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Credit Suisse bulletin, 1999/05
Credit Suisse bulletin, 1999/05
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«DER WELTHANDEL IST<br />
NUR DANN WIRKLICH FREI,<br />
WENN ER AUCH FAIR IST.»<br />
tiefen ohne Rücksicht auf die Regenerationsfähigkeit<br />
von Natur, Mensch und<br />
Umwelt ausbeuten ? Mit dem Wohlstand<br />
steigt die Bereitschaft, sich über Umweltqualität<br />
Gedanken zu machen und für<br />
diese etwas zu zahlen. Also ist eine Wohlstandsvermehrung,<br />
die durch internationale<br />
Handelsbeziehungen breiter abgestützt<br />
ist, wichtig für einen effizienteren<br />
Umgang mit ökologischen Ressourcen.<br />
Sind aber nicht die geringe Umweltsensibilität<br />
und die tiefen Arbeitskosten –<br />
auch dank Kinderarbeit und geringerem<br />
Arbeitnehmerschutz – wichtige komparative<br />
Vorteile, ohne die viele Länder noch<br />
weniger Chancen hätten, ihren Anteil am<br />
Wohlstandskuchen zu vergrössern ? Eins<br />
ist sicher: Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften<br />
haben ihren Reichtum vor allem<br />
ihren Exportfähigkeiten, aber auch den<br />
ihnen gebotenen Exportmöglichkeiten zu<br />
verdanken.<br />
Wie soll es mit der WTO nun weitergehen<br />
? Auf der einen Seite hat sie bisher<br />
vieles erreicht. Die Zolltarife zwischen den<br />
Mitgliedstaaten wurden weitgehend abgebaut.<br />
Mehr Wirtschaftsbereiche und<br />
Länder konnten ins Vertragswerk aufgenommen<br />
werden. 32 Länder kandidieren<br />
für einen Beitritt – darunter China, die<br />
Russische Föderation, Saudi-Arabien und<br />
Taiwan. Auf der anderen Seite bereiten<br />
ihr der aufkommende Neoprotektionismus<br />
Sorgen, ebenso wie die Tatsache, dass die<br />
DER E-COMMERCE KÜMMERT SICH NICHT UM GRENZEN<br />
Die neueste technologische Herausforderung, mit der sich die WTO zunehmend<br />
auseinandersetzt, ist das Internet und der elektronische Handel.<br />
Zwar lässt sich eine Bestellung via Telegraf, Telefon oder Telefax auch<br />
schon unter den elektronischen Handel einordnen. Das Internet aber eröffnet<br />
für die Handelsbeziehungen vollkommen neue Möglichkeiten. Vor allem<br />
die USA haben ein grosses Interesse daran, dass die übrigen Länder<br />
rasch Anschluss finden an die modernsten Telekommunikationsmöglichkeiten.<br />
Schon heute ist das Internet in den USA eine wichtige wirtschaftliche<br />
Triebkraft, nicht nur in der Hightech-Branche, sondern als Handelskanal.<br />
Jenen, die zu diesem Kanal Zugang haben und diesen für sich<br />
nutzen können, eröffnen sich grosse Absatz- und Vergleichsmöglichkeiten.<br />
Die Preistransparenz und der Kostendruck auf gewisse Güter und Dienstleistungen<br />
werden steigen. Das hat Auswirkungen auf die Branchenstrukturen<br />
und Distributionskanäle, auf die Arbeitnehmer und Konsumenten.<br />
Gleichzeitig sind aber Handelstransaktionen via Internet schwer zu erfassen,<br />
was dem Fiskus verständlicherweise Sorgen bereitet. Soll die WTO<br />
den E-Commerce zur Freihandelszone erklären (siehe Kurzinterview S.35)?<br />
vertraglichen Vereinbarungen noch nicht<br />
überall umgesetzt wurden und die erhoffte<br />
Annäherung von Arm und Reich teilweise<br />
ausblieb. Sollen die fortgeschrittenen<br />
Volkswirtschaften auf Zölle bei Gütern und<br />
Dienstleistungen verzichten, die aus Entwicklungsländern<br />
importiert werden, um<br />
deren Exportchancen zu verbessern ?<br />
Freie Märkte und ein intensiver Handel<br />
schaffen zwar wichtige Voraussetzungen<br />
für mehr Wohlstand und damit auch eine<br />
bessere Wohlfahrt. Sie sind aber kein Allheilmittel<br />
gegen Armut, Ungleichverteilung<br />
und Umweltzerstörung. Die intensive<br />
wirtschaftliche Vernetzung beginnt nicht<br />
bei Null, sondern bricht wirtschaftliche,<br />
gesellschaftliche und politische Strukturen<br />
teilweise auf. Das ist mit Risiken und<br />
Anpassungskosten verbunden. Diese können<br />
jene Länder am ehesten tragen, die<br />
ökonomisch stark sind. Das setzt Einkommen<br />
– auch aus Exporten – voraus.<br />
Schlaflos in Seattle<br />
Ende November beginnt im amerikanischen<br />
Seattle die nächste Minister-Konferenz<br />
der WTO. Dort sollen die Weichen<br />
für die Zukunft des Welthandels gestellt<br />
werden. Soll sie sich einen Marschhalt<br />
gönnen und das bisher Erreichte konsolidieren<br />
und die Umsetzung der bisherigen<br />
Vereinbarungen vorantreiben ? Oder muss<br />
sie sich geografisch und thematisch erweitern<br />
? Wie will sie ihren Anliegen bezüglich<br />
nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung<br />
unter Berücksichtigung von Mensch<br />
und Umwelt gerecht werden ? Eine grosse<br />
Traktandenliste steht an. Es ist der WTO<br />
und allen Befürwortern eines freien<br />
Wettbewerbs zu wünschen, dass sie die<br />
Herausforderungen annehmen. Freiheit,<br />
auch wirtschaftliche, und Verantwortung<br />
bereichern das Leben. Und wer Freiheit<br />
beansprucht, ist dafür verantwortlich, dass<br />
sie ihm erhalten bleibt. Das weiss auch<br />
die WTO.<br />
CESARE RAVARA, TELEFON 01 333 59 12<br />
CESARE.RAVARA@CREDIT-SUISSE.CH<br />
34 CREDIT SUISSE BULLETIN 5 |99