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Ausgabe 34 3/2008 - AWO Dortmund

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Nr. <strong>34</strong>, September <strong>2008</strong><br />

Novellierung des Sparkassengesetzes<br />

Selten hat es für einen Gesetzesentwurf<br />

von so vielen unterschiedlichen<br />

Seiten Kritik gehagelt wie<br />

für das geplante Sparkassengesetz<br />

des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen. Die Gesetzesnovelle<br />

wird die Sparkassen zwingen, zukünftig<br />

nur noch rein renditeorientiert<br />

zu arbeiten. Derzeit wirtschaften<br />

diese Geldinstitute der<br />

Städte und Kreise gemeinnützig,<br />

aber das soll ein Ende haben. Im<br />

Gesetzestext wird ausdrücklich nur<br />

noch die Bezeichnung „Gemeinwohl<br />

orientiert“ benutzt.<br />

Dies wird Folgen haben, die die Arbeiterwohlfahrt<br />

und die anderen<br />

Wohlfahrtsverbände alarmieren.<br />

Nicht nur, dass bei reiner Profitorientierung<br />

tausende Arbeitsplätze<br />

auf dem Spiel stehen. Die Folgen werden<br />

wohl für jeden einzelnen Bürger<br />

spürbar werden, vor allem für jene,<br />

deren Portemonnaies nicht so prall<br />

gefüllt sind, dass sie für eine profitorientierte<br />

Sparkasse profitabel erscheinen.<br />

Denn mit dem neuen Gesetz entfällt<br />

auch die Verpflichtung der Sparkassen,<br />

jeden Bürger als Kunden anzunehmen<br />

und ihm ein Konto einzurichten.<br />

Das könnte die alleinerziehende<br />

junge Frau treffen, deren schmales<br />

Einkommen für eine Kontoführung<br />

nicht interessant genug ist. Oder den<br />

Häuslebauer, der arbeitslos wurde,<br />

sich überschuldete und nun bei gar<br />

keiner Bank mehr ein Konto erhält.<br />

Probleme könnte der Rentner mit kleinem<br />

Budget haben, wenn er keinen<br />

Kredit für den Gebrauchtwagenkauf<br />

bekommt: zu risikoreich. Oder der<br />

Kassenwart der Fußball-Jugendabteilung,<br />

der auf einmal für den günstigen<br />

Vereinsservice hohe Gebühren<br />

zahlen soll: preiswerten Service kann<br />

sich die Kasse nicht mehr leisten.<br />

<strong>AWO</strong> Bezirk Westliches Westfalen<br />

KeinEinstiegindie<br />

Privatisierung der Sparkassen!<br />

Ganz sicher werden die Sparkassen<br />

dann ihr Zweigstellen-Netz ausdünnen,<br />

um ihren Profit zu maximieren.<br />

Man könnte dann nicht mehr mit<br />

seinem seit Jahren bekannten Sachbearbeiter<br />

in der Filiale in der Nähe<br />

sprechen, sondern müsste erst zu einer<br />

Hauptstelle fahren, wo man niemanden<br />

mehr kennt – und auch selber<br />

nicht bekannt ist.<br />

Und es ist zu befürchten, dass die<br />

Abkehr vom gemeinnützigen Denken<br />

auch die Arbeit der Wohlfahrtsverbände<br />

behindern wird. Denn<br />

bislang stellten die Sparkassen einen<br />

Teil ihrer erwirtschafteten Überschüsse<br />

in den Dienst zahlreicher guter Sachen.<br />

So helfen die Spenden der<br />

Sparkassen in vielen Kindergärten,<br />

