Landschaft Malerei Katalog 2016
Malereikatalog "Landschaft heute"
Malereikatalog "Landschaft heute"
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Einführende Texte<br />
<strong>Landschaft</strong> heute<br />
Von Renate Oberbeck<br />
Wer vertraut mit dem bisherigen Œuvre der Künstlerin<br />
Christiane Pott-Schlager ist, der wird an zentraler<br />
Stelle ihr breites Spektrum an Stahlplastiken<br />
nennen, die auf den ersten Blick meist als rein<br />
abstrakte Gebilde wirken. Bei genauerem Hinsehen<br />
erkennt man den Objekten jedoch unschwer an,<br />
dass sich Pott-Schlager während ihrer konstruktiven<br />
Phase häufig an die Formen der Natur annähert,<br />
denn so bewusst die Künstlerin den mentalen<br />
Prozess in der Gestaltung auch umsetzt, so sehr<br />
gibt sie doch ihren emotionalen Verwurzelungen<br />
Raum. Die Stahlobjekte werden zu solitären Stellvertretern<br />
für das große Ganze, wie die sich biegenden<br />
Halme, die riesigen Samenkörnern ähnlichen<br />
Urformen oder die Schoten, um nur einige<br />
Beispiele zu nennen.<br />
In vergleichbarer Weise hat sich die Künstlerin<br />
in den letzten Jahren auch immer intensiver mit<br />
der <strong>Landschaft</strong>smalerei auseinandergesetzt. Sie<br />
bedient sich dabei einer Kunstgattung, die auf eine<br />
lange Tradition zurückblicken kann, gibt es doch<br />
bereits Hinweise auf Naturdarstellungen in der<br />
griechischen und römischen Antike. Diese erfüllten<br />
aber entweder den Zweck, die architektonischen<br />
Schranken mittels der illusionistischen Trompe<br />
l’oeil-<strong>Malerei</strong>, die bereits in Pompeji verwendet<br />
wurde, zu überwinden oder <strong>Landschaft</strong>sdarstellungen<br />
wurden quasi als Bühne mythologischer<br />
beziehungsweise historischer Themen verwendet.<br />
des ausgehenden Mittelalters gewann das Interesse<br />
an natürlichen <strong>Landschaft</strong>sdarstellungen an<br />
Bedeutung und führte zu realistischer gestalteten<br />
<strong>Landschaft</strong>sbildern, wobei erst die in der Renaissance<br />
entdeckte Linearperspektive zu täuschend<br />
echt wirkenden <strong>Landschaft</strong>en führten. Trotzdem<br />
dauerte es noch lange, bis die <strong>Landschaft</strong>smalerei<br />
als ebenbürtige Gattung neben der Historienmalerei,<br />
dem Porträt, und der Genremalerei bestehen<br />
durfte. Nur das Stillleben musste sich ebenso lange<br />
am letzten Platz dieser Rangliste behaupten.<br />
Erst ab dem Klassizismus fand diesbezüglich ein<br />
Umdenken statt, doch erst der Impressionismus<br />
und das 20. Jahrhundert führten zur endgültigen<br />
Emanzipation der <strong>Landschaft</strong>smalerei.<br />
Diese Emanzipation der Gattung lässt den Künstlern<br />
letztendlich jegliche Freiheit, an das Thema<br />
heranzugehen, sei es nun mit fotografisch<br />
genauem Blick, einigen von Licht und Atmosphäre<br />
bestimmten farbenfrohen Pinselstrichen, abstrakten<br />
Auflösungen des real Wahrnehmbaren, minutiösen<br />
Zeichenlinien und noch unendlich mehr<br />
Möglichkeiten.<br />
Christiane Pott-Schlager nimmt sich diese Freiheit<br />
und folgt dabei ganz bestimmten Kriterien.<br />
Wie bei ihren Stahlplastiken ist für sie das Konstruktive<br />
in den <strong>Landschaft</strong>sbildern von elementarer<br />
Bedeutung. Diese konstruktive Klarheit mit<br />
oftmals meditativer Qualität, steht im paradoxen<br />
Widerspruch zur Dynamik ihrer künstlerischen<br />
Handschrift, der Lebendigkeit der vibrierenden<br />
ihrer elementaren Spannung, von bewegten Linien,<br />
von Brüchen, Über- und Unterschneidungen,<br />
von Harmonien und Dissonanzen. Im paradoxen<br />
Spannungsfeld dieser differierenden Gestaltungselemente<br />
kreiert Pott-Schlager eine neue <strong>Landschaft</strong>smalerei<br />
als Gegenwelt zu unserer reizüberfluteten<br />
Gegenwart und eröffnet mit Ihrer Sicht<br />
die Möglichkeit zu einem Diskurs über Beständigkeit<br />
und Vergänglichkeit. Die Einladung, sich mit<br />
Tiefgründigem auseinander zu setzen, gelingt der<br />
Künstlerin besonders durch die Darstellung der<br />
puren <strong>Landschaft</strong>, die menschenleer ist und so<br />
umso stärker das Ausgeliefertsein zum inneren<br />
Thema werden lässt.<br />
Als Vorbereitung fast aller Serien dienten und dienen<br />
zahlreiche Skizzen und Zeichnungen, manchmal<br />
auch Aquarellskizzen. In variantenreicher<br />
Gestaltung entstehen phantasiereiche, spielerisch<br />
und experimentierfreudig umgesetzte Bilderfolgen.<br />
Was sich dann dem Auge in so lockerem Duktus<br />
erschließt und oftmals wie zufällig erscheint,<br />
ist jedoch immer aus wohlüberlegtem Kalkül<br />
entstanden.<br />
