12 | Politik Mehr Geld, weniger Internationalität Studierende, die nicht aus der EU kommen, müssen seit diesem Semester für die Uni zahlen. Das bringt einige in finanzielle Noch nie hat Qixuan Yang Schwierigkeiten. Andere verzichten sogar eine so hohe Summe in sein ganz aufs Studium in Baden-Württemberg. Online-Banking getippt, noch nie überhaupt so viel Geld ausgegeben. Und dann auch noch für etwas, das davor umsonst war. Der Chinese, der im ersten Mastersemester Datenanalyse in Konstanz studiert, muss seit diesem Semester Studiengebühren zahlen. 1500 Euro, zwei Mal jährlich. Im Sommer hat die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Qixuan findet das unfair, er sieht darin eine Diskriminierung von ausländischen Studierenden. Der 21-jährige Politikwissenschaftler hat an Demonstrationen dagegen teilgenommen und Texte auf seinem Blog veröffentlicht, die auf das Thema aufmerksam machen sollten. Die Artikel erschienen auf Deutsch, Chinesisch und Englisch. Damit auch die Betroffenen ihre Stimmen erheben, nicht nur Deutsche. Gebracht hat das nichts. »Es ist ja auch ziemlich schlau von der Landesregierung, uns zahlen zu lassen. Wir haben kein Wahlrecht und kein politisches Mitspracherecht« – und eine sehr schwache Lobby. Nur weil es den Studiengang ausschließlich in Konstanz gibt, ist Qixuan geblieben. Sonst wäre er weg, an eine Uni in einem anderen Bundesland. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das Studierende von außerhalb der EU zur Kasse bittet. Das Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen plant eine ähnliche Regelung – und schaut gespannt auf die Auswirkungen des Gesetzes in Baden-Württemberg. Verschiedene Interessengruppen warnten vor einem erheblichen Einbruch an Studienanmeldungen aus dem Ausland. Die angestrebte Internationalisierung der baden-württembergischen Hochschullandschaft sahen sie gefährdet. Und: »Es ist beschämend, dass Baden-Württemberg, dessen Wohlstand auf den guten internationalen Beziehungen beruht, eine Hochschulmaut einführt. Unabhängig davon, wie viele Ausnahmen es im Gesetzentwurf gibt, bleiben Studiengebühren sozial selektiv, ungerecht und ein Angriff auf ein offenes und solidarisches Bildungssystem«, sagt Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Nun liegen die ersten Zahlen der baden-württembergischen Landesregierung vor. Laut der Statistik des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums gingen die Anmeldungen von Bewerbern aus dem Nicht-EU-Ausland um 26 Prozent zurück. An der Uni Konstanz schrieben sich im Vergleich zum vergangenen <strong>Wintersemester</strong> nur etwa zwei Prozent weniger ausländische Studierende ein. Drastischer hat sich die Hochschulmaut hingegen in Freiburg ausgewirkt: Hier haben sich etwa ein Drittel weniger Studierende aus Ländern, die nicht in der EU liegen, eingeschrieben. Ausgenommen von der Hochschulmaut sind sogenannte Bildungsinländer. Gemeint sind damit internationale Studierende, die in Deutschland Abi gemacht haben. Außerdem müssen diejenigen, die bereits in einem Bachelor- oder Masterprogramm sind, nicht zahlen. Und fünf Prozent der begabtesten Studienanfänger aus Entwicklungsländern können von den Gebühren befreit werden. Darauf hofft Qixuan Yang, die Kriterien dafür seien allerdings noch unklar. Gegen die Einführung der Gebühren haben vier Studierende aus Karlsruhe, Freiburg, Hohenheim und Tübingen geklagt. Sie werden dabei von den Allgemeinen Studierendenausschüssen (AStA) der baden-württembergischen Hochschulen unterstützt. Ob die Klage Erfolg haben wird? Darauf hofft Daniel Färber, Vorsitzender der Konstanzer Studierendenschaft: »Der gerichtliche Weg ist der sinnvollste, um das Gesetz zu kippen.« Für ihn sind die Studiengebühren eine »massive Ungleichbehandlung« von Studierenden, die dazu führen, dass sich junge Menschen aus weniger wohlhabenden Ländern ein Studium in Baden-Württemberg nicht leisten können. In Qixuans Studiengang haben zwei Kommilitonen aus Serbien und Russland ihre Anmeldung zurückgezogen – offensichtlich auch wegen der Hochschulmaut. »Studiengebühren schaden der Entwicklungszusammenarbeit!«, steht über einer Erklärung, die 50 Personen, darunter etliche Professoren im Bereich Entwicklungspolitik, unterzeichnet haben. Darin fordern sie die Landesregierung auf, die Studiengebühren zurückzunehmen. Die Befürchtung: Mit »Studiengebühren schaden der Entwicklungszusammenarbeit!« – Schreiben an die Landesregierung den Studiengebühren kommen nur noch wohlhabendere Ausländer nach Baden-Württemberg. Die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer erhofft sich, dass Studierende aus dem Ausland durch die neue Regelung mehr als fünf Millionen Euro in die Kasse spülen, nur in diesem Jahr. Ihr Ministerium rechnet mit 7000 Anfängern pro Jahr, die künftig für ihr Studium zahlen. In der Hochschulpolitik gibt es ein Budget-Loch von mehreren Millionen Euro. Ist Hauhaltssanierung also Aufgabe der Studierenden? Zumindest will Bauer damit größere Kürzungen in der Hochschulpolitik vermeiden. 80 Prozent der zusätzlichen Einnahmen gehen in die Finanztöpfe des Landes, 20 Prozent bleiben bei der Universität. Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann sind die Gebühren »ein moderater Eigenanteil von denjenigen, die zum Zweck des Studiums von außerhalb der EU an unsere Hochschulen kommen«. Ein Eigenanteil, der Menschen wie Qixuan Yang aus China in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Er »Ich will einfach so schnell wie möglich zu Ende studieren, um nicht noch mehr zahlen zu müssen.« – Qixuan Yang, Masterstudtent an der Universität Konstanz hat seine Eltern in China, die selbst nicht sehr viel Geld haben, um Unterstützung gebeten – und arbeitet jetzt mehr als zuvor. Neben seinem sowieso schon zeitintensiven Studium eine echte Belastung. »Ich will einfach so schnell wie möglich zu Ende studieren, um nicht noch mehr zahlen zu müssen.«
13 | Politik Text von Miguel Helm