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13. Abraham Geiger, Die Stellung des weiblichen Geschlechtes in dem<br />
Judenthume unserer Zeit, 1837<br />
(zu S. 102 im Buch)<br />
„Was ist die Ursache der Erscheinung, daß, während in allen Religionen die für das Zarte<br />
empfänglichen Frauen so regen und lebendigen Antheil an allen religiösen Gestaltungen nehmen,<br />
nur bei den Juden eine so geringe Theilnahme für das religiöse Leben unter dem weiblichen<br />
Geschlechte sich zeigt? Wohl nichts Anderes, als daß das bestehende Judenthum das Weib<br />
gewaltsam zurückstößt und ihm seinen empfänglichen Sinn für Religiosität erstickt. Vom<br />
öffentlichen Gottesdienste, der gedeihlichsten Nahrung religiöser Innigkeit, werden die Frauen<br />
freigesprochen, und welcher Antrieb sollte sie auch ins Gotteshaus locken, wo in einer fremden<br />
Sprache, die ihnen sogar fremd bleiben soll, gebetet wird! Was kümmert sich auch der<br />
Formglaube bei der Frage über die größere Zweckmäßigkeit des Gottesdienstes in hebräischer<br />
oder deutscher Sprache darum, wie für die Hälfte der Bekenner des Glaubens am besten gesorgt<br />
werde? Man wirft höchstens ohne Besonnenheit und Überlegung die Anforderung hin, auch die<br />
Frauen, denen man doch wahrlich nicht ausschließliche Beschäftigung mit der Wissenschaft<br />
zuweisen will, deren häusliche Arbeiten sie von mühsamen Vorbereitungen zur Erlernung einer<br />
schweren, unserem Anschauungskreise ganz fremden Sprache abrufen, auch sie sollen mit<br />
Gewandtheit in hebräischen Ausdrücken sich bewegen.“<br />
Geiger, Abraham (1837), Die Stellung des weiblichen Geschlechtes in dem Judenthume unserer<br />
Zeit, in: Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 3, S. 1-14, hier S. 6-7<br />
Der Rabbiner und Gelehrte Abraham Geiger (1810-1874) war einer der wichtigsten intellektuellen Vertreter<br />
und Vordenker des Reformjudentums in Deutschland und setzte sich vorbehaltlos für die Akkulturation der<br />
Juden in der bürgerlichen Gesellschaft ein. In seinem 1837 verfassten Text forderte Geiger die religiöse Emanzipation<br />
der Frauen im jüdischen Ritual. Er bemühte die besondere Eignung der Frauen für die Religion als<br />
Argument und zeigt damit die Ambivalenzen auf, die auch die Argumente der für eine Inklusion von Frauen in<br />
den jüdischen Kultus argumentierenden Vertreter des Reformjudentums durchzogen.<br />
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