbeitgeber ein Einstellungsverfahren<br />
ohne Beteiligung der SBV nach<br />
§ 81 Abs. 1 Satz 4, 6 und 7 SGB IX durchführen<br />
will oder er den Anspruch auf Aussetzung<br />
eines Maßnahmevollzugs nach § 95 Abs. 2 S. 2<br />
28<br />
7 Düwell, jurisPR-ArbR 21/2016 Anm. 1; Sachadae, ZBVRonline<br />
12/2016, 38 (42).<br />
8 Vgl. Bayreuther, NZA 2017, 87 (88); Kleinebrink, DB 2017, 126<br />
(128).<br />
9 Sachadae, ZBVRonline 12/2016, 38 (44); Sachadae, PersR 2/2017,<br />
33 (34). Einen weiterführenden Beitrag zur Zusammenarbeit der<br />
SBV mit dem Betriebsrat bei Kündigungen lesen Sie in einer der<br />
nächsten AiB-Ausgaben.<br />
10 Grimm/Freh, ArbRB 2017, 16; Kleinebrink, DB 2017, 126 (129).<br />
11 Bayreuther, NZA 2017, 87 (90 f.).<br />
12 Kleinebrink, DB 2017, 126 (130).