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03 Kontrastmittelinduzierte Nephropathie

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Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong><br />

Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong>:<br />

Gibt es die überhaupt?<br />

Estimating the risk of radiocontrast-associated nephropathy.<br />

Wilhelm-Leen E, Montez-Rath ME, Chertow G. J Am Soc Nephrol 2017; 28:653-659<br />

Contrast-associated acute kidney injury in the critically ill:<br />

Systematic review and Bayesian meta-analysis.<br />

Ehrmann S, Quartin A, Hobbs BP, Robert-Edan V, Cely C, Bell C, Lyons G, Pham T, Schein R, et al. Intensive Care Med. 2017; 43:785-794<br />

Risk of acute kidney injury after intravenous contrast media administration.<br />

Hinson JS, Ehmann MR, Fine DM, Fishman EK, Toerper MF, Rothman RE, Klein EY. Ann Emerg Med 2017; 69:577-586<br />

Martin Tepel, damals Bochum, hatte<br />

mit seiner im Jahre 2000 im New<br />

England Journal of Medicine publizierten<br />

Studie zur Prävention der Kontrastmittel-induzierten<br />

<strong>Nephropathie</strong><br />

(CIN) mit N-Azetyl-Zystein eine Flut<br />

von Publikationen und Studien zu dieser<br />

speziellen Form des akuten Nierenversagens<br />

(AKI) ausgelöst (Tepel M; N<br />

Engl J Med 2000; 243:180).<br />

Seither sind mehrere Tausend Publikationen<br />

zu diesem Thema erschienen, die<br />

CIN ist eine der bestuntersuchten klinischen<br />

Syndrome überhaupt geworden.<br />

Wie in unzähligen Übersichtsbeträgen<br />

dargelegt, betrifft die CIN Millionen<br />

von Patienten, ist eine der wichtigsten<br />

Ursachen des akuten Nierenversagens<br />

(AKI) und wird damit auch als<br />

ein schwerwiegendes gesundheitspolitisches<br />

Problem angesehen (siehe z. B.<br />

Fähling M; Nat Rev Nephrol 2017; 13:<br />

169).<br />

Eine CIN erhöht die Ausbildung von<br />

Komplikationen und Mortalität, verlängert<br />

die Krankenhausaufenthaltsdauer<br />

und Kosten (z. B. Aubry P; BMC Nephrol<br />

2016; 17:167). Millionen von Patienten<br />

erhalten präventive Maßnahmen<br />

zur Vermeidung einer CIN, Millionen<br />

von Patienten wird eine für die Therapie<br />

oft notwendige KM-basierte Untersuchung<br />

vorenthalten, wenn das Risiko<br />

einer CIN als erhöht eingeschätzt wird.<br />

Kontrastmittel-induzierte<br />

<strong>Nephropathie</strong> ohne Kontrastmittel?<br />

Aber wissen wir wirklich, was eine CIN<br />

ist, kennen wir das Risiko, nach einer<br />

KM-Gabe ein AKI auszubilden? Eine<br />

KM-Gabe erfolgt meist nicht bei Gesunden<br />

(bei denen das Risiko einer CIN<br />

auch nach bisherigem Verständnis vernachlässigbar<br />

ist), sondern bei Kranken<br />

und diese haben auch ohne KM-Infusion<br />

ein Risiko, eine Nierenfunktionsstörung<br />

auszubilden, haben also ein „basales“<br />

Risiko für ein AKI (Abbildung 1).<br />

Dieses basale Risiko ist umso höher, je<br />

kränker der Patient ist. Alle als Risikofaktoren<br />

für eine CIN angeführten<br />

Begleiterkrankungen (Herzinsuffizienz,<br />

chronische Niereninsuffizienz, Diabetes<br />

mellitus, Alter etc.) oder Akutsituationen<br />

(erhöhtes CRP, Hypovolämie,<br />

Hyperglykämie etc.) erhöhen dieses basale<br />

Risiko.<br />

Nach einer KM-Gabe besteht dann ein<br />

„Gesamtrisiko“, das sich aus dem basalen<br />

Risiko und dem zusätzlichen, spezifisch<br />

durch die KM-Gabe induzierten<br />

Risiko zusammensetzt (Abbildung<br />

1). Dieses zusätzliche Risiko ist nicht<br />

bekannt; fast alle bisherigen Untersuchungen<br />

