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Sivananda_Das Buch der Gitas_Die Essenz des Advaita Vedanta

Geliebter Sucher, dieses Buch der Gitas ist der himmlische Schlüssel für dich, mit dessen Hilfe du den Eintritt in das Reich des Göttlichen Lebens und der Fülle erhälst. Diese Gitas enthalten lebensspendede Botschaften von erleuteten Sehern. Sie haben die Macht, dein Leben von Grund auf zu verwandeln . . .

Geliebter Sucher, dieses Buch der Gitas ist der himmlische Schlüssel für dich, mit dessen Hilfe du den Eintritt in das Reich des Göttlichen Lebens und der Fülle erhälst. Diese Gitas enthalten lebensspendede Botschaften von erleuteten Sehern. Sie haben die Macht, dein Leben von Grund auf zu verwandeln . . .

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong><br />

D i e E s s e n z d e s A d v a i t a Ve d a n t a<br />

S w a m i S i v a n a n d a


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> <strong>Advaita</strong> <strong>Vedanta</strong><br />

Swami <strong>Sivananda</strong>


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong><br />

D i e E s s e n z d e s A d v a i t a Ve d a n t a<br />

Swami <strong>Sivananda</strong>


Lizenzbestimmung:<br />

<strong>Die</strong>ser Text ist frei und unverkäuflich und kann ohne Absprache<br />

weiterverbreitet, uneingeschränkt zitiert und in an<strong>der</strong>en Schriften<br />

verwendet und bearbeitet werden. Er steht bei SCRIBD zum<br />

kostenlosen Download zur Verfügung:<br />

http://www.scribd.com/clemens-vargas-ramos<br />

<strong>Die</strong> kommerzielle Verwertung dieses Textes ist gestattet. <strong>Die</strong> Ware<br />

soll dann zum Selbstkostenpreis angeboten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gewinn für<br />

wohltätige Zwecke gespendet werden.<br />

<strong>Die</strong>se Lizenzbestimmung hebt alle an<strong>der</strong>en Lizenzbestimmungen<br />

auf. Sie soll bei je<strong>der</strong> Verwendung <strong>des</strong> Textes unverän<strong>der</strong>t<br />

wie<strong>der</strong>gegeben werden.<br />

Clemens Vargas Ramos, im Dezember 2009<br />

vargasramos@gmx.net<br />

Genehmigte Übersetzung von Clemens Vargas Ramos <strong>des</strong><br />

<strong>Buch</strong>es Sarva Gita Sara, ©The Divine Life Trust Society, 3.<br />

Ausgabe 1999. <strong>Die</strong>ses <strong>Buch</strong> enthält Exzerpte<br />

verschiedener <strong>Gitas</strong>, <strong>der</strong> indischen heiligen Gesänge und<br />

Lehrgedichte, zusammengestellt von Seiner Heiligkeit<br />

<strong>Sivananda</strong>ji Maharaji (1887-1963). <strong>Die</strong> begleitenden<br />

Sanskrit-Strophen zum Text wurden weggelassen. <strong>Die</strong><br />

Anmerkungen sind von Clemens Vargas Ramos.<br />

Fertiggestellt in Bremen, Dezember 2009. Zuletzt


earbeitet am 26.12.2009.


Inhaltsverzeichnis<br />

Widmung ----------------------------------------------------------------9<br />

Vorwort <strong>des</strong> Herausgebers ---------------------------------------11<br />

Einführung ------------------------------------------------------------15<br />

<strong>Die</strong> Guru Gita ---------------------------------------------------------19<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Guru Gita -----------------------------------19<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten <strong>Gitas</strong> ----------------------------------------------26<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Ashtavakra Gita --------------------------26<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Avadhuta Gita -----------------------------36<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhagavad Gita ----------------------------49<br />

<strong>Die</strong> kleineren <strong>Gitas</strong> -------------------------------------------------59<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Anu Gita ------------------------------------59<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Brahma Gita ------------------------------65<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Janaka Gita ---------------------------------71<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rama Gita (1) -----------------------------75<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rama Gita (2) -----------------------------80<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Ribhu Gita ----------------------------------93<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Siddha Gita --------------------------------95<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Uttara Gita ---------------------------------97<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Vasishtha Gita ---------------------------102<br />

Verschiedene <strong>Gitas</strong> -----------------------------------------------109<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Baka Gita ---------------------------------109<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhikshu Gita -----------------------------111<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Gopi Gita ----------------------------------113<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Hamsa Gita -------------------------------116<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Jivanmukta Gita -------------------------119<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Kapila Gita --------------------------------121<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Nahusha Gita ----------------------------123<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Narada Gita ------------------------------126<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Pandava Gita ----------------------------128<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rishabha Gita ---------------------------132<br />

<strong>Die</strong> Shaunaka Gita ------------------------------------------134<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Sruti Gita ----------------------------------138<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Venu Gita ---------------------------------141<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Vyadha Gita ------------------------------143


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Yudhishthira Gita -----------------------145<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Moksha Gita ------------------------------148


Widmung<br />

Geliebter Sucher,<br />

OM<br />

dieses <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong> ist <strong>der</strong> himmlische Schlüssel für<br />

dich, mit <strong>des</strong>sen Hilfe du den Eintritt in das Reich <strong>des</strong><br />

Göttlichen Lebens und <strong>der</strong> Fülle erhältst. <strong>Die</strong>se <strong>Gitas</strong><br />

enthalten lebenspendende Botschaften von erleuchteten<br />

Sehern. Sie haben die Macht, dein Leben von Grund auf zu<br />

verwandeln.<br />

Beginne mit dem Erhalt dieses <strong>Buch</strong>es ein neues Leben.<br />

Setze die hier enthaltenen Unterweisungen in deinem<br />

Leben um – LEBE die Botschaften dieser <strong>Gitas</strong>. Lass dich<br />

inspirieren. Hebe dich selbst auf eine höhere Stufe. Werde<br />

erleuchtet. Übe und werde vollkommen.<br />

Mögest du als ein göttliches Wesen leuchten! Mögen<br />

diese <strong>Gitas</strong> dich zur Glorie führen!<br />

<strong>Sivananda</strong>


11


Vorwort <strong>des</strong> Herausgebers<br />

Der <strong>Advaita</strong> <strong>Vedanta</strong> ist die Krone und <strong>der</strong> Ruhm <strong>der</strong><br />

indischen Philosophie. Der indische Genius ist<br />

herausragend hinsichtlich seines toleranten Geistes und<br />

seiner Universalität. „Ekam sat viprah bahudha vadanti“,<br />

erklären die Schriften („<strong>Die</strong> Wahrheit [Gott] ist Eine. Sie<br />

wird von den Weisen mit verschiedenen Namen<br />

bezeichnet.“). Obwohl dieser Genius nachdrücklich<br />

versichert, dass die Wahrheit EINE ist, gibt er bereitwillig<br />

den verschiedenen Ausdrucksformen dieser Einen<br />

Wahrheit Raum. <strong>Die</strong>se Wahrheit ist das Ziel und <strong>der</strong><br />

Endzweck <strong>des</strong> menschlichen Lebens – als solche ist sie<br />

auch für den Geringsten unter den Menschen da. <strong>Die</strong><br />

Weisen haben jedoch erkannt, dass nicht alle Wesen<br />

denselben Grad an Verstehen und Meisterschaft<br />

aufweisen. Aus diesem Grunde enthält das reiche<br />

spirituelle Erbe Indiens all die zahlreichen Farben und<br />

Abstufungen, wie diese aus den unterschiedlichen Werken<br />

<strong>der</strong> Erläuterung und Belehrung entstanden sind. All diese<br />

verschiedenen Darstellungsformen und Erklärungsstile<br />

sind aus <strong>der</strong> Anpassung an die vielen Arten <strong>der</strong><br />

menschlichen Fassungskraft heraus emporgewachsen, um<br />

die Assimilation und das Begreifen <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong><br />

Schriften zu erleichtern. <strong>Das</strong> Unendliche <strong>der</strong> Wahrheit<br />

erlaubt keinerlei Verkürzung o<strong>der</strong> Entstellung durch ein<br />

einziges Erklärungsmodell o<strong>der</strong> eine einzige,<br />

eingeschränkte Ausdrucksweise.<br />

<strong>Die</strong> dunkelsten und am schwersten zu verstehenden<br />

Werke sind die Upanishaden und die Brahma Sutras,<br />

anspruchsvolle Abhandlungen, die die Gipfelpunkte <strong>der</strong><br />

sublimen <strong>Vedanta</strong>-Philosophie berühren. Entsprechend<br />

dem hohen philosophischen Geist, den sie enthalten, sind<br />

sie dem gewöhnlichen Menschen nicht zugänglich. Als<br />

einer <strong>der</strong> wichtigsten Gründe dafür wäre als erstes ihre<br />

Sprache zu nennen, die geheimnisvoll und archaisch ist.<br />

Zweitens sind sie in einem Stil verfasst, <strong>der</strong> stark gestrafft<br />

und aphoristisch ist. Nur wenige Personen vermögen sie<br />

ohne weitere Erläuterung und ausarbeitende Darstellung<br />

zu verstehen. Weiterhin gibt es die strenge, orthodoxreligiöse<br />

Tradition, die es nur den Sannyasins (ordinierten<br />

Mönchen) erlaubt, ein Studium <strong>der</strong> Upanishaden<br />

12


aufzunehmen, während es dem Laien normalerweise<br />

verwehrt ist, zu den Höhen <strong>des</strong> überweltlichen Wissens<br />

aufzusteigen.<br />

Aus diesem Grund entstanden schließlich die Smritis, die<br />

Itihasas, die Puranas 1 und auch einfachere und<br />

grundlegen<strong>der</strong>e Texte wie die zahlreichen <strong>Gitas</strong> (Gesänge<br />

und Lehrgedichte), wie sie in dieser Textsammlung<br />

enthalten sind. <strong>Die</strong> Überlieferung <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong> überwindet die<br />

zuvor beschriebene Hürde auf bewun<strong>der</strong>nswerte Weise<br />

und bringt allen Suchern nach <strong>der</strong> spirituellen Wahrheit<br />

unabhängig von <strong>der</strong> Tradition, zu <strong>der</strong> sie gehören, die<br />

nachhaltige Inspiration und Größe <strong>des</strong> höchsten absoluten<br />

Monismus näher.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Gitas</strong> enthalten die Höhenflüge <strong>des</strong> großartigen<br />

<strong>Advaita</strong>-Vada 2 . Ihre außerordentliche thematische Breite<br />

bietet uns die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Philosophie und Religion, <strong>des</strong><br />

spirituellen Sadhana 3 , <strong>des</strong> Dharma 4 und <strong>der</strong> Psychologie.<br />

Darüber hinaus vollbringen sie dieses Werk in einer leicht<br />

fasslichen Sprache, die auch dem Laien verständlich ist.<br />

Weiterhin sind diese Texte ganz und gar nicht mühselig<br />

und trocken zu lesen, son<strong>der</strong>n im Gegenteil ein Ausdruck<br />

herrlicher, poetischer Schönheit – so sublim und<br />

inspirierend, dass <strong>der</strong> Leser ihren Inhalt unversehens<br />

gleichsam automatisch und ohne Anstrengung in seinem<br />

Herzen beständig wie<strong>der</strong>holt findet.<br />

Sri Swami <strong>Sivananda</strong> war immer bestrebt gewesen, auch<br />

die anspruchsvollste Philosophie so zu vereinfachen und<br />

darzustellen, dass sie je<strong>der</strong> Person und jedem<br />

Temperament zugänglich werden konnte. Seine Leser<br />

kennen ihn als jemanden, <strong>der</strong> erfolgreich die wichtige<br />

Aufgabe in Angriff genommen hat, dem mo<strong>der</strong>nen<br />

Menschen die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> indischen Philosophie und<br />

Spiritualität in gedrängter Form und in einem klaren Stil<br />

nahezubringen. <strong>Die</strong> große Philosophie all <strong>der</strong> voluminösen<br />

Schriften findet sich in dieser Textsammlung hier auf<br />

engstem Raum wie<strong>der</strong>.<br />

1 Smritis, Itihasas, Puranas: die religiösen Geschichten, die Worte<br />

<strong>der</strong> Seher und die spirituellen Epen<br />

2 Doktrin <strong>des</strong> Nondualismus<br />

3 die spirituelle Praxis <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Lehre<br />

4 das Verständnis <strong>der</strong> Lebenspflichten<br />

13


Es ist dieser beson<strong>der</strong>e Wert solcher Werke, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong><br />

großen Mehrheit <strong>der</strong> Leser und spirituellen Sucher<br />

empfiehlt. Im vorliegenden <strong>Buch</strong> haben wir danach<br />

gestrebt, eine Auslese <strong>der</strong> verschiedenen, herrlichen <strong>Gitas</strong>,<br />

wie sie in den heiligen Schriften verzeichnet sind, zu<br />

präsentieren. Ihr Inhalt wird sich als inspirierend,<br />

informativ, erleuchtend und ungemein hilfreich in<br />

praktischer Hinsicht und im Hinblick auf die eigene<br />

spirituelle Führung erweisen. <strong>Die</strong>ses <strong>Buch</strong> ist gleichzeitig<br />

ein wertvolles Textbuch und ein Gefährte auf dem<br />

spirituellen Weg, ein ständiger Begleiter für den Einzelnen<br />

und für alle. Wir zweifeln nicht daran, dass aus diesem<br />

<strong>Buch</strong> Ströme von Frieden und Freude auf alle<br />

hernie<strong>der</strong>regnen werden.<br />

THE DIVINE LIFE SOCIETY<br />

14


15


Einführung<br />

Gita bedeutet Gesang. Gesang und Dichtung sprechen<br />

das menschliche Herz unmittelbar an. Ein und dasselbe<br />

Thema, dieselben Wahrheiten, werden, sobald sie in Verse<br />

gekleidet sind, eingänglicher und eindringlicher als durch<br />

Prosasprache. Verse sind ja so schön zu rezitieren und so<br />

leicht zu erinnern! Poesie inspiriert – daher haben die<br />

Rishis, die Seher, <strong>der</strong> alten indischen Zeit ihre sublimen<br />

Unterweisungen (Upa<strong>des</strong>ha) in majestätische Verse<br />

gefasst. Aus diesen ihren poetischen Kompositionen<br />

bestehen die verschiedenen Schriften wie die Itihasas, die<br />

Puranas, das Yogavasishtha usw. Sie enthalten die meisten<br />

<strong>der</strong> <strong>Gitas</strong>, die in diesem <strong>Buch</strong> in einer Auswahl enthalten<br />

sind. <strong>Die</strong> klassischste und gewaltigste unter ihnen ist die<br />

großartige Srimad Bhagavad-Gita. <strong>Die</strong> <strong>Gitas</strong> werden dich<br />

verstehen lassen, dass sie die Darlegungen <strong>der</strong><br />

bedeutendsten Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Philosophie, dem<br />

Dharma und dem Yoga-Sadhana enthalten, wie sie von den<br />

erleuchteten Sehern und riesenhaften, spirituellen<br />

Persönlichkeiten eines heiligen Lan<strong>des</strong> erteilt worden sind.<br />

Sie verkörpern die Lehren großer Siddhas 1 und Trikala-<br />

Jnanis 2 wie Dattatreya, Vasishtha und Rishbabha-Deva.<br />

Du wirst den erlesenen Sinn und unvergleichlichen Wert<br />

dieser herrlichen <strong>Gitas</strong> und <strong>der</strong> göttlichen, poetischen<br />

Werke schätzen lernen. Sie sind Edelsteine, die in den<br />

ungeheuren Minen <strong>des</strong> schriftlichen Vermächtnisses <strong>der</strong><br />

Hindus gesammelt wurden. Weil sie die Emanationen<br />

selbstverwirklichter, großer Seher sind, werden sie dich<br />

mit unfehlbarer Sicherheit ansprechen, inspirieren und<br />

erbauen. Sie enthalten Instruktionen und Antworten auf<br />

die eifrigen Fragen ernsthafter und hingegebener Sucher,<br />

die von Jivanmuktas 3 und Aparoksha-Jnanis 4 gegeben<br />

wurden. Den Aspiranten aller Stufen haben sie daher<br />

wertvollen Rat und praktische Anleitung zu bieten.<br />

Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis wird dir die<br />

Anordnung <strong>der</strong> Texte klar machen, die hier vorgestellt<br />

1 Personen mit großen spirituellen Kräften<br />

2 eine erleuchtete Person, die Vergangenheit, Gegenwart und<br />

Zukunft kennt<br />

3 spirituell befreite Personen<br />

4 Weise, die das göttliche Selbst verwirklicht haben<br />

16


werden. Gleich das erste Kapitel enthält die Guru Gita. Sie<br />

ist <strong>der</strong> spirituelle Lehrer, <strong>der</strong> dem geliebten Schüler die Tür<br />

aufschließt, die ihm den Eintritt in das prachtvolle Haus<br />

<strong>der</strong> Wahrheit und <strong>des</strong> transzendentalen Lebens gewährt.<br />

<strong>Das</strong> zweite Kapitel enthält zuerst zwei großartige Werke<br />

zur Darlegung <strong>der</strong> Philosophie <strong>des</strong> höchsten <strong>Advaita</strong> und<br />

dann die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhagavad-Gita, welche die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong><br />

Sadhanas beschreibt, mit <strong>der</strong>en Hilfe diese Wahrheiten<br />

verwirklicht werden. Im Kapitel 3 behandeln dann fast alle<br />

<strong>der</strong> kleineren <strong>Gitas</strong> knapp und eindrucksvoll den <strong>Advaita</strong><br />

<strong>Vedanta</strong> und das Para-Vairagya 1 . <strong>Das</strong> letzte Kapitel bildet<br />

mit den besten und wertvollsten Upa<strong>des</strong>has 2 über die<br />

wichtigsten, sich aus dem spirituellen Leben ergebenden<br />

Fragestellungen einen sinnvollen Abschluss <strong>des</strong> Ganzen.<br />

<strong>Die</strong> verschiedenen <strong>Gitas</strong> dieses Kapitels verschaffen dir<br />

eine erleuchtende Führung zu den Themen <strong>des</strong> Sadachara,<br />

Dharma, Upasana, Guru-Bhakti, Vichara, Vairagya 3 und zu<br />

an<strong>der</strong>en, ähnlichen Themen. <strong>Das</strong> ernsthafte Studium<br />

dieses <strong>Buch</strong>es wird dir daher eine enorme Hilfe beim<br />

Erlangen <strong>des</strong> höchsten Zieles in diesem Leben sein.<br />

<strong>Die</strong>se Sammlung <strong>der</strong> <strong>Gitas</strong> ist eine ausgewählte<br />

Zusammenstellung <strong>der</strong> wichtigsten Lehren, die <strong>der</strong><br />

intuitiven Schau <strong>der</strong> Rishis 4 entsprungen sind. <strong>Das</strong> Lesen<br />

auch nur eines kleinen Teils dieses <strong>Buch</strong>es wird dich<br />

erbauen und dazu anspornen, hohe spirituelle Ziele zu<br />

erreichen. <strong>Das</strong> tägliche gewissenhafte Lesen dieser<br />

Sammlung wird deinen Blickwinkel radikal verän<strong>der</strong>n und<br />

dir eine völlig neue Vision von spirituellem Heldentum und<br />

Tapferkeit vermitteln. Es wird in dir kraftvolle, neue<br />

spirituelle Samskaras 5 pflanzen. Gewiss wirst du dadurch<br />

zu einem neuen Menschen, einer neuen spirituellen<br />

Persönlichkeit werden, denn darin besteht die<br />

umwandelnde Macht dieser <strong>Gitas</strong>.<br />

1 höchste (para) Praxis <strong>der</strong> Entsagung; Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Selbst-Erkenntnis, die in völliger Loslösung von <strong>der</strong> Welt<br />

besteht<br />

2 dpirituelle Unterweisungen<br />

3 Sadachara, Dharma, Upasana, Guru-Bhakti, Vichara, Vairagya:<br />

Ethisch einwandfreies Verhalten, Umgang mit Lebenspflichten,<br />

spirituelle Annäherungsweisen an das Göttliche, Verehrung <strong>des</strong><br />

Gurus, Selbsterforschung und Entsagung<br />

4 die Seher <strong>des</strong> indischen Altertums<br />

5 „Samen“, nachhaltig wirkende Gedankenformen<br />

17


<strong>Die</strong>se <strong>Gitas</strong> sind für das tägliche Studium gedacht. Du<br />

solltest sie daher zu einem Bestandteil deines üblichen<br />

Swadhyaya 1 machen. Behalte ständig dieses <strong>Buch</strong> bei dir.<br />

<strong>Die</strong> großartigen Ideen, die in ihm enthalten sind, werden<br />

dir den richtigen und wahren Sinn für die Werte <strong>des</strong><br />

Lebens geben, und dann wirst du nicht wie<strong>der</strong> so leicht<br />

von den flüchtigen Ereignissen dieses vergänglichen<br />

Lebens erschüttert werden. <strong>Die</strong> Früchte eines sorgfältigen<br />

Studiums und Verstehens dieses <strong>Buch</strong>es <strong>der</strong> Gesänge<br />

werden vollkommene Heiterkeit, Friede und spirituelle<br />

Kraft sein.<br />

Mögest du noch in diesem Leben den höchsten Zustand<br />

<strong>des</strong> Jivanmukti 2 erreichen! Möge das Studium dieser <strong>Gitas</strong><br />

dich inspirieren und auf die höchsten Gipfel <strong>der</strong><br />

advaitischen Verwirklichung tragen! Mögest du die<br />

erhabene und herrliche Erfahrung <strong>des</strong> Atmischen, <strong>des</strong><br />

Kosmischen Bewusstseins, erlangen! Mögen die Gnade<br />

und <strong>der</strong> Segen <strong>der</strong> alten Rishis dir unsterbliches Leben und<br />

ewige Seligkeit verleihen!<br />

24. Mai 1956<br />

1 das tägliche Studium von religiösen Schriften und Büchern, die<br />

von verwirklichten Weisen geschrieben worden sind<br />

2 Jivanmukti: <strong>der</strong> noch im Leben spirituell Befreite; Videhamukti:<br />

<strong>der</strong> nach dem Tode spirituell Befreite<br />

18


S. H. Swami <strong>Sivananda</strong>ji Maharaj<br />

19


<strong>Die</strong> Guru Gita 1<br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Guru Gita<br />

<strong>Die</strong> Guru Gita enthält ein Gespräch zwischen Siva und<br />

Parvati. Sie hebt die Notwendigkeit und überragende<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Suche nach einem spirituellen Lehrer<br />

(Guru) hervor und lobt <strong>des</strong>sen Größe. <strong>Die</strong>se Gita ist ein<br />

Loblied für den Guru, den Geber <strong>der</strong> spirituellen Weisheit.<br />

Der Guru wird mit dem Höchsten Absoluten, dem<br />

Brahman, gleichgesetzt, und das Brahman wird dabei<br />

Selbst als <strong>der</strong> Guru angesehen.<br />

Ohne die Hilfe <strong>des</strong> Guru kann das Sadhana bzw. die<br />

Verwirklichung <strong>des</strong> Selbst nicht erfolgreich sein. Der Guru<br />

ist <strong>der</strong> Stellvertreter Gottes auf Erden. Er ist <strong>der</strong> Vermittler<br />

zwischen dem Aspiranten und Brahman. Der zerstört die<br />

Unwissenheit <strong>des</strong> Sadhaka 2 und öffnet sein Auge <strong>der</strong><br />

Weisheit. Der Guru wird daher aus Gott verehrt – zwischen<br />

dem Guru und Gott sollte kein Unterschied gemacht<br />

werden. Wer erlesene und allerhöchste Hingabe an den<br />

Guru besitzt, <strong>der</strong> wohl erwählt worden ist, wird den Ozean<br />

<strong>des</strong> Samsara 3 überqueren und den höchsten Zustand <strong>des</strong><br />

Unsterblichen Brahman erlangen. Darin besteht die <strong>Essenz</strong><br />

<strong>der</strong> Guru Gita.<br />

1. <strong>Das</strong> verheißungsvolle Friedensgebet soll von Anfang<br />

an geübt werden, weil es so Sitte bei allen rechtschaffenen<br />

Menschen ist und die gewünschte Frucht erbringt. Der<br />

Verheißungsvolle Höchste ist Bhagavan Vishnu. Der Lord,<br />

<strong>der</strong> auf Garuda sitzt, ist <strong>der</strong> Verheißungsvolle. Der<br />

1 <strong>Die</strong> Guru Gita ist eine Schrift bestehend aus 216 Strophen, die<br />

dem Weisen Vyasa zugeschrieben wird. Sie ist Bestandteil <strong>des</strong><br />

viel größeren Skanda Purana, einer spirituellen Erzählung über<br />

Leben und Taten <strong>des</strong> Kartikeya (auch Skanda o<strong>der</strong> Murugan<br />

genannt), eines Sohnes von Shiva und Parvati.<br />

2 spirituell Streben<strong>der</strong><br />

3 Welt <strong>der</strong> Gegensätze, menschliche Welt, Welt aus Krieg und<br />

Kampf<br />

20


lotosäugige Lord ist <strong>der</strong> Verheißungsvolle. Der Lord Hari ist<br />

die Heimstatt <strong>des</strong> Verheißungsvollen.<br />

2. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor dem Unendlichen Vishnu,<br />

<strong>der</strong> die Fülle ist und auf immer gepriesen wird; <strong>der</strong> die<br />

Ursache <strong>des</strong> Samens <strong>des</strong> gesamten Universums ist; <strong>der</strong><br />

die höchste Manifestation von Sein-Bewusstsein-Seligkeit<br />

ist.<br />

3. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor dem Guru, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Zeuge<br />

<strong>des</strong> Intellekts ist; <strong>der</strong> durch den <strong>Vedanta</strong> gekannt wird; <strong>der</strong><br />

die Quelle <strong>der</strong> Absoluten Bewusstseins-Seligkeit ist; <strong>der</strong> die<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Wahrheit und <strong>der</strong> Seligkeit ist.<br />

4. Der Guru ist Brahma. Der Guru ist Vishnu. Der Guru<br />

ist Siva. Der Guru ist das Höchste Brahman Selbst. Wir<br />

werfen uns vor diesem Guru nie<strong>der</strong>.<br />

5. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, <strong>der</strong> durch die<br />

Augensalbe <strong>der</strong> Erkenntnis das Auge <strong>des</strong>jenigen geöffnet<br />

hat, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Finsternis <strong>der</strong> Unwissenheit geblendet<br />

war.<br />

6. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, <strong>der</strong> die<br />

