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bull_10_04_Konsum

Credit Suisse bulletin, 2010/04

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Ausgabe<br />

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POSTER<br />

Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 4 Okt./Nov. 20<strong>10</strong><br />

<strong>bull</strong>etin<br />

iPad App<br />

!!downloaden!!<br />

<strong>Konsum</strong><br />

Ausgerechnet im <strong>Konsum</strong>mekka New York<br />

probt Colin Beavan den Ausstieg. Zwölf<br />

Monate lang versucht er als «No Impact Man»<br />

zu überleben, ohne die Umwelt zu belasten.<br />

Madagaskar Kundenstiftung unterstützt Urwaldprojekt<br />

Chance verpasst ? Was hat die Krise verändert ?<br />

Shirin Ebadi Friedensnobelpreisträgerin im Gespräch


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Abgebildete Fahrzeuge enthalten Sonderausstattungen.<br />

fiat.ch


Editorial 3<br />

kooaba<br />

kooaba erkennt Fotos von CDs, Büchern<br />

und Zeitungen und liefert Infos aus dem Web.<br />

QR Code<br />

QR Code fürs mobile <strong>bull</strong>etin<br />

Völlig unbedarft machen meine künftige Frau und ich bei einer Reise entlang<br />

der amerikanischen Ostküste am 30. Dezember 1991 in einer kleinen Ortschaft<br />

namens Freeport im US-Bundesstaat Maine Halt. Das kitschig romantische<br />

Bed and Breakfast teilen wir mit lediglich einem anderen Gästepaar. Tags darauf<br />

schlendern wir nach einem Abstecher zur schroff schönen Felsküste Richtung<br />

Städtchen. Bereits beim ersten schmucken Holzhäuschen bleibt meine Partnerin<br />

angesichts des Schildes einer italienischen Designermarke und des kleinen<br />

Zusatz «Factory Outlet» interessiert stehen. Natürlich gehen wir nur kurz hinein,<br />

um uns etwas umzuschauen …<br />

Es war der Auftakt zu einem Nachmittag im <strong>Konsum</strong>rausch. Schliesslich reihten<br />

sich in Freeport schon damals Dutzende – heute sind es über <strong>10</strong>0 – Factory<br />

Outlets aneinander. Und die Preise waren für uns inklusive des Abschlags zum<br />

Jahresende schwindelerregend günstig. Drei Stunden und neun Outlets später trieb<br />

uns die Lautsprecheransage mit der Ankündigung des früheren Ladenschlusses<br />

zum 31. Dezember zu letzten Panikkäufen an. Noch eine letzte Jeans auf dem<br />

Weg zur Kasse, ein letztes T-Shirt für drei Dollar direkt davor, dann war der Spuk<br />

vorbei. Ernüchtert und etwas beschämt machten wir uns auf den Heimweg,<br />

entlang der verschlossenen Outlet-Häuschen, mit mindestens vier Tragtaschen auf<br />

jeder Seite, deren dünne Henkel sich unerbittlich in die kalten Hände schnitten.<br />

Unsere Reportage aus Schanghai über das <strong>Konsum</strong>verhalten der Chinesen<br />

(ab Seite 6) erinnert mich an diesen Nachmittag in Freeport. In den so genannten<br />

Super Brand Malls von Schanghai wird die volle Breitseite an Luxus- und <strong>Konsum</strong>gütern<br />

zum Kauf feilgeboten, und Chinas geweckter Hunger nach Luxus ist<br />

nur allzu verständlich. Doch haben auch die Mahner aus dem Westen, die vorher<br />

jahrzehntelang selber aus dem Vollen schöpften, ihren Punkt, wenn sie nun<br />

vor dem globalen Ausverkauf der Ressourcen und den enormen Belastungen<br />

für die Umwelt warnen.<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

<strong>Konsum</strong> ist der globale Treiber der Wirtschaft und damit eine der wichtigsten<br />

Säulen unseres Wohlstands. Doch muss eine gesunde Balance zwischen dem<br />

Verbrauch von natürlichen Ressourcen und dem ungestümen <strong>Konsum</strong> von<br />

Gütern gefunden werden. Nur so kann ein nachhaltiger Wohlstand für immer<br />

mehr Menschen geschaffen werden.<br />

Zum Schluss noch eine spannende Meldung in eigener Sache: Der Lesekonsum<br />

unserer Anfang August lancierten englischen <strong>bull</strong>etin App für iPads hat all<br />

unsere Erwartungen übertroffen. In den ersten vier Wochen wurde das <strong>bull</strong>etin<br />

so weltweit über 20 000 Mal papierlos heruntergeladen! Wir bleiben dran.<br />

Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin<br />

Foto: Cédric Widmer<br />

Preisträger


Inhalt 5<br />

Coverfoto: Stefan Falke | Foto: Robert Bösch<br />

24<br />

<strong>Konsum</strong> Was treibt Downhill-Mountainbiker die Hänge<br />

runter, Basejumper von Felsvorsprüngen in die Tiefe und<br />

Free-Solo-Kletterer ohne jegliche Sicherung die Wände<br />

hoch? Der <strong>Konsum</strong> der legalen Droge Adrenalin. Dazu die<br />

atem beraubenden Bilder von Actionfotograf Robert Bösch.<br />

6 _ China In den neuen <strong>Konsum</strong>tempeln Schanghais wird<br />

ein schier unermesslicher Hunger nach Luxus gestillt.<br />

<strong>10</strong> _Experiment «No Impact Man» Colin Beavan wollte<br />

mitten in New York ein Jahr lang leben, ohne die Umwelt<br />

zu belasten.<br />

14 _Marketing Professor Marcus Schögel über den immer<br />

besser informierten Kunden, Social Medias und das iPad.<br />

16 _Tauschen Wo Zeit und das Sammeln von Müll die<br />

bessere Währung sind als harte Dollar, Yen und Franken.<br />

20 _Energie Erdöl schmiert seit über <strong>10</strong>0 Jahren das<br />

Getriebe der Wirtschaft – und was kommt danach?<br />

24 _Adrenalin Atemberaubende Bilder von Extremsportlern,<br />

die ständig auf dem Sprung zum nächsten Kick sind.<br />

Credit Suisse<br />

31 _ News Global Ernennungen in die<br />

Geschäftsleitung der Credit Suisse<br />

32 _ Schutz des Urwalds Kundenstiftung unterstützt<br />

ein Projekt des WWF in Madagaskar<br />

36 _ Salzburger Festspiele Bilder erinnern<br />

an «Dionysos» und das Young Singers Project<br />

38 _ Sydney Symphony Das australische<br />

Nationalorchester ist neuer Partner der Bank<br />

39 _ Canaletto Beim nächsten Englandbesuch<br />

lohnt sich der Gang in die National Gallery<br />

40 _ News Schweiz Informatik bewegt die<br />

Schweiz – im Verkehrshaus Luzern<br />

42 _ Klassiksommer Die Schweiz spielt in der<br />

höchsten internationalen Musik-Liga mit<br />

44 _ Pablo Picasso Der Höhepunkt des<br />

Jubiläumsjahrs des Kunsthauses Zürich<br />

46 _ Gipfeltreffen der Moderne Das Kunstmuseum<br />

Winterthur ist endlich wieder offen<br />

50 _ Klimahörpfad In reiner Zermatter Bergluft<br />

Informationen über das Klima erwandern<br />

54 _ Jugendarbeitslosigkeit Die Stiftung<br />

Speranza als erfolgreiche Hoffnungsträgerin<br />

Wirtschaft<br />

56 _ Gesundheit Statistisch ist keine Unterversorgung<br />

auf dem Land feststellbar<br />

62 _ Exportbarometer Credit Suisse und Osec<br />

erforschen die ausländische <strong>Konsum</strong>lust<br />

64 _ Chance verpasst ? Die Finanzkrise bot die<br />

Gelegenheit zu tiefgreifenden Veränderungen<br />

67 _ Emerging Banking Bis 2030 wird mit<br />

1,2 Milliarden neuen Bankkunden gerechnet<br />

68 _ Inflation Wie gross ist das Risiko?<br />

PLUS: Ein Poster erklärt die Zusammenhänge<br />

70 _ Mythos oder Realität ? Diversifi kation<br />

im Privatkunden-Portfolio<br />

72 _ Experteneinschätzung Den Kompromiss<br />

suchen zwischen konsumieren und sparen<br />

Invest<br />

73 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />

Leader<br />

78 _ Shirin Ebadi Die Friedensnobelpreisträgerin<br />

kämpft für Demokratie und Menschenrechte<br />

Service<br />

49 _ Impressum<br />

77 _ Wissenswert /Nachlese<br />

Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit <strong>10</strong> Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />

sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />

hergestellt von der ISO-14001-zertifi zierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />

Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin


[gòuwù], Übersetzung: Shopping<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


China <strong>Konsum</strong> 7<br />

Hunger nach Luxus<br />

Die Volksrepublik hat sich in Schanghai längst zu einem opulenten <strong>Konsum</strong>entenparadies<br />

gewandelt. Für die Luxusmarken der Welt ist China zur Goldgrube geworden.<br />

Die Chinesen, imagebewusster und individualistischer als je zuvor, haben eine<br />

Schwäche für Markenprodukte.<br />

Text: Martin Regnet<br />

Foto: Jeff Wang, Red Gate International, Schanghai<br />

Sonntag, Schanghai. Modernste Architektur und die Marken der Welt<br />

scheinen in der Super Brand Mall zusammengefunden zu haben.<br />

Sonntagnachmittags liest man andernorts auf der Welt in Ruhe<br />

Bücher oder geht spazieren. In Schanghais glamourösen Malls wird<br />

geshoppt. Kurz nach 13 Uhr hat die erste Welle das Mittagessen<br />

beendet und trifft im Einkaufstempel ein, bis 21 Uhr haben die Läden<br />

geöffnet. Einkaufen ist in China ganz und gar ein Familienerlebnis.<br />

Für eine wachsende Zahl von Fashionistas ist es geradezu ein<br />

Hobby, mit dem man seine Wochenenden verbringt. Allein ist man<br />

selten beim gòuwù, dem chinesischen Shopping. Man teilt sein materielles<br />

Glück mit Verwandten und Freunden.<br />

Gerne ein teures Nokia, gespart wird lieber beim Gemüse<br />

Obwohl China über ein Pro-Kopf-Einkommen von nur rund 6600 US-<br />

Dollar pro Jahr verfügt, werden Qualitätsprodukte gekauft, sobald<br />

auch nur ein moderates Einkommen vorhanden ist. Freude am Luxus<br />

durchzieht alle Gesellschaftsschichten der Stadt. Ein Taxifahrer, der<br />

mit 4000 Yuan (rund 700 US-Dollar) nicht gerade viel verdient und<br />

sich dennoch das neueste Mobiltelefon von Nokia im oberen Preissegment<br />

leistet, ist keine Ausnahme. Man konsumiert anders und<br />

spart anders – zum Beispiel beim täglichen Schachern mit dem Gemüsehändler.<br />

Wie keine zweite Stadt in China hat sich Schanghai dem Kaufen<br />

verschrieben. Hier findet bereits jetzt statt, was im Jahr 2020 wohl<br />

nahezu überall im Land Realität sein wird: <strong>Konsum</strong>boom. Während<br />

Peking für eher konservatives politisches Lobbying steht und Guangzhou<br />

sich einen Namen für Industrieproduktion gemacht hat,<br />

etablierte sich Schanghai als konsumfreudige Speerspitze des chinesischen<br />

Wirtschaftswunders. Von hier aus haben fast alle Global<br />

Players des Einzelhandels ihre Expansion in China vorangetrieben.<br />

Die in der Stadt am Huangpu allgegenwärtigen internationalen Marken<br />

ergänzen sich hervorragend mit den höchsten Gebäuden Chinas,<br />

der chinesischen Börse und dem zweitgrössten Hafen der Welt, zwei<br />

Flughäfen, einem Formel-1-Kurs und der Expo 20<strong>10</strong>.<br />

Wer Erfolg hat, will das auch zeigen<br />

Es ist chic, reich zu sein und seinen Erfolg zu zeigen. Dies kann auch<br />

Jim Siano bestätigen, CEO Asia-Pacific der Luxusmarke Montblanc:<br />

«Unsere Kunden sind oftmals Unternehmer oder Führungskräfte und<br />

unterscheiden sich durch überdurchschnittlich viel Bildung und Kultiviertheit.<br />

Die chinesischen Verbraucher insgesamt haben sich stark<br />

entwickelt.» Hohe Preise, die im Kontrast zu Chinas Ruf als Billigland<br />

stehen, halten die Kunden nicht vom Kauf ab. Im Gegenteil: «In<br />

den letzten 20 Jahren haben chinesische Verbraucher einen grossen<br />

Teil ihres monatlichen Einkommens für Luxusprodukte ausgegeben.<br />

Die Wertschätzung für qualitativ hochstehende Luxusgüter ist in<br />

China ausgesprochen gross», so Siano, der sich als gebürtiger New<br />

Yorker seit zwei Jahrzehnten intensiv mit chinesischen <strong>Konsum</strong>enten<br />

beschäftigt. Siano ist beeindruckt von der Intensität, mit der sich<br />

chinesische Verbraucher vor dem Kauf mit einem Markenprodukt<br />

beschäftigen: «Chinesen sind die Herkunft eines Produkts, die<br />

Marke und ihre Geschichte sehr wichtig. Sie recherchieren, um<br />

Hinter gründe zu erfahren: wofür ein Name steht, wo die Stärken der<br />

Produkte sind – erst dann treffen sie eine Kaufentscheidung.»<br />

Die Reichen werden sehr viel reicher<br />

Immer mehr Chinesen können sich Luxusartikel wie die Uhren,<br />

Schreibgeräte und Lederwaren, die Montblanc in seinen 95 chinesischen<br />

Läden vertreibt, auch problemlos leisten: Die oberen zehn<br />

Prozent der Haushalte haben in den letzten Jahren geradezu einen<br />

Quantensprung erlebt. Sie verdienen inzwischen 255 Prozent mehr<br />

als 2005 und generieren mittlerweile mehr als 35 Prozent des ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


8 <strong>Konsum</strong> China<br />

Shoppen bis zum Umfallen: Einkaufen ist in China zur beliebten Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie geworden. Glamouröse<br />

und überdimensionale Einkaufstempel locken überall. Vor allem Schanghai entwickelt sich zum Epizentrum des <strong>Konsum</strong>booms.<br />

Immer mehr Chinesen können sich immer mehr leisten, und sie legen Wert auf hochstehende Markenprodukte. Wenn sie von einem<br />

Produkt überzeugt sind, zahlen sie dafür auch gerne einen stolzen Preis.<br />

Gesamteinkommens aller chinesischen Haushalte. Zwar geht es<br />

allen Chinesen besser als noch vor wenigen Jahren. Für globale Luxusmarken<br />

ist dies eine Zielgruppe, die den weltweiten Markt hochwertiger<br />

<strong>Konsum</strong>güter immer entscheidender mitprägt. Das sieht<br />

auch Jim Siano so: «Unser weltgrösster Shop befindet sich seit 2008<br />

im CITIC Plaza in Schanghai. Allerdings planen wir, diese Fläche<br />

nochmals zu verdreifachen.» Wichtig für Markenkonsumenten sei<br />

auch die Wahl des Standorts: «Es wird im Luxusmarkt in China viel<br />

Bewegung geben, in Richtung zu viel grösseren Läden an den führenden<br />

Standorten. Ich erwarte viel mehr Wettbewerb im Einzelhandel<br />

sowohl bei Marken als auch bei den Betreibern von Shopping Malls.»<br />

Für chinesische Verhältnisse «moderate Zuwächse» verzeichnen<br />

auch die unteren Einkommensgruppen: Die unteren 20 Prozent verfügen<br />

seit 2005 immerhin über 50 Prozent mehr. Die Mittelklasse<br />

hat ihr Einkommen in derselben Zeit mit 98 Prozent fast verdoppelt.<br />

Kleine Kaiser werden den <strong>Konsum</strong> prägen<br />

Dieser Trend dürfte anhalten: Die chinesische Sparquote sinkt rapide.<br />

Sparten die Verbraucher 20<strong>04</strong> noch 26 Prozent ihres Einkommens,<br />

so hat sich dieser Anteil 2009 auf gerade einmal 12 Prozent<br />

verringert, wie der Consumer Survey der Credit Suisse feststellt.<br />

<strong>Konsum</strong> hat eine grosse Zukunft in China: Wegen der 1980 eingeführten<br />

Geburtenplanung gibt es bei den unter Dreissigjährigen fast<br />

nur noch Einzelkinder. Die in den 1980er- und 1990er-Jahren geborenen<br />

Chinesen erfreuen sich nicht nur der Aufmerksamkeit der<br />

ganzen Familie, sondern geraten auch als zahlungskräftige, konsumfreudige<br />

Kunden immer mehr in den Fokus der Markenhersteller.<br />

Diese Generation der «Kleinen Kaiser », wie sie im Chinesischen genannt<br />

werden, verfügte über das stärkste Einkommenswachstum<br />

der letzten drei Jahre und wird diese Position auch in den kommenden<br />

drei Jahren behalten können.<br />

Mobilität und Urbanisation treiben Wachstum an<br />

Chinas Immobilienmarkt ist im Moment einer der «heissesten» weltweit,<br />

besonders in einkommensstarken Städten wie Schanghai und<br />

Peking. Die Anschaffung und Ausstattung von Wohnraum ist einer<br />

der Haupttreiber des chinesischen Booms. Im Reich der Mitte schreitet<br />

die Urbanisierung rasch voran: Die Credit Suisse erwartet ein<br />

jähr liches Wachstum der Urbanisierung von 0,8 Prozent. Während<br />

2009 bereits 46 Prozent der Chinesen in Städten lebten, werden<br />

es bis 2030 rund 60 Prozent sein. Besonders die mittelgrossen<br />

Städte in Zentral- und Westchina werden ein grosses Wachstum er-<br />

Fotos: Jeff Wang, Red Gate International, Schanghai<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


China <strong>Konsum</strong> 9<br />

leben. Auf China werden etwa 190 Millionen neue Stadtbewohner<br />

zukommen, für die Wohnraum und Infrastruktur bereitstehen muss.<br />

Die Analysten der Credit Suisse sind überzeugt, dass eben diese<br />

«urbanen Neubürger » für einen <strong>Konsum</strong>boom sorgen werden. Dies<br />

geht einher mit dem Ziel der chinesischen Regierung, die Inlandnachfrage<br />

zu steigern, um die Exportabhängigkeit zu verringern.<br />

Der chinesische <strong>Konsum</strong> wird weiter massiv ansteigen. Dong Tao,<br />

Ökonom bei der Credit Suisse, erwartet, dass dieser von 1,7 Billionen<br />

US-Dollar im vergangenen Jahr auf 15,9 Billionen US-Dollar<br />

im Jahr 2020 steigen wird. Der Anteil Chinas am weltweiten Verbrauch<br />

erhöht sich damit von 5,2 Prozent 2009 auf 23,1 Prozent im<br />

Jahr 2020. Damit wird China die USA als grössten Verbrauchermarkt<br />

der Welt ablösen.<br />

Audi verkauft in China mehr neue Autos als in Deutschland<br />

In einigen Bereichen ist diese Zukunft schon heute sichtbar. So ist<br />

Chinas Automobilmarkt bereits heute der grösste der Welt, in Stückzahlen<br />

gerechnet. Seit 20<strong>04</strong> hat sich der Anteil der Haushalte, die<br />

ein Automobil besitzen, von 12 auf 28 Prozent mehr als verdoppelt.<br />

Dieser Anteil dürfte weiter steigen. Im Consumer Survey 2009 der<br />

Credit Suisse antworteten immerhin etwa 35 Prozent der Haushalte,<br />

dass sie «definitiv» oder «wahrscheinlich» innerhalb der nächsten drei<br />

Jahre ein neues Auto kaufen werden. Für ausländische Automobilhersteller<br />

ist China mittlerweile der Wachstumsmarkt schlechthin<br />

geworden, allen voran für die deutschen Marken. In den ersten fünf<br />

Monaten dieses Jahres verkaufte Volkswagen Group China rund<br />

778 000 Fahrzeuge und übertraf das Rekordjahr 2009 um weitere<br />

48 Prozent. Mittlerweile läuft in Foshan die Vorbereitung für das<br />

zehnte VW-Werk im Reich der Mitte. Audi verkaufte im ersten Halbjahr<br />

20<strong>10</strong> mit rund <strong>10</strong>9 800 Autos in China sogar 2000 Fahrzeuge<br />

mehr als auf dem Heimmarkt. Bei BMW lagen die Wachstumsraten<br />

beim Absatz der ersten sechs Monate des Jahres gar bei <strong>10</strong>0 Prozent.<br />

Auf Sonderwünsche, wie zum Beispiel einen von Chinesen bevorzugten<br />

deutlich verlängerten Radstand, gehen deutsche Hersteller<br />

gerne ein. Auch Edelmarken wie Porsche stellen sich verstärkt auf<br />

eine chinesische Kundschaft ein: 2009 wurde die Premiere für den<br />

Panamera auf der Auto China in Schanghai gefeiert.<br />

Einheimische Marken holen auf<br />

«In den letzten 20 Jahren haben<br />

chinesische Verbraucher einen<br />

grossen Teil ihres monatlichen<br />

Einkommens für Luxusprodukte<br />

ausgegeben.»<br />

Jim Siano, CEO Asia-Pacific Montblanc<br />

Ähnliche Trends sind bei Flachbildfernsehern und Notebook-PCs<br />

zu beobachten. Das <strong>Konsum</strong>enteninteresse an beiden Produkten ist<br />

in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Dabei greift der chinesische<br />

Verbraucher mittlerweile auch auf das hochpreisige Segment<br />

zwischen 37 und 45 Zoll zurück und zeigt auch hier eine starke<br />

Tendenz zu mehr Komfort.<br />

Obwohl auch viele chinesische Marken besonders in den letzten<br />

zwei Jahren im Vertrauen zulegen und Marktanteile gewinnen konnten,<br />

bleiben internationale Marken ausserordentlich beliebt: Der grosse<br />

Vorsprung konnte insbesondere bei technologisch anspruchs vollen<br />

Produkten und bei Luxusgütern aufrechterhalten werden. Bei schnelllebigen<br />

<strong>Konsum</strong>gütern wie Lebensmitteln und Getränken sowie Pflegeprodukten<br />

liegen ausländische und einheimische Hersteller gleichauf.<br />

Chinesische Unternehmen nehmen allerdings eine viel stärkere Position<br />

in Sektoren wie Internet und Reisen ein, was auch auf Marktbarrieren<br />

zurückzuführen ist.<br />

Der Aufschwung hat auch Kehrseiten: Chinesische <strong>Konsum</strong>enten<br />

stellen sich heute weniger Fragen zur Nachhaltigkeit und zur sozialen<br />

Verantwortung als <strong>Konsum</strong>enten im Westen. In Sachen Energieeffizienz<br />

bei der Produktion liegt China noch weit hinter internationalen<br />

Standards. Wasser- und Luftverschmutzung erreichen in China<br />

oft bedenkliche Werte. Die ländliche Bevölkerung sowie West-, Nordost-<br />

und Zentralchina partizipieren nur begrenzt am Wachstum. Auch<br />

innerhalb von aufstrebenden Regionen klafft die Wohlstandsschere<br />

teilweise weit auseinander.<br />

Auch der Rest der Welt spürt die Kehrseiten. Der chinesische<br />

Hunger nach Rohstoffen führt bereits zu Störungen im Marktgefüge.<br />

Die Ausfuhr aus China von wertvollen Bodenschätzen wie zum<br />

Beispiel den so genannten seltenen Erden, die speziell in der Hochtechnologie<br />

wichtig sind, wurde jüngst beschränkt. Das führt zu Verwerfungen<br />

in ganzen Industriezweigen. Auch als Emittent von Treibhausgasen<br />

hat China mittlerweile einen Spitzenplatz. Nicht zuletzt<br />

bleibt der Vorwurf der Währungsmanipulation im Raum stehen, mit<br />

dem sich China angeblich Wettbewerbsvorteile verschafft.<br />

Dennoch hoffen viele westliche Hersteller, Investoren und Arbeitnehmer,<br />

der chinesische <strong>Konsum</strong>rausch möge kein abruptes Ende<br />

nehmen – und die Rolltreppen von <strong>Konsum</strong>tempeln wie die in der<br />

Super Brand Mall in Schanghai noch munter weiter mit zahlungswilligen<br />

Menschenmassen verstopft sein. Nicht nur am Sonntagnachmittag.<br />

<<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


<strong>10</strong> <strong>Konsum</strong> Verzicht<br />

NO!<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Verzicht <strong>Konsum</strong> 11<br />

Vom tatenlosen Ankläger zum handelnden Helden<br />

Der Mensch plündert hemmungslos die kostbaren Rohstoffe der Erde und gibt ihr dafür<br />

Müll und Gift zurück. Der Schriftsteller Colin Beavan fühlte sich als Mittäter und<br />

übernahm Verantwortung: Zwölf Monate versuchte er mit seiner Familie in New York ohne<br />

Umweltbelastung zu leben – und fand bei aller Mühsal mehr Zeit und Glück.<br />

Text: Claudia Steinberg<br />

Foto: Mathias Hofstetter<br />

Im Schatten eines Ahornbaums im Washington Square Park spielt<br />

ein junger Mann ganz in Schwarz Chopinwalzer auf seinem mitgebrachten<br />

Klavier, die gedehnte Jazzmelodie eines Saxofons mischt<br />

sich unter die ekstatischen Klavierklänge, und im Hintergrund rauscht<br />

und heult der New Yorker Verkehr. Colin Beavan liegt zwischen lesenden<br />

Studenten und rastenden Touristen auf jener Wiese, die im<br />

Sommer des Jahres 2007 für ihn und seine Familie als Wohnzimmerteppich<br />

fungierte: mit seiner Frau Michelle, seiner kleinen Tochter<br />

Isabella und dem Terrier Frankie entfloh der Schriftsteller damals<br />

beinah jeden Abend der Hitze und der Dunkelheit seines Apartments<br />

an der Fifth Avenue, wo er im Rahmen eines radikalen Experiments<br />

auf Strom und zahllose andere zivilisatorische Errungenschaften verzichtete.<br />

Statt wie früher in der klimatisierten Wohnung im neunten<br />

Stock eines eleganten Vorkriegsgebäudes mit einem Stück Pizza vor<br />

dem Fernseher zu sitzen, servierte er in diesem denkwürdigen Sommer<br />

ein Picknick mit selbst gebackenem Brot und frisch geerntetem<br />

Gemüse von seinem zehn Quadratmeter grossen Beet in einem Gemeindegarten<br />

ein paar Strassen weiter, den er auch heute noch mit<br />

einer Handvoll städtischer Subsistenzlandwirte teilt. Und während<br />

Isabella mit ihren Freunden im Springbrunnen spielte, lernten Colin<br />

und Michelle andere exzentrische Charaktere kennen, die ebenfalls<br />

den Park zu ihrem Salon erkoren hatten – und zwar «mit besserer<br />

Livemusik, als man sie anderswo für viel Geld zu hören bekommt»,<br />

sagt Beavan.<br />

Schrebergarten in Manhattan statt Selbstversorger in Montana<br />

Bevor er mit 42 seinen Selbstversuch als kompromissloser Umweltschützer<br />

begann und selbst seine verwöhnte Frau, eine einkaufssüchtige<br />

Millionärstochter aus North Dakota, von seinem Projekt<br />

überzeugte, war er «höllisch deprimiert»: über die rapide Erderwärmung<br />

und ihre drohenden apokalyptischen Folgen, über den unter<br />

fadenscheinigem Vorwand geführten Krieg im Irak, der doch nur<br />

unseren ölabhängigen Lebensstil sichern sollte, über die riesige,<br />

stetig wachsende Müllinsel im Pazifik, über die Unzahl von Kindern<br />

in der Bronx, die wegen Luftverschmutzung an Asthma leiden. «Wir<br />

leben in einem Notstand», lamentierte Beavan – und lebte selbst<br />

doch so, als sei alles in bester Ordnung. «Wenn man bei einem<br />

Abendessen voller Wut über die Missstände dieser Welt auf die anderen<br />

Gäste einredet, hört einem sehr bald niemand mehr zu», weiss<br />

Beavan aus Erfahrung. So kam ihm eines Tages die Idee, sich vom<br />

tatenlosen Ankläger in einen Helden des Alltags zu verwandeln. Doch<br />

im Unterschied zu den Idolen seiner Kindheit wie Superman und<br />

Spiderman wollte er als «No Impact Man» damit glänzen, unseren<br />

Planeten so wenig wie nur irgendwie möglich zu belasten, ohne allen<br />

weltlichen Genüssen abzuschwören: «Ich bin kein Asket», sagt er<br />

entschieden. Hätte er sich für ein Jahr auf ein fernes Eiland oder<br />

auf eine Farm in Montana zurückgezogen, könnte man ihn als typischen<br />

Aussteiger bezeichnen. Beavan aber bestand darauf, sein<br />

Experiment mitten in Manhattan durchzuführen – auf einer Insel also,<br />

die allein für den Ausstoss von fast einem Prozent aller Treibhausgase<br />

dieser Welt verantwortlich ist. Doch lebt inzwischen mehr als<br />

die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten, die mit ihren öffentlichen<br />

Verkehrssystemen und geteilten Ressourcen durchaus utopisches<br />

Potenzial besitzen. Und nur in der Welthauptstadt des Kommerzes,<br />

umgeben von allen erdenklichen Verführungen, konnte Beavan einen<br />

Buchvertrag für seine Abenteuer als einsamer Antikonsument landen.<br />

Absolute Abfallabstinenz erweist sich als Utopie<br />

Drei Milliarden Tonnen Müll produziert New York City jedes Jahr, und<br />

so war es nur logisch, dass der No Impact Man sein siebenstufiges<br />

Umweltprogramm mit absoluter Abfallabstinenz einleiten wollte.<br />

Doch bereits in den ersten Minuten der No-Impact-Ära verstösst<br />

Beavan gegen das selbst auferlegte Reglement: ein Kleenex für die<br />

laufende Nase, eine Plastikwindel für Isabella, Toilettenpapier –<br />

schon ist das Sündenregister voll. Ihm dämmert das Ausmass der<br />

Verhaltensänderungen, die das neue Regime verlangt, und so beginnt<br />

er mit der systematischen Sammlung und Sortierung des<br />

Haushaltsmülls – «schliesslich erhalten auch Archäologen wichtige<br />

Informationen über die Lebensgewohnheiten untergegangener Zivilisationen<br />

aus deren Abfällen», räsoniert Beavan. Innerhalb von ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


12 <strong>Konsum</strong> Verzicht<br />

vier Tagen akkumuliert seine Kleinfamilie rund ein Drittel Kubikmeter<br />

Müll – ohne eine einzige Kartoffelschale, ein Apfelgehäuse oder<br />

einen Karottenrest, wie seine genaue Analyse ergibt. Vielmehr sind<br />

die Säcke voller Papierbecher und Styroporcontainer von hastig gekauften<br />

und zwischen Tür und Angel verzehrten Mahlzeiten. Beavan<br />

kann sich der ironischen Einsicht nicht entziehen, dass wir achtlos<br />

Dinge wegschmeissen, die nur für ein paar Minuten gebraucht werden<br />

und dann ein nahezu ewiges Leben auf der Halde – oder im<br />

Ozean – fristen. In seinem kürzlich auch auf Deutsch erschienenen<br />

(und natürlich auf rezykliertem Papier gedruckten) Buch zitiert er<br />

eine Statistik des Worldwatch Institute, der zufolge jedes Jahr bis<br />

zu fünf Trillionen Plastiktüten weggeworfen werden. «Kein anderes<br />

Produkt verlässt Märkte und Geschäfte in solchen Quantitäten»,<br />

schreibt er. No Impact Man kauft selbst Nüsse und Müsli in eigenen<br />

Musselinsäckchen ein, er rührt keine Wasserflasche an, verweigert<br />

Kräutertee im Pappbecher und widersteht sogar einem in Silberfolie<br />

gewickelten Schokoladenkuss.<br />

Mit unverhohlener Schadenfreude beobachtet Michelle, wie ihr<br />

Mann in eine «1950er-Jahre-Hausfrau» mutiert, die den ganzen Tag<br />

mit Einkaufen, Kochen und Waschen verbringt. Doch geht es auf<br />

ihre Initiative zurück, dass der gigantische Fernseher abtransportiert<br />

wird – auch sie hat ihn als «Feind im Wohnzimmer » identifiziert, der<br />

Zeit in grossen Mengen verschlingt und mit seinen Werbebotschaften<br />

ein Agitator für <strong>Konsum</strong> und Verschwendung ist. Solidarisch ersetzt<br />

sie duftende Kosmetikprodukte mit Natron und toleriert sogar<br />

Würmer in ihrer Küche, die Essensreste in Kompost transformieren<br />

helfen. Statt als unersättlicher Shopaholic durch die Kaufhäuser zu<br />

streifen, erkundet sie ihren eigenen Kleiderschrank und findet längst<br />

vergessene Schätze. Doch die No-Impact-Regel, nur das Notwendigste<br />

und nie Neues zu kaufen, hat auf Beavan einen unerwarteten<br />

Effekt: «Selbst wenn ich freiwillig darauf verzichte, Dinge zu erwerben,<br />

komme ich mir wie eine arme Person vor, wie ein Verlierer, ausgeschlossen.<br />

Es ist menschlich, sich als Teil einer Gruppe fühlen zu<br />

wollen – nur müssen wir die Normen der Zugehörigkeit ändern.»<br />

Das ist leichter gesagt als getan, wenn es die eigene Familie betrifft.<br />

Im Rahmen des No-Impact-Programms waren sämtliche Exkursionen,<br />

die auf motorisierten Vehikeln basieren, verboten. «Ich<br />

verstehe nicht, warum du nicht mit dem Zug kommen kannst – er<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Verzicht <strong>Konsum</strong> 13<br />

Mit dem eigenen Gemüsebeet<br />

gegen das Treibhausgas: Colin<br />

Beavan (stehend) begann im<br />

Jahr seines Experiments damit,<br />

sein Gemüse in einem Gemeinschaftsgarten<br />

in Manhattan<br />

selbst anzubauen. Auch sein<br />

Brot bäckt er seither selbst –<br />

eine meditative Tätigkeit, die er<br />

nicht mehr missen möchte. Nur<br />

vor dem Waschen ohne Maschine<br />

kapitulierte er schliesslich.<br />

auf einen schwachen Abdruck reduzieren, doch dafür kam der heiss<br />

geliebte Kaffee unweigerlich von weit her. Die Ingredienzien einer<br />

typischen amerikanischen Mahlzeit sind im Durchschnitt 3000 Kilometer<br />

gereist – die Beavans limitierten ihre Lebensmittelzufuhr auf<br />

einen Radius von maximal 400 Kilometern und konsumierten ausschliesslich<br />

Obst und Gemüse aus biologischem Anbau – erst recht,<br />

als No Impact Man von der gewalttätigen Vergangenheit industrieller<br />

Düngemittel erfuhr: Die nitrogenreichen Chemikalien, aus denen<br />

Bomben entstanden, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg als Nährstoffe<br />

für den Boden eingesetzt, und Pestizide haben eine ebenso<br />

tödliche Provenienz. Da es keine Biobäckerei in New York gab, die<br />

ihr Mehl nicht aus weit entfernten Staaten importierte, lernte Colin,<br />

sein eigenes Brot zu backen – eine meditative Tätigkeit, die er nicht<br />

mehr missen möchte. Er gewöhnte sich daran, Beeren nur im Sommer<br />

zu essen und tropische Früchte ganz vom Speiseplan zu verbannen.<br />

Allerdings konnte der Tee aus frischer Minze, die er auf der<br />

Fensterbank züchtete, Michelle ihren Espresso nicht ersetzen, und<br />

auch der selbst gemachte Essig aus Obstresten war irgendwann dem<br />

Vergleich mit einem italienischen Balsamico nicht mehr gewachsen.<br />

Für solche kleinen Sünden taten die Umweltfreunde Busse, indem<br />

sie zum Beispiel Plastikmüll von den Stränden der Stadt entfernten<br />

oder Bäume pflanzten.<br />

Berge von Bettlaken von Hand waschen – nein danke!<br />

Foto: Stefan Falke<br />

fährt doch auch ohne dich!», schimpfte Beavans Mutter, als er den<br />

Thanksgiving-Besuch absagte. Doch die Tatsache, dass laut Klimaforscher<br />

James Hansen unsere Kohlendioxidemissionen schon jetzt<br />

das Mass überschritten haben, um die katastrophale Aufwärmung<br />

unseres Planeten abzuwenden, erfüllte ihn mit einer Dringlichkeit,<br />

die selbst die Benutzung vertikaler Transportmittel untersagte: In der<br />

Stadt der Wolkenkratzer, die auf der Erfindung des Aufzugs basieren,<br />

stieg er die Treppen auf und ab, oft Hunderte von Stufen pro Tag<br />

und nicht selten mit Isabella auf den Schultern. Michelle erhielt eine<br />

offizielle Ausnahmegenehmigung für ihren Arbeitsplatz im 43. Stock<br />

eines Büroturms in Midtown. Doch angesichts der skandalösen<br />

25 Prozent aller Abgase, die die USA mit nur fünf Prozent der Weltbevölkerung<br />

in den Himmel jagen, wechselte auch sie von Taxi und<br />

U-Bahn zur Rikscha, die ein genialer Bastler aus gebrauchten Teilen<br />

für die Familie baute. Nur das Fahrradfahren erschien Michelle als<br />

reines Kamikaze-Unterfangen, und so fuhr sie mit einem Trottinett zur<br />

Arbeit – auf dem Bürgersteig.<br />

Mit ihren allein durch Muskelkraft betriebenen Fortbewegungsmitteln<br />

konnte die No-Impact-Familie zwar ihren «carbon footprint»<br />

Den drastischsten Schritt hob sich der No Impact Clan bis zuletzt auf:<br />

An einem Sommerabend lud Colin gleichgesinnte Freunde zu sich ein<br />

und drückte jedem von ihnen eine Bienenwachskerze in die Hand.<br />

Nach einem Countdown wie zu Sylvester ging das Licht aus – «es war<br />

ein romantischer Moment», erinnert sich Beavan. Seinen Computer<br />

und ein paar LEDs, die gerade hell genug zum Lesen waren, versorgte<br />

er mit Strom aus einem geliehenen Solarzellenpanel, das<br />

er heimlich auf dem Dach des Apartmentgebäudes installierte.<br />

An grauen Tagen verdunkelte sich seine Stimmung mit dem schwindenden<br />

Licht zu Hause. «Es war in erster Linie deshalb ein schweres<br />

Jahr, weil wir gegen den Strom unserer Kultur anschwimmen mussten»,<br />

erklärt er. Nachdem ihn ein Artikel in der «New York Times»<br />

berühmt gemacht hat, will jeder von ihm wissen, was die grösste<br />

Herausforderung war. «Die Handwäsche, mit Abstand», sagt Beavan<br />

und gesteht seine Kapitulation vor Bergen von Bettlaken, Handtüchern<br />

und Windeln, die er schliesslich doch in die Waschmaschine<br />

stopfte. Und ja, er vermisste das Reisen, Olivenöl und einen allzeit<br />

einsatzbereiten Computer. Weder die Rolle des Öko-Märtyrers noch<br />

die des Öko-Gurus sagen ihm zu, auch wenn er inzwischen eine<br />

Non-Profit-Organisation zur Anleitung für ein umweltbewusstes Leben<br />

gegründet hat (www.noimpactproject.org).<br />

Die wichtigste Lektion dieses energie-, geld- und kaloriensparenden<br />

Jahres war jedoch, dass all die Vergeudung von Rohstoffen<br />

im Dienste effizienter Bequemlichkeiten trotzdem nicht zu mehr Zeit<br />

führt, als wenn man mit Bedacht sein Essen anpflanzt, erntet und<br />

kocht – die Zeit verfliegt gleichwohl hinter dem Steuer im Stau, sie<br />

schmilzt dahin in den Überstunden, die man in die Erhaltung des üblichen<br />

urbanen Lebensstandards investiert. Das Mass des Unglücks<br />

erkennt er auch in den Spuren der Antidepressiva, die inzwischen<br />

im Trinkwasser nachweisbar sind und doch letztlich niemanden zu<br />

trösten vermögen. Schon nach wenigen Wochen seines scheinbar<br />

extremen No-Impact-Experiments war Colin Beavan klar: «Was in<br />

unserer Wegwerfgesellschaft als normal gilt, ist in Wirklichkeit total<br />

verrückt.» <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


14 <strong>Konsum</strong> Marketing<br />

«Ich hab meiner Mutter zum 70. Geburtstag<br />

ein iPad geschenkt»<br />

Die Kunden hätten schon immer miteinander gesprochen, erklärt Marketingprofessor<br />

Marcus Schögel, doch erst durch die Internetplattformen hätten es auch die<br />

Unternehmen gemerkt. Er plädiert für aktive Erfahrungssammlung statt durchdachte<br />

Strategiepapiere. Zudem steht für ihn fest: «Die Verbreitung der neuen Medien<br />

findet statt, aber sie ersetzen keine alten.»<br />

Interview: Daniel Huber<br />

<strong>bull</strong>etin: Etwas überspitzt formuliert, schalteten die Marketingverantwortlichen<br />

noch vor zehn Jahren vor allem Werbungen<br />

in Zeitungen und Fernsehen und versuchten so, den <strong>Konsum</strong> ihrer<br />