haben fälschlicherweise als<br />

CIN das Gesamtrisiko angenommen.<br />

Genau genommen dürften wir als CIN<br />

nur dieses zusätzliche, eben durch die<br />

Nr. 6, 2017 11


Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong><br />

12<br />

Was ist eine<br />

Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong>?<br />

Basal-Risiko<br />

ohne KM<br />

KM-Gabe bedingte Risiko für ein AKI<br />

bezeichnen. Newshouse hat versucht,<br />

das basale Risiko bei Patienten ohne<br />

KM-Gabe zu definieren und bei Krankenhauspatienten<br />

spontane Kreatinin-<br />

Erhöhungen gefunden, wie sie in den<br />

Studien zu CIN für das Gesamtrisiko<br />

angeführt werden (Newshouse JH; AJR<br />

2008; 191:376) (= „CIN ohne KM“).<br />

Dann wäre das zusätzliche Risiko<br />

vernachlässigbar. Um dieses Risiko zu<br />

definieren, müssten kontrollierte Studien<br />

vorgenommen werden, wobei in einer<br />

Patientengruppe randomisiert KM<br />

verabreicht wird, in der anderen keines.<br />

Offensichtlich sind derartige Untersuchungen<br />

nicht möglich und wohl auch<br />

ethisch nicht vertretbar.<br />

Eine zunehmende Zahl von Untersuchungen<br />

hat versucht, aus retrospektiven<br />

Kohortenanalysen dieses spezifische<br />

(„attributable“) Risiko zu ermitteln. So<br />

war bei über 150.000 CT-Untersuchungen<br />

das Risiko, ein AKI auszubilden,<br />

unabhängig von einer KM-Gabe und<br />

auch unabhängig von der basalen Nierenfunktion<br />

(McDonald RJ; Radiology<br />

2013; 267:106).<br />

Bei weiteren über 20.000 Patienten fand<br />

die gleiche Arbeitsgruppe kein erhöhtes<br />

Risiko für ein AKI, Dialysepflichtigkeit<br />

oder Tod nach KM-Gabe, weder bei<br />

Patienten mit normaler noch mit eingeschränkter<br />

Nierenfunktion oder verschiedenen<br />

Begleiterkrankungen (Mc-<br />

Donald RJ; Radiology 2014; 273:714).<br />

Bei einer anderen Gruppe von mehr als<br />

10.000 Patienten war zwar das Risiko,<br />

nach einer CT-Untersuchung eine Nierenfunktionsstörung<br />

zu erleiden, in Abhängigkeit<br />

der Ausgangs-GFR gesteigert,<br />

das Risiko wurde aber nicht durch<br />

die KM-Gabe beeinflusst (McDonald<br />

JS; Radiology 2014; 271:65).<br />

In einer neuen Untersuchung aus Israel<br />

war bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt,<br />

bei denen entweder eine koronare<br />

Intervention mit Kontrastmittel vorgenommen<br />

wurde oder aber eine Fibrinolysetherapie<br />

oder keine Reperfusion,<br />

also ohne KM, vorgenommen wurde,<br />

die Rate an akutem Nierenversagen<br />

vergleichbar (10.3 versus 12.1%) (Caspi<br />

O; J Am Heart Assoc 2017; 6:e005715).<br />

Rezent wurde von E. Wilhelm-Leen in<br />

einer sehr komplexen US-amerikanischen<br />

Studie mit über 6 Millionen hospitalisierten<br />

Personen sogar ein vermindertes<br />

Risiko eines AKI nach KM-Gabe<br />

– außer bei Patienten mit dem höchste<br />

Co-Morbiditäten-Sore – gefunden<br />

(Wilhelm-Leen E; JASN 2017; 28:653).<br />

Wenn einzelne Diagnosegruppen analysiert<br />

wurden, fand sich nur bei Patienten<br />

mit Pankreatitis ein erhöhtes Risiko, bei<br />

Patienten mit akutem Koronarsyndrom<br />

sogar ein stark vermindertes Risiko eines<br />

AKI nach KM-Gabe (Abbildung 2).<br />

Eine eingeschränkte Nierenfunktion:<br />

Risiko für eine CIN?<br />

KM-assoziiertes<br />

Risiko = CIN<br />

Gesamt-Risiko<br />

mit KM<br />

Die Höhe des KM-assoziierten Risikos ist nicht bekannt!<br />

Abb. 1: Risiko, nach einer Kontrastmittelgabe ein akutes Nierenversagen (AKI) auszubilden:<br />