Wahrheit <strong>des</strong> Wortes „DU“ aufgezeigt hat; <strong>der</strong> das<br />

gesamte Universum <strong>der</strong> beweglichen und unbeweglichen<br />

Schöpfung mit all ihren bewegten und unbewegten<br />

Kreaturen durchdringt.<br />

7. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, <strong>der</strong> die<br />

Wahrheit <strong>des</strong> Wortes „DAS“ aufgezeigt hat; <strong>der</strong> die<br />

bewegliche Schöpfung in <strong>der</strong> Gestalt <strong>des</strong> Ungeteilten<br />

Unendlichen durchdringt.<br />

8. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, <strong>der</strong> die<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Wortes „BIST“ (in: „<strong>Das</strong> bist Du“)<br />

aufgezeigt hat; <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gestalt dieser Masse <strong>des</strong><br />

Bewusstseins das Ganze <strong>der</strong> drei Welten mit all ihren<br />

beweglichen und unbeweglichen Kreaturen durchdringt.<br />

9. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, <strong>der</strong> jenseits<br />

von Nada, Bindu und Kala 1 ist; <strong>der</strong> Reines Bewusstsein, <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Ewigliche, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Friedvolle, <strong>der</strong> jenseits <strong>des</strong> Raumes<br />

und <strong>der</strong> <strong>der</strong> Unbefleckte ist.<br />

10. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, aufgrund<br />

<strong>des</strong>sen Existenz die Welt existiert; aufgrund <strong>des</strong>sen<br />

1 Nada, Bindu, Kala: Klang, Ausgangspunkt <strong>der</strong> Vielfalt, Zeit<br />

21


Überfülle die Welt erhellt wird; aufgrund <strong>des</strong>sen Seligkeit<br />

alle glückselig sind.<br />

11. Da ist keine Wirklichkeit außerhalb dieses Gurus. Da<br />

ist keine Buße außerhalb dieses Gurus. Da ist keine<br />

Erkenntnis außerhalb dieses Gurus. Wir werfen uns daher<br />

nie<strong>der</strong> vor diesem Guru.<br />

12. <strong>Die</strong> Gestalt <strong>des</strong> Gurus ist die Wurzel aller Meditation.<br />

<strong>Die</strong> Füße <strong>des</strong> Gurus sind die Wurzel aller Verehrung. <strong>Die</strong><br />

Unterweisung <strong>des</strong> Gurus ist die Wurzel aller Mantras. <strong>Die</strong><br />

Gnade <strong>des</strong> Gurus ist die Wurzel aller Erlösung.<br />

13. <strong>Das</strong> Wasser, mit dem die Füße <strong>des</strong> Gurus gewaschen<br />

werden, ist <strong>der</strong> geheiligte Trank. <strong>Die</strong> Überreste vom Tisch<br />

<strong>des</strong> Gurus sind die rechte Nahrung. <strong>Die</strong> rechte Meditation<br />

ist diejenige über die Füße <strong>des</strong> Gurus. Beständiges Japa 1<br />

ist das <strong>des</strong> Namens <strong>des</strong> Gurus.<br />

14. Zum Zweck <strong>des</strong> Erlangens <strong>der</strong> Erkenntnis und<br />

Leidenschaftslosigkeit sollte man das Wasser, mit dem die<br />

Füße <strong>des</strong> Gurus gewaschen wurden, trinken. Dadurch<br />

werden die Wurzel <strong>der</strong> Unwissenheit durchtrennt und<br />

Geburt und Bindung <strong>des</strong> Karma 2 überwunden.<br />

15. Kashi 3 ist die Heimat. Ganga 4 ist das Wasser, mit<br />

dem die Füße <strong>des</strong> Gurus gewaschen werden. Siva ist<br />

Selbst <strong>der</strong> Guru. <strong>Das</strong> Taraka Mantra 5 ist unzweifelhaft das<br />

Höchste Brahman.<br />

16. Der Aspirant (Schüler) sollte den Guru erfreuen,<br />

indem er ihm Platz, Unterkunft, Kleidung, Fahrzeug o<strong>der</strong><br />

Schmuck usw. anbietet.<br />

17. Dem wahren Guru sollte man den eigenen Körper,<br />

die Sinne, das eigene Leben, den Reichtum, die Freunde,<br />

die Verwandten, das eigene Selbst, die Ehefrau und alles<br />

an<strong>der</strong>e anbieten.<br />

18. Nur <strong>der</strong> Guru ist die ganze Welt einschließlich von<br />

Brahma, Vishnu und Siva. Etwas Größeres als <strong>der</strong> Guru<br />

existiert nicht. Daher ist nur <strong>der</strong> Guru zu verehren.<br />

1 Singen eines heiligen Namens<br />

2 Lebensschicksal<br />

3 die heilige Stadt Varanasi (Benares) in Indien<br />

4 <strong>der</strong> heilige Fluss Ganges<br />

5 Wurzel ist das Wort tara: das, was etwas überqueren hilft. <strong>Das</strong><br />

Mantra hilft beim Überqueren <strong>des</strong> Ozeans <strong>des</strong> Samsara, <strong>der</strong><br />

Weltlichkeit.<br />

22


19. Ohne ein Empfinden von Scham sollte man mit dem<br />

ganzen Körper vor dem Guru nie<strong>der</strong>fallen und den Guru<br />

mit <strong>der</strong> Handlung, dem Verstand, <strong>der</strong> Seele und <strong>der</strong> Rede<br />

allezeit verehren.<br />

20. <strong>Die</strong> Bä<strong>der</strong>, die einer in den Pilgerreisen zu den<br />

sieben Ozeanen unternimmt, ergeben nur ein Tausendstel<br />

<strong>der</strong>jenigen Wirkung, wie sie durch das Trinken nur eines<br />

Tropfens <strong>des</strong> Fußwäschewassers <strong>des</strong> Gurus entsteht.<br />

21. Wenn Gott erzürnt ist, ist es <strong>der</strong> Guru, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Retter<br />

ist. Wenn <strong>der</strong> Guru erzürnt ist, gibt es keinen Retter. Nach<br />

dem Erlangen <strong>des</strong> Hauslehrers (<strong>des</strong> geeigneten Gurus für<br />

die Familie) sollte man daher auf rechte Weise Schutz bei<br />

ihm suchen.<br />

22. Täglich sollte man sich hingebungsvoll in <strong>der</strong><br />

Richtung nie<strong>der</strong>werfen, in <strong>der</strong> die Lotosfüße <strong>des</strong> Lords von<br />

Lakshmis leuchten.<br />

23. Ich werfe mich nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, dem Sein –<br />

frei von den drei Gunas 1 , jenseits <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, Zeuge<br />

aller mentalen Funktionen, wandellos und rein, Einer und<br />

ewiglich, überschreitend die Gegensatzpaare, hingedehnt<br />

wie <strong>der</strong> Himmel, erlangbar durch Sätze wie „<strong>Das</strong> bist Du“,<br />

die Seligkeit <strong>des</strong> Brahman, <strong>der</strong> Schenker <strong>des</strong> Höchsten<br />

Glücks, die Masse <strong>der</strong> absoluten Weisheit.<br />

24. Ich werfe mich wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> nie<strong>der</strong> vor dem<br />

gesegneten Guru, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Arzt für die Krankheit <strong>des</strong><br />

Samsara ist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> bewun<strong>der</strong>nswerte Gott <strong>der</strong> Yogis ist,<br />

<strong>der</strong> selig ist, <strong>der</strong> die Quelle <strong>des</strong> Glücks ist, <strong>der</strong> immer<br />

zufrieden ist, <strong>der</strong> die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis ist, <strong>der</strong> mit<br />

dem Wahren Sein identisch ist.<br />

25. Man sollte stets über die Göttliche Gestalt <strong>des</strong> Gurus<br />

meditieren, wie diese im Innern <strong>der</strong> Lotos-Herzenshöhle<br />

wohnt; wie diese auf dem großen Thron nie<strong>der</strong>gelassen ist;<br />

wie diese wie <strong>der</strong> Glanz <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong> scheint; wie diese<br />

bereit ist, den Herzenswunsch zur Erlangung <strong>der</strong> Sein-<br />

Bewusstseins-Seligkeit zu gewähren.<br />

26. Ich werfe mich nie<strong>der</strong> vor diesem Guru, dem<br />

Brahman, <strong>der</strong> Bewusstseins-Seligkeit, <strong>der</strong> ewigen<br />

Erkenntnis, dem Fleckenlosen, dem Formlosen, dem<br />

1 Trägheit, Harmonie, Erregung; d.h. hier: frei von den<br />

Leidenschaften und Temperamenten<br />

23


Spiegellosen (jenseits <strong>der</strong> Erscheinungen Befindlichen),<br />

dem Reinen dem Ewigen.<br />

27. Wer den Guru duzt, wer vor dem Guru „Hm“ sagt,<br />

wer in <strong>der</strong> Gegenwart <strong>des</strong> Gurus unanständige Reden<br />

führt, wird ein Brahma-Raksha (ein schrecklicher Dämon)<br />

in einem wasserlosen Landstrich.<br />

28. Man sollte das Höchste Brahman, das Ewige, das<br />

Formlose, das Eigenschaftslose, kennen, indem man sein<br />

eigenes Sein als Brahman Selbst erachtet – wie ein Licht<br />

gegenüber einem an<strong>der</strong>en Licht.<br />

29. Ich verehre das Satchidananda 1 , welches sich<br />

jenseits <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> befindet, <strong>der</strong> Meister <strong>des</strong><br />

Universums, ewiglich, erfüllt, formlos, eigenschaftslos und<br />

als das Selbst aller allen innewohnend.<br />

30. Der Guru ist Siva. Der Guru ist Gott. Der Guru ist <strong>der</strong><br />

Verwandte (Freund) <strong>der</strong> menschlichen Wesen. Der Guru ist<br />

<strong>der</strong> Atman. Der Guru ist <strong>der</strong> Jiva 2 . Etwas an<strong>der</strong>es neben<br />

dem Guru gibt es nicht.<br />

31. Der Guru, <strong>der</strong> keinerlei Erkenntnis besitzt und ein<br />

Lügner und Heuchler ist, sollte verworfen werden. Er weiß<br />

den Frieden nicht einmal für sich selbst herbeizuführen.<br />

Wie könnte er dann an<strong>der</strong>en Frieden geben?<br />

32. <strong>Die</strong>jenigen sind keine Gurus, die ungläubig, <strong>der</strong><br />

Sünde hingegeben und Atheisten sind, die<br />

unterscheidende Gefühle haben, die Gefallen an Frauen<br />

finden, die ein schlechtes Benehmen haben und<br />

undankbar und von schurkischer Gesinnung sind.<br />

33. Ich nehme Zuflucht zu Gott, dem Guru, <strong>der</strong> durch<br />

Beiseitefegen <strong>der</strong> Phänomenwelt, durch Auslöschen aller<br />

Zweifel und durch Heilung <strong>des</strong> Bewusstseins das innerste<br />

Geheimnis enthüllt.<br />

34. Es gibt zahlreiche Gurus, die das Leben aus ihren<br />

Schülern heraussaugen, aber selten ist <strong>der</strong>jenige Guru, <strong>der</strong><br />

die Schmerzen in den Herzen seiner Anhänger austilgt.<br />

35. Wahrlich erstrahlt <strong>des</strong>sen Guruschaft, <strong>der</strong> äußerst<br />

befähigt ist, <strong>der</strong> unterscheidende Intelligenz besitzt, erfüllt<br />

von spiritueller Weisheit, rein und klug ist.<br />

1 Sein-Bewusstsein-Seligkeit, die Charakterisierung <strong>der</strong><br />

Absoluten Wirklichkeit im Formaspekt<br />

2 individuelle Seele<br />

24


36. Gurus sind rein, friedvoll, gutartig, schweigsam, frei<br />

von Leidenschaften und Ärger, rechten Betragens und<br />

selbstbeherrscht.<br />

37. Wer nicht für den Guru sorgt, <strong>der</strong> ihm die<br />

Einweihung in den einsilbigen Laut OM gegeben hat, geht<br />

hun<strong>der</strong>tfach in die Gebärmutter eines Hun<strong>des</strong> ein und wird<br />

unter Ausgestoßenen wie<strong>der</strong>geboren.<br />

38. Der Tod erwartet unvermeidlich denjenigen, <strong>der</strong> den<br />

Guru verwirft. Armut erwartet denjenigen, <strong>der</strong> das Guru-<br />

Mantra verwirft. Derjenige wan<strong>der</strong>t in die Raurava 1 -Hölle,<br />

<strong>der</strong> das vom Guru erhaltene Mantra verwirft.<br />

39. <strong>Die</strong> sieben mal Zehnmillionen großen Mantras<br />

dienen allesamt nur den Verblüffung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>. Es<br />

gibt nur ein großes Mantra, nämlich das zweisilbige Wort<br />

„Gu-ru“.<br />

40. „Gu“ bedeutet Finsternis, „ru“ bedeutet <strong>der</strong>en<br />

Austilgung. Weil er die Finsternis austilgt, wird er „Guru“<br />

genannt.<br />

41. Man sollte voller Hingabe mit Geschenken zu einem<br />

Guru, <strong>der</strong> Brahman-Kenner ist, gehen – in dem Wunsch,<br />

die Kenntnis <strong>der</strong> Veden zu erlangen, und mit dem<br />

Vertrauen in die Erklärungen, die die Endgültige Befreiung<br />

verkünden.<br />

42. Als erstes trete man dem Guru gegenüber und höre<br />

ihn an. Danach geschehe das Nachdenken darüber (über<br />

das gehörte Wort). Schließlich wird die tiefgründige<br />

Meditation zur Ursache <strong>der</strong> vollen Erkenntnis.<br />

43. So wie ein blind geborener Mann keine Kenntnis <strong>des</strong><br />

Sichtbaren besitzt, so kann einer außer durch die<br />

Einweihung eines Guru nicht die Kenntnis <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

erlangen.<br />

44. Sobald die Gnade <strong>des</strong> Guru herabkommt, taucht<br />

auch <strong>der</strong> Glaube im Anhören <strong>der</strong> Geschichten von Gott, in<br />

<strong>der</strong> Meditation usw., auf. Der Schüler sollte ruhig,<br />

selbstbeherrscht, äußerst leidenschaftslos, voller großem<br />

Vertrauen, hingegeben an den Guru und verankert in <strong>der</strong><br />

geistigen Nüchternheit sein.<br />

45. Der Schüler sollte, den Brahmanishtha 2 -Guru<br />

umrundend, sich vor ihm nie<strong>der</strong>werfend, ihn mit gefalteten<br />

1 die Hölle o<strong>der</strong> eine schwarze Hirschhaut<br />

2 <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kenntnis <strong>des</strong> Brahman verankert ist<br />

25


Händen grüßend mit ausnehmen<strong>der</strong> Bescheidenheit<br />

fragen: „Oh Lord, oh Guru – bitte unterweise mich im<br />

Geheimnis <strong>der</strong> höchsten Wahrheit in all seiner Fülle!“<br />

46 - 47. Derjenige soll die Frucht Jnana 1 reifen lassen,<br />

<strong>der</strong> mit erlesener Hingabe den Guru verehrt. Der Guru ist<br />

<strong>der</strong> Parameshvara 2 , <strong>der</strong> Gewährer <strong>der</strong> göttlichen<br />

Erkenntnis, gänzlich unbekannt denjenigen mit stumpfem<br />

Verstand, auf zutreffende Weise erkennbar durch die Worte<br />

<strong>des</strong> Guru; <strong>der</strong> in den Herzen aller wohnt und friedvoll,<br />

allesdurchdringend und allmächtig ist.<br />

48. Wer erlesene Hingabe zu Gott hat, und zum Guru so<br />

sehr wie zu Gott – dieser gesegneten Seele enthüllen sich<br />

diese Wahrheiten von selbst.<br />

49. <strong>Die</strong> Menschen überqueren den Ozean von Samsara,<br />

indem sie im festen Boot <strong>der</strong> Worte <strong>des</strong> Gurus fahren, vom<br />

günstigen Wind <strong>der</strong> kraftvollen Praxis und <strong>der</strong> Samskaras<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit 3 angetrieben werden und dem<br />

Steuermann Guru das Ru<strong>der</strong> überlassen.<br />

50. Schwierig ist die Entsagung <strong>der</strong> Sinnesobjekte,<br />

schwierig die Vision <strong>der</strong> Wahrheit, und schwierig die<br />

Erlangung <strong>der</strong> Selbst-Verwirklichung ohne die Gnade <strong>des</strong><br />

Guru.<br />

51. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor dem Guru – Siva -, <strong>der</strong><br />

<strong>Essenz</strong> von Satchidanana, frei von <strong>der</strong> Welt, friedvoll,<br />

stützenlos und selbststrahlend.<br />

52. Du bist Vishnu. Du bist Brahma. Du bist <strong>der</strong> Gott<br />

Mahesvara 4 . Du allein bist die Gestalt Saktis 5 . Du bist das<br />

eigenschaftslose Ewige.<br />

53. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor Dir, dem Wesen <strong>des</strong><br />

Friedens, dem großen, verborgenenen Allerheiligsten, dem<br />

Undenkbaren, dem Unmessbaren, dem Anfangslosen und<br />

Endlosen.<br />

54. Wir werfen uns vor Dir nie<strong>der</strong>, dem Sein, <strong>der</strong><br />

Ursache <strong>des</strong> Universums. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor dem<br />

Einen Bewusstsein, dem Träger aller Welten. Wir werfen<br />

uns nie<strong>der</strong> vor dem Wahrheit <strong>der</strong> Nondualität, dem Bringer<br />

1 Gottes-Erkenntnis<br />

2 <strong>der</strong> höchste Gott (in <strong>der</strong> Bhagavadgita ist dies Krishna)<br />

3 d. h. hier: ihr Verlangen nach Befreiung<br />

4 wörtlich: <strong>der</strong> Vorzügliche, <strong>der</strong> Höchste Herr.<br />

5 die Macht, die das Universum entstehen lässt und bewegt<br />

26


<strong>der</strong> Erlösung. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor dem Brahman –<br />

dem Allesdurchdringenden, dem Ewigen.<br />

55. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor Dakshinamurti 1 , <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

dreifachen Gestalt von Gott, Guru und dem Selbst<br />

erscheint; <strong>der</strong> mit seiner Gestalt wie <strong>der</strong> Himmel<br />

allgegenwärtig ist.<br />

56. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor Dakshinamurti, dem<br />

Ursprung aller Arten <strong>des</strong> Wissens, dem Arzt, <strong>der</strong> die<br />

Krankheiten <strong>des</strong> Samsara heilt, dem Guru aller Welten.<br />

57. <strong>Die</strong>s (die Guru Gita) ist <strong>der</strong> Zerstörer sämtlicher<br />

Sünden, <strong>der</strong> Bringer <strong>des</strong> Dharma, Artha, Kama und<br />

Moksha 2 . Welches Objekt einer auch immer begehrt,<br />

dieses erlangt er hierdurch. <strong>Das</strong> ist die Wahrheit.<br />

58. Wer auch immer rein im Herzen und voller<br />

Erkenntnis ist, und diese Guru Gita unaufhörlich rezitiert –<br />

o<strong>der</strong> auch nur erblickt o<strong>der</strong> berührt –, wird von <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>geburt befreit.<br />

* * *<br />

1 wörtlich: das südwärts gerichtete Gesicht. Ein Name für Gott<br />

Siva.<br />

2 Dharma, Artha, Kama, Moksha: rechtes Leben, Wohlstand,<br />

weltliche Freuden, Erlösung<br />

27


<strong>Die</strong> wichtigsten <strong>Gitas</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Ashtavakra Gita<br />

<strong>Die</strong> Ashtavakra Gita ist eine Unterhaltung zwischen dem<br />

Weisen Ashtavakra und König Janaka. <strong>Die</strong>se Gita ist ein<br />

recht gründlich vorgehen<strong>der</strong> advaitischer Text. Er ähnelt in<br />

vielerlei Hinsicht <strong>der</strong> Avadhuta Gita. Es handelt sich bei<br />

diesem Text nicht um eine intellektuelle, son<strong>der</strong>n intuitiv<br />

inspirierte Abhandlung.<br />

<strong>Das</strong> Ziel <strong>des</strong> Lebens besteht in <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Wahrheit bzw. <strong>des</strong> Brahman. Nur <strong>der</strong> Jivanmukta allein ist<br />

die wahrhaft gesegnete Person. Bindung entsteht aus<br />

Unwissenheit – durch die Austilgung dieser Unwissenheit<br />

entsteht die Befreiung aus <strong>der</strong> irdischen Knechtschaft. <strong>Die</strong><br />

absolute Freiheit ist die eigentliche <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Selbst. Es<br />

ist das Auftauchen einer zweiten Wesenheit neben dem<br />

Selbst, die zur Ursache allen Kummers und aller Sorgen<br />

wird. <strong>Die</strong> völlige Loslösung von allen Anhaftungen ist das<br />

einzige Allheilmittel gegen diesen Samsara. <strong>Das</strong> Ziel aller<br />

Bemühungen ist das vollkommene Einsinken und die<br />

vollkommene Auflösung <strong>des</strong> persönlichen Selbst im Reinen<br />

Sein. Darin besteht <strong>der</strong> Gipfel <strong>der</strong> Vollkommenheit und <strong>der</strong><br />

Seligkeit. Darin besteht <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> Ashtavakra Gita.<br />

I-2 Wenn du Befreiung suchst, liebes Kind, dann meide<br />

alle Objekte wie Gift. Nimm Zuflucht zur Vergebung, zur<br />

Ernsthaftigkeit, zum Mitgefühl, zur Zufriedenheit und zur<br />

Wahrhaftigkeit, so wie du Nektar suchen wür<strong>des</strong>t.<br />

I-3 Du bist we<strong>der</strong> Erde noch Wasser, we<strong>der</strong> Feuer, we<strong>der</strong><br />

Luft noch Raum. Kenne zum Zweck deiner Befreiung das<br />

Selbst, welches Reines Bewusstsein ist, als den Zeugen<br />

von all diesem.<br />

I-4 Sobald du den Körper von dir abtrennst und deine<br />

Ruhestätte im Bewusstsein nimmst, wirst du in demselben<br />

Moment glücklich, friedvoll und frei von Bindung werden.<br />

I-6 Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit, Vergnügen<br />

und Schmerzen gehören zum Verstand, aber nicht zu dir.<br />

28


Oh du alldurchdringen<strong>des</strong> Eines! Du bist we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Täter<br />

noch <strong>der</strong> Genießer – du bist auf immer im Zustand <strong>der</strong><br />

Befreiung.<br />

I-7 Du bist <strong>der</strong> einzige Seher von allem, du bist auf<br />

immer frei. Deine einzige Bindung besteht darin, dass du<br />

den Seher als getrenntes Wesen ansiehst.<br />

I-8 Du wur<strong>des</strong>t von <strong>der</strong> schwarzen Giftschlange <strong>des</strong><br />

egoistischen Empfindens von „Ich bin <strong>der</strong> Handelnde“<br />

gebissen – bekämpfe dieses Gift, indem du die Ambrosia<br />

<strong>des</strong> Vertrauens in „Ich bin nicht <strong>der</strong> Handelnde“ trinkst,<br />

und sei glücklich.<br />

I-9 Verbrenne den Wald <strong>der</strong> Unwissenheit mit dem Feuer<br />

<strong>der</strong> Überzeugung: „Ich bin das Eine, Reine Bewusstsein“.<br />

Befreie dich so vom Kummer und sei glücklich.<br />

I-10 Wo auch immer dieses Universum erscheint wie<br />

eine im Seil gesehene Schlange, bist du stets nur diese<br />

Bewusstseins-Seligkeit, die Höchste Seligkeit! Lebe<br />

glücklich!<br />

I-11 Wer denkt, er sei frei, ist in <strong>der</strong> Tat frei. Wer denkt,<br />

er sei gebunden, ist in <strong>der</strong> Tat gebunden! „Du wirst zu<br />

dem, was du denkst“ ist in <strong>der</strong> Tat ein wahrer Ausspruch.<br />

I-12 Der Atman ist <strong>der</strong> Zeuge, allgegenwärtig, Fülle,<br />

Einer, frei, Bewusstsein, nicht-handelnd, unangehaftet,<br />

wunschlos und friedvoll – aber durch Täuschung erscheint<br />

er als die Welt.<br />

I-13 Verstehe das Selbst als unbewegt, Bewusstsein und<br />

nondual, indem du die falsche Idee eines Empfindens von<br />

Innen und Außen sowie die Täuschung „Ich bin eine<br />

Wi<strong>der</strong>spiegelung 1 “ aufgibst.<br />

I-14 Oh liebes Kind! So lange schon warst du an die<br />

Fessel <strong>des</strong> Glaubens: „Ich bin <strong>der</strong> Körper“, gebunden!<br />

Durchtrenne sie mit dem Schwert <strong>der</strong> Weisheit: „Ich bin<br />

Bewusstsein“, und sei glücklich.<br />

I-15 Du bist unangehaftet, nicht-handelnd,<br />

selbststrahlend und unbefleckt – deine Bindung besteht<br />

darin, dass du Samadhi 2 praktizierst.<br />

1 d.h., ein Individuum, ein getrenntes Wesen<br />

2 meditative Versenkung, d. h. hier: die Meditation erzeugt die<br />

Getrenntheit<br />

29


I-16 Du durchdringst das Universum – tatsächlich<br />

befindet sich dieses sogar in dir selbst. Du selbst bist die<br />

Form <strong>der</strong> Reinheit und <strong>des</strong> Bewusstseins – sei nicht so<br />

kleingeistig!<br />

I-17 Du bist wunschlos, wandellos, frei von Pflichten, frei<br />

von Leidenschaften, unergründliches Bewusstsein,<br />

ungerührt – strebe daher nach Bewusstsein und nach<br />

nichts an<strong>der</strong>em.<br />

I-18 Kenne das, was Form besitzt, als unwirklich, und<br />

das Formlose als wandellos. Nach <strong>der</strong> Unterweisung in <strong>der</strong><br />

Wahrheit gibt es keine Rückkehr mehr in den Samsara.<br />

I-20 Der eine, allgegenwärtige Raum befindet sich<br />

außerhalb wie innerhalb <strong>des</strong> Kruges – auf dieselbe Weise<br />

existiert das ewige, unteilbare Brahman in <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong><br />

