03 Kontrastmittelinduzierte Nephropathie
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Kontrastmittel-induzierte <strong>Nephropathie</strong><br />
mer wieder einzelne Studien zu verschiedenen<br />
Substanzen gibt und immer<br />
wieder unterschiedliche Empfehlungen<br />
publiziert werden – die Volumengabe<br />
als einzige allgemein anerkannte Maßnahme<br />
übrig.<br />
Eine mehr oder wenig systematische<br />
Volumengabe wurde bei Millionen von<br />
Patienten vorgenommen. Aber ist diese<br />
Volumengabe harmlos? Wenn ein Patient<br />
hypovoläm ist, sollte oder muss –<br />
auch wenn keine KM-Untersuchung<br />
geplant ist – eine Volumengabe erfolgen.<br />
Hat aber bei den (meist) normovolämen<br />
Patienten eine zusätzliche Volumenzufuhr<br />
einen positiven Effekt?<br />
In den letzten Jahren haben wir lernen<br />
müssen, dass das alte Dogma „Volumen<br />
ist gut für die Niere“ nicht stimmt. Eine<br />
überhöhte Volumenzufuhr führt über<br />
verschiedene Mechanismen zu einer<br />
Beeinträchtigung der Nierenfunktion<br />
(Verminderung des Filtrationsdruckes,<br />
interstitielles Ödem, Erhöhung des intrarenalen<br />
Druckes etc.) (Perner A; Intensive<br />
Care Med 2017; 43:807).<br />
Eine erhöhte Volumenzufuhr führt aber<br />
auch nicht – wie häufig fälschlicherweise<br />
angenommen – zu einer verbesserten<br />
„Entgiftung“ (das naive Konzept des<br />
„Nierenspülung“).<br />
Drei neue Studien haben nun negative<br />
Effekte einer (überhöhten?) Flüssigkeitszufuhr<br />
zur Prävention einer CIN<br />
beschrieben. Bei über 1000 Patienten<br />
mit mäßiggradig eingeschränkter Nierenfunktion<br />
(eGFR < 90 ml/min) fanden<br />
Liu und Mitarbeiter unter einer<br />
Volumenzufuhr eine signifikant höhere<br />
Rate an AKI und auch eine höhere<br />
Mortalität (!) (Liu Y; J Am Heart Assoc<br />
2016; 5:e0<strong>03</strong>171).<br />
Unter einer standardisierten, routinemäßigen<br />
Hydrierung vor einer koronaren<br />
Intervention war das Risiko, eine<br />
„CIN“ auszubilden, umso höher, je höher<br />
das Infusionsvolumen war (Cui T;<br />
Cardiol J 2017, e-pub). In der neuen Studie<br />
von Nijssen und Mitarbeitern aus<br />
Holland war in der Hydrierungsgruppe<br />
die Rate an Herzinsuffizienz signifikant<br />
erhöht (Nijssen EC; Lancet 2017;<br />
389:1312).<br />
In vielen Zentren wird bei Patienten<br />
mit höheren Stadien einer CKD auch<br />
heute noch eine „Kontrastmitteldialyse“<br />
durchgeführt, obwohl in keiner Studie<br />
(außer in einer obskuren Hämofiltrationsstudie)<br />
je ein Vorteil nachgewiesen<br />
wurde; im Gegenteil war die Nierenfunktion<br />
nach einer Hämodialysetherapie<br />
erwartungsgemäß eher schlechter<br />
(z. B. Berger ED; DMW 2001; 126:162,<br />
Cruz DN; Am J Med 2012; 125:66).<br />
Eine derartige Kontrastmitteldialyse ist<br />
nicht nur mit exzessiven Zusatzkosten<br />
verbunden, sie ist ein keineswegs harmloses,<br />
invasives Verfahren, das u. a. auch<br />
das Legen eines Dialysekatheters erfordert<br />
und den Patienten nicht gerechtfertigte<br />
Gefährdungen aussetzt.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Als langjähriger Leiter einer Akutdialysestation<br />
eines universitären Großkrankenhauses<br />