Beeinflusst von Tachismus und Informell gesteht<br />
Pott-Schlager den Farben Freiräume zu, sie dürfen<br />
sich überdecken, herunterrinnen, ineinander<br />
fließen, können manchmal lasierend die unteren<br />
Schichten wahrnehmbar lassen oder dick<br />
und opak das Untere verdecken. Immer sind ihre<br />
<strong>Malerei</strong>en in zahlreichen Schichten aufgebaut.<br />
Manches wird verwischt, erzeugt Unschärfe, der<br />
eine ungeheuerliche Mikrodynamik, als weiteres<br />
Kennzeichen ihrer charakteristischen Malweise,<br />
die auch im Einklang mit dem Farbkonzept der<br />
Künstlerin steht.<br />
Dies gilt gleichermaßen für die Bilder mit vermeintlicher<br />
Grauskala, die durch den gezielt nuancierten<br />
Einsatz von Farbpigmenten an malerischer Lebendigkeit<br />
und Spannkraft gewinnen, als auch für ihre<br />
farbintensiveren Werke, in denen subtilste, lyrische<br />
Farbabstufungen bis zu furios expressiver Farbkraft<br />
gesteigert werden. Das Spiel mit Kontrasten,<br />
Komplementärfarben und Farbnuancen unterstreicht<br />
oder relativiert, je nach künstlerischem<br />
Konzept, entweder das Konstruktive oder das<br />
Malerische, das Dynamische oder das Meditative.<br />
Wenn die Künstlerin die Strenge der Formen und<br />
Konstruktionssysteme durch subtile Farbschattierungen<br />
aufbricht, verleiht sie dem Lyrischen Raum<br />
und verändert damit auch die Bildaussage.<br />
Ein gutes Beispiel dafür ist das Bild „Götterdämmerung“<br />
von <strong>2016</strong> (Seite 5), wo kraftvolle Farben<br />
bis zu ihrer zartesten Nuancierung horizontale<br />
und vertikale Konstruktionslinien verdecken und<br />
unterlaufen und durch das dominierende Kolorit<br />
dem Bildtitel entsprechenden Sinn verleihen.<br />
Ganz gezielt setzt die Künstlerin auch die unterschiedlichsten<br />
Bildformate ein, um ihre Intentionen<br />
zusätzlich zu verdeutlichen: „Bewegung und<br />
Lebendigkeit in jedem cm².“<br />
Generell weiß Christiane Pott-Schlager Unterschiede<br />
mittels eines raffinierten Wechsels kräftiger<br />
und zartester Linien oder gestisch expressiver<br />
Pinselstriche darzustellen. Gleichzeitig lässt<br />
sie den Betrachter durch ihren Duktus am Malvorgang<br />
emotional teilnehmen. Hell und Dunkel,<br />
Licht und Schatten, werden bei ihr sowohl in der<br />
Zeichnung, als auch in der <strong>Malerei</strong> zu geschickten<br />
Verbündeten. Perspektivische Räumlichkeit wird<br />
durch fluchtende Linien oder Schichtungen generiert,<br />
atmosphärische Räumlichkeit erhält ihren<br />
Charakter durch gezielte Farb- und Lichtführung.<br />
Dieser <strong>Katalog</strong> gibt einen wichtigen und repräsentativen<br />
Einblick in die <strong>Landschaft</strong>smalerei<br />
Christiane Pott–Schlagers. Er dokumentiert ihre<br />
stilistische Anbindung an den lyrischen Informell,<br />
ihre charakteristische Malweise, die sich zwischen<br />
Tachismus, Realismus und Abstraktion bewegt und<br />
auf Vorbilder wie Gerhard Richter *1932, Anselm<br />
Kiefer *1945 („Märkischer Sand“, 1980), Herbert<br />
Brandl *1959 (der sich ebenfalls mit Umweltfragen<br />
und Bergbildern beschäftigt) oder Siegfried<br />
Anzinger *1953 (der seine Bilder in bis zu 20 Malschichten<br />
aufbaut) hinweist, um hier nur einige zu<br />
nennen.<br />
Andererseits lassen sich, wohl in abgeschwächter<br />
Form, Hinweise auf Arbeiten Karl Korabs *1937<br />
(besonders die Wald- und Weinviertler <strong>Landschaft</strong>sbilder)<br />
finden. Gleichzeitig zeigt der <strong>Katalog</strong>,<br />
wie homogen gewachsen das Gesamtwerk Christiane<br />
Pott-Schlagers ist und wie stark konstruktive<br />
Vorgehensweisen sowohl für ihre Stahlplastiken<br />
als auch für ihre <strong>Malerei</strong> relevant sind.<br />
Nicht zuletzt liefert der <strong>Katalog</strong> Erkenntnisse<br />
hinsichtlich der zeitnahen Auseinandersetzung<br />
mit problematischen Themen, mit denen sich die<br />
Künstlerin kritisch und oft auch ironisch befasst.<br />
Im Mittelalter wurde <strong>Landschaft</strong> mittels eines<br />
Fly Over I, <strong>2016</strong><br />
Lithokreide und -tusche auf Papier, 37,5 x 56,5 cm<br />
typologischen Formenschatzes, wie er in sogenannten<br />
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Musterbüchern zu finden war, äußerst <strong>Malerei</strong> und der Kraft der Farben. So unterschied-<br />
sofort durch scharfe Linien und Grate Paroli gebo-<br />
Fly Over II, <strong>2016</strong><br />
sparsam dargestellt und erst allmählich, zu Beginn lich die Motive auch sind, so leben sie dennoch von ten wird. Dieser ständige Strukturwandel erzeugt<br />
Lithokreide und -tusche auf Papier, 37,5 x 56,5 cm<br />
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