Wesen.<br />

II-4 So wie Wellen, Schaum und Blasen nicht<br />

verschieden voneinan<strong>der</strong> sind, so ist das durch das Selbst<br />

ausgedrückte Universum nicht verschieden von diesem.<br />

II-5 So wie eine sorgfältige Untersuchung ergibt, das<br />

Tuch aus nichts als Fäden besteht, so wird dieses<br />

Universum, wenn einmal gründlich erforscht, als nichts<br />

an<strong>der</strong>es als das Sein <strong>des</strong> Atman erkannt.<br />

II-7 <strong>Die</strong>se Welt erscheint aufgrund <strong>der</strong> Unwissenheit<br />

über das Selbst – sie erscheint nicht, sobald da Selbst-<br />

Erkenntnis auftaucht. <strong>Die</strong> Schlange erscheint aufgrund von<br />

Unwissenheit – wird das Seil erkannt, verschwindet die<br />

Schlange.<br />

II-8 Glanz ist Meine wahre Form – etwas an<strong>der</strong>es als das<br />

bin Ich nicht. Wenn sich das Universum manifestiert, bin<br />

immer nur Ich allein es, Der als dieses leuchtet.<br />

II-10 <strong>Die</strong>ses Universum, welches aus Mir selbst<br />

hervorgetreten ist, wird sich in Mir allein wie<strong>der</strong> auflösen –<br />

so wie Töpfe sich wie<strong>der</strong> in Erde, Wellen in Wasser und<br />

Schmuckstücke in Gold auflösen.<br />

II-11 Wie wun<strong>der</strong>bar Ich bin! Ich werfe mich vor Mir<br />

Selbst nie<strong>der</strong> – nie kann Ich zerstört werden. Selbst wenn<br />

das Universum von Brahma bis zum letzten Grashalm<br />

zerstört würde – ich existiere!<br />

II-12 Wie wun<strong>der</strong>bar Ich bin! Ich werfe mich vor Mir<br />

Selbst nie<strong>der</strong> – obwohl da ein Körper ist, bin nur Ich allein.<br />

30


We<strong>der</strong> komme noch gehe Ich – an keinen Ort. Ich existiere,<br />

indem ich das gesamte Universum durchdringe.<br />

II-13 Wie wun<strong>der</strong>bar Ich bin! Ich werfe mich vor Mir<br />

Selbst nie<strong>der</strong> – nichts kommt mir in meinem Können<br />

gleich. Ohne den Körper zu berühren, trage ich auf ewig<br />

das Universum.<br />

II-16 Oh, wahrlich wurzelt aller Kummer in <strong>der</strong> Dualität.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Heilmittel dafür als die Erkenntnis, dass dieses<br />

sichtbare Universum falsch ist und Ich allein die reine<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Bewusstseins bin, gibt es nicht.<br />

II-20 Körper, Himmel und Hölle, Bindung und Befreiung,<br />

Furcht – all dies sind bloße Einbildungen. Was habe Ich, <strong>der</strong><br />

Ich reines Bewusstsein bin, mit ihnen zu schaffen?<br />

II-21 Oh, auch nicht in <strong>der</strong> Überfülle <strong>der</strong> Menschen<br />

erblicke ich Dualität. All dies ist nur wie eine Illusion – wer<br />

bin Ich, dass ich mich an etwas binden sollte?<br />

II-23 Oh, in Mir, dem großen, unendlichen Ozean,<br />

tauchen diese wun<strong>der</strong>baren Wellen all <strong>der</strong> Universen auf,<br />

sobald <strong>der</strong> Wind <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> weht.<br />

II-25 Oh Wun<strong>der</strong>! In Mir, dem unendlichen, großen<br />

Ozean, tauchen die Wellen all <strong>der</strong> Jivas 1 auf, stürzen<br />

übereinan<strong>der</strong>, spielen darin (für kurze Zeit), und gehen<br />

entsprechend ihrer Natur wie<strong>der</strong> darin unter.<br />

III-2 Ah! Aufgrund <strong>der</strong> Unwissenheit über das Selbst<br />

entsteht die Liebe zu den Objekten <strong>der</strong> getäuschten<br />

Wahrnehmung, so wie aufgrund <strong>der</strong> Unwissenheit über die<br />

Natur <strong>der</strong> Perlmutter die Gier nach dem illusorischen Silber<br />

entsteht.<br />

III-3 Kenne dich selbst als <strong>Das</strong>, was die Universen<br />

hervortreibt wie die Wasser die Wellen – weshalb läufst du<br />

wie ein elen<strong>des</strong> Wesen umher?<br />

III-4 Wie kann es sein, dass jemand, <strong>der</strong> gehört hat,<br />

dass das Selbst Reines Bewusstsein und von<br />

außerordentlicher Herrlichkeit ist, noch von <strong>der</strong> Lust auf<br />

Frauen verunreinigt ist?<br />

III-7 Es ist erstaunlich, dass <strong>der</strong> Kenner <strong>der</strong> Wahrheit,<br />

dass <strong>der</strong> schlimmste Feind <strong>der</strong> Weisheit die Leidenschaft<br />

ist, und <strong>der</strong> altersschwach geworden ist und seinem<br />

1 individuelle Seelen<br />

31


Lebensende entgegengeht, noch immer dem Vergnügen<br />

und <strong>der</strong> Wolllust nachjagt.<br />

III-9 Der Held dagegen, ob man ihm nun Festschmäuse<br />

serviert o<strong>der</strong> Hungers sterben lässt, jauchzt we<strong>der</strong> noch ist<br />

er zornig, denn er sieht stets nur das Eine, Absolute Selbst.<br />

III-11 Was könnte den kühn Denkenden, <strong>der</strong> dieses<br />

Universum als bloße Illusion betrachtet und alle Neugierde<br />

verloren hat, wohl in Furcht versetzen – und wenn ihm<br />

auch <strong>der</strong> Tod nahen sollte?<br />

III-12 Wer gliche wohl dieser großen Seele, die sogar in<br />

<strong>der</strong> Enttäuschung wunschlos bleibt und gesättigt von <strong>der</strong><br />

Selbst-Erkenntnis ist?<br />

IV-4 Wer könnte diesen wohl davon abhalten, nur nach<br />

seinem eigenen Gutdünken zu leben – wer ist diese große<br />

Seele, die erkannt hat, dass diese ganze Welt nichts als<br />

das Selbst ist?<br />

IV-6 Wer weiß, dass das zweitlose Selbst die Quelle <strong>des</strong><br />

ganzen Universums ist, handelt, wie er denkt, und<br />

empfindet niemals Furcht.<br />

V-1 Löse dich selbst in dem Wissen darum auf, dass du<br />

unangehaftet bist; dass du, <strong>der</strong> Reine, keiner Sache zu<br />

entsagen hast, und indem du diese Masse <strong>der</strong><br />

Verkörperung (Körper und Verstand) zersetzt.<br />

V-2 Löse dich selbst in dem Wissen darum auf, dass das<br />

Universum wie Blasen im Ozean in dir aufsteigt und nur<br />

<strong>der</strong> Atman allein existiert.<br />

V-3 Löse dich selbst in dem Wissen darum auf, dass das<br />

Universum, obgleich sichtbar, nicht in dir, dem Reinen,<br />

existiert, da es eine Nicht-Wesenheit ist und einfach nur<br />

wie die Schlange im Seil auftaucht.<br />

V-4 Löse dich selbst in dem Wissen darum auf, dass du<br />

in Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, Leben<br />

und Tod <strong>der</strong>selbe und auf immer erfüllt bleibst.<br />

VI-1 Ich bin unendlich wie <strong>der</strong> Raum, diese Welt ist wie<br />

<strong>der</strong> Tonkrug nur ein Phänomen – das ist Weisheit. <strong>Die</strong>s<br />

muss we<strong>der</strong> zurückgewiesen noch akzeptiert o<strong>der</strong> zerstört<br />

werden.<br />

VI-4 Ich bin in allen Wesen, alle Wesen sind in Mir – dies<br />

muss we<strong>der</strong> zurückgewiesen noch akzeptiert o<strong>der</strong> zerstört<br />

werden.<br />

32


VII-2 Lass die Wellen <strong>der</strong> Universen in Mir, dem<br />

unendlichen, großen Ozean, steigen o<strong>der</strong> fallen – dadurch<br />

werde Ich we<strong>der</strong> kleiner noch größer.<br />

VII-5 Oh, wahrhaftig bin Ich nichts als reines<br />

Bewusstsein – diese Welt ist nur wie ein<br />

Taschenspielertrick! Wie und wo könnte es daher ein<br />

Zurückweisen, ein Akzeptieren o<strong>der</strong> überhaupt nur den<br />

Gedanken daran in Mir geben?<br />

VIII-1 Bindung entsteht, sobald <strong>der</strong> Verstand nach etwas<br />

verlangt, um etwas trauert, etwas zurückweist, etwas<br />

erwerben will, über etwas frohlockt und ärgerlich über<br />

etwas wird.<br />

VIII-2 <strong>Die</strong> Befreiung ist da, wenn <strong>der</strong> Verstand we<strong>der</strong><br />

verlangt, trauert, zurückweist, erwirbt, frohlockt noch<br />

ärgerlich wird.<br />

VIII-4 Befreiung ist da, wenn es kein „ich“ gibt. Bindung<br />

ist da, wenn es ein „ich“ gibt. Wisse dies und nimm nichts<br />

an und weise nichts zurück.<br />

IX-2 Selten ist die gesegnete Person, oh liebes Kind, die<br />

ihre Wünsche nach dem Leben, nach Vergnügen und<br />

Wissen durch Betrachten <strong>der</strong> närrischen Welt ausgelöscht<br />

hat.<br />

IX-3 Ein weiser Mensch wird still, sobald er erkennt, dass<br />

all dies hier ver<strong>der</strong>blich, von Gebrechen (körperlichen,<br />

weltlichen und himmlischen) bedroht, wesenlos, nichtig<br />

und <strong>der</strong> Verachtung wert ist.<br />

IX-8 Wünsche sind gleichbedeutend mit Samsara – gib<br />

daher alle Wünsche auf. <strong>Die</strong> Austilgung <strong>des</strong> Samsara<br />

geschieht durch Entsagung <strong>der</strong> Wünsche – lebe danach,<br />

wie es dir gefällt.<br />

X-2 Erachte Freunde, Besitz, Wohlstand, Heime,<br />

Gattinnen, Verwandte und an<strong>der</strong>e Besitztümer dieser Art<br />

wie bloße Träume o<strong>der</strong> Kunststücke eines Taschenspielers,<br />

die nur kurze Zeit andauern.<br />

X-5 Du bist das Eine, Reine Bewusstsein, das Universum<br />

ist leblos und irreal, auch Unwissenheit gibt es nicht – wie<br />

kann es dann noch in dir einen Wunsch nach Wissen<br />

geben?<br />

X-6 An Königreiche, Söhne, Gattinnen, Körper und<br />

Vergnügen bist du angehaftet, und doch verlierst du dies<br />

alles nach je<strong>der</strong> Geburt wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong>.<br />

33


X-7 Fort mit all dem Wohlstand, den Wünschen und den<br />

tugendhaften Taten – im einsamen Urwald <strong>des</strong> Samsara<br />

vermag <strong>der</strong> Verstand in all diesen Dingen doch keinen<br />

Frieden zu finden!<br />

X-8 In wie vielen Geburten hast du doch mit Körper,<br />

Verstand und Rede so schwer und mühevoll gearbeitet!<br />

Stehe nun wenigstens einmal von den Tätigkeiten ab.<br />

XII-6 <strong>Die</strong> Ausübung von Tätigkeit ist Unwissenheit – die<br />

Entsagung von aller Tätigkeit ist ebenfalls Unwissenheit.<br />

Da ich diese Wahrheit vollkommen verinnerlicht habe,<br />

bleibe ich ihr treu.<br />

XIII-1 Der beständige Friede, wie er durch Entsagung<br />

entsteht, kann auch nicht dadurch gewonnen werden, dass<br />

einer alles außer einem einzigen Kaupeena (Lendentuch)<br />

aufgibt. Indem ich daher sowohl Entsagung als auch<br />

Erwerben aufgebe, lebe ich glücklich.<br />

XIII-2 Der Körper macht immer wie<strong>der</strong> Schwierigkeiten,<br />

die Zunge erzeugt immer wie<strong>der</strong> Schwierigkeiten, <strong>der</strong><br />

Verstand ersinnt immer wie<strong>der</strong> Schwierigkeiten. Indem ich<br />

ihnen entsage, habe ich mich selbst im höchsten Ziel <strong>des</strong><br />

spirituellen Strebens verankert.<br />

XIII-4 <strong>Die</strong> Yogis, die dem Körper verhaftet sind, bestehen<br />

auf Tätigkeit und Untätigkeit. Da ich we<strong>der</strong> Vereinigung<br />

noch Trennung kenne, lebe ich glücklich.<br />

XIV-4 <strong>Die</strong> verschiedenen Verhaltensweisen <strong>des</strong>jenigen,<br />

<strong>der</strong> im Innern frei vom Denken ist, aber sich wie eine<br />

verwirrte Person im Außen so bewegt, wie es ihm gefällt,<br />

kann nur von denjenigen verstanden werden, die wie er<br />

sind.<br />

XV-1 Ein Mensch mit reinem Intellekt erreicht sein Ziel<br />

sogar durch absichtslose Belehrungen (durch an<strong>der</strong>e),<br />

während an<strong>der</strong>e auch nach lebenslangem Studium immer<br />

noch verwirrt sind.<br />

XV-2 Leidenschaftslosigkeit gegenüber Objekten<br />

bedeutet Befreiung – Leidenschaft für Dinge bedeutet<br />

Bindung. Darin besteht die Erkenntnis. Tue nun, was dir<br />

gefällt.<br />

XV-3 <strong>Die</strong>se Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit macht eine<br />

beredsame, intelligente und äußerst aktive Person stumm,<br />

leblos und untätig. Daher wird sie (die Erkenntnis) von<br />

34


denjenigen zurückgewiesen, die nach weltlichen<br />

Vergnügen suchen.<br />

XV-4 Du bist nicht <strong>der</strong> Körper und <strong>der</strong> Körper ist nicht<br />

deiner; du bist we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Genießer noch <strong>der</strong> Täter; du bist<br />

die Form <strong>des</strong> Reinen Bewusstseins; du bist auf immer <strong>der</strong><br />

Zeuge und wunschlos. Lebe glücklich!<br />

XV-5 Begehren und Hass gehören zum Dharma (Natur)<br />

<strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>. Der Verstand ist niemals du; du bist frei<br />

von Gedanken und ohne Wandel; du bist das Wesen <strong>des</strong><br />

Reinen Bewusstseins. Lebe glücklich!<br />

XV-7 Oh du Form <strong>des</strong> Bewusstseins! Du bist in <strong>der</strong> Tat<br />

das, worin dieses Universum wie Wellen im Ozean<br />

erscheint – es gibt keinerlei Zweifel darüber. Mögest du frei<br />

vom Fieber sein!<br />

XV-8 Habe Vertrauen, oh liebes Kind, habe Vertrauen!<br />

Verfalle nicht in diese Selbsttäuschung. Du bist <strong>der</strong> Herr,<br />

du bist die Form <strong>der</strong> Erkenntnis, du bist <strong>der</strong> Atman, du bist<br />

jenseits <strong>der</strong> Prakriti 1 .<br />

XV-14 Was immer du auch wahrnimmst, du nimmst<br />

darin niemals etwas an<strong>der</strong>es als dich selbst wahr. Sind<br />

denn Schmuckstücke, Armreifen und Fußkettchen<br />

verschieden vom Gold?<br />

XV-15 Gib all diese Unterscheidungen zwischen „dies<br />

bin ich, dies bin ich nicht“ auf, betrachte alles als das<br />

Selbst (Atman), sei frei vom Denken, und sei glücklich.<br />

XV-16 <strong>Die</strong>ses Universum existiert gänzlich nur aufgrund<br />

deiner Unwissenheit. Tatsächlich bist du allein <strong>der</strong> einzige<br />

Existierende. Außer dir gibt es hier wirklich niemanden,<br />

<strong>der</strong> an Samsara gebunden o<strong>der</strong> nicht gebunden wäre.<br />

XV-20 Gib auch die Meditation vollständig auf, denke<br />

über nichts mehr nach – du bist bereits das freie Selbst.<br />

Was hoffst du durch Nachdenken zu erreichen?<br />

XVI-1 Oh liebes Kind! Du magst die verschiedensten<br />

Schriften auf vielfältigste Weise erörtern o<strong>der</strong> anhören,<br />

aber die Selbst-Verwirklichung kannst du außer durch das<br />

Vergessen von allem nicht erlangen.<br />

XVI-2 Oh weiser Mensch! Du magst den Samadhi<br />

genießen, ausüben o<strong>der</strong> praktizieren, aber dein Verstand<br />

1 wandelhaftes psychisch/mentales/physisches Universum; Natur<br />

35


wird trotzdem immer noch nach Dem verlangen, was<br />

jenseits allen Verlangens ist.<br />

XVI-3 Alle sind nur <strong>des</strong>halb unglücklich, weil sie Tätigkeit<br />

ausüben – dieses Geheimnis kennt niemand. <strong>Die</strong>se eine<br />

Instruktion nur genügt dem glücklichen Menschen, um die<br />

Befreiung zu erlangen.<br />

XVI-4 <strong>Das</strong> Glück gehört dem Meister <strong>der</strong> Müßiggänger,<br />

für den schon die simple Handlung <strong>des</strong> Öffnens und<br />

Schließens <strong>der</strong> Augenli<strong>der</strong> lästig ist, und niemandem<br />

sonst.<br />

XVI-11 Lass Siva, Vishnu o<strong>der</strong> sogar Brahma deine<br />

Lehrer sein. Jedoch wirst du auch dann die Selbst-<br />

Verwirklichung nicht eher erreichen, bis du alles vergessen<br />

hast.<br />

XVII-2 Oh wahrlich, <strong>der</strong> Kenner <strong>der</strong> Wahrheit trauert um<br />

nichts in dieser Welt, denn dieses ganze Universum ist von<br />

ihm allein erfüllt.<br />

XVII-9 In demjenigen, für den <strong>der</strong> Ozean <strong>des</strong> Samsara<br />

restlos ausgetrocknet ist, gibt es we<strong>der</strong> Anhaftung noch<br />

Lossagung. Sein Blick ist leer, seine Taten sind absichtslos<br />

und seine Sinne impotent.<br />

XVII-14 <strong>Die</strong> große Persönlichkeit ist Selbst-zentriert und<br />

ungerührt, ob sie nun eine lieblich anzuschauende Frau<br />

o<strong>der</strong> den schreckenerregenden Tod kommen sieht – sie ist<br />

wahrhaftig frei.<br />

XVII-18 Der Weise mit dem geleerten Verstand weiß<br />

nichts von den einan<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprechenden Ideen von<br />

Konzentration und Nicht-Konzentration, von Vergnüglichem<br />

und Missvergnüglichem – er ruht in <strong>der</strong> Unbedingtheit.<br />

XVIII-8 Was sollte <strong>der</strong> Wunschlose wohl kennen, sagen<br />

o<strong>der</strong> tun müssen – wissend, dass <strong>der</strong> Atman Brahman<br />

Selbst ist, dass sowohl Existenz als auch Nicht-Existenz<br />

nichts als Einbildungen sind?<br />

XVIII-16 Wer das Höchste Brahman erkannt hat,<br />

meditiert folgen<strong>der</strong>maßen: „Ich bin Brahman.“ Woran<br />

sollte <strong>der</strong> von Gedanken Freie wohl denken, <strong>der</strong> neben sich<br />

kein Zweites sieht?<br />

XVIII-21 Wunschlos, stützenlos, nach seinem eigenen<br />

Gutdünken lebend, bewegt sich <strong>der</strong>, <strong>der</strong> frei von Bindung<br />

36


ist, wie ein vom Wind <strong>der</strong> Samskaras 1 umhergetriebenes,<br />

trockenes Blatt.<br />

XVIII-27 Der Mensch <strong>der</strong> Weisheit, <strong>der</strong> <strong>der</strong> ermüdenden<br />

Debatten überdrüssig geworden ist, erlangt die<br />

Gemütsruhe und denkt nicht mehr, weiß nichts mehr, hört<br />

und sieht nichts mehr.<br />

XVIII-32 <strong>Die</strong> stumpfe Person wird durch Anhören <strong>der</strong><br />

klaren Wahrheit noch verwirrter, während die intelligente<br />

Person sich ins Innere zurückzieht und dadurch an<strong>der</strong>en<br />

selbst als stumpf erscheint.<br />

XVIII-34 <strong>Die</strong> unwissende Person kehrt we<strong>der</strong> durch ihr<br />

Tätigsein noch Untätigsein ins Selbst zurück, während <strong>der</strong><br />

weise Mensch bloß durch sein Kennen <strong>der</strong> Wahrheit im<br />

Selbst ruht.<br />

XVIII-39 Der Narr will Frieden und bekommt ihn nicht –<br />

<strong>der</strong> weise Mensch kennt die Wahrheit und befindet sich<br />

immer im Frieden.<br />

XVIII-40 Wie könnte es für denjenigen, <strong>des</strong>sen Wissen<br />

auf <strong>der</strong> Objektivität beruht, die Vision <strong>des</strong> Selbst geben?<br />

Der Weise sieht dies (die Objektivität) nicht, son<strong>der</strong>n allein<br />

das unvergängliche Selbst.<br />

XVIII-46 <strong>Die</strong> Elefanten <strong>der</strong> Sinnesobjekte, <strong>des</strong> Löwen<br />

<strong>der</strong> Wunschlosigkeit angesichtig geworden, machen sich<br />

stillschweigend aus dem Staub. Sind sie dann einmal<br />

unterworfen, werden sie zu Speichelleckern. (Der Gedanke<br />

hier ist, dass die Sinnesvergnügen für denjenigen, <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Wunschlosigkeit verankert ist, zu einem bloßem Sport<br />

und Spiel werden, das ihn nicht bindet.)<br />

XVIII-49 Der Mensch <strong>der</strong> Wahrheit erfüllt seine Pflichten<br />

so, wie sie gerade auf ihn kommen; ohne ein Empfinden<br />

von (vom relativen Standpunkt aus gesehen) gut o<strong>der</strong><br />

böse, denn alle seine Handlungen sind wie die eines<br />

Kin<strong>des</strong>.<br />

XVIII-53 <strong>Die</strong>se großen Seelen, die frei sind, befreit von<br />

den Einbildungen und Funktionen <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, erfreuen<br />

sich manchmal großer Vergnügungen und meditieren<br />

manchmal in Berghöhlen.<br />

XVIII-54 Im Herzen <strong>des</strong> Weisen gibt es nie Wünsche, ob<br />

er nun Männer <strong>der</strong> heiligen Wissenschaft o<strong>der</strong> einen Gott,<br />

1 Samskaras: Gedankensamen; d. h. hier: den Impulsen seiner<br />

restlichen, vergangenen Geistestätigkeiten folgend<br />

37


einen heiligen Platz, eine Dame, einen König o<strong>der</strong> eine ihm<br />

teure Person aufsucht und verehrt.<br />

XVIII-55 Der Yogi ist nie im min<strong>des</strong>tens beunruhigt,<br />

selbst wenn er von <strong>Die</strong>nern, Söhnen, Frauen, Enkeln o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Verwandten verachtet o<strong>der</strong> verspottet wird.<br />

XVIII-56 Erfreut, freut er sich in Wahrheit nicht; traurig,<br />

trauert er in Wahrheit nicht. Nur diejenigen, die so sind wie<br />

er, können seinen wun<strong>der</strong>baren Bewusstseinszustand<br />

verstehen.<br />

XVIII-58 Sogar wenn er nichts tut, ist <strong>der</strong> närrische<br />

Mensch stets aufgeregt und zerstreut. Der Erfahrene<br />

jedoch ist auch tätig stets unbewegt.<br />

XVIII-59 Der Mensch <strong>der</strong> Weisheit, friedvoll sogar im<br />

Alltagsleben, sitzt glücklich, schläft glücklich, kommt<br />

glücklich, geht glücklich, spricht und isst glücklich.<br />

XVIII-72 Wo sollten wohl für denjenigen, <strong>der</strong> wie die<br />

Unendliche Wirklichkeit selbst leuchtet und kein objektives<br />

Universum wahrnimmt, Bindung, Befreiung, Freude und<br />

<strong>der</strong> Schmerz sein?<br />

XVIII-80 Himmel und Hölle gibt es nicht; ebenfalls nicht<br />

Jivanmukti 1 . Kurz gesagt – in <strong>der</strong> yogischen Sichtweise<br />

existiert überhaupt nichts.<br />

XVIII-83 <strong>Die</strong>ser Weise hier fürchtet we<strong>der</strong> den Samsara<br />

noch verlangt es ihn nach <strong>der</strong> Schau <strong>des</strong> Selbst. Ohne<br />

Freude und Schmerz ist er. Er ist we<strong>der</strong> tot noch lebendig.<br />

XVIII-99 Gelobt, ist er nicht erfreut; beleidigt, ist er<br />

nicht beunruhigt. We<strong>der</strong> fürchtet er den Tod noch begehrt<br />

er das Leben.<br />

XVIII-100 Der Friedvolle sehnt sich we<strong>der</strong> nach <strong>der</strong><br />

Menge noch nach einsamen Wäl<strong>der</strong>n. Er bleibt unter allen<br />

Umständen er selbst.<br />

* * *<br />

1 spirituelle Befreiung im Leben <strong>der</strong> individuellen Seele<br />

38


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Avadhuta Gita<br />

<strong>Die</strong> Avadhuta Gita stellt eine Unterhaltung zwischen dem<br />

Weisen Dattatreya und Skanda dar. Sie würdigt die<br />

höchsten Verwirklichungsstufen eines Jivanmukta 1 . <strong>Die</strong>se<br />

Gita wendet sich an die am weitesten fortgeschrittenen,<br />

spirituellen Aspiranten, die ihre Herzen mit <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong><br />

ethischen Disziplinen wie Yama 2 , Niyama 3 und Sadhana-<br />

Chatushtaya 4 gereinigt haben.<br />

Nur das nonduale Brahman existiert; in den drei Zeiten<br />

existiert keine Welt. <strong>Das</strong> gesamte Universum ist nichts als<br />

Brahman. Evolution o<strong>der</strong> Involution gibt es nicht, auch<br />

nicht Schöpfung o<strong>der</strong> Zerstörung. Brahman, das Absolute,<br />

ist als Einziges. Darin besteht die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Avadhuta<br />

Gita.<br />

I<br />

1. <strong>Die</strong> Weisen haben nur aufgrund <strong>der</strong> Gnade Gottes<br />