Produkte anzukurbeln. Sind diese guten alten Zeiten vorbei?<br />

Marcus Schögel: Das hat eigentlich schon früher nur für wenige<br />

Leistungen funktioniert. Nehmen wir das Beispiel dieser schwarzen<br />

Brause aus Atlanta. 1850 kannte sie niemand. Da brauchte es natürlich<br />

eine entsprechend breit angelegte Kommunikation im Sinne<br />

von: Hier bin ich, lieber Kunde, kaufe mich! Das funktioniert heute<br />

ganz klar nicht mehr. Der Kunde ist viel zu emanzipiert. Man muss<br />

näher an ihn ran. 90 Prozent aller Neueinführungen von <strong>Konsum</strong>gütern<br />

sind Flops. Die Unternehmen selber wissen das, re den aber<br />

nicht gerne darüber.<br />

Und was braucht Ihrer Meinung nach ein neues Produkt,<br />

um zu den erfolgreichen zehn Prozent zu gehören?<br />

Es muss in die <strong>Konsum</strong>muster und Gewohnheiten der Kunden passen,<br />

sollte für sie einen echten, wahrnehmbaren Nutzen haben und verständlich<br />

sein. Die vielgepriesene Innovation ist dabei immer ein<br />

bisschen eine zwiespältige Sache. Einerseits will der Kunde etwas<br />

Neues, Besseres, andererseits will er Dinge, die er schon kennt. Er<br />

akzeptiert eher einen Rasierer mit neuen Klingen als irgendein auf<br />

Nanotechnologie basierendes Rasiertuch, das die Barthaare wegrubbelt<br />

oder so.<br />

Der Kunde ist also ein Gewohnheitstier, das sich von<br />

tiefgreifenden Innovationen abschrecken lässt ?<br />

So einfach ist es auch nicht. Für jüngere Kunden ist Innovation ein<br />

Plus. Bei den älteren muss man dagegen eher vorsichtig sein mit der<br />

Verwendung von «neu». Selbst wenn ein Produkt einen neuen, besseren<br />

Nutzen hat, sollte man es nicht zwingend damit beschriften.<br />

Wie global kann oder muss modernes Marketing sein?<br />

Ich bin fast sicher, dass der Spruch «think global, act local» – also<br />

denk global, handle lokal – aus dem Marketing kommt. Das Marketing<br />

hat als erste Disziplin seine Erfahrung mit internationalen Märkten<br />

gemacht. Für Coca-Cola mögen ein Slogan und eine Botschaft<br />

weltweit vielleicht funktionieren, ansonsten orientieren sich heute<br />

selbst die Fast-Food-Ketten sehr stark an lokalen Gepflogenheiten.<br />

Wir sind im Zeitalter der totalen Informationsüberflutung.<br />

Ist der Kunde im Vergleich zu vor 20 Jahren besser oder schlechter<br />

informiert ?<br />

Wir sprechen immer von Informationsüberflutung. Und tatsächlich<br />

nimmt der Kunde nur etwa ein Prozent der ihm zur Verfügung gestellten<br />

Information überhaupt wahr. Dessen müssen sich die<br />

Marketingverantwortlichen bewusst sein. Allerdings sind die meisten<br />

Informationen auch nicht interessant. Nehmen wir als Beispiel den<br />

Markt für Mineralwasser. Die meisten Anbieter streichen bei ihren<br />

Produkten die Klarheit, Reinheit und Gesundheit hervor. Und nur<br />

ganz wenige heben sich ab, indem sie aus irgendeinem Grund für<br />

ihre Kunden relevanter werden. Auf der anderen Seite gibt es das<br />

andere Problem, dass wir den Kunden hervorragend verwirren, i ndem<br />

wir ihm 16 Varianten eines Joghurts oder einer Marmelade anbieten.<br />

Es gibt verschiedene Untersuchungen, die belegen, dass der Kunde<br />

bei 16 Varianten weniger kauft als bei 4, weil er schlichtweg überfordert<br />

ist. Bei dieser riesigen Auswahl kauft er am Schluss nur zwei<br />

und dann wieder zwei. Bei vieren sagt er sich, die kenne ich, und<br />

nimmt einen Vorrat mit. Gleichwohl gibt es Fälle, wo der Kunde die<br />

Auswahl sucht. Und wenn ich ihm eine bieten kann, die für ihn relevant<br />

ist, dann ist es auch richtig.<br />

Aber nicht bei den Joghurts.<br />

Kaum. Eher bei Früchten, Weinsorten oder Sea-Food.<br />

Ein Juwelier in Luzern hat mir erzählt, dass chinesische<br />

Touristen teilweise mit regelrechten Einkaufslisten zu ihnen<br />

kämen und ganz gezielt und ohne jegliche Beratung Uhren<br />

einkauften. Ersetzt das Internet schon bald den Verkäufer ?<br />

Der Kunde ist heute besser informiert, das ist so. Das sagen mir<br />

auch die Autohersteller. Früher sei der Kunde drei- oder viermal in<br />

den Showroom gekommen, bevor er gekauft habe. Heute komme er<br />

in der Regel noch einmal. Da ist schon ein Trend zu erkennen.<br />

Wohin entwickelt sich das Marketing angesichts der neuen<br />

Massenmedien?<br />

Wir haben jahrelang vernachlässigt, dass die Kunden miteinander<br />

reden. Das haben sie aber schon immer gemacht. Wir haben es nur<br />

nicht gemerkt. Nun gibt es heute Plattformen, auf denen sie es<br />

öffentlich tun, und erst jetzt haben es auch die Unternehmen gemerkt.<br />

Die neuen Technologien geben den Kunden neue Möglichkeiten,<br />

sich aktiv auszutauschen und das sogar noch zu forcieren. Und die<br />

Kunden werden dies in Zukunft noch stärker tun. Gleichzeitig gehe<br />

ich davon aus, dass der ganze Hype um die Social Media übertrieben<br />

ist. Vor fünf Jahren sprachen alle von Communities, vor einem Jahr<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Marketing <strong>Konsum</strong> 15<br />

Foto: Marc Wetli<br />

nannte man es virales Marketing, und dazwischen gab es noch<br />

Second Life. Es gibt immer kürzere Hype-Zyklen.<br />

Können Sie das etwas veranschaulichen?<br />

Etwas salopp ausgedrückt, wird heute jede Woche eine neue Idee<br />

durch die Chefetagen der Unternehmen getrieben. Eigentlich ist die<br />

Diskussion, die momentan rund um die Social Media geführt wird,<br />

immer noch die gleiche wie vor ein paar Jahren, als man sich gefragt<br />

hat, was uns das Internet eigentlich bringe. 76 Prozent aller Schweizer<br />

haben täglich mehrmals Zugang zum Internet. Damit ist es ganz klar<br />

ein Massenmedium. Gleichzeitig wird die Unter scheidung zwischen<br />

Online- und Offl ine-Welt immer kleiner. Zu sagen, da ist jetzt eine<br />

neue virtuelle Welt, ist doch gar nicht mehr der Punkt. Das Internet<br />

wird immer mehr Teil unseres Alltags. Dieser Prozess ist schleichend.<br />

Es wird also nicht plötzlich eine virtuelle Revolution geben.<br />

Wie sollen die Unternehmen damit umgehen?<br />

Ich denke, das Wichtigste ist, dass man Dinge ausprobiert. Damit<br />

man weiss, was sich in den neuen Medien tut. Nur so lassen sich<br />

konkret Erfah rungen sammeln. Wir arbeiten mit unserem Institut<br />

schon lange mit BMW zusammen. Als vor vier Jahren alle Welt über<br />

Second Life redete, gehörte BMW zu den ersten Unternehmen, die<br />

sich aktiv in Second Life engagierten. Auf der Höhe des Hypes ist<br />

BMW wieder ausgestiegen, weil sie gesagt haben: Das haben wir<br />

jetzt verstanden.<br />

Und was hat BMW in Second Life gemacht – Autos verkauft ?<br />

Überhaupt nicht. Besonders beliebt war ein Sitzungszimmer von<br />

BMW, das man mieten konnte. Aufgrund dieser Erfahrungen war es<br />

für BMW aber leichter zu erahnen und zu verstehen, was als Nächstes<br />

kommt. Zu versuchen, aus dem Nichts heraus auf einem weissen<br />

Papier eine Strategie zu definieren, das bringt nichts.<br />

Was passiert mit der ganz normalen Werbung wie zum Beispiel<br />

einem Inserat im <strong>bull</strong>etin?<br />

Ich denke, die wird teilweise bleiben. Gut gemachte Printwerbung<br />

ist ein Statement von Qualität. Wenn es mit der Zielgruppe übereinstimmt,<br />

dann wird das auch in Zukunft noch sinnvoll sein. Ich bin<br />

ganz generell der festen Überzeugung, dass trotz der Einführung<br />

von neuen Medien nichts verschwindet. Wir hören heute noch Radio,<br />

in den meisten Büros stehen auch noch Faxgeräte rum. Die Verbreitung<br />

der neuen Medien findet statt, aber sie ersetzen keine alten.<br />

Dadurch wird gleich viel Budget in immer mehr Töpfe verteilt. Und<br />

die Frage ist, wie mache ich das am besten. Gleichzeitig herrscht<br />

die Überzeugung vor, dass etwas anders gemacht werden müsste.<br />

Was sind die Auswirkungen der neuen Medien auf<br />

die Medienlandschaft ?<br />

Natürlich gibt es dadurch einen stärkeren Wettbewerb. Doch das ist<br />

nicht per se schlecht, sondern birgt auch Chancen. So hat zum Beispiel<br />

in Deutschland der Axel Springer Verlag im ersten Quartal 20<strong>10</strong><br />

das beste Ergebnis seiner Geschichte geschrieben. Ihm ist es gelungen,<br />

alte und neue Medien so zu verknüpfen, dass regionale Themen<br />

stärker betont werden. Insbesondere in den USA haben einige<br />

Zeitungen vorgemacht, wie man als Regionalzeitung mit seinen Nachrichten<br />

noch lokaler werden und sich so erfolgreich behaupten kann.<br />

Für die globalen News brauche ich keine Zeitungen mehr.<br />

Und wo kommt das iPad rein? Haben Sie selber schon eins?<br />

Nein, bis jetzt noch nicht. Dafür hab ich meiner Mutter eins zum<br />

70. Geburtstag gekauft. Seitdem nutzt sie das Internet viel stärker<br />

als mit einem normalen Computer. Ich bin überzeugt, dass der Nutzen<br />

des iPad zurzeit noch völlig falsch eingeschätzt wird. Das ist ein<br />

Gerät, das sich im Moment noch den Markt sucht. Ähnlich wie damals<br />

der iPod, wird es eine völlig andere Kundengruppe erschliessen. Der<br />

iPod kam in einen Markt reingefahren, der entweder nicht mehr da<br />

war oder auf einmal wieder attraktiv wurde, weil das Gerät neue<br />

Möglichkeiten bot. Auch das iPad sucht sich noch seinen Nutzungsbereich.<br />

Es ist das erste Gerät, mit dem das Internet passiv benutzt<br />

wird. Ich kann keine Inhalte aktiv ins Netz stellen. Es wird als passive<br />

Plattform genutzt, über die ich mich informieren kann. Damit<br />

wird es völlig neue Anwendungen erschliessen. Ich gehe davon aus,<br />

dass es für viele ein Drittgerät zwischen dem Laptop und dem Smartphone<br />

sein wird. Ganz generell glaube ich, dass sich all die Leute,<br />

die sich ein iPad gekauft haben, gerade selber überlegen, wie sie<br />

es genau nutzen sollen. Vermutlich wird es sich zwischen Buch,<br />

Zeitung und Computer etablieren. Da hat es durchaus eine Existenzberechtigung<br />

und somit einen Markt.<br />

Wie ändert sich das Berufsbild des Marketingexperten?<br />

Er muss sich mehr Wissen rund um die neuen Technologien aneignen.<br />

Ich bin überzeugt, viele Marketingleute wissen noch immer nicht,<br />

wie Google eigentlich funktioniert. Viele behaupten, sie verstünden<br />

Twitter. Ich glaube, Twitter selbst kennt sein eigenes Geschäftsmodell<br />

noch nicht. Da gibt es noch viel Entwicklungsbedarf. <<br />

Marcus Schögel ist Professor am Institute of Marketing<br />

an der Universität St. Gallen. Sein Forschungsgebiet<br />

umfasst strategisches Marketing, Distributionsmanagement,<br />

Kooperationen im Marketing und<br />

Umgang mit Trends im Marketing. Schögel ist 43 Jahre<br />

alt und studierte Betriebswirtschaft an der Freien<br />

Universität Berlin. 1997 promovierte er an der Universität<br />

St. Gallen zum Thema «Mehrkanalsysteme in<br />

der Distribution». Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift<br />

«Thexis» und Mitglied des Editorial Board des<br />

Journal of Organizational Virtualness.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


16 <strong>Konsum</strong> Ohne Geld<br />

Mit weichen Währungen aufwiegen<br />

Slumbewohner in Brasilien sammeln Müll und tauschen ihn gegen Lebensmittel,<br />

Busfahrkarten und Schulhefte. Japanische Studenten betreuen Betagte und<br />

lassen sich ihren Aufwand mit Zeit abgelten, die sie für ihren eigenen Ruhestand<br />

ansparen. Mit Alternativwährungen wie «Zeit» oder «Tausch in Kombination<br />

mit Zeit» werden Dinge geregelt, die Geld als harte Währung nicht mehr regeln kann.<br />

Die weichen Währungen sind eine sinnvolle Ergänzung zu Dollar, Yen und Franken.<br />

Text: Hannes Hug<br />

Akkurat geharkte Kieswege säumen einen verwunschenen Koikarpfen-Teich.<br />

Ein Schwarm Rauchschwalben zwitschert im Vorbeiflug<br />

sein Lied. Umgeben von gepflegt gestutzten Teepflanzen und<br />

Bonsaibäumchen sitzt Ryuichi Kawai in seinem geliebten Garten.<br />

Die Oase ist gleichermassen Stolz und Leidenschaft des 92 Jahre<br />

alten Mannes. Herr Kawai lebt alleine und kinderlos. In Europa<br />

wäre der vitale Rentner wohl eher Bewohner eines Altersheims<br />

denn stolzer Besitzer eines Gartenparadieses. Nicht so in Japan.<br />

Hier können ältere Menschen dank des «Fureai Kippu», übersetzt<br />

Pflege-Beziehungs-Ticket, auf die Unterstützung von freiwilligen<br />

Helferinnen und Helfern zählen, um möglichst lange in ihrer gewohnten<br />

Umgebung leben zu können.<br />

Der 23-jährige Tosho Agato ist Student. Er lebt in der Nachbarschaft<br />

von Herrn Kawai und geht ihm wöchentlich mehrere Stunden<br />

zur Hand. Nebst der Pflege des erwähnten Gartens bringt Agato<br />

dem alten Herrn das Abendessen vorbei und hilft ihm bei seinem<br />

täglichen Baderitual. Dafür investiert der Student jeden Tag zwei<br />

Stunden seiner Zeit. Diese werden ihm auf seinem «Fureai Kippu»-<br />

Konto gutgeschrieben. Tosho Agato hat nun die Wahl, sein angespartes<br />

Stundenguthaben dereinst seinen Eltern zukommen zu lassen<br />

oder für seinen eigenen Ruhestand einzusetzen.<br />

Bald ist ein Drittel der Bevölkerung Japans über 65 Jahre alt<br />

15 Prozent aller Japaner sind heute schon über 65 Jahre alt. In knapp<br />

40 Jahren wird es bereits jeder Dritte sein. Wie in den meisten Ländern<br />

Europas steigt im Land der aufgehenden Sonne die Lebenserwartung,<br />

und die Menschen werden immer älter. Zwar ist das Ideal<br />

der mehrere Generationen umfassenden Grossfamilie in Japan weit<br />

verbreitet – der Trend zur Kleinfamilie dennoch unumkehrbar. Was<br />

bedeutet, dass, wie in unseren Breitengraden auch, eine steigende<br />

Zahl von Menschen, die leichte Pflege oder Hilfe zur selbständigen<br />

Bewältigung des Alltags benötigen, einer sinkenden Zahl von Men-<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Ohne Geld <strong>Konsum</strong> 17<br />

BUS<br />

TICKET<br />

schen gegenübersteht, die diese Leistungen erbringen können –<br />

sei es, weil sie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten haben, um damit<br />

den gesamtgesellschaftlichen «Cashflow» aufrechtzuerhalten, oder<br />

weil das Zusammenleben in Form von Sippe oder Klan nicht mehr<br />

länger existiert.<br />

Versicherungen übernehmen wohl die notwendigsten Pflegeleistungen,<br />

aber keines dieser Unternehmen würde den Faktor Zeit als<br />

schlagendes Verkaufsargument ins Feld führen. In diesem Spannungsfeld<br />

von Wunsch und Wirklichkeit operiert der pensionierte<br />

Jurist Tsutomu Hotta. Hotta begründete vor 15 Jahren die Sawayaka-Stiftung,<br />

die den «Fureai Kippu» ins Leben gerufen hat. Mittlerweile<br />

arbeiten rund hundert örtliche Dienste in Japan mit der alternativen<br />

Pflegewährung. Sie bieten, was die professionell Pflegenden<br />

nur begrenzt im Angebot haben: Zeithaben, Dasein, Zuhören.<br />

Clever ist die Idee der alternativen Pflegewährung zum einen, weil<br />

ältere Menschen nicht aufgrund üblicher Alterserscheinungen gleich<br />

eine Pflegeeinrichtung beanspruchen müssen – was volkswirtschaftlich<br />

nicht unwesentlich ist – und sie zum anderen ihren Lebensabend<br />

unabhängig und in Würde in ihrer gewohnten Umgebung verbringen<br />

können, auch wenn sie nicht über die Mittel für altersgerechtes<br />

Wohnen verfügen. Als zusätzliches Plus verbindet der «Fureai Kippu»<br />

Menschen verschiedener Generationen, stärkt das Gemeinschaftsgefühl<br />

und sensibilisiert für das Verhältnis zwischen Geben und<br />

Nehmen, dem Tausch – der Mutter aller Handelsbeziehungen von<br />

Mensch zu Mensch.<br />

Wie aus Muscheln Münzen wurden<br />

Geld, im Sinne einer Landeswährung, ist eine relativ neue Errungenschaft.<br />

Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert, und damit im Zuge<br />

der Bildung von Nationen, wurden Währungen erfunden, die den<br />

Charakter und die Identität der Nation zu unterstreichen hatten.<br />

Geld im Sinne einer Masseinheit – um den Verhältniswert zwischen<br />

Geben und Nehmen einer Ware oder einer Dienstleistung auszudrücken<br />

– setzten bereits die Chinesen vor rund 3500 Jahren ein.<br />

In der Regel handelte es sich dabei um Kaurimuscheln, Perlen oder<br />

Steine. Tausend Jahre später erfand König Krösus Geld in Form von<br />

Münzen. Der einstige Herrscher Kleinasiens, der heutigen Türkei,<br />

liess das aus dem Fluss Paktos gewonnene Gold zu Münzen prägen<br />

und versah diese mit seinem Siegel, einem Stier und einem Löwen.<br />

Krösus beabsichtigte damit, seinen Reichtum zu demonstrieren,<br />

um bei anderen Herrschern entsprechend Eindruck zu schinden.<br />

Die Macht, die von Geld ausgeht, ist von jeher nicht nur in der vorhandenen<br />

Menge zu verorten, sondern gleichsam in seiner Erscheinung<br />

und Gestaltung. Zeitgleich mit Krösus initiierten die Ägypter<br />

das erste duale Währungssystem. Fernhandelsbeziehungen pflegten<br />

sie mit Gold und anderen Edelmetallen. Lokale Geschäfte wurden<br />

mit Weizen getätigt, denn Weizen ist leicht verderblich und daher<br />

für längere Schiffsreisen ungeeignet – Gold dafür wertbeständig.<br />

Zusätzlich wurde der lokale Handel um eine weitere Innovation ergänzt.<br />

Um die Haltbarkeit des Weizens zu erhöhen, wurde er in kühlen<br />

Speichern eingelagert. Der Nachweis des Besitzes wurde mittels<br />

Tonscherben erbracht. Diese Tonscherben standen stellvertretend<br />

für den Weizen als lokale Währung. Das Wechselspiel von Gold und<br />

Ton, beziehungsweise Weizen, veranschaulicht, wie bestechend die<br />

Idee der sich ergänzenden Währung ist.<br />

Da Geld lediglich die Vereinbarung einer Gesellschaft ist, etwas<br />

als Tauschmittel zu verwenden, muss es sich nicht zwingend um eine<br />

Münze oder eine Note handeln. Geld drückt also eine Beziehung<br />

zwischen Menschen aus. Es hat normativen Charakter und formt<br />

so unsere Kultur. Geld in Form von Papier oder Metall mag zwar<br />

den Welthandel regeln; der Ausdruck der «harten» Währung unterstreicht<br />

dies zusätzlich. Wie aber lassen sich Dinge regeln, die sich<br />

aus der Tatsache ergeben, dass sich der Mensch – in seinem Tun<br />

und Lassen – nicht alleine auf Nachfrage und Angebot reduzieren ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


18 <strong>Konsum</strong> Ohne Geld<br />

lässt ? Bernard A. Lietaer, ehemaliger Manager der belgischen Zentralbank<br />

und einer der Miterfinder des Ecu (Vorläufer des Euro), ist<br />

überzeugt, dass wir den künftigen Herausforderungen – wie den<br />

demografischen Veränderungen, knapper werdenden Ressourcen<br />

und dem Wandel zu einer multipolaren Welt – mit einem Modell<br />

begegnen müssen, das nachhaltiger angelegt ist, als dass es sich<br />

lediglich über den gewohnten Geldfluss regeln liesse.<br />

Lietaer spricht in diesem Zusammenhang von «Yin und Yang»-<br />

Währungen. Mit «Yang»-Währungen sind die Landeswährungen,<br />

mit dem Dollar als Leitwährung, gemeint. Die «Yin»-Währung steht<br />

für den Tausch, der die soziale Komponente beinhaltet und unser<br />

Zusammenleben als weiche Währung regelt. Ein gelungenes Bei -<br />

spiel dafür, wie dank einer «Yin»-Währung sozial benachteiligte<br />

Menschen, mit wenig Aussicht auf ein besseres Leben, an einer<br />

prosperierenden Ökonomie partizipieren können, trägt den klingenden<br />

Namen «Curitiba».<br />

Curitiba – die vierte Dimension des Recyclings<br />

Curitiba ist die siebtgrösste Stadt Brasiliens. Die Metropole liegt<br />

im Süden des Landes und belegt heute den dritten Platz in der<br />

Rangliste der 15 grünsten Städte der Welt. Zu verdanken ist dies<br />

vor allem dem ehemaligen Bürgermeister Curitibas, Jaime Lerner. In<br />

drei Legislaturperioden, die letzte zu Beginn der 1990-er Jahre, hat<br />

Lerner – nebst einer nachhaltigen Stadtplanung in Sachen Architektur,<br />

Infrastruktur und Bildung – das Problem der Abfallentsorgung in<br />

den Favelas entschärft. Wie in allen Schwellenländern zieht es auch<br />

in Brasilien die Landbevölkerung auf der Suche nach Arbeit in die<br />

Stadt. Da macht Curitiba, das heute rund 3,5 Millionen Einwohner<br />

zählt, keine Ausnahme. In der Folge wuchern an den Rändern der<br />

Metropole Favelas, die aus kreuz und quer aufgestellten Behausungen<br />

bestehen und deren Architektur keiner ersichtlichen Logik<br />

folgt. Jaime Lerner sah sich in den chaotisch orga nisierten Favelas<br />

mit Bergen von Müll konfrontiert. Müll, der die Gesundheit der<br />

ohnehin in Not lebenden Slumbewohner ernsthaft bedrohte. Kehrichtlastwagen<br />

waren nicht imstande, die Trampelpfade der Favelas<br />

zu passieren. Geld, um die Hütten abzureissen und neue Strassen<br />

zu bauen, war keines vorhanden.<br />

Da ersann der kreative Bürgermeister Lerner ein simples, aber<br />

geniales System: Am Rande der Siedlungen wurden zur Sortierung<br />

des Mülls farblich gekennzeichnete Container aufgestellt. Wer eine<br />

Tüte mit sortiertem Müll brachte, wurde mit einem Busticket entschädigt.<br />

Diese Tickets wiederum konnten gegen Schulhefte oder<br />

Lebensmittel getauscht werden. Bald sammelten Tausende von Kindern<br />

Müll, um diesen gegen Busfahrkarten zu tauschen, und hielten<br />

so ihr Viertel sauber.<br />

Komplementärwährung stärkt Selbstvertrauen<br />

Innerhalb eines Jahres wurden 11 000 Tonnen Müll gegen eine Million<br />

Busfahrkarten und 1200 Tonnen Lebensmittel eingetauscht.<br />

Heute ist das Durchschnittseinkommen in Curitiba rund dreimal so<br />

hoch wie im übrigen Brasilien. Der «Curitiba» illustriert, wie Menschen<br />

«ohne Geld» durch die Schaffung einer lokalen Währung wirtschaftlich<br />

aktiv werden und so ihre Lebenssituation verbessern. Viele von<br />

ihnen sind in dieser ortsgebundenen Mikroökonomie zum ersten Mal<br />

Akteure und nicht Empfänger von Almosen. So gesehen steht die<br />

Kreation einer Komplementärwährung nicht bloss für das Andocken<br />

an den regulären Geldkreislauf oder ein gut gemeintes Charityprojekt,<br />

sondern sorgt für echte Perspektiven und stärkt das Selbstvertrauen<br />

der Favela-Bewohnerinnen und -Bewohner, die im Wortsinn<br />

am Rande der Gesellschaft stehen. Komplementärwährungen<br />

schaffen in strukturschwachen Regionen neue Perspektiven und<br />

sorgen dafür, dass der lokal erwirtschaftete Wert nicht abfliesst.<br />

Alternative Währungssysteme treten in den verschiedensten Formen<br />

in Erscheinung. Mal sind sie ideologischer gefärbt, mal pragmatisch<br />

geprägt. Immer aber sehen sie sich als Ergänzung zum<br />

regulären Geldfluss, wollen soziale Brennpunkte entschärfen und<br />

bieten Menschen, die nicht am regulären Geldfluss partizipieren können,<br />

eine Alternative – Change eben. <<br />

Recycling auf Brasilianisch:<br />

Wo der Kehrichtwagen nicht hinkommt,<br />

treten Carrinheiros, Lumpensammler<br />

mit ihren typischen Karren, auf den Plan<br />

und bringen Karton und sonstigen Müll<br />

weg. In Curitiba fördert der Kehricht sogar<br />

das Weiterkommen, denn dort sammeln<br />

und sortieren auch Tausende von Kindern<br />

Abfall, den sie gegen Bustickets, Schulhefte<br />

oder Lebensmittel eintauschen können.<br />

Foto: Maria Terezinha Vaz<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


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20 <strong>Konsum</strong> Energie<br />

AKTION<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Energie <strong>Konsum</strong> 21<br />

Energiehunger<br />

Der Hunger nach Energie ist ein steter Begleiter des Menschen. Im Lauf der Geschichte<br />

wurden immer wieder neue Energieformen entdeckt und angewendet. Dies hatte<br />

jeweils gravierende Konsequenzen auf die gesamte menschliche und gesellschaftliche<br />

Entwicklung.<br />

Text: Andreas Walker<br />

Foto: Mathias Hofstetter<br />

Am Anfang war das Feuer. Der Mensch konnte das Feuer zähmen<br />

und nutzbar machen. Damit unterschied er sich klar von den Tieren<br />

und leitete eine rasante Entwicklung ein. Um das Feuer ranken sich<br />

unzählige Sagen und Legenden. Aus der griechischen Mythologie<br />

kennen wir Prometheus. Er hatte Zeus betrogen, worauf dieser als<br />

Strafe den Menschen auf der Erde das Feuer vorenthielt. Prometheus<br />

jedoch entzündete eine Fackel am vorbeifahrenden, funkensprühenden<br />

Sonnenwagen des Helios, eilte zur Erde zurück und setzte mit<br />

der lodernden Fracht einen Holzstoss in Flammen.<br />

Wie auch immer das Feuer auf die Erde gekommen sein mag –<br />

vermutlich war es ein Blitzschlag –, ohne diesen Wärmespender<br />

sässen unsere Vorfahren noch in den «heissen Zonen» der Erde und<br />

hätten somit nie den Norden besiedeln können. Auch das Schmelzen<br />

von Metall und das Brennen von Ton wäre nicht möglich gewesen.<br />

Mit Volldampf voraus<br />

Bereits <strong>10</strong>0 v. Chr. beschreibt der griechische Physiker Heron von<br />

Alexandria erstmals den Rückstoss von Dampf als Antrieb. Der entscheidende<br />

Durchbruch gelang schliesslich dem schottischen Ingenieur<br />

James Watt, der eine Dampfmaschine des englischen Erfinders<br />

Thomas Newcomen entscheidend verbesserte und 1769 patentieren<br />

liess. Mit der serienmässigen Herstellung von Dampfmaschinen wurde<br />

der Beginn des Industriezeitalters eingeläutet. Erst mit der Nutzung<br />

der Dampfkraft war es möglich, Lokomotiven zu bauen, die<br />

wiederum das ganze Transportwesen schlagartig veränderten und<br />

damit einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaft hatten.<br />

Erdöl schmiert das Getriebe der Wirtschaft<br />

Erdöl ist seit der Industrialisierung einer der wichtigsten Energielieferanten<br />

unserer Zivilisation. Ohne das «schwarze Gold» läuft nichts.<br />

Bereits 1859 entstand die erste Erdölraffinerie, als der Amerikaner<br />

Edwin Drake durch Bohrungen grosse Mengen Öl aus der Erde förderte.<br />

Als das elektrische Licht eingeführt wurde, verlor das Erdöl<br />

zuerst seine Attraktivität. Diese flammte jedoch schnell wieder auf,<br />

als das Automobil entwickelt wurde und plötzlich viel Benzin nötig<br />

war. Seither ist dieser Energielieferant nicht mehr wegzudenken.<br />

Mehr als ein Drittel des weltweiten Energiebedarfs wird durch Erdöl<br />

gedeckt; es ist damit Energierohstoff Nummer eins. Mag Erdöl zum<br />

Tanken von Autos oder zum Heizen sehr praktisch und einfach zu<br />

handhaben sein, so ist der Transport bis zum Endverbraucher nicht<br />

unproblematisch. Dies wird uns immer wieder bewusst, wenn ein<br />

Tankerunglück in die Schlagzeilen gerät.<br />

Das schwarze Gold hat Schattenseiten<br />

Eine der grössten Tankerkatastrophen in Europa passierte am<br />

12. Dezember 1999, als der einwandige, unter maltesischer Flagge ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


22 <strong>Konsum</strong> Energie<br />

fahrende Tanker «Erika» mit 30 000 Tonnen Schweröl an Bord vor<br />

der bretonischen Küste bei stürmischer See auseinanderbrach. 400<br />

Kilometer Küste wurden dabei verseucht und etwa 75 000 Vögel<br />

verendeten im Ölteppich.<br />

Doch der Horror eines Tankerunglücks wurde am 20. April 20<strong>10</strong><br />

noch überboten. An diesem Tag explodierte die Ölplattform «Deepwater<br />

Horizon» nach einem unkontrollierten Ölaustritt und versank<br />

im Meer. Die anschliessende Verschmutzung im Golf von Mexiko<br />

durch das austretende Öl in 1500 Metern Tiefe führte zur schwersten<br />

Umweltkatastrophe dieser Art in den Vereinigten Staaten.<br />

Schätzungen gehen davon aus, dass allein schon in den darauffolgenden<br />

ersten drei Monaten knapp zehn Millionen Liter Öl ins Meer<br />

geflossen sind.<br />

Doch so gigantisch diese Ölverschmutzung ist, die ersten drei<br />

Monate des ausgeflossenen Öls würden gerade einmal eine Stunde<br />

des globalen Ölbedarfs abdecken! Auch wenn diese Ölpest lange<br />

Zeit weltweit für Schlagzeilen sorgte, wäre es ein grosser Irrtum zu<br />

glauben, dass nur bei solch spektakulären Unfällen oder bei einem<br />

Tankerunglück viel Öl ins Meer fliesst. Die Ölmenge, die durch marode<br />

Bohrköpfe und lecke Pipelines an unzähligen Stellen auf der<br />

Welt austritt, läppert sich ganz schön zusammen.<br />

Ein trauriges Kapitel bilden in dieser Hinsicht die Ölbohrungen im<br />

Nigerdelta. Seit 50 Jahren fördern ausländische Konzerne dort nigerianisches<br />

Öl, das leicht zu raffinieren ist. Experten schätzen, dass<br />

bisher etwa zwei Milliarden Liter davon ins Nigerdelta geflossen sind.<br />

Dies ergibt jedes Jahr eine Ölverschmutzung wie beim Tankerunglück<br />

der «Exxon Valdez». Bei dieser Ölpest wurden 1989 unberührte<br />

Küstenregionen in Alaska auf 2000 Kilometern Länge verseucht,<br />

nachdem 40 000 Tonnen Öl ins Meer geflossen waren.<br />

Vom Wasser angetrieben<br />

Wasserkraft ist neben der Windkraft eine der ältesten genutzten<br />

Energien. Bereits im antiken Griechenland und in Rom wurden Wasserräder<br />

zum Mahlen von Mehl eingesetzt. Während des Mittelalters<br />

wurden grosse Wasserräder aus Holz verwendet, die zum Antrieb<br />

von Maschinen im Bergbau, in Schmiedewerkstätten, in Säge- und<br />

Schleifwerken oder in Tuchwalkereien benutzt wurden. Die Wasserkraft<br />

spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der ersten<br />

Industriestädte Europas und der USA. Die ersten Wasserkraftwerke<br />

für die Stromerzeugung wurden 1880 im englischen Northumberland<br />

gebaut. Bis heute hat sich die Technik an den grossen Anlagen nicht<br />

wesentlich verändert, sie wurde jedoch perfektioniert. So wird immer<br />

noch mit verschiedenen Turbinentypen und Generatoren Strom produziert.<br />

Weltweit wird mit Wasserkraft rund ein Viertel der gesamten<br />

Energie erzeugt. Wasserkraft ist sauber und natürlich. Doch der<br />

Hunger nach Strom fordert immer grössere Stauseen, immer leistungsfähigere<br />

Kraftwerke, was nicht ohne Folgen bleibt.<br />

Obwohl man heute besser Bescheid weiss darüber, was grosse<br />

Staudämme bewirken können, werden diese in immer grösseren<br />

Dimensionen gebaut. So zählt der Drei-Schluchten-Staudamm in<br />

China zu den grössten Talsperren der Erde. Bereits am 14. Dezember<br />

1994 wurde mit dem Bau begonnen, der bis zu 18 000 Arbeitskräfte<br />

beschäftigte. Der Projektname steht für die Bezeichnung<br />

der am 20. Mai 2006 in Betrieb genommenen Aufstauung des<br />

Jangtsekiang in China. Dabei entsteht ein Stausee im Bereich der<br />

drei Schluchten Qutang, Wuxia und Xiling. Der Jangtsekiang ist mit<br />

6380 Kilometern der längste Strom Chinas und der drittlängste der<br />

Welt. Bei diesem gigantischen Projekt werden ganze Städte, un-<br />

Energievielfrasse<br />

Der Weltenergiebedarf dürfte sich bis 2060 verdreifachen.<br />

Enorm energiehungrig sind vor allem Schwellenund<br />

Entwicklungsländer, die ihren Lebensstandard dem<br />

der Industrienationen angleichen.<br />

<strong>10</strong>7<br />

Terawatt0stund0en<br />

0<br />

im Jahr 20<strong>10</strong><br />

16Ter0awat ts5tund0en<br />

0<br />

im Jahr 2030<br />

32T1erawatt0stunde0n<br />

0<br />

im Jahr 2060<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Energie <strong>Konsum</strong> 23<br />

zählige Dörfer und Fabriken untergehen. Insgesamt müssen knapp<br />

zwei Millionen Menschen umgesiedelt werden.<br />

Energie, die aus den Bausteinen der Materie kommt<br />

Seit den 1960er-Jahren erlangten die Kernkraftwerke eine bedeutende<br />

Rolle bei der Energiegewinnung. Die Kernspaltung wurde 1938<br />

durch die deutschen Chemiker Otto Hahn und Friedrich Wilhelm<br />

Strassmann entdeckt. Durch die Spaltung der Atome wird Wärmeenergie<br />

freigesetzt, die mittels Turbinen und eines Generators in<br />

elektrische Energie umgewandelt wird.<br />

Dabei wird das radioaktive Schwermetall Uran gespalten, das sich<br />

in den Brennstäben befindet. Ein Kilogramm Uran reicht für die Erzeugung<br />

von 350 000 kW/h Strom. Mit einem Kilogramm Öl können<br />

hingegen lediglich 12 kW/h erzeugt werden. Der Kernkraftanteil an<br />

der weltweiten Stromerzeugung beträgt etwa 16 Prozent, in Deutschland<br />

sind es 23 Prozent und in der Schweiz 39 Prozent.<br />

Galt in den Anfängen der Atomenergie ein Kernkraftwerk als<br />

sauber, leistungsstark und kostengünstig, wurde dieses Vertrauen<br />

seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April 1986 massiv erschüttert.<br />

Rund 600 000 Menschen wurden durch diesen Unfall<br />

starker radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Die genaue Zahl der Toten<br />

ist bis heute nicht bekannt, sie dürfte bei mehreren Tausend liegen.<br />

Ein weiteres grosses Problem von Kernkraftwerken ist die Endlagerung<br />

der radioaktiven Abfälle, die für menschliche Begriffe eine<br />

Ewigkeit lang gefährlich bleiben. So hat Plutonium eine Halbwertszeit<br />

von 24 1<strong>10</strong> Jahren, verliert also erst nach dieser Zeit die Hälfte<br />

der radioaktiven Strahlung.<br />

Seit dem Beginn des industriellen Zeitalters hat die Menschheit den<br />

grössten Teil der Wirtschaft auf der Nutzung fossiler Energieträger<br />

aufgebaut. Experten rechnen damit, dass nach dem heutigen Wissensstand<br />

die bekannten Reserven beim Erdöl für circa 40 Jahre,<br />

beim Uran für 50 Jahre, beim Erdgas für circa 60 Jahre und bei der<br />

Kohle noch für etwa 220 Jahre reichen werden.<br />

Die Energieversorgung steht vor grundlegenden Umwälzungen<br />

Die Energieversorgung der Menschheit steht an einem Wendepunkt<br />

und vor grundlegenden Umwälzungen. Neue Entdeckungen und<br />

technologische Fortschritte können gezielte Veränderungen bewirken.<br />

Wahrscheinlich ist auch ein Szenario, in dem die Klimaveränderung<br />

und das rasante Bevölkerungswachstum mit einem ständig<br />

wachsenden Energiehunger ein Umdenken erzwingen werden. Aus<br />

heutiger Sicht scheinen sich vor allem zwei Trends abzuzeichnen:<br />

einerseits Energieeinsparungen und effizientere Nutzung, anderseits<br />

die Erschliessung alternativer Energiequellen wie die Sonnenenergie.<br />

Der Beitrag zur globalen Stromproduktion mittels Fotovoltaik liegt<br />

immer noch weit unter einem Prozent, doch die Wachstumsrate ist<br />

stark im Steigen begriffen. Seit 1988 hat die neu installierte fotovoltaische<br />

Leistung jedes Jahr um 35 Prozent zugenommen. Allein<br />

2009 wurden weltweit Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von<br />

rund 5000 MW neu installiert.<br />

Es stellt sich allerdings die Grundsatzfrage, ob eine stetige Steigerung<br />

des Energiekonsums überhaupt wünschenswert ist. Denn<br />

mit dem immer grösser werdenden Energiekonsum greift der Mensch<br />

auch immer stärker in die Abläufe der Ökosysteme ein. <<br />

Vom Wind beflügelt<br />

Ohne die Kraft des Windes in den Segeln der Schiffe wäre Amerika<br />

wohl wesentlich später entdeckt worden. Schon im frühen Mittelalter<br />

hatte man die Windenergie für den Antrieb von Windmühlen<br />

genutzt, die vorwiegend zum Mahlen des Getreides eingesetzt wurden.<br />

Waren die Windmühlen aus alter Zeit noch behäbige kleine<br />

Türme mit Stoffsegeln, so sind die heutigen Windkraftmaschinen<br />

schlanke hohe Masten mit dreiflügligen Rotoren. Damit wird die<br />

Windenergie in Rotationsenergie umgewandelt, wobei über einen<br />

Generator Strom erzeugt wird.<br />

Allein 2009 wurden weltweit Windkraftanlagen mit einer Leistung<br />

von 37 466 Megawatt (MW) neu errichtet, davon 13 000 MW in China,<br />

9922 MW in den Vereinigten Staaten, 2459 MW in Spanien, 1917 MW<br />

in Deutschland und 1271 MW in Indien. Insgesamt wurden bis Ende<br />

2009 weltweit Anlagen mit über 150 000 MW Leistung installiert.<br />

Der Energiehunger der Welt wird immer grösser<br />

Der Weltenergiebedarf liegt zurzeit bei etwa <strong>10</strong>7 000 Terawattstunden<br />

(ein Terawatt entspricht einer Billion Watt) pro Jahr und ist<br />

auch weiterhin stark im Steigen begriffen. Experten gehen davon<br />

aus, dass der Energiekonsum bis zum Jahr 2030 wohl auf etwa<br />

160 500 Terawattstunden pro Jahr ansteigen dürfte. Bis zum Jahr<br />

2060 soll sich der Energiebedarf noch einmal verdoppeln auf<br />

321 000 Terawattstunden pro Jahr. Der Hauptgrund für diese Entwicklung<br />

dürfte in den aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländern<br />

liegen, deren Lebensstandard sich dannzumal bereits stark<br />

den westlichen Industrienationen angeglichen haben wird. Laut den<br />

neuesten Daten der Internationalen Energie-Agentur (IEA) lag der<br />

Energieverbrauch Chinas 2009 bereits vier Prozent höher als derjenige<br />

in den USA.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


Basejumper Marco Büchel stürzt<br />

sich vom so genannten Pilz in<br />

der Eigernordwand in die Tiefe.


*C 9 H 13 NO 3<br />

ADRENALIN<br />

*<br />

Gratis!<br />

Robert Bösch ist seit über<br />

20 Jahren freischaffender<br />

Fotograf. Eines seiner liebs ten<br />

Sujets: Extremsportler in<br />

Aktion. Er fängt mit seiner Kamera Augenblicke ein,<br />

bei denen den meisten Menschen nur schon beim<br />

Zuschauen das Adrenalin in die Adern schiesst. Nicht<br />

erstaunlich, hat er doch selber das Bergsteigen und<br />

Klettern lange Zeit suchtmässig betrieben. Seine<br />

grosse Leidenschaft gehört, neben dem Fotografieren,<br />

den Bergen. Dort begibt sich der lizenzierte Bergführer<br />

und studierte Geograf für ein gutes Bild immer<br />

wieder in Extremsituationen. Er bestieg für einen Filmund<br />

Fotoauftrag den Mount Everest und foto grafierte<br />

in den letzten Jahren viele Extremtouren von Ueli Steck.<br />

Daneben hat Bösch aber auch Aufträge aus Industrie<br />

und Werbung. Er hat für mehrere Bildbände fotografiert<br />

und realisierte Ausstellungen in Galerien und Museen.<br />

Auch widmet er sich zunehmend der Landschaftsund<br />

Kunstfotografie.