Basales Risiko, Gesamt-Risiko und spezifisches, Kontrastmittel-induziertes Risiko.<br />

Eine vorbestehende Einschränkung der<br />

Nierenfunktion, eine chronische Niereninsuffizienz<br />

(CKD) wird als wichtigster<br />

Risikofaktor für eine CIN angesehen.<br />

Schon die oben erwähnten<br />

Studien haben keinen Einfluss einer<br />

CKD auf das zusätzliche Risiko, nach<br />

einer KM-Gabe ein AKI auszubilden,<br />

gezeigt. Bei Patienten nach einseitiger<br />

Nephrektomie fanden McDonald<br />

und Mitarbeiter keine erhöhtes Risiko<br />

für eine CIN (McDonald JS; Radiology<br />

2016; 278:74). Die gleiche Arbeitsgruppe<br />

konnte auch bei 6900 Patienten mit<br />

einer CKD 3-5 keine erhöhte Rate an<br />

Nierenfunktionsverschlechterung nach<br />

KM-Gabe nachweisen (McDonald JS;<br />

Mayo Clin Proc 2015; 90:1046).<br />

Selbst der höchsten „Risikogruppe“ mit<br />

einer CKD 5 und einer mittleren eGFR<br />

von 12.5 ml/min (mit sicherlich stark erhöhtem<br />

basalen Risiko) ließ sich nach<br />

KM-Gabe keine relevante Änderung des<br />

Kreatinin-Verlaufes vor/nach Untersuchung<br />

nachweisen (Kumar N; Clin JASN<br />

2009; 4:1907). Auch bei Patienten vor einer<br />

Nierentransplantation fanden Winther<br />

und Mitarbeiter keine Beschleunigung<br />

der Progression der CKD (Winther<br />

S; Am J Transplant 2016; 16:897).<br />

Wie ist die Situation bei Intensivoder<br />

Notfallpatienten?<br />

Intensivpatienten haben bislang als besondere<br />

Risikogruppe für die Ausbildung<br />

einer CIN gegolten, wobei eine<br />

Inzidenz von etwa 15% beschrieben<br />

wurde (Hoste EA; Intensive Care Med<br />

2011; 37:1921; Kim MH; BMC Anaesthesiol<br />

2015; 15:23).<br />

Schon 2012 hatten Cely CM und Mitarbeiter<br />

den Kreatinin-Anstieg nach<br />

KM-Gabe bei Intensivpatienten auf<br />

andere Faktoren als das KM selbst zu-<br />

Nr. 6, 2017


Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong><br />

rückgeführt (Cely CM; Crit Care 2012;<br />

16: R67). In einer weiteren kleinen Untersuchung<br />

fand Ehrmann an etwa 300<br />

Intensivpatienten keinen Unterschied<br />

in der Rate eines AKI mit oder ohne<br />

KM-Gabe (Ehrmann S; Crit Care Med<br />

2013; 41:1071).<br />

Bei Intensivpatienten fand McDonald<br />

kein erhöhtes Risiko für eine CIN bei<br />

Patienten mit einer eGFR > 45 ml/min,<br />

im Gegensatz zu den anderen Untersuchungen<br />

aber ein gering gesteigertes<br />

spezifisches Risiko bei höhergradig eingeschränkter<br />

Nierenfunktion mit einer<br />

eGFR < 45 ml/min (McDonald JS; Intensive<br />

Care Med 2017, e-pub).<br />

Die bisherige Datenlage bei Intensivpatienten<br />

hat kürzlich Ehrmann in<br />

einer Metaanalyse zusammengefasst<br />

(Ehrmann S; Intensive Care Med 2017,<br />

e-pub). In den insgesamt 10 Studien<br />

konnte kein spezifischer Effekt einer<br />

KM-Gabe auf die Inzidenz eines AKI<br />

bei Intensivpatienten nachgewiesen<br />

werden. Bei 199 Überlebenden nach einem<br />

Herzkreislaufstillstand verglichen<br />

Petek et al. Patienten, die innerhalb von<br />

24 Stunden ein KM erhalten hatten mit<br />

jenen, die keines erhalten hatten (Petek<br />

BJ; Ann Emerg Med 2016; 67:469).<br />

Trotz erhöhtem Kreatinin bei vielen<br />

Patienten ließ sich für eine KM-Gabe<br />

kein erhöhtes Risiko für das Auftreten<br />

eines AKI nachweisen.<br />