(Ishvara) eine Anhaftung an die advaitische Sichtweise,<br />

denn Er ist <strong>der</strong> Erlöser von aller Furcht.<br />

2. Wie kann ich dieses ungeteilte, selige, unver<strong>der</strong>bliche<br />

und formlose Selbst, welches die gesamte Welt im Selbst<br />

durch Sich Selbst erfüllt, grüßen?<br />

3. <strong>Das</strong> gesamte Universum bestehend aus den fünf<br />

Elementen ist wie Wasser in <strong>der</strong> Luftspiegelung – wen<br />

sollte ich dann also grüßen? Ich allein existiere – das<br />

fleckenlose Eine.<br />

4. Der eine Atman ist all dieses hier – da gibt es we<strong>der</strong><br />

Unterschied noch Nicht-Unterschied. Wie könnte ich dann<br />

1 Person, die spirituelle Befreiung in diesem Leben erlangt hat<br />

2 Entsagungsübungen wie Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit,<br />

Ehrlichkeit<br />

3 Reinheitsübungen wie Disziplin, Zufriedenheit, Studium <strong>der</strong><br />

Schriften<br />

4 beinhaltet die vier elementaren Voraussetzungen für spirituelle<br />

Befreiung: die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gott und<br />

Welt, die Leidenschaftslosigkeit, die sechsfachen Tugenden zur<br />

Disziplinierung <strong>des</strong> Charakters und <strong>der</strong> intensive Wunsch nach<br />

Befreiung<br />

39


ehaupten, dass es da ein Sein o<strong>der</strong> ein Nicht-Sein gäbe?<br />

<strong>Die</strong>s alles ist einfach nur ein Wun<strong>der</strong> für mich!<br />

5. Darin bestehen die Summe und die <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong><br />

ganzen <strong>Vedanta</strong>, darin bestehen Erkenntnis und Weisheit:<br />

„Ich bin <strong>der</strong> Atman, <strong>der</strong> seiner Natur nach formlos und<br />

allesdurchdringend ist.“<br />

6. Es besteht kein Zweifel daran, dass Ich das alles<br />

beinhaltende, Göttliche Wesen bin – teilelos und wie <strong>der</strong><br />

Raum, rein von Natur aus und ewiglich heilig.<br />

7. Ich allein bin unver<strong>der</strong>blich, unendlich und die Form<br />

reinen Bewusstseins. Ich kenne we<strong>der</strong> Vergnügen und<br />

Schmerz und weiß auch nichts davon, weshalb diese<br />

irgend jemanden zu beeinträchtigen vermochten.<br />

8. Für mich gibt es keine Tätigkeit <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> –<br />

we<strong>der</strong> gute noch schlechte, keine Tätigkeit <strong>des</strong> Körpers –<br />

we<strong>der</strong> gute noch schlechte, keine Tätigkeiten <strong>der</strong> Rede –<br />

we<strong>der</strong> gute noch schlechte. Ich bin die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong><br />

Erkenntnis – rein und jenseits <strong>der</strong> Reichweite <strong>der</strong> Sinne.<br />

9. Der Verstand ist frei wie <strong>der</strong> Raum – <strong>der</strong> Verstand ist<br />

allesdurchdringend. Der Verstand ist gewaltig. Der<br />

Verstand ist alles. Und doch ist dieser Verstand nicht die<br />

höchste Wahrheit.<br />

10. Ich, <strong>der</strong> Eine, bin dies alles – ungebunden durch den<br />

Raum und ohne Unterschiede (o<strong>der</strong> Befleckungen). Wie<br />

könnte Ich den Atman als sichtbar o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e Weise<br />

existierend ansehen?<br />

11. Du allein bist <strong>der</strong> Eine, <strong>der</strong> Homogene,<br />

Unver<strong>der</strong>bbare – wohnend im Sein aller Wesen. Weshalb<br />

weißt du dies nicht? Du bist auf ewig frohlockend und<br />

ungeteilt. Weshalb denkst du dann noch, dass es da Tag<br />

und Nacht gäbe?<br />

12. Vergiss niemals, dass <strong>der</strong> Atman absolut ist und<br />

überall als <strong>der</strong>selbe existiert. Ich bin <strong>der</strong> Meditierende und<br />

das höchste Objekt <strong>der</strong> Meditation – wie wohl könnte das<br />

Unteilbare geteilt werden?<br />

13. Du bist we<strong>der</strong> geboren noch tot – zu keiner Zeit hast<br />

du einen Körper. Wisse, dass alles Brahman ist. <strong>Die</strong>s<br />

erklären die Srutis 1 auf vielfältige Art und Weise.<br />

1 heilige Schriften<br />

40


14. Du bist innen wie außen, du bist immer selig und an<br />

allen Orten. Weshalb lässt du dich täuschen und läufst wie<br />

ein Gespenst hin und her?<br />

15. We<strong>der</strong> Einheit noch Getrenntheit existieren – nicht<br />

für dich und nicht für mich. Du bist ein Nichts, ich bin ein<br />

Nichts, die Welt ist ein Nichts – alles ist nur <strong>der</strong> Atman.<br />

16. We<strong>der</strong> bist du die fünf Prinzipien <strong>des</strong> Klanges noch<br />

hast du etwas mit ihnen zu tun. Du allein bist die Höchste<br />

Wirklichkeit. Weshalb empfin<strong>des</strong>t du dann noch Bedauern?<br />

17. Du bist ohne Geburt, ohne Tod und ohne Verstand.<br />

Du bist nicht in Bindung, nicht in Befreiung, we<strong>der</strong> gut<br />

noch schlecht. Weshalb weinst du dann, oh liebes Kind:<br />

We<strong>der</strong> besitzest du Name o<strong>der</strong> Form noch ich.<br />

18. Oh Verstand! Weshalb eilst du Verwirrter wie ein<br />

Teufel umher? Erkenne doch den Atman, <strong>der</strong> ohne<br />

Unterscheidungen ist! Sei glücklich, indem du den<br />

Wünschen entsagst.<br />

19. Du allein bist die Wahrheit, die frei von allen<br />

Modifikationen, wandellos, die eine und die Form <strong>der</strong><br />

höchsten Befreiung ist. Für Dich gibt es we<strong>der</strong><br />

Leidenschaft noch Leidenschaftslosigkeit. Weshalb klagst<br />

du dann wegen <strong>der</strong> Wünsche?<br />

20. Alle heiligen Schriften sprechen von <strong>der</strong> Einen<br />

Wahrheit, die eigenschaftslos, rein, unzerstörbar, körperlos<br />

und gleichmütig ist. Wisse, dass diese Wahrheit Ich Selbst<br />

bin – es gibt darüber keinerlei Zweifel.<br />

21. Wisse, dass das, was Form hat, unwirklich ist –<br />

kenne daher das ungeteilte, formlose Eine. Nach <strong>der</strong><br />

Unterweisung in dieser Wahrheit gibt es kein Wan<strong>der</strong>n im<br />

Samsara 1 mehr.<br />

22. <strong>Die</strong> Weisen erklären, dass da nur die Eine,<br />

Einheitliche Wirklichkeit sei. Sobald du Wunsch und<br />

mentale Tätigkeit aufgegeben hast, schwindet die Vielfalt.<br />

23. Wie kann es Samadhi geben, wenn <strong>der</strong> Atman dual<br />

ist? Wie kann es wie<strong>der</strong>um Samadhi geben, wenn <strong>der</strong><br />

Atman nichtdual ist? 2 Wie kann es außerdem Samadhi<br />

1 Welt <strong>der</strong> Gegensätze, menschliches Leben aus Freude und<br />

Schmerz<br />

2 d. h., we<strong>der</strong> bei realer Getrenntheit (Dualität) noch irrealer<br />

Getrenntheit (Nondualität) würde Meditation einen Sinn<br />

machen<br />

41


geben, wenn es we<strong>der</strong> Existenz noch Nicht-Existenz gibt,<br />

wenn es da nur das Eine, das Alles – die Form <strong>der</strong> Freiheit<br />

selbst, gibt?<br />

24. Du bist die einheitliche, reine Wahrheit. Du bist<br />

jenseits <strong>des</strong> Körpers, du bist ungeboren und unver<strong>der</strong>blich<br />

– wie kannst du noch behaupten, du wür<strong>des</strong>t den Atman<br />

kennen o<strong>der</strong> nicht kennen?<br />

25. Sätze wie „Tat Tvam Asi“ („<strong>Das</strong> bist Du“) verkünden<br />

den Atman, während Worte wie „neti, neti“ („nicht dies,<br />

nicht dies“) feststellen, dass die Welt unwirklich ist.<br />

26. Du erfüllst das gesamte Sein ohne jede<br />

Getrenntheit, du bist das Selbst innerhalb <strong>des</strong> Selbst, du<br />

bist jenseits <strong>der</strong> Meditation, du bist nicht <strong>der</strong> Meditierende,<br />

du besitzt keinen Verstand – schämst du dich dann nicht,<br />

immer noch zu meditieren?<br />

27. Ich kenne diesen Seligen nicht – wie könnte ich dann<br />

noch darüber sprechen? Ich kenne diesen Seligen nicht –<br />

wie könnte ich Ihn dann noch verehren? Denn Ich allein bin<br />

dieser Selige, die Höchste Wirklichkeit; einheitlich und<br />

unendlich wie <strong>der</strong> Raum.<br />

28. Ich bin nicht das Prinzip <strong>der</strong> Elemente – Ich bin das<br />

Höchste Prinzip, gleichmütig, frei von Einbildung, befreit<br />

von den Zuständen <strong>des</strong> Sehers und <strong>des</strong> Gesehenen. Wie<br />

könnte das Eine Selbst-Bewusstsein wohl zu etwas<br />

an<strong>der</strong>em werden?<br />

29. Da ist nichts an<strong>der</strong>es als diese Unendliche <strong>Essenz</strong>,<br />

da ist nichts an<strong>der</strong>es als diese Eine Wirklichkeit. <strong>Die</strong><br />

Höchste Wahrheit lautet, dass <strong>der</strong> Atman allein existiert.<br />

Es gibt da we<strong>der</strong> Schädiger noch Schaden.<br />

30. Du bist diese Heilige Wirklichkeit, die gleichartig,<br />

formlos, geburtlos und todlos ist. Wie könnte es da noch<br />

eine Täuschung über den Atman geben? Und wie könnte<br />

Ich darüber hinaus überhaupt getäuscht werden?<br />

32. We<strong>der</strong> gibt es da den Topf noch den Raum innerhalb<br />

<strong>des</strong> Topfes. We<strong>der</strong> gibt es da den Jiva noch ein Gefäß<br />

<strong>des</strong>sen 1 . Wisse, dass alles nichts als Brahman allein ist –<br />

ohne den Kenner bzw. das Gekannte.<br />

1 Jiva: individuelle Seele; d. h. hier: we<strong>der</strong> existieren diese Seele<br />

noch ihr Körper wirklich<br />

42


34. We<strong>der</strong> gibt es die Veden noch die Welten, we<strong>der</strong> gibt<br />

es Götter noch Yajnas 1 , we<strong>der</strong> gibt es Varnas 2 noch<br />

Ashramas 3 , we<strong>der</strong> gibt es Familie noch Kaste, we<strong>der</strong> gibt<br />

es Pitriyana 4 noch Devayana 5 . <strong>Die</strong> Höchste Wahrheit lautet,<br />

dass nur Brahman allein dies alles ist.<br />

36. Manche Menschen verlangen nach <strong>der</strong> Nondualität,<br />

an<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Dualität. Sie kennen beide die Wahrheit<br />

nicht, die frei von sowohl Nondualität als auch Dualität ist.<br />

38. Sobald einer versteht, dass alles dies hier, <strong>der</strong><br />

Körper und alles an<strong>der</strong>e, unwirklich wie leerer Raum ist,<br />

beginnt er endlich Brahman zu erkennen, in dem es<br />

überhaupt keine Dualität gibt.<br />

39. Für mich ist es so, dass das wirkliche Selbst nicht<br />

verschieden vom Höchsten ist. <strong>Die</strong>ses Eine ist wie <strong>der</strong><br />

unendliche Raum – wie könnte es dann noch einen<br />

Meditierenden o<strong>der</strong> eine Meditation geben?<br />

40. Was auch immer Ich tue, was auch immer Ich esse,<br />

was auch immer Ich opfere – all dies ist nicht mein. Ich bin<br />

das Reine, Ungeborene und Unver<strong>der</strong>bliche.<br />

41. Wisse, dass das gesamte Universum formlos ist;<br />

wisse, dass das gesamte Universum wandellos ist; wisse,<br />

dass das gesamte Universum die Gestalt <strong>der</strong> Reinheit<br />

besitzt; wisse, dass das gesamte Universum nichts als die<br />

Gestalt <strong>der</strong> Seligkeit ist.<br />

43. Oh liebes Kind! Weshalb rufst du aus: „Maya,<br />

Maya! 6 “ Wo sollte wohl „Schatten, Schatten“ sein? 7 All dies<br />

hier ist die Eine Wirklichkeit – fleckenlos und<br />

allesdurchdringend.<br />

44. Ich bin ohne Anfang, ohne Mitte und ohne Ende.<br />

Niemals bin ich gebunden. Ich bin makellos und rein von<br />

Natur aus – darin besteht meine feste Überzeugung.<br />

1 Feueropfer für die Götter<br />

2 Kaste<br />

3 Lebensstufen (Schüler, Haushälter, spiritueller Sucher,<br />

Entsagen<strong>der</strong>)<br />

4 Weg <strong>der</strong> Ahnen, Wie<strong>der</strong>geburt<br />

5 Weg <strong>der</strong> Götter, spirituelle Befreiung<br />

6 Maya: Weltillusion, illusorische Welt <strong>des</strong> Krieges und Kampfes<br />

<strong>der</strong> Gegensätze<br />

7 d.h. hier: die Seele fürchtet sich vor dem Feuer <strong>der</strong> Welt und<br />

sucht Zuflucht<br />

43


45. <strong>Das</strong> gesamte Universum, angefangen vom Mahat 1 ,<br />

ist in Mir nicht im min<strong>des</strong>ten vorhanden. All dies hier ist<br />

nichts als Brahman – wie könnte es darin Varna und<br />

Ashrama geben?<br />

46. Alles kenne ich zur Gänze. Ich bin das Eine,<br />

Ungeteilte. Ich bin die stützenlose Fülle. <strong>Die</strong> Welt mit dem<br />

Raum und den an<strong>der</strong>en Elementen ist unwirklich.<br />

48. <strong>Die</strong> Wahrheit ist rein – nicht aufgrund <strong>der</strong> Praxis <strong>des</strong><br />

Yoga, nicht aufgrund <strong>der</strong> Zerstörung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, nicht<br />

aufgrund <strong>der</strong> Anweisungen <strong>des</strong> Guru. <strong>Die</strong> Wahrheit ist rein<br />

von Natur aus.<br />

49. Es gibt keinen aus den fünf Elementen bestehenden<br />

Körper, folglich gibt es keinen körperlosen Zustand. All<br />

dies hier ist nichts als nur das absolute Selbst. Wie könnte<br />

es dann die drei Zustände und den vierten 2 geben?<br />

50. Ich bin we<strong>der</strong> gebunden noch frei; ich bin nicht<br />

verschieden von Brahman. Ich bin we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Täter noch<br />

<strong>der</strong> Genießer. Ich bin ohne innere und äußere Dualität.<br />

51. Wird Wasser mit Wasser vermischt, gibt es stets<br />

immer nur Wasser ohne Unterschiedenheit. Auf dieselbe<br />

Weise sind für mich Prakriti und Purusha 3 unterschiedslos.<br />

53. Ich kenne deine Gestalt als die Höchste<br />

Unmittelbarkeit, allgegenwärtig wie <strong>der</strong> Raum. Falls es<br />

daneben noch irgendetwas an<strong>der</strong>es geben sollte, wäre<br />

dies nur wie Wasser in einer Luftspiegelung.<br />

54. Für Mich gibt es we<strong>der</strong> einen Guru noch eine<br />

Unterweisung, we<strong>der</strong> begrenzende Vorschriften noch<br />

Tätigkeiten. Kenne das spirituelle Bewusstsein, welches<br />

wie <strong>der</strong> Äther ist. Ich bin rein von Natur aus.<br />

55. Du bist rein und körperlos, du besitzt keinen<br />

Verstand, du bist höher als das Höchste. Ich bin <strong>der</strong> Atman<br />

– die Höchste Wahrheit. Schäme dich nicht, dies zu<br />

erklären.<br />

1 Schöpfungsbeginn<br />

2 Wachen, Träumen, Schlafen und den transzendentalen<br />

Zustand. Gemeint ist hier, dass es nur den einen, ewigen<br />

Zustand gibt, <strong>der</strong> keinen Grad von Bewusstseins darstellt.<br />

3 Prakriti und Purusha: Welt und Seele, Universum und<br />

Individuum, Mensch und Gott<br />

44


56. Oh Verstand! Weshalb weinst du? Werde das Selbst<br />

durch das Selbst. Oh liebes Kind! Koste den unbefleckten,<br />

erlesenen Nektar <strong>der</strong> Nondualität.<br />

59. Ich bin we<strong>der</strong> geboren noch jemals tot, Ich habe<br />

we<strong>der</strong> Gutes noch Schlechtes getan. Ich bin das reine,<br />

eigenschaftslose Brahman – wie könnte es für mich<br />

Bindung und Befreiung geben?<br />

63. Du hast we<strong>der</strong> Mutter noch Vater, we<strong>der</strong> Verwandte<br />

noch Gattin, we<strong>der</strong> Sohn noch Freund. Du bist we<strong>der</strong><br />

parteiisch noch unparteiisch. Wie könnte dann also <strong>der</strong><br />

Kummer im Verstand entstehen?<br />

64. Du kennst keinen Verstand, keinen Tag, keine Nacht,<br />

keinen Sonnenaufgang, keinen Sonnenuntergang. Wie<br />

könnte ein weiser Mensch dem Körperlosen einen Körper<br />

zuschreiben?<br />

69. Unter welchen Umständen und an welchen Orten<br />

auch immer die Yogis sterben – sie gehen an Ort und Stelle<br />

in das Brahman ein, wie <strong>der</strong> Raum innerhalb <strong>des</strong> Kruges in<br />

den unbegrenzten Raum eingeht.<br />

71. <strong>Die</strong> Yogis erachten Dharma, Artha und Kama, den<br />

Wunsch nach Freiheit, sämtliche bewegten Kreaturen,<br />

sämtliche unbewegten Kreaturen und überhaupt alles als<br />

bloßes Wasser in einer Luftspiegelung.<br />

III-14 Ich bin unberührt vom Staub <strong>des</strong> Samsara, Ich bin<br />

wandellos. Ich kenne die endlosen Sorgen nicht und nicht<br />

die Besessenheit <strong>der</strong> Finsternis. Ich habe keine Auswirkung<br />

auf die Ausübung <strong>des</strong> Svadharma 1 . Ich bin die unsterbliche<br />

Weisheit, die immer gleichbleibende <strong>Essenz</strong> –<br />

allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-34 Oh lieber Freund! Weshalb klagst du? Es gibt da<br />

we<strong>der</strong> Alter noch Tod. Oh lieber Freund! Weshalb klagst<br />

du? Es gibt da keine Furcht vor Wie<strong>der</strong>geburt. Oh lieber<br />

Freund! Weshalb klagst du? Es gibt für dich keinerlei<br />

Modifikationen (Erkläre:) Ich bin die unsterbliche Weisheit,<br />

die immer gleichbleibende <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend<br />

wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-35 Oh lieber Freund! Weshalb klagst du? Du hast<br />

keine Form. Oh lieber Freund! Weshalb klagst du? Du bist<br />

alterslos! Ich bin die unsterbliche Weisheit, die immer<br />

1 eigenes Lebensschicksal im Unterschied zum (universellen)<br />

Dharma<br />

45


gleichbleibende <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie <strong>der</strong><br />

Raum.<br />

III-44 Kenne das Eine Bewusstsein, welches ohne Feuer<br />

und Luft ist. Kenne das Eine Bewusstsein, welches ohne<br />

Erde und Wasser ist. Kenne das Eine Bewusstsein, welches<br />

ohne Raum und Äther ist. Kenne das Eine Bewusstsein,<br />

welches hingedehnt ist wie <strong>der</strong> Himmel.<br />

VII-15 Der erleuchtete Weise, <strong>der</strong> sämtliche Wünsche<br />

ausgetrieben hat und in <strong>der</strong> immer gleichbleibenden<br />

<strong>Essenz</strong> eingetaucht ist, erklärt die Wahrheit, dass niemand<br />

erfolgreich sein wird, <strong>der</strong> Es (Brahman) zu kennen<br />

versucht, und dass sogar die Veden Es nicht zu<br />

beschreiben vermögen.<br />

VIII-1 <strong>Die</strong> Pilgerfahrt leugnet die Allgegenwärtigkeit <strong>der</strong><br />

Gottheit. <strong>Die</strong> Meditation leugnet den jenseits <strong>des</strong> Mentalen<br />

liegenden Zustand <strong>der</strong> Gottheit. <strong>Das</strong> Gebet leugnet das<br />

jenseits <strong>der</strong> Rede liegende Sein <strong>der</strong> Gottheit. Sei so gut<br />

und vergib mir diese drei Irrtümer!<br />

VIII-2 Da gibt es einen, <strong>der</strong> ungerührt von Wünschen,<br />

selbstbeherrscht, liebenswürdig, sauber, besitzlos und<br />

ohne Bestrebungen ist, <strong>der</strong> wenig isst, still und geradlinig<br />

ist, und <strong>der</strong> seine Zuflucht im Selbst nimmt; <strong>der</strong> ruhig ist.<br />

VIII-3 Wer ist dieser, <strong>der</strong> ohne Stolz ist, auf natürliche<br />

Weise scharfsinnig und klug, voller Mut und Tapferkeit,<br />

siegreich über die sechs üblen Eigenschaften, ohne<br />

Anmaßung, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e respektiert, <strong>der</strong> ein Vorbild,<br />

freundlich, mitfühlend und weise ist?<br />

VIII-4 Wer ist dieser Gütige, Mitfühlende, <strong>der</strong> fern aller<br />

Rachsucht ist, <strong>der</strong> voll <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Standhaftigkeit ist, <strong>der</strong><br />

geduldig gegenüber allen Wesen ist, <strong>der</strong> die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong><br />

Wahrheit ist, <strong>der</strong> hochgesinnt ist und den Gleichmut<br />

besitzt, <strong>der</strong> allen Gutes tut?<br />

VIII-5 Darin besteht die Natur <strong>des</strong> Avadhuta 1 , die wert<br />

ist, von den Jüngern, den Kennern <strong>der</strong> Worte <strong>der</strong> Veden<br />

und den Erklärern <strong>des</strong> Veda und <strong>Vedanta</strong> gekannt zu<br />

werden.<br />

VIII-11 Entsage den Frauen durch Verstand, Körper und<br />

Rede. Du kannst nicht den Himmel und die Befreiung<br />

haben, so lange sich dein Herz nach Vergnügen sehnt.<br />

1 Erleuchteter<br />

46


VIII-12 Ich vermag nicht zu begreifen, weshalb die Frau<br />

erschaffen wurde. Sie ist die große Verführerin, das<br />

Hin<strong>der</strong>nis für die Seligkeit <strong>des</strong> Svarga und Moksha 1 .<br />

VIII-14 Oh, wer hat nur diese Frauen erschaffen, die<br />

voller Verstellung und Stolz sind, die ohne Wahrheit und<br />

Reinheit sind, die die Schlinge zum Einfangen aller<br />

menschlichen Wesen sind?<br />

VIII-15 Auch wenn sie die Gattin von Brahman selbst ist,<br />

ist die Frau immer noch die Hölle selbst. Der Mensch wird<br />

in dieser Hölle geboren und erfreut sich dieser Hölle. Ah!<br />

Schaut nur dieses bedauernswerte Leben im Samsara an!<br />

VIII-16 Ich weiß mit Gewissheit, dass Frauen die Hölle<br />

sind, die Fessel. In ihr wird <strong>der</strong> Mann geboren, hinter ihr<br />

läuft er durch Anhaftung wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> her.<br />

VIII-19 <strong>Das</strong> gesamte Universum zusammen mit den<br />

Göttern, den Asuras 2 und den Männern, wird durch eine<br />

Körperöffnung, übelriechend und wie ein Geschwür,<br />

getäuscht.<br />

VIII-20 Der Körper <strong>der</strong> Frau ist <strong>der</strong> furchtbare Ozean,<br />

angefüllt mit den Wassern <strong>des</strong> Blutes. Oh, wer hat nur<br />

diese Frau mit ihren Fallstricken geschaffen!<br />

VIII-21 Im Innern die Hölle – im Außen eine falsche<br />

Verkleidung: <strong>Das</strong> ist die Frau. Sie ist wahrhaftig <strong>der</strong> Feind<br />

<strong>des</strong> großen Mantra (<strong>der</strong> Upanishaden).<br />

VIII-24 <strong>Die</strong> Frau ist wie die Feuergrube, <strong>der</strong> Mann wie<br />

<strong>der</strong> Topf voller Butter. Kommen sie in Kontakt miteinan<strong>der</strong>,<br />

wird die Butter schmelzen. Daher sollten Frauen gemieden<br />

werden.<br />

VIII-26 <strong>Die</strong> beiden großen Sünden sind das Trinken <strong>des</strong><br />

Alkohol und die Verbindung mit den Frauen. Indem <strong>der</strong><br />

Weise diese beiden aufgibt, kann er sich selbst in <strong>der</strong><br />

Höchsten Wahrheit verankern. 3<br />

VIII-27 Wird <strong>der</strong> Verstand vom Kummer betroffen, leidet<br />

auch <strong>der</strong> Körper. Wird <strong>der</strong> Verstand krank, beginnen auch<br />

die Bestandteile <strong>des</strong> Körpers zu verfallen. Daher sollte man<br />