Mountainbiker Tarek Rasouli<br />

donnert in der Provence die Steilhänge<br />

der Ockerlandschaft runter.


Kajakfahrer Simon Hirter bei einem<br />

spektakulären Drop in die wild<br />

schäumende Verzasca im Tessin.


Abgeseilt in einer Eishöhle im<br />

Zungenbereich des Morteratschgletschers<br />

im Engadin.


Ueli Steck unterwegs «free solo»,<br />

also ohne jegliche Sicherung,<br />

in der «Excalibur »-Wand beim<br />

Sustenpass.


Global Credit Suisse 31<br />

Credit Suisse Global<br />

Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />

Fotos: Olav A. Saltbones, Norwegisches Rotes Kreuz | Linus Fetz, Davos Festival | Martin Stollenwerk<br />

Benefi zveranstaltung in Zürich<br />

Match for Africa<br />

Roger Federer und Raphael Nadal,<br />

die beiden besten Tennisspieler<br />

der Welt, sind nicht nur Rivalen um<br />

Turniersiege, sondern gleichzeitig<br />

auch Freunde mit einem gemeinsamen<br />

Ziel: die Situation benachteiligter<br />

Kinder zu verbessern. Deshalb<br />

liefern sie sich am 21. Dezember im<br />

Hallenstadion Zürich ein Show duell,<br />

dessen Erlös der Roger Federer<br />

Foundation zukommt. Diese setzt<br />

sich in Afrika für Schulbildung,<br />

Sport und Spiel von Kindern ein.<br />

www.credit-suisse.com/rogerfederer<br />

Katastrophenhilfe<br />

Jahrhundertflut in Pakistan<br />

Die diesjährigen Monsunregen<br />

haben in Pakistan heftige Überschwemmungen<br />

ausgelöst, rund<br />

ein Viertel des Landes wurde<br />

überflutet. Schätzungen zufolge<br />

sind 20 Millionen Menschen betroffen,<br />

6 Millionen sind obdachlos.<br />

In Anbetracht dieser schweren<br />

Notlage hat die Credit Suisse eine<br />

Sofortspende von 250 000 Franken<br />

getätigt und bei ihren Mitarbeitenden<br />

eine weltweite Spendenaktion<br />

zur Unterstützung der Hilfsmassnahmen<br />

gestartet, bei der<br />

über 600 000 Franken gesammelt<br />

werden konnten. Der Katastrophenhilfe-Fonds<br />

der Credit Suisse<br />

Foundation hat die Spenden der<br />

Mitarbeitenden um den doppelten<br />

Betrag erhöht, sodass insgesamt<br />

ein Betrag von über 2 Millionen<br />

Franken zusammenkam. Die Spende<br />

der Credit Suisse kommt direkt<br />

Seit 1986 werden mit Unterstützung der Credit<br />

Suisse junge Spitzenmusiker aus aller Welt nach<br />

Davos eingeladen. Das Eröffnungskonzert des<br />

25. Davos Festival bestritten mit Martin Helmchen,<br />

Klavier, Antoine Tamestit, Bratsche, und Nicolas<br />

Altstaedt, Cello, die drei letzten Gewinner des<br />

Credit Suisse Young Artist Award, kongenial<br />

unterstützt vom Violinisten Daishin Kashimoto.<br />

den Rotkreuz- und Rothalbmond-<br />

Gesellschaften zugute und soll für<br />

die Sicherstellung der lebensnotwendigen<br />

Soforthilfe in Pakistan –<br />

einschliesslich ärzt licher Betreuung,<br />

Unterkunft und sau beren Trinkwassers<br />

– eingesetzt werden.<br />

Ernennungen in der Geschäftsleitung<br />

Eric Varvel ist neuer<br />

CEO Investment Banking<br />

Seit dem 1. Oktober ist David<br />

Mathers, der seit 1998 bei der<br />

Credit Suisse tätig ist, neuer Chief<br />

Financial Officer (CFO) der Credit<br />

Suisse Group AG; Renato Fassbind<br />

bleibt der Bank als Senior Advisor<br />

erhalten. Ebenfalls auf Anfang Oktober<br />

erfolgte ein Wechsel in der<br />

Leitung der Geschäftsregion Asia-<br />

Pacifi c: Osama Abbasi ist neuer<br />

CEO als Nachfolger von Kai Nargolwala,<br />

der künftig als Chairman<br />

wirkt. Bereits auf Anfang Juli hat<br />

Eric Varvel die von ihm ad interim<br />

wahrgenommene Leitung des Investment<br />

Banking definitiv übernommen;<br />

Paul Calello unterstützt ihn<br />

als Chairman I nvestment Banking.<br />

Wie bisher führen Walter Berchtold<br />

das Private Banking und Robert<br />

Shafir das Asset Management. Zur<br />

Entlastung von Robert Shafir wirkt<br />

nun Antonio Quintella als CEO<br />

Americas. Nachfolger von Eric Varvel<br />

als CEO Europe, Middle East<br />

and Africa ist Fawzi Kyriakos-Saad.<br />

Zertifi kate für Kundenberater<br />

Gezielte Weiterbildung<br />

Die Qualität der Mitarbeitenden ist<br />

auch im Bankwesen das wichtigste<br />

Unterscheidungskriterium im globalen<br />

Wettstreit. Dies gilt insbeson -<br />

dere für die weltweit 4000 Private<br />

Banking Kundenberater der Credit<br />

Suisse. Sie sollen bis Ende 2012<br />

das anspruchsvolle Weiterbildungsprogramm<br />

FLT (Front Line Training)<br />

absolvieren und ein entsprechendes<br />

Zertifi kat erhalten. Ende August<br />

wurde in Singapur die Pilotphase<br />

mit der Übergabe der ersten<br />

30 Zertifikate abgeschlossen.<br />

Energiesparen ohne Komforteinbusse<br />

Klimaschutz geht alle an<br />

Die Credit Suisse arbeitet seit<br />

diesem Sommer weltweit treibhausgasneutral.<br />

Da die getroffenen und<br />

geplanten Massnahmen ohne die<br />

Mithilfe der Mitarbeitenden nicht<br />

optimal ungesetzt werden können,<br />

ist deren Sensibilisierung ein zentraler<br />

Bestandteil der 2007 lancierten<br />

Initiative Credit Suisse Cares for<br />

Climate. So fand beispielsweise<br />

Ende Juni in Zürich eine Podiumsdiskussion<br />

mit externen und internen<br />

Fachexperten statt, darunter<br />

Thomas Vellacott, Programmleiter<br />

WWF Schweiz. Zudem erhalten<br />

die Mitarbeitenden über ein neues<br />

Schulungstool einfache Tipps<br />

darüber, wie man im geschäftlichen<br />

und privaten Alltag ohne grosse<br />

Komforteinbussen Energie einsparen<br />

kann.<br />

www.credit-suisse.com/<br />

verantwortung<br />

Texte: Mandana Razavi, Stefanie<br />

Schmid, Andreas Schiendorfer<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


32 Credit Suisse Global<br />

Der Schutz des<br />

Regenwalds ist ein<br />

Gebot der Stunde<br />

1<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Global Credit Suisse 33<br />

Zwei Drittel aller Tier- und<br />

Pflanz enarten leben im Wald.<br />

Die fortschreitende globale<br />

Entwaldung ist deshalb existenzbedrohend<br />

für Fauna und Flora –<br />

doch auch für die Menschen.<br />

Wir sind auf eine funktionierende<br />

grüne Lunge angewiesen. Die<br />

gemeinnützige Stiftung Symphasis<br />

unterstützt die Erhaltung<br />

des Urwalds in Madagaskar.<br />

2<br />

Antananarivo<br />

Marolambo<br />

Fandriana<br />

Fianarantsoa<br />

Toliara<br />

Fotos: Martina Lippuner, WWF Madagaskar | WWF Madagaskar<br />

Eigenartig: Die Wissenschaft weiss besser<br />

Bescheid über die Zahl der Sterne in unserer<br />

Galaxie als über die Zahl der Tier- und Pflanzenarten<br />

auf der Erde. Rund 1,7 Millionen<br />

Spezies sind bislang klassifiziert, doch gehen<br />

die meisten Schätzungen von 8 bis 15 Millionen<br />

aus. Lediglich Säugetiere, höhere Pflanzen<br />

und Vögel hat man bereits relativ gut<br />

erforscht. Daran hat auch das laufende<br />

UNO-Jahr der Biodiver sität nichts geändert.<br />

Aber es hat, verbunden mit den allgemeinen<br />

Diskussionen über die Klimaerwärmung, in<br />

weiten Kreisen für eine erhöhte Sensibilität<br />

gesorgt. Unbestritten ist nämlich die Feststellung,<br />

dass die Umweltschäden unserer<br />

Epoche eine Rekordzahl von Tier- und Pflanzenarten<br />

an die Grenze des Über lebens und<br />

darüber hinaus drängen. Verantwortlich für<br />

diese Zerstörung ist vorrangig der Mensch.<br />

Während Jahrhunderten bildeten das<br />

Fällen von Bäumen zur Ausdehnung der<br />

Nahrungsmittelproduktion und die Nutzung<br />

von Waldprodukten lebenswichtige Teile der<br />

wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.<br />

Doch in den letzten Jahren ist das Gleichgewicht<br />

völlig aus den Fugen geraten. Indonesien<br />

etwa hat zwischen 1990 und 2006<br />

einen Viertel seiner Waldfläche verloren;<br />

auf Madagaskar, der viertgrössten Insel der<br />

Welt, sind heute sogar nur noch zehn Prozent<br />

der früheren Waldfläche vorhanden. Damit<br />

geht nicht nur Lebensraum für Tiere und<br />

Pflanzen verloren, damit nimmt nicht nur<br />

die Leistung der grünen Lunge ab, sondern<br />

es werden auch allein durch die Brandrodung<br />

jährlich rund 1,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff<br />

verursacht, etwa ein Fünftel der<br />

vom Menschen produzierten Treibhausgas-<br />

Emissionen. Täglich führt die globale Entwaldung<br />

zu gleich grossen CO 2 -Emissionen,<br />

wie wenn Millionen von Menschen in Düsenflug<br />

zeugen von London nach New York reisen<br />

würden. «Wenn wir die Weltkarte der ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


34 Credit Suisse Global<br />

Schutz des Urwalds Im Herbst<br />

2007 meldete sich ein umweltbewusster<br />

Kunde der Credit Suisse,<br />

weil er auf möglichst unkomplizierte<br />

Art und Weise einen Beitrag<br />

zur Rettung des Urwalds leisten<br />

wollte. Die gemeinnützige Stiftung<br />

Symphasis erwies sich hierfür<br />

als idealer Partner. Der Kunde<br />

nützte die Möglichkeit, eine Unter -<br />

stiftung zu schaffen, und wählte<br />

dazu den Namen Fonds Pro tection<br />

des forêts tropicales. Die subs -<br />

tanziellen Donationen des Gründers<br />

erlaubten es, bislang fünf<br />

Projekte des WWF Schweiz namhaft<br />

mit zufinan zieren. Konkret<br />

ging (und geht) es um die Tropenwälder<br />

des Amazonasgebiets in<br />

Peru und Brasilien sowie in<br />

Borneo und Madagaskar (siehe<br />

Artikel nebenan).<br />

Kochen mit Solarenergie<br />

Die Stiftung Sym phasis hat in<br />

Madagaskar auch ein Projekt der<br />

Schweizer Hilfsorganisation<br />

ADES (Association pour le Développement<br />

de l’Energie Solaire,<br />

Suisse) unterstützt. ADES gibt<br />

der einkommensschwachen<br />

Be völkerung im Lande selbst<br />

her gestellte Solarkocher verbilligt<br />

ab, so dass diese bereits nach<br />

knapp einem halben Jahr amortisiert<br />

sind. Damit werden nicht<br />

nur Arbeitsplätze geschaffen,<br />

sondern auch ein umweltfreundliches<br />

und günstiges Kochen<br />

gefördert. Mehr Informationen<br />

unter www.adesolaire.org.<br />

Biodiversitäts-Hotspots anschauen, so befinden<br />

sich diese vor allem in Entwicklungsund<br />

Schwellenländern. Hier müssen wir uns<br />

engagieren, keine Frage», erklärt Dieter Imboden,<br />

eme ritierter Pro fes sor für Umweltphysik<br />

an der ETH Zürich und Vorsitzender<br />

der Vergabungskommission des Fonds Protection<br />

des forêts tropicales. «Doch Naturschutz<br />

darf nicht allein aus Verboten bestehen.<br />

Gerade in diesen Ländern, wo die<br />

Verdienstmög lichkeiten der lokalen Bevölkerung<br />

eingeschränkt sind, sollten Verbote<br />

zum Schutz der Umwelt mit alternativen Einkommensmöglichkeiten<br />

kombiniert werden.»<br />

Und das wiederum bedingt, zumindest in<br />

einer Übergangsphase, beträchtliche finanzielle<br />

Ressourcen. Die von der Credit Suisse<br />

finanziell unterstützten Kundenstiftungen<br />

haben in den letzten zehn Jahren 82 Pro jekte<br />

aus dem Bereich Natur und Ökologie unterstützt,<br />

fünf davon betreffen die Rettung des<br />

Urwalds in Madagaskar, Brasilien, Peru und<br />

Borneo.<br />

«Um die Gelder möglichst effizient einzusetzen,<br />

arbeiten wir stets mit kompetenten<br />

und verlässlichen Partnern zusammen», betont<br />

Geschäftsführer Daniel Otth. Bei den<br />

genannten Urwaldprojekten ist dies der WWF<br />

Schweiz, der eng mit lokalen Organisationen<br />

kooperiert. «Zahlungen zugunsten der von<br />

uns mitgetragenen Projekte erfolgen in Raten,<br />

abhängig von den Projektfortschritten.»<br />

Ein Waldstreifen wird zum Nationalpark<br />

Im lokalen Reisanbau auf Madagaskar wurden dank<br />

entsprechender Beratung die Erträge verdoppelt.<br />

Im Falle von Madagaskar unterstützte Symphasis<br />

zunächst ein einjähriges Pilotprojekt.<br />

Da der Schlussbericht zufriedenstellend ausfiel<br />

und eine Entwicklung in die gewünschte<br />

Richtung feststellbar war, wird nun auch das<br />

Folgeprojekt, das bis 2013 dauert, mitfinanziert.<br />

Und worum geht es konkret ? Die Regierung<br />

von Madagaskar hat 2003 in der so<br />

genannten Durban-Vision den Willen bekundet,<br />

die Schutzgebiete wieder auf zehn<br />

Prozent des Landes zu vergrössern. Im vorliegenden<br />

Projekt ist die Organisation Madagaskar<br />

National Park seit Mai 2008 daran,<br />

im Gebiet von Fandriana-Marolambo aus<br />

einem noch weitgehend intakten 180 Kilometer<br />

langen Waldgürtel einen 80 000 Hektaren<br />

umfassenden Nationalpark zu bilden.<br />

Dazu wird eine Fläche von 500 bis 800 Hektaren<br />

aktiv aufgeforstet und eine Fläche<br />

von 5000 Hektaren für die passive Regeneration<br />

ausgeschieden. Hier – etwa 150 Kilometer<br />

südöstlich der Hauptstadt Antananarivo<br />

– leben nicht weniger als 13 Lemurenarten,<br />

darunter der Lemur Katta (1) und der<br />

Sifaka (2), 30 Arten von Kleinsäugern, 29<br />

verschiedene Reptilien, 64 Amphibienarten<br />

sowie 280 unterschiedliche Pflanzen. Über<br />

80 Prozent dieser Arten sind Endemiten, das<br />

heisst, man findet sie nur auf Madagaskar,<br />

und viele von ihnen sind akut gefährdet.<br />

Letztlich profitiert immer der Mensch<br />

Neben Fauna und Flora geht es aber auch<br />

um die in der Region des zukünftigen Nationalparks<br />

lebende lokale Bevölkerung. Direkt<br />

involviert sind ungefähr <strong>10</strong>0 Haushalte und<br />

Bauernvereinigungen, indirekt die gesamte<br />

Region mit 120 000 Bewohnern. «Unser<br />

Hauptanliegen ist die Erarbeitung von alternativen<br />

wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für die Bevölkerung, die durch die<br />

Nutzungsbeschränkungen im Parkgebiet auf<br />

neue Einkommensquellen angewiesen ist»,<br />

führt Doris Calegari, Projektverantwortliche<br />

beim WWF Schweiz, aus. «Ohne dies hätte<br />

der Nationalparkaufbau keine Chance – und<br />

würde auch keinen Sinn machen.»<br />

So wurden zusammen mit innovativen<br />

Bauern neue Anbautechniken von Reis angewandt<br />

sowie neue Reissorten angepflanzt.<br />

Dadurch konnten die Erträge verdoppelt werden.<br />

Auch förderte man neue Produkte wie<br />

Vanille oder Kartoffeln und baute erste dorfeigene<br />

Baumschulen auf. Dank entsprechenden<br />

Weiterbildungskursen – auch über die<br />

Gefährdung und den Nutzen des Urwalds –<br />

soll nun die gesamte Bevölkerung profitieren.<br />

Ein erster Hoffnungsschimmer mit Blick auf<br />

das UNO-Jahr der Wälder 2011. schi<br />

www.symphasis.ch; www.wwf.ch<br />

Fotos: Doris Calegari, WWF Schweiz | Sebastian Schiendorfer<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Global Credit Suisse 35<br />

Hohe Auszeichnung für<br />

die Credit Suisse<br />

Die Credit Suisse hat es sich zum Ziel gesetzt, die renommierteste Bank der<br />

Welt zu sein. Diesem Anspruch ist man – laut «Euromoney» – einen erheblichen<br />

Schritt nähergekommen. Insgesamt erhielt die Credit Suisse 16 Auszeichnungen,<br />

darunter jene als «Best Global Bank 20<strong>10</strong>», «Best Emerging Markets<br />

Investment Bank 20<strong>10</strong>» sowie «Best Bank in Switzerland 20<strong>10</strong>».<br />

Die Credit Suisse hat die Krise sehr gut überstanden<br />

und ist dank der Senkung des Risikos<br />

im Investment Banking und vor allem<br />

dank ihrer ausgesprochenen Kundenorientierung<br />

dem Ziel, die renommierteste Bank<br />

der Welt zu sein, nochmals nähergekommen.<br />

Dies bestätigte Mitte Juli die wichtige Londoner<br />

Fachzeitschrift «Euromoney».<br />

Eine der bestgeführten Banken der Welt<br />

Die Credit Suisse hat nicht zum ersten Mal<br />

Auszeichnungen von «Euromoney» erhalten.<br />

So ging beispielsweise der begehrte Award<br />

«Best Bank in Switzerland» bereits in den<br />

Jahren 2007, 2008 und 2009 an die Credit<br />

Suisse; doch den wichtigsten Titel einer «Best<br />

Global Bank» bekam man 20<strong>10</strong> erstmals zugesprochen.<br />

«Mit der erfolgreichen Umsetzung<br />

einer neuen Strategie und hohen Erträgen,<br />

die auf Basis eines Geschäftsmodells<br />

mit deutlich reduzierten Risiken erzielt worden<br />

sind, ist die Credit Suisse heute wohl<br />

eine der bestgeführten Banken der Welt »,<br />

hält «Euromoney» fest. «Inzwischen versuchen<br />

viele andere Banken, dieses Modell<br />

nachzuahmen – wenn nicht als getreues<br />

Abbild, dann doch zumindest in Teilen. Die<br />

Zahlen sprechen denn auch für sich selbst:<br />

Die Kernkapitalquote lag im ersten Quartal<br />

dieses Jahres bei 16,4 Prozent – das ist der<br />

höchste Wert in der Branche; die risikogewichteten<br />

Aktiven (USD 218 Mrd.) waren die<br />

geringsten in der Vergleichsgruppe.»<br />

Mit dem Award «Best Emerging Markets<br />

Investment Bank» würdigte «Euromoney» die<br />

starke Präsenz der Credit Suisse in Schwellenländern.<br />

Dabei hob das Fachmagazin die<br />

Einführung des bankweiten Emerging Markets<br />

Council Ende 2009 als Schlüsselfaktor<br />

für die Vernetzung der Märkte hervor.<br />

In der Schweiz nach wie vor führend<br />

Der anhaltende Zufluss von Netto-Neugeldern<br />

sowie die verstärkte Zusammenarbeit<br />

und die gegenseitige Vermittlung zwischen<br />

den Divisionen Private Banking, Investment<br />

Banking und Asset Management führte dazu,<br />

dass die Credit Suisse zum vierten Mal in<br />

Folge den Titel «Best Bank in Switzerland»<br />

führen darf. Hinzu kommen mit «Best Debt<br />

House in Switzerland» und «Best M & A House<br />

in Switzerland» zwei weitere Awards. Letztere<br />

Auszeichnung verdankt die Credit Suisse<br />

der Erfolgsbilanz bei inländischen und grenzüberschreitenden<br />

Transaktionen.<br />

Alles in allem erhielt die Credit Suisse über<br />

ein Dutzend Regionen- und Länderauszeichnungen,<br />

so zusätzlich zu den bereits genannten<br />

viermal als «Best Investment Bank», fünfmal<br />

als «Best M & A House» und zweimal als<br />

«Best Equity House».<br />

Das ist ein Grund zur Freude, wie Verwaltungsratspräsident<br />

Hans-Ulrich Doerig<br />

und Vize präsident Urs Rohner gegenüber<br />

den rund 49 000 Mitarbeitenden betonten.<br />

Sie wiesen jedoch darauf hin, dass es sich<br />

um die Anerkennung von Leistungen vergangener<br />

Geschäftsperioden handelt: «Um in<br />

Zukunft erfolgreich zu sein, müssen wir fokussiert<br />

bleiben und weiterhin flexibel auf Veränderungen<br />

in unserer Branche reagieren.»<br />

Hohe Ziele weitgehend erreicht<br />

«Wir leisten einen aktiven Beitrag zur Schaffung<br />

eines widerstandsfähigeren und stabileren<br />

Finanzsystems, indem wir Kunden in<br />

einem schwierigen Marktumfeld unterstützen<br />

und einen offenen und konstruktiven Dialog<br />

mit den Aufsichtsbehörden führen», erklärte<br />

CEO Brady W. Dougan in seinem Kommentar<br />

zum zweiten Quartal. «Dabei setzen wir uns<br />

insbesondere für international abgestimmte<br />

Regeln zur Bankenaufsicht ein.»<br />

Im ersten Halbjahr – die Zahlen für das<br />

dritte Quartal werden am 21. Oktober präsentiert<br />

– erwirtschaftete die Credit Suisse<br />

einen Reingewinn von 3,7 Milliarden Schweizer<br />

Franken, verzeichnete eine Eigenkapitalrendite<br />

von 20,1 Prozent und konnte Netto-<br />

Neugelder in der Höhe von 40,5 Milliarden<br />

Franken anziehen. Die Erträge aus divisionsübergreifenden<br />

Aktivitäten erreichten bislang<br />

weit über 2 Milliarden Franken. schi<br />

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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


36 Credit Suisse Global<br />

Dem Mythos auch 20<strong>10</strong> gerecht geworden<br />

«Wo Gott und Mensch zusammenstossen, entsteht Tragödie» lautete das Motto der Salzburger<br />

Festspiele, die ganz im Zeichen des Doppeljubiläums «90 Jahre Festspiele» und «50 Jahre Grosses<br />

Festspielhaus» standen. Wurden auch Tragödien thematisiert, so fällt die Bilanz doch alles andere<br />

denn tragisch aus: Die 250 Veranstaltungen waren unisono sehr gut besucht (Auslastung 95 Prozent)<br />

und stiessen allenthalben auf ein äusserst positives Echo. Und auch die Finanzen stimmen:<br />

Dank 249 730 Besuchern aus 73 Nationen, darunter zunehmend Gäste aus der Region Asien-Pazifik,<br />

resultierten Gesamteinnahmen von 24,5 Millionen Euro. Der Überschuss der vier jährigen Intendanz<br />

von Jürgen Flimm stieg damit auf 8 Millionen Euro. Eine Benefizveranstaltung für die notleidende<br />

Bevöl kerung in Pakistan erbrachte zudem 300 000 Euro.<br />

1<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Global Credit Suisse 37<br />

1 Dionysos: Die am 27. Juli uraufgeführte<br />

Oper «Dionysos» von Wolfgang Rihm übertraf alle<br />

Erwartungen – und die waren hoch gesteckt.<br />

Die Premierenbesucher spürten, dass sich der<br />

deutsche Komponist 15 Jahre lang intensiv<br />

mit dem Stoff beschäftigt hatte. Erfreulicherweise<br />

kann auch moderne Musik ihr Publikum finden:<br />

Die Auslastung der vier Aufführungen betrug<br />

stolze 85 Prozent. Als «N.» (Nietzsche) begeisterte<br />

Johannes Martin Kränzle.<br />

2 Hoher Sopran: 2009 schon in Händels<br />

«Theodora» überzeugend, machte Kränzle auf<br />

Mojca Erdmann (1. hoher Sopran) sichtlich<br />

Eindruck. Die Sopranistin steht seit 2006 und<br />

ihren Auftritten als Zaide, in Mozarts gleichnamiger<br />

Oper, und als Zelmira, in Haydns<br />

«Armida», in der Gunst des Publikums.<br />

3 Sommerbegegnung: Die jeweils im Vorfeld<br />

einer Opernpremiere durchgeführte Sommerbegegnung<br />

der Credit Suisse widmete sich 20<strong>10</strong><br />

im Haus für Mozart der Oper «Dionysos». Dabei<br />

überzeugte der Komponist Wolfgang Rihm (Bildmitte)<br />

vor über <strong>10</strong>0 Medienvertretern auch als Rhetoriker.<br />

Sitzend standen ihm zur Seite: Intendant Jürgen<br />

Flimm, Dirigent Ingo Metzmacher, Bühnenbildner<br />

Jonathan Meese und Regisseur Pierre Audi<br />

(von links).<br />

4 Young Singers Project: Dem Nachwuchs<br />

zu praktischer Bühnenerfahrung zu verhelfen, ist<br />

das Ziel des Young Singers Project, dessen<br />

Leitung die bekannte Opernsängerin Marjana<br />

Lipovšek von Michael Schade übernommen hat.<br />

Hier dirigiert sie die amerikanische Mezzosopranistin<br />

Emily Righter.<br />

5 Meisterklassen: Neben zahlreichen Stunden<br />

unter Ausschluss der Öffentlichkeit standen<br />

für die Young Singers auch vier gut besuchte<br />

Meister klassen auf dem Programm – mit Christa<br />

Ludwig, Marjana Lipovšek, Sir Thomas Allen<br />

und Jürgen Flimm. Dem Intendanten war die Nach -<br />

wuchsförderung stets ein besonderes Anliegen.<br />

Hier beobachtet er die deutsche Sopranistin<br />

Regine Isabelle Sturm und den italienischen Bariton<br />

André Schuen.<br />

6 Abschlusskonzert: Wie schon 2009 wurde<br />

der abschliessende Konzertabend im Mozarteum<br />

mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Leitung<br />

von Ivor Bolton zu einem unvergesslichen Erlebnis.<br />

Dies auch für die irische Sopranistin Claudia Boyle<br />

und den italienischen Tenor Antonio Poli.<br />

2<br />

3<br />

4 5<br />

Fotos: Ruth Walz | Wolfgang Lienbacher | Silvia Lelli | Salzburger Festspiele<br />

6<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


38 Credit Suisse Global<br />

Sydney Symphony: Im Kreis<br />

der weltbesten Orchester<br />

Das Klassikengagement der Credit Suisse in der Region Asien-Pazifik umfasste<br />

bislang das Beijing Music Festival und das Hong Kong Arts Festival sowie das<br />

Bangkok Symphony Orchestra. Nun ist das Sydney Symphony dazugestossen.<br />

John C. Conde, Chairman des Sydney Symphony,<br />

lächelt. Er sei, meint er mit Blick auf<br />

das Konzertprogramm, eine Art Botschafter<br />

Beethovens. Die Botschaft kommt an. Das<br />

Klavierkonzert Nr. 5 («Emperor ») zählt unbestritten<br />

zu den Höhepunkten des Lucerne<br />

Festival. Hélène Grimaud, artiste étoile, interpretiert<br />

das während der Bombardierung<br />

Wiens durch Napoleon entstandene Werk<br />

nicht mit Heldengetöse, sondern leichter,<br />

zweiflerischer, lässt durch ihre Magie der<br />

leisesten Töne die Zeit stillstehen – kongenial<br />

begleitet durch das Orchester. Das verwundert<br />

nicht, denn Chefdirigent Vladimir<br />

Ashkenazy ist ja selbst ein begnadeter Pianist.<br />

Doch das Sydney Symphony liebt es hin<br />

und wieder durchaus auch einmal bombastisch,<br />

in Luzern unüberhörbar bei Tschaikowskys<br />

Manfred-Sinfonie. Oder bei den<br />

Gustav-Mahler-Konzerten. «Dass Vladimir<br />

Ashkenazy mit uns in den beiden Jubiläumsjahren<br />

sämtliche Sinfonien und die wichtigsten<br />

Lieder von Gustav Mahler einspielt, erfüllt<br />

uns mit Stolz. Das ist ein grossartiges Projekt»,<br />

erklärt Managing Director Rory Jeffes<br />

beim Betrachten der neusten, gleichsam<br />

noch druckfrischen «Sinfonie der Tausend».<br />

Auf den Vergleich mit dem ebenfalls hervorragenden<br />

Mahler-Zyklus des Tonhalle-Orchesters<br />

Zürich unter David Zinman darf man<br />

sich freuen.<br />

Botschafter Olympische Spiele 2000<br />

Gegründet 1932 als Nationales Rundfunksinfonieorchester<br />

und seit 1946 unter dem<br />

Namen Sydney Symphony Orchestra bekannt,<br />

konzentrierte sich das stetig grösser<br />

und besser werdende Sydney Symphony<br />

lange Zeit fast ausschliesslich auf Australien.<br />

Europa etwa besuchte das Sydney Symphony<br />

lediglich 1974 und 1995. Deshalb wurde es<br />

erst als kultureller Botschafter der Olympischen<br />

Spiele 2000 in Sydney weltweit<br />

bekannt. Nach dem riesigen Erfolg der<br />

Konzerte in Stresa, Luzern, London, Wiesbaden,<br />

Bremen, Amsterdam, Edinburgh und<br />

Grafenegg wird man jedoch sicher nicht mehr<br />

so lange auf den nächsten Besuch warten<br />

müssen, auch wenn sich das Orchester ebenso<br />

sehr in Richtung Asien orientiert.<br />

Beispielhafte Nachwuchsförderung<br />

1<br />

2<br />

1 Das Sydney Symphony vor dem weltberühmten Sydney Opera House. 2 Im Rahmen ihrer<br />

Europatournee begeisterte das Orchester mit Hélène Grimaud am Lucerne Festival.<br />

David Livingstone, CEO Credit Suisse Australia,<br />

konnte am 17. August, kurz vor Tourneestart,<br />

eine Partnerschaft mit dem Sydney<br />

Symphony bekanntgeben, und damit das<br />

erste grössere Engagement der Credit Suisse<br />

in Australien. «Das Orchester hat in den letzten<br />

zehn Jahren enorme Fortschritte erzielt<br />

und sich von einem nationalen Spitzenorchester<br />

zu einem Orchester von Weltrang<br />

entwickelt », erläutert Tony J. Krein, Leiter<br />

Corporate Cultural Sponsorship der Credit<br />

Suisse, «zudem führt das Orchester ein bemerkenswertes<br />

Nachwuchsförderungsprogramm<br />

durch, das wir gerne mitunterstützen.»<br />

Im Rahmen des Sydney-Symphony-<br />

Fellowship-Programms werden neun der<br />

besten australischen Nachwuchsmusiker<br />

ein Jahr lang in allen Bereichen ausgebildet,<br />

die einen Orchester musiker auszeichnen.<br />

Eine Anstellungsgarantie besteht zwar nicht,<br />

doch haben die Teilnehmer anschliessend<br />

wenig Mühe, eine Anstellung in einem guten<br />

Orchester zu fi nden. schi<br />

Fotos: Keith Saunders, Sydney Symphony | Georg Anderhub, Lucerne Festival<br />

<strong>bull</strong>etin 4 /<strong>10</strong> Credit Suisse


Global Credit Suisse 39<br />

fashion<br />

meets<br />

function<br />

Canaletto, Bacino di San Marco, um 1738 –39, Öl auf Leinwand, 124,5 x 2<strong>04</strong>,5 cm, Museum of Fine Arts,<br />

Boston MA. Abbott Lawrence Fund, Seth K. Sweetser Fund und Charles Edward French Fund.<br />

In London den besten<br />

«Fotografen» des alten<br />

Venedig wiederbegegnen<br />

Canaletto erfreut sich in England derart grosser Beliebtheit, dass es erstaunt,<br />

dass dort noch nie eine Ausstellung dem Thema «Venedig in Bildern» gewidmet<br />

war. Die National Gallery in London holt dies nun auf eindrückliche Weise nach.<br />

Die Adelsrepublik Venedig spielte vom<br />

7. Jahrhundert bis zur Niederlage gegen<br />

Napoleon Bonaparte 1797 eine wichtige<br />

Rolle, vor allem als diplomatisch geschickte<br />

Handels- und Finanzmacht. Doch auch kunsthistorisch<br />

ist Venedig zur Zeit der Renaissance<br />

und des Barock als «Gegenpol» zu<br />

Florenz von Bedeutung. Daran erinnern Namen<br />

wie Carpaccio, Giovanni Bellini, Tizian,<br />

Tintoretto oder Giovanni Battista Tiepolo.<br />

Und natürlich Canaletto, ein Künstlername,<br />

der gleich zweimal benutzt wurde, von Giovanni<br />

Antonio Canal (1697–1768) und etwas<br />

später von seinem als Maler weniger bedeutenden<br />

Neffen Bernardo Belloto (1721–1780).<br />

Canaletto ist der bekannteste italienische<br />

Vedutenmaler, der sich nach anfänglicher<br />

Tätigkeit als Bühnenmaler darauf spezialisierte,<br />

seine Heimatstadt in detailreichen und<br />

fast fotografisch genauen Ansichten darzustellen,<br />

wohl unter Zuhilfenahme der Camera<br />

obscura. Zahlreiche Söhne des europäischen<br />

Adels kauften auf ihrer «Grand Tour », der obligatorischen<br />

Bildungsreise zu den wichtigsten<br />

Kulturstädten, venezianische Veduten als<br />

hochwertige Erinnerungsbilder in einer Zeit,<br />

in der es noch keine Postkarten gab. Besonders<br />

beliebt waren Canalettos Werke bei den<br />

Engländern, vermittelt durch den geschäftstüchtigen<br />

englischen Konsul in Venedig,<br />

Joseph Smith, aber auch zusätzlich verbreitet<br />

durch einen zehn Jahre dauernden Englandaufenthalt<br />

Canalettos, während dessen er<br />

den Duke of Richmond als Mäzen gewann.<br />

Beim Betrachten seiner Bilder scheint die<br />

Zeit stillzustehen, denn der Stadtkern der<br />

«Serenissima», der «Allerdurchlauchtesten»,<br />

hat sich bis heute kaum verändert. Vielleicht<br />

war dies sogar ein Anliegen Canalettos in<br />

einer Epoche des schleichenden Niedergangs<br />

seiner Republik: die Zeit anzuhalten.<br />

Canalettos Bilder sind indes weit mehr als<br />

gemalte Fotografien, sind, dank ihrer starken<br />

Kontraste von Licht und Schatten, unverwechselbar.<br />

In der Ausstellung «Venice: Canaletto<br />

and His Rivals» kommt ihre magische<br />

Ausstrahlung vorzüglich zur Geltung. schi<br />

«Canaletto and His Rivals». Werke von<br />

Canaletto, Luca Carlevarijs, Gaspar van Wittel,<br />

Michele Marieschi, Bernardo Belloto,<br />

Francesco Guardi, Antonio Joli, Pietro Bellotti,<br />

Francesco Tironi und Giambattista Cimaroli.<br />

National Gallery, London. 13. Oktober 20<strong>10</strong> –<br />

16. Januar 2011. National Gallery of Art,<br />

Washington, 20. Februar–30. Mai 2011.<br />

Die Credit Suisse ist Partnerin der National<br />

Gallery.<br />

C L A S S I C<br />

HANDMADE<br />

IN SWITZERLAND<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


40 Credit Suisse Schweiz<br />

Credit Suisse Schweiz<br />

Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />

Partnerschaft mit Zurich Leben<br />

Lebensversicherungen<br />

erweitern Vorsorgeangebot<br />

«Die Credit Suisse trägt den sich<br />

wandelnden Kundenbedürfnissen in<br />

der Vorsorgeberatung Rechnung<br />

und ist deshalb auf den 1. Oktober<br />

mit Zurich Leben Schweiz eine<br />

Partnerschaft eingegangen»,<br />

erklärt Hanspeter Kurzmeyer, Leiter<br />

Privatkunden Schweiz der Credit<br />

Suisse. «Im Fokus stehen Versicherungsprodukte,<br />

die einen Spar- und<br />

Fondsanteil beinhalten und im Einklang<br />

mit unserem Ansatz zur ganzheitlichen<br />

Beratung stehen.» Dank<br />

dieser Partnerschaft können die<br />

Lebensversicherungen Life Invest,<br />

Live Classic und Life Plan zu<br />

besonders günstigen Konditionen<br />

angeboten werden.<br />

www.credit-suisse.com/vorsorge<br />

i-factory im Verkehrshaus in Luzern<br />

i-days 20<strong>10</strong>: Informatik<br />

bewegt die Schweiz<br />

Das Verkehrshaus der Schweiz,<br />

das jährlich beinahe eine Million<br />

Besucher zählt, realisiert mit der<br />

i-factory eine Ausstellung zu grundlegenden<br />

Prinzipien der Informatik,<br />

die mindestens fünf Jahre lang<br />

gezeigt wird. Zur Eröffnung finden<br />

in Luzern vom 18. bis 20. November<br />

die Tage der Informatik, die so<br />

ge nannten i-days, statt. «Als Presenting<br />

Partner wollen wir Kinder<br />

und Jugendliche im Alter von<br />

11 bis 18 Jahren für die Informatik<br />

Anzeige<br />

begeistern und gleichzeitig aufzeigen,<br />

dass die Credit Suisse<br />

zu den wichtigsten IT-Arbeit gebern<br />

in der Schweiz zählt. Wir beschäftigen<br />

allein in der Schweiz über<br />

4000 IT-Mitarbeitende, und eigentlich<br />

ist der Bedarf noch höher »,<br />

führt Karl Landert aus. Welch hohen<br />

Stellenwert die IT für die Credit<br />

Suisse hat, beweist allein die<br />

Tatsache, dass Karl Landert als<br />

IT-Verantwortlicher Mitglied der<br />

Geschäftsleitung ist. Zur IT-Förderung<br />

investiert die Credit Suisse<br />

jährlich mehr als zehn Millionen<br />

Franken, beispielsweise ins<br />

IT- Ent wick lungszentrum im «Quartier<br />

de l’innovation» der Eidge -<br />

nössischen Technischen Hochschule<br />

in Lausanne (EPFL), wo bis<br />

Ende 2011 rund 250 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden.<br />

www.ictswitzerland.ch;<br />

www.verkehrshaus.ch<br />

<strong>10</strong> Jahre Venture Incubator<br />

Startkapital für<br />

Hochschul-Spin-offs<br />

Ende der 1990er-Jahre entschieden<br />

sich die ETH Zürich und die<br />

Consultinggesellschaft McKinsey &<br />

Company, eine Investmentgesellschaft<br />

zu initiieren, die vielversprechende<br />

Jungunternehmer – insbesondere<br />

aus dem universitären<br />

Umfeld – mit Geld und Fachwissen<br />

unterstützt. Für den Risikokapitalfonds<br />

Venture Incubator konnten<br />

zehn Schweizer Grossunternehmen<br />

gewonnen werden, darunter die<br />

Credit Suisse, die jeweils zehn<br />

Millionen Schweizer Franken zur<br />

Verfügung stellten. Venture<br />

Incubator entwickelte sich zu einer<br />

erfreulichen Erfolgsgeschichte:<br />

In zehn Jahren wurden <strong>10</strong>7 Millionen<br />

Franken in 34 Jungunternehmen<br />

investiert. Dadurch konnten bislang<br />

750 neue Arbeitsplätze geschaffen<br />

werden. Einige der unterstützten<br />

Firmen konnten bereits weiterverkauft<br />

werden. Venture Incubator<br />

erhielt so 53 Millionen Franken, um<br />

weitere zukunftsweisende Projekte<br />

zu unterstützen. Im Frühjahr 20<strong>10</strong><br />

haben die Gründungsunternehmen<br />

beschlossen, ihr zunächst auf<br />

zehn Jahre beschränktes Investment<br />

in ein «Evergreen»-Engagement<br />

umzuwandeln. Gefeiert<br />

wird das 1 0-Jahre-Jubiläum am<br />

23. November.<br />

www.vipartners.ch<br />

Theater PurPur<br />

Kreative Anlagen fördern<br />

Bei einem Theater mitspielen,<br />

seine eigenen Spiele erfinden oder<br />

mit Freunden malen und basteln:<br />

Das Theater PurPur in Zürich ermöglicht<br />

es Kindern und Jugendlichen<br />

seit 1996, ihre kreative<br />

Seite aktiv auszuleben. Im Zentrum<br />

steht dabei immer die Förderung<br />

eigener Ideen. Damit auch Kinder<br />

aus sozial schwächeren Familien an<br />

den Aktivi täten des Theaters teilnehmen<br />

können, ist mit Unterstützung<br />

des Jubiläumsfonds der<br />

Credit Suisse Foundation ein<br />

Sozialfonds eingerichtet worden.<br />

www.theater-purpur.ch<br />

1. Symposium und Buchvernissage der Alfred Escher-Stiftung<br />

Briefe von Alfred Escher bald elektronisch zugänglich<br />

Die Chargierten<br />

der Zofingia Zürich<br />

erweisen ihrem<br />

ehemaligen<br />

Centralpräsidenten<br />

Alfred Escher<br />

Reverenz, rechts:<br />

Prof. Dr. Joseph Jung.<br />

Mag sein, dass eine Zeit kommt, in der die Menschen nur noch per<br />

E-Mail und SMS miteinander korrespondieren und nicht mehr wissen,<br />

was ein Brief ist. Um die Persönlichkeiten und die Ereignisse des<br />

19. Jahrhunderts zu verstehen, ist das Studium von Briefen jedoch<br />

un abdingbar. Die Alfred Escher-Stiftung, für die Geschäftsführer<br />

Joseph Jung im Verlag Neue Zürcher Zeitung bereits viel beachtete<br />

Biografien von Alfred Escher und Lydia Welti-Escher herausgegeben<br />

hat, verfolgt auch ein ehrgeiziges Briefeditionsprojekt. Dem ersten,<br />

thematisch orientierten Band «Alfred Escher zwischen Lukmanier und<br />

Gotthard» mit 808 Seiten folgte im August der erste chronologische<br />

Band «Alfred Eschers Briefe aus der Jugend- und Studentenzeit.<br />

1831–1843», bearbeitet und kommentiert von Bruno Fischer, mit weiteren<br />

324 Seiten. Zuletzt sollen es sechs Bände sein. Und doch können<br />

damit nur ein Fünftel der bislang bekannten Briefe von und an Alfred<br />

Escher publiziert (und kommentiert) werden. Kein Wunder also, dass<br />

am 1. Symposium der Alfred Escher-Stiftung die Mitteilung sehr positiv<br />

aufgenommen wurde, bereits 2011 werde mit einer vollstän digen<br />

e-Edition begonnen.<br />

Ausführliche Informationen über die Publi kationen der Alfred<br />

Escher- Stiftung, fi ndet man unter www.credit-suisse.com /<strong>bull</strong>etin<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 41<br />

