Campuls_Wintersemester_17-2_web
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10 | Politik<br />
was aufbereitet und gepusht wird. Privat finanzierte Forschung<br />
hat zwar häufig eine klare Agenda, aber auch genügend Ressourcen,<br />
um ihr viel Aufmerksamkeit zu verschaffen.<br />
Guido Baltes:<br />
Diese Frage, von wo der stärkste Einfluss auf politische<br />
Entscheidungen kommt, ist für mich eine Kernfrage für die<br />
Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, die angesichts der Herausforderungen<br />
nicht nur aus der digitalen Transformation<br />
dringend und notwendig scheint. Hierzu wird in öffentlich finanzierter<br />
Forschung zu Recht wissenschaftliche Exzellenz der<br />
Ergebnisse verlangt. Aber die Übersetzung dieser Ergebnisse in<br />
allgemeinverständliche, für den politisch gesellschaftlichen<br />
Diskurs relevante Beiträge ist nicht Teil der Projektfinanzierung.<br />
Daher verbleibt die Verbreitung dieser Ergebnisse häufig in den<br />
relevanten Fach-Communities und entwickelt wenig Wirkung darüber<br />
hinaus. Mir scheint es da wenig überraschend, dass das<br />
Bemühen, Erkenntnisse öffentlich finanzierter Forschung in den<br />
gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, als eher schmal empfunden<br />
wird, vielleicht ist es das auch.<br />
Umgekehrt ist es dann so, dass interessensgeleitete Forschung,<br />
die von Unternehmen oder aus Lobbygruppen finanziert<br />
wird, eben genau das und vielleicht nur dieses Ziel verfolgt,<br />
nämlich den gesellschaftlich-politischen Diskurs interessensgeleitet<br />
zu beeinflussen. Und wenn man sich nun fragt, wer in<br />
diesem Wettbewerb der Meinungen die besseren Chancen hat,<br />
dann erscheint es mir nicht überraschend, wenn das eher die<br />
zweite Gruppe wäre, was bedauerlich ist. Vielleicht ist es in Zeiten<br />
eher leerer öffentlicher Kassen auch leichter, eine Studie zu<br />
nehmen, die bereits von Dritten finanziert wurde, als nach dem<br />
Budget zu suchen, um eine neutrale Studie zu finanzieren.<br />
<strong>Campuls</strong>:<br />
Wissenschaft in die Politik bringen, ist das eine – Wissenschaft<br />
zu den Bürgern bringen, das andere. Auch in Konstanz<br />
gibt es diverse Veranstaltungen, die es allen Bürgern ermöglichen<br />
sollen, von der Forschung und der Expertise vor Ort zu profitieren.<br />
Was an der Universität das »Studium Generale« ist, ist an der<br />
HTWG das »Forum M«: Beide Formate wollen Studierende,<br />
Lehrende und Bürger dazu einladen, sich mit Themen auseinanderzusetzen,<br />
denen sie sonst nicht begegnen. Eine Universität<br />
sollte für die Bürger einer Stadt schließlich nicht nur mit vollen<br />
Bussen und Kneipen in Verbindung gebracht werden.<br />
Wie werden diese Formate von der wissenschaftlichen<br />
Seite wahrgenommen?<br />
Nils Weidmann:<br />
Was Veranstaltungen angeht, die die Vernetzung von<br />
Wissenschaft und Gesellschaft fördern sollen, würde ich sagen,<br />
dass die Uni einiges tut. Bei der »Langen Nacht der Wissenschaft«<br />
habe ich vor ein paar Jahren mal mitgemacht. Hier kommen<br />
dann wieder diese Kommunikations-Skills rein: Man muss bereit<br />
sein, die Dinge aufzubereiten, und kann sich nicht einfach vorne<br />
hinstellen und einen wissenschaftlichen Vortrag halten, den am<br />
Ende niemand versteht. Es ist gut, als Wissenschaftler immer<br />
mal wieder darauf gestoßen zu werden. Am Ende ist es eine Ressourcenfrage:<br />
Diese Dinge brauchen viel Zeit, man kann nicht<br />