1 Svarga, Moksha: himmlische Welten, spirituelle Befreiung<br />

2 Dämonen<br />

3 Hinweis: <strong>Die</strong> Kritik <strong>der</strong> Frauen hier gilt ebenso den Männern.<br />

Was hier gefor<strong>der</strong>t wird, ist nicht die Aufgabe von Männern<br />

o<strong>der</strong> Frauen, son<strong>der</strong>n die Aufgabe <strong>des</strong> Bewusstseins <strong>des</strong> Sex<br />

und <strong>der</strong> Anhaftung an ein solches Bewusstsein.<br />

47


den Verstand stets gut pflegen, denn nur in einem<br />

gesunden Verstand können die Fähigkeiten <strong>der</strong> Intelligenz<br />

gut gedeihen.<br />

II<br />

I-31 Wird <strong>der</strong> Krug zerbrochen, geht <strong>der</strong> Raum darin in<br />

ein Ununterschiedenes ein. Ich sehe keinerlei Unterschied<br />

zwischen dem Höchsten Selbst und dem reinen Verstand.<br />

I-33 Wisse unerschütterlich, dass Ich das bin, was<br />

überall und zu allen Zeiten ist, das Alles, das Selbst, das<br />

Ewige, das Feste. <strong>Das</strong> gesamte Sein ist gleichzeitig ein<br />

Vakuum als auch Fülle. Ich bin <strong>Die</strong>ses Höchste Selbst.<br />

I-58 Es gibt kein Lernen, keine Logik, keine<br />

Konzentration und keinen Yoga, keinen Ort, keine Zeit,<br />

keinen Guru, keine Unterweisung. Ich bin das aus sich<br />

selbst heraus existierende Bewusstsein, die Wirklichkeit,<br />

die wie <strong>der</strong> Himmel ist – wahr und dauerhaft.<br />

I-60 Wenn das Bewusstseinslicht allgegenwärtig, ewig,<br />

erfüllt und unterschiedslos ist – wie könnte es dann noch<br />

einen Raum dafür geben, um alles im Innern und Außen zu<br />

durchdringen?<br />

I-61 <strong>Das</strong> gesamte Universum leuchtet als eine<br />

unteilbare und unterschiedslose Masse. Oh, schaut euch<br />

nur diese Maya und diese großartige Täuschung an, die<br />

diese Einbildungen von Dualität und Nondualität entstehen<br />

lässt!<br />

I-65 Kenne den unver<strong>der</strong>bbaren Atman als we<strong>der</strong> geteilt<br />

noch nicht geteilt, als we<strong>der</strong> sorgenvoll noch freudevoll,<br />

als we<strong>der</strong> erfüllt noch nichtig.<br />

I-35 Wenn du allein diese Wirklichkeit bist, die ohne die<br />

Dualität <strong>des</strong> Durchdringenden und <strong>des</strong> Durchdrungenen<br />

existiert – wie kannst du dann das Selbst für entwe<strong>der</strong><br />

sichtbar o<strong>der</strong> unsichtbar halten?<br />

I-37 Wie könnte jemand wohl vom Selbst sprechen, das<br />

jenseits <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Rede ist, das frei von den<br />

Farben <strong>der</strong> Weiße ist usw., und von den Eigenschaften <strong>des</strong><br />

Klanges usw.?<br />

I-42 Du bist <strong>Das</strong> – einen Zweifel an all diesem gibt es<br />

nicht. Und was sollte ich darüber hinaus noch (als Zweites<br />

48


neben mir) kennen? Wie könntest du wissen, ob <strong>der</strong> Atman<br />

unkennbar o<strong>der</strong> selbst Selbst-Erkenntnis ist?<br />

I-47 <strong>Das</strong> Selbst ist we<strong>der</strong> Eunuch, Mann o<strong>der</strong> Frau noch<br />

Erkenntnis o<strong>der</strong> Vorstellung. Wie könntest du wissen, ob es<br />

selig o<strong>der</strong> nicht selig ist?<br />

I-52 Wenn du nicht frei bist, bist du auch nicht<br />

gebunden 1 . Wie könntest du dann wissen, ob <strong>der</strong> Atman<br />

mit o<strong>der</strong> ohne Form ist?<br />

I-57 Da ist we<strong>der</strong> Erkenntnis noch Nicht-Erkenntnis und<br />

auch nicht Erkenntnis zusammen mit Nicht-Erkenntnis.<br />

Wer diese Art von Erkenntnis allezeit beibehält, <strong>des</strong>sen<br />

Erkenntnis wird nicht mehr Wi<strong>der</strong>sprüchen unterworfen<br />

sein.<br />

I-62 Man sollte sowohl Unterschied als auch Nicht-<br />

Unterschied aufgeben, sowohl das Geformte als auch das<br />

Formlose, nämlich mit <strong>der</strong> Methode <strong>des</strong> „neti, neti“, und<br />

dann als Absolute Seligkeit existieren.<br />

I-66 We<strong>der</strong> bin ich <strong>der</strong> Täter noch <strong>der</strong> Genießer. Ich<br />

besitze keinerlei Karma – we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit noch<br />

<strong>der</strong> Gegenwart. Ich bin we<strong>der</strong> verkörpert noch entkörpert.<br />

Was bedeuten „Mein“-heit und „Nicht-Mein“-heit schon für<br />

jemanden wie mich?<br />

I-67 Ich habe keinerlei böse Wünsche usw. Ich kenne<br />

keine Sorgen um den Körper usw. Wisse, dass Ich <strong>der</strong> Eine<br />

Atman bin – hingedehnt wie <strong>der</strong> Himmel.<br />

I-68 Oh lieber Freund – du mein Verstand! Worin<br />

bestünde denn wohl <strong>der</strong> Nutzen all <strong>der</strong> Reden? All dies hier<br />

ist wahrhaftig unbeschreibbar. Seine <strong>Essenz</strong> besteht, wie<br />

ich dir wie<strong>der</strong>holt gesagt habe, darin, dass du nur diese<br />

Wirklichkeit bist, die ungebunden wie <strong>der</strong> Raum ist.<br />

I-70 Ob an einem heiligen Ort, im Haus eines<br />

Kastenlosen o<strong>der</strong> sogar im Zustand <strong>des</strong><br />

Gedächtnisverlustes – sobald einer seinen Körper mit<br />

einem gleichmütigen Verstand verlässt, erlangt er die<br />

absolute Unabhängigkeit.<br />

I-72 Niemals denke ich o<strong>der</strong> erfreue ich mich an den<br />

Taten <strong>der</strong> Vergangenheit, <strong>der</strong> Gegenwart und <strong>der</strong> Zukunft<br />

1 Der Grundgedanke ist, dass nur ein freies Wesen gebunden<br />

werden kann, daher bei<strong>des</strong> zugleich und <strong>des</strong>halb jenseits<br />

dieser beiden Zustände ist.<br />

49


und ihren Früchten – darin besteht meine<br />

unerschütterliche Anschauungsweise.<br />

I-73 Entsagend allem Stolz, wohnend an einem<br />

abgeschiedenen Ort, gereinigt durch die immer<br />

gleichbleibende <strong>Essenz</strong>, allein lebend und erfüllt von<br />

Freude, erlangt <strong>der</strong> nackte Avadhuta das Alles im<br />

Absoluten Selbst.<br />

I-74 Wo es keine drei Zustände und keinen Vierten 1 gibt,<br />

da erlangt dieser das Absolute Selbst. Wo es keinen<br />

Dharma und Adharma 2 gibt – wie könnte es noch den<br />

Unterschied <strong>des</strong> Gebundenen und <strong>des</strong> Befreiten geben?<br />

I-75 <strong>Die</strong>s ist durch Mantras nicht zu erlangen. <strong>Die</strong>s ist<br />

durch den Veda und den Tantra nicht zu erlangen. <strong>Die</strong>se<br />

heilige Feststellung stammt vom Avadhuta, <strong>der</strong> frei von<br />

allen Wünschen und in die immer gleichbleibende <strong>Essenz</strong><br />

eingetaucht ist.<br />

I-76 We<strong>der</strong> allgegenwärtige Leere noch Fülle, we<strong>der</strong><br />

Wahrheit noch Unwahrheit existieren als solche. <strong>Die</strong>se<br />

Aussage entstammt persönlicher Erfahrung und dem<br />

Wissen um die wahre Bedeutung aller Schriften.<br />

VI-1 <strong>Die</strong> Srutis 3 erklären verschiedentlich, dass wir, die<br />

Elemente wie <strong>der</strong> Raum und alles an<strong>der</strong>e wie das Wasser<br />

in einer Luftspiegelung sei. Wenn all dies nur die eine,<br />

unterschiedslose, immer gleichbleibende Seligkeit ist – wie<br />

kann dann irgend etwas mit ihr vergleichbar sein?<br />

VI-4 Es gibt keine zwei Phänomene wie Tag und Nacht.<br />

Es gibt eine Verneinung von Zunahme und Abnahme<br />

(Sonnenaufgang und -untergang). Wenn all dies nur die<br />

eine, unterschiedslose, immer gleichbleibende Seligkeit ist<br />

– wie könnte es dann Sonne, Mond und Feuer geben?<br />

VI-7 Wenn es we<strong>der</strong> Unterschied noch die Verneinung<br />

<strong>des</strong> Unterschieds gibt, wenn es we<strong>der</strong> den Kenner noch<br />

das Gekannte gibt, wenn all dies nur die eine,<br />

unterschiedslose, immer gleichbleibende Seligkeit ist – wie<br />

könnte es dann drei Zustände und einen vierten Zustand<br />

<strong>des</strong> Bewusstseins geben?<br />

1 Träumen, Wachen, Tiefschlaf und den transzendentalen,<br />

vierten Zustand<br />

2 Dharma, Adharma: Lebenspflichten, Verletzung <strong>der</strong><br />

Lebenspflichten<br />

3 heilige Schriften<br />

50


VI-8 Wenn alles jemals Erzählte und nicht Erzählte<br />

unwahr ist, wenn alles jemals Gewusste und nicht<br />

Gewusste unwahr ist, wenn all dies nur die eine,<br />

unterschiedslose, immer gleichbleibende Seligkeit ist – wie<br />

könnte es darin Objekte, Sinne, Intellekt und Verstand<br />

geben?<br />

VI-9 Wenn Himmel und Luft unwahr sind, wenn Erde und<br />

Feuer unwahr sind, wenn all dies nur die eine,<br />

unterschiedslose, immer gleichbleibende Seligkeit ist – wie<br />

könnte es darin Wolken und Regen geben?<br />

VI-10 Wenn die Welt nur ein eingebildetes Nichts ist,<br />

wenn <strong>der</strong> Körper nur ein eingebildetes Nichts ist, wenn all<br />

dies nur die eine, unterschiedslose, immer gleichbleibende<br />

Seligkeit ist – wie könnte es darin noch eine<br />

Unterscheidung zwischen guten Eigenschaften und bösen<br />

Neigungen geben?<br />

III-8 We<strong>der</strong> ist es grob noch fein, we<strong>der</strong> kommt es noch<br />

geht es, we<strong>der</strong> hat es Anfang, Mitte o<strong>der</strong> Ende, we<strong>der</strong> ist<br />

es hoch noch niedrig. Ich spreche hier von dieser Wahrheit,<br />

von <strong>der</strong> Höchsten Wirklichkeit. Ich bin die unsterbliche<br />

Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie<br />

<strong>der</strong> Raum.<br />

III-9 Bedenke, dass alle Sinne die Formen <strong>des</strong> Absoluten<br />

sind. Bedenke, dass sämtliche Objekte die Formen <strong>des</strong><br />

Absoluten sind. Kenne diese eine, makellose Wahrheit, die<br />

we<strong>der</strong> gebunden noch befreit ist. Ich bin die unsterbliche<br />

Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie<br />

<strong>der</strong> Raum.<br />

III-10 Ich bin ohne Makel und das Feuer, welches alle<br />

Makel verbrennt. Ich bin ohne Eigenschaften und das<br />

Feuer, welches alle Makel verbrennt. Ich bin ohne Bindung<br />

und das Feuer, welches alle Bindungen verbrennt. Ich bin<br />

die unsterbliche Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> –<br />

allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-20 Wenn es die drei Zustände nicht gibt – wie könnte<br />

es dann den vierten geben? Wenn es keine drei Zeiten gibt<br />

– wie könnte es Viertel davon geben? Wahrhaftig ist diese<br />

Absolute Wirklichkeit <strong>der</strong> Höchste Friede. Ich bin die<br />

unsterbliche Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> –<br />

allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-21 Ich trage an mir keinerlei Unterscheidungen von<br />

kurz o<strong>der</strong> lang, leicht o<strong>der</strong> schwer, weit o<strong>der</strong> eng,<br />

51


kreisrund o<strong>der</strong> winkelig. Ich bin die unsterbliche Weisheit,<br />

die homogene <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-27 Ich trage an mir keinerlei Modifikation <strong>der</strong> Maya<br />

und <strong>der</strong> Weltenschöpfung. Ich trage an mir keinerlei<br />

Modifikation durch das Auftreten von Verstellung und Stolz.<br />

Ich trage an mir keinerlei Modifikation durch die Konzepte<br />

von Wahrheit und Falschheit. Ich bin die unsterbliche<br />

Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie<br />

<strong>der</strong> Raum.<br />

III-30 Wie könnte ich sagen, ob dies ein Wald o<strong>der</strong> ein<br />

Haus ist? Wie könnte ich wissen, ob die Existenz erwiesen<br />

o<strong>der</strong> zweifelhaft ist? In <strong>der</strong> Tat ist all dies hier<br />

unterschiedslos, immer gleichbleibend und ungestört. Ich<br />

bin die unsterbliche Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> –<br />

allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

III-32 All dies hier erstrahlt als das Ungeborene und<br />

Unerschaffene. All dies hier erstrahlt als das Stützenlose –<br />

frei vom Wandel <strong>des</strong> Samsara. All dies hier erstrahlt als<br />

das Unzerstörbare und Todlose. Ich bin die unsterbliche<br />

Weisheit, die homogene <strong>Essenz</strong> – allesdurchdringend wie<br />

<strong>der</strong> Raum.<br />

* * *<br />

52


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhagavad Gita<br />

<strong>Die</strong> Bhagavad Gita stellt eine Unterhaltung zwischen<br />

dem Gott Sri Krishna und Arjuna dar. Erzählt wurde diese<br />

Gita anlässlich <strong>des</strong> Krieges in <strong>der</strong> Mahabharata. Arjuna<br />

entwickelte seinerzeit eine falsche Liebe zu seinen<br />

Feinden, die gleichzeitig seine Verwandten waren, und<br />

weigerte sich, gegen sie zu kämpfen. Krishna unterwies<br />

ihn über die ewigen Wahrheiten <strong>der</strong> Existenz und<br />

zerstreute seine Verzagtheit.<br />

Man sollte seine Handlungen ohne Egoismus und<br />

Anhaftung ausüben. Niemand kann ohne Tätigkeit sein –<br />

nicht einmal einen Augenblick lang. <strong>Die</strong> Prakriti 1 zwingt<br />

alle allezeit zum Handeln. Yoga ist <strong>der</strong> Gleichmut <strong>des</strong><br />

Gemüts und die Weisheit während <strong>der</strong> Tat. Sämtliche<br />

Handlungen sollten Gott dargebracht werden. Wer<br />

absolute Hingabe an Gott hat, fürchtet nichts. Er<br />

überschreitet die Maya 2 . Indem man allem entsagt, sollte<br />

man Zuflucht nur zu Gott allein nehmen. Er wird uns von<br />

allen Sünden befreien. Indem man allen Gedanken<br />

entsagt, meditiere man unablässig über Gott. Er wird die<br />

Weisheit schenken, die alle Handlungen verbrennt und den<br />

Schüler auf den Gipfel <strong>der</strong> Unsterblichkeit trägt. Darin<br />

besteht die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhagavad Gita.<br />

II-20 Der gesegnete Herr sprach:<br />

We<strong>der</strong> wurde Er geboren noch stirbt er jemals; da Er<br />

gewesen ist, hört er niemals auf zu sein; ungeboren,<br />

wandellos, und uralt, wird Er nicht getötet, wenn <strong>der</strong><br />

Körper getötet wird.<br />

II-23 Waffen können Ihn nicht schneiden, Feuer<br />

verbrennt Ihn nicht, Wasser nässt Ihn nicht und Wind dörrt<br />

Ihn nicht.<br />

II-24 <strong>Die</strong>ses Selbst kann we<strong>der</strong> geschnitten, gebrannt,<br />

genässt o<strong>der</strong> gedörrt werden. Es ist ewig,<br />

allesdurchdringend, fest, unbeweglich und uralt.<br />

1 Natur <strong>des</strong> Universums<br />

2 Verwirrung über die Welt und die Person<br />

53


II-25 Von <strong>Die</strong>sem (Selbst) spricht man als<br />

unmanifestiert, jenseits <strong>des</strong> Denkens und unwandelbar.<br />

Kenne es als ein solches, und du wirst nicht mehr trauern.<br />

II-27 Sicher ist <strong>der</strong> Tod für den Geborenen, und sicher ist<br />

die Geburt für den Toten – trauere daher nicht mehr über<br />

das Unvermeidbare.<br />

II-38 Kämpfe in <strong>der</strong> Schlacht, indem du Freude und Leid,<br />

Gewinn und Verlust, Sieg und Nie<strong>der</strong>lage als dasselbe<br />

betrachtest. Auf diese Weise wirst du nicht sündigen.<br />

II-40 <strong>Die</strong>se Praxis zieht keinerlei Verlust an Kraft und<br />

keinen Schaden nach sich (d.h., keine wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Resultate o<strong>der</strong> falsches Verhalten). Auch nur ein Weniges<br />

dieser Erkenntnis (sogar nur wenig Praxis dieses Yoga)<br />

schützt vor großer Furcht.<br />

II-47 Du hast ein Recht zur Arbeit, aber niemals ein<br />

Recht auf die Früchte. Lass nicht die Früchte <strong>des</strong> Handelns<br />

dein Motiv sein, und lass da auch keine Anhaftung ans<br />

Untätigsein entstehen.<br />

II-48 Führe deine Handlungen, oh Dhananjava, in <strong>der</strong><br />

Stetigkeit <strong>des</strong> Yoga, im Aufgeben <strong>der</strong> Anhaftungen und im<br />

Gleichmut bei Gewinn und Verlust aus. <strong>Die</strong><br />

Gleichförmigkeit <strong>des</strong> Gemüts ist Yoga.<br />

II-56 Wessen Gemüt nicht von Feindseligkeit aufgerührt,<br />

wer nicht nach den Sinnesvergnügen giert, wer frei von<br />

Anhaftung, Furcht und Zorn ist – den nennt man jemanden<br />

mit festgegründeter Weisheit.<br />

II-57 Wer stets ohne Anhaftung ist, ob ihm Gutes o<strong>der</strong><br />

Schlechtes begegnet, wer we<strong>der</strong> frohlockt noch hasst –<br />

<strong>des</strong>sen Weisheit ist gefestigt.<br />

II-59 <strong>Die</strong> Sinnesobjekte verlassen denjenigen, <strong>der</strong><br />

enthaltsam ist, und hinterlassen ein nur noch geringes<br />

Verlangen, aber sogar dieses Verlangen noch<br />

verschwindet, sobald er das Höchste geschaut hat.<br />

II-69 Was Nacht ist für alle Wesen, ist Wachen für den<br />

selbstbeherrschten Menschen; was Tag ist für alle Wesen,<br />

ist Nacht für den Muni (Weisen), <strong>der</strong> zu sehen vermag.<br />

II-70 Derjenige erlangt den Frieden, in dem alle<br />

Wünsche untergehen wie die Wasser im Ozean, <strong>der</strong>,<br />

obwohl an allen Seiten gefüllt, unbewegt bleibt, aber nicht<br />

<strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> ein Verlangen nach dem Wünschen hegt.<br />

54


II-71 Derjenige Mensch erlangt den Frieden, <strong>der</strong> alle<br />

Wünsche aufgibt und ohne Verlangen, ohne den Sinn <strong>des</strong><br />

„mein“ und ohne Egoismus in dieser Welt wandelt.<br />

II-72 Darin besteht <strong>der</strong> Brahmische Stand (ewiger<br />

Stand), oh Sohn <strong>des</strong> Pritha. Wer dies erlangt, wird niemals<br />

getäuscht. Wer in diesem Stand verankert ist, erlangt am<br />

Ende <strong>des</strong> Lebens sogar das Einssein mit Brahman.<br />

III-5 Wahrhaftig vermag niemand, nicht einmal für einen<br />

kurzen Moment, ohne Tätigkeit zu sein, denn je<strong>der</strong> wird in<br />

<strong>der</strong> Tat durch die <strong>der</strong> Prakriti entspringenden Kräfte hilflos<br />

zum Handeln veranlasst.<br />

III-6 Wer nach außen selbstbeherrscht erscheint, aber<br />

im Innern seines Gemüts über den Sinnesobjekten brütet,<br />

hat ein falsches Verständnis und muss als Heuchler<br />

bezeichnet werden.<br />

III-17 Der Mensch jedoch, <strong>der</strong> nur im Selbst frohlockt,<br />

<strong>der</strong> mit dem Selbst zufrieden ist, <strong>der</strong> nur im Selbst zu sein<br />

wünscht und nirgends sonst – für einen solchen gibt es<br />

wahrhaftig nichts mehr zu tun.<br />

III-18 Für einen solchen besteht we<strong>der</strong> ein Interesse an<br />

dem, was getan o<strong>der</strong> noch nicht getan wurde, noch<br />

irgendein Angewiesensein auf Wesen o<strong>der</strong> Objekte.<br />

III-27 Sämtliche Tätigkeiten werden in allen Fällen stets<br />

nur durch die Kräfte <strong>der</strong> Prakriti gewirkt. Wessen Verstand<br />

durch den Egoismus getäuscht wird, <strong>der</strong> denkt: „Ich bin<br />

<strong>der</strong> Täter“.<br />

III-28 Derjenige jedoch, <strong>der</strong> die Wahrheit kennt, oh<br />

große Seele, über die Teilungen <strong>der</strong> Kräfte und (<strong>der</strong>en)<br />

Funktionen und weiß, dass die Gunas 1 in <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong><br />

Sinne mitten unter den Gunas in <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> Objekte<br />

wirken 2 , erfährt keine Anhaftung.<br />

III-29 <strong>Die</strong>jenigen, die von den Kräften <strong>der</strong> Prakriti<br />

getäuscht sind, haften an den Funktionen dieser Kräfte.<br />

Der Mensch <strong>der</strong> vollkommenen Erkenntnis darf aber<br />

diejenigen nicht stören, die nur unvollkommene Erkenntnis<br />

besitzen<br />

1 die Kräfte <strong>der</strong> Erregung, Trägheit und Ausgeglichenheit<br />

2 d. h., die Gunas wirken aufeinan<strong>der</strong> ein, erzeugen sich<br />

gegenseitig selbst immer wie<strong>der</strong> neu; ein „Ich“ ist daran nicht<br />

beteiligt<br />

55


III-30 Kämpfe, indem du in Mir sämtlichen Handlungen<br />

entsagst, deinen Verstand im Selbst zentrierst und frei von<br />

Hoffnung und Egoismus, frei vom (mentalen) Fieber bist.<br />

III-35 Besser tue man seine eigene Pflicht, auch wenn<br />

dies keinen Verdienst erbringen sollte, als die Pflicht eines<br />

an<strong>der</strong>en, auch wenn man sie zufriedenstellend erfüllt. Es<br />

ist besser, in <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong> eigenen Pflicht als in <strong>der</strong><br />

eines an<strong>der</strong>en zu sterben, denn diese erzeugt Furcht<br />

(bringt Gefahr hervor).<br />

IV-7 Wann immer es einen Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

Rechtschaffenheit gibt, oh Bharata, und die Kräfte <strong>der</strong><br />

Sünde erstarken, manifestiere Ich Mich.<br />

IV-8 Zum Schutz <strong>der</strong> Guten, zur Vernichtung <strong>der</strong><br />

Ruchlosen und zur Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong><br />

Rechtschaffenheit erscheine Ich in allen Zeitaltern aufs<br />

neue.<br />

IV-11 In welcher Form die Menschen auch immer auf<br />

Mich zutreten, so komme Ich ihnen entgegen; stets folgen<br />

sie Meinen Weg, oh Sohn <strong>des</strong> Pritha.<br />

IV-24 Brahman ist die Opfergabe, Brahman ist die<br />

geklärte Butter, durch Brahman wird die Opfergabe in das<br />

Feuer Brahmans gegossen. Wahrhaftig wird Brahman von<br />

demjenigen erlangt, <strong>der</strong> überall immer nur das tätige<br />

Brahman sieht.<br />

IV-33 <strong>Das</strong> Opfer <strong>der</strong> Gedanken ist dem Opfer von<br />

Gegenständen überlegen, oh Parantapa (Plage <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>sacher). Sämtliche Handlungen in ihrer Gänze, oh<br />

Partha, münden in <strong>der</strong> Erkenntnis.<br />

IV-34 Wisse, dass die Weisen, die die Wahrheit realisiert<br />

haben, diejenigen darin unterweisen, die sich mit ihrem<br />

ganzen Körper vor ihnen nie<strong>der</strong>werfen, ihnen Fragen<br />

stellen und dienen.<br />

IV-36 Auch wenn du <strong>der</strong> schlimmste aller Sün<strong>der</strong> sein<br />

solltest, wirst du doch wahrhaftig auf dem Floß <strong>der</strong><br />

Wahrheit das Meer deiner Sünden überqueren.<br />

IV-37 So wie das lo<strong>der</strong>nde Feuer Brennstoff zu Asche<br />

verbrennt, oh Arjuna, so verbrennt das Feuer <strong>der</strong><br />

Erkenntnis alle Handlungen zu Asche.<br />

IV-38 Wahrhaftig gibt es keinen größeren Reiniger in <strong>der</strong><br />

Welt als die Erkenntnis. Wer im Yoga vollkommen ist, findet<br />

sie im Laufe <strong>der</strong> Zeit im Selbst.<br />

56


IV-39 Der Mensch, <strong>der</strong> voller Glauben ist, <strong>der</strong><br />

hingegeben ist, <strong>der</strong> die Sinne unterworfen hat, <strong>der</strong> erlangt<br />

(diese) Erkenntnis, und nachdem er sie erworben hat, geht<br />

er sofort in den Höchsten Frieden ein.<br />

V-14 Gott erzeugt in <strong>der</strong> Welt we<strong>der</strong> Handlungen o<strong>der</strong><br />