mit Hundertausenden von<br />
KM-Untersuchungen pro Jahr habe ich<br />
nur wenige dialysepflichtige Patienten<br />
mit einer CIN gesehen und wenn, dann<br />
meist in komplexeren klinischen Risikokonstellationen<br />
mit mehreren möglichen<br />
Ursachen eines AKI. In einigen<br />
der Fälle war auch nicht klar, ob es sich<br />
eher um Cholesterin-Embolie-Syndrome<br />
gehandelt hat.<br />
Die derzeitige Verwendung des Begriffes<br />
CIN (Gesamtrisiko für ein AKI<br />
nach KM-Gabe) ist falsch und irreführend.<br />
Das zusätzliche, spezifische Risiko<br />
– und nur das darf als CIN bezeichnet<br />
werden – nach einer KM-Untersuchung<br />
ein AKI auszubilden, ist unbekannt, in<br />
Anbetracht der neuen Datenlage wohl<br />
als sehr gering einzuschätzen. Selbst in<br />
den wichtigsten Risikogruppen, Patienten<br />
mit CKD oder Intensiv-/Notfallpatienten<br />
ist zwar das basale Risiko<br />
– mit oder ohne KM – ein AKI auszubilden,<br />
stark erhöht, das spezifisch KMbedingte<br />
Risiko aber sehr gering.<br />
Für die Definition und Stadieneinteilung<br />
einer akuten Nierenfunktionsstörung<br />
ohne oder mit KM sollten die heute<br />
weltweit akzeptierten KDIGO-Kriterien<br />
für das AKI verwendet werden,<br />
wobei nach KM-Gabe die Bezeichnung<br />
CI-AKI verwendet werden kann (KDI-<br />
GO AKI Workgroup; Kidney Int 2012;<br />
2[suppl 2]:S1-S138).<br />
Die generelle Durchführung von präventiven<br />
Maßnahmen ist damit meist<br />
nicht nur sinnlos, sondern auch mit<br />
Kosten und einer zusätzlichen Gefährdung<br />
des Patienten verbunden. Man<br />
muss sich fragen, ob Millionen von Patienten<br />
mit diesen Maßnahmen nicht<br />
nur nicht genützt, sondern eben geschadet<br />
wurde – und das Gesundheitssystem<br />
mit ungerechtfertigten Kosten konfrontiert<br />
worden ist.<br />
Wir müssen alles tun, um bei jedem Patienten<br />
die Ausbildung eines AKI zu<br />
vermeiden, unabhängig davon, ob er<br />
KM erhalten soll oder nicht. Wir müssen<br />
bei jedem Patienten eine Risikoeinschätzung<br />
vornehmen. Bei erhöhtem<br />
Risiko sollten entsprechende Maßnahmen<br />
gesetzt werden.<br />
Ich möchte aber nicht „das Kind mit<br />
dem Bade“ ausschütten und behaupten,<br />
dass dem KM keinerlei Toxizität zukommt.<br />
Sicherlich sollte weiterhin getrachtet<br />
werden, bei der Untersuchung<br />
eine möglichst geringe Menge an KM<br />
zu verwenden. Iso- und niedrig-osmolare<br />
KM unterscheiden sich bezüglich eines<br />
möglichen AKI-Risikos wohl nicht<br />
wesentlich. Und ich möchte auch keineswegs<br />
so weit gehen und, wie inzwischen<br />
manchmal behauptet, KM als<br />
renoprotektiv, zumindest als ein gutes<br />
„osmotisches Diuretikum“ bezeichnen.<br />
Jedenfalls ist es sehr problematisch, Patienten<br />
eine für eine optimierte Therapie<br />
notwendige Untersuchung unter<br />
Einschluss von KM wegen des sehr geringen<br />
KM-assoziierten Risikos zu verweigern<br />
– wie das wohl millionenfach in<br />
den letzten Jahrzehnten geschehen ist.<br />
Interessenkonflikte: Keine<br />
Prof. Dr. Wilfred Druml<br />
Abteilung für Nephrologie<br />
Medizinische Universität Wien<br />
wilfred.druml@meduniwien.ac.at<br />
Nr. 6, 2017 15