Bei Notfallpatienten haben kürzlich<br />

Hinson und Mitarbeiter in einer USamerikanischen<br />

Notaufnahme 17.934<br />

Patienten, bei denen eine CT-Untersuchung<br />

mit oder ohne Kontrastmittel<br />

durchgeführt wurde, analysiert (Hinson<br />

JS; Ann Emerg Med 2017; 69:577). In<br />

dieser bislang größten Studie bei Akutpatienten<br />

fand sich kein erhöhtes Risiko<br />

für ein AKI nach Kontrastmittel gabe<br />

und zwar auch in keiner Subgruppe/<br />

Risikogruppe, wie etwa bei Patienten<br />

mit CKD.<br />

Brauchen wir dann<br />

präventive Maßnahmen?<br />

Indirekt gestützt wird das niedrige<br />

(oder nicht existente?) Risiko, durch<br />

Gesamt<br />

Schlaganfall<br />

Pankreatitis<br />

Venöse Thromboembolie<br />

Pneumonie<br />

Gastrointestinale Blutung<br />

COPD Exazerbation<br />

Harnwegsinfektion<br />

Akutes Koronarsyndrom<br />

CHF Exazerbation<br />

Endokarditis<br />

Peritonitis<br />

Sepsis<br />

Abb. 2: Die unterschiedliche Beziehung zwischen Kontrastmittelgabe und akutem Nierenversagen<br />

bei verschiedenen Gruppen von Erkrankungen: Risiko von AKI, Gesamtgruppe und<br />

Diagnosegruppen (modifiziert nach Wilhelm-Leen E; JASN 2017; 28:653).<br />

eine KM-Gabe ein AKI auszulösen,<br />

durch das Faktum, dass die meisten<br />

neueren Untersuchungen zu verschiedensten<br />

präventiven Maßnahmen negativ<br />

verlaufen sind. Dies gilt insbesondere<br />

für Studien, die relevante Endpunkte<br />

(AKI-2-3, Dialysepflichtigkeit, Mortalität)<br />

untersucht haben.<br />

Sicherlich sind in jener Gruppe von Patienten,<br />

bei denen das Kreatinin nach<br />

einer KM-Gabe ansteigt, auch jene Personen<br />

enthalten, die tatsächlich ein AKI<br />

(aus welchem Grund auch immer) ausbilden<br />

werden; und kein Zweifel kann<br />

darüber bestehen, dass ein AKI massive<br />

Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf<br />

ausübt und eine Verschlechterung<br />

der Prognose bedeutet.<br />

Wir müssen daher bei JEDEM Patienten<br />

versuchen, zu verhindern, dass ein<br />

AKI eintritt und zwar unabhängig davon,<br />

ob ein Patient KM erhalten wird<br />

oder nicht. Jeder Patient, der zu einer<br />

Risikogruppe für die Ausbildung eines<br />

Kontrastmittel<br />

Ja o Nein +<br />

5 10 15 20 25 30 35<br />

Risiko von AKI im Krankenhaus<br />

AKI gehört, sollte entsprechende Maßnahmen<br />

(„AKI-Bundles“) erhalten.<br />

Wenn es eine CIN nicht gibt, können<br />

präventive Maßnahmen sogar schaden?<br />

Wenn wir Maßnahmen setzen, die bei<br />

keinem bzw. sehr niedrigem Risiko ein<br />

AKI verhindern sollen, werden damit<br />

nicht nur unnötige Kosten verursacht,<br />

sondern es besteht auch die Möglichkeit,<br />

dass diese Maßnahmen mit unerwünschten<br />

Nebenwirkungen oder<br />

Komplikationen verbunden sind.<br />

Können also präventive Maßnahmen<br />

auch schaden? Das Risiko der meisten<br />

dieser bislang eingesetzten Maßnahmen,<br />

wie etwa N-Azetyl-Zystein, ist<br />

wohl sehr gering, jedoch nicht vernachlässigbar<br />

und fälschlicherweise nicht beachtet<br />

worden.<br />

Wenn man mit einem kritischen Blick<br />

die Literatur der letzten 15 Jahre betrachtete,<br />

so bleibt – wenn es auch im-<br />

Nr. 6, 2017 13


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Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong><br />