Antriebskräfte für Handlungen noch die Früchte von<br />

Handlungen. Es ist nur die Natur, die tätig ist.<br />

V-15 Gott nimmt niemandem die Mängel o<strong>der</strong> gibt<br />

irgend jemandem Verdienste. <strong>Die</strong> Erkenntnis ist verhüllt<br />

durch Unwissenheit – so werden die Wesen getäuscht.<br />

V-16 In denjenigen jedoch, <strong>der</strong>en Unwissenheit durch<br />

die Erkenntnis <strong>des</strong> Selbst zerstört wurde, enthüllt die<br />

Erkenntnis wie die Sonne das Höchste (Brahman).<br />

V-17 Mit in Dem absorbiertem Verstand, mit ihrem<br />

Selbst, das <strong>Das</strong> geworden ist, verankert in Dem, mit Dem<br />

als ihrem höchsten Ziel – so gehen sie, sündenfrei<br />

geworden durch die Erkenntnis, dahin, von wo es keine<br />

Wie<strong>der</strong>kehr gibt.<br />

V-18 Weise betrachten einen mit Bescheidenheit und<br />

Wissen versehenen Brahmin 1 , eine Kuh, einen Elefanten<br />

und sogar einen Hund und einen Ausgestoßenen mit<br />

demselben Auge <strong>des</strong> Gleichmuts.<br />

V-22 <strong>Die</strong> Vergnügen, die aus Kontakt entstanden sind,<br />

sind nichts als Erzeuger von Schmerz, denn sie haben<br />

einen Anfang und ein Ende, oh Sohn <strong>der</strong> Kunti (Kaunteya) –<br />

<strong>der</strong> Weise frohlockt ihretwegen nicht.<br />

V-24 Wer im Innern glücklich ist, wer in seinem Innern<br />

frohlockt, wer im Innern erleuchtet ist – dieser Yogi erlangt<br />

die absolute Freiheit in Brahman selbst, er ist selbst<br />

Brahman.<br />

VI-2 Kenne, oh Pandava, den Yoga als das, was wir<br />

Entsagung nennen. Niemand kann ein Yogi werden, <strong>der</strong><br />

nicht den Gedanken entsagt hat.<br />

VI-4 Ein Mensch, <strong>der</strong> nicht an Sinnesobjekte o<strong>der</strong><br />

Handlungen angehaftet ist, <strong>der</strong> allen Gedanken entsagt<br />

hat – von diesem sagt man, dass er den Yoga erlangt habe.<br />

VI-9 Wer mit demselben Gemütsauge die gutherzigen<br />

Freunde, die Feinde, die Gleichgültigen, die Fremden, die<br />

1 Brahman-Priester und -Gelehrte<br />

57


Hassenden, die Verwandten, die Rechtschaffenen und die<br />

nicht Rechtschaffenen betrachtet, <strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Vortreffliche.<br />

VI-17 Der Yoga wird zum Zerstörer <strong>des</strong> Schmerzes für<br />

denjenigen, <strong>der</strong> mäßig isst und ruht (wie nach dem<br />

Wan<strong>der</strong>n usw.), <strong>der</strong> zurückhaltend in den Tätigkeiten <strong>des</strong><br />

Lebens ist, <strong>der</strong> im Schlafen und Wachen Maß hält.<br />

VI-22 Wer denkt, dass er nach dem Erlangen von<br />

diesem nichts Höheres mehr zu gewinnen hat und darin<br />

verankert ist, <strong>der</strong>jenige wird nicht länger beunruhigt, auch<br />

nicht von allergrößtem Leid.<br />

VI-23 Wisse, dass dies mit dem Namen Yoga bezeichnet<br />

wird: <strong>Die</strong> Loslösung von <strong>der</strong> Gemeinschaft mit dem<br />

Leiden. <strong>Die</strong>ser Yoga sollte mit Entschiedenheit und<br />

unverzagten Verstand praktiziert werden.<br />

VI-35 Unzweifelhaft, oh Starkarmiger, ist <strong>der</strong> Verstand<br />

schwer zu unterwerfen und stets ruhelos, aber durch<br />

Praxis, oh Kaunteya, und durch Leidenschaftslosigkeit kann<br />

er beherrscht werden.<br />

VI-40 Oh Partha, we<strong>der</strong> in dieser noch <strong>der</strong> nächsten Welt<br />

gibt es für diesen Tod o<strong>der</strong> Vernichtung – den Aspiranten –,<br />

denn wahrhaftig erfährt niemand, <strong>der</strong> Gutes tut, oh mein<br />

Sohn, jemals Kummer.<br />

VI-44 Durch diese Praxis <strong>des</strong> Yoga macht ein solcher<br />

sogar gegen seinen Willen Fortschritte. Schon einer, <strong>der</strong><br />

den Yoga nur kennenzulernen wünscht, geht damit bereits<br />

jenseits <strong>der</strong> Vorschriften <strong>des</strong> Veda.<br />

VII-3 Unter Tausenden strebt vielleicht nur ein einziger<br />

nach <strong>der</strong> Vollkommenheit; unter diesen erfolgreich<br />

Strebenden wie<strong>der</strong>um gibt es vielleicht nur einen, <strong>der</strong><br />

Meine <strong>Essenz</strong> kennt.<br />

VII-7 Etwas Höheres als Mich gibt es nicht, oh<br />

Dhananjava. Alles hier ist auf Mir aufgereiht wie die edlen<br />

Perlen auf einer Schnur.<br />

VII-18 Edel sind sie gewiss alle, diese Mir<br />

Hingegebenen, aber die Weisen erachte Ich als Mein<br />

eigenes Selbst. Mit standfesten Gemüt ist dieser in Mir<br />

allein als dem höchsten Ziel verankert.<br />

VII-19 Am Ende vieler Geburten gelangt <strong>der</strong> weise<br />

Mensch zu Mir, erkennend, dass all dies Vasudeva (das<br />

innerste Selbst) ist. Eine solche große Seele ist nur schwer<br />

zu finden.<br />

58


VIII-6 Wer am Ende seines Lebens den Körper verlässt,<br />

geht stets nur dahin, oh Kaunteya (Sohn <strong>der</strong> Kunti), wohin<br />

sein Denken aufgrund seines ständigen Denkens daran<br />

gerichtet ist.<br />

VIII-7 Denke daher zu allen Zeiten an Mich allein und<br />

kämpfe. Mit in Mir verankertem (o<strong>der</strong> absorbiertem)<br />

Verstand und Intellekt wirst du ohne jeden Zweifel zu Mir<br />

und nur zu Mir, kommen.<br />

VIII-13 Wer die Einsilbe OM, das Brahman, anstimmt<br />

und stets nur an Mich denkt, <strong>der</strong> erlangt, sobald er<br />

abscheidet und den Körper verlässt, das Höchste Ziel.<br />

VIII-15 Nachdem sie Mich erlangt haben, treten diese<br />

großen Seelen in keine neue Geburt, die die Heimstatt <strong>der</strong><br />

Schmerzen und nicht von Dauer ist, mehr ein – sie haben<br />

die höchste Vollkommenheit (Moksha) erreicht.<br />

VIII-16 (Alle) Welten einschließlich <strong>der</strong> Welt von Brahma<br />

sind <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kehr unterworfen, oh Arjuna, aber<br />

<strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> Mich erreicht hat, oh Kaunteya, kennt keine<br />

Wie<strong>der</strong>geburt mehr.<br />

IX-22 Für diejenigen Menschen, die Mich allein verehren<br />

und an nichts an<strong>der</strong>es denken, die immer mit Mir<br />

verbunden sind, stelle ich das sicher, was sie noch nicht<br />

besitzen (Yoga), und erhalte ihnen das, was sie bereits<br />

besitzen (Kshema).<br />

IX-23 Sogar diejenigen Hingegebenen, die voller<br />

Vertrauen an<strong>der</strong>e Götter verehren, verehren im Grunde<br />

nur Mich allein, oh Sohn <strong>der</strong> Kunti, auch wenn sie dabei<br />

falsche Methoden verwenden.<br />

IX-27 Was immer du tun magst, was immer du isst, was<br />

immer du als Opfergabe reichst, was immer du gibst, was<br />

immer du als Askese praktizierst, oh Kaunteya – biete es<br />

Mir an.<br />

IX-29 Für alle Wesen bin Ich Derselbe, für Mich ist<br />

niemand hassenswert o<strong>der</strong> lieb, aber diejenigen, die Mich<br />

mit Hingabe verehren, sind in Mir und auch Ich bin in<br />

ihnen.<br />

IX-32 Wer Zuflucht zu Mir nimmt, wird ebenfalls, oh<br />

Partha, auch wenn er eine sündige Geburt gehabt haben<br />

59


sollte – wie Frauen, Vaishyas 1 und auch Sudras 2 -, das<br />

Höchste Ziel erreichen.<br />

IX-33 Wie viel eher (einfacher) (werden) dann die<br />

heiligen Brahmanen und die hingegebenen, strahlenden<br />

Heiligen (das Ziel erreichen)! Verehre Mich, <strong>der</strong> du in<br />

dieser vergänglichen und unglücklichen Welt lebst.<br />

IX-10 Denjenigen, die Mich mit ununterbrochener<br />

Stetigkeit und Liebe verehren, gebe ich den Yoga <strong>der</strong><br />

Unterscheidung, durch welchen sie in Mich eingehen<br />

werden.<br />

X-11 Aus bloßem Mitgefühl für diese vertreibe Ich, <strong>der</strong><br />

Ich im Innern ihres Selbst wohne, mit <strong>der</strong> leuchtenden<br />

Lampe <strong>der</strong> Erkenntnis die aus <strong>der</strong> Unwissenheit geborene<br />

Finsternis.<br />

X-42 Aber von welchem Vorteil ist für diese das Wissen<br />

über alle diese Einzelheiten 3 , oh Arjuna? Ich existiere und<br />

trage diese ganze Welt mit nur einem Bruchteil von Mir.<br />

XII-13 Wer kein Wesen hasst, wer freundlich und<br />

mitfühlend gegenüber allen und frei von Anhaftung und<br />

Egoismus ist, ausgeglichen in Vergnügen und Schmerz,<br />

wer vergibt,<br />

XII-14 Wer stets zufrieden, fest und ausdauernd in <strong>der</strong><br />

Meditation, selbstbeherrscht und von fester Überzeugung<br />

ist und einen Mir gewidmeten Verstand und Intellekt hat,<br />

dieser, Mein Schüler, ist Mir teuer.<br />

XII-15 Wer die Welt nicht beunruhigt (stört) und selbst<br />

durch die Welt nicht beunruhigt werden kann, wer frei von<br />

Lust, Neid, Furcht und Ängstlichkeit ist – dieser ist Mir<br />

teuer.<br />

XII-16 Wer frei von Verlangen, rein, erfahren,<br />

unbekümmert und sorgenfrei ist, wer allen Bestrebungen<br />

(o<strong>der</strong> Initiativen) entsagt – dieser, <strong>der</strong> (auf diese Weise)<br />

Mir hingegeben ist, ist Mir teuer.<br />

XII-17 Wer we<strong>der</strong> frohlockt noch hasst, we<strong>der</strong> trauert<br />

noch wünscht, wer dem Guten und dem Bösen<br />

gleichermaßen entsagt und voller Hingabe ist – dieser ist<br />

Mir teuer.<br />

1 Kaufleute; diese Tätigkeit gilt als spirituell unehrenhaft<br />

2 Unreine, Kastenlose<br />

3 d. h. hier: weltliches Wissen ist nutzlos<br />

60


XII-18 Wer gegenüber Freund und Feind und auch in<br />

Ehre und Unehre <strong>der</strong>selbe ist, wer <strong>der</strong>selbe in Kälte und<br />

Hitze, Vergnügen und Schmerz und frei von Anhaftung ist,<br />

XII-19 Wem Lob und Tadel für dasselbe gelten, wer ruhig<br />

und zufrieden mit allem, heimatlos, ausgeglichen im<br />

Verstand und voller Hingabe ist – dieser ist Mir teuer.<br />

XIII-7 Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit,<br />

Harmlosigkeit, Vergebung, Rechtschaffenheit, Respekt<br />

gegenüber dem Lehrer, Reinheit, Ausdauer,<br />

Selbstbeherrschung,<br />

XIII-8 Gleichgültigkeit gegenüber den Sinnesobjekten,<br />

Abwesenheit <strong>des</strong> Egoismus, Verständnis für Leid und<br />

Schmerz, wie diese Geburt, Tod, Alter und Krankheit<br />

innewohnen,<br />

XIII-9 Losgelöstheit, ohne krankhafte Anhänglichkeit an<br />

Kind, Ehepartner, Haus usw., steter Gleichmut bei<br />

erwünschten und unerwünschten Ereignissen,<br />

XIII-10 Unerschütterliche Liebe zu Mir durch den Yoga<br />

<strong>der</strong> Nicht-Getrenntheit, Rückzug an einsame Orte,<br />

Abneigung gegen Menschenansammlungen,<br />

XIII-11 Beständigkeit in <strong>der</strong> Selbst-Erkenntnis, Intuition<br />

<strong>des</strong> wahren Wissens – dies ist erklärtermaßen das, was<br />

man Erkenntnis nennt und <strong>der</strong>en Gegenteil die<br />

Unwissenheit ist.<br />

XIII-17 <strong>Die</strong>ses, das Licht aller Lichter, ist jenseits <strong>der</strong><br />

Finsternis. Es ist die Erkenntnis, das Erkennbare und das<br />

Ziel <strong>der</strong> Erkenntnis – es wohnt in den Herzen aller.<br />

XIII-30 Wer all die Vielfalt <strong>der</strong> verschiedenen Wesen als<br />

in dem Einen ruhend zu sehen vermag, wie sie von Dem<br />

(Einen) allein ausgeht – <strong>der</strong> wird Brahman.<br />

XIV-24 Wem Freuden und Vergnügen dasselbe<br />

bedeuten, wer im Selbst lebt, für wen ein Erdkloß, Steine<br />

und Gold dasselbe bedeuten, für wen die Lieben und die<br />

nicht Lieben dasselbe sind, wer gefestigt und <strong>der</strong>selbe in<br />

Lob und Tadel ist,<br />

XIV-25 Wer <strong>der</strong>selbe in Ehre und Schande ist, wer<br />

<strong>der</strong>selbe gegenüber Freund und Feind ist und alle<br />

Bestrebungen aufgegeben hat – von diesem sagt man,<br />

dass er jenseits <strong>der</strong> Gunas gegangen sei.<br />

61


XV-6 Hier scheinen we<strong>der</strong> die Sonne o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mond<br />

noch brennt hier das Feuer. Wer diese Meine Höchste<br />

Wohnstatt erreicht hat, kehrt von hierher nicht mehr<br />

zurück.<br />

XV-12 <strong>Die</strong>ses Licht, welches in <strong>der</strong> Sonne wohnt und die<br />

ganze Welt erleuchtet, welches im Mond und im Feuer ist –<br />

wisse, dass dieses Licht Meines ist.<br />

XV-18 Da Ich das Ver<strong>der</strong>bliche überschreite und sogar<br />

höher als das Unver<strong>der</strong>bliche bin, werde Ich in <strong>der</strong> Welt<br />

und im Veda als Purushottama (<strong>der</strong> Höchste Purusha 1 )<br />

bezeichnet.<br />

XVI-21 Dreifach ist das Tor zur Hölle, zerstörerisch für<br />

das (individuelle) Selbst sind Lust, Zorn und Gier. Gib diese<br />

drei daher auf.<br />

XVI-23 Wer die Bräuche <strong>der</strong> Schriften verwirft und den<br />

Impulsen seiner Wünsche nachgibt, erlangt we<strong>der</strong><br />

Vollkommenheit und Glück noch das Höchste Ziel.<br />

XVII-14 <strong>Die</strong> Verehrung <strong>der</strong> Götter, <strong>der</strong><br />

Zweimalgeborenen 2 , <strong>der</strong> Lehrer und <strong>der</strong> Weisen, die<br />

Reinheit, Geradlinigkeit, sexuelle Enthaltsamkeit und das<br />

nicht verletzende Verhalten nennt man die Askese <strong>des</strong><br />

Körpers.<br />

XVII-15 <strong>Die</strong> Rede, die keinerlei Aufregung erzeugt, die<br />

wahr, erfreulich und wohltuend ist und die Praxis <strong>des</strong><br />

Studiums <strong>der</strong> Veden nennt man die Askese <strong>der</strong> Rede.<br />

XVII-16 <strong>Die</strong> Ernsthaftigkeit <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, die<br />

Gutherzigkeit, die Ruhe, die Selbstbeherrschung und<br />

Reinheit <strong>des</strong> Wesens nennt man die mentale Askese.<br />

XVII-23 „Om, Tat, Sat“ 3 : <strong>Die</strong>s wurde zum dreifachen<br />

Zeichen <strong>des</strong> Brahman erklärt. In diesem Zeichen wurden<br />

vor langer Zeit die Opfer, die Veden und die Brahmana<br />

eingesetzt.<br />

XVIII-52 In Zurückgezogenheit lebend, wenig essend,<br />

Rede, Körper und Verstand unterwerfend, stets mit<br />

Meditation und Konzentration befasst, Zuflucht zur<br />

Leidenschaftslosigkeit suchend,<br />

1 Purusha: Gott-Person<br />

2 d. h., <strong>des</strong> körperlich geborenen, <strong>der</strong> spirituell wie<strong>der</strong>geboren<br />

wurde<br />

3 wörtl.: »OM! <strong>Das</strong> ist Sein«<br />

62


XVIII-54 Brahman werdend und heiter im Selbst, we<strong>der</strong><br />

trauernd noch verlangend und stets <strong>der</strong>selbe gegenüber<br />

allen Wesen, erlangt man die höchste Hingabe an Mich.<br />

XVIII-61 Gott wohnt in den Herzen aller Wesen, oh<br />

Arjuna, und bringt durch seine betörende Macht sämtliche<br />

Wesen so hervor, als wären sie die drehenden Rä<strong>der</strong> einer<br />

Maschine.<br />

XVIII-65 Richte deinen Verstand fest auf Mich, sei Mir<br />

hingegeben, opfere Mir, verneige dich vor Mir. So wirst du<br />

zu Mir kommen. <strong>Die</strong>s verspreche Ich dir feierlich, <strong>der</strong> du<br />

Mir teuer bist.<br />

XVIII-66 Gib alle (an<strong>der</strong>en) Pflichten auf, nimm Zuflucht<br />

zu Mir allein. Ich werde dich von allen Sünden befreien.<br />

Trauere also nicht länger.<br />

XVIII-78 Wo Krishna ist, <strong>der</strong> Herr <strong>des</strong> Yoga, und wo<br />

Partha ist, <strong>der</strong> Bogenschütze, sind Wohlstand, Sieg, Glück<br />

und Gerechtigkeit sicher verankert: Daran glaube ich fest.<br />

* * *<br />

63


<strong>Die</strong> kleineren <strong>Gitas</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Anu Gita<br />

<strong>Die</strong>se Gita ist Teil <strong>des</strong> Ashvamedha-Parva <strong>des</strong><br />

Mahabharata 1 . Arjuna bittet Sri Krishna darum, ihm die<br />

ursprüngliche (Bhagavad) Gita erneut zu erzählen, da er<br />

diese, seit sie ihm zur Zeit <strong>des</strong> Krieges übermittelt worden<br />

war, wie<strong>der</strong> vergessen habe. Als Erwi<strong>der</strong>ung erklärt Sri<br />

Krishna, dass eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Gita unmöglich sei<br />

und erzählt anstelle <strong>des</strong>sen eine Geschichte, die<br />

verschiedene spirituelle Lehren als eine Fortsetzung <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Bhagavad Gita enthält.<br />

I-30 Nirgendwo kann dauerhaftes Glück gefunden<br />

werden. Nirgendwo sieht man einen auf immer<br />

andauernden Zustand. Anstelle <strong>des</strong>sen erlebt man stets<br />

nur den Fall aller jemals erreichten Positionen, auch <strong>der</strong><br />

großartigsten, wie groß und mühevoll auch immer die<br />

Bestrebungen gewesen sein mochten, sie zu erlangen.<br />

I-32 Wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> gibt es da den Tod. Wie<strong>der</strong> und<br />

wie<strong>der</strong> gibt es Geburt. So viele verschiedene Nahrung<br />

wurde gegessen, und von so vielen verschiedenen<br />

Mutterbrüsten wurden getrunken.<br />

I-33 So viele und zahlreiche Mütter und verschiedenste<br />

Väter wurden erblickt. Auch wun<strong>der</strong>bare Erfahrungen und<br />

schreckliche Schmerzen wurden erlebt.<br />

I-33 <strong>Die</strong> Trennung von den Lieben und auch das<br />

erzwungene Zusammenleben mit den Hassenswerten<br />

wurden erfahren. Aller Reichtum, obwohl mit so viel Mühe<br />

und Leiden erworben, ging wie<strong>der</strong> verloren.<br />

I-35 Unerträgliche Beleidigungen wurden ertragen, von<br />

Verwandten und auch von an<strong>der</strong>en. Äußerst starken<br />

Schmerzen <strong>des</strong> Körpers und von Verstand und Seele wurde<br />

man ebenfalls unterworfen.<br />

1 indisches Nationalepos<br />

64


I-36 Extreme Formen von Entehrung tauchten auf.<br />

Schauerliche Morde und Gefangennahmen mussten erlebt<br />

werden. Viele Male wurden Stürze in die Hölle und Leiden<br />

in <strong>der</strong> Heimstatt Yamas 1 erfahren.<br />

I-37 Viele Male haben Alter und Gebrechen Mühen<br />

verursacht. Durch stetiges Aneinan<strong>der</strong>-Reiben <strong>der</strong><br />

Gegensatzpaare in dieser Welt wurde so viel Sorge erlebt.<br />

I-38 Nachdem ich auf diese Weise von Unterjochung,<br />

Beleidigung und Leiden aller Arten in Stücke gerissen<br />

worden bin und in schweren Kummer versank, habe ich<br />

Ekel gegenüber allem entwickelt und und den drei Welten<br />

entsagt.<br />

II-7 Wer dem Lebensende entgegengeht, beginnt auf<br />

verdrehte Weise zu handeln. Sein Intellekt umwölkt sich,<br />

sobald <strong>der</strong> Tod naht.<br />

II-8 Wer vom Materiellen besessen ist und seine<br />

körperliche Verfassung, seine Kraft und seine Umstände<br />

nicht richtig beurteilt, isst zum falschen Zeitpunkt das, was<br />

schädlich für sein eigenes Selbst ist.<br />

II-9 Ein solcher Mensch wird allen möglichen Arten von<br />

Leiden unterworfen – entwe<strong>der</strong> nimmt er zuviel zu sich<br />

o<strong>der</strong> sogar überhaupt nichts.<br />

II-10 Er verzehrt verseuchte Nahrung und Fleisch, und<br />

eine solche Nahrung richtet beim Zusammenkommen<br />

Schaden an. Er nimmt zu schwere Mahlzeiten zu sich und<br />

überisst sich sogar dann, wenn Verdauungsstörungen<br />

bestehen.<br />

II-11 Er ist zu sorglos und verspielt, und ergeht sich<br />

zuviel im Geschlechtsverkehr. Da er durch die Karmas 2<br />

kontrolliert wird, handelt er nur aufgrund von Impulsen.<br />

II-12 Er isst zu scharf gewürzte Speisen und schläft am<br />

Tage. Handlungen wie diese stacheln die sündhaften<br />

Neigungen <strong>der</strong> Person zur Unzeit, noch weit vor <strong>der</strong><br />

To<strong>des</strong>stunde, an.<br />

III-1 Handlungen, gute wie schlechte, vergehen nicht.<br />

Indem sie wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> begangen werden, reifen ihre<br />

Früchte in verschiedenen Körpern und auf gleiche Weise<br />

heran.<br />

1 Gott <strong>des</strong> To<strong>des</strong><br />

2 d. h. hier: blinde Leidenschaften und Gewohnheiten aus <strong>der</strong><br />

Vergangenheit<br />

65


III-33 Derjenige überquert den Ozean <strong>des</strong> Samsara – <strong>der</strong><br />

so schwer zu überqueren ist –, <strong>der</strong> erkennt, dass sämtliche<br />

Freuden nur Schmerzen in an<strong>der</strong>er Gestalt sind.<br />

IV-1 Wer sich an einen einsamen Ort setzt, dort ruhig ist<br />

und an nichts denkt und nach und nach allem entsagt,<br />

wird frei von allen Handlungen und Initiativen.<br />

IV-2 Derjenige Mensch ist befreit, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Freund aller<br />

ist, <strong>der</strong> alles geduldig erträgt, <strong>der</strong> still und<br />

selbstbeherrscht ist, <strong>der</strong> frei von Furcht und Zorn und ohne<br />

Leidenschaften ist.<br />

IV-3 Derjenige ist in <strong>der</strong> Tat rundherum befreit, <strong>der</strong> rein<br />

im Herzen und selbstbeherrscht ist und alle Wesen als sein<br />

eigenes Selbst betrachtet, <strong>der</strong> egolos und ohne Stolz ist.<br />

IV-4 Der ist befreit, <strong>der</strong> <strong>der</strong>selbe im Leben wie im Tode,<br />

in Vergnügen und Schmerzen, Gewinn und Verlust, Liebe<br />

und Hass ist.<br />

IV-5 Derjenige ist gewiss ein Befreiter, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e um<br />

nichts bittet, <strong>der</strong> niemanden kränkt, <strong>der</strong> jenseits <strong>der</strong><br />

Gegensatzpaare und frei von Wünschen ist.<br />

IV-6 Derjenige ist befreit, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> Feinde noch<br />

Freunde und keine Kin<strong>der</strong> hat, <strong>der</strong> Dharma, Artha und<br />

Kama 1 aufgegeben hat und ohne Erwartungen ist.<br />

IV-7 Derjenige erlangt die Befreiung, <strong>der</strong> we<strong>der</strong><br />

tugendhaft noch lasterhaft ist, <strong>der</strong> keine Vorräte anhäuft,<br />