Fotos: Christoph Imseng, Keystone | Bernadette Helbling | Credit Suisse<br />

Business School<br />

Strichmännchen bildet<br />

Führungskräfte aus<br />

Das sympathische Strichmännchen<br />

Paul ist Hauptdarsteller einer Reihe<br />

von animierten Kurzfilmen, die<br />

das Leadership Institute der Business<br />

School in der Serie «Learn<br />

How, Learn Now» veröffentlicht.<br />

Die Clips sollen gegenwärtige und<br />

künftige Führungskräfte der<br />

Credit Suisse auf zeitgemässe Art<br />

für Managementthemen wie Motivation,<br />

Talent oder Feedback sensibilisieren.<br />

Jetzt wurde die Filmreihe<br />

von der Gesellschaft für Pädagogik<br />

und Information mit dem Comenius-EduMedia-Siegel<br />

20<strong>10</strong> für<br />

be sonders wertvolle didaktische<br />

Multi mediaprodukte ausgezeichnet.<br />

Neue Publikation<br />

Lehrpreise an Universitäten<br />

Lehrpreise prämieren Lehrleistungen,<br />

sind Anreize und Belohnungen<br />

und erheben den Anspruch,<br />

die Qualitätsentwicklung in der<br />

Lehre insgesamt zu unterstützen.<br />

In den letzten Jahren sind an vielen<br />

Universitäten Lehrpreise eingerichtet<br />

worden. Haben sie über den<br />

symbolischen Aspekt hinaus etwas<br />

bewirkt ? Dieser Frage geht das im<br />

September im Waxmann Verlag in<br />

Münster erschienene Buch «Ausgezeichnete<br />

Lehre!» nach. Es enthält<br />

den von Fritz Gutbrodt, Direk tor der<br />

Credit Suisse Foundation, verfassten<br />

Aufsatz «Fussnoten und Geistesblitze:<br />

Zur Motivation des Credit<br />

Suisse Award for Best Teaching».<br />

Gymnasiallehrer feiern Jubiläum<br />

Mittelschule hat Zukunft<br />

Der Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen<br />

und Gymnasiallehrer<br />

(VSG) feierte Ende August sein<br />

150-jähriges Bestehen. Für diesen<br />

von der Credit Suisse unterstützten<br />

Anlass in der Universität Bern konnte<br />

– neben dem Berner Regierungsrat<br />

Bernhard Pulver, dem Appenzeller<br />

Ständerat Ivo Bischofberger<br />

und der Freiburger Staatsrätin Isabelle<br />

Chassot – Jakob Kellenberger,<br />

der Präsident des IKRK, als Festredner<br />

gewonnen werden. Bei aller<br />

Jubi läumsfreude war indes der<br />

Blick vor allem nach vorne gerichtet:<br />

«Eine Zukunft für die Allgemeinbildung»<br />

lautet die nicht unbegründete<br />

Forderung des Vereins, und<br />

ein hochkarätiges Podium, unter<br />

anderem mit VSG-Präsident David<br />

Wintgens, widmete sich der Frage:<br />

«Welche Zukunft hat der Mittelschullehrberuf<br />

?». Erste Antworten<br />

fi ndet man im Internet.<br />

www.vsg-sspes.ch<br />

Direct Net zertifi ziert<br />

Online Banking barrierefrei<br />

Den Kontostand abfragen, Zahlungen<br />

tätigen, Anlagegeschäfte<br />

durchführen, die Entwicklung des<br />

eigenen Vermögens beobachten –<br />

und das schnell, rund um die Uhr<br />

und unabhängig vom eigenen<br />

Standort. Ein spezielles Bildschirmleseprogramm<br />

ermöglicht nun auch<br />

Menschen mit einer (Seh-)Behinderung<br />

den barrierefreien Zugang<br />

zum Direct Net der Credit Suisse.<br />

Die einprogrammierten Beschreibungstexte<br />

werden entweder<br />

auf der Braille-Zeile einer speziellen<br />

Tastatur angezeigt oder laut<br />

vom Computer vorgelesen. Befehle<br />

können von den Anwendern mit<br />

rund 150 verschiedenen Tastenkombinationen<br />

blitzschnell ausgeführt<br />

werden. So erlangen auch<br />

Menschen mit Behinderung ein<br />

Stück Integration und Freiheit. Im<br />

August hat das Direct Net nun<br />

bereits zum zweiten Mal die Zerti fizierung<br />

«Access for all – Zugang<br />

für alle» von der Schweizerischen<br />

Stiftung zur behinderten gerechten<br />

Technologienutzung erhalten.<br />

Europa Forum Luzern<br />

Kompetitiv dank Bildung,<br />

Forschung und Innovation<br />

Acht der 27 Studentinnen und Studenten des Instituts auf dem<br />

Rosenberg, die am Anlass «Invest in Your Future» teilnahmen.<br />

Auf dem Rosenberg lässt es sich lernen<br />

Das Institut auf dem Rosenberg in St. Gallen, gegründet<br />

1889, zählt weltweit zu den renommiertesten Privatschulen<br />

und bietet eine multikulturelle und mehrsprachige<br />

Schul gemeinschaft, die sich durch ein lebenslanges,<br />

ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl auszeichnet.<br />

So besuchte kürzlich der mexikanische Nobelpreisträger<br />

für Chemie, Mario J. Molina, seine ehemalige Schule.<br />

Die Verbindung von Tradition und Disziplin garantiert eine<br />

Erziehung nach dem Motto «Wer morgen das Sagen<br />

haben will, muss sich heute etwas sagen lassen können».<br />

Das fällt nicht immer so leicht wie beim mit der Credit<br />

Suisse durchgeführten Event «Invest in Your Future».<br />

Die beiden St. Galler Hochschuldozenten Daniel Heine<br />

und Wolfgang Jenewein verstanden es ausgezeichnet,<br />

die jugendlichen Teilnehmenden mit ihren grundlegenden<br />

und gleichzeitig unterhaltsamen Ausführungen über<br />

Finanzwirtschaft sowie Leadership in Hochleistungsteams<br />

zu fesseln, wovon sich Schulleiterin Monika A. Schmid<br />

und Marcel Küng, Leiter Credit Suisse Ostschweiz, persönlich<br />

ein Bild machten. Und das beliebte Investment<br />

Game offenbarte verschiedene Finanztalente mit Zukunft.<br />

Das Siegerteam gewann ein Bankpraktikum, doch letztlich<br />

waren alle Teilnehmenden Sieger, denn auch hier ging<br />

es – mit Pestalozzi – vor allem darum, leben zu lernen.<br />

Am 8. und 9. November dreht sich<br />

in Luzern der Dialog zwischen Wirtschaft,<br />

Wissenschaft und Politik<br />

ganz um Bildung, Forschung und<br />

Innovation als zentrale und erfolgskritische<br />

Faktoren für den Industriestandort<br />

Schweiz. Neben Bundespräsidentin<br />

Doris Leuthard und<br />

dem finnischen Wirtschafts minister<br />

Mauri Pekkarinen wurde auch<br />

Johannes Suter, CEO der im Mai<br />

gegründeten SVC-AG für KMU<br />

Risikokapital, als Referent eingeladen.<br />

Dabei wird er auch bereits<br />

über die ersten Vertrags abschlüsse<br />

berichten können.<br />

www.svc-risikokapital.ch;<br />

www.europa-forum-luzern.ch<br />

Texte: Mandana Razavi, Stefanie<br />

Schmid, Andreas Schiendorfer<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


42 Credit Suisse Schweiz<br />

Die Schweiz ist ein Land der Klassik<br />

«Warum in der Ferne hören, wenn das Gute klingt so nah?» Es hat seinen Reiz, im Sommer die Salzburger<br />

Festspiele zu besuchen oder die längst geplante Ferienreise mit hochstehenden Konzerten<br />

zu verbinden. Aber, keine Frage, die Schweiz braucht den internationalen musikalischen Vergleich nicht<br />

zu scheuen. Lucerne Festival hat sich an der Spitze der Klassik-Festivals etabliert. Das Gleiche gilt,<br />

im Sinne der Nachwuchsförderung, von Davos Festival. Und in Avenches, St. Gallen und Zermatt lebt<br />

man keineswegs nur von der einmaligen Ambiance. Das Tonhalle-Orchester Zürich, das Orchestre<br />

de la Suisse Romande, das kammerorchesterbasel, das Musikkollegium Winterthur und natürlich das<br />

Opernhaus Zürich sorgten dafür, dass das Sommerhoch nahtlos in ein Dauerhoch übergegangen ist. schi<br />

1<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 43<br />

1 Das grösste Orchester der Schweiz:<br />

Das Tonhalle-Orchester Zürich und das Orchestre<br />

de la Suisse Romande standen – wie schon 2008 –<br />

gemeinsam auf einer Bühne. Nach der Totenmesse<br />

von Berlioz interpretierten 150 Musiker und<br />

200 Choristen unter der Leitung von David Zinman<br />

in Montreux und am Lucerne Festival (unser Bild)<br />

die spätromantischen «Gurre-Lieder » von Arnold<br />

Schönberg. Ein Ohren- und Augenschmaus.<br />

2 Händel mit Kasarova: Zum Saisonstart spielte<br />

das kammerorchesterbasel – unterstützt von der<br />

gefeierten Mezzosopranistin Vesselina Kasarova –<br />

Musik von Georg Friedrich Händel. Der Premiere<br />

in Basel folgten Auftritte am Zermatt Festival<br />

sowie in Wetzikon, Schaffhausen und Belgrad.<br />

3 Mozart-Fest: «War Mozart ein Winterthurer ?»,<br />

fragte das Musikkollegium Winterthur – und blieb<br />

letztlich die Antwort schuldig. Die Herkunft der<br />

Mozart’schen Grossmutter Anna Maria Sulzer muss<br />

jedenfalls genealogisch noch genauer untersucht<br />

werden. Das im August und September durchgeführte<br />

Mozart-Fest hingegen liess keine Wünsche<br />

offen. Im Bild sehen wir das Orchester unter der<br />

Leitung des Pianisten Alexander Lonquinch.<br />

4 Zauberberg: Davos Festival ist seit 25 Jahren<br />

bekannt für seine Nachwuchsförderung. Dies gilt<br />

auch für zeitgenössische Komponisten, den Ungarn<br />

Gregory Vajda etwa, dessen «Zauberberg. Eine<br />

Oper im Kurhotel» am 30. Juli auf der Schatzalp<br />

mit grossem Erfolg uraufgeführt wurde.<br />

5 Nach der Sintflut der Kreuzzug: «Sind wirklich<br />

schon fünf Jahre seit «Carmina Burana» vergangen?»<br />

Man kann es kaum glauben, dass die St. Galler<br />

Festspiele bereits ein kleines Jubiläum feierten.<br />

Und dann – angesichts der einmaligen Kulisse vor<br />

der Kathedrale – das leise Bedauern: «Warum<br />

nicht früher ?» Seis drum. Nach «Il diluvio universale»<br />

kommt nun «I lombardi alla prima crociata», auf<br />

Donizetti folgt Verdi. Premiere am 24. Juni 2011.<br />

6 Wachablösung: Das 1995 gegründete Opernfestival<br />

Avenches ist einer der wichtigsten Klassikevents<br />

unter freiem Himmel. Nicht zuletzt dank<br />

Sergio Fontana. Zum Abschied gab er Donizettis<br />

«Lucia di Lammermoor ». Eric Vigié, Direktor der<br />

Oper Lausanne, ist neuer künstlerischer Leiter.<br />

2<br />

3<br />

Fotos: Priska Ketterer, Lucerne Festival | Marc Kronig | Manfred Höin | Linus Fetz, Davos Festival | Toni Suter, T+T Fotografie | Marc-André Guex, Opernfestival Avenches<br />

4<br />

5 6<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


44 Credit Suisse Schweiz<br />

«Picasso spricht viele<br />

Stilsprachen gleichzeitig»<br />

Am 11. September 1932 eröffnete das Kunsthaus Zürich die weltweit erste<br />

Museumsausstellung von Pablo Picasso. Gezeigt wurden mehr als 200 vom<br />

Meister selbst selektionierte Bilder. Das Kunsthaus rekonstruiert nun mit<br />

70 Gemälden das Profil der damaligen Retrospektive. Tobia Bezzola, Kurator<br />

am Kunsthaus Zürich, über die Hintergründe der beiden Ausstellungen.<br />

Tobia Bezzola,<br />

Kurator Kunsthaus<br />

Zürich<br />

<strong>bull</strong>etin: Die Ausstellung wurde nun<br />

in einem kleineren Rahmen – mit rund<br />

70 statt 225 Bildern – rekonstruiert.<br />

War es schwierig, Zugang zu den Werken<br />

zu erhalten?<br />

Tobia Bezzola: Die grösste Arbeit für uns<br />

war, herauszufinden, welche Bilder in<br />

dieser Ausstellung gezeigt wurden. 1932<br />

stellte man noch keine bebilderten Kataloge<br />

her. Von damals sind gerade mal<br />

24 Abbildungen vorhanden, und von den<br />

Werken gibt es Angaben zu den Massen,<br />

dem damaligen Besitzer und dem Titel, der<br />

meistens jedoch «Porträt» oder «Stilleben»<br />

heisst, was nicht aussagekräftig ist. Auf<br />

Fotografien aus der Ausstellung sind etwa<br />

40 Bilder zu sehen. Die restlichen 180<br />

Bilder mussten wir also zuerst identifizieren.<br />

Der aktuelle Katalog mit Fotos von den<br />

225 Bildern dokumentiert nun die ganze<br />

Ausstellung von 1932 und ist insofern<br />

als kunsthistorischer Beitrag zu verstehen.<br />

Die momentane Ausstellung zeigt<br />

also rund einen Drittel der Werke von 1932.<br />

Wie konnte da ein repräsentatives Abbild<br />

des historischen Vorbilds beibehalten<br />

werden?<br />

Picasso hat sich bei seiner Auswahl<br />

kaum für seine frühen Werke interessiert.<br />

Er soll an der Ausstellung in Zürich zu<br />

gewissen blauen Bildern «c’est horrible»<br />

gesagt und ausser einem Werk alle fürchterlich<br />

gefunden haben. Für die Ausstellung<br />

hat er seinen Schwerpunkt beim Kubismus,<br />

der Annäherung an den Surrealis mus<br />

und den Porträtserien seiner Geliebten<br />

Marie -Thérèse Walter gesetzt. Wir haben<br />

versucht, dieses Profil nachzuzeichnen,<br />

indem wir die Gewichtung möglichst<br />

originalgetreu gespiegelt haben.<br />

Wodurch unterscheidet sich die heutige<br />

von der damaligen Ausstellung bezüglich<br />

der Räume?<br />

1932 fand die Ausstellung im Museum<br />

statt, das heisst, alle anderen Exponate<br />

inklusive der Sammlung wurden abgehängt<br />

und es wurde nur Picasso gezeigt. Seit<br />

Ende der 1950er-Jahre verfügen wir über<br />

einen grossen Ausstellungsflügel, in<br />

dem die 70 Werke von Picasso nun gezeigt<br />

werden. Nur dieser kann den heutigen<br />

Anforderungen an die notwendige Klimatisierung<br />

und den Platz für die Besucher<br />

entsprechen.<br />

Wie wurde Picasso als Kurator erlebt ?<br />

Nun ja, wir verstehen heute unter einem<br />

Kurator diejenige Person, die die Werke<br />

auswählt und gruppiert. Zu jener Zeit hat<br />

man aber noch getrennt zwischen Aufhängung<br />

und Selektion der Bilder. Picasso<br />

hat also seine Werke ausgewählt, aufgehängt<br />

wurden sie jedoch wie jede damalige<br />

Ausstellung vom Präsidenten der Ausstellungskommission.<br />

Das war der Tessiner<br />

Maler Sigismund Righini. Picasso hat ihn<br />

für die Ausstellungsein richtung sehr gelobt.<br />

Wie wurde Picassos persönliche<br />

Selektion von den Medien kommentiert ?<br />

In den Zeitungskritiken wurde immer<br />

wieder bemerkt, dass die Ausstellung zwar<br />

schön, aber dass es schade sei, dass<br />

die Bilder völlig durcheinander, also nach<br />

dekorativen Gesichtspunkten und nicht<br />

chronologisch, nach der Entwicklung<br />

an ge ordnet worden seien. Das stimmte<br />

natürlich nicht, es war chronologisch, aber<br />

halt nicht nach Stilgruppe gehängt worden.<br />

Und wie war die Resonanz sonst ?<br />

Zwar lockte die Veranstaltung insgesamt<br />

fast 35 000 Besucher – auch aus dem<br />

Ausland – an und die Ausstellung wurde<br />

sogar um zwei Wochen verlängert. Trotzdem<br />

reichten die Einnahmen schliesslich<br />

nicht, um alle Kosten zu decken, und die<br />

Zürcher Kunstgesellschaft verzeichnete<br />

sogar nach einem Zustupf der Stadt immer<br />

noch ein Defizit von gegen 7000 Franken.<br />

Das Museum of Modern Art (MoMA)<br />

hat sich damals auch dafür interessiert,<br />

Picassos Werke auszustellen. Was hat<br />

den Ausschlag gegeben, dass er sich für<br />

Zürich entschied?<br />

Das war grundsätzlich die Tatsache, dass<br />

1931 eine grosse Ausstellung von Matisse –<br />

mit dem Picasso lebenslang in einer<br />

Rivalität stand – in der Galerie Georges<br />

Petit in Paris stattfand. Picasso wollte<br />

schlichtweg Matisse übertrumpfen. Dazu<br />

kam, dass das MoMA in New York erst<br />

drei Jahre alt war und in der Kunstszene<br />

als provinziell galt – nicht vergleichbar<br />

mit seinem heutigen Ruf also. Unvorteilhaft<br />

war be stimmt auch, dass der Kurator des<br />

MoMA nicht auf die Wünsche von Picasso<br />

eingehen wollte. Der seinerzeitige Direktor<br />

des Kunsthaus hingegen, Wilhelm Wartmann,<br />

liess dem Künstler freie Hand, was<br />

für damalige Verhältnisse ein revolu tionäres<br />

Vorgehen war.<br />

Welche Rolle spielte das Kunsthaus als<br />

private Institution?<br />

Wir sind ein Verein und können Bilder<br />

aus den Ausstellungen verkaufen. Das<br />

war letztendlich sicher auch ein grosses<br />

Interesse der Händler Picassos, aus deren<br />

Beständen die meisten Bilder kamen.<br />

Die Schweiz war schon damals ein wichtiger<br />

Ort für den internationalen Kunsthandel.<br />

Und, hat es sich gelohnt für Picasso?<br />

Nun, der Handel lief über die Galerien,<br />

weshalb dies nicht genau zu beziffern<br />

ist. Aber man muss wissen, dass Picasso<br />

schon damals mit Abstand der teuerste<br />

lebende Maler war. Er war 1932 schon<br />

berühmt, trat mit Chauffeur auf und stieg<br />

in den besten Hotels ab.<br />

Welche Auswirkung hatte diese erste<br />

grosse Ausstellung auf Picassos Karriere?<br />

Das ist eine sehr komplexe Frage, weil<br />

die ganzen zeitgeschichtlichen Ereignisse<br />

einbezogen werden müssen. Die Machtergreifung<br />

der Nationalsozialisten in<br />

Deutschland hat ein Jahr nach der Ausstellung,<br />

also 1933, stattgefunden.<br />

Ganz Europa war in einer politisch und<br />

wirtschaftlich heiklen Situation, der<br />

Kunstbetrieb brach in den 1930er-Jahren<br />

total zusammen. Die so genannte<br />

Fotos: Markus Bühler | Ausstellungsansicht: Werke, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürich | Atelier mit Gipskopf: Digital image The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürich<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 45<br />

1<br />

2<br />

1 Eines der wenigen bestehenden Fotos von 1932: Ausstellungsansicht vom Kunsthaus Zürich.<br />

2 Pablo Picasso, «Atelier mit Gipskopf» («Atelier avec tête et bras de plâtre»), 1925, Öl auf Leinwand,<br />

97,9 x 131,2 cm.<br />

Das Kunsthaus hat eine grosse Tradition in Ausstellungen von<br />

Künstlern des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Die Hommage an<br />

Picassos erste Retrospektive ist ein ambitioniertes Projekt, das<br />

anlässlich des <strong>10</strong>0-jährigen Bestehens des Kunsthaus und mit Hilfe<br />

der Credit Suisse als Hauptsponsor realisiert wurde. Die Ausstellung<br />

soll sowohl die Entstehungsgeschichte der Retrospektive in den<br />

1930er-Jahren als auch ihren Einfluss auf die Rezeption des seitdem<br />

weltberühmten Künstlers vermitteln. Nebst Beiträgen zu Picasso<br />

selbst enthält der Katalog zur Ausstellung alle damals ausgestellten<br />

225 Werke. Es besteht ein umfangreiches Programm zur Kunstvermittlung,<br />

zu dem unter anderem auch spezielle Führungen und Kunstgespräche<br />

gehören. Zu sehen ist die Ausstellung vom 15. Oktober 20<strong>10</strong><br />

bis 30. Januar 2011 und ausschliesslich in Zürich.<br />

ent artete Kunst wie diejenige von Picasso<br />

war verrufen, und es wurde gefährlich<br />

und praktisch unmöglich, sie zu verbreiten.<br />

1939 hatte Picasso im MoMA in New York<br />

eine grössere Ausstellung. Das war der<br />

Weg, den auch die ganze westliche mo der -<br />

ne Kunst ging: Nur durch das Exil in<br />

New York konnte sie überleben. Nebst<br />

Picasso sind ja auch Maler wie Breton,<br />

Duchamp und Miró dorthin gefl ohen. Es ist<br />

also schwer zu sagen, wie die Wirkung<br />

unter normalen Umständen gewesen wäre.<br />

Es war also sozusagen der letzte<br />

Moment, diese Ausstellung in Zürich durchzuführen?<br />

Ja, später wäre es schon deshalb nicht<br />

mehr möglich gewesen, weil zahlreiche<br />

Leih gaben aus Deutschland stammten.<br />

Viele Galerien in Deutschland wurden<br />

bereits ein paar Monate nach der Ausstellung<br />

enteignet. Picasso selbst hatte ja noch<br />

gewünscht, dass die Ausstellung nach<br />

Berlin wandern sollte, aber daraus wurde<br />

nichts.<br />

Zurück zur Gegenwart: Wie war es<br />

denn für Sie als Kurator, eine Ausstellung<br />

zu organisieren, bei der die Selektion<br />

schon gegeben ist ?<br />

Das war mal etwas anderes und eine<br />

interessante Erfahrung, aber ich möchte es<br />

nicht gerade nochmals machen (lacht).<br />

Hätte ich übrigens als Kurator eine solche<br />

Auswahl der Werke gemacht, wäre mir<br />

von der Kunstszene wohl der Kopf abgerissen<br />

worden. Picasso unter einem solch<br />

pointierten und parteiischen Blick und mit<br />

dieser Selektion zu präsentieren, war nur<br />

unter den gegebenen Umständen möglich.<br />

Und was zeigt die Ausstellung den<br />

Besuchern nun Neues?<br />

Es gibt besonders bei Picasso einen<br />

Glauben, eine Art Dogmatik, dass sich der<br />

Künstler immer schön in diesen abgegrenzten<br />

Stilstufen entwickelt: zuerst die<br />

Blaue, dann die Rosa Periode, danach der<br />

Kubismus und so weiter. Das haben viele<br />

Wissenschaftler versucht zu belegen. Aber<br />

bei Picasso ist ab 1915 zu sehen, dass es<br />

keine einspurige lineare Entwicklung mehr<br />

gibt, sondern unterschiedliche, parallele<br />

Stränge von Stilen. Die Aus stellung zeigt<br />

diesen Picasso, der ganz verschiedene<br />

Sprachen gleichzeitig sprach. Regula Brechbühl<br />

<br />

Weitere Informationen zur Ausstellung<br />

fi nden Sie unter www.kunsthaus.ch und<br />

www.credit-suisse.ch/online.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


46 Credit Suisse Schweiz<br />

Die Fibonacci-Reihe, bei der eine Zahl immer die Summe der beiden vorangegangenen Zahlen darstellt, spielt bei Mario Merz als Symbol für Expansion<br />

und Wachstum in der Natur eine zentrale Rolle. Im Besitz des Kunstmuseums Winterthur befindet sich das Werk «1,1,2,3,5» (1975).<br />

Gipfeltreffen der Moderne –<br />

nun wieder in Winterthur<br />

Das sanierte und um Depoträume für die wachsende Sammlung erweiterte<br />

Kunstmuseum Winterthur öffnet Ende Oktober nach zweijähriger Schliessung<br />

wieder seine Tore. Die Bedeutung der Sammlung kommt in der grossen<br />

thematischen Ausstellung «Die Natur der Kunst» sehr gut zur Geltung.<br />

Weisse Kabel quellen aus der Mauer und<br />

drehen sich zu Rollen, Stahlstützen stemmen<br />

sich zwischen rohe Betondecken und -böden,<br />

transparente Abdeckfolie, Leitern, ein Eimer<br />

und andere Gegenstände liegen herum, Öffnungen<br />

sind mit gelben Holzplanken ver -<br />

bar rikadiert. Es sind keine behelfsmässig<br />

zusam mengezimmerten Behausungen mit<br />

ihrer im provisierten Infrastruktur, wie sie der<br />

Fotograf Georg Aerni (*1959 Winterthur) auf<br />

seinen Wanderungen durch Grossstädte wie<br />

jüngst Mumbai in Bilder fasste. Die Rede ist<br />

vielmehr vom Kunstmuseum Winterthur, das<br />

seit Ende November 2008 aufgrund umfangreicher<br />

Sa nierungsarbeiten derartige Bilder<br />

bot. Aerni war neben dem ebenfalls aus<br />

Winterthur stammenden Künstler Mario Sala<br />

eingeladen worden, den Umbau mit seiner<br />

Kamera zu begleiten. Entstanden ist eine<br />

Bildserie von beeindruckender formaler Qualität,<br />

die nicht nur dokumentiert, sondern die<br />

Baustelle auch als künstlerische Installation<br />

erscheinen lässt.<br />

Ein Umbau, so unangenehm seine unmittelbaren<br />

Auswirkungen auch sind, schafft die<br />

Möglichkeit für Veränderungen und kann Bestehendes<br />

neu ins Bewusstsein bringen. So<br />

zum Beispiel die Sammlung eines Museums,<br />

der nicht selten aufgrund publikumswirksamer<br />

Wechselausstellungen zu wenig Beachtung<br />

geschenkt wird. Das Kunstmuseum<br />

Winterthur hat die fast zweijährige Schliessung<br />

genutzt, um seine feine Sammlung ins<br />

Licht zu rücken. Die Hauptwerke gingen<br />

unter dem Titel «Gipfeltreffen der Moderne:<br />

Das Kunstmuseum Winterthur » auf eine Reise,<br />

die sie von Bonn über Trento und Rovereto<br />

in Norditalien bis nach Salzburg führte.<br />

Eine kleinere Auswahl ist sogar nach Japan<br />

weitergereist und wird in verschiedenen<br />

Museen noch bis im März 2011 präsentiert.<br />

Qualitative Dichte dank Privatinitiative<br />

Die Wanderausstellung war Teil der Reihe<br />

«Die grossen Sammlungen», in der bereits<br />

die Vatikanischen Museen, das Museum of<br />

Modern Art, das Puschkin-Museum und das<br />

Guggenheim-Museum ihren Auftritt hatten.<br />

Dass der Name Winterthur auf Weltstädte<br />

folgen kann, liegt nicht in der quanti tativen<br />

Grösse der Sammlung, sondern in der qualitativen<br />

Dichte begründet. Seit der Eröffnung<br />

des Kunstmuseums 1915, dessen Bau<br />

sich zu einem grossen Teil aus privaten Spenden<br />

finanzierte, sind auch die Bestände immer<br />

wieder mit Schenkungen und Legaten<br />

von Winterthurer Sammlern erweitert worden.<br />

Das Segeln unter der Flagge «Gipfeltreffen<br />

der Moderne» verdankt das Museum<br />

denn auch hauptsächlich der Sammlung<br />

von Werken der klassischen Moderne, die<br />

das Ehepaar Clara und Emil Friedrich-Jezler<br />

1973 dem Kunstverein überliess und die<br />

Gemälde von Léger, Braque, Gris, Arp bis<br />

Mondrian vereint. Sie schliesst an die Werke<br />

der Sammlung Wolfer an, die dem Kunstmuseum<br />

eine grosse Anzahl französischer<br />

Gemälde von Delacroix über Monet und van<br />

Gogh bis Bonnard vermachte. Als das Kunstmuseum<br />

Winterthur in die Welt zog, reiste<br />

es natürlich auch mit dem Nimbus, den<br />

verschiedene Winterthurer Industrielle und<br />

Grossbürger mit ihrem Kultursinn ihrer Stadt<br />

verliehen haben – das Ehepaar Hedy und<br />

Arthur Hahnloser-Bühler, deren Sammlung<br />

nun in der Villa Flora beheimatet ist, und<br />

Oskar Reinhart, dessen beide bedeutende<br />

Sammlungen am Stadtgarten und «Am<br />

Römer holz» zu finden sind.<br />

Das Kunstmuseum Winterthur erweitert<br />

seine Bestände kontinuierlich und kann heute<br />

deshalb einen Bogen vom Impressionismus<br />

bis in die Gegenwart spannen. So finden<br />

sich in den neueren Beständen eine Konzentration<br />

amerikanischer Malerei, darunter<br />

etwa Robert Mangold, sowie italienische<br />

Künstler der Arte povera wie Mario und Marisa<br />

Merz, Giulio Paolini und Jannis Kounellis.<br />

Fotos: Mario Merz, «1, 1, 2, 3, 5», um 1976, Kunstmuseum Winterthur, 20<strong>10</strong> ProLitteris, Zürichi | Georg Aerni | Gerhard Richter<br />

<strong>bull</strong>etin 4 /<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 47<br />

Die Ausstellungssäle im Altbau strahlen<br />

jetzt wieder die erhabene Gemütlichkeit von<br />

Wohn zimmern aus, die von der im Original<br />

erhaltenen Täfelung sowie von Wandbespannungen<br />

und Teppichen ausgeht. Nach ihrer<br />

kulturellen Weltreise können es sich vorerst<br />

vor allem die Landschaftsbilder auf der weichen<br />

Wand bequem machen.<br />

Wechselverhältnis von Natur und Kunst<br />

Die Ausstellung zur Wiedereröffnung bespielt<br />

das ganze Haus, vom Altbau über den<br />

1995 eingeweihten Neubau des Architekturbüros<br />

Gigon & Guyer bis zum Graphischen<br />

Kabinett. Unter dem Titel «Die Natur der<br />

Kunst: Begegnungen mit der Natur vom<br />

19. Jahrhundert bis in die Gegenwart» breitet<br />

sich ein Panorama von über 150 Jahren auf<br />

das Wechselverhältnis von Natur und Kunst<br />

aus. Von Vincent van Goghs leuchtendem<br />

Sommerabend («Soir d’été») und Pierre<br />

Bonnards sich in Farbe auflösenden Landschaften<br />

in Südfrankreich geht die Reise<br />

weiter über Ferdinand Hodlers Schweizer<br />

Bergdarstellungen nach Norditalien zu Mario<br />

Merz und seinen Iglus und Leinwänden, die<br />

nicht mehr die Natur, sondern ihr zugrunde<br />

liegende Prinzipien ins Bild bringen, und<br />

schliesslich wieder zurück in die Schweiz zu<br />

Gerhard Richters verschwommenem Wasserfall<br />

von Sils Maria. Die verschiedenen<br />

Landschaften und künstlerischen Konzepte,<br />

denen man begegnet, zeigen die Spannbreite<br />

der Sammlung des Kunstmuseums<br />

Winterthur. Es ist eine Reise, die sich lohnt,<br />

auch wenn die grosse thematische Ausstellung<br />

vorbei ist, die ergänzenden Leihgaben<br />

wieder abge zogen sind und sich die Sammlung<br />

in einer neuen Präsentation eingerichtet<br />

haben wird. Meret Arnold<br />

Die beiden Winterthurer Künstler Georg Aerni,<br />

Fotograf, und Mario Sala, Zeichner, haben den Umbau<br />

begleitet und zeigen ihre Arbeiten in der Ausstellung<br />

«Projekt Sanierung» (bis 27. Februar 2011).<br />

Gerhard Richter. «Wasserfall» (847-1). 1997.<br />

Ölfarben auf Leinwand. Kunstmuseum Winterthur.<br />

Dem 1932 geborenen Künstler ist die Ausstellung<br />

«Elbe» gewidmet (bis 27. Februar 2011).<br />

Samstag, 30. Oktober 20<strong>10</strong>, 17 Uhr: Gemeinsame Wiedereröffnung<br />

des Kunstmuseums Winterthur und der Sammlung Oskar Reinhart<br />

«Am Römerholz», die ebenfalls aufgrund einer Sanierung geschlossen<br />

war. Gleichzeitig Vernissage der Ausstellung «Die Natur der Kunst:<br />

Begegnungen mit der Natur vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart»<br />

(bis 27. Februar 2011). Parallel dazu werden zwei weitere Ausstellungen<br />

gezeigt: «Elbe» von Gerhard Richter, ein unbekanntes Frühwerk aus<br />

dem Jahre 1957; Fotografien und Zeichnungen von Georg Aerni und<br />

Mario Sala. Anlässlich der Ausstellung in Bonn ist unter dem Titel<br />

«Von Stiftern und Anstiftern: Das Kunstmuseum Winterthur» von Horst<br />

Brandenburg ein sehenswerter Film produziert worden. Die Credit<br />

Suisse ist Partner des Kunstmuseums Winterthur und unterstützt in<br />

der Eulachstadt auch das Musikkollegium Winterthur.<br />

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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


48 Credit Suisse Schweiz<br />

Aktiver Dialog mit Kunden<br />

Zwei Tage nach dem Heimspiel gegen England sichtete Nationaltrainer<br />

Ottmar Hitzfeld am Credit Suisse Cup neue Talente und altbekannte Stars.<br />

1<br />

2<br />

1 Packende Fussballszene im Stade de Suisse.<br />

2 Ariane Ehrat, Tourismusdirektorin von<br />

Engadin-St. Moritz, gab einige Erfolgsrezepte preis.<br />

Es ist das erklärte Ziel der Credit Suisse,<br />

ihren Kunden nicht nur die besten Dienstleistungen<br />

und Produkte zu vermitteln,<br />

sondern auch einmalige Erlebnisse. So<br />

besuchten vom 15. bis 17. September rund<br />

400 Gäste der Credit Suisse die Konzerte<br />

der Wiener Philharmoniker und des Bolshoi<br />

Theatre am Lucerne Festival.<br />

Der Credit Suisse Cup wiederum ermöglichte<br />

es sportlichen Gästen am 9. September<br />

im Stade de Suisse in Bern, sich in<br />

einem gemischten Team mit Mitarbei tenden<br />

der Credit Suisse und Stars wie Stéphane<br />

Chapuisat, Adrian Knup, Andy Egli, Christophe<br />

Bonvin, Marco Pascolo oder Martin<br />

Weber selbst ein unvergessliches Erlebnis<br />

zu erdribbeln. Der eine oder andere übereifrige<br />

Flügelflitzer musste zwar von Massimo<br />

Busacca aus dem Abseits zurückgepfiffen<br />

werden, dafür konnte aber Nationaltrainer<br />

Ottmar Hitzfeld, assistiert von Murat Yakin,<br />

sein spieltaktisches Wissen ergänzen, denn<br />

die eine oder andere Passkombination wies<br />

Seltenheitscharakter auf. Noch höher als das<br />

spielerische Niveau war richtigerweise das<br />

Stimmungsbarometer.<br />

Um die Bedürfnisse der Kundinnen und<br />

Kunden optimal erkennen zu können, führte<br />

Urs Dickenmann, Head Premium Clients, am<br />

27./28. August mit rund <strong>10</strong>0 Mitarbeitenden<br />

ein zweitägiges Seminar durch. Auf besonderes<br />

Interesse stiessen dabei die Ausführungen<br />

von Ariane Ehrat, der Repräsentantin<br />

des Premium Brand of the Alps. schi<br />

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<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 49<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Credit Suisse AG<br />

Postfach 2<br />

CH-8070 Zürich<br />

Telefon +41 44 333 11 11<br />

Fax +41 44 332 55 55<br />

Redaktion<br />

Daniel Huber (dhu; Chefredaktion), Dorothee Enskog<br />

(de; Wirtschaft International), Mandana Razavi (mar; Corporate<br />

Citizenship), Andreas Schiendorfer (schi; Markt Schweiz,<br />

Sponsoring); Regula Brechbühl (rb), Michael Krobath (mk),<br />

Fabienne de Lannay (fdl), Stefanie Schmid (sts)<br />

E-Mail<br />

redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />

Meret Arnold, Nicole Brändle, Dennis Brandes, Barbara<br />

Hatebur, Thomas Herrmann, Hannes Hug, Kevin Lyne-Smith,<br />

Manuela Merki, Martin Regnet, Christine Schmid,<br />

Claudia Steinberg, Bernard Van Dierendonck, Andreas Walker,<br />

Sarah Winter<br />

Internet<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Marketing<br />

Veronica Zimnic (vz)<br />

Foto: Romel Janeski | Jean-Marc Mähr | Peter Hunkeler, Zürich<br />

Barbara Ellmerer, «Hexenpilz», 2008, Öl auf Baumwolle, 150×200 cm<br />

Pflege von kohärenten Werkgruppen<br />

einzelner Künstler<br />

Die Sammlung Credit Suisse verfolgt neben der Förderung junger Talente<br />

auch die Pflege kohärenter Werkgruppen einzelner Künstler und Künstlerinnen.<br />

So wurde in diesem Frühjahr das Ölbild «Hexenpilz» von Barbara Ellmerer erworben.<br />

Die Credit Suisse besitzt damit bereits sieben Werke der Zürcher<br />

Malerin; darunter finden sich Still leben oder Porträts aus allen Schaffensphasen.<br />

Der neueste Ankauf «Hexenpilz» ist im Kundenaufenthalt am Paradeplatz ausgestellt,<br />

wo ein repräsentativer Querschnitt durch die Sammlung Credit Suisse<br />

ausgestellt ist. Mit energetisch-dyna mischem Pinselduktus und ausdrucksstarken<br />

Farben bemalt Barbara Ellmerer in ihren jüngsten Arbeiten meist grossflächige<br />

Leinwände, die traditionelle Sujets wie Blumen oder im Wald erlebte<br />

Pflanzen und Pilzarten wiedergeben. Die Künstlerin speichert die gewonnenen<br />

Eindrücke im Gedächtnis und setzt das subjektiv Wahrgenommene intuitiv<br />

in kräftige Malerei um. Vor einem dunklen Hintergrund besticht ein feurig roter<br />

Pilz – nahe herangezoomt und dominant im Zentrum des Blickfeldes – durch seine<br />

mystische Leuchtkraft. Einzelne Partien werden aufgrund des pastosen Farbauftrags<br />

zum greifbaren Objekt. Schicht um Schicht nimmt die Malerei die gesamte<br />

Leinwand in Besitz. Verwischte, unscharfe Konturen lassen den «Hexenpilz»<br />

ge heimnisvoll vibrieren. Der Betrachter wird Teil eines fulminanten Seherlebnisses<br />

und Zeuge unterschiedlicher Wahrnehmungsprozesse. Mehr Informationen<br />

unter www.credit-suisse.com > Wir über uns > Sponsoring > Kultur > Kunst<br />

> Sammlung Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Übersetzungen<br />