mer wieder einzelne Studien zu verschiedenen<br />

Substanzen gibt und immer<br />

wieder unterschiedliche Empfehlungen<br />

publiziert werden – die Volumengabe<br />

als einzige allgemein anerkannte Maßnahme<br />

übrig.<br />

Eine mehr oder wenig systematische<br />

Volumengabe wurde bei Millionen von<br />

Patienten vorgenommen. Aber ist diese<br />

Volumengabe harmlos? Wenn ein Patient<br />

hypovoläm ist, sollte oder muss –<br />

auch wenn keine KM-Untersuchung<br />

geplant ist – eine Volumengabe erfolgen.<br />

Hat aber bei den (meist) normovolämen<br />

Patienten eine zusätzliche Volumenzufuhr<br />

einen positiven Effekt?<br />

In den letzten Jahren haben wir lernen<br />

müssen, dass das alte Dogma „Volumen<br />

ist gut für die Niere“ nicht stimmt. Eine<br />

überhöhte Volumenzufuhr führt über<br />

verschiedene Mechanismen zu einer<br />

Beeinträchtigung der Nierenfunktion<br />

(Verminderung des Filtrationsdruckes,<br />

interstitielles Ödem, Erhöhung des intrarenalen<br />

Druckes etc.) (Perner A; Intensive<br />

Care Med 2017; 43:807).<br />

Eine erhöhte Volumenzufuhr führt aber<br />

auch nicht – wie häufig fälschlicherweise<br />

angenommen – zu einer verbesserten<br />

„Entgiftung“ (das naive Konzept des<br />

„Nierenspülung“).<br />

Drei neue Studien haben nun negative<br />

Effekte einer (überhöhten?) Flüssigkeitszufuhr<br />

zur Prävention einer CIN<br />

beschrieben. Bei über 1000 Patienten<br />

mit mäßiggradig eingeschränkter Nierenfunktion<br />

(eGFR < 90 ml/min) fanden<br />

Liu und Mitarbeiter unter einer<br />

Volumenzufuhr eine signifikant höhere<br />

Rate an AKI und auch eine höhere<br />

Mortalität (!) (Liu Y; J Am Heart Assoc<br />

2016; 5:e0<strong>03</strong>171).<br />

Unter einer standardisierten, routinemäßigen<br />

Hydrierung vor einer koronaren<br />

Intervention war das Risiko, eine<br />

„CIN“ auszubilden, umso höher, je höher<br />

das Infusionsvolumen war (Cui T;<br />

Cardiol J 2017, e-pub). In der neuen Studie<br />

von Nijssen und Mitarbeitern aus<br />

Holland war in der Hydrierungsgruppe<br />

die Rate an Herzinsuffizienz signifikant<br />

erhöht (Nijssen EC; Lancet 2017;<br />

389:1312).<br />

In vielen Zentren wird bei Patienten<br />

mit höheren Stadien einer CKD auch<br />

heute noch eine „Kontrastmitteldialyse“<br />

durchgeführt, obwohl in keiner Studie<br />

(außer in einer obskuren Hämofiltrationsstudie)<br />

je ein Vorteil nachgewiesen<br />

wurde; im Gegenteil war die Nierenfunktion<br />

nach einer Hämodialysetherapie<br />

erwartungsgemäß eher schlechter<br />

(z. B. Berger ED; DMW 2001; 126:162,<br />

Cruz DN; Am J Med 2012; 125:66).<br />

Eine derartige Kontrastmitteldialyse ist<br />

nicht nur mit exzessiven Zusatzkosten<br />

verbunden, sie ist ein keineswegs harmloses,<br />

invasives Verfahren, das u. a. auch<br />

das Legen eines Dialysekatheters erfordert<br />

und den Patienten nicht gerechtfertigte<br />

Gefährdungen aussetzt.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Als langjähriger Leiter einer Akutdialysestation<br />