<strong>der</strong> das Fleisch gekreuzigt hat, <strong>der</strong> heiteren Gemütes und<br />

ohne die Gegensatzpaare ist.<br />

IV-8 Jemand, <strong>der</strong> den Tätigkeiten entsagt hat und<br />

wunschlos geworden ist, sollte stets bedenken, wie doch<br />

die gesamte Welt vergänglich, ruhelos und schwer zu<br />

kontrollieren ist und stets von Geburt, Alter und Tod<br />

verfolgt wird.<br />

IV-10 Man erlangt die Befreiung, wenn man das Selbst<br />

wahrnimmt, welches ohne Geruch, ohne Geschmack, ohne<br />

Berührung, ohne Klang, unergreifbar, farblos und<br />

unkennbar ist.<br />

1 Dharma, Artha, Kama: Lebenspflichten, Wohlstandserwerb,<br />

weltliche Freuden<br />

66


IV-14 Wer von allen Samskaras 1 frei geworden ist,<br />

erlangt das ewige Brahman, das Höchste, das Friedvolle,<br />

das Unbewegte, das Immerwährende, das Unver<strong>der</strong>bliche.<br />

IV-17 Nachdem man von den Sinnen Abstand<br />

genommen hat, sollte man den Verstand im Atman<br />

fixieren. Zu Beginn sollte man nachdrückliche Askese<br />

praktizieren, danach sollte <strong>der</strong> Yoga <strong>der</strong> Befreiung<br />

praktiziert werden.<br />

IV-24 Sobald eine Person klar das Selbst als die Absolute<br />

Identität wahrzunehmen in <strong>der</strong> Lage ist, gibt es für sie<br />

keinen Gott mehr, da sie selbst zum Gott <strong>der</strong> drei Welten<br />

geworden ist.<br />

IV-26 Derjenige, <strong>der</strong> im Selbst zentriert ist, überlässt<br />

sogar sein Gott-sein den Göttern. Er gibt den<br />

vergänglichen Körper auf und erlangt das Unzerstörbare<br />

Brahman.<br />

IV-27 Ein solcher fürchtet nichts, wenn die Welten<br />

zerstört werden; ein solcher ist nicht gequält davon, dass<br />

die Wesen leiden.<br />

IV-29 Ihn verletzen die Waffen nicht, für ihn gibt es<br />

keinen Tod. Nirgendwo in <strong>der</strong> Welt könnte eine größere<br />

Freude gefunden werden.<br />

IV-32 Wer, nachdem er sich im Selbst verankert hat, das<br />

Selbst im Selbst zu sehen vermag, verlangt nicht nach den<br />

Titeln Indras 2 .<br />

XX-16 <strong>Die</strong> Erkenntnis ist das Höchste. Sannyasa 3 ist das<br />

größte Tapas 4 . Wer mit Bestimmtheit die Wahrheit <strong>der</strong><br />

Weisheit, das unberührte Selbst in allen Wesen, kennt, ist<br />

die Quelle und die Zuflucht für alle.<br />

XX-34 Brahman ist Wahrheit. Tapas ist Wahrheit. Der<br />

Schöpfer ist Wahrheit. Alle Wesen werden aus <strong>der</strong><br />

Wahrheit geboren. <strong>Die</strong> ganze Welt mitsamt ihrem Inhalt ist<br />

Wahrheit.<br />

XX-35 Daher sind die Brahmins 5 in <strong>der</strong> Wahrheit<br />

verwurzelt. Sie sind auf immer dem Yoga hingegeben. Sie<br />

1 „Gedankensamen“, hier: schädliche Neigungen aus <strong>der</strong><br />

Vergangenheit<br />

2 Der Gott <strong>der</strong> Götter<br />

3 Leben als Entsagen<strong>der</strong><br />

4 Askese, Selbstbeherrschung, Sammlung<br />

5 Brahman-Priester und -Gelehrte<br />

67


efinden sich jenseits von Zorn und Leid. Sie sind<br />

selbstbeherrscht und die Ehegemahle <strong>der</strong><br />

Rechtschaffenheit.<br />

XXVIII-18 Der Tag endet zum Sonnenuntergang. <strong>Die</strong><br />

Nacht endet zum Sonnenaufgang. Glück zeugt Unglück.<br />

Kummer zeugt Glück.<br />

XXVIII-19 Alles Anhäufen ist nichts an<strong>der</strong>es als völlige<br />

Erschöpfung. Aufstieg findet statt bis zum Fall. Vereinigung<br />

findet statt bis zur Trennung. Leben findet statt bis zum<br />

Tod.<br />

XXVIII-20 Sämtliche Tätigkeit findet statt bis zur<br />

Zerstörung. Der Tod ist dem gewiss, <strong>der</strong> geboren wurde.<br />

Sämtliche bewegten und unbewegten Wesen sind in dieser<br />

Welt vergänglich.<br />

XXVIII-21 Was im Opfer geopfert, in <strong>der</strong> Wohltätigkeit<br />

gegeben, in <strong>der</strong> Buße praktiziert, was gelernt und studiert,<br />

sämtliche Vratas 1 und Sitten – alles dieses ist zur<br />

Vernichtung bestimmt. <strong>Die</strong> Weisheit jedoch kennt kein<br />

Ende.<br />

XXVIII-22 Daher ist <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> durch Weisheit<br />

gereinigt wurde, <strong>der</strong> still in Verstand und Seele,<br />

selbstbeherrscht und ohne den Sinn <strong>des</strong> „mein“ und ohne<br />

Egoismus ist, von allen Sünden befreit.<br />

XXVIII-20 (Der Bhikshu 2 ) sollte we<strong>der</strong> froh gestimmt<br />

sein, sobald er etwas bekommen hat, noch<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen sein, wenn er nichts erhalten hat. Er<br />

sollte nicht so viel Bhikhsa 3 zu sich nehmen, da von ihm<br />

lediglich erwartet wird, dass er seine Pranas 4 intakt erhält.<br />

XXXI-1 <strong>Die</strong>jenigen, die die Wahrheit sprechen, sagen,<br />

dass Sannyasa Buße sei. <strong>Die</strong> Brahmins, die im Brahman<br />

eingetaucht sind, sagen, dass die Erkenntnis Brahman und<br />

das Höchste sei.<br />

XXXI-3 Durch Weisheit und Buße nehmen die Helden<br />

dieses Höchste wahr – sie, die ruhig im Gemüt, rein und<br />

frei von Rajas 5 und makellos sind.<br />

1 religiöse Feiern zur Wunscherfüllung<br />

2 Bettelmönch<br />

3 Bettelspeise<br />

4 „Körperwinde“, die Lebenstätigkeiten, hier: Entsagung<br />

körperlicher Übertreibung<br />

5 Erregung<br />

68


XXXI-4 <strong>Die</strong>jenigen, die stets im Sannyasa verankert<br />

sind, die die Kenner <strong>des</strong> Brahman sind – diese wan<strong>der</strong>n mit<br />

dem Mittel <strong>der</strong> Buße den gesegneten Pfad und erreichen<br />

den Höchsten Herrn.<br />

XXXV-29 Zwei <strong>Buch</strong>staben bedeuten den Tod. Drei<br />

<strong>Buch</strong>staben bedeuten das Ewige Brahman. „Mama“ –<br />

„mein“ – führt zum Tod. „Na-mama“ – „nicht mein“ – führt<br />

zur Ewigkeit.<br />

XXXV-30 Manche stumpfsinnige Leute preisen das<br />

Karma 1 . <strong>Die</strong> weisen, großen Seelen preisen niemals das<br />

Karma.<br />

XXXV-31 Aufgrund <strong>des</strong> Karma wird ein Wesen mit einem<br />

Körper und den sechzehn Bestandteilen 2 geboren. Durch<br />

den Erwerb <strong>der</strong> Erkenntnis nimmt es am unsterblichen<br />

Purusha 3 , dem Kennbaren, teil.<br />

XXXV-32 Daher befreunden sich diejenigen, die die<br />

Sichtweise <strong>der</strong> Wahrheit all <strong>des</strong>sen besitzen, niemals mit<br />

dem Karma. <strong>Die</strong>ses Selbst ist erfüllt von Erkenntnis – nicht<br />

vom Karma.<br />

XXXV-33 Derjenige stirbt niemals, <strong>der</strong> auf diese Weise<br />

das unsterbliche, ewige, unerfassbare und unver<strong>der</strong>bliche,<br />

dieses teure Selbst, das Unangehaftete, kennt.<br />

* * *<br />

1 hier: die Welt mit ihren Leidenschaften<br />

2 die insgesamt sechzehn Bestandteile von Körper, Gemüt und<br />

Geist<br />

3 Gott-Person<br />

69


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Brahma Gita<br />

<strong>Die</strong> Brahma Gita ist Teil <strong>des</strong> Nirvana Prakarana im Yoga<br />

Vasistha. Es ist eine Unterhaltung zwischen dem Weisen<br />

Vasistha und Sri Rama. <strong>Die</strong>ses Gita ist sehr stark<br />

philosophisch und handelt von <strong>der</strong> höchsten Wirklichkeit<br />

bzw. dem höchsten Sein. Es wird auf klare Weise die Natur<br />

Brahmans, <strong>der</strong> Welt und <strong>der</strong> individuellen Seele dargelegt.<br />

In Wahrheit gibt es nur das ewige Brahman. Nicht<br />

existiert in Wahrheit als solches. <strong>Die</strong> Welt ist nichts als ein<br />

fälschliches Abbild o<strong>der</strong> eine Erscheinungsform Brahmans.<br />

<strong>Das</strong> Individuum ist wie eine Wasserblase im Ozean<br />

Brahmans. <strong>Die</strong> gesamte Welt ist wie ein langer Traum und<br />

gänzlich ohne Substanz. Nur Brahman, die Absolute,<br />

Undifferenzierte Masse von Satchidananda 1 , existiert. <strong>Die</strong><br />

Verwirklichung dieser einen <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Wahrheit bedeutet<br />

die Erlangung <strong>des</strong> Ewigen Lebens. Darin besteht die<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Brahma Gita.<br />

I-9 Sri Vasistha sprach:<br />

So wie es nur das individuelle Bewusstsein ist, welches<br />

im Traum als Holz, Steine usw. erscheint, so ist es auch nur<br />

das eine, Unendliche Bewusstsein, welches die Gestalt <strong>der</strong><br />

Schöpfung und an<strong>der</strong>er Dinge annimmt.<br />

I-10 und 11 So wie das Individuum aus Bewusstsein<br />

und dem unbewussten Körper mit seinen Fingernägeln,<br />

Haaren, dem Wasser, Raum und weiteren<br />

Erscheinungsformen besteht, so ist das Absolute das<br />

Bewusstsein und erscheint als <strong>der</strong> kosmische, leblose<br />

Körper <strong>des</strong> Universums mit seinen beweglichen und<br />

unbeweglichen Bewohnern.<br />

I-13 All dies hier ist nichts als das Unendliche<br />

Bewusstsein – we<strong>der</strong> gibt es da einen Wahrnehmer noch<br />

das Wahrgenommene. Darin besteht die große Stille, und<br />

dies ist <strong>der</strong> Zustand <strong>des</strong> großen Erwachens <strong>des</strong><br />

träumenden Menschen (<strong>des</strong> unwissenden Jiva 2 ).<br />

1 die drei Ausdrucksformen Brahmans: Sein (Sat), Bewusstsein<br />

(Chid), Seligkeit (Ananda)<br />

2 individuelle Seele<br />

70


I-17 Sobald einer durch rationales Erwägen empfindet:<br />

„Ich bin nicht die Welle – ich bin <strong>der</strong> Ozean selbst“, wie<br />

könnte dann die Welle noch länger eine Welle bleiben?<br />

I-18 Es ist nur das Eine Brahman, welches als Welle<br />

erscheint. <strong>Das</strong> Wesen <strong>der</strong> Welle und das Wesen <strong>des</strong><br />

Ozeans sind zwei Kräfte <strong>des</strong> einen Brahmans, das hier<br />

allein erscheint.<br />

I-19 Der Schöpfer Brahma ist <strong>der</strong> kosmische Verstand,<br />

<strong>der</strong> selbst nichts als das Traumbewusstsein <strong>der</strong><br />

Unendlichen Wirklichkeit ist, die selbst niemals ihre Gestalt<br />

<strong>der</strong> Absolutheit aufgibt (trotz <strong>der</strong> Schöpfung).<br />

I-26 Der großartige Glanz <strong>des</strong> Unendlichen Bewusstseins<br />

wird <strong>der</strong> universelle Gott (Virat bzw. Isvara) genannt, <strong>der</strong><br />

wie eine durch Vorstellungskraft geschaffene Stadt ist.<br />

Seine Schöpfungen sind gleichermaßen mental.<br />

I-27 <strong>Die</strong> Schöpfung ist ein Traum. Auch Wachsein ist ein<br />

Traum. Der Körper ist ein Traum. So wie die Masse an<br />

Schlaf durch den Traum aufgerührt wird, so ist auch das<br />

empirische Bewusstsein auf die scheinbare Bewegung <strong>des</strong><br />

Absoluten Bewusstseins zurückzuführen.<br />

I-31 Der in sich wi<strong>der</strong>spiegelnde Glanz <strong>des</strong> Einen<br />

Bewusstseins ist es allein, <strong>der</strong> als das Universum <strong>der</strong><br />

Vielfalt erscheint. Nur das Selbst allein wird als das<br />

Universum erfahren.<br />

I-32 Der allerhöchste Schöpfer <strong>der</strong> Welt und <strong>des</strong> Raumes<br />

sind diese erscheinende, eine Masse von Bewusstsein. All<br />

das ist von seiner Natur her wie die Traumgebilde im<br />

Traum <strong>des</strong> Selbst, so wie die Welt mit ihren Bergen und<br />

Elefanten nur ein Traum ist.<br />

II-1 So wie einer in seinem persönlichen Traum die<br />

Vielzahl <strong>der</strong> Objekte erschafft, so ist auch die Erschaffung<br />

dieses Universums nur ein Traum im Absoluten<br />

Bewusstsein. <strong>Die</strong> Welt ist nur eine Erscheinung. <strong>Die</strong> drei<br />

Welten 1 sind daher nichts als Brahman.<br />

II-2 <strong>Die</strong> Welten sind die Wellen im Brahman-Ozean.<br />

Sämtliche Individuen sind das Schäumen dieser Wellen.<br />

Auch die an<strong>der</strong>en Formen dieser vielfältigen Schöpfung<br />

und <strong>des</strong> vereinigenden Bewusstseins <strong>der</strong> Seligkeit sind nur<br />

<strong>Das</strong>. Daher besitzen die Dualität und ihr Gegenteil<br />

keinerlei Substanz.<br />

1 Tiefschlaf, Wachen, Träumen<br />

71


II-4 <strong>Die</strong>se Welt ist, sobald sie einmal durch Nachdenken<br />

tiefgründig verstanden wurde, nur das, was die<br />

Traumobjekte für den Wachzustand sind. Wie könnte es für<br />

jemanden, <strong>der</strong> die Unterscheidungskraft erobert hat, noch<br />

Wünsche geben?<br />

II-10 Der Zustand <strong>des</strong> Nirvikalpa 1 ist <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong><br />

erlesenen Indifferenz. Savikalpa 2 ist <strong>der</strong> Zustand <strong>des</strong><br />

Wachseins für das relative Universum. In diesen beiden<br />

relativen Zuständen können we<strong>der</strong> Konzentration noch<br />

Meditation das ultimative Bewusstsein erlangen.<br />

II-13 Der Jivanmukta 3 tritt ins <strong>Das</strong>ein durch diese<br />

höchste Unterscheidung und das richtige Wissen um die<br />

gänzliche Unmöglichkeit <strong>der</strong> Weltschöpfung, da sie nichts<br />

als eine bloße Illusion ist.<br />

II-15 Der höchste Zustand <strong>des</strong> Seins ist die grenzenlose<br />

Stille (wie im Schlaf). Er wird Turiya o<strong>der</strong> Nirvana genannt,<br />

und man bezeichnet ihn ferner auch als Moksha.<br />

II-16 Nur dieser Stand <strong>des</strong> Seins in <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong><br />

Ewigen Weisheit ist <strong>der</strong> Zenit <strong>der</strong> Meditation. Es ist <strong>der</strong><br />

Stand, in dem sämtliches objektives Sein <strong>der</strong> gänzlichen<br />

Auslöschung anheimgefallen ist. <strong>Die</strong>se Absolute Erkenntnis<br />

ist das Höchste Ziel.<br />

II-17 Es ist nicht leblos wie Stein. Es ist nicht unbewusst<br />

wie <strong>der</strong> Schlaf. Es ist we<strong>der</strong> Nirvikalpa noch Savikalpa, und<br />

es ist ebenfalls nicht inexistent.<br />

II-18 Es ist die äußerste Nicht-Existenz sämtlicher<br />

Formen <strong>der</strong> Objektivität. <strong>Das</strong> allein ist das ursprüngliche<br />

(genuine) Bewusstsein. <strong>Das</strong> ist Alles und <strong>Das</strong> ist Nichts.<br />

Nur <strong>Das</strong> kennt <strong>Das</strong>.<br />

II-19 <strong>Die</strong>ses gesamte, wahrnehmbare Universum in Dem<br />

befindet sich einem Zustand totaler Auflösung. Es ist <strong>der</strong><br />

Friede von Wahrheit und Bewusstsein. Es ist das Höchste<br />

Sein.<br />

II-20 Es gibt da nicht vieles o<strong>der</strong> eines. Es ist nichts – es<br />

ist alles. Es ist das äußerste Ende und jenseits aller<br />

Konzepte von Sein und Nicht-Sein.<br />

II-26 <strong>Die</strong> Täuschung <strong>der</strong> Weltwahrnehmung kann durch<br />

Askesepraktiken und Pilgerfahrten nicht überwunden<br />

1 unterschiedslose Meditation, „Leersein“<br />

2 Weltwahrnehmung<br />

3 spirituell noch im Leben Befreiter<br />

72


werden. Askese und heilige Bä<strong>der</strong> mögen himmlische<br />

Zustände hervorbringen, aber niemals Befreiung.<br />

II-27 <strong>Die</strong> Täuschung wird durch das Verstehen <strong>der</strong><br />

heiligen Texte und die tiefgründige Meditation über ihre<br />

Bedeutung überwunden. Befreiung ist nur durch Selbst-<br />

Erkenntnis und durch kein an<strong>der</strong>es Mittel möglich.<br />

III-3 <strong>Die</strong> Welt ist wie die Frau, <strong>der</strong> sich einer in seinem<br />

Traum erfreut, unwirklich. <strong>Die</strong> Wahrheit besteht darin, dass<br />

da nur dieser erlesene Friede <strong>des</strong> Unendlichen<br />

Bewusstseins regiert.<br />

III-6 Objektives Bewusstsein ist selbst eine<br />

Traumschöpfung. Wie könnte es dann also die Erde usw.<br />

geben, und wie könnte es eine Schöpfung geben?<br />

III-11 <strong>Die</strong>se Bewegung <strong>des</strong> Bewusstseins innerhalb von<br />

sich selbst ist ein Spiel von Dem in Ihm Selbst. Es ist die<br />

Unendliche Wirklichkeit, die in <strong>der</strong> Unendlichen<br />

Wirklichkeit auftaucht. <strong>Die</strong>s alles hier ist die Form dieses<br />

vollkommen Reinen Wesens.<br />

III-15 Es ist nur dieses Eine, Höchste, Formlose<br />

Brahman, welches in Seinem Sich Selbst gleichen Zustand<br />

das gesamte, gestaltete Universum <strong>der</strong> mannigfaltigen<br />

Eigenschaften ist.<br />

III-17 Nur das Eine Brahman erscheint aufgrund seiner<br />

Natur als das individuelle, fiktive Selbst. <strong>Das</strong> Ewige,<br />

welches seine Natur niemals aufgibt, erscheint so, als wäre<br />

es ein differenziertes, psychisches Wesen.<br />

III-22 Es gibt hier keinen Planeten Erde. Es gibt keinen<br />

Körper. Es gibt hier tatsächlich überhaupt nichts zu sehen.<br />

Nur das eine Sein <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> hat sich selbst als dieses<br />

ausgedehnte Universum verbreitet – es ist auf immer<br />

wandelhaft.<br />

III-23 Sobald tiefgründig darüber nachgedacht wird,<br />

stellt sich heraus, dass hier überhaupt nichts existiert,<br />

nicht einmal <strong>der</strong> Verstand. Nur diese Eine Masse <strong>der</strong><br />

Bewusstseins-Absolutheit erstrahlt durch Sich Selbst in<br />

Sich Selbst.<br />

III-34 Wisse, dass all dies die absolut Friedvolle, Ewige<br />

Wirklichkeit ist. <strong>Das</strong> Geburtlose, das Unver<strong>der</strong>bbare, das<br />

Absolute, das Großartige, die Homogene Wahrheit ist diese<br />

Welt.<br />

73


III-38 Brahman erscheint so als die Welt (<strong>der</strong><br />

Schöpfung), wie <strong>der</strong> Schlaf in den Traum übergeht. Und<br />

doch ist all dies nur die eine selige, friedvolle Wirklichkeit.<br />

Sobald sie erstrahlt, wird sie vielfältig.<br />

III-77 Man sollte sein kostbares Leben nicht durch<br />

närrische Einbildungen zu Asche verbrennen. Mit <strong>der</strong> Hilfe<br />

<strong>der</strong> erlesenen Weisheit, <strong>der</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis, sollte<br />

man die gesamte Existenz ins Selbst eintauchen.<br />

III-78 Nicht einmal einen einzigen Moment <strong>des</strong> Lebens<br />

könnte man mit allem Reichtum <strong>des</strong> gesamten Universums<br />

zusammegenommen erkaufen. Wer sein kostbares Leben<br />

nutzlos verschwendet, begeht einen wahrhaftig<br />

unverzeihlichen Fehler.<br />

V-9 Nichts hier entwickelt sich. Nichts hier verschwindet<br />

jemals. <strong>Das</strong> eine anfangslose und endlose Absolute<br />

Brahman allein existiert.<br />

V-10 Was wäre die Ursache von was, durch was und für<br />

welchen Zweck, und wo? <strong>Die</strong>se Frage besitzt keinerlei<br />

Substanz (denn alles ist Brahman).<br />

V-14 Niemand ist unwissend, niemand hat Erkenntnis.<br />

Wie könnte man über den Baum am Himmelsfirmament<br />

sprechen, <strong>der</strong> doch unwirklich ist?<br />

VI-21 Es gibt hier kein einziges Wesen, das als eine<br />

unterschiedene Wesenheit existiert. Zu allen Zeiten ist die<br />

Gesamtheit <strong>der</strong> Existenz nichts als das eine Friedvolle,<br />

Undifferenzierte Brahman.<br />

VI-22 <strong>Das</strong> Reine, <strong>der</strong> Ozean <strong>der</strong> Weisheit, das Absolute,<br />

die Stille, die Undifferenzierte Wirklichkeit scheint als die<br />

Materialität <strong>der</strong> Erde usw. aufzutauchen, die jedoch nichts<br />

als ein Traum o<strong>der</strong> Einbildung ist.<br />

VI-23 <strong>Die</strong>ses Universum existiert we<strong>der</strong> am Anfang noch<br />

am Ende, denn es besitzt überhaupt keine Ursache.<br />

Folglich ist es sogar in <strong>der</strong> Gegenwart (in <strong>der</strong> Mitte) nichts<br />

an<strong>der</strong>es als eine illusorische Erscheinung, wie<br />

Traumerscheinungen.<br />

VI-24 Der Himmel, die Erde, die Luft, das Firmament, die<br />

Berge, die Flüsse, die verschiedenen Erdteile – all dieses<br />

kennt man allein als den großen Strom <strong>des</strong> Erlesenen<br />

Undifferenzierten Bewusstseins.<br />

VI-42 Da sämtliche Welten, ihre Erde und ihre Berge,<br />

nichts als diese Bewusstseinsmasse sind, ist all dieses<br />

74


nichts als das strahlende Licht <strong>des</strong> Bewusstseins. Was<br />

könnte man darüber hinaus noch darüber sagen?<br />

VI-48 <strong>Die</strong> Bäume sind das Brahman-Bewusstsein. <strong>Die</strong><br />

Erde ist Brahman-Bewusstsein. Der Himmel ist das<br />

Brahman-Bewusstsein. <strong>Das</strong> Firmament ist das Brahman-<br />

Bewusstsein. <strong>Die</strong> Berge sind das Brahman-Bewusstsein.<br />

Nichts, was nicht das Brahman-Bewusstsein ist, könnte<br />

jemals existieren.<br />

VI-59 So wie jemand nach und nach diese stete<br />

Wahrnehmung <strong>des</strong> Brahman-Bewusstseins an allen Orten<br />

innerhalb von sich selbst entwickelt, so verschwindet nach<br />

und nach vollständig und in kurzer Zeit all sein Kummer.<br />

VI-61 Für die Toren, die wahrhaftig ein unglückliches<br />

Leben führen und nicht diese Wahrnehmung <strong>des</strong> Brahman-<br />

Bewusstseins erlangt haben – für diese ist dieser<br />

langdauernde Samsara <strong>der</strong> harte und wirkliche Vajra 1 , und<br />

dieser endet niemals.<br />

VII-3 Absolutes Bewusstsein existiert in Absolutem<br />

Bewusstsein. Stille existiert in Stille. <strong>Das</strong> Unendliche<br />

existiert im Unendlichen. Weisheit erblüht in Weisheit.<br />

VII-6 <strong>Die</strong> Hände sind das Reine Bewusstsein. Der Kopf<br />

ist das Reine Bewusstsein. <strong>Die</strong> Sinne sind das Reine<br />

Bewusstsein. All dies ist die Friedvolle Ungeteilte <strong>Essenz</strong>.<br />

Nichts hier ist getrennt voneinan<strong>der</strong>.<br />

VII-18 Der Seher, das Sehen und das Gesehene sind alle<br />

das Strahlen <strong>des</strong> Bewusstseins <strong>der</strong> Absoluten Wirklichkeit.<br />

Alles Wahrgenommene ist nichts als ein leerer Traum.<br />

Daher ist dieses ganze Universum nichts als das<br />

Unendliche Bewusstsein.<br />

* * *<br />

1 mächtige, unzerstörbare Gottheit<br />

75


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Janaka Gita<br />

<strong>Die</strong> Janaka Gita bildet einen Teil <strong>des</strong> Upashanti Prakarana<br />

<strong>des</strong> Yoga Vasishtha. Es handelt sich dabei um einen<br />

Monolog <strong>des</strong> Königs Janaka nach dem Anhören <strong>der</strong> von<br />

Siddhas 1 nahe seines Palastes gesungenen Lie<strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Welt ist wie ein nichtiger Schatten und<br />

gekennzeichnet durch Vergänglichkeit und Tod. <strong>Das</strong> Leben<br />

als Individuum ist höchst miserabel – das Leben als das<br />

Absolute ist das einzig Wahre, nach dem man streben<br />

sollte. <strong>Die</strong> intellektuelle Erkenntnis gilt nichts gegenüber<br />

<strong>der</strong> intuitiven Weisheit. Alles schwindet dahin und nichts<br />

ist für ewig. <strong>Die</strong> Welt ist wie ein böser Traum – das<br />

menschliche Leben elend. <strong>Die</strong> Brahman-Verwirklichung<br />

wird durch Unterscheidung und tiefgründige Meditation<br />

erlangt. Darin besteht die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Janaka Gita.<br />

I-13 Janaka sprach:<br />

Je<strong>des</strong> Jahr, jeden Monat, jeden Tag und in jedem Moment<br />

kommen ungeheure Massen von Schmerz und Sorge in <strong>der</strong><br />

Gestalt von Freuden auf uns. In Wahrheit taugen sie zu<br />

nichts an<strong>der</strong>em als zur Trauer.<br />

I-17 Trotz meiner großen Klugheit hat mich diese<br />

gewaltige Täuschung überwältigt wie eine schwarze Wolke<br />

das Strahlen <strong>der</strong> Sonne verdunkelt.<br />

I-18 Was sind sie schon wert – alle meine großen<br />

Vergnügen! Was sind sie schon wert – diese meine<br />

Verwandten! Wie ein Kind von einem Gespenst geängstigt<br />

wird, so bin ich vom Gefühl <strong>der</strong> Individualität geängstigt.<br />