unbegrenzt in diesen Bereich investieren, man muss ja erstmal<br />
Zeit reinstecken, Forschungsergebnisse zu produzieren, bevor<br />
man diese für die Öffentlichkeit aufbereiten kann.<br />
Guido Baltes:<br />
Ich glaube, dass es Teil des Auftrags von Hochschulen ist,<br />
sich um den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in<br />
die Öffentlichkeit zu bemühen. Der Maschinenbau an der HTWG<br />
richtet dazu beispielsweise eine Veranstaltungsreihe aus, das<br />
»Forum M«. Dort können Wissenschaftler und Praktiker miteinander<br />
in den Diskurs gehen. Leider ist der Saal nicht immer<br />
stark gefüllt. Vielleicht wäre es daher hilfreicher, wenn die Universitäten<br />
die Bürger nicht nur einladen, sondern auch zu ihnen<br />
gehen. Ich denke da an Cafés oder Restaurants, Orte, die Menschen<br />
aus ihrem Alltag kennen.<br />
In Konstanz gibt es solche Veranstaltungen beispielsweise<br />
von Wirtschaftsförderung, Standortmarketing und auch anderen,<br />
beispielsweise das Unternehmerfrühstück oder das Kamingespräch.<br />
Allerdings sind hierbei nach meiner Wahrnehmung häufig<br />
Referenten von auswärts eingeladen. Vielleicht besteht hier noch<br />
Potential, auch die Experten vor der eigenen Haustür in die Diskussion<br />
zu bringen. Wir hatten hier beispielsweise diese tolle Reihe<br />
»Ausgesprochen Wissenschaft« in Zusammenarbeit mit dem<br />
Südkurier im Voglhaus. Das hat nach meiner Wahrnehmung wirklich<br />
guten Anklang gefunden und auch zu spannenden Diskussionen<br />
geführt. Das fand ich großartig, davon brauchen wir mehr.<br />
Es gibt in Konstanz also einige Veranstaltungen, die<br />
Wissenschaft und Gesellschaft näher zueinander bringen. Trotzdem<br />
bleibt auch hier die Frage, welche Bildungsschicht mit<br />
diesen Veranstaltungen erreicht wird. Die Wissenschaftler bemühten<br />
sich zwar um allgemeine Verständlichkeit, doch es mag<br />
kaum verwundern, dass solche Projekte überwiegend von Menschen<br />
wahrgenommen werden, die selbst einen akademischen<br />
Abschluss haben.<br />
Dieselbe Frage stellt sich auch bezüglich des Studium<br />
Generale und der Kinder-Uni. Doch wie kann man Menschen erreichen,<br />
die keinen Zugang zum akademischen Bildungswesen<br />
haben? Die »Lange Nacht der Wissenschaft« erfreut sich eines<br />
immer größeren Zuwachses an Besuchern und soll in Zukunft<br />
jährlich stattfinden statt nur alle zwei bis drei Jahre. Hier bieten<br />
Essensangebote, sportliche Mitmach-Stationen sowie künstlerische<br />
Angebote, wie die After-Party auf der Insel Mainau, einen<br />
anderweitigen Zugang zum Thema.<br />
Der wissenschaftliche Alltag aber ist ein harter. Häufig<br />
scheitert die Aufbereitung von Wissenschaft für die Allgemeinheit<br />
einfach an fehlender Zeit und dem nötigen Willen beider<br />
Seiten. Dr. Baltes und Dr. Weidmann sind sich einig, dass man<br />
wissenschaftlichen Diskurs nach Außen und nach Innen nicht<br />
vermischen sollte, damit er für alle Beteiligten fruchtbar bleibt.<br />
Wenn wir Studierenden die Uni später einmal verlassen, wechseln<br />
wir gewissermaßen die Seiten – es sei denn, wir verfolgen eine<br />
akademische Karriere. Wir sind also ein Teil der Zukunft von Wissenschaft<br />
und Gesellschaft, werden mal Experten, Bürger<br />
vielleicht auch Politiker sein. Damit haben wir es in der Hand.<br />
Wir wissen um den Wert dieses Austauschs und sollten uns den<br />
Willen bewahren, ihn voranzutreiben.<br />
Text von<br />
Vivien Götz, Ema Jerkovic<br />
& Lea Luttenberger