eines universitären Großkrankenhauses<br />

mit Hundertausenden von<br />

KM-Untersuchungen pro Jahr habe ich<br />

nur wenige dialysepflichtige Patienten<br />

mit einer CIN gesehen und wenn, dann<br />

meist in komplexeren klinischen Risikokonstellationen<br />

mit mehreren möglichen<br />

Ursachen eines AKI. In einigen<br />

der Fälle war auch nicht klar, ob es sich<br />

eher um Cholesterin-Embolie-Syndrome<br />

gehandelt hat.<br />

Die derzeitige Verwendung des Begriffes<br />

CIN (Gesamtrisiko für ein AKI<br />

nach KM-Gabe) ist falsch und irreführend.<br />

Das zusätzliche, spezifische Risiko<br />

– und nur das darf als CIN bezeichnet<br />

werden – nach einer KM-Untersuchung<br />

ein AKI auszubilden, ist unbekannt, in<br />

Anbetracht der neuen Datenlage wohl<br />

als sehr gering einzuschätzen. Selbst in<br />

den wichtigsten Risikogruppen, Patienten<br />

mit CKD oder Intensiv-/Notfallpatienten<br />

ist zwar das basale Risiko<br />

– mit oder ohne KM – ein AKI auszubilden,<br />

stark erhöht, das spezifisch KMbedingte<br />

Risiko aber sehr gering.<br />

Für die Definition und Stadieneinteilung<br />

einer akuten Nierenfunktionsstörung<br />

ohne oder mit KM sollten die heute<br />

weltweit akzeptierten KDIGO-Kriterien<br />

für das AKI verwendet werden,<br />

wobei nach KM-Gabe die Bezeichnung<br />

CI-AKI verwendet werden kann (KDI-<br />

GO AKI Workgroup; Kidney Int 2012;<br />

2[suppl 2]:S1-S138).<br />

Die generelle Durchführung von präventiven<br />

Maßnahmen ist damit meist<br />

nicht nur sinnlos, sondern auch mit<br />

Kosten und einer zusätzlichen Gefährdung<br />

des Patienten verbunden. Man<br />

muss sich fragen, ob Millionen von Patienten<br />

mit diesen Maßnahmen nicht<br />

nur nicht genützt, sondern eben geschadet<br />

wurde – und das Gesundheitssystem<br />

mit ungerechtfertigten Kosten konfrontiert<br />

worden ist.<br />

Wir müssen alles tun, um bei jedem Patienten<br />

die Ausbildung eines AKI zu<br />

vermeiden, unabhängig davon, ob er<br />

KM erhalten soll oder nicht. Wir müssen<br />

bei jedem Patienten eine Risikoeinschätzung<br />

vornehmen. Bei erhöhtem<br />

Risiko sollten entsprechende Maßnahmen<br />

gesetzt werden.<br />

Ich möchte aber nicht „das Kind mit<br />

dem Bade“ ausschütten und behaupten,<br />

dass dem KM keinerlei Toxizität zukommt.<br />

Sicherlich sollte weiterhin getrachtet<br />

werden, bei der Untersuchung<br />

eine möglichst geringe Menge an KM<br />

zu verwenden. Iso- und niedrig-osmolare<br />

KM unterscheiden sich bezüglich eines<br />

möglichen AKI-Risikos wohl nicht<br />

wesentlich. Und ich möchte auch keineswegs<br />

so weit gehen und, wie inzwischen<br />

manchmal behauptet, KM als<br />

renoprotektiv, zumindest als ein gutes<br />

„osmotisches Diuretikum“ bezeichnen.<br />

Jedenfalls ist es sehr problematisch, Patienten<br />

eine für eine optimierte Therapie<br />

notwendige Untersuchung unter<br />

Einschluss von KM wegen des sehr geringen<br />

KM-assoziierten Risikos zu verweigern<br />

– wie das wohl millionenfach in<br />

den letzten Jahrzehnten geschehen ist.<br />

Interessenkonflikte: Keine<br />

Prof. Dr. Wilfred Druml<br />

Abteilung für Nephrologie<br />

Medizinische Universität Wien<br />

wilfred.druml@meduniwien.ac.at<br />

Nr. 6, 2017 15

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