I-20 Lass meine Besitztümer da o<strong>der</strong> fort sein – was<br />

spielt das für mich für eine Rolle? Weshalb sollte ich diese<br />

Dinge lieben? Alle meine Reichtümer sind wie berstende<br />

Blasen – sie sind wahrhaftig völlig illusionär.<br />

I-21 Alle meine Vornehmheit und Vergnügungen, alle<br />

meine Freunde, Gefährten und Verwandten – all dieses ist<br />

nichts als Einbildung. Weshalb sollte ich für illusionäre<br />

Dinge dieser Art noch Anhänglichkeiten pflegen?<br />

1 Wesen mit spirituellen Kräften<br />

76


I-22 Wohin sind all die Reichtümer <strong>der</strong> Könige<br />

gegangen? Wohin sind alle die von Brahma 1 erschaffenen<br />

Welten gegangen?Alle sind sie (im Fortgang <strong>der</strong> Zeiten)<br />

zerstört und aufgelöst worden. Wie könnte ich Vertrauen in<br />

alle diese Dinge haben?<br />

I-23 Millionen von Indras 2 wurden wie Blasen im Ozean<br />

<strong>der</strong> Ewigkeit verschluckt. <strong>Die</strong> Weisen lachen über<br />

jemanden wie mich, <strong>der</strong> seine Zuversicht am Nagel <strong>des</strong><br />

irdischen Lebens aufgehängt hat!<br />

I-24 Millionen von Brahmas sind vorübergegangen. Viele<br />

Zyklen <strong>der</strong> Weltenschöpfung sind abgelaufen. <strong>Die</strong> Könige<br />

<strong>der</strong> Erde sind wie Staubkörner im Nichts verschwunden.<br />

Worin sollten dann wohl <strong>der</strong> Glaube und die Zuversicht in<br />

mein Leben und seine Zuverlässigkeit bestehen?<br />

I-25 <strong>Die</strong> Welt ist ein böser Traum in <strong>der</strong> finsteren Nacht<br />

<strong>des</strong> Samsara 3 und <strong>der</strong> sinnliche Körper nichts als ein<br />

Missverständnis <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>. Wenn ich mich auf diese<br />

Dinge verlasse, dann pfui wegen dieser Schwäche!<br />

I-26 „Er ist das“, „ich bin dies“ - alle diese närrischen<br />

Wahrnehmungen sind aus bloßer Einbildungskraft heraus<br />

entstanden, die unwirklich ist. Sie ist das Ergebnis <strong>der</strong><br />

Teufel <strong>der</strong> Selbstsucht. Oh weh! Wie bin ich doch so<br />

unwissend in diesen Dingen!<br />

I-27 <strong>Das</strong> Leben wird in jedem Augenblick von den<br />

machtvollen Winden <strong>der</strong> Zeit davongeblasen, die im Stillen<br />

wirken. Obwohl ich dies zu erkennen vermag, bin ich<br />

immer noch blind all dem gegenüber.<br />

I-28 <strong>Die</strong>se großartigen Wesen, die die Sivas und<br />

Vishnus 4 wie <strong>Die</strong>ner und Spielzeuge benutzen – sogar<br />

diese mächtigen und ungeheuren Manifestationen wurden<br />

von <strong>der</strong> Zeit entwurzelt! Oh du Liebe zum Leben! Weshalb<br />

führst du in meinem Innern deinen Tanz auf?<br />

I-31 Misslichkeiten über Misslichkeiten haben mich<br />

heimgesucht. Sorgen über Sorgen haben mich gequält.<br />

Noch nicht einmal jetzt bin ich ohne Leidenschaften! Oh<br />

weh! Schande über mich, <strong>der</strong> ich das elendste aller Wesen<br />

bin.<br />

1 <strong>der</strong> Weltenschöpfer-Gott<br />

2 Indra: Der Herr, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Götter<br />

3 Welt <strong>der</strong> Gegensätze, Welt aus Krieg und Kampf<br />

4 Siva, Vishnu: Götter <strong>des</strong> Neuaufbaus und Erhaltung, die<br />

gestaltenden Mächte <strong>des</strong> Universums<br />

77


I-32 In welches Objekt einer auch immer alle seine<br />

Zuversicht gesetzt und wofür er sein Herz entflammt hat –<br />

schon während <strong>des</strong> Anblickens beginnt all dieses schon<br />

wie<strong>der</strong> zu ver<strong>der</strong>ben! Was kann es dann überhaupt Gutes<br />

auf dieser Erde geben?<br />

I-34 Auf welches Objekt <strong>der</strong> Mensch auch immer seine<br />

Liebe richtet – dieses Objekt wird für ihn zur Quelle seiner<br />

raschen Zerstörung.<br />

I-36 Während <strong>der</strong> Kindheit befindet man sich in <strong>der</strong><br />

Gewalt <strong>der</strong> Unwissenheit. In <strong>der</strong> Jugendzeit wird man von<br />

den Frauen überwältigt. Der Rest <strong>des</strong> Lebens wird von den<br />

Schwierigkeiten <strong>des</strong> Familienlebens bestürmt. Was kann<br />

dieser Narr denn schon Sinnvolles tun?<br />

I-37 Stets nur nichtig, beeinträchtigt von <strong>der</strong> Misere <strong>der</strong><br />

wechselnden Lebensumstände, vergänglich, dürr und<br />

wertlos ist dieser Samsara. Und doch vermag <strong>der</strong> Tor dies<br />

nicht zu erkennen.<br />

I-39 Wo sollte denn wohl <strong>der</strong> Ort im Himmel, auf <strong>der</strong><br />

Erde o<strong>der</strong> in den Unterwelten sein, an dem man frei von all<br />

diesem Unglück ist?<br />

I-41 <strong>Das</strong> Nicht-Sein überthront das Sein. Hässlichkeit<br />

nimmt den Platz <strong>der</strong> Schönheit ein. Alle Vergnügen werden<br />

von den Sorgen angeführt. Weshalb sollte ich mich all<br />

diesem zuwenden?<br />

I-42 <strong>Die</strong> gesamte Welt ist ununterschieden (sehr dicht)<br />

von den geringen Kreaturen, den weltlich Gesinnten,<br />

bevölkert, die in großer Zahl geboren werden und sterben.<br />

Schwierig ist es, wirklich gute und weise Leute zu treffen.<br />

I-44 Es gibt Personen, die durch Öffnen und Schließen<br />

<strong>des</strong> Augenlids zahlreiche Universen erschaffen und<br />

zerstören. Was ist jemand wie ich im Vergleich mit diesen?<br />

I-49 <strong>Die</strong>ses Universum ist nur wie eine zufällig<br />

aufgetauchte Erscheinung. Aufgrund seiner Illusioniertheit<br />

schafft <strong>der</strong> Tor vergeblich den Unterschied zwischen dem<br />

Wünschenswerten und dem nicht Wünschenswerten.<br />

I-50 So wie eine Motte ins Feuer zu fallen wünscht, so<br />

bin auch ich diesen nichtigen Vergnügen verhaftet, die<br />

niemals dauerhafte Zufriedenheit bringen und nichts als<br />

Aufregung und Bestürzung hervorrufen.<br />

I-51 Es ist besser, sich in das lo<strong>der</strong>nde Höllenfeuer zu<br />

stürzen und darin zu verbrennen, als in den<br />

78


Unternehmungen <strong>des</strong> Samsara, in denen man durch<br />

Schmerz und Kummer hin und her geschleu<strong>der</strong>t wird, zu<br />

leiden.<br />

I-53 <strong>Die</strong>se unglücklichen Wesen, die den Schrecken <strong>der</strong><br />

gewaltigen Schmerzen und Sorgen <strong>des</strong> Samsara zum<br />

Opfer gefallen sind – gewiss werden sie alle an<strong>der</strong>en<br />

Leiden wie süße Vergnügen betrachten!<br />

I-60 Ah! Endlich wurden mir die Augen geöffnet. Jetzt<br />

bin ich glücklich. Nun wurde <strong>der</strong> <strong>Die</strong>b, <strong>der</strong> den Atman 1<br />

gestohlen hat, gefasst. <strong>Die</strong>ser Verstand war <strong>der</strong> <strong>Die</strong>b – ich<br />

werde ihn nun töten. Seit langem wurde ich von diesem<br />

<strong>Die</strong>b beunruhigt.<br />

I-63 Endlich wurde ich von den weisen, großen Siddhas<br />

auf die richtige Weise erweckt. Ich werde Zuflucht zum<br />

Selbst nehmen, das die Quelle <strong>des</strong> Höchsten Seligkeit ist.<br />

I-65 Oh Unterscheidung! Ich werfe mich vor dir nie<strong>der</strong>.<br />

Jetzt endlich kann ich die irrealen Ideen <strong>des</strong> „ich bin dies“<br />

und „dies gehört mir“ usw. vollständig und mit Gewalt<br />

vertreiben. Indem ich den äußerst machtvollen<br />

Verstan<strong>des</strong>feind töte, werde ich den Frieden erlangen.<br />

* * *<br />

1 das göttliche Selbst<br />

79


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rama Gita (1)<br />

Aus: Adhyatma-Ramayana<br />

<strong>Die</strong>se Gita erscheint im Adhyatma-Ramayana 1 . Sie<br />

enthält eine Unterhaltung zwischen Sri Rama und seinem<br />

Bru<strong>der</strong> Sri Lakshmana. Darin werden <strong>der</strong> <strong>Advaita</strong> <strong>Vedanta</strong><br />

und seine verschiedenen Prinzipien von Jiva, Avidya,<br />

Ishvara, Maya usw. sowie <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Verwirklichung<br />

<strong>des</strong> Ewigen Seins, <strong>des</strong> Brahman, dargelegt.<br />

8. Sri Rama sprach:<br />

Alle Tätigkeiten führen zu weiterer Bindung und zur<br />

Wie<strong>der</strong>geburt. Aufgrund von Liebe und Hass scheinen sich<br />

die Tätigkeiten voneinan<strong>der</strong> zu unterscheiden. Wegen <strong>der</strong><br />

Anhaftung begeht <strong>der</strong> Mensch gute und schlechte Taten<br />

und gelangt so immer tiefer in den Zyklus <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>geburten. Nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt finden wie<strong>der</strong><br />

weitere Tätigkeiten statt. Auf diese Weise beginnt <strong>der</strong><br />

Verlauf <strong>des</strong> weltlichen Lebens wie ein Rad umherzuwirbeln.<br />

9. <strong>Die</strong> Wurzelursache dafür ist die Unwissenheit. <strong>Die</strong><br />

Austilgung <strong>der</strong> Unwissenheit ist daher das einzige Mittel<br />

zur Zerstörung dieser Ursache <strong>des</strong> weltlichen Lebens. Nur<br />

die Erkenntnis vermag diese Unwissenheit zu vernichten.<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeiten können dies nicht, weil sie selbst aus <strong>der</strong><br />

Unwissenheit geboren wurden und ihr daher we<strong>der</strong><br />

wi<strong>der</strong>sprechen noch entgegengesetzt sind.<br />

10. <strong>Die</strong> Ausübung von Tätigkeiten zerstört we<strong>der</strong> die<br />

Unwissenheit noch die Anhaftung. Sie führt nur zu<br />

weiterem Leiden im verkörperten Leben. Ein weiser<br />

Mensch sollte daher die Tätigkeiten aufgeben, die voller<br />

Makel sind, und sich <strong>der</strong> Erkenntnis und Meditation<br />

verpflichten.<br />

16. Daher sollte <strong>der</strong> weise Mensch alle Tätigkeiten<br />

aufgeben. Es kann kein Nebeneinan<strong>der</strong> von Tätigkeit und<br />

Erkenntnis geben, weil Tätigkeit <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

1 Ein altes Sanskrit-Werk bestehend aus 4200 Strophen, das die<br />

spirituellen Tugenden <strong>des</strong> Ramayana, eines antiken Epos,<br />

hervorhebt.<br />

80


wi<strong>der</strong>spricht. Ziehe die Sinne von sämtlichen Objekten<br />

zurück und widme dich stets <strong>der</strong> Erlangung <strong>der</strong> Selbst-<br />

Verwirklichung.<br />

18. Wenn einer das Höchste Licht <strong>der</strong> Erkenntnis im<br />

Selbst erlangt, welches die Idee <strong>der</strong> Getrenntheit <strong>des</strong><br />

Höchsten Selbst und <strong>der</strong> individuellen Seele zerstört,<br />

verschwindet Maya 1 zusammen mit ihren Sprösslingen, die<br />

Geburt, Wie<strong>der</strong>geburt und neue Tätigkeit verursachen,<br />

sofort.<br />

19. Sobald die Unwissenheit durch diese Erkenntnis, die<br />

selbst nichts als reine und nonduale Lichtheit ist,<br />

ausgelöscht wurde, kann sie nicht wie<strong>der</strong>kehren. Wie<br />

könnte die Avidya 2 erneut Tätigkeiten verursachen, wenn<br />

sie ein und für alle Mal durch die aus den Srutis 3<br />

gewonnene Erkenntnis beseitigt wurde?<br />

21. <strong>Die</strong> Taittiriya-Upanishade hat nachdrücklich erklärt,<br />

dass man ganz gewiss sämtlichen Tätigkeiten zu entsagen<br />

habe. <strong>Die</strong> Brihadaranyaka-Upanishade hat darüber hinaus<br />

gesagt, dass nur die Erkenntnis allein und niemals die<br />

Tätigkeit zu Moksha 4 führen könne.<br />

24. Erwirb mit einem Herzen voller Glauben und einem<br />

gereinigten Verstand die Gnade <strong>des</strong> Guru und erkenne das<br />

Einssein <strong>des</strong> Jiva 5 mit Brahman durch den Ausspruch: „Tat<br />

Tvam Asi“ (<strong>Das</strong> bist Du). Sei dann glücklich und so fest wie<br />

<strong>der</strong> Berg Meru.<br />

25. <strong>Die</strong> Bedeutung dieses Ausspruchs wird richtig<br />

erkannt, indem die Bedeutung <strong>der</strong> drei Worte darin richtig<br />

verstanden wird. „Tat“ und „Tvam“ stehen für das Höchste<br />

Selbst und die individuelle Seele, während „Asi“ auf die<br />

Identität bei<strong>der</strong> hinweist.<br />

26. Durch Eliminierung <strong>der</strong> Upadhis 6 – <strong>des</strong><br />

Nahegelegenen und <strong>des</strong> Ferngelegenen 7 –, die den Jiva<br />

1 Täuschung über die Natur <strong>der</strong> Welt<br />

2 Unwissenheit über die Natur <strong>des</strong> Seins, Glaube an die<br />

Körperlichkeit <strong>der</strong> Welt<br />

3 heilige Schriften<br />

4 Befreiung<br />

5 individuelle Seele<br />

6 „begrenzende Attribute“, d.h. falsche Wahrnehmungen <strong>der</strong><br />

Realität<br />

7 d. h., das Außen und Innen <strong>der</strong> sinnlichen Wahrnehmung<br />

erzeugt die Illusion <strong>der</strong> individuellen Persönlichkeit<br />

81


und Isvara begrenzen, und <strong>der</strong> Dharmas, die aus ihnen<br />

Objekte <strong>der</strong> Wahrnehmung machen; durch das Erfassen<br />

ihrer inneren <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Reinen Bewusstseins mit <strong>der</strong> Hilfe<br />

<strong>der</strong> Methode <strong>des</strong> Bhaga-Tyaga-Lakshana 1 und dem daraus<br />

folgenden Kennen <strong>des</strong> eigenen Selbst erlangt einer das<br />

Absolute.<br />

28. Es ist <strong>der</strong> grobe Körper, <strong>der</strong> aus den fünf<br />

verfünffachten Elementen zusammengesetzt ist, <strong>der</strong> die<br />

Heimstatt <strong>des</strong> Genusses <strong>der</strong> Früchte <strong>der</strong> Tätigkeiten –<br />

Freude und Schmerz – ist, <strong>der</strong> einen Anfang und ein Ende<br />

hat, <strong>der</strong> aus dem Karma heraus geboren und durch Maya<br />

charakterisiert ist, <strong>der</strong> das begrenzende Attribut <strong>des</strong><br />

Atman darstellt.<br />

29. Der subtile Körper besteht aus Verstand und Psyche,<br />

dem Intellekt, den zehn Sinnen und den fünf Pranas 2 .<br />

Geboren ist er aus den nicht verfünffachten Elementen. Er<br />

ist es, <strong>der</strong> den groben Körper im Erfahren <strong>der</strong> Vergnügen<br />

usw. bewegt. Darin besteht das weitere begrenzende<br />

Attribut <strong>des</strong> Atman.<br />

30. Maya ist <strong>der</strong> anfangslose, unergründliche und<br />

wichtigste kausale Körper <strong>des</strong> Atman. Er ist<br />

unbeschreibbar. Aufgrund seiner (<strong>des</strong> Körpers)<br />

verschiedenen Modi <strong>der</strong> Begrenzung erscheint das<br />

Brahman als Ishvara und Jiva 3 . <strong>Die</strong> Identifikation <strong>des</strong><br />

(persönlichen) Selbst mit dem (Höchsten) Selbst sollte mit<br />

<strong>der</strong> Hilfe logischer Methoden praktiziert werden.<br />

31. Ein Kristall erscheint als rötlich, sobald er in die<br />

Nähe einer roten Blume gehalten wird. Auf dieselbe Art<br />

erscheint <strong>der</strong> Atman aufgrund seiner Nähe dazu in <strong>der</strong><br />

Gestalt <strong>der</strong> fünf Hüllen 4 . Sobald man über den großen<br />

Ausspruch „Asangoyam Purusha“ 5 meditiert und<br />

kontempliert, erkennt man, dass dieser Atman unberührt,<br />

geburtlos und nondual ist.<br />

32. <strong>Die</strong> Zustände <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> sind dreifach: Wachen,<br />

Träumen und Tiefschlaf. Sie sind seiner Verbindung mit den<br />

1 d. h., durch Aufhebung <strong>der</strong> einan<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprechenden<br />

Gegensätze zur dahinterstehenden Einheit gelangen<br />

2 „Körperwinde“, d. h. die Energiezentren <strong>des</strong> Körpers<br />

3 d. h., als Gott und individuelle Seele<br />

4 Nahrungskörper, psychischer Körper, Verstan<strong>des</strong>körper,<br />

Erkenntniskörper, Seligkeitskörper<br />

5 wörtl.: „<strong>Die</strong>ser Purusha (Gottperson) ist unberührt“<br />

82


drei Gunas 1 geschuldet. <strong>Die</strong>se sind in Wahrheit die<br />

falschen Zustände <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, denn zwei von ihnen<br />

sind in <strong>der</strong> Anwesenheit eines an<strong>der</strong>es abwesend. Sie<br />

besitzen nicht die Natur <strong>des</strong> Höchsten Brahman, welche<br />

ewig, absolut und selig ist.<br />

34. Mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Methode „neti, neti“ 2 sollte man das<br />

gesamte Universum verneinen und darin die Unsterbliche<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Masse <strong>des</strong> Bewusstseins kosten. Nachdem man<br />

diese <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Seins ergriffen hat, sollte man allem<br />

an<strong>der</strong>en entsagen – so wie man Schale und Haut einer<br />

Frucht fortwirft, nachdem man ihren Saft ausgesaugt hat.<br />

35. Der Atman wird nicht geboren und stirbt nicht. Er<br />

nimmt nicht zu und nicht ab. Er ist jenseits aller<br />

Beifügungen betreffend seine Größe; d. h., er ist<br />

unübertrefflich. Er ist von <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Seligkeit selbst, er<br />

ist selbstleuchtend, allesdurchdringend, uralt und ohne ein<br />

Zweites.<br />

37. Adhyasa bzw. Überlagerung wird <strong>der</strong>jenige Vorgang<br />

genannt, durch den aufgrund von Täuschung ein von<br />

einem an<strong>der</strong>en verschiedenes Ding fälschlicherweise mit<br />

diesem an<strong>der</strong>en Ding verwechselt wird. So wie dem Seil<br />

eine Schlange überlagert wird, so wird die Welt Brahman<br />

überlagert.<br />

38. <strong>Die</strong> Idee <strong>des</strong> Ego o<strong>der</strong> „Ich“ ist die allererste<br />

Überlagerung <strong>des</strong> Atman, <strong>der</strong> selbst frei von <strong>der</strong><br />

Unvollkommenheit <strong>des</strong> Denkens und <strong>der</strong> Illusion und<br />

reines Bewusstsein ist. All dies ist nichts als schiere,<br />

falsche Identifikation mit dem Atman, welcher die Ursache<br />

von allem ist – dem leidfreien Brahman, dem Höchsten<br />

Absoluten.<br />

41. Der Atman, das Chidabasa 3 und <strong>der</strong> Verstand<br />

scheinen durch wechselseitige Verbindung bzw.<br />

Überlagerung an den Attributen <strong>des</strong> jeweils an<strong>der</strong>en<br />

teilzuhaben, weil sie gemeinsam existieren und so<br />

miteinan<strong>der</strong> in Verbindung treten, wie das Eisen, welches<br />

im Feuer liegt, an <strong>der</strong> Natur <strong>des</strong> Feuers teilhat. <strong>Die</strong><br />

intelligente Natur <strong>des</strong> Atman taucht im Verstand wie<strong>der</strong><br />

auf, während die nicht-intelligente Natur <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong><br />

1 die drei Grundqualitäten <strong>des</strong> Universums: Erregung, Trägheit,<br />

Gleichgewicht<br />

2 „nicht dies, nicht dies“<br />

3 Reflektion <strong>des</strong> Atman in <strong>der</strong> Form <strong>des</strong> Ego<br />

83


im Atman wie<strong>der</strong> auftaucht. <strong>Die</strong>s nennt man Chidjada-<br />

Granthi bzw. den Verbindungsknoten zwischen dem Atman<br />

und <strong>der</strong> Materie (dem Verstand).<br />

43. Ich bin das Große Licht. Ich bin ohne Geburt und<br />

nondual. Ich bin selbstleuchtend. Ich bin von äußerster<br />

Reinheit. Ich bin die Masse <strong>des</strong> Reinen Bewusstseins,<br />

leidlos, erfüllt und die Verkörperung <strong>der</strong> Seligkeit. Ich bin<br />

tätigkeitenlos.<br />

44. Ich bin auf immer frei, im Besitz unvorstellbarer<br />

Macht, mit Erkenntnis, die die Sinne niemals haben<br />

können, ohne Tätigkeit. Ich bin unendlich, unergründlich.<br />

Ich bin <strong>der</strong> Tag und die Nacht, über die die Weisen, die<br />

dem Studium <strong>der</strong> Veden hingegeben sind, in ihrem<br />

eigenen Selbst meditieren.<br />

45. Auf diese Weise sollte man immer und mit<br />

ununterbrochener Empfindung über das Selbst meditieren.<br />

Derjenige wird die Erleuchtung erlangen, <strong>der</strong> die Avidya 1<br />

zusammen mit ihren sämtlichen Wirkungen in sehr kurzer<br />

Zeit zerstört – so wie eine erkrankte Person durch<br />

Einnahme <strong>des</strong> Lebenselixiers die Krankheit zerstört.<br />

46. Man sollte sich an einem einsamen Ort setzen, die<br />

Sinne von ihren Funktionen trennen, das Selbst<br />

zurückhalten und diese alle besiegen, und sich dann selbst<br />

im Reinen Geist versenken. Auf diese Weise sollte man<br />

über das Eine meditieren, ohne dabei Gedanken an ein<br />

Zweites, das über das Auge <strong>des</strong> Bewusstseins verfügt, zu<br />

hegen und sich im Absoluten Selbst verankern.<br />

47. Man sollte das gesamte Universum in die Ursache<br />

aller Dinge, das Selbst, eintauchen und das gesamte Sein<br />

als nichts an<strong>der</strong>es als das wahrhaftige Brahman<br />

betrachten. Auf diese Weise verbleibe man im Selbst, das<br />

Fülle und Seligkeit selbst ist, und denke an nichts Äußeres<br />

o<strong>der</strong> Inneres mehr.<br />

52. Indem er so die Selbst-Verwirklichung erlangt, die<br />

Seligkeit seines eigenen Selbst gefunden und alles an<strong>der</strong>e<br />

vergessen hat, verbleibt <strong>der</strong> Weise auf immer in seiner<br />

eigenen ewigen, seligen und selbststrahlenden Natur – frei<br />

von allen Fesseln <strong>der</strong> Begrenzung, unergründlich wie <strong>der</strong><br />

Ozean ohne die Welle, die seine Oberfläche aufrührt.<br />

1 Unwissenheit<br />

84


54. Der Weise sollte durch Meditation über sein Selbst<br />

am Tage und in <strong>der</strong> Nacht und frei von allen Bindungen<br />

und Egoismen verbleiben, bis sein Prarabhda Karma 2 , das<br />

ihm seinen gegenwärtigen Körper gegeben hat, erschöpft<br />

ist. Er sollte danach in Mir allein eintauchen.<br />

58. So lange einer nicht alles als Mich Selbst<br />

wahrnimmt, sollte er die Hingabe an Mich praktizieren. Ich<br />

verbleibe für immer im Herzen <strong>des</strong>jenigen, <strong>der</strong><br />

leidenschaftlichen Glauben und Hingabe an Mich hat.<br />

60. Bru<strong>der</strong>! <strong>Die</strong>se ganze Welt ist nichts als Maya. Ziehe<br />

deinen Verstand davon zurück, indem du ihre wahnhafte<br />

Natur erkennst. Reinige deinen Verstand durch Meditation<br />

über Mich allein. So sollst du glücklich, frei von allem<br />

Kummer und voller Seligkeit werden.<br />

* * *<br />

2 Karma <strong>der</strong> Vergangenheit (im Gegensatz zum gegenwärtig und<br />

künftig wirkenden Karma)<br />

85


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rama Gita (2)<br />

Aus: Tattva-Sarayana<br />

<strong>Die</strong>s ist ein Teil <strong>des</strong> berühmten <strong>Buch</strong>es Tattva-Sarayana.<br />

Es handelt sich dabei um eine Unterhaltung zwischen Sri<br />

Rama und Hanuman. Es ist eine Schrift <strong>der</strong><