den engen Sachkostenrahmen zu erweitern<br />

und eine bessere Ausstattung,<br />

beispielsweise mit Bastelmaterial zu<br />

ermöglichen.<br />

Zahlreiche Altenbegegnungsstätten<br />

könnten geschlossen werden, denn<br />

häufig sind die explodierenden Nebenkosten<br />

von den Stadtverbänden<br />

nur mit Hilfe der Sparkassen-Zuwendungen<br />

noch zu bezahlen.<br />

Im Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen<br />

wurde mit Mitteln der<br />

Sparkasse Vest eine Wundfibel erstellt,<br />

die helfen soll, pflegedürftige Angehörige<br />

zu Hause besser zu versorgen.<br />

Im Unterbezirk Ennepe-Ruhr bezuschusste<br />

die Stadtsparkasse Wetter<br />

Sprachförderung im Kindergarten –<br />

lange bevor das Land NRW, durch<br />

Pisa aufgerüttelt, darüber nachdachte.<br />

Nun steht zu befürchten, dass diese<br />

Fördergelder in öffentlichen Haushalten<br />

versickern. Denn: Am Gemeinwohl<br />

orientiert ist auch eine Überweisung<br />

an die leeren Kassen der Kommunen;<br />

ja, selbst ein pompöser<br />

Fuhrpark wäre damit zu rechtfertigen,<br />

wird doch dafür nicht mehr der städtische<br />

Etat angetastet.<br />

Über die Verwendung der Überschüsse<br />

entscheiden die Aufsichtsgremien<br />

der Sparkassen in Kreisen<br />

und Städten. Die CDU hält den Kritikern<br />

entgegen, die Kommunen seien<br />

selbst in der Lage, über die Verwendung<br />

im Sinne ihrer Bürger zu bestimmen.<br />

Aber gerade in unserem <strong>AWO</strong>-Bezirk<br />

ist die Haushaltslage vieler Kommunen<br />

dramatisch. Wie schnell werden<br />

da Begehrlichkeiten wach – und<br />

bedient.<br />

Viele Städte sind so pleite, dass ihre<br />

Kämmerer hinter jedem Cent her sein<br />

müssen. Da käme eine Überweisung<br />

aus den Sparkassen-Überschüssen<br />

gerade recht. Und je mehr Profit die<br />

Geldinstitute machen, um so besser.<br />

Die Kreise, ebenfalls Träger zahlreicher<br />

Sparkassen, erhöhen seit vielen<br />

Jahren die Kreisumlagen. Die in den<br />

Aufsichtsräten sitzenden Vertreter der<br />

Kommunen werden zukünftig scharf<br />

darauf achten, jeden erwirtschafteten<br />

Euro in die Kreiskassen fließen zu lassen,<br />

damit die Kommunen entlastet<br />

werden. Da bleibt nichts mehr über<br />

für finanzielle Hilfen bei sozialen Aufgaben.<br />

Nach dem Kinder-Bildungsgesetz<br />

„Kibiz“, das in allen unseren Tageseinrichtungen<br />

für Kinder riesige<br />

Personalprobleme geschaffen hat, ist<br />

das Sparkassengesetz die zweite<br />

Schneise, die die CDU-geführte Landesregierung<br />

in die sozialen Systeme<br />

schlagen will.<br />

Die Wohlfahrtsverbände planen<br />

Unterschriften-Aktionen, die Gewerkschaft<br />

Verdi erwägt gar ein Volksbegehren<br />

gegen das geplante<br />

Sparkassengesetz. Wenn es so weit<br />

kommt: Unterschreiben Sie die Protestnoten!<br />

Aus ureigenem Interesse.<br />

Die Arbeiterwohlfahrt wird 90 – gefeiert wird in <strong>Dortmund</strong>!<br />