Credit Suisse Language Services<br />

Gestaltung<br />

www.arnold.inhaltundform.com:<br />

Arno Bandli, Raphael Bertschinger, Monika Häfliger,<br />

Karin Cappellazzo (Projektmanagement ), Carola Bächi<br />

(Korrektorat)<br />

Inserate<br />

print-ad kretz gmbh, Andrea Hossmann und Esther Kretz,<br />

General-Wille-Strasse 147, CH-8706 Feldmeilen,<br />

Telefon +41 44 924 20 70, <strong>bull</strong>etin@kretzgmbh.ch<br />

Beglaubigte WEMF-Auflage 20<strong>10</strong><br />

143 892<br />

ISSN-Registrierung<br />

ISSN 1423-1360<br />

Druck<br />

Swissprinters Zürich AG<br />

Redaktions kommission<br />

Richard Bachem (Head Marketing Private and Business<br />

Banking Switzerland), René Buholzer (Head Public Policy), Urs<br />

P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen),<br />

Fritz Gutbrodt (Direktor Credit Suisse Foundation), Anja Hochberg<br />

(Head Investment Strategy Asset Management), Angelika<br />

Jahn (Investment Services & Products), Bettina Junker Kränzle<br />

(Head Internal Corporate Publishing & Services), Hanspeter<br />

Kurzmeyer (Head Private Clients Switzerland), Martin Lanz<br />

(Economic Research), Andrés Luther (Head Group Communications),<br />

Charles Naylor (Head Corporate Communications),<br />

Christian Vonesch (Head Private & Business Banking Aarau)<br />

Erschei nt im 116. Jahrgang<br />

(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />

Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />

Adress änderungen<br />

Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />

an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />

Credit Suisse AG, SULA 213, Postfach <strong>10</strong>0, CH-8070 Zürich.<br />

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />

Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />

der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />

Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />

notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />

Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />

wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />

für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />

Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />

Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />

zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />

Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />

><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


50 Credit Suisse Schweiz<br />

Die Kulisse zum Klimahörpfad: Wir hören und erwandern Geschichten und Fakten über das Matterhorn, den Gornergrat (rechts) oder den schmelzenden<br />

Gornergletscher.<br />

Auf dem Klimahörpfad zur Öko-Berghütte<br />

Wir hören die Steinmänner sprechen, die Blumen leuchten und die Gletscher schmelzen. Der neue<br />

Hörpfad der Organisation myclimate führt uns auf den Spuren des Klimawandels zur Neuen<br />

Monte-Rosa-Hütte. Das Beispiel ökologischer Baukunst glänzt und leidet unter einem gewaltigen<br />

Besucheransturm.<br />

Für dieses Mal gehören ein kleiner Audioplayer<br />

und Kopfhörer zur Wanderausrüstung.<br />

«Mini Steimannjini sind Wägwieserä<br />

i Züekunft. Wo wellentsch gah?», fragt eine<br />

tiefe Männerstimme im bergigsten Walliserdeutsch.<br />

Es ist die melodiöse Stimme des<br />

bärtigen Steinmannbauers vom Rotenboden.<br />

Sie begleitet uns für eine Episode des Klimahörpfads<br />

auf dem Wanderweg von der<br />

Halte stelle der Zermatter Gornergratbahn bis<br />

zur Neuen Monte -Rosa-Hütte. Über die<br />

Kopfhörer erzählt er von den Steinmännern<br />

und welche Bedeutung sie auch für die Inuit<br />

haben. Dann animiert der urige Walliser zum<br />

Steinmannbau. Senkrechte ausbalancierte<br />

Steine nennen die Inuit übrigens Nalunaikkutaq,<br />

die geistiges Durchei nander aufheben<br />

… Aber uns ruft der Berg. Nicht das<br />

Steinetürmen, sondern das Wandern soll<br />

unsere Gedanken ordnen. Die Stimme des<br />

Berglers und Musik legen sich zwischen uns<br />

und die Umgebung. Die Füsse bewegen sich<br />

wie von selbst über den felsigen Untergrund.<br />

Das Bergpanorama mit Matterhorn, Breithorn,<br />

Pollux, Castor, Liskamm und Monte-<br />

Rosa-Massiv zieht wie ein Dokumentarfilm<br />

vor der Sonnenbrille vorbei, bis uns die Stimmen<br />

der Hörpfadmoderatoren Lina Bader<br />

und Pius Anthamatten auffordern, den Player<br />

auszuschalten. Nächste Hörstation sei bei<br />

einer besonders auffallenden Blume. Auf<br />

Knopfdruck stehen wir mitten in einer bunt<br />

zusammengewürfelten Gesellschaft, die von<br />

der Klimaschutzorganisation myclimate zur<br />

Erstbegehung des Klimahörpfads geladen<br />

wurde.<br />

Virtuell, individuell und real<br />

Uns gemeinsam sind die grossen Kopfhörer<br />

und das Ziel: die Neue Monte-Rosa-Hütte<br />

des Schweizer Alpen-Clubs (SAC). Die Audiogeräte<br />

können gratis bei der Talstation der<br />

Gornergratbahn ausgeliehen werden. Anders<br />

als in einem Museum, wo sich solche<br />

Geräte von selbst zuschalten oder eine Tafel<br />

zum Aktivieren des Gerätes auffordert, entscheiden<br />

wir selbst, wann und wo wir eines<br />

der neun Kapitel hören wollen. Vorerst sollte<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 51<br />

sich unsere Aufmerksamkeit aber auf den<br />

Weg richten, legt uns der Bergführer Thomas<br />

Dünsser vom Zermatter Alpincenter nahe.<br />

Der Bergler begleitet unsere Gruppe und<br />

meint, dass der Weg zwar einfach, aber auch<br />

ausgesetzt sei. 300 steile Meter unter uns<br />

liegt der Gornergletscher. Markante Mittelmoränen,<br />

geschwungene Eisstrukturen, kleine<br />

Täler und Bachläufe zieren seine Oberfläche.<br />

Das Eis ist strahlend weiss.<br />

Bevor es eine Stunde später mit Steigeisen<br />

an den Füssen auf den Gletscher geht,<br />

hören wir neben ein paar gelben Blumen auf<br />

einem Felsbrocken sitzend das nächste<br />

Kapitel. Die Stimmen von Lina Bader und<br />

Pius Anthamatten stellen einige der hochalpinen<br />

Pflanzen vor. Zum Beispiel die Alpenaster.<br />

Dank ihrer violetten Blütenblätter und<br />

des leuchtend gelben Blütenkopfs kann ihr<br />

kein vorbeifliegendes Insekt widerstehen.<br />

Oder die Gemswurz gerade neben uns. Bergsteiger,<br />

Jäger und sogar Seiltänzer assen<br />

früher dessen Wurzeln, sie erhofften sich<br />

dadurch so schwindelfrei wie die Gämsen zu<br />

werden. Nicht entdecken konnten wir die<br />

Polster-Kieselnelke. Wurde sie bereits von<br />

anderen Pflanzen «aufgegessen»? Denn die<br />

rosa Polsterpflanze hält in ihrem Inneren<br />

ver rot tete Blätter als Humus zurück. Dieser<br />

Nähr boden gefällt auch grösseren Pflanzen,<br />

sie verdrängen die niedlichen Blumen. Eine<br />

Verdrängung, die einigen der spezialisierten<br />

Hochgebirgspflanzen blüht. Botaniker berichten,<br />

dass sich aufgrund des Klima wandels die<br />

Vegetationszone immer weiter nach oben verschiebt.<br />

Auf Gipfeln über 3000 Meter zählte<br />

man vor <strong>10</strong>0 Jahren noch 14 Pflanzenarten,<br />

heute sind es schon 61! Die Bergspezialisten<br />

unter ihnen können aber nicht mehr weiter<br />

nach oben ausweichen und verschwinden.<br />

Der Gletscher in Bewegung<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Fotos: Bernard van Dierendonck<br />

Ab dem Gornergletscher ist der Hüttenweg<br />

weiss-blau-weiss markiert. Alpine Erfahrung<br />

und Ausrüstung sind jetzt erforderlich. In anderen<br />

Jahren, sagt Bergführer Dünsser, hätte<br />

man bis Mitte August keine Steigeisen<br />

benötigt. Doch dieses Jahr ist bereits im<br />

heissen Frühsommer aller Schnee vom Eis<br />

geschmolzen. Für den ersten steilen Abschnitt<br />

auf dem blanken Eis binden wir uns<br />

die Steigeisen unter die Schuhe und schätzen<br />

das dicke vom Hüttenwart installierte Seilgeländer.<br />

Früher, erzählen die Stimmen des<br />

Hörpfads, sei man vom Wanderweg praktisch<br />

eben hinüber auf den Gletscher und weiter<br />

zur Hütte gelangt. Heute muss zuerst steil ><br />

4<br />

1 Der Hüttenweg über den Gletscher ist für erfahrene Bergwanderer machbar.<br />

2 Die Alpenaster und die Gemswurz (3) sind unwiderstehlich und lassen die Höhenangst<br />

vergessen. 4 Andrea Kuster, Miss Earth Schweiz, und Maximilian Horster,<br />

Geschäftsführer von Climate Neutral Investments Ltd., sind Gäste von myclimate.<br />

Sie hören und diskutieren die Kapitel des Klimahörpfads zur Neuen Monte-Rosa-Hütte.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


52 Credit Suisse Schweiz<br />

ab- und dann wieder mühsam über Moränenschutt<br />

und Felsen zur Hütte aufgestiegen<br />

werden. Der Gornergletscher schmilzt wie<br />

fast alle in der Schweiz beobachteten Gletscher.<br />

Laut einer Aufstellung im SAC-Magazin<br />

«Die Alpen» ging der Eisriese im Beobachtungsjahr<br />

2007/08 ganze 200 Meter<br />

zurück. Dies auch weil die sehr schmale Gletscherzunge<br />

den Kontakt zur Haupteismasse<br />

verlor. In der nächsten Periode verlor er zum<br />

Glück nur sechs Meter an Länge. Kurzzeitige<br />

Klimaschwankungen verkraften grosse<br />

Gletscher. Wenn sie aber schmelzen, dann<br />

deutet dies auf ein Jahrhundertereignis hin.<br />

Trotz des rasanten Rückgangs sind die<br />

Eismassen in dieser imposanten Gebirgswelt<br />

immer noch übermächtig. Im Vergleich fühlen<br />

wir Wanderer uns winzig. Holzstangen weisen<br />

den Weg. Eiskristalle knirschen und bröckeln<br />

unter den Sohlen. Die Sonne scheint ins Gesicht.<br />

Wir springen über einen Gletscherbach,<br />

der einige Meter weiter gurgelnd in<br />

einer Spalte verschwindet. Das Eis ist in<br />

Be wegung. Hier ein Knacken, da verliert ein<br />

Felsbrocken polternd die Balance. Dankbar<br />

nehmen wir die Stufen in Anspruch, die der<br />

Bergführer in eine schmale Eisrippe geschlagen<br />

hat – links und rechts klaffen Spalten.<br />

Kurz bevor wir den Gletscher für das l etzte<br />

Stück des Hüttenwegs verlassen, schweift<br />

unser Blick hoch über die Randmoräne und<br />

die steilen 300 Höhenmeter, die noch vor uns<br />

liegen. Am Horizont auf einer Felsrippe zwischen<br />

den Viertausendern Dufourspitze und<br />

Liskamm funkelt die Neue Monte-Rosa-Hütte<br />

in der Sonne.<br />

Hightechzauber und Kinderkrankheiten<br />

Die Hütte, die der SAC zusammen mit der<br />

ETH anlässlich des 150-Jahre-Jubiläums<br />

der Hochschule baute, ist weit mehr als eine<br />

Unterkunft für Gipfelstürmer. Sie ist eine<br />

Zukunftswerkstatt für nachhaltiges Bauen,<br />

Energieeffi zienz und die Nutzung von erneuerbarer<br />

Energie. Hinter der Alufassade steckt<br />

eine 30 Zentimeter dicke Isolationsschicht.<br />

Das Markenzeichen der Hütte ist ein spiralförmig<br />

ansteigendes Treppenhaus, das eigent<br />

lich nichts anderes ist als ein grosser<br />

Lüftungsschacht. Die kontrollierte Lüftung<br />

verhindert, dass die Wärme nicht einfach so<br />

in die Umgebung entweicht und die Tem peraturen<br />

im Innern konstant bleiben. Ziel des<br />

Hüttenenergiekonzeptes ist es, dass der<br />

Sechs-Millionen-Bau zu 90 Prozent energieautark<br />

sein wird. Die CO 2 -Emissionen sollen<br />

pro Übernachtung im Vergleich zur alten<br />

Monte-Rosa-Hütte um zwei Drittel gesenkt<br />

werden.<br />

Auf der Terrasse der Hütte empfängt uns<br />

Peter Planche, der ehemalige Präsident der<br />

SAC-Sektion Monte -Rosa. Er begleitete<br />

den Bau von Anfang an und führt uns ins<br />

Untergeschoss hinter eine massive Türe aus<br />

Aluminium. Hier versteckt sich der Maschinenraum.<br />

Laut Planche wurde über ein Kilometer<br />

Kabel verlegt. Zahlreiche Akkus und<br />

ein grosser isolierter Wassertank speichern<br />

solar erzeugte Elektrizität und Warmwasser.<br />

Weil in der Küche auf Hochtouren gearbeitet<br />

wird, surrt nun auch ein mit Rapsöl betriebener<br />

Stromgenerator.<br />

So beeindruckend dies alles auch aussieht,<br />

die Kinderkrankheiten der im März<br />

eröffneten Hütte sind noch nicht ausgestanden.<br />

Der Besucheransturm – bereits zur<br />

Saisonhalbzeit besuchten 5000 Personen<br />

das Haus, so viele, wie man für die ganze<br />

Saison erwartet hatte – brachte das ausgeklügelte<br />

Abwasserreinigungssystem aus<br />

dem Gleichgewicht. Die Toiletten stinken zum<br />

Himmel. Planche ist verärgert: «Der Gestank<br />

ist unerträglich. Eigentlich sollte die Abwasseranlage<br />

das Spülwasser so weit reinigen,<br />

dass es rivellafarben und nicht wie jetzt<br />

colafarben ist.»<br />

Das Wasser ist die grosse Schlüsselstelle<br />

der Hüttenbewirtschaftung. Planche: «Geologen<br />

hatten versprochen, dass die Kaverne<br />

im Urgestein hinter der Hütte wasserdicht<br />

sei. Dem war aber nicht so. Die Felshöhle<br />

musste nachträglich mit einer Folie abgedichtet<br />

werden. Im Winter sägte der Hüttenwart<br />

mit einer Motorsäge ein Loch durch die<br />

dicke Eisschicht des Gornersees, um zu<br />

Wasser zu kommen. Helikopter flogen es<br />

dann zur Kaverne.»<br />

Beim Abendessen – die Hüttenmannschaft<br />

serviert ein vollwertiges Viergangmenü<br />

– sind diese Startprobleme vergessen.<br />

Wir bestaunen den Blick durch die Panoramafenster<br />

und die kunstvoll von einer CAD-<br />

Anlage geschnitzten Holzbalken im Speisesaal.<br />

Nach dem Dessert ziehen sich die<br />

Bergsteiger in die Achtbettzimmer zurück.<br />

Für sie ist bereits um zwei Uhr morgens Tagwache.<br />

Wir Hüttentouristen stehen nochmals<br />

vor das Haus. Die Eisflanke des Liskamms<br />

leuchtet im schönsten Abendlicht. Vor der<br />

silbernen Hüttenfassade steht ein Steinmann.<br />

Wir denken zurück an die Stimme des<br />

bärtigen Steinmannbauers: «Mini Steimannjini<br />

sind Wägwieserä i Züekunft. Wo wellentsch<br />

gah?» Bernard van Dierendonck<br />

Die Audiogeräte für den Klimahörpfad<br />

gibt es gratis bei der<br />

Talstation der Gornergratbahn in<br />

Zermatt (gegen ein Depot). Mittels<br />

einer Ladestation kann man den<br />

Hörpfad auch aufs eigene Handy<br />

laden. Der Hörpfad in voller Länge:<br />

www.klimahoerpfad.ch<br />

Der Hüttenweg ist markiert und<br />

für alpinerfahrene Bergwanderer<br />

machbar. Bei Ausaperung<br />

des Gletschers sind Steigeisen<br />

erforderlich. Für die Wanderung<br />

ab Station Rotenboden sind<br />

drei Stunden erforderlich (der<br />

Rückweg ist gleich lang). Die<br />

Saison dauert bis gegen Ende<br />

September. Im Winter ist der<br />

Zustieg nicht markiert und nur<br />

mit Tourenskis möglich (offen<br />

ab Mitte März).<br />

Informationen und Reservation<br />

für Hüttenübernachtung:<br />

www.section-monte-rosa.ch<br />

Allgemeine Informationen:<br />

www.neuemonterosahuette.ch<br />

Die Credit Suisse hat 2007 den<br />

SAC mit 25 000 Franken aus dem<br />

Jubiläumsfonds beim Bau der<br />

Hütte unterstützt und unterhält<br />

seit 2009 eine Partnerschaft mit<br />

der Organisation myclimate.<br />

Bergführer:<br />

www.alpincenter-zermatt.ch<br />

Weitere sensationelle Bilder vom Klimahörpfad<br />

sowie Audiofile über diesen QR Code.<br />

So gehts: Den BeeTagg Reader gratis auf das<br />

Smartphone laden, Code fotografieren, Link erhalten.<br />

Fotos: Bernard van Dierendonck | Martin Stollenwerk<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 53<br />

Die Credit Suisse heisst ihre<br />

jungen Talente willkommen<br />

Auch dieses Jahr traten nach den Schulsommerferien neue Bank- und<br />

IT-Lernende ihre Ausbildung bei der Credit Suisse an. Der Einführungstag<br />

«Start-Up Credit Suisse» sollte den Jugendlichen den Einstieg erleichtern<br />

und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit bieten, erste Kontakte zu knüpfen.<br />

Voller Spannung und mit gemischten Gefühlen<br />

warteten am 2. August 185 hoffnungsvolle,<br />

mehrheitlich sechzehnjährige<br />

Jugendliche auf den Beginn der Veranstaltung<br />

«Start-Up Credit Suisse», einem vom<br />

Young-Talents-Team organisierten Begrüssungsevent.<br />

Viele von ihnen hatten wohl<br />

eine unruhige Nacht hinter sich, und dies<br />

nicht wegen des Lärms vom 1.-August-Feuerwerk<br />

am Vorabend, sondern wegen des<br />

neuen Lebensabschnitts, der an diesem Tag<br />

beginnen sollte. Die neuen Lernenden waren<br />

aus der ganzen Deutschschweiz ins St. Peter<br />

Forum in Zürich gekommen, um ihre «Reise»<br />

bei der Credit Suisse anzutreten. Einerseits<br />

die Reise durch die dreitägige Einführung,<br />

und andererseits jene durch die Lehre, für<br />

die an diesem Tag der Startschuss fiel.<br />

Schritt für Schritt in die neue Welt<br />

«Ich möchte Ihnen gleich drei Mal gratulieren:<br />

Erstens, weil Sie aus Tausenden von Bewerbern<br />

ausgesucht wurden, dann, weil Sie die<br />

Credit Suisse als Arbeitgeber gewählt haben,<br />

und nicht zuletzt, weil Sie sich für eine Berufslehre<br />

entschieden haben.» Mit diesen<br />

Worten hiess Marion Fürbeth vom Young-<br />

Talents-Team Zürich die neueingetretenen<br />

Bank- und IT-Lernenden aus der gesamten<br />

Deutschschweiz willkommen, die dieses Jahr<br />

den Begrüssungsevent zum ersten Mal gemeinsam<br />

absolvierten. Für die Lernenden<br />

aus der französischen und der italienischen<br />

Schweiz fanden separate Einführungsveranstaltungen<br />

in der jeweiligen Sprachregion<br />

statt. Michael Steiner von der Business<br />

School sowie weitere interne Fachspezialisten<br />

hatten an diesem Tag die Aufgabe, den<br />

Teilnehmenden Unternehmenskultur und<br />

Grundsätze der Credit Suisse vorzustellen<br />

und ihnen so den Einstieg in die Arbeitswelt<br />

zu erleichtern. Unterstützt wurden sie dabei<br />

von Hans-Ulrich Meister, CEO der Credit<br />

Suisse Schweiz.<br />

Mit Fallbeispielen und in einer interaktiven<br />

Fragerunde wurden die Lernenden an die<br />

verschiedenen Themen herangeführt. Die<br />

Redner erläuterten unter anderem die Gründungsgeschichte<br />

der Bank sowie den Verhaltenskodex<br />

(Code of Conduct), in dem die<br />

Credit Suisse für alle Mitarbeitenden zehn<br />

verbindliche Grundwerte der Geschäftstätig-<br />

keit festlegt. Der Fokus lag dabei auf dem<br />

Umgang mit Kundendaten und auf der respektvollen<br />

und fairen Zusammenarbeit am<br />

Arbeitsplatz.<br />

150 neue Lehrstellen<br />

Mit seinem Auftritt setzte Hans-Ulrich<br />

Meister ein Zeichen für das Engagement der<br />

Credit Suisse im Bereich der Nachwuchsförderung:<br />

Der Bank ist es seit Jahren ein<br />

besonderes Anliegen, jungen Menschen<br />

gute berufliche Perspektiven zu bieten. Auch<br />

in einer wirtschaftlichen Krise ist es wichtig,<br />

weiterhin in die Ausbildung junger Leute zu<br />

investieren. Deshalb lancierte die Credit<br />

Suisse, als einer der wichtigsten Ar beitgeber<br />

der Schweiz, im Dezember 2009 eine Initiative,<br />

in deren Rahmen sie über einen Zeitraum<br />

von drei Jahren ihr Lehrstellenangebot<br />

um 25 Prozent auf 750 Stellen erhöht. Damit<br />

unterstützt die Bank den Bildungs- und<br />

Werkplatz Schweiz und reagiert zudem auf<br />

das aktuelle Problem der Jugendarbeitslosigkeit.<br />

Dass die Credit Suisse ihre Ausbildungsaufgabe<br />

ernst nimmt, kommt auch entsprechend<br />

bei den Berufseinsteigern an: «Ich<br />

habe mich nicht zuletzt für die Credit Suisse<br />

entschieden, weil sie sich sehr für uns Lernende<br />

interessiert und viel für uns macht»,<br />

begründete Federico seine Wahl des Arbeitgebers.<br />

Besonders gespannt war er am<br />

Begrüssungsevent darauf, mehr über den<br />

Hintergrund der Credit Suisse zu erfahren<br />

und neue Bekanntschaften zu schliessen.<br />

Auch seine Kollegin Helena blickte neu- ><br />

Fotos: Bernard van Dierendonck | Martin Stollenwerk<br />

Die Lernenden malen den Beginn ihrer Laufbahn bei der Credit Suisse und besprechen die Zeichnungen<br />

mit den Sitznachbarn.<br />

Die Auszubildenden lernen sich gegenseitig kennen<br />

und tauschen erste Erfahrungen aus.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


54 Credit Suisse Schweiz<br />

750<br />

Lernende bis 2012<br />

gierig auf das, was folgen sollte: «Die Einführungswoche<br />

hilft mir, die Credit Suisse<br />

noch besser kennenzulernen und herauszufinden,<br />

was mich genau erwartet. Ich bin sehr<br />

gespannt auf die Lehre und bin offen für<br />

Neues.» Im Verlauf des Tages hatten die Teilnehmenden<br />

immer wieder Gelegenheit, sich<br />

mit anderen Lernenden auszutauschen und<br />

sich zu vernetzen. So wurden sie unter anderem<br />

dazu aufgefordert, mit Papier und<br />

Buntstiften den Beginn ihrer Laufbahn bei<br />

der Credit Suisse aufzuzeichnen und mit<br />

ihren Sitznachbarn zu besprechen. Dies<br />

nahm den meisten die Anspannung. «Jetzt<br />

bin ich noch nicht so nervös, aber am ersten<br />

Arbeitstag werde ich bestimmt sehr aufgeregt<br />

sein, weil ich ein bisschen Angst habe,<br />

Fehler zu machen», führte Marco aus. «Nach<br />

dem heu tigen Tag weiss ich nun aber, wie<br />

die Leute ‹ticken› und wie sie arbeiten. Die<br />

Freude auf die nächsten drei Jahre ist jetzt<br />

grösser als die Nervosität.»<br />

Ingesamt konnten dieses Jahr rund 220<br />

Jugendliche ihre Berufsausbildung bei der<br />

Credit Suisse beginnen. Allein in der Region<br />

Zürich waren dies 20 mehr als im letzten<br />

Jahr. Die Bank sieht die Lehrstelleninitiative<br />

als Teil ihrer unternehmerischen Verantwortung,<br />

aber auch als Teil der Geschäftsstrategie:<br />

Die Fähigkeiten, die die Lernenden nach<br />

einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung<br />

mitbringen, machen sie zu sehr<br />

begehrten und wertvollen Mitarbeitenden.<br />

Hans-Ulrich Meister wies darauf hin, dass<br />

eine Lehre, so wie es sie in der Schweiz gibt,<br />

auf der ganzen Welt einzigartig ist und viele<br />

Vorteile bringt: «Wer das Geschäft von Grund<br />

auf kennt, hat ein breiteres Wissen. Denn<br />

zusätzlich zur Theorie kennt man auch die<br />

Praxis.» Folglich ist die Berufslehre bei entsprechender<br />

Mobilität und Weiterbildung ein<br />

ideales Sprungbrett für eine aussichtsreiche<br />

berufliche Laufbahn innerhalb der Bank.<br />

Tatsächlich fanden 2009 rund 85 Prozent der<br />

Credit Suisse Lernenden nach ihrem Lehrabschluss<br />

eine Festanstellung. Daran soll<br />

sich, wie Hans-Ulrich Meister betonte, auch<br />

in Zukunft nichts ändern. Fabienne de Lannay<br />

Der letzte Anker<br />

Jedes Jahr finden in der Schweiz rund 2500 Schweizer Jugendliche keine<br />

Lehrstelle und drohen zum Sozialfall zu werden. Um diese Schwächsten der<br />

Schwachen kümmert sich die Stiftung Speranza. Mit Erfolg.<br />

Mittagszeit im Restaurant des Sportzentrums<br />

Baregg bei Baden. In der heissen Küche wird<br />

auf Hochtouren gearbeitet, denn parallel<br />

zu den Menüs gilt es ein Abendbankett für<br />

<strong>10</strong>0 Gäste vorzubereiten. Tobias Gspandl<br />

ist für die Nachspeise verantwortlich und<br />

streicht sorgfältig die Vanillecrème durch ein<br />

Sieb. Der 18-Jährige hat vor zwei Wochen<br />

mit der Kochlehre begonnen. «Ich gebe mir<br />

alle Mühe», sagt er, «denn ich will meine letzte<br />

Chance packen.»<br />

Wie jährlich rund 2500 Schweizer Jugendliche<br />

stand Tobias nach der Schulzeit<br />

ohne Lehrstelle da, und ihm drohte ein Leben<br />

als Sozialbezüger. Die Probleme begannen<br />

bereits in der Realschule: «Ich war ein<br />

Aussenseiter. Irgendwann hatte ich die Beleidigungen<br />

meiner Klassenkameraden satt,<br />

schwänzte den Unterricht, bekam immer<br />

schlechtere Noten.» In den Schnupperlehren<br />

dienten ihm die Töpfe als Basketballkorb für<br />

Kartoffeln, aus der erhofften Ausbildung zum<br />

Koch wurde nichts. Es folgte das zehnte<br />

Schuljahr in der Kantonalen Schule für Berufsbildung,<br />

von der er nach drei Verweisen<br />

Neuer Schwerpunkt Die Stiftung<br />

Speranza erweitert derzeit<br />

mit dem Projekt «Assessment<br />

berufliche Neuorientierung»<br />

ihr Betätigungsfeld. Arbeitslosen<br />

Jugend lichen mit abgeschlossener<br />

Erstausbildung soll mittels profes<br />

sionellen Assessments inklusive<br />

Laufbahnberatung zu einem<br />

Wechsel in Branchen ohne Überangebot<br />

und einer entsprechenden<br />

Zusatzausbildung verholfen<br />

werden. «Ihre Chancen auf die<br />

Reintegration in den Arbeitsmarkt<br />

steigen dadurch erheblich»,<br />

ist Geschäftsführer Jörg Sennrich<br />

überzeugt. Da die Credit Suisse<br />

dieses Projekt ihm Rahmen ihrer<br />

Initiative «Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit»<br />

finanziert,<br />

können jährlich rund <strong>10</strong>00 Jugendliche<br />

das Assessment kostenlos<br />

absolvieren.<br />

aus disziplinarischen Gründen suspendiert<br />

wurde. Nun, mit erst 16, blieb nur noch der<br />

Gang aufs Regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />

(RAV). Dort erfuhr er von Speranza.<br />

Integration in den realen Arbeitsmarkt<br />

Aus dem Projekt «Speranza», das 2006<br />

vom Unternehmer und FDP-Nationalrat Otto<br />

Ineichen gegründet wurde, entstand zwei<br />

Jahre später die Stiftung Speranza. Sie ist so<br />

etwas wie der letzte Anker für die Schwächsten<br />

der Schwachen und kümmert sich um<br />

Jugendliche und junge Erwachsene bis 25<br />

Jahre ohne jegliche berufl iche Perspektiven.<br />

«Wir springen dort ein, wo dem Staat die Hände<br />

gebunden sind, und schliessen damit eine<br />

Lücke», sagt Geschäftsführer Jörg Sennrich.<br />

«Kein Abschluss ohne Anschluss», lautet das<br />

Speranza-Credo, im Wissen, dass eine ungenügende<br />

Berufsausbildung einen hohen<br />

volkswirtschaftlichen Schaden ver ursacht.<br />

Junge Menschen mit Sozialhilfe, in Integrationsprogrammen<br />

und im Strafvollzug belasten<br />

die öffentliche Hand gemäss Studien mit mehreren<br />

hundert Millionen Franken, so Sennrich.<br />

Das Engagement der Stiftung beruht auf<br />

zwei Eckpfeilern. Einerseits motivieren ihre<br />

wirtschaftsnahen «Networker » Unternehmer<br />

zur Ausschreibung neuer Lehr- und Praktikumsstellen,<br />

wodurch schweizweit bereits<br />

rund <strong>10</strong> 000 neue Ausbildungsplätze geschaffen<br />

werden konnten. Für Jörg Sennrich<br />

besonders wichtig: «Es handelt sich dabei<br />

nicht um Stellen in ‹geschützten Werkstätten›,<br />

sondern um die Integration in den realen<br />

Arbeitsmarkt. Zumeist sind es zweijährige<br />

Grundausbildungen EBA (Anlehren) für schulisch<br />

schwache Jugendliche.»<br />

Daneben verfügt Speranza über das<br />

Institut für Bildung (IfB). Jugendliche mit<br />

besonders grossen Defiziten werden hier<br />

während 12 bis 18 Monaten im ‹Bildungsjahr›<br />

für den Arbeitsmarkt fit gemacht. Unterstützt<br />

werden sie dabei von erfahrenen Fachleuten<br />

und Unternehmern, so genannten Wirtschaftscoachs.<br />

Die meisten Jugendlichen weisen<br />

komplexe Mehrfachproblematiken (Migrationshintergrund,<br />

schulische Defizite, Straffälligkeit)<br />

und ausgeprägte Motivationsprob-<br />

Foto: Martin Stollenwerk<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Schweiz Credit Suisse 55<br />

«Ich will meine letzte Chance packen»: Tobias Gspandl (18) hat dank Speranza eine Lehrstelle gefunden.<br />

Auch mit seinem Coach habe es Probleme<br />

gegeben. Doch als ihm ein neuer Betreuer<br />

zugeteilt wurde, habe es Klick gemacht. Zwar<br />

sei man ebenfalls ab und an aneinandergeraten,<br />

und manchmal sei es auch stressig<br />

gewesen, weil dieser dauernd etwas von ihm<br />

gefordert habe. Doch der Coach habe nie die<br />

Nerven verloren und habe es gut mit ihm gemeint.<br />

«Irgendwann habe ich das kindische<br />

Ver halten abgelegt und begriffen, dass es<br />

ernst gilt.» Nach einigen Praktika wurde er<br />

mit der Lehrstelle im Restaurant Baregg<br />

belohnt.<br />

Die Kosten für das Bildungsjahr betragen<br />

21 000 Franken. Ein Schnäppchen im Vergleich<br />

mit ähnlichen Angeboten oder den<br />

rund 43 000 Franken, die ein ausgesteuerter<br />

Jugendlicher den Staat kostet. Und die Erfolgsquoten<br />

von Speranza sind beachtlich.<br />

Rund 300 Jugendliche fanden nach der Absolvierung<br />

des Bildungsjahres seit 2007 eine<br />

Lehrstelle. Bei den 16- und 17-Jährigen waren<br />

es 80 Prozent, bei den über 18-Jährigen<br />

zwischen 50 und 60 Prozent. «Unser gesamtheitliches<br />

und individualisierendes Bildungskonzept<br />

sowie unser Kontakt zur Wirtschaft<br />

zahlt sich aus», sagt Jörg Sennrich, «für die<br />

Jugendlichen und für die Volkswirtschaft.»<br />

Mehr noch. Tobias Gspandl hat dank Speranza<br />

den Glauben an sich selbst (wieder)<br />

gefunden. In sein Notizheft skizziert er bereits<br />

Baupläne. Von einem eigenen Hotel –<br />

am Meer. Michael Krobath<br />

leme auf. Häufig laute ihr Lebensmotto «Chillen»<br />

(entspannen, rumhängen), sagt Jörg<br />

Sennrich. Das Gefühl, zur Gesellschaft zu<br />

gehören und einen Teil dazu beitragen zu<br />

müssen, existiere nicht. «Deshalb beginnen<br />

wir oft ganz von vorne, mit der Vermittlung<br />

von Tugenden wie Ordnungssinn, Pünktlichkeit,<br />

Durchhaltewillen und Eigenverantwortung.»<br />

In mehrwöchigen Perspektivencamps<br />

in Bergregionen erhalten die Jugendlichen<br />

eine geregelte Tagesstruktur und leisten<br />

Arbeitseinsätze, um die für den Arbeitsmarkt<br />

benötigten Schlüsselkompetenzen zu erlan-<br />

gen. Erst danach beginnt die Phase der<br />

eigentlichen beruflichen Planung. Nebst der<br />

Aufarbeitung schulischer Schwächen setzen<br />

sie sich in Berufspraktika intensiv mit der<br />

eigenen Berufswahl auseinander und erarbeiten<br />

sich einen Leistungsausweis.<br />

Zu Speranza kommen die arbeitslosen<br />

Jugendlichen jeweils durch die kantonalen<br />

Dienststellen oder durch die Wohngemeinde.<br />

So auch Tobias Gspandl. Anfangs habe er<br />

sich dort schwergetan, erzählt der kräftige<br />

Kochlehrling. Wie zuvor in der Schule habe<br />

er den Clown gespielt und sei angeeckt.<br />

<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.stiftungsperanza.ch<br />

Als Beitrag zur langfristigen Förderung des<br />

Bildungs- und Werkplatzes Schweiz engagiert<br />

sich die Credit Suisse für die Verbesserung<br />

der Berufschancen von Jugendlichen. Im Rahmen<br />

der Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />

stellt sie 30 Millionen Franken bereit.<br />

Dabei arbeitet sie in den nächsten drei bis<br />

fünf Jahren mit sieben Partnern zusammen.<br />

Bereits vorgestellt wurden:<br />

Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in<br />

der Ostschweiz (<strong>bull</strong>etin 2/20<strong>10</strong>) sowie<br />

Intégration pour tous. Project Jeunes@Work<br />

(<strong>bull</strong>etin 3/20<strong>10</strong>)<br />

Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unter nehme rische Verantwortung gegen über<br />

der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaft lichen Erfolg ist.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


56 Wirtschaft Gesundheit<br />

Universitätsspital<br />

Kantonsspital<br />

Regional-/Bezirksspital,<br />

psychiatrische Kliniken,<br />

Rehabilitationskliniken,<br />

Privatkliniken, Spezialkliniken<br />

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Spannungs<br />

Gesundheits<br />

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Foto: Mathias Hofstetter<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Gesundheit Wirtschaft 57<br />

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feld<br />

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wesen<br />

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<br />

Text: Manuela Merki, Senior Economist, Credit Suisse Economic Research<br />

<br />

<br />

Im Schweizer Gesundheitswesen sollen die Kosten eingedämmt werden,<br />

<br />

<br />

aber der uneingeschränkte <br />

Zugang zu den Dienstleistern soll auch garantiert<br />

sein. Die Unterschiede <br />

in der regionalen Versorgung haben sich verkleinert,<br />

allerdings werden die Betriebe immer grösser. Das Netz der Gesundheitsdienstleister<br />

in der Schweiz ist heute dichter und regelmässiger als noch vor<br />

<br />

zehn Jahren. Inwiefern ist diese regionale Ausdehnung mitverantwortlich für<br />

<br />

die hohen Kosten im Schweizer Gesund heitswesen? >>><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


58 Wirtschaft Gesundheit<br />

Gesundheit hat ihren Preis. Tatsächlich belaufen<br />

sich die Gesundheitsausgaben in der<br />

Schweiz heute auf mehr als zehn Prozent des<br />

BIP. Hinter den USA und Frankreich liegen<br />

wir damit weltweit auf Rang drei. Ein Spitzenplatz<br />

kann dem Schweizer Gesundheitswesen<br />

aber auch in Sachen Ergebnisqualität<br />

zugesprochen werden. Die Lebenserwartung<br />

gehört weltweit zu den höchsten (Frauen<br />

84,4 Jahre, Männer 79,7 Jahre) und Umfragen<br />

zeigen immer wieder, dass die Schweizer<br />

Bevölkerung mit den Gesundheitsdienstleistungen<br />

überaus zufrieden ist.<br />

Momentan prägt die Diskussion um die<br />

Zukunft des Gesundheitswesens aber vor<br />

allem die Angst vor den aus dem Ruder<br />

laufenden Kosten. Mehr als 60 Milliarden<br />

Schweizer Franken wurden 2009 gemäss<br />

Schätzungen gesamthaft für Gesundheitsdienstleistungen<br />

ausgegeben, Tendenz steigend<br />

(vgl. Abbildung 1). Dabei müssen nicht<br />

nur die Patienten zur Begleichung ihrer Krankenkassenprämien<br />

und Kostenbeteiligungen<br />

immer tiefer in die Tasche greifen. Auch die<br />

indirekt via Staatskasse finanzierten Gesundheitsausgaben<br />

klettern jährlich um<br />

durchschnittlich 4,7 Prozent (1998 –2007).<br />

Mehr <strong>Konsum</strong> führt zu mehr Ausgaben<br />

Die Ausgaben sind in allen Leistungsbereichen<br />

stark gestiegen, zwischen 1998 und<br />

2008, im Durchschnitt um jährlich 3,7 Prozent.<br />

Am stärksten war der Anstieg bei den<br />

ambulanten Spitalleistungen, wobei hier eine<br />

Verlagerung von Leistungen aus dem stationären<br />

Bereich stattgefunden hat.<br />

Das Wachstum der Gesundheitsausgaben<br />

ist dabei weitgehend mengen- und nicht<br />

preisbedingt. Die durchschnittliche Teuerung<br />

im gesamten Gesundheitsbereich betrug<br />

zwischen 1998 und 2008 nur 0,4 Prozent.<br />

Zwischen den einzelnen Gesundheitsgütern<br />

und -dienstleistungen können aber beachtliche<br />

Unterschiede festgestellt werden. Am<br />

stärksten gestiegen sind die Preise für Spitalleistungen<br />

(+1,3 Prozent pro Jahr). Die<br />

Preise für ärztliche Dienstleistungen stiegen<br />

nicht und Medi kamente sind sogar günstiger<br />

geworden (–1,8 Prozent pro Jahr).<br />

Die starke Mengenausweitung kommt<br />

nicht von ungefähr. Das Bevölkerungswachstum<br />

und die demografische Alterung treiben<br />

die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen<br />

an. Ein wesentlicher Teil des Kostenanstiegs<br />

ist jedoch auch bedingt durch die<br />

steigenden Ansprüche der Patienten sowie<br />

die systemimmanenten Anreize, die eine (zu)<br />

hohe Versorgung begünstigen. Die privaten<br />

Haushalte tragen in der Schweiz zwar einen<br />

beachtlichen Teil der Gesundheitsausgaben;<br />

dieser besteht jedoch grösstenteils aus den<br />

Versicherungsbeiträgen und hängt kaum<br />

von den konsumierten Leistungen ab. Auch<br />

bei den Anbietern gehen die Anreize in Richtung<br />

Mengenausweitung. Vereinfacht gesagt<br />

verdienen «gute Ärzte», die ihre Patienten<br />

schnell und nachhaltig kurieren, weniger als<br />

«schlechte Ärzte», die mit viel Aufwand wenig<br />

erreichen. Die Unsicherheit über den Erfolg<br />

von Behandlungen verstärkt die Tendenz zu<br />

höherem <strong>Konsum</strong> zusätzlich.<br />

Im Gesundheitswesen ist derjenige, der<br />

eine Leistung anordnet, nutzt und bezahlt,<br />

selten ein und dieselbe Person. Die Informationsbausteine<br />

sind auf die verschiedenen<br />

Akteure verteilt und oft nicht frei zugänglich.<br />

Die effektiven Kosten bleiben daher für<br />

die verschiedenen Entscheidungsträger verborgen.<br />

Diese Anreizverzerrungen und die<br />

dadurch steigenden Ausgaben bringen das<br />

System an seine Belastungsgrenzen.<br />

Die Ausgabenlast ist im Schweizer Gesundheitssystem<br />

auf viele Schultern verteilt<br />

und die Veränderungsbereitschaft ist<br />

gering. Zu viele Akteure profitieren von der<br />

momentanen Ausgestaltung der Gesundheits<br />

ver sorgung, Reformen kommen daher<br />

nur schleppend voran. Der steigende Kostendruck<br />

sorgt jedoch allmählich für etwas<br />

Bewegung.<br />

In der Struktur des Angebots zeichnen<br />

sich gewisse Veränderungen ab. So kann bei<br />

allen Gesundheitsdienstleistern in den letzten<br />

zehn Jahren eine Tendenz zu grösseren<br />

Betrieben festgestellt werden. In vielen Bereichen<br />

ging die Anzahl Arbeitsstätten zurück,<br />

in anderen ist sie zumindest deutlich weniger<br />

stark angestiegen als die Zahl der Vollzeitbeschäftigten.<br />

Nur bei der Psychotherapie/<br />

Psychologie und bei der Allgemeinmedizin ist<br />

die Beschäftigung (in Vollzeitäquivalenten) in<br />

den letzten zehn Jahren zurückgegangen.<br />

Die Spezialmedizin (Fachärzte, Spezialkliniken)<br />

ist deutlich stärker gewachsen als die<br />

Allgemeinmedizin.<br />

Grösste Konzentration bei Spitälern<br />

Die Konzentrationsprozesse sind bei den<br />

grossen Kostenblocks (Spitäler und Ärzte)<br />

sowie in der Hauspflege besonders intensiv,<br />

was einerseits auf hohe Effizienzgewinne<br />

durch Konzentration in diesen Bereichen zurückzuführen<br />

ist, anderseits durch den besonders<br />

starken öffentlichen und politischen<br />

Druck angetrieben sein dürfte. Die Reform<br />

der Spitalfinanzierung und die damit einher-<br />

1 Podestplatz für die Schweiz<br />

Die Schweiz gibt mehr als ein Zehntel des<br />

BIP für das Gesundheitswesen aus. Sie liegt<br />

damit hinter den USA und Frankreich.<br />

Quelle: BFS, Seco, Credit Suisse Economic Research<br />

Mrd. CHF<br />

65<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />

Gesundheitsausgaben, total<br />

BIP<br />

2 Weniger regionale Unterschiede<br />

Zwischen 1998 und 2008 ist der Unterschied<br />

im Verhältnis von Beschäftigten im<br />

Gesundheitssektor zu Einwohnern kleiner<br />

geworden.<br />

Quelle: BFS, Credit Suisse Economic Research<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

Allgemeine Arztpraxen<br />

Krankenhäuser<br />

1998<br />

2008<br />

Pflege<br />

Total<br />

BIP<br />

650<br />

600<br />

550<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Gesundheit Wirtschaft 59<br />

Die Konzentration in den Zentren hat sich<br />

nicht prinzipiell zulasten der Randregionen<br />

verstärkt. In der Entwicklung der regionalen<br />

Versorgung lassen sich nur teilweise Konzentrations-<br />

und Spezialisierungsprozesse ausmachen.<br />

Basierend auf dem Verhältnis der Anzahl<br />

Beschäftigten im Gesundheitssektor zur Anzahl<br />

Einwohner nehmen die regionalen Unterschiede<br />

tendenziell gar ab (vgl. Abbildung 2).<br />

Mehr Versorgung in den Randregionen<br />

Bei den Versorgungsmöglichkeiten, gemessen<br />

an der Anzahl innert einem konstanten<br />

Radius von 30 Minuten Fahrzeit erreichbaren<br />

Gesundheitsdienst leister, zeigt sich teilweise<br />

gar eine stärkere Erhöhung in den Randregionen;<br />

die Regionen gleichen sich einander<br />

an. Besonders auffallend ist das Muster des<br />

erhöhten Versorgungspotenzials in gewissen<br />

Randregionen bei allgemeinen Krankenhäusern<br />

(vgl. Abbildung 3) und Ärzten.<br />

Dies überrascht angesichts der Befürchtungen<br />

einer Unter- respektive Minderversorgung<br />

der Randregionen. Vermutlich ist<br />

leister respektive die hohe Versorgung im<br />

ländlichen Raum nicht nur auf Neupositionierungen<br />

und Spezialisierungen zurückzuführen,<br />

sondern auch politisch begründet.<br />

Besonders bei der Allgemeinmedizin bietet<br />

eine überdurchschnittliche Entwicklung der<br />

Randregionen kaum ökonomische Vorteile.<br />

Inwiefern die räumliche Ausbreitung des Gesundheitswesens<br />

und die Diskrepanz zwischen<br />

räumlichem Einzugsgebiet und politischer<br />

Zuständigkeit grundsätzlich die Kosten<br />

in die Höhe treiben, bleibt offen.<br />

Die dezentrale Regulierungs- und Entscheidungsstruktur<br />

ist eine Schweizer Besonderheit.<br />

Die verschiedenen, teilweise<br />

verzahnten Kompetenzen zwischen Bund,<br />

Kantonen und Gemeinden sind sehr komplex<br />

und zeitigen mitunter unklare Zuständigkeiten,<br />

Doppelspurigkeiten oder unzweckmässige<br />

Lösungen. Angesichts der Bestrebungen<br />

zu Kostenreduktion und Konzentration wird<br />

das Spannungsfeld zwischen nationaler und<br />

regionaler Gesundheitspolitik noch stärker.<br />

Der bestehende Regulierungsrahmen<br />

ge hende Einführung von Fallpauschalen per<br />

2012 sorgt für zusätzliche Bewegung und<br />

dürfte zu einer Bereinigung der Spitallandschaft<br />

führen. Die Managed-Care-Vorlage<br />

wiederum wird den Wettbewerb der verschiedenen<br />

Versorgungsmodelle intensivieren und<br />

damit die Tendenz hin zu grösseren Praxen<br />

und Ärztenetzwerken verstärken.<br />

Der Gesundheitssektor befindet sich dabei<br />

zwischen der Konzentration und Spezialisierung<br />

einerseits sowie der Nähe zu Kunden<br />

respektive Patienten anderseits. Arbeitsteilungs-<br />

und Effizienzüberlegungen<br />

wirken oft in Richtung Konzentration der<br />

Leistungserstellung, während die notwendige<br />

Nähe zum Kunden und der Versorgungsauftrag<br />

der Konzentration entgegenwirken.<br />

In der regionalen Verteilung der Gesundheitsdienstleister<br />

zeigt sich eine hohe Konzentration<br />

in den Ballungsräumen um die<br />

wirtschaftlichen Zentren. Diese Konzentration<br />

lässt sich durch die stark konzentrierte<br />

Nachfrage und die Funktion dieser Regionen<br />

als überregionale Kompetenz- und Versorgungszentren<br />

erklären. diese Ausdehnung der Gesundheitsdienst-<br />

hemmt den Wettbewerb. Mittelfristig wäre ><br />

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17 kulinarische Treffpunkte in der Schweiz:<br />

MOLINO Bern<br />

Waisenhausplatz 13<br />

3011 Bern<br />

Telefon 031 / 311 21 71<br />

MOLINO Dietikon<br />

Badenerstrasse 21<br />

8953 Dietikon<br />

Telefon <strong>04</strong>4 / 740 14 18<br />

MOLINO Genf<br />

Centre La Praille<br />

1227 Carouge<br />

Telefon 022 / 307 84 44<br />

LE LACUSTRE Genf<br />

Quai Général-Guisan 5<br />

12<strong>04</strong> Genf<br />

Telefon 022 / 317 40 00<br />

MOLINO Thônex<br />

<strong>10</strong>6, rue de Genève<br />

1226 Thônex<br />

Telefon 022 / 860 88 88<br />

MOLINO Uster<br />

Poststrasse 20<br />

86<strong>10</strong> Uster<br />

Telefon <strong>04</strong>4 / 940 18 48<br />

MOLINO Winterthur<br />

Marktgasse 45<br />

8400 Winterthur<br />

Telefon 052 / 213 02 27<br />

MOLINO Zürich<br />

Limmatquai 16<br />

8001 Zürich<br />

Telefon <strong>04</strong>4 / 261 01 17<br />

SEILERHAUS MOLINO<br />

Zermatt<br />

Bahnhofstrasse 52<br />

3920 Zermatt<br />

Telefon 027 / 966 81 81<br />

MOLINO Fribourg<br />

93, rue de Lausanne<br />

1700 Fribourg<br />

Telefon 026 / 322 30 65<br />

MOLINO Montreux<br />

Place du Marché 6<br />

1820 Montreux<br />

Telefon 021 / 965 13 34<br />

MOLINO Vevey<br />

Rue du Simplon 45<br />

1800 Vevey<br />

Telefon 021 / 925 95 45<br />

MOLINO Zürich<br />

Stauffacherstrasse 31<br />

80<strong>04</strong> Zürich<br />

Telefon <strong>04</strong>4 / 240 20 40<br />

MOLINO Genf<br />

Place du Molard 7<br />

12<strong>04</strong> Genf<br />

Telefon 022 / 3<strong>10</strong> 99 88<br />

MOLINO St. Gallen<br />

Bohl 1<br />

9000 St. Gallen<br />

Telefon 071 / 223 45 03<br />

MOLINO Wallisellen<br />

Glattzentrum<br />

83<strong>04</strong> Wallisellen<br />

Telefon <strong>04</strong>4 / 830 65 36<br />

FRASCATI Zürich<br />

Bellerivestrasse 2<br />

8008 Zürich<br />

Telefon <strong>04</strong>3 / 443 06 06<br />

www.molino.ch<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


60 Wirtschaft Gesundheit<br />

3 Eine halbe Stunde Fahrzeit bis ins nächste Spital<br />

Auf dem Land hat die Versorgungsdichte zwischen 1998 und 2008 insgesamt zugenommen.<br />

Gerade in den Randregionen hat diese Entwicklung kaum ökonomische Vorteile, sondern dürfte<br />

auch politisch begründet sein. Quelle: BFS, Credit Suisse Economic Research<br />

4 Stadt und Land haben unterschiedliche medizinische Bedürfnisse<br />

In den wirtschaftlichen Ballungszentren ist mehr medizinische Grundversorgung gefragt,<br />

während auf dem Land mit einem grösseren Anteil an älteren Leuten der Bedarf nach<br />

Pflegedienstleistungen steigen wird. Quelle: BFS, Geostat, Credit Suisse Economic Research<br />

es wichtig, einen echten Binnenmarkt zu<br />

schaffen. Ausser der minimalen Grundversorgung<br />

können viele Leistungen zeitlich<br />

verzögert und ausserhalb des Wohnorts erbracht<br />

und konsumiert werden. Auch im Hinblick<br />

auf die Internationalisierung, die auch<br />

im Gesundheitsbereich zunehmen wird, wäre<br />

ein verstärkter Binnenwettbewerb eine<br />

optimale Vorbereitung. Transparenz und Information<br />

bezüglich der erbrachten Leistungen<br />

und ihrer Qualität werden dabei in Zukunft<br />

eine wichtige Rolle spielen.<br />

Ein Ausblick auf den künftigen regionalen<br />

Versorgungsbedarf und das regionale Entwicklungspotenzial<br />

zeigt, dass sich für die<br />

verschiedenen Regionen auch in einem stärker<br />

wettbewerbsorientierten Markt und bei<br />

zunehmender Spezialisierung Chancen ergeben.<br />

Dabei liegt – ausser bei der Grundversorgung<br />

– der Schlüssel in einer zunehmenden<br />

Spezialisierung und Konzentration<br />

von Kompetenzen. In Wachstumsregionen<br />

um die wirtschaftlichen Zentren zeichnet sich<br />

ein Bedarf im Bereich der medizinischen<br />

Grundversorgung ab (vgl. Abbildung 4). Auf<br />

dem Land dürfte besonders bei der Pflege<br />

eine überdurchschnittliche Entwicklung zu<br />

verzeichnen sein, denn dort ist heute die<br />

Versorgungsdichte eher tief und das erwartete<br />

Wachstum des Alterslastkoeffizienten<br />

(Anteil der Bevölkerung 65+ im Vergleich zu<br />

20 – 64-Jährigen) besonders hoch. Entwicklungspotenzial<br />

ergibt sich auch im Reha- und<br />

Kurbereich oder bei Wellness und Schönheit.<br />

Neue Entwicklungen in den Organisationsund<br />

Marktstrukturen aktiv anzugehen, ist<br />

dabei längerfristig die beste Strategie. <<br />

Die Credit Suisse als Kompetenzzentrum<br />

für Themen der Schweizer<br />

Volkswirtschaft<br />

Am 24. August 20<strong>10</strong> wurde die<br />

neue Publikation zum Gesundheitswesen<br />

Schweiz den Medien<br />

präsentiert. Die Studie fühlt<br />

dem Gesundheitswesen in der<br />

Schweiz den Puls und beleuchtet<br />

dabei speziell die regionale<br />

Dimension mit Blick sowohl auf<br />

das Gesundheitswesen als regionalen<br />

Wirtschaftsfaktor als auch<br />

auf die Versorgung der Bevölkerung.<br />

Die vollständige Studie<br />

finden Sie im Internet unter<br />

www.credit-suisse.com/research<br />

(Schweizer Wirtschaft/Branchen).<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


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62 Wirtschaft Export<br />

Unser Feld ist die Welt:<br />

Erfolgreiche Schweizer<br />

<strong>Konsum</strong>güterexporte<br />

35 750 Milliarden US-Dollar gibt die Welt jährlich für privaten <strong>Konsum</strong> aus.<br />

Dank ihrer starken Exportunternehmen profitiert davon auch die Schweiz.<br />

Text: Dennis Brandes, Credit Suisse Economic Research<br />

Der eigentliche Zweck allen Wirtschaftens<br />

ist der <strong>Konsum</strong>, verstanden als die gesamthafte<br />

Nachfrage von privaten Haushalten<br />

nach Gütern und Dienstleistungen in all<br />

ihrer Unterschiedlichkeit – Luxusartikel,<br />

Miete, Nahrung, Urlaub, Gesundheitsdienstleistungen.<br />

Wir arbeiten nicht, um zu sparen<br />

oder zu investieren, sondern um unsere Bedürfnisse<br />

und die von uns nahestehenden<br />

Personen heute und in Zukunft decken zu<br />

können. Wir sparen und investieren natürlich<br />

auch, was den aktuellen <strong>Konsum</strong> reduziert,<br />

richtig eingesetzt aber den künftigen Wohlstand<br />

und damit künftige <strong>Konsum</strong>möglichkeiten<br />

umso mehr erhöht.<br />

So ist es nicht verwunderlich, dass der<br />

grösste Teil der weltweiten Wirtschaftsleistung<br />

für private <strong>Konsum</strong>zwecke ausgegeben<br />

wird. Im Jahr 2008 waren dies 35 750 Milliarden<br />

US- Dollar, etwa 60 Prozent des weltweiten<br />

BIP oder das etwa Siebzigfache der<br />

jährlichen Schweizer Wirtschaftsleistung.<br />

Ein grosser Teil des <strong>Konsum</strong>s eines Landes<br />

wird direkt vor Ort befriedigt – Mieten etwa<br />

oder lokal angebaute Lebensmittel. Ein<br />

gewichtiger Teil von <strong>Konsum</strong>gütern wird aber<br />

von der ganzen Welt bereitgestellt: Autos aus<br />

Deutschland, Fernseher aus Korea, Möbel<br />

aus Schweden. Schweizer <strong>Konsum</strong>enten<br />

haben so eine viel grössere Auswahl, als<br />

Schweizer Produzenten alleine jemals bieten<br />

könnten. Umgekehrt haben Schweizer Produzenten<br />

einen viel grösseren Kundenstamm als<br />

die Schweiz, statt 7,6 Millionen potenzieller<br />

Kunden theoretisch das fast Hundert fache.<br />

Und obwohl Schweizer <strong>Konsum</strong>güterunternehmen<br />

natürlich nicht jeden Menschen weltweit<br />

zu ihren Kunden zählen können, spielen<br />

sie in vielen Bereichen ganz vorne mit.<br />

Eine Schweizer Erfolgsgeschichte<br />

<strong>Konsum</strong>güterexporte machen einen gewichtigen<br />

Anteil an allen Schweizer Warenexporten<br />

aus. Letztes Jahr wurden 92,4 Milliarden<br />

Schweizer Franken an <strong>Konsum</strong>gütern exportiert,<br />

ein Anteil von 51,3 Prozent an allen Ausfuhren.<br />

Nicht nur anteilig, auch bei der Krisenresistenz<br />

zeigten sich die <strong>Konsum</strong>güterexporte<br />

2009 führend und verzeichneten<br />

mit – 3,2 Prozent einen deutlich geringeren<br />

Rückgang als die Schwei zer Gesamtexporte,<br />

die um 12,5 Prozent einbrachen.<br />

Schweizer Hersteller exportieren natürlich<br />

eine breite Palette an Gütern und sind in<br />

vie len Bereichen wettbewerbsfähig. Volumenmässig<br />

wird die Aussenhandelsstatistik allerdings<br />

von nur wenigen Kategorien beherrscht.<br />

Die vier grössten Produktgruppen machen<br />

fast 90 Prozent der <strong>Konsum</strong>güter aus fuhren<br />

aus (Abbildung 1). Der grösste Block findet sich<br />

im Bereich der Arzneimittel. Fast 60 Milliarden<br />

Schweizer Franken und damit zwei Drittel der<br />

<strong>Konsum</strong>güter- und ein Drittel aller Warenexporte<br />

entfallen auf diese Kategorie. Pharmaexporte<br />

zeichnen auch ganz wesentlich für<br />

die gute Performance im Krisenjahr 2009 verantwortlich,<br />

denn während die Ausfuhren der<br />

meisten Warengruppen zurückgingen, wuchsen<br />

Pharmaexporte um mehr als 5 Prozent.<br />

Foto: George Doyle, Getty Images<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Export Wirtschaft 63<br />

Auf dem zweiten Platz der <strong>Konsum</strong>güterexporte<br />

liegt eines der vielleicht typischsten<br />

Schweizer Produkte: die Uhr. Trotz weltweiter<br />

Rezession wurden 2009 immer noch für<br />

12,4 Milliarden Schweizer Franken Uhren<br />

exportiert, was ge genüber 2008 allerdings<br />

einen Einbruch um mehr als einen Fünftel<br />

darstellt. Dieses Zusammenspiel zwischen<br />

stark mit der Konjunktur schwankenden und<br />

eher konjunkturresistenten Gütern zeigt sich<br />

auch auf den nächsten Plätzen der Aussenhandels<br />

statistik: Nach den vergleichsweise<br />

stabilen Nahrungsmitteln (CHF 5,8 Mrd.<br />

2009, +0,9% gegenüber 2008) folgen die<br />

eher konj unk tur empfind lichen Bijouteriewaren<br />

(CHF 5,3 Mrd. 2009, –11,5% gegenüber<br />

2008). Die Kom bi na tion aus eher konjunkturresistenten<br />

und -em pfind lichen Produkten ist<br />

eine grosse Stärke der Schweizer Exportwirtschaft,<br />

die es erlaubt, sowohl am Wirtschaftsaufschwung<br />

zu partizipieren als auch Krisen<br />

besser zu überstehen als viele andere Länder.<br />

Ausblick mittels KMU-Exportindikator<br />

1 Arzneiwaren machen die wichtigsten<br />

<strong>Konsum</strong>güterexporte der Schweiz aus<br />

Arzneiwaren und Hygieneartikel sowie Uhren<br />

machten 2009 drei Viertel aller Schweizer<br />

Exporte aus. Eine breite Diversifizierung ist<br />

aber wichtig. Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung<br />

Arzneiwaren (inkl. Hygieneartikel) 62.9%<br />

Uhren 13.4%<br />

Nahrungsmittel 6.3%<br />

Bijouterie, Schmuck und Juwelierwaren 5.7%<br />

Bekleidung und Schuhe 2.2%<br />

Pflege- und Reinigungsprodukte 1.2%<br />

Wohnungseinrichtungen 1.0%<br />

Übrige 7.2%<br />

2 Credit Suisse Exportbarometer<br />

zeigt Normalisierung der Exporte<br />

Die Schweizer Exportindustrie hat die Talsohle<br />

durchschritten und besitzt für die nächsten<br />

Monate gute Aussichten.<br />

Quellen: OECD, Eidgenössische<br />

Zollverwaltung, Datastream, Credit Suisse Economic Research<br />

In Standardabweichungen<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0<br />

–1.0<br />

–2.0<br />

–3.0<br />

–4.0<br />

89 91 93 95 97 99 01 03 05 07<br />

Wachstumsschwelle Barometer<br />

Exporte (Jahreswachstumsrate in %)<br />

Trendwachstum Exporte<br />

(gleitender 6-Monats-Durchschnitt)<br />

Barometer (+1Q)<br />

09<br />

Nach dem tiefen Einbruch 2009 sind die Exporteure<br />

20<strong>10</strong> besser unterwegs. Wird dies<br />

auch in den nächsten Monaten anhalten? Um<br />

sich dieser Frage zu nähern, haben die Osec<br />

und die Credit Suisse gemeinsam den KMU-<br />

Exportindikator konstruiert, der die ausländische<br />

Nachfrage und die Exportstimmung<br />

unter Schweizer KMU miteinander verbindet<br />

(Box). Beide Indika toren, ausländische Nachfrage<br />

und Exportstimmung, stehen im dritten<br />

Quartal auf Wachstum.<br />

Das Exportbarometer der Credit Suisse,<br />

das die ausländische Nachfrage nach Schweizer<br />

Produkten abbildet, ist im Lauf der<br />

letzten drei Monate weiter angestiegen. Im<br />

dritten Quartal wird ein Wert von 1,1 erreicht,<br />

weit über der Wachstumsschwelle von –1 und<br />

ebenfalls über dem Nullwert, der eine Norma<br />

lisierung signalisiert (Abbildung 2). Aktuell<br />

zeichnet sich allerdings eine Abschwächung<br />

der Dynamik ab. Das Barometer bleibt dabei<br />

weiter über der Wachstumsschwelle, sodass<br />

sich die Aussichten für Schweizer Exporte<br />

in nächster Zeit freundlich zeigen.<br />

Wie die ausländischen Impulse bei den<br />

KMU ankommen, zeigen die Exportperspektiven<br />

der Osec. Für das dritte Quartal verzeichnet<br />

diese eine leichte Abschwächung<br />

der Exportstimmung, von 76,8 auf 68,5<br />

Punkte. Damit bleibt der Wert weiterhin<br />

deutlich über der Wachstumsschwelle von<br />

50 Punkten. Hersteller von <strong>Konsum</strong>gütern<br />

äusserten sich dabei überdurchschnittlich<br />

optimistisch. <<br />

Osec-KMU-Exportperspektiven<br />

Die KMU-Exportperspektiven der Osec basieren auf der quartalsweisen<br />

Befragung eines festen Panels von über 200 Schweizer KMU.<br />

Die Teilnehmer repräsentierten die Branchen Pharma/Chemie,<br />

Maschinenbau, <strong>Konsum</strong>güter, Metallindustrie, Papier, Elektrotechnik,<br />

Präzisionsindustrie und Dienstleistungen. Über ihre Angaben zum<br />

Exportvolumen liefern sie weitere Informationen, etwa zu den Gründen<br />

für die Veränderung ihres Export volumens, zu den Exportmärkten etc.<br />

Diese Angaben ergeben ein aussagekräftiges Bild über die Exportaktivitäten<br />

der Schweizer KMU.<br />

Mehr Informationen zum Thema: www.osec.ch/exportindikator<br />

Credit Suisse Exportbarometer<br />

Das Exportbarometer des Credit Suisse Economic Research<br />

basiert auf den Einkaufsmanagerindizes (PMI) der 28 wichtigsten<br />

Abnehmerländer der Schweiz. Es nutzt den Umstand, dass die<br />

Auslandkonjunktur kausal mit der Exportentwicklung in der Schweiz<br />

zusammenhängt, und hat einen Vorlauf zur Schweizer Exportentwicklung<br />

von bis zu einem halben Jahr.<br />

Mehr Informationen zum Thema: Credit Suisse (2009), Aussenhandel Schweiz – Fakten und<br />

Trends, Swiss Issues Branchen, verfügbar unter www.credit-suisse.com/research<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


64 Wirtschaft Gelegenheit<br />

Chance<br />

verpasst ?<br />

Die jüngste Finanzkrise bot Unternehmen, Regierungen und der Gesellschaft<br />

im Allgemeinen eine der äusserst seltenen Gelegenheiten, Veränderungen anzugehen,<br />

radikale Ideen umzusetzen und Reformen zu beschleunigen. Haben sie diese<br />

Chance verpasst ?<br />

Text: Kevin Lyne-Smith, Head of Equity Research Europe and America<br />

In den letzten <strong>10</strong>0 Jahren kam es nur viermal<br />

zu globalen Umbrüchen, die der Welt die<br />

Chance zur Umsetzung radikaler Programme<br />

boten: die beiden Weltkriege, die dazwischenliegende<br />

Weltwirtschaftskrise und nun eben<br />

die Finanzkrise. Der radikale Neuaufbau<br />

Deutschlands und Japans nach dem Krieg<br />

kann mit Fug und Recht als Grundlage des<br />

wirtschaftlichen Erfolgs gesehen werden,<br />

den beide Länder bis heute geniessen. Auch<br />

wenn die heutige Situation bei Weitem nicht<br />

so extrem ist, bot sie doch einige Chancen.<br />

Die jetzige Finanzkrise ist in zahlreichen<br />

Punkten mit der Weltwirtschaftskrise von<br />

damals vergleichbar, die ebenfalls eine Neuregulierung<br />

der Finanzindustrie erforderlich<br />

machte.<br />

In solchen Momenten ist die Wählerschaft<br />

für radikale politische Massnahmen offen,<br />

wenn dadurch der Krise ein Ende gesetzt<br />

werden kann. Ein Kennzeichen solcher Krisen<br />

ist insbesondere der allmähliche Vertrauens<br />

verlust, der teils auf das Ausmass der<br />

Arbeitsplatzverluste und Firmenpleiten zurückzuführen<br />

ist, teils auch auf Unzulänglichkeiten<br />

gewisser Teile der Finanzmärkte,<br />

die das marktwirtschaftliche Fundament der<br />

entwickelten Länder bilden. Der Zusammenbruch<br />

von Finanzinstitutionen führt zu einer<br />

Verunsicherung der betroffenen Kunden, die<br />

um ihre Ersparnisse und ihre Pensionen<br />

fürchten. Zwar hat die jüngste Finanzkrise<br />

nicht die dramatischen Auswirkungen derjenigen<br />

von 1929 gezeitigt. Der damit einhergehende<br />

Vermögens- und Vertrauensverlust<br />

hat aber Haushaltsprobleme ausgelöst,<br />

die die Möglichkeiten der Regierungen beschränken,<br />

die Krise mit Hilfe einer Ausgabenpolitik<br />

zu überwinden. Allerdings haben<br />

diese Zwänge sowohl für mehr Haushaltsdisziplin<br />

als auch für kreativere Ansätze zur<br />

Lösung der Situation gesorgt.<br />

Angesichts der Vielzahl der möglichen<br />

Ini tiativen konzentrieren wir uns in den folgenden<br />

sechs Beispielen vor allem auf Europa:<br />

I ntegration der EU<br />

Der Euro wurde am 1. Januar 1999 in einem<br />

skeptischen Umfeld in die Finanzmärkte eingeführt.<br />

2002 ersetzte er die Währungen von<br />

16 europäischen Ländern und konnte in den<br />

folgenden sechs Jahren gegenüber dem US-<br />

Dollar meist stetig zulegen. Die Einführung<br />

des Euro hätte der erste greifbare Schritt zu<br />

einer wirtschaftlichen und politischen Integration<br />

der Euro-Staaten sein sollen. Die<br />

Probleme, mit denen Griechenland und in<br />

geringerem Umfang auch Spanien und Irland<br />

zu kämpfen haben, machen den mangelnden<br />

Fortschritt und die Risiken sichtbar, die entstehen,<br />

wenn 16 Staaten zwar eine gemeinsame<br />

Währung besitzen, aber unabhängig<br />

voneinander handeln. In Griechenland hat<br />

sich gegenüber den Zeiten der Drachme<br />

1<br />

letztlich kaum etwas verändert, ausser dass<br />

das Land seit seinem Beitritt zur Eurozone<br />

vom Zugriff auf unrealistisch billiges Kapital<br />

profitierte – zu Zinsen, die fast den deutschen<br />

entsprachen.<br />

Europa sollte sich am föderalen Modell<br />

der Schweiz ein Beispiel nehmen, das regionale<br />

und bundesstaatliche Funktionen erfolgreich<br />

kombiniert. Ein mögliches Modell<br />

wäre ein föderales Europa mit einer klaren<br />

Aufgabentrennung zwischen dem Europäischen<br />

Parlament und den Mitgliedstaaten,<br />

beide mit der Möglichkeit ausgestattet,<br />

Steuern zu erheben, um ihre Aufgaben zu<br />

finanzieren.<br />

Die stärkeren Volkswirtschaften hätten<br />

die Möglichkeit ergreifen sollen, einen Durchbruch<br />

zu einem fester integrierten Europa zu<br />

schaffen.<br />

Fotos: H. P. Merten, Keystone | Daniel Boschung, Roy McMahon, Corbis<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


2<br />

Subventionen<br />

Subventionen können definiert werden als<br />

«finanzielle Unterstützung, die einer Person<br />

oder einer Gruppe von der Regierung gewährt<br />

wird, um ein Unternehmen zu fördern,<br />

dessen Existenz als öffentliches Interesse<br />

betrachtet wird». «Öffentliches Interesse» ist<br />

dabei ein recht schwammiger Begriff, der<br />

häufig verwendet wird, um politisch sensible,<br />

nicht konkurrenzfähige Industrien zu schützen<br />

– was wiederum zu Wettbewerbsverzerrung<br />

führt. Auch die jüngsten Gesprächsrunden<br />

der Welthandelsorganisation (WTO)<br />

dümpeln vor sich hin, da die Staaten kein<br />

Interesse daran haben, Subventionen oder<br />

Handelsbarrieren zu beseitigen. Gerade jetzt,<br />

wo die Regierungen Ausgaben kürzen wollen,<br />

sollte ein Abbau von Subventionen – vor allem<br />

von solchen, die nachhaltiges Wirtschaften<br />

behindern – aber ernsthaft in Betracht gezogen<br />

werden. Beispielsweise unterstützen<br />

viele Länder immer noch ihre Fischereiindustrie,<br />

obwohl es fundierte wissenschaftliche<br />

Belege für eine massive Überfischung<br />

gibt. Weiterhin ist Wasser in vielen Ländern<br />

aufgrund von Subventionen zu Preisen verfügbar,<br />

die die wahren Kosten nicht widerspiegeln.<br />

Dies führt zu einem verschwenderischen<br />

Umgang mit dieser Ressource und<br />

dem letztlich unproduktiven Anbau von wasserintensiven<br />

Feldfrüchten wie Reis oder der<br />

Hülsenfruchtpflanze Alfalfa (auch Luzerne<br />

genannt) in halbtrockenen Gebieten. In Europa<br />

bildet die Gemeinsame Agrarpolitik nach<br />

wie vor die wichtigste Subventionsquelle.<br />

Positiv zu werten ist immerhin die jüngste<br />

Ankündigung, dass 2012 die Unterstützung<br />

der europäischen Kohleindustrie enden soll.<br />

Natürlich gibt es auch sinnvolle Aus nahmen:<br />

In der Schweiz beispielsweise profi tieren<br />

Umwelt und Tourismus von der finanziellen<br />

Unterstützung eigentlich unwirtschaftlicher<br />

Bauernhöfe. Ein Abbau von Subventionen<br />

würde generell aber die Förderung ökologisch<br />

sinnvoller Ziele, die Beseitigung von<br />

Handelsbarrieren und die Gesundung der<br />

öffentlichen Haushalte begünstigen.<br />

Rentenreformen<br />

Es muss eine Neubetrachtung der Sozialsysteme<br />

aus der Perspektive erfolgen, wie<br />

ihre Finanzierung angesichts der zunehmenden<br />

Lebenserwartung möglich ist. In den<br />

kommenden Jahrzehnten werden die Unternehmen<br />

in Europa möglicherweise unter<br />

Arbeitskräftemangel leiden, da die anhaltend<br />

niedrige Geburtenrate zu einem immer höheren<br />

Durchschnittsalter der Bevölkerung<br />

beiträgt. Nach Angaben der CIA-Veröffentlichung<br />

«The World Fact Book» beträgt die<br />

durchschnittliche Lebenserwartung in Europa<br />

mittlerweile mehr als 79 Jahre, was entsprechend<br />

lange Rentenzahlungen nach sich<br />

zieht.<br />

Trotz dieses Anstiegs ist das Renteneintrittsalter<br />

bislang bemerkenswert stabil<br />

geblieben. In Griechenland wurde es nun von<br />

eigentlich unglaublich niedrigen 53 Jahren<br />

auf 63 Jahre erhöht; in Spanien soll es von<br />

65 auf 67 Jahre angehoben werden. Dabei<br />

stellt sich die Frage, warum es hier keine<br />

einheitliche Altersgrenze gibt. Eine grössere<br />

Herausforderung ist für die Regierungen<br />

aller dings der psychologische Aspekt einer<br />

alternden Bevölkerung: In unserer vom<br />

Jugend wahn dominierten Berufswelt ist es<br />

für Menschen ab einem Alter von 55 Jahren<br />

meist extrem schwer, noch eine neue Stelle<br />

zu finden. Man könnte beispielsweise Unternehmen<br />

verpflichten, zu begründen, warum<br />

die Altersverteilung ihrer Mitarbeitenden<br />

nicht die Altersverteilung in der Gesamtbevölkerung<br />

widerspiegelt. In den USA ist<br />

dieser Grundsatz im Age Discrimination in<br />

Employment Act (ADEA) von 1967 um- ><br />

3<br />

Was 1896 als traditionelle Schreinerei<br />

begann, ist heute eines der innovativsten<br />

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Europas. Denn seit Jahrzehnten<br />

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66 Wirtschaft Gelegenheit<br />

gesetzt – einem Gesetz, das die Diskriminierung<br />

Älterer (ab 40) verhindern soll. Wenn<br />

man sich vor Augen führt, dass die Gesellschaften<br />

sowohl einen Arbeitskräftemangel<br />

als auch zunehmende Rentenzahlungen bewältigen<br />

müssen, scheint die Antwort auf der<br />

Hand zu liegen.<br />

4<br />

I nfrastruktur<br />

Auch wenn Infrastruktur seit nicht einmal<br />

<strong>10</strong>0 Jahren Gegenstand der öffentlichen<br />

Debatte ist, bildet sie heute doch das Fundament,<br />

auf dem Gesellschaften aufbauen.<br />

Gerade die Weltwirtschaftskrise hat, wie<br />

Solow, Kendrick, Gordon, Abramovitz und<br />

David ausführen, gezeigt, dass es die massive<br />

Steigerung der Infrastrukturausgaben<br />

war, die die enormen Produktivitätsgewinne<br />

in den USA zwischen 1929 und 1941 ermöglichte.<br />

Hinzu kamen erheblich höhere Ausgaben<br />

für Forschung und Entwicklung, wie<br />

aus den Arbeiten von Schmookler und später<br />

Mensch hervorgeht. Interessanterweise verteilten<br />

sich diese Ausgaben auf die Mehrzahl<br />

der Sektoren.<br />

In Europa werden Infrastrukturprojekte im<br />

Zug der Sparprogramme derzeit jedoch eher<br />

zurückgefahren. Zudem werden Versorger<br />

wie RWE und E.ON durch zusätzliche Steuern<br />

belastet, was wohl eine Kürzung der Investitionsausgaben<br />

nach sich ziehen wird. Infrastrukturprojekte<br />

führen häufig dazu, dass bei<br />

Unternehmen wie ABB, Alstom, Siemens,<br />

Holcim und Lafarge neue Stellen entstehen.<br />

Von Ausgaben zur Aufwertung, Erweiterung<br />

oder Erneuerung der Infrastruktur profitiert<br />

die Gesellschaft als Ganzes. Dies kann<br />

Transport (Autobahnen, Eisenbahnen, Flughäfen,<br />

Seehäfen), Kommunikation, Versorgung<br />

(Wasser, Strom, Abfall), Schulen,<br />

Kran kenhäuser und viele andere Bereiche<br />

umfassen. Wie etwa bei den Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

für den Bahnverkehr eröffnen<br />

sich den Regierungen hier in Form nationaler<br />

und internationaler Initiativen erhebliche<br />

Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

5<br />

Atomkraft<br />

Das öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel<br />

bildet die ideale Grundlage für die<br />

Weiternutzung der Atomkraft. Allein mit erneuerbaren<br />

Energiequellen lassen sich die<br />

Zielvorgaben, die das Kyoto-Protokoll bei der<br />

Reduzierung der Treibhausgase gesetzt hat,<br />

nicht im vorgesehenen Zeitrahmen erfüllen.<br />

Den Regierungen bietet sich die Chance,<br />

zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.<br />

Ein Moratorium zum Ausbau aller Stromerzeugungsanlagen<br />

mit Ausnahme erneuerbarer<br />

(Sonne, Wind) oder nuklearer Energien<br />

wäre ein entscheidender Schritt auf dem<br />

Weg zu einer emissionsärmeren Zukunft und<br />

würde für höhere Energiesicherheit sorgen,<br />

da die Abhängigkeit von Öl-, Kohle- und<br />

Gasimporten zurückginge. Frankreich erzeugt<br />

bereits rund 80 Prozent seines Stroms<br />

aus Atomkraft. Die britische Regierung unterstützt<br />

den Bau neuer Atomkraftwerke und<br />

bindet dabei die Privatwirtschaft ein, was in<br />

Zeiten knapper öffentlicher Finanzen sinnvoll<br />

ist. Von solchen Investitionen würden zahlreiche<br />

europäische Unternehmen wie Areva,<br />

EDF, Alstom und Siemens profitieren.<br />

Elektroautos<br />

Im Juli 2008 erreichte der Ölpreis mit 144 US-<br />

Dollar pro Barrel einen Höchststand, was die<br />

Stimmung des Finanzmarktes und der Verbraucher<br />

stark belastete.<br />

Gerade die Staaten des Westens verbrauchen<br />

grosse Mengen an Öl, produzieren aber<br />

nur wenig. Aus Gründen der Energiesicherheit<br />

und des Umweltschutzes sollte der Umstieg<br />

auf Alternativen zum Öl politische Priorität<br />

geniessen.<br />

Die Einführung komplett elektrisch betriebener<br />

Fahrzeuge stellt für die Automobilbranche<br />

eine Revolution dar. In den nächsten<br />

Jahren soll eine ganze Menge Neuentwicklungen<br />

auf den Markt kommen. Europa steht<br />

bei umweltfreundlichen Technologien an vorderster<br />

Front. Dennoch benötigt die Industrie<br />

Unterstützung, insbesondere bei der Bereitstellung<br />

von Ladestationen. Nach dem Beispiel<br />

der kalifornischen Gesetzgebung oder<br />

im Rahmen finanzieller respektive steuerlicher<br />

Anreize könnten die Regierungen die Umstellung<br />

auf Elektrofahrzeuge fördern. Leider<br />

kamen die bisherigen staatlichen Förderprogramme<br />

zumeist Fahrzeugen mit konventionellen<br />

Diesel- und Ottomotoren zugute.<br />

Allein die deutsche Abwrackprämie belief<br />

sich auf fünf Milliarden Euro.<br />

Die Finanzkrise hat viele dazu gebracht,<br />

die Welt mit neuen Augen zu sehen. Die<br />

Chance zu nachhaltigem Handeln scheinen<br />

wir bislang aber verpasst zu haben. <<br />

6<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Emerging Banking Wirtschaft 67<br />

Bankdienstleistungen<br />

für Milliarden Kunden<br />

in den Schwellenländern<br />

Bis 2030 kann in den aufstrebenden Volkswirtschaften mit 1,2 Milliarden profitablen<br />

Retail-Banking-Kunden gerechnet werden. Urbanisierung und der Wunsch nach<br />

Finanzierung des Privatkonsums lassen den Banksektor vor allem in den Städten wachsen.<br />

Text: Christine Schmid, Research Analyst<br />

Fotos: Construction Photography, George Hammerstein, Corbis | Christof Stache, Keystone<br />

Die schnelle Expansion, schiere Grösse des<br />

<strong>Konsum</strong>markts in den Schwellenländern und<br />

immer mehr Bankkunden prägen die Entwicklung<br />

des dortigen Banksektors. Diese Faktoren<br />

bergen ein über Jahre anhaltendes<br />

Potenzial für strukturelles Wachstum, das für<br />

gut positionierte Finanzinstitute auf mittlere<br />

Sicht überdurchschnittlich erfreuliche Perspektiven<br />

ergeben sollte.<br />

Schlüsseltrends im Banksektor<br />

Auch globale Vermögensverwaltungsdienstleistungen<br />

werden vom Wachstumsmuster der<br />

Schwellenländer profi tieren. Spezialisierte Privatbanken<br />

sind weltweit bereits auf breiter<br />

Front in Stellung, um die Bedürfnisse dieser<br />

internationalen Kundengruppe zu befriedigen.<br />

Angesichts immer mehr wohlhabender<br />

Kunden rechnen wir aber dennoch damit,<br />

dass längerfristig auch lokale Bankkonzerne<br />

damit beginnen werden, Dienstleistungen im<br />

Private Banking anzubieten.<br />

Mobile Bankdienstleistungen dürften die<br />

Entwicklung ländlicher Gegenden in aufstrebenden<br />

Volkswirtschaften beschleunigen.<br />

Sie mögen zwar gegenwärtig kein sehr rentables<br />

Bankgeschäft sein, könnten aber dazu<br />

dienen, das Wachstum des profitablen Retail<br />

Bankings zu beschleunigen. Gegenwärtig<br />

unterstützen sie zudem die Rentabilität und<br />

das Wachstum der Anbieter von Mobilsystemen<br />

und -technologie.<br />

Immer mehr wohlhabende Kunden treiben<br />

das Bankgeschäft in den Schwellenländern<br />

an. Die Weltbank prognostiziert, dass sich<br />

die Zahl von der Mittelklasse zurechenbaren<br />

Vermögende Mittelklasse wächst<br />

Die Zahl vermögender Kunden im profitablen<br />

Retail Banking dürfte sich zwischen 2000 bis<br />

2030 verdreifachen. Quelle: Weltbank<br />

(Millionen Menschen) 2000 2030E<br />

Lateinamerika 150 190<br />

Ostasien 120 600<br />

Europa und Zentralasien 80 170<br />

Naher Osten 30 70<br />

Afrika 20 30<br />

Südasien 0 140<br />

Total 400 1200<br />

Menschen (Einkommen von bis zu 30 000<br />

US-Dollar pro Jahr) dort von 400 Millionen<br />

(2000) auf 1,2 Milliarden (2030) verdreifachen<br />

dürfte. Dies würde etwa dem Vierfachen<br />

der US-Bevölkerung oder fast dem Doppelten<br />

der Bevölkerung Europas entsprechen.<br />

Vor diesem Hintergrund und angesichts<br />

der langfristigen Treiber hin zu einer multipolaren<br />

Welt haben sich vor Kurzem enorme<br />

Wachstumsraten im Bankgeschäft abzuzeichnen<br />

begonnen. Wir denken, dass genügend<br />

Wachstumspotenzial für die lokalen<br />

Banken besteht, aber auch für Neueinsteiger<br />

im Rahmen einer zweiten Welle, sofern diesen<br />

uneingeschränkt Zugang zu den entsprechenden<br />

Lokalmärkten gewährt wird. Retail-<br />

Banking-Produkte wie Bankkonten, Kreditkarten,<br />

Zahlungskarten, <strong>Konsum</strong>kredite und<br />

Hypotheken dürften künftig auf breiter Front<br />

vertrieben werden. Da Kunden in Schwellenmärkten<br />

Anlagen gegenüber allgemein positiver<br />

eingestellt sind, rechnen wir mit einem<br />

schnellen Wachstum der Anlageprodukte,<br />

sobald die entsprechenden Einlagen dies<br />

zulassen.<br />

Hohe Eintrittsbarrieren in Asien<br />

Viele Retail-Banking-Märkte Asiens weisen<br />

infolge einer beschränkten Lizenzvergabe<br />

zurzeit hohe Eintrittsbarrieren auf. In einer<br />

ersten Phase dürften daher die inländische<br />

Bankbranche sowie ausgewählte, als lokal<br />

wahrgenommene Institute wie HSBC oder<br />

Standard Chartered in Asien am stärksten<br />

profitieren. In Lateinamerika präsentiert sich<br />

das Bild anders. Der Zugang zum Markt<br />

steht ausländischen Banken weitgehend<br />

offen und ist historisch gewachsen. Dies ist<br />

in Mexiko am offensichtlichsten, wo ausländische<br />

(hauptsächlich spanische) Institute<br />

zwei Drittel des Bankmarkts kontrollieren.<br />

Der spanischen BBVA gehört die grösste<br />

Bank Mexikos, während Santander in Brasilien<br />

zu den drei grössten Geldhäusern zählt.<br />

Aufgrund der mit einem schnellen Wachstum<br />

einhergehenden Risiken sollten die Banken<br />

strikte Kreditrichtlinien anwenden, die<br />

sich an der Kreditwürdigkeit ihrer Privatkunden<br />

orientieren. Zudem sollten Aufsichtsbehörden<br />

und Zentralbanken entweder über<br />

höhere Reserveanforderungen oder Mittel<br />

der Fiskalpolitik gewährleisten, dass das<br />

Kreditwachstum konstant und für die Finanzsysteme<br />

der jeweiligen Länder handhabbar<br />

bleibt. Anzeichen dafür, dass diese Parameter<br />

aus dem Ruder laufen, sollten aufmerksam<br />

überwacht werden. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


68 Wirtschaft Infl ation<br />

Steht die Inflation<br />

vor der Tür?<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg griff mancher Staat bei Finanzproblemen zur Druckerpresse.<br />

Inflation war oft die Folge. Heute schieben unabhängige Zentralbanken und Marktdisziplin<br />

dem einen Riegel. Die meisten Industrieländer haben ein kleines Inflationsrisiko. Grösser<br />

ist es in Schwellenländern und rasch wachsenden Industriestaaten wie Australien.<br />

Text: Thomas Herrmann, Senior Economist, und Oliver Adler, Head of Global Economics and Real Estate Research<br />

GROSSES<br />

INFLATIONS-<br />

POSTER<br />

in diesem Heft<br />

Inflation, Jahresrate in %<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

Schwellenländer<br />

12<br />

<strong>10</strong><br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

Industrieländer<br />

0<br />

–2<br />

1960 1970 1980 1990 2000 20<strong>10</strong><br />

* Die ausgezogenen Linien markieren den Zentralwert (Median) der Inflationsrate für die beiden Ländergruppen. Die schraffierten Bereiche reichen vom oberen bis zum unteren Quartil für jede Gruppe.<br />

Ist die «Grosse Mässigung» gefährdet ?<br />

Obwohl sie vor der Finanzkrise von 2008 anstieg, ist die Inflation seit Jahrzehnten auf dem Rückzug. Dieser Prozess begann in den Industrieländern<br />

Anfang der 1980er-Jahre, nachdem in den Siebzigern «Stagflation» geherrscht hatte. Die Schwellenländer folgten dieser Vorgabe. Die zyklischen<br />

Inflationsrisiken sind dort zurzeit höher als in den industrialisierten Volkswirtschaften, doch wird wohl keiner der Akteure die Errungenschaften der<br />

so genannten Grossen Mässigung aufgeben wollen. Quelle: Datastream, Bloomberg, IWF, OECD, Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Inflation Wirtschaft 69<br />

Im Zug der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

haben Regierungen weltweit viel Geld<br />

ausgegeben und Notenbanken die Zinsen<br />

drastisch gesenkt. Einige Notenbanken, besonders<br />

die US Federal Reserve, haben in<br />

grossem Umfang Staatsanleihen und andere<br />

Wertpapiere gekauft.<br />

Dies hat die Finanzmärkte nach der Insolvenz<br />

von Lehman Brothers stabilisiert und<br />

einen drastischeren Rückgang der Wirtschaftsleistung<br />

verhindert. Jedoch resultieren<br />

die getätigten Ausgaben und die viel tieferen<br />

Steuereinnahmen in hohen Budgetdefiziten<br />

und stark steigenden Staatsschulden. Die<br />

Notenbanken haben sehr viel Geld «gedruckt»,<br />

ihre Bilanzen sind stark gewachsen.<br />

Nachdem während der Finanzkrise die<br />

Deflationsangst grassierte, haben das viele<br />

geschaffene Geld und die hohen Schulden<br />

in den Medien, der Bevölkerung, aber auch<br />

bei einigen Ökonomen eine neue Angst geschürt:<br />

Inflation als unvermeidbare Konsequenz.<br />

Ob das wirklich stimmt, ist für Anleger<br />

relevant. In der neusten Ausgabe des «Global<br />

Investor » beleuchten Experten das Thema<br />

Inflation. Der folgende Text fasst einige zentrale<br />

Aspekte der Diskussion zusammen.<br />

Wird aus «gedrucktem» Geld Inflation?<br />

Viele Notenbanken haben neues Geld geschaffen<br />

und so Anleihen oder – wie die<br />

Schweizerische Nationalbank (SNB) – auch<br />

Devisen gekauft. Wie Milton Friedman sagte,<br />

ist Inflation immer und überall ein monetäres<br />

Phänomen. Wenn also zu viel Geld «gedruckt»<br />

wird, entsteht längerfristig Inflation.<br />

Allerdings war für Friedman immer klar, dass<br />

dies nur geschieht, wenn das gedruckte Geld<br />

auch wirklich in den Wirtschaftskreislauf gelangt<br />

und so zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen<br />

Nachfrage führt. Die Kernfrage<br />

ist daher, ob das neue Geld tat sächlich<br />

die Gesamtnachfrage schon übermässig<br />

stimuliert hat oder es in absehbarer Zeit tun<br />

wird. Für die meisten Industrieländer lässt<br />

sich diese Frage mit Nein beantworten. Mit<br />

Blick auf den Finanzkreislauf erscheint die<br />

Inflationsgefahr in Europa und den USA vorerst<br />

gering. Banken sind nicht zuletzt wegen<br />

des Drucks der Regulatoren gezwungen,<br />

Kapital auf- und Risiken abzubauen. Sie werden<br />

daher bei der Kreditvergabe konservativ<br />

bleiben. Das bedeutet, dass das «viele Geld»<br />

nicht voll nachfragewirksam wird.<br />

Führen Staatsschulden zu Inflation?<br />

Nebst der Furcht vor dem vielen bereits gedruckten<br />

Geld besteht die zusätzliche Angst,<br />

dass Notenbanken exzessive Staatsausgaben<br />

über die Druckerpresse finanzieren und<br />

den staatlichen Schuldenberg mit Inflation<br />

abbauen könnten. In der Vergangenheit gingen<br />

massive Inflationsschübe mit explodierenden<br />

Staatsschulden einher, besonders<br />

dann, wenn die Zentralbanken Geld druckten,<br />

um Kriege zu finanzieren. Eine jüngst veröffentlichte<br />

Studie der Professoren Reinhart<br />

und Rogoff belegt, dass Regierungen in<br />

Schwellenländern nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

ihre Ausgaben oft mit Hilfe der Druckerpresse<br />

finanzierten, selbst in Friedenszeiten.<br />

Die Studie fand indes für die meisten Industrieländer<br />

im selben Zeitraum keine systematische<br />

Korrelation zwischen Verschuldung<br />

und Inflation (siehe Grafik auf Seite 68).<br />

Kann man aber wirklich davon ausgehen,<br />

dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird?<br />

Obwohl die Finanzlage vieler Länder prekär<br />

ist, sprechen diverse Faktoren dafür, dass<br />

eine systematisch inflationstreibende Schuldenfinanzierung<br />

in den hoch verschuldeten<br />

Industrieländern unwahrscheinlich ist.<br />

Ein wichtiger Aspekt ist die beträchtliche<br />

Unabhängigkeit von den fiskalpolitischen Instanzen,<br />

die viele Zentralbanken in den vergangenen<br />

Jahrzehnten erlangt haben. Ein<br />

zweiter und möglicherweise wichtigerer<br />

Faktor ist die disziplinierende Wirkung der<br />

Kapitalmärkte. Gelangten diese zum Schluss,<br />

dass Zentralbanken systematisch Geld drucken,<br />

würden sie rasch und heftig reagieren.<br />

Die Anleihenrenditen würden nach oben<br />

schnellen und eine Finanzierungs- sowie<br />

eventuell eine Währungskrise auslösen, was<br />

die expansive Wirtschaftspolitik effektiv<br />

kurz schlösse. Agiles und risikobewusstes<br />

Kapital gewährleistet, dass eine absichtlich<br />

und systematisch inflationstreibende Politik<br />

wesentlich teurer zu stehen kommt, als dies<br />

sonst der Fall wäre.<br />

Inflation ist ein politisches Phänomen<br />

Es wäre aber unklug, sich voll und ganz auf<br />

die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken<br />

oder die Marktdisziplin zu verlassen.<br />

Ob Zentralbanken Geld zur Finanzierung<br />

ausgabefreudiger Regierungen bereitstellen<br />

oder nicht, hängt letztlich davon ab, ob der<br />

politische Prozess sie dazu zwingt. Dies wiederum<br />

wird von den wichtigen politischen<br />

Kräften bestimmt – sei es eine kleine Elite<br />

oder eine demokratische Mehrheit. Wir glauben,<br />

dass sich die alternden Mehrheiten in<br />

den industrialisierten Demokratien letztlich<br />

für Sparsamkeit und gegen inflationstreibende<br />

Ausgabenexzesse aussprechen, zumal<br />

Letztere den Wert ihrer ersparten Vermögen<br />

erodieren würden.<br />

Dasselbe gilt für die meisten Schwellenländer,<br />

wo grosse Teile der Bevölkerung in<br />

der Vergangenheit stark unter der Inflation<br />

gelitten haben. Auch diese Menschen werden<br />

die Errungenschaften der «Grossen<br />

Mässigung» – des in den vergangenen Jahrzehnten<br />

erfolgten Rückgangs und der Verstetigung<br />

der Inflation auf tiefen Niveaus –<br />

nicht aufs Spiel setzen wollen. Indessen ist<br />

es in den Industrieländern von Griechenland<br />

bis zu den USA schwierig, politischen Rückhalt<br />

für eine Konsolidierung der Staatshaushalte<br />

zu finden. Der Druck auf die Zentralbanken,<br />

die Konjunktur zu stützen, wird gross<br />

sein. Es könnte dauern, bis die Zinsen sich<br />

normalisieren. Die Schuldenproblematik wird<br />

also bisweilen indirekt Zweifel daran wecken,<br />

ob die Geldpolitik wirklich auf ein stabiles<br />

Preisumfeld mit niedriger Inflation ausgerichtet<br />

ist. Die damit einhergehende Unsicherheit<br />

könnte sich durchaus in einer substanziellen<br />

Volatilität der Finanzmärkte äussern.<br />

Milde Rezession, mehr Inflationsrisiko<br />

Die Weltwirtschaft erholt sich seit 2009. Die<br />

Industrieproduktion liegt aber noch weit unter<br />

der vollen Auslastung. Hohe Arbeitslosigkeit<br />

wird die Nachfrage der privaten Haushalte<br />

mittelfristig dämpfen; auch inflationärer Lohndruck<br />

ist unwahrscheinlich. Die Folgen der<br />

Turbulenzen dürften das Wachstum in vielen<br />

Ländern nachhaltig schwächen, da kleinere<br />

öffentliche Defizite zu geringeren Ausgaben<br />

und/oder höheren Steuern führen werden.<br />

Auch die Unabhängigkeit der Notenbanken<br />

und die disziplinierende Wirkung der Finanzmärkte<br />

sprechen gegen eine ausufernde Inflation.<br />

Wir erachten das Inflationsrisiko in den<br />

meisten Industrieländern deshalb als gering.<br />

Jene Länder, deren Volkswirtschaften nur<br />

eine milde Rezession erlebt haben und die<br />

bereits wieder solide wachsen, haben die<br />

grössten Inflationsrisiken. Das sind viele<br />

Schwellenländer und gewisse rasch wachsende<br />

Industrieländer wie Australien. Auch<br />

hier wurde die Wirtschaftspolitik massiv gelockert.<br />

So ergab sich oft eine «Überstimulierung»<br />

der Konjunktur. In China und anderswo<br />

stieg die Nachfrage rapide an, und in<br />

den vergangenen Monaten verdichten sich<br />

Anzeichen von Kapazitätsengpässen am<br />

Arbeitsmarkt. Während einige Notenbanken<br />

bereits zu einer Verknappung der Geldpolitik<br />

übergegangen sind, besteht besonders hier<br />

das Risiko, dass dies zu langsam durchgeführt<br />

wird und die Inflation rasch ansteigt. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


Wie<br />

Inflation<br />

entsteht<br />

www.credit-suisse.com/globalinvestor<br />

Finanzministerium<br />

Wie Inflation entsteht<br />

Inflation ist schwer zu verstehen und noch schwerer zu prognostizieren. Die Hauptursache für Inflation<br />

(oder Deflation) ist eine zu lockere (oder zu straffe) Zentralbankpolitik. Allerdings muss das Geld,<br />

das die Zentralbank schafft, durch verschiedene Kanäle fliessen, bevor es ausgegeben werden kann.<br />

Auf diesem Weg zum «Turm der Indeflation» wird die Stärke der Geldflüsse und damit das Ausmass<br />

des Inflations­ oder Deflationsrisikos durch zahlreiche wirtschaftliche Akteure und Institutionen beeinflusst,<br />

wie die Illustration zeigt. Unsere Kurztexte erläutern, auf welche Art und Weise dies geschieht.<br />

Haushalte/Arbeitsmarkt<br />

«Turm der Indeflation»<br />

Banken/Kapitalmarkt<br />

Zentralbank<br />

Devisenmarkt<br />

Gütermarkt<br />

Unternehmen<br />

Importe<br />

1 - WIRTSCHAFT ERHOLT SICH<br />

Die Wirtschaft erholt sich nach einer Krise, doch Arbeitslose, hohe Lagerbestände<br />

und die Auftragslage der Unternehmen belasten die Situation.<br />

Die Zentralbank entscheidet sich, die Konjunktur anzukurbeln, indem sie<br />

die Geldmenge innerhalb der Volkswirtschaft vergrössert. Zu diesem Zweck<br />

kauft sie den Banken Staatsanleihen oder Devisen ab. So kommen die<br />

Banken zu viel Cash (Liquidität) mit sehr niedrigen Zinsen. Das ist gut für<br />

die Unternehmen, denn jetzt erhalten sie von den Banken Kredite zu günstigen<br />

Konditionen. Das Geld, das sie von den Banken erhalten, investieren<br />

sie, stellen neue Leute ein. Der Arbeitsmarkt beginnt auszutrocknen, die<br />

Löhne steigen. Die Lagerbestände werden hingegen kleiner, die Waren<br />

teurer. Um mehr zu produzieren, braucht es mehr Angestellte. Der Staat<br />

wiederum nimmt mehr Steuern ein, weil mehr Leute arbeiten und konsumieren.<br />

Er beginnt, Schulden am Kapitalmarkt zurückzuzahlen. Die Zinsen<br />

sinken, die Kredite werden noch billiger. Die Spirale beginnt zu drehen.<br />

2 - HÄUSERBOOM<br />

Die Wirtschaftslage entwickelt sich gut. Die Zentralbank beschliesst, die<br />

Geldmenge nicht mehr zu erhöhen und keine weiteren Kredite zu vergeben.<br />

Da die Inflation relativ niedrig bleibt, muss sie vorerst nicht ins Geschehen<br />

eingreifen. Die Banken schätzen die Risiken bei der Kreditvergabe nun geringer<br />

ein und bieten auch Leuten mit einem kleinen finanziellen Polster<br />

attraktive Hypotheken an. In der Folge kaufen mehr Leute ein Haus, die<br />

Preise auf dem Immobilienmarkt steigen. Der Wert der Häuser nimmt zu,<br />

und die Hypotheken, die die Banken vergeben, werden immer grösser. Häuser<br />

können so zu einer Geldmaschine werden. Mit dem überschüssigen<br />

Geld aus der Hypothek können sich die Besitzer neue Dinge kaufen – oder<br />

ein noch grösseres Haus in einer noch besseren Gegend. Die Immobilienpreise<br />

steigen weiter, Waren und Dienstleistungen werden ebenfalls teurer,<br />

und der Staat kassiert mehr Steuern. Die Preisspirale dreht sich immer<br />

schnel ler nach oben. Was kann die Zentralbank tun, um die Situation unter<br />

Kontrolle zu halten?<br />

3 - DER HÄUSERMARKT<br />

BRICHT ZUSAMMEN<br />

Die Zentralbank beschliesst, die Konjunktur zu bremsen. Geld zu leihen,<br />

soll wieder teurer werden. Sie erhöht die Zinsen. Die Banken verlangen in<br />

der Folge auch höhere Zinsen für ihre Kredite. Viele Unternehmen können<br />

sich das nicht leisten und drosseln lieber die Produktion. Weniger Kredit<br />

heisst mehr Cash. Es kommt zu Entlassungen, um bei den Lohnkosten zu<br />

sparen. Die Entlassenen können nun der Bank ihre Hypothek nicht zurückzahlen.<br />

Im schlimmsten Fall verlieren sie das Haus an die Bank. Um zu<br />

Cash zu kommen, versuchen viele Banken, diese Häuser zu verkaufen.<br />

Die Häuserpreise sinken. Wer arbeitslos ist, kann weniger konsumieren,<br />

die Lagerbestände steigen. Weitere Leute werden entlassen und können<br />

ihre Schulden nicht bezahlen. Andere beginnen, ihr Geld auf der Bank zu<br />

horten. Die Banken verleihen kein Geld mehr, die Preise sinken. Auch die<br />

Zinsen sinken, doch das nützt nun nichts mehr. Die Rezession ist da.<br />

4 - VON BANKENRETTUNG<br />

ZU STAATSSCHULDEN<br />

Um den totalen Kollaps der Banken zu verhindern, entscheidet der Staat,<br />

sie zu retten. Die Zentralbank kauft den Banken Hypotheken und Anleihen<br />

ab. Aber anstatt Kredite zu vergeben, behalten sie das Geld oder kaufen<br />

Staatsanleihen. Um der Wirtschaft zu helfen, macht der Staat Schulden.<br />

Er verkauft Anleihen, um das Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Leute kommen<br />

wieder zu Geld und konsumieren. Die Lagerbestände sinken. Die Preise<br />

sinken etwas langsamer. Doch die Staatsschulden wachsen. Die Banken<br />

fürchten nun, auf den Staatsanleihen sitzenzubleiben. Sie wollen sie loswerden:<br />

Die Kurse sinken, die Zinsen steigen. Die Wirtschaft ist zu schwach<br />

für höhere Zinsen. Der Staat macht noch mehr Schulden. Die Zentralbank<br />

kauft nun Staatsanleihen. Das so erhaltene Geld verteilt der Staat unter<br />

die Leute, damit sie konsumieren. Alle fürchten eine Inflation und kaufen<br />

so viel wie möglich. Die Preise steigen rapide. Die Inflation ist zurück.<br />

5 - DER ÖLPREIS STEIGT<br />

Die heimische Wirtschaft leidet unter den Nachwirkungen der Geschehnisse<br />

auf dem Häusermarkt und den Staatsschulden. Doch vielen Ländern<br />

der Welt geht es besser. Aber auch dort befürchteten Zentralbanken und<br />

Finanzminister, dass die Probleme der Wirtschaft auch auf ihre Länder<br />

abfärben könnten. Daher erhöhten auch sie die Geldmenge und das Haushaltsdefizit<br />

und bescherten ihrer Wirtschaft einen Boom. Diese Länder<br />

brauchen nun viel Energie, was den Ölpreis weltweit in die Höhe treibt.<br />

Das wiederum macht die Güter auf dem Heimmarkt teurer. Das sieht aus<br />

wie Inflation. Da aber die Löhne nicht steigen, werden auch nicht mehr<br />

teurere Güter abgesetzt. Die Lagerbestände steigen. Der Bestellungsrückgang<br />

zeitigt erneut Entlassungen. Die Löhne sinken. Die Lagerbestände<br />

steigen weiter, Preissenkungen werden diskutiert. Aber der höhere Ölpreis<br />

muss nicht zu einer dauerhaften Inflation führen; ausser die Zentralbank befürchtet<br />

negative Folgen des «Ölpreisschocks» und versucht, die Wirtschaft<br />

anzukurbeln. Dann sind wir wieder bei Szenario 1 angekommen.<br />

Illustration: Bruno Muff


70 Wirtschaft Anlagestrategien<br />

Diversifikation im Privatkunden-Portfolio<br />

Mythos oder Realität ?<br />

Ein diversifiziertes, also risikogestreutes Portfolio gilt allgemein als die Grundlage<br />

einer erfolgreichen langfristigen Anlagestrategie. Gilt das auch in aussergewöhnlichen<br />

Finanzmarktsituationen? Hat sich eventuell das Zusammenspiel der verschie denen<br />

Anlagekategorien wie Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Gold im Lauf der Zeit verändert ?<br />

Wir zeigen in dieser Fortsetzung unserer Serie «Anlage strategie», wie sich die<br />

Portfoliotheorie heute in die Praxis umsetzen lässt.<br />

Text: Jörg Franzen, Anja Hochberg, Georg Stillhart, Asset Management, CIO Office<br />

Grundvoraussetzung der in den vergangenen<br />

Ausgaben des <strong>bull</strong>etin thematisierten Vermögensaufteilung<br />

(Asset Allo cation) ist, dass<br />

die verschiedenen Anlagekategorien ihre<br />

Diversifizierungs eigen schaf ten über einen<br />

längeren Zeitraum beibehalten. Unsere Analysen<br />

zeigen, dass dies im Wesentlichen der<br />

Fall ist. Um das zu verdeut lichen, betrachten<br />

wir die Korrelationen. Ist dieser Wert hoch<br />

(gegen eins), spricht man von einer positiven<br />

Korrelation, die Variablen bewegen sich in<br />

die gleiche Richtung. Aus portfoliotechnischer<br />

Sicht lassen sich diese gleichlaufenden<br />

Anlagen nicht zur Diversifizierung nutzen.<br />

Stark negativ korrelierte Anlagen (gegen<br />

minus eins) würden sich hervorragend zur<br />

Diversifikation eignen, da bei einer Kombination<br />

die Rendite gleich bleibt, aber das Risiko<br />

gegen null geht. Solch ausgeprägte Fälle gibt<br />

es in der Praxis leider kaum.<br />

Zur Gestaltung eines optimalen Portfolios<br />

sind daher schwach oder niedrig korrelierte<br />

Anlagen wünschenswert. Abbildung 2 zeigt die<br />

Entwicklung der Korrelationen zwischen<br />

Aktien, Staatsanleihen und Unternehmensanleihen.<br />

Daraus lassen sich folgende<br />

Schlussfolgerungen ableiten:<br />

1. Die Korrelation zwischen Aktien und<br />

Staatsanleihen ist auch während der Krise<br />

niedrig respektive negativ geblieben und<br />

nicht, wie oft kolportiert, gestiegen.<br />

2. Die Korrelation zwischen Staatsanleihen<br />

und Unternehmensanleihen ist in den<br />

letzten Jahren sogar gesunken.<br />

Damit lässt sich klar sagen, dass sich Diversifikation<br />

während der Finanzkrise bewährt<br />

hat. Nach wie vor bieten Aktien und Anleihen<br />

grosses Diversifikationspotenzial. Darüber<br />

hinaus haben Unternehmensanleihen stark<br />

an Diversifikationspotenzial gewonnen. Mit<br />

Unternehmensanleihen lässt sich also ein<br />

Portfolio aus Aktien und Staatsanleihen sogar<br />

noch weiter diversifizieren.<br />

Aber auch für die so genannten alter nativen<br />

Anlagekategorien ergeben sich neue<br />

Erkenntnisse. Alternative Anlagen wie Hedge<br />

Funds, Rohstoffe oder Immobilien werden<br />

den Portfolios hinzugefügt, um eine Optimierung<br />

zu erreichen, die über die klassische<br />

Diversifikation (Aktien versus Anleihen) hinausgeht.<br />

Abbildung 3 zeigt die Korrelationen<br />

1 Ausgewogen läufts rund<br />

Eine langfristige Anlagestrategie* setzt auf<br />

ein ausgewogenes Profil. Quelle: Credit Suisse AG<br />

* Davon wird im Rahmen der taktischen Asset Allocation abgewichen.<br />

20%<br />

Liquidität 5%<br />

Anleihen 35%<br />

Aktien 40%<br />

40%<br />

5%<br />

Alternative Anlagen 20%<br />

• Hedge Funds <strong>10</strong>%<br />

• Immobilien 5%<br />

• Rohstoffe 2,5%<br />

• Gold 2,5%<br />

35%<br />

zwischen Aktien und den relevanten Alternativen<br />

Anlagen. Es zeigt sich:<br />

1. Die alternativen Sub­Anlageklassen<br />

weisen eine durchaus unterschiedliche Korrelation<br />

zu Aktien aus, sowohl in der Höhe<br />

als auch im Verlauf der Zeit.<br />

2. Die Korrelation zwischen Hedge Funds<br />

und Aktien ist nicht erst in der Finanzmarktkrise<br />

gestiegen, sondern bereits seit 2003.<br />

3. Rohstoffe sind historisch gesehen wenig<br />

mit Aktien korreliert. In der Krise ist diese<br />

Korrelation zwar etwas angestiegen. Eine<br />

Korrelation von 0,5 wirkt aber immer noch<br />

sehr stark diversifizierend.<br />

4. Die Korrelation zwischen Aktien und<br />

Immobilien ist seit 1999 ständig gesunken,<br />

in der Finanzkrise aber auf ein ähnliches Niveau<br />

wie bei den Rohstoffen gestiegen.<br />

5. Aktien und Gold sind wenig korreliert.<br />

Allerdings ist die Korrelation deutlich vola tiler.<br />

Für die langfristige Anlagestrategie lassen<br />

sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:<br />

Es ist nach wie vor sinnvoll, innerhalb der<br />

Vermögensaufteilung Alter native Anlagen zur<br />

Diversifizierung einzusetzen. Innerhalb des<br />

Hedge­Funds­Bereichs sollte die Auswahl<br />

der Investitionsstile an Bedeutung gewinnen,<br />

da diese unterschiedlich stark zum Beispiel<br />

mit Aktien korrelieren.<br />

Wie kann man diese Erkenntnisse zur Gestaltung<br />

von Portfolios nutzen? Die kundenorientierte<br />

Portfolio­Aufstellung beginnt<br />

bei der Gestaltung der langfristigen Anlagestrategie,<br />

die neben wesentlichen ökonomischen<br />

Trends auch diese Erkenntnisse einfliessen<br />

lässt. Abbildung 1 zeigt ein langfristig<br />

ausgerichtetes Portfolio für einen Investor<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


mit durchschnittlichem Risikoappetit, in der<br />

Heimwährung Schweizer Franken (Profil:<br />

CHF Balanced).<br />

Diese langfristige Anlagestrategie ist der<br />

Anker der Vermögensausrichtung und erlaubt<br />

dem Kunden, von den wesentlichen Trends<br />

zu profitieren. Eine solche Vermögensausrichtung<br />

stellt die Diversifi zierung im<br />

Portfolio sicher. Um eine Zusatzrendite zu<br />

erwirtschaften, nutzen wir in der Vermögensverwaltung<br />

auch die Möglichkeit, Anlagechancen<br />

zu erkennen, die eher kurzfristiger<br />

Natur sind. Innerhalb dieser so genannten<br />

taktischen Asset Allocation (TAA) definieren<br />

wir kurzfristige Abweichungen von der längerfristigen<br />

Anlagestrategie und nutzen auch<br />

wesentliche Diversifizierungserkenntnisse. <<br />

2 Diversifikationspotenzial<br />

Aktien und Anleihen haben grosses<br />

Diversi fi ka tionspotenzial. Zugelegt haben<br />

hier auch Unternehmensanleihen.<br />

Quelle: Bloomberg, Ibbotson, Credit Suisse AG<br />

Investieren<br />

Sie in Ihre<br />

Unabhängigkeit!<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

–0.2<br />

–0.4<br />

–0.6<br />

87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09<br />

Aktien Welt vs. Staatsanleihen (global)<br />

Staatsanleihen (global) vs. Unternehmensanleihen<br />

(US)<br />

Aktien Welt vs. Unternehmensanleihen (US)<br />

3 Rohstoffe und Aktien<br />

Historisch sind Rohstoffe wenig mit Aktien<br />

korreliert. Sie wirken wohl auch weiterhin stark<br />

diversifizierend.<br />

Quelle: Bloomberg, Ibbotson, Credit Suisse AG<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

–0.2<br />

Sauberer Strom vom eigenen Dach – ein sensationelles Gefühl!<br />

Weniger als 25 Quadratmeter Solarzellen reichen bereits,<br />

um den durchschnittlichen Strombedarf einer ganzen Familie<br />

zu decken. Und das während einer Lebensdauer der Solarzellen<br />

von mindestens 30 Jahren.<br />

–0.4<br />

96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />

Aktien Welt vs. Hedge Funds<br />

Aktien Welt vs. Immobilienfonds CH<br />

Aktien Welt vs. Gold<br />

Aktien Welt vs. Rohstoffe<br />

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und 084 800 01 <strong>04</strong>


72 Wirtschaft Anlagestrategien<br />

Kompromiss zwischen<br />

konsumieren und sparen<br />

Andreas Russenberger, Leiter von Multi Asset Class Solutions (MACS) Mandate s and<br />

Funds der Credit Suisse, erklärt, wie «<strong>Konsum</strong>» im Zusammenhang mit der Entwicklung<br />

von Anlagestrategien interpretiert werden kann.<br />

Interview: Daniel Huber<br />

<strong>bull</strong>etin: Was geht Ihnen beim Begriff<br />

<strong>Konsum</strong> durch den Kopf ?<br />

Andreas Russenberger: <strong>Konsum</strong> geht auf<br />

das lateinische Wort consumere zurück, das<br />

einerseits gebrauchen, aber auch verbrauchen<br />

bedeutet. Spannend ist in diesem Zusammenhang<br />

das Gegenteil von konsumieren<br />

– nämlich sparen. Letztendlich ist sparen<br />

nichts anderes, als einen möglichen <strong>Konsum</strong><br />

der Gegenwart in die Zukunft zu verschieben.<br />

Was ziehen Sie aus heutiger Sicht vor ?<br />

Sowohl Gebrauchen als auch Sparen kann<br />

in extremis negative Folgen haben. So war<br />

nicht zuletzt exzessiver <strong>Konsum</strong> ein Hauptgrund<br />

für die Wirtschaftskrise 2008. Vor<br />

der Krise wurde in den USA ganz klar zu viel<br />

konsumiert – meist auf Pump und teilweise<br />

auch staatlich gefördert. Es herrschte die<br />

Meinung vor, dass jeder Amerikaner sein<br />

eigenes Heim und eine Kreditkarte besitzen<br />

müsse. Dafür gab es billiges Geld. Es sollte<br />

möglichst viel konsumiert und damit die Wirtschaft<br />

angekurbelt werden. In der Folge haben<br />

viele Amerikaner über ihre Verhältnisse<br />

gelebt. Gleichzeitig kam es zu einer Immobilienblase,<br />

die dann ja bekanntlich platzte.<br />

Auf der anderen Seite kann aber auch konsequentes<br />

Sparen ohne jeglichen <strong>Konsum</strong><br />

verheerende Folgen haben, weil es die Wirtschaft<br />

abwürgt. Die Preise brechen zusammen,<br />

und es kommt zur Deflation.<br />

Welche Lehren werden nun aus dieser<br />

Krise gezogen?<br />

Es gibt kritische Stimmen, die sagen, es sei<br />

völlig unnötig und schädlich gewesen, dass<br />

der Staat in der Krise stützend eingegriffen<br />

hat. Dadurch habe man die Staatsschulden<br />

unnötig in die Höhe getrieben. Auch sei es<br />

ein Fehler, denjenigen zu helfen, die sich<br />

nicht korrekt verhalten und über ihre Verhältnisse<br />

gelebt hätten. Es sei sozusagen mit<br />

«Exzessiver <strong>Konsum</strong> war einer der Hauptgründe<br />

für die Wirtschaftskrise 2008», sagt<br />

Andreas Russenberger.<br />

gutem Geld schlechtes Wirtschaften unterstützt<br />

worden. Entsprechend fordern heute<br />

nicht wenige ein haushälterisches Umgehen<br />

mit Geld – sowohl von den Staaten wie auch<br />

von den <strong>Konsum</strong>enten. Es gelte zwingend die<br />

Schulden zu minimieren. Doch wenn plötzlich<br />

alle konsequent zu sparen beginnen, dann<br />

kommt die gesamte Wirtschaft zwangsläufig<br />

irgendwann zum Stillstand. Ich denke, die<br />

Interventionen vor allem auch der Schweizerischen<br />

Nationalbank haben Sinn gemacht.<br />

Aber wie bis anhin weiter zu konsumieren,<br />

macht wohl auch keinen Sinn?<br />

Natürlich führt das anhaltende <strong>Konsum</strong>ieren<br />

über die Verhältnisse irgendwann zur Überschuldung,<br />

die ein striktes Sparprogramm zur<br />

Folge hat. Idealerweise müsste man irgendwo<br />

in der Mitte einen Kompromiss anpeilen<br />

und dort das Pendel zur Ruhe bringen. <strong>Konsum</strong>ieren<br />

ja, aber nicht dauernd auf Pump.<br />

Was bedeutet das für die Anleger ?<br />

In einem deflationären Umfeld, in dem die<br />

Zinsen tief sind und die Preise tendenziell<br />

sinken, macht es Sinn, Cash zu halten. Auch<br />

wenn die Zinsen tief sind, gewinnt das Geld<br />

in diesem Umfeld an Wert. Nehmen Sie das<br />

Beispiel von Spanien und den USA. Wer dort<br />

in den vergangenen zwei Jahren Cash behalten<br />

hat, kann heute in Marbella, Mallorca<br />

oder Florida Häuser zum halben Preis kaufen.<br />

Er kriegt heute also wesentlich mehr für sein<br />

Geld als vor zwei Jahren.<br />

Aber das wird nicht ewig so bleiben.<br />

Das glaube ich auch nicht. Die Staaten haben<br />

derart viel Geld in die Märkte gepumpt,<br />

und die Zinsen sind zurzeit derart tief, dass<br />

es unmöglich für immer so bleiben kann. Ich<br />

gehe davon aus, dass wir 2011 erste Anzeichen<br />

einer Trendwende hin zu einem inflationäreren<br />

Umfeld mit steigenden Zinsen haben<br />

könnten. Dann ist Cash zu halten, nicht mehr<br />

interessant. Bei einer Inflation von beispielsweise<br />

vier Prozent ist Ende Jahr das Geld um<br />

genau diese vier Prozent weniger Wert.<br />

Wie kann man sich gegen eine sich<br />

abzeichnende Infl ation schützen?<br />

Sicher muss man eine kleine Cash-Position<br />

behalten. Daneben sollte man aber in kurzfristige<br />

und teilweise inflationsgeschützte<br />

Obligationen sowie in reale Werte, wie zum<br />

Beispiel Immobilien, Rohstoffe, Aktien oder<br />

auch Gold, investieren. Wenn die Inflation<br />

ansteigt, bieten diese Werte einen besseren<br />

Schutz. Nun gilt es, den richtigen Augenblick<br />

für den Einstieg nicht zu verpassen.<br />

Hat die westliche Welt als <strong>Konsum</strong>treiber<br />

langsam ausgedient ?<br />

Ganz ohne Europa und die USA geht es wohl<br />

immer noch nicht. Doch schaut man den<br />

chinesischen oder brasilianischen Markt an,<br />

dann ist das Potenzial enorm. Zumal dort<br />

grosse Bestrebungen am Laufen sind, das<br />

generelle Einkommen zu steigern und damit<br />

als Markt selbsttragender zu werden. Doch<br />

das dauert schon noch ein bisschen. Gleichwohl<br />

haben viele Emerging Markets schon<br />

so manchen europäischen Staat überholt. <<br />

Fotos: Rainer Wolfsberger | Sven Hoffmann, Keystone, Caro<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 73<br />

Invest<br />

Analysen und Prognosen<br />

Konjunktur Global<br />

Abschwächung nach<br />

starker Beschleunigung<br />

Nach starkem Wachstum hat sich die<br />

globale Konjunkturentwicklung verlangsamt.<br />

Dies war zu erwarten. Wir denken,<br />

dass Volkswirtschaften mit strukturellen<br />

Herausforderungen (z. B. geplatzte<br />

Immobilienblase, Schulden) langsamer<br />

wachsen werden als Schwellenländer. th<br />

US-Arbeitsmarktverschlechterung drastischer<br />

als andernorts<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

USD sollte weiter<br />

zur Schwäche neigen<br />

Technische und fundamentale<br />

Daten deuten<br />

auf weitere USD/CHF-<br />

Schwäche hin. Auf der<br />

fundamentalen Seite<br />

deuten insbesondere<br />

die niedrige Zinsdifferenz<br />

und das Leistungsbilanzungleichgewicht<br />

auf eine weitere USD/<br />

CHF-Schwäche hin.<br />

Index, 12.2007 = <strong>10</strong>0<br />

<strong>10</strong>0<br />

99<br />

98<br />

97<br />

96<br />

95<br />

94<br />

93<br />

12.07 06.08 12.08 06.09 12.09 06.<strong>10</strong><br />

USA<br />

Japan<br />

Eurozone<br />

Grossbritannien<br />

Globale Wirtschaft schwächt sich ab, ohne erneut in die Rezession<br />

abzugleiten. Schwellenländer wachsen nachhaltig stärker als<br />

Industrie länder.<br />

Angesichts tiefer Inflationsrisiken bzw. sogar Deflationsrisiken in den<br />

Industrieländern bleibt die Geldpolitik dort sehr expansiv.<br />

Die globalen Aktienmärkte dürften weiterhin von der wirtschaftlichen<br />

Erholung profitieren, während Ängste bezüglich der Staatsverschuldung<br />

in Europa und eines Rückfalls in eine Rezession schwinden.<br />

Die Bewer tungen erscheinen attraktiv.<br />

Rohstoffe haben im August ihren Aufwärtstrend wieder aufgenommen,<br />

und wir erwarten weiteres Aufwärtspotenzial. Industriemetalle haben die<br />

besten Fundamentaldaten. Gold dürfte den Grossteil des nächsten Jahres<br />

über USD 1’300 notieren.<br />

Wir sind für EUR/CHF aufgrund der Überbewertung des Frankens und<br />

der vorsichtigen Haltung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf<br />

12-Monats-Sicht neutral. Die USD-Schwäche dürfte aufgrund der tiefen<br />

US-Zinsen und des US-Leistungs bilanzdefizits anhalten.<br />

Konjunktur Schweiz<br />

PMI: Ende des<br />

Höhenflugs<br />

Der PMI-Index schloss im Augst deutlich<br />

unter dem historischen Höchststand, der<br />

im Juli verzeichnet worden war. Der Indexrückgang<br />

ist damit ein prominenter Vorbote<br />

der von uns prognostizierten Wachstumsverlangsamung.<br />

cm<br />

PMI büsste ab seinem Höchststand 5.5 Punkte ein<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

95 98 01 <strong>04</strong> 07 <strong>10</strong><br />

Index<br />

Index (saisonbereinigt)<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


74 Credit Suisse<br />

%<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Übersicht<br />

Ausblick Global<br />

Die globale Wirtschaftserholung hat<br />

sich in den letzten Monaten nach<br />

einem zunächst sehr starken Wachstum<br />

merklich abgeschwächt, dürfte<br />

sich jedoch fortsetzen. Vor dem<br />

Hintergrund konjunktureller Sorgen<br />

und einer auf absehbare Zeit sehr<br />

expansiven Zentralbankpolitik sind<br />

insbesondere die Renditen von<br />

Anleihen stark gefallen. Aktien sind<br />

daher relativ günstig bewertet, und<br />

wir empfehlen, Aktien überzugewichten.<br />

An den Rohstoffmärkten sehen<br />

wir den Beginn eines neuen Aufwärtstrends.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Tiefzinsumfeld dauert<br />

auf absehbare Zeit an<br />

Einige Notenbanken haben begonnen, erste<br />

Zinserhöhungen durchzuführen (z. B. Austra<br />

lien, Norwegen). Insbesondere die US-<br />

Notenbank Fed, aber auch die grössten<br />

europäischen Notenbanken bleiben jedoch<br />

angesichts tiefer Inflation oder sogar deflationärer<br />

Risiken bei einer sehr expansiven<br />

Politik. Die Tiefzinspolitik der grossen Notenbanken<br />

trug dazu bei, dass die Renditen von<br />

Staatsanleihen auf sehr tiefe Niveaus gefallen<br />

sind. Investoren suchen an anderen Orten<br />

nach Rendite. Die Konsequenz ist, dass viel<br />

Geld in Schwellenländer fliesst. Trotz besserer<br />

Wirtschaftsentwicklung und grösserer<br />

Inflationsrisiken zögern diese daher auch,<br />

Zinserhöhungen zu tätigen, um nicht zu starke<br />

Währungsaufwertungen zu riskieren. th<br />

Zinstrends wichtiger Zentralbanken<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />

01.99 01.01 01.03 01.05 01.07 01.09<br />

USA Eurozone Japan Grossbritannien Schweiz<br />

Aktienmarkt<br />

Strategische Aktienpositionen<br />

aufbauen<br />

Wir gehen davon aus, dass sich die globale<br />

Erholung fortsetzen wird und die Ängste<br />

vor einem Rückfall in die Rezession weiter<br />

sinken dürften. Hohe Cash-Bestände der<br />

Unternehmen könnten zu höheren Akquisitionstätigkeiten<br />

und Dividendenauschüttungen<br />

führen. Diese Faktoren sollten die<br />

Aktienmärkte auf 6- bis 12-Monats-Sicht<br />

stützen, auch wenn kurzfristige Rückschläge<br />

nicht auszuschliessen sind. Zudem sehen die<br />

Aktienbewertungen unseres Erachtens –<br />

sowohl absolut wie auch relativ zu Staatsanleihen<br />

– günstig aus. Wir empfehlen daher<br />

weiterhin, strategische Aktienpositionen<br />

aufzubauen. Wir bevorzugen Aktien, die von<br />

einer weiteren Erholung, insbesondere in<br />

Schwellenmärkten, profitieren dürften. rs<br />

Die Aktienrisikoprämie (Gewinnrendite minus<br />

Staatsanleihenrendite) steht nahe an einem<br />

histo rischen Hoch. Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

%<br />

<strong>10</strong><br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

–2<br />

06.91 06.97 06.03 06.09<br />

Aktienrisikoprämie (global)<br />

+/–1 Standardabweichung<br />

+/–2 Standardabweichungen<br />

Durchschnitt<br />

Währungen<br />

US-Dollar findet keine<br />

Zinsunterstützung<br />

Die europäische Schuldenkrise ist in den vergangenen<br />

Monaten etwas in den Hintergrund<br />

gerückt. Die Devisenmärkte haben im Zuge<br />

des anhaltend tiefen Zinsniveaus in den USA<br />

ihr Augenmerk auf die langfristig negativen<br />

Faktoren für den US-Dollar gerichtet: das<br />

Fiskal- und Aussenhandelsdefi zit in Kombination<br />

mit tiefen Zinsen. Wir sind der Ansicht,<br />

dass sich der US-Dollar gegenüber den meisten<br />

Währungen weiter abschwächen wird,<br />

solange die US-Geldpolitik expansiv bleibt.<br />

Für den Schweizer Franken spricht nicht nur<br />

die enge Zinsdifferenz, sondern auch der hohe<br />

Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz.<br />

Der strukturelle Aufwertungstrend der Währungen<br />

von Schwellenländern gegenüber<br />

dem US-Dollar dürfte anhalten. mh<br />

Die Ausichten auf tiefe Zinsen in den USA<br />

sind für USD/CHF negativ.<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

USD/CHF<br />

1.40<br />

1.30<br />

1.20<br />

1.<strong>10</strong><br />

1.00<br />

0.90<br />

Metalle und Agrarrohstoffe steigen deutlich an.<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />

Index, Januar 2008 = <strong>10</strong>0<br />

140<br />

120<br />

<strong>10</strong>0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

01.<strong>04</strong> 01.05 01.06 01.07 01.08 01.09 01.<strong>10</strong><br />

USD/CHF<br />

2-jährige Zinsdifferenz Swap USD minus CHF (r.S.)<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe am Beginn<br />

eines Aufwärtstrends<br />

01.08 05.08 09.08 01.09 05.09 09.09 01.<strong>10</strong> 05.<strong>10</strong> 09.<strong>10</strong><br />

CSCB Energy Index<br />

CSCB Agriculture Index<br />

CSCB Precious Metals Index<br />

CSCB Industrial Metals Index<br />

in %<br />

3.5<br />

2.5<br />

1.5<br />

0.5<br />

–0.5<br />

Seit August haben die Rohstoffpreise deutlich<br />

angezogen, und wir sehen weiteres<br />

Aufwärtspotenzial. Sowohl die Finanzmarktbedingungen<br />

als auch die Entwicklungen<br />

am physischen Markt sprechen für weitere<br />

Stärke. An den Finanzmärkten ist zu beobachten,<br />

dass die Liquidität an den Rohstoffbörsen<br />

steigt. Am physischen Markt<br />

ist eine Zunahme der Käufe zu beobachten.<br />

Viele <strong>Konsum</strong>enten haben aus Furcht vor<br />

einer erneuten Rezession ihre Käufe aufgeschoben<br />

– nun, da die lokalen Lager leer<br />

sind, kehren sie an den Markt zurück. Dies<br />

betrifft vor allem die Metalle, aber auch<br />

Agrarrohstoffe. Gold dürfte vor allem durch<br />

niedrige Zinsen unterstützt bleiben. Öl hat<br />

aufgrund hoher Lagerbestände nur moderates<br />

Aufwärtspotenzial. tm<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 75<br />

Übersicht<br />

Ausblick Schweiz<br />

Nachdem die Schweizer Wirtschaft<br />

im ersten Halbjahr stark gewachsen<br />

ist, erwarten wir eine Abkühlung in<br />

der zweiten Jahreshälfte. Die Inflation<br />

ist zuletzt auf sehr tiefe Werte gefallen,<br />

und wir erwarten auch im<br />

kommen den Jahr geringen Preisdruck.<br />

Aufgrund der Wachstumsabschwächung<br />

und der Frankenstärke hat die<br />

Schweizerische Nationalbank (SNB)<br />

ihre mittelfristige Inflations prognose<br />

deutlich nach unten re vidiert. Wir<br />

erwarten nun die erste Zinserhöhung<br />

erst im Juni 2011.<br />

Aktienmarkt<br />

Schweizer Aktien weiterhin<br />

günstig bewertet<br />

Während die wirtschaftliche Erholung die<br />

globalen Aktienmärkte stützen sollte, dürfte<br />

der starke CHF kurzfristig zu Gegenwind im<br />

Schweizer Markt führen. Daher schätzen wir<br />

den SMI neutral ein. Im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld<br />

sehen wir Dividendentitel als<br />

eine attraktive Lösung, um defensives Aktien-Exposure<br />

aufzubauen. Ebenso empfehlen<br />

wir, Positionen in Firmen mit starkem<br />

Schwellenmarkt-Exposure und starkem Pro-<br />

rs<br />

dukteportfolio aufzubauen.<br />

Die Dividendenrendite auf dem SMI liegt<br />

weit über dem historischen Durchschnitt.<br />

Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

Dividendenrendite in %<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

Währungen<br />

CHF ist gegenüber dem<br />

EUR überbewertet<br />

Die Aufwertung des CHF gegenüber dem<br />

EUR, welche im Jahr 2007 bei über EUR/<br />

CHF 1.60 begonnen hat, dürfte sich kaum<br />

im gleichen Ausmass fortsetzen. Nachdem<br />

wir lange positiv für den Franken eingestellt<br />

waren, nehmen wir nun auf 12M-Sicht eine<br />

neutrale Haltung für EUR/CHF ein, weil der<br />

Franken nach unserem geschätzten CS Fair<br />

Value überbewertet ist und Zinserhöhungen<br />

der SNB derzeit kaum ein Thema sind. mh<br />

Wir sind für EUR/CHF aufgrund der Überbewertung<br />

des CHF gegenüber dem EUR und<br />

der vorsichtigen SNB strategisch neutral.<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

EUR /CHF<br />

2.40<br />

2.20<br />

2.00<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Wohl keine Zinserhöhungen<br />

vor Mitte 2011<br />

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) beliess<br />

ihr Zielband für den 3-Monats-LIBOR<br />

im September wie erwartet unverändert<br />

zwischen 0% und 0.75%. In Bezug auf ihre<br />

künftige geldpolitische Strategie sandte<br />

die SNB ein deutliches Signal: Mit einer<br />

markanten Abwärtsrevision ihrer mittelfristigen<br />

Inflationsprognose sowie ihrer Erwartung<br />

einer «deutlichen Abschwächung des<br />

Wachstums» ist die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Zinserhöhung in naher Zukunft stark gesunken.<br />

Insbesondere sieht die SNB in der<br />

Frankenaufwertung und der abnehmenden<br />

Dynamik der Weltkonjunktur eine Gefahr.<br />

Wir revidieren unsere Prognose einer ersten<br />

Zinserhöhung im Dezember und rechnen<br />

erst im Juni 2011 mit einem Zinsschritt. fh<br />

Anhaltend tiefes Zinsumfeld in der Schweiz<br />

Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

%<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0.0<br />

01.00 01.02 01.<strong>04</strong> 01.06 01.08 01.<strong>10</strong><br />

3M-LIBOR<br />

Zielband<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

Top ­Thema<br />

Rezession schmälerte Gewinne<br />

Die Kosten der Rezession im vergangenen Jahr wurden stärker von den Unternehmen<br />

getragen als von den Arbeitnehmenden. Die Lohnquote, der Anteil der Lohnzahlungen<br />

an der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP), erreichte mit über 64% einen neuen<br />

Höchststand. Demgegenüber sank der Anteil der Unternehmensgewinne auf tiefe 36%.<br />

Die Löhne sind 2009 im Durchschnitt sogar gestiegen, da sie bereits vor dem überraschenden<br />

Einbruch der Wirtschaft im Spätherbst 2008 festgelegt worden waren.<br />

Die Erfahrung früherer Aufschwünge lässt darauf schliessen, dass die Lohnquote in<br />

Zukunft wieder sinken wird. cm<br />

Lohnquote erreicht 2009 neuen Höchststand. Quelle: Bundesamt für Statistik<br />

%<br />

65<br />

64<br />

63<br />

62<br />

61<br />

60<br />

59<br />

09.00 09.02 09.<strong>04</strong> 09.06 09.08 09.<strong>10</strong><br />

SMI<br />

91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08 09<br />

Lohnquote am BIP<br />

1.80<br />

1.60<br />

1.40<br />

1.20<br />

82 86 90 94 98 02 06 <strong>10</strong><br />

+1 Standardabweichung<br />

Fair Value EUR/CHF<br />

–1 Standardabweichung<br />

17.09.20<strong>10</strong><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


76 Credit Suisse<br />

22. September 20<strong>10</strong><br />

Überblick Prognosen<br />

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Auswahl 22.09.20<strong>10</strong> YTD Ausblick 3M 12M-Ziele<br />

S&P 500 1’134.28 1.9 % 1’217<br />

SMI 6’344.88 –3.8 % 7’350<br />

FTSE-<strong>10</strong>0 5’551.91 2.1 % 5’827<br />

DJ Euro Stoxx 50 2’752.77 –7.7 % 3’034<br />

Nikkei 225 9’566.32 –9.3 % 11’000<br />

Gold 1’291.35 18.1 % 1’300<br />

WTI Erdöl 74.71 –5.8 % 82.5<br />

Dow Jones UBS Commodity Index 277.2298 –0.1 % 295<br />

Devisen (Wechselkurse)<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Reales BIP-Wachstum in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Wichtige Information<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />

von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />

ein Angebot noch eine Auf forderung seitens oder im Auftrag<br />

von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />

einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />

Rechts ordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />

der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />

hinsichtlich Inves titionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />

angemessene Inves tition oder Strategie oder eine andere an<br />

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />

Ver weise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />

mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />

die Credit Suisse als zuver lässig erachtet. Dennoch<br />

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />

der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />

Berichts ab.<br />

22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

USD/CHF 0.99 0.93 – 0.97<br />

EUR/CHF 1.32 1.31 – 1.35<br />

JPY/CHF 1.17 1.12 – 1.16<br />

EUR/USD 1.34 1.38 – 1.42<br />

USD/JPY 84 81 – 85<br />

EUR/JPY 113 114 – 118<br />

EUR/GBP 0.85 0.83 – 0.87<br />

GBP/USD 1.56 1.63 – 1.67<br />

EUR/SEK 9.17 8.40 – 8.80<br />

EUR/NOK 7.88 7.75 – 8.15<br />

AUD/USD 0.95 0.92 – 0.96<br />

NZD/USD 0.74 0.71 – 0.75<br />

USD/CAD 1.03 0.98 – 1.02<br />

2009 20<strong>10</strong> 2011<br />

CH –1.9 2.4 1.2<br />

EWU –4 1.6 1.6<br />

USA –2.4 2.7 2<br />

GB –4.9 1.4 2.7<br />

Japan –5.2 3.3 1.8<br />

Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 0.18 0.7 – 0.9<br />

EUR 0.88 1.4 – 1.6<br />

USD 0.29 0.3 – 0.5<br />

GBP 0.73 1.2 – 1.4<br />

JPY 0.22 0.2 – 0.4<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />

DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN<br />

US- PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />

oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />

Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />

verteilt, die der Zulassung und Re gulierung der<br />

Eidge nössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />

werden. Copyright © 20<strong>10</strong> Credit Suisse Group AG<br />

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />

vor behalten.<br />

Schweizer Wirtschaft<br />

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

20<strong>10</strong> 2011<br />

Bruttoinlandprodukt, real 2.4 1.2<br />

Privater <strong>Konsum</strong> 1.5 1.2<br />

Öffentlicher <strong>Konsum</strong> 0.8 1.5<br />

Bauinvestitionen 0.5 –2<br />

Ausrüstungsinvestitionen 1.5 2.5<br />

Importe 6.5 3.5<br />

Exporte 8 3.5<br />

Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) 0 0.5<br />

Arbeitslosenquote 3.9 3.7<br />

Inflation in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

2009 20<strong>10</strong> 2011<br />

CH –0.5 0.6 0.7<br />

EWU 0.4 1.4 1.4<br />

USA –0.4 1.8 1.2<br />

GB 2.2 3.1 2.1<br />

Japan –1.4 –1.2 –0.4<br />

Rendite <strong>10</strong>-j. Staatsanleihen<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

22.09.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 1.41 1.8 – 2.0<br />

EUR 2.35 2.7 – 2.9<br />

USD 2.56 3.0 – 3.2<br />

GBP 2.97 3.6 – 3.8<br />

JPY 1.03 1.1 – 1.3<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber Credit Suisse AG, Global Research,<br />

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />

Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />

Fabian Heller (fh), Tobias Merath (tm), Marcel Thieliant (mt),<br />

Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs)<br />

Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />

oder auf Anfrage.<br />

E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />

Internet www.credit-suisse.com/research<br />

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin<br />

der Credit Suisse»<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Wissenswert Wirtschaft 77<br />

Wissenswert<br />

Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />

<strong>Konsum</strong>entenpolitik [Massnahmen<br />

zum Schutz der Verbraucherinteressen]:<br />

Es kann vorkommen,<br />

dass dieselbe Fahrkarte am Automaten<br />

teurer ist als am Schalter,<br />

dass der neue Toaster mehr Strom<br />

verbraucht, als auf dem Energiekleber<br />

angegeben wird, oder dass<br />

die Jumbopackung Waschmittel<br />

plötzlich nicht mehr für die gleiche<br />

Anzahl Waschgänge reicht. Dies<br />

alles sind unlautere Geschäftspraktiken<br />

der Anbieter, die vom <strong>Konsum</strong>enten<br />

oft unbemerkt bleiben und<br />

durch <strong>Konsum</strong>entenpolitik bekämpft<br />

werden müssen. Mit gezielten<br />

Massnahmen setzt sich diese<br />

für die Verbraucher ein und fördert<br />

deren Interessen. Sie soll verhindern,<br />

dass <strong>Konsum</strong>enten aufgrund<br />

mangelnder Fachkenntnisse und<br />

ungenügender Informationen benachteiligt<br />

sind und manipuliert werden<br />

können. Im Vordergrund stehen<br />

drei Handlungsbereiche: Verbraucher<br />

sollen zunächst durch objektive<br />

Angaben über ihre <strong>Konsum</strong>möglichkeiten<br />

und die zur Verfügung stehenden<br />

Produkte auf geklärt werden.<br />

Weiter sollen eigens dafür geschaffene<br />

Rechtsnormen sie vor Missbräuchen<br />

durch Anbieter schützen.<br />

Der <strong>Konsum</strong>entenpolitik ist es zudem<br />

ein Anliegen, dass Verbraucher<br />

bereits in der Schule grundlegende<br />

Kenntnisse über ihre Rolle und ihre-<br />

Rechte als <strong>Konsum</strong>enten vermittelt<br />

bekommen. fdl<br />

<strong>Konsum</strong>entenpreisindex<br />

[Statistischer Messwert der durchschnittlichen<br />

Preisveränderung]:<br />

«Das Leben wird immer teurer.»<br />

Dieser Satz kommt einem nach<br />

einem Grosseinkauf und dem Blick<br />

ins leere Portemonnaie schnell<br />

über die Lippen. Doch meistens<br />

beruht diese Aussage eher auf der<br />

individuellen Wahrnehmung als<br />

auf harten Fakten. Für diejenigen,<br />

die es ganz genau wissen möchten,<br />

gibt es den <strong>Konsum</strong>entenpreisindex.<br />

Dieser zeigt auf, ob die Preise<br />

für Waren und Dienstleistungen,<br />

die von privaten Haushalten für<br />

<strong>Konsum</strong>zwecke gekauft werden,<br />

gestiegen sind. Über mehrere Jahre<br />

wird die durchschnittliche Preisveränderung<br />

von Nahrungsmitteln,<br />

Kleidern, Bildungswesen und anderen<br />

relevanten Bereichen berechnet<br />

und grafisch dargestellt. Anhand<br />

der Grafik ist auf einen Blick<br />

ersicht lich, in welcher wirtschaftlichen<br />

Situation sich das Land<br />

befindet: ob das Leben, wie eingangs<br />

vermutet, nun wirklich teurer<br />

geworden ist oder wir einfach nur<br />

zu viel eingekauft haben. sts<br />

Betriebsökologie [Effizienter<br />

Umgang mit Ressourcen im Unternehmen]:<br />

Wie können wir Einsparungen<br />

beim Energiekonsum unserer<br />

Liegenschaften erzielen? Wie verhalten<br />

wir uns bei unseren betrieblichen<br />

Aktivitäten umweltschonend?<br />

Mit diesen Fragen beschäftigen<br />

sich viele Firmen, denn auch sie<br />

bemühen sich – wie die Staatengemeinschaft<br />

und Einzelpersonen –<br />

um einen direkten Beitrag zur<br />

Verringerung des Klimaproblems.<br />

Sie streben danach, ihre Geschäftstätigkeit<br />

umweltgerecht zu gestalten.<br />

Das Ziel der Betriebsökologie<br />

liegt darin, den Ressourcenverbrauch<br />

durch geeignete Sparmassnahmen<br />

zu senken und Kosten<br />

einzusparen. Dabei gilt es zunächst<br />

festzustellen, wo Umweltbelastungen<br />

auftreten und der grösste<br />

Handlungsbedarf besteht. Gemessen<br />

werden der Energie-, Papierund<br />

Wasserverbrauch, die Anzahl<br />

zurückgelegter Kilometer für<br />

Geschäftsreisen sowie die Menge<br />

produzierten Abfalls. Spezialisierte<br />

Fachkräfte arbeiten in einem<br />

nächsten Schritt daran, die Klimabilanz<br />

zu verbessern, indem sie<br />

unter anderem den Einsatz von<br />

energiesparender Gebäudetechnik<br />

fördern, den Wechsel von konventioneller<br />

auf erneuerbare Energie<br />

vorantreiben sowie die Mitarbeitenden<br />

motivieren, sich aktiv an der<br />

Senkung des Energieverbrauchs zu<br />

beteiligen. fdl<br />

Anzeige<br />

A Year Without “Made in China”: One Family’s<br />

True Life Adventure in the Global Economy<br />

Sara Bongiorni, John Wiley & Sons, 2007, 256 Seiten,<br />

ISBN-13: 978-<strong>04</strong>7011613<br />

China ist der weltweit dominierende Produzent von <strong>Konsum</strong>gütern.<br />

Die Wirtschaftsjournalistin Sara Bongiorni entdeckt die unheimliche<br />

Dominanz Chinas in ihrem Alltag und wagt ein folgenschweres<br />

Experiment: Zusammen mit ihrer Familie fordert sie den chinesischen<br />

Wirtschaftskoloss heraus und beschliesst, chinesische<br />

Waren ein Jahr lang zu boykottieren. Wie sie damit ihr Leben und<br />

das ihrer Familie verändert, hält sie in ihrem Buch akribisch fest.<br />

Dabei geht es nicht nur um <strong>Konsum</strong> und Ökonomie, sondern auch<br />

um Ehekrisen, Kindertränen, eine sarkastische Mutter und neunmalkluge<br />

Nachbarn. Die Botschaft hat man schnell kapiert: Ohne<br />

chinesische Importe kann der Durchschnittsamerikaner (und vermutlich<br />

auch -europäer) seinen <strong>Konsum</strong>hunger nicht mehr stillen.<br />

Sind Bongiornis immer wieder neue Anläufe und Anekdoten<br />

wirklich nötig, um das zu begreifen? Bisweilen wirkt ihr Bericht<br />

tatsächlich etwas ermüdend, meint getAbstract. Und trotzdem ist<br />

so ein Selbstversuch erhellender, als es die seriöseste wissenschaftliche<br />

Studie jemals sein könnte. Das Buch sei allen empfohlen,<br />

die sich für Volkswirtschaft interessieren. © getAbstract<br />

Buyology: Warum wir kaufen, was wir kaufen<br />

Martin Lindstrom, Campus, 2009, 230 Seiten,<br />

ISBN-13: 978-3593389295<br />

Was offenbart der Blick in das Gehirn von <strong>Konsum</strong>enten?<br />

Unzählige Produktflops legen Zeugnis ab von den Grenzen der<br />

herkömmlichen Marktforschung. Viel nützlichere Erkenntnisse<br />

liefern Gehirnscans, behauptet Marketing-Guru Martin Lindstrom.<br />

Lindstrom hat eine umfangreiche internationale Studie über die<br />

Wirksamkeit des Neuromarketings initiiert und präsentiert in<br />

diesem Buch die Resultate. Wie Gehirnscans funktionieren, wie<br />

man sie analysiert und in kluges Marketing umsetzt, wird allgemein<br />

verständlich dargelegt. Dazu kommt eine Menge konkreter Tipps,<br />

von denen sich viele auch ohne die beschriebenen, teuren Gerätschaften<br />

nutzen lassen. Zum Glück, denn welcher Marketingchef<br />

hat schon einen Magnetresonanztomografen im Büro stehen?<br />

Störend ist, dass Lindstrom nicht gerade sparsam mit Eigenlob<br />

ist. Aber das muss man ihm zugestehen: Seine Erkenntnisse<br />

weisen Marketing und Produktentwicklung einen neuen Weg.<br />

getAbstract empfiehlt das Buch allen Marketing-, Werbe- und<br />

Produktmanagern, die die herkömmlichen Lehren bereits auswendig<br />

können. © getAbstract<br />

© getAbstract. Weitere Zusammenfassungen auf www.getabstract.com/<strong>bull</strong>etin.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


78 Leader Shirin Ebadi<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Shirin Ebadi Leader 79<br />

Im Dienste<br />

der Gerechtigkeit<br />

Die fehlende Scheu vor Konfrontationen ist wohl eines ihrer Hauptmerkmale. Anders<br />

lässt sich ihr furchtloser Kampf für Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte<br />

nämlich kaum erklären. Die iranische Rechtsanwältin und Friedensnobelpreisträgerin<br />

Shirin Ebadi traut sich, den Grossen und Mächtigen dieser Welt ihre Meinung zu sagen.<br />

Interview: Sarah Winter<br />

Foto: Elisabetta Villa<br />

<strong>bull</strong>etin: Sie waren die erste Richterin in der Geschichte Irans.<br />

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden – zumal es<br />

damals ja ein klassischer Männerberuf war ?<br />

Shirin Ebadi: Ich habe mich bereits als Kind für das Thema Gerechtigkeit<br />

interessiert und mich stets für Schwächere eingesetzt –<br />

selbst wenn ich dabei letztlich auch Prügel einstecken musste.<br />

Aber ich habe, wohl im Gegensatz zu den meisten Menschen,<br />

Konfrontationen noch nie gescheut. Im Gegenteil: Der Gedanke,<br />

durch Debatten oder gar Proteste etwas verändern und bewirken<br />

zu können, hat mich schon immer gereizt. Dementsprechend wählte<br />

ich später meine Studienrichtung – sie entsprach quasi meinen<br />

natürlichen Neigungen. Allerdings begann ich das Jurastudium<br />

von Anfang an in der Absicht, nach meinem Abschluss Richterin<br />

zu werden und mein Leben ganz in den Dienst der Gerechtig -<br />

keit zu stellen – ein Ziel, das ich im Alter von 23 Jahren erreichte.<br />

Wie wurden Sie dann zur Menschenrechtsanwältin?<br />

Während der Revolution wurde ich als weibliche Richterin abgesetzt<br />

und zur Gerichtsassistentin zurückgestuft. In dieser Zeit<br />

musste ich so viele Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen<br />

miterleben, dass ich mich entschieden habe, etwas dagegen<br />

zu unternehmen. 1992 habe ich bei der iranischen Anwaltskammer<br />

schliesslich eine Zulassung als Rechtsanwältin erwirkt<br />

und eine eigene Kanzlei eröffnet. Seitdem engagiere ich mich<br />

für die Einhaltung der Menschenrechte im Iran.<br />

Im Rahmen Ihrer Tätigkeit setzen Sie sich insbesondere für<br />

die Rechte von Kindern und Frauen ein. Sie gründeten sogar eine<br />

Vereinigung für die Verteidigung der Rechte des Kindes.<br />

Meine Eltern haben mich und meine Geschwister zu unabhängigen,<br />

selbstbewussten und vor allem frei denkenden Menschen<br />

erzogen, ohne dabei jemals einen Unterschied zwischen Jungen<br />

und Mädchen zu machen. Ich realisierte daher erst ziemlich spät,<br />

dass die Gleichheit der Geschlechter in meinem Land – ausserhalb<br />

meines Zuhauses – alles andere als eine Selbstverständlichkeit<br />

war. Während meines Studiums habe ich mich dann stark auf die<br />

Rechtsgebiete der Frauen und Kinder konzentriert, da sie in vielen<br />

Ländern leider noch immer zu den angreifbarsten Mitgliedern der<br />

Gesellschaft gehören. Aber ich bin einfach davon überzeugt, dass<br />

es unsere Pflicht ist, die Schwächsten zu schützen. So kam es,<br />

dass ich nun seit mehr als 20 Jahren als Anwältin hauptsächlich<br />

die Rechte von Frauen und Kindern verteidige. Als dann die Zahl<br />

der politisch oder religiös verfolgten Menschen im Iran immer<br />

weiter stieg, habe ich zudem begonnen, mich für die Wahrung der<br />

Rechte von politischen Gefangenen einzusetzen.<br />

Wie steht es denn um die Rechte dieser Personen im Iran?<br />

Bedauerlicherweise ist die Rechtslage noch immer nicht so, wie<br />

wir sie uns wünschen. Gemäss den Gesetzen, die nach der<br />

iranischen Revolution verabschiedet wurden, ist beispielsweise<br />

das Jugendstrafalter für Mädchen auf 9 Jahre und für Jungen auf<br />

15 herabgesetzt worden. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass<br />

wenn ein <strong>10</strong>-jähriges Mädchen eine Straftat begeht, es genauso<br />

hart bestraft werden kann wie ein 40-jähriger Erwachsener.<br />

Aus diesem Grund kommt es leider auch immer wieder zu Hinrichtungen<br />

von sehr jungen Menschen. 2009 verzeichnete der Iran<br />

die höchste Anzahl Hinrichtungen von Jugendlichen.<br />

Und was ist mit den Rechten der Frauen?<br />

Nach der Revolution im Iran 1979 wurden viele Gesetze verabschiedet,<br />

die Frauen stark benachteiligen und die heute noch in<br />

Kraft sind: So gilt beispielsweise die Aussage einer Frau vor ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


80 Leader Shirin Ebadi<br />

Shirin Ebadi wurde 1947 in Hamedan, Iran, geboren.<br />

1971 hat sie an der Universität Teheran ihr Masterstudium<br />

in Rechtswissenschaften abgeschlossen.<br />

Bereits mit 28 Jahren wur de sie zur Präsidentin<br />

des Gerichtshofs in Teheran gewählt – als erste<br />

weib liche Richterin des Landes. Nach der Revolution<br />

von 1979 zwang man Ebadi zum Rücktritt. Sie arbeitete<br />

fortan als Gerichts sekretärin an exakt jenem<br />

Gerichtshof, den sie zuvor geleitet hatte. 1992<br />

erwirkte Ebadi schliesslich eine Zulassung als Rechtsanwältin<br />

und gründete eine eigene Kanzlei. Heute<br />

unterrichtet Shirin Ebadi an der Universität von<br />

Teheran Rechtswissenschaf ten und engagiert sich<br />

für die Einhaltung der Menschenrechte und die<br />

Stärkung des gesetzlichen Status von Frauen und<br />

Kindern im Iran. Darüber hinaus hat sie zwei Nichtregierungsorganisationen<br />

gegründet, die Association<br />

for Support of Children’s Rights und das<br />

Human Rights Defence Centre.<br />

Shirin Ebadi hat ihre Tätigkeit als Anwältin trotz Ver -<br />

haftung und wiederholter Gewaltandrohungen bis<br />

zum heutigen Tag unbeirrt fortgesetzt. Für ihren<br />

mutigen Einsatz zugunsten der Demokratie und der<br />

Wahrung der Menschenrechte wurde sie mit mehreren<br />

Preisen ausgezeichnet, darunter der Friedensnobelpreis<br />

2003 und der Internationale Demokra tiepreis<br />

Bonn 20<strong>10</strong>.<br />

Shirin Ebadi hat zahlreiche Artikel und Bücher<br />

zu Men schenrechtsfragen und eine Autobiografie<br />

mit dem Titel «Mein Iran – Ein Leben zwischen<br />

Revolution und Hoffnung» veröffentlicht.<br />

Ge richt nur halb so viel wie die eines Mannes. Im Fall einer Verge<br />

waltigung bedeutet das konkret, dass eine Frau zwei Personen<br />

aufbieten können muss, die das Geschehene bezeugen. Und<br />

seien wir ehrlich: Wie oft gibt es denn Zeugen bei Vergewaltigungen<br />

oder häuslicher Gewalt ?<br />

Wie gehen Sie vor im Kampf gegen diese Ungerechtigkeiten?<br />

Indem wir täglich, und dies seit Jahren, für entsprechende Reformen<br />

im Rechtssystem kämpfen – insbesondere mit Bezug auf<br />

Frauen und Kinder. Zudem habe ich im Iran zwei Nichtregierungsorganisationen<br />

gegründet: 1995 die Association for Support of<br />

Children’s Rights, über die wir die Internationale Konvention über<br />

die Rechte des Kindes im Iran verbreiten. Und 2001, zusammen<br />

mit anderen iranischen Juristen, das Human Rights Defence<br />

Centre, in dem wir uns für die Rechte von Minder hei ten einsetzen<br />

und Personen, die aus politischen oder ideolog ischen Gründen<br />

verfolgt werden, unentgeltlich juristischen Bei stand leisten.<br />

Darüber hinaus betreiben wir auch Aufklärungs arbeit im Bereich<br />

der Menschenrechte.<br />

Der Islam, Demokratie und Menschenrechte – diese<br />

Themen werden von Politik und Medien gleichermassen als<br />

miteinander unvereinbar bezeichnet.<br />

Das sind Aussagen, die der amerikanische Politikwissenschaftler<br />

Samuel Huntington in seinem viel zitierten Buch «Kampf der<br />

Kulturen» aufgestellt hat. Noch heute dienen seine Thesen vielen<br />

als Rechtfertigung der angespannten Situation und der Kriege im<br />

Nahen Osten, da sie unterstellen, dass ein Kampf zwischen westlichen<br />

und östlichen Zivilisationen unvermeidbar sei. Dabei darf<br />

aber nicht vergessen werden, dass solche Aussagen nicht isoliert<br />

von ihrem Kontext zu verstehen sind: Die Behauptungen stammen<br />

schliesslich aus jener Zeit, als die Sowjetunion und die sozialistischen<br />

Länder zusammenbrachen. Und nach dem Kalten Krieg<br />

suchte der Westen ein Feindbild. Dabei wissen wir schon aus der<br />

Geschichte, dass Muslime und Juden im Nahen Osten über Jahrhunderte<br />

hinweg friedlich zusammengelebt haben. Auch die bestehenden<br />

Konflikte sind ganz klar nicht religiös, sondern politisch<br />

motiviert und müssten daher lösbar sein.<br />

Der Islam schliesst die Einhaltung der Menschenrechte<br />

oder die demokratische Staatsform also nicht aus?<br />

Diverse Studien zeigen, dass sich das nicht ausschliesst, selbst<br />

wenn es sich nicht von der Hand weisen lässt, dass es um die<br />

Einhaltung der Menschenrechte in vielen islamischen Ländern<br />

nicht sonderlich gut steht. Aber moderne Muslime sind fest davon<br />

überzeugt, dass das alles nichts mit dem Islam als Religion zu<br />

tun hat, sondern damit, wie der Islam ausgelegt und interpretiert<br />

wird. Ich bin der Meinung, dass eine Interpretation des Islam,<br />

die sich mit den Prinzipien der Gleichheit und der Demokratie in<br />

Einklang befindet, sogar ein sehr authentischer Ausdruck<br />

reinen Glaubens ist.<br />

Ist der weltweite Krieg gegen den Terrorismus eine wirksame<br />

Methode, um den entsprechenden Ländern Demokratie und<br />

Menschenrechte zu bringen?<br />

Terrorismus ist ganz klar etwas, das vehement bekämpft werden<br />

muss. Aber um ihn effektiv schwächen und beseitigen zu können,<br />

müssen wir an seinen Wurzeln ansetzen. Und die Wurzeln bestehen<br />

einerseits aus Fanatismus – dessen Ursprung wiederum die<br />

Unwissenheit der Menschen ist – und andererseits aus Ungerechtigkeit.<br />

Lediglich den Terrorismus zu be käm pfen, bringt also gar<br />

nichts, man muss an der Wurzel ansetzen und sie austrocknen. ><br />

Fotos: Kaveh Kazemi, Corbis Spector | France Keyser, Corbis Spector | Hasan Sarbakhshian | Jean Guichard, Sygma, Corbis<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Shirin Ebadi Leader 81<br />

1<br />

2 3<br />

1 Shirin Ebadi während einer Pressekonferenz der International Federation for Human Rights (FIDH) im Dezember 2003 in Paris: Zwei Monate<br />

zuvor wurde ihr der Friedensnobelpreis für ihr Engagement für Demokratie und Menschenrechte verliehen. 2 Immer wieder rufen iranische<br />

Studenten zu Massenprotesten gegen das Regime auf. Bild einer Demonstration vom 7. Dezember 2002: Die Regierung versuchte durch<br />

massive Aufmärsche von Milizen, gezielte Angriffe auf Demonstrationen sowie durch die Verhaftung und Folterung von Studenten weitere<br />

Proteste zu unterbinden. 3 Viele junge Iranerinnen setzen sich für die Verbesserung der Frauenrechte in ihrem Land ein.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong>


82 Leader Shirin Ebadi<br />

Die Förderung von Bildung wäre in diesem Zusammenhang<br />

also ein sehr wichtiger Schritt, da sie wohl das effektivste<br />

Mittel gegen Unwissenheit ist. Allerdings bin ich ganz klar der<br />

Meinung, dass man Menschenrechte nicht mit Kriegen durchsetzen<br />

kann. Die Demokratisierung ist ein Entwicklungs prozess,<br />

der sich nicht einfach in ein Land und seine Bevölkerung<br />

«einbomben» lässt.<br />

Momentan scheint sich die ganze Welt vor dem Islam<br />

zu fürchten. Selbst in der Schweiz wurde ein Minarettverbot<br />

verhängt und man diskutiert darüber, die Burka zu verbieten.<br />

Wieso ist das Ihrer Meinung nach so?<br />

Diese Islamophobie, die zurzeit weltweit vorherrscht, ist wohl<br />

hauptsächlich auf das Werk einiger Medien zurückzuführen. Sie<br />

wird von der internationalen Presse regelrecht geschürt und aktiv<br />

verbreitet. Ich persönlich finde, dass man auch hier differenziert in<br />

seinem Urteil bleiben sollte. Man muss unterscheiden können<br />

zwischen den schrecklichen Verbrechen, die von islamischen Gruppierungen<br />

ausgeübt werden, und dem Islam, den Millionen anständiger<br />

und rechtschaffener Menschen als ihren Glauben ansehen<br />

und absolut friedlich praktizieren. Dass ein Attentat, das von<br />

muslimischen Extremisten begangen wurde, von der breiten Öffentlichkeit<br />

jedoch immer gleich als «islamischer Terrorakt» betitelt<br />

wird, ist der weltweiten islamischen Glaubensgemeinschaft gegenüber<br />

einfach nicht gerecht. Schliesslich behauptet auch niemand,<br />

dass das Judentum der Grund dafür ist, dass die israelische<br />

Regierung die bisher verabschiedeten UN-Resolutionen nicht<br />

umsetzt oder dass die Verbrechen in Bosnien damals im Namen<br />

des Christentums verübt wurden.<br />

Trotz Ihres schwierigen Kampfes für die Menschenrechte in<br />

islamischen Ländern und der weltweiten Kritik an der Religion<br />

Islam sind Sie noch immer gläubige Muslima.<br />

Natürlich. Das ist für mich absolut kein Widerspruch. Im Gegenteil:<br />

Mein Glaube gibt mir Kraft für meine Arbeit. Ich bin Muslima aus<br />

tiefer Überzeugung. Und ich liebe mein Land. Selbst wenn meine<br />

Heimat ein umstrittenes Land ist – es ist wunderschön. Auch<br />

die Menschen im Iran sind warmherzig, grosszügig und vor allem<br />

äusserst gastfreundlich.<br />

Durch Ihre Tätigkeit setzen Sie sich auch grossen Gefahren<br />

aus. Sie wurden verhaftet und mussten einst sogar Ihren<br />

eigenen Namen auf einer Todesliste lesen. Haben Sie keine<br />

Angst ?<br />

Angst ist lediglich ein Reflex, mit dem man umzugehen lernen<br />

muss. Ich bin ein optimistischer Mensch und glaube fest daran,<br />

dass das friedliche Verfolgen von gerechten Forderungen letztlich<br />

den Weg für eine Demokratie ebnen wird. Auch wenn der Weg<br />

zum Ziel etwas länger ist.<br />

Was bedeutet Ihnen die diesjährige Verleihung des Internationalen<br />

Demokratiepreises in Bonn oder der Friedensnobelpreis,<br />

den Sie 2003 erhalten haben?<br />

Ich bin natürlich stolz auf diese Auszeichnungen. Meine Bekanntheit<br />

ist durch die Vergabe dieser Preise deutlich gestiegen. Viel<br />

wichtiger ist jedoch, dass damit meine Arbeit und das Thema Menschenrechte<br />

vermehrt in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit<br />

gerückt werden. Ich erreiche mit meinen Anliegen viel mehr<br />

Personen und kann sie auf diese Weise für die Thematik sensi bilisieren<br />

und sie zugleich für unser Engagement gewinnen. Ich<br />

hoffe auf einen weltweiten Bewusstseinswandel, was die Wichtigkeit<br />

der Einhaltung der Menschenrechte betrifft. <<br />

Menschenrechtsforum Luzern Das Internationale<br />

Menschenrechtsforum Luzern (IHRF) bezweckt die<br />

Unterstützung und nachhaltige Weiterführung der<br />

Menschenrechtsdebatte und die gezielte Förderung<br />

der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, indem es den<br />

verschiedenen Akteuren aus Politik, Wissenschaft,<br />

Wirtschaft, Interessengruppen, Medien, Bildung oder<br />

der breiten Öffentlichkeit ein Forum bietet, um<br />

gemeinsam an einem aktuellen Thema im Bereich<br />

der Menschenrechte zu arbeiten. Mit dem Ziel, Menschenrechtsfragen<br />

auch über das unmittelbare<br />

Geschäft hinaus voranzutreiben, ist die Credit Suisse<br />

2009 eine Partnerschaft mit dem IHRF eingegangen.<br />

Am 18. und 19. Mai 20<strong>10</strong> fand das 7. Internationale<br />

Menschenrechtsforum Luzern zum Thema «Menschenrechte<br />

und Digitalisierung des Alltags» statt.<br />

Frau Dr. Ebadi gehörte neben vielen anderen<br />

na tionalen und internationalen Expertinnen und<br />

Experten zu den Gastreferenten.<br />

Mehr Informationen zum Internationalen Menschenrechtsforum<br />

Luzern unter http://www.ihrf.phz.ch<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>10</strong> Credit Suisse


Lassen Sie sich verzaubern von unseren<br />

Artisten aus Europa<br />

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• Rieselle 2008 Riesling aus Deutschland<br />

• Rosaria 2009 Rosé aus Spanien<br />

• Josefin 2008 Zweigelt aus Österreich<br />

• Vincent 2009 Assemblage aus Frankreich<br />

• Augusto 2008 Merlot aus Italien<br />

• Don León 2008 Assemblage aus Spanien<br />

Illustrationen von Anna Sommer<br />

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Mit dem Degustations-Abonnement erhalten Sie übers Jahr<br />

verteilt 5x Flaschenpost. Jedes Paket enthält zwei bis drei Weine<br />

zum vorteilhaften Probierpreis: überraschende Entdeckungen<br />

oder besonders gut gelungene neue Jahrgänge bekannter<br />

Gewächse. So haben Sie die Möglichkeit, die Trouvailllen in<br />

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Die Pakete werden einzeln verrechnet und kosten jeweils<br />

zwischen 25 und 55 Franken, zuzüglich Versandspesen Fr. 9.50.<br />

Das Probe-Abonemment ist jederzeit formlos kündbar.<br />

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Weinhandlung am Küferweg I Küferweg 3 I 8912 Obfelden I Tel. <strong>04</strong>3 322 60 00 I Fax <strong>04</strong>3 322 60 01 I www.kueferweg.ch


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