Die Montanuniversität im Dritten Reich - eine Spurensuche
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JÜDISCHE STUDIERENDE<br />
JÜDISCHES LEBEN & ANTISEMITISMUS IN LEOBEN<br />
Nur wenige Menschen erinnern sich an die Existenz <strong>eine</strong>r<br />
jüdischen Gemeinde und jüdischer Studierender in Leoben.<br />
Bereits ab 1920 litten Jüdinnen und Juden unter dem zunehmenden<br />
Antisemitismus in der Leobener Bevölkerung und an der<br />
Montanistischen Hochschule. Dem konnten sie nur mit dem Rückhalt<br />
in der Gemeinschaft und in verschiedenen jüdischen Ver<strong>eine</strong>n<br />
begegnen. Im Zuge der Annexion Österreichs durch das Deutsche<br />
<strong>Reich</strong> und der Novemberpogrome 1938 wurde die jüdische Gemeinde<br />
in Leoben systematisch ausgelöscht.<br />
In Leoben bestand bis zu ihrem<br />
gewaltsamen Ende 1938 die größte<br />
jüdische Gemeinde der Steiermark<br />
außerhalb von Graz. Im Zuge der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung in der<br />
Steiermark kam es ab 1870 zu <strong>eine</strong>m<br />
Anstieg der jüdischen Bevölkerung.<br />
Während es 1880 nur 72 Jüd_innen<br />
<strong>im</strong> Bezirk Leoben gab, erreichte<br />
ihre Zahl 1910 <strong>eine</strong>n Höchststand<br />
von 168 Personen. 160 Menschen<br />
lebten in Leoben und stellten<br />
damit 1,4 % der Stadtbevölkerung.<br />
<strong>Die</strong> Gemeinde verfügte ab 1906<br />
über <strong>eine</strong>n eigenen Betraum, auf<br />
dem städtischen Zentralfriedhof<br />
stand ihr <strong>eine</strong> eigene Abteilung<br />
zur Verfügung, wo zwischen 1891<br />
und 1938 insgesamt 57 Verstorbene<br />
bestattet wurden. 1929 wurde dort<br />
auch <strong>eine</strong> eigene Zeremonienhalle<br />
errichtet, die erstmals ein nach<br />
außen hin sichtbares Zeichen für<br />
das jüdische Leben in der Stadt<br />
gab. [16]<br />
JÜDISCHE VEREINE IN LEOBEN<br />
Trotz der geringen Personenanzahl<br />
konnte sich ein reges Vereinsleben<br />
in der Gemeinde entwickeln. So<br />
gab es neben dem traditionellen<br />
Beerdigungsverein (Chewra Kadischa)<br />
<strong>eine</strong>n Frauenverein, zionistische<br />
Ver<strong>eine</strong> sowie den Bund jüdischer<br />
Frontsoldaten. Nach dem Vorbild<br />
der Hakoah Graz entstand auch in<br />
Leoben ein jüdischer Sportverein,<br />
der jedoch nur von 1919-1921 und<br />
von 1926-1927 aktiv war. Ziel der<br />
Hakoah war es, durch Gemeinschaft<br />
und sportlichen Wettkampf <strong>eine</strong><br />
„positive jüdische Identität“ zu<br />
stiften. <strong>Die</strong> Grazer Hakoah sollte<br />
nicht zuletzt durch die Erfolge der<br />
Fußballsektion zum bekanntesten<br />
Aushängeschild jüdischen Lebens<br />
in der Steiermark werden. Während<br />
die zionistischen Ver<strong>eine</strong> für<br />
die Gründung <strong>eine</strong>s jüdischen<br />
Staates waren, der den Menschen<br />
Schutz vor Verfolgung, Sicherheit<br />
und neues Selbstbewusstsein<br />
geben sollte, erinnerte der Bund<br />
jüdischer Frontsoldaten (BJF) an<br />
die Opferbereitschaft der Juden<br />
<strong>im</strong> ersten Weltkrieg und mahnte<br />
in Staat und Gesellschaft die<br />
verfassungsmäßig garantierten<br />
Rechte ein. Gustav Sonnenwald,<br />
Landesführer des BJF, fasste dies<br />
zusammen mit: „Wir taten unsere<br />
Pflicht, gebt unseren Lebenden das<br />
Recht.“ [16]<br />
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