Die zentrale Festveranstaltung zum 90. wird in <strong>Dortmund</strong><br />

stattfinden: am 21. und 22. August 2009 steigt rund um<br />

die Reinoldikirche in der <strong>Dortmund</strong>er City ein riesiges<br />

Volks- und Kulturfest. Auf zwei großen Bühnen werden<br />

zahlreiche Musikveranstaltungen stattfinden, zudem Talkrunden<br />

und viel Kleinkunst. Ganz großes Comedy-Thea-<br />

ter wird es mit dem „Geierabend“ geben. Diese <strong>Dortmund</strong>er<br />

Karnevals-Alternative hat mittlerweile Kult-Charakter.<br />

Schon seit Jahren sind die Geierabende im Biergarten<br />

bei Tante Amanda restlos ausverkauft. Nun gastieren<br />

die kultigen Panneköppe und das Original<br />

Jallermann-Klangtett beim <strong>AWO</strong>-Geburtstag!<br />

„Der Wettbewerb um<br />

Ausschüttungen würde stärker“<br />

Frage: Herr Samulewicz, die von<br />

der NRW-Landesregierung geplante<br />

Novellierung des Sparkassengesetzes<br />

hat zu einem Sturm der Entrüstung<br />

bei den Verbänden der Wohlfahrtspflege<br />

geführt. Können Sie das<br />

teilen?<br />

Uwe Samulewicz: Jedes neue Gesetz<br />

muss sich daran messen lassen,<br />

ob damit die zuvor formulierten Ziele<br />

erreicht werden. Hier sollte die<br />

öffentlich-rechtliche Kreditwirtschaft<br />

gestärkt werden. Bei diesem Entwurf<br />

bestehen erhebliche Zweifel daran.<br />

Frage: Gibt es denn auch etwas zu<br />

loben, bevor wir zu den Zweifeln<br />

kommen?<br />

Uwe Samulewicz: Ja. Positiv ist zu<br />

werten, dass nur Gemeinden und<br />

Gemeindeverbände Sparkassen errichten<br />

dürfen. Und ein Ausweis der<br />

Sparkassen in den Kommunalbilanzen<br />

ist ausgeschlossen. Das ist<br />

gut.<br />

Frage:Was ist am Entwurf aus Ihrer<br />

Sicht denn nicht so gelungen?<br />

Uwe Samulewicz: Da gibt es nicht<br />

nur sachliche, sondern auch rechtliche<br />

Bedenken. Die Landesregierung<br />

will eine neue Kapitalform einführen<br />

– das so genannte Trägerkapital.<br />

Zur Ausübung unseres<br />

Geschäftes ist Trägerkapital aber<br />

weder notwendig noch europarechtlich<br />

geboten. Dagegen besteht<br />

die Gefahr, dass das Eigenkapital<br />

von Sparkassen damit mittelfristig<br />

auf den freien Markt gelangen<br />

könnte, hier also ein Einfallstor für<br />

die Privatisierung öffentlich-rechtlicher<br />

Sparkassen geschaffen werden<br />

könnte. Abgelehnt wird das Trägerkapital<br />

von den Sparkassen, den<br />

beiden Sparkassenverbänden wie<br />

7<br />

Uwe Samulewicz, Vorstandsvorsitzender<br />

der Sparkasse <strong>Dortmund</strong><br />

Interview mit Uwe Samulewicz, Sparkasse <strong>Dortmund</strong><br />

auch von den drei kommunalen<br />

Spitzenverbänden in NRW.<br />

Frage: Was stört Sie noch?<br />

Uwe Samulewicz: Die Art und Weise,<br />

wie Sparkassen mit der Westdeutschen<br />

Landesbank zusammenarbeiten<br />

sollen. Bislang kooperieren<br />

sie mit dieser als Aktiengesellschaft<br />

geführten Bank auf der Basis freiwillig<br />

getroffener Vereinbarungen, z. B.<br />

bei der Begleitung von Unternehmen<br />

in Finanzierungs- und Auslandsgeschäften.<br />

Das soll künftig auf<br />

weitere Geschäftsfelder ausgedehnt<br />

werden und dann per Zwang geschehen.<br />

So etwas gibt es nirgendwo<br />

im deutschen Sparkassenwesen.<br />

Frage: Und was ist denn mit den<br />

Ausschüttungsbeträgen geplant?<br />

Uwe Samulewicz: Deren bewährte<br />

gemeinnützige Verwendung soll aufgehoben<br />

werden. Die neue Regelung<br />

geht wesentlich weiter. Da wird<br />

von „am Gemeinwohl orientierten<br />

Aufgaben und Zwecken des Trägers“,<br />

also der Kommune, gesprochen.<br />

Deren Dispositionsmöglichkeiten<br />

will der Gesetzgeber weitgehend<br />

freigeben.<br />

Frage: Würde sich das auch auf die<br />

Wohlfahrtsverbände auswirken?<br />

Uwe Samulewicz: Vermutlich ja.<br />

Der Wettbewerb um die Ausschüttungen<br />

würde stärker und caritative<br />

Einrichtungen, Sportvereine oder<br />

Bildungseinrichtungen könnten betroffen<br />

sein. Die bisherige Praxis hat<br />

sich bewährt und findet bei unseren<br />

Kunden und in der Bürgerschaft<br />

breite Zustimmung. Sparkassen haben<br />

einen öffentlichen Auftrag, sind<br />

gemeinwohlorientiert und schütten<br />

für gemeinnützige Zwecke aus. Dieser<br />

Dreiklang sollte so bleiben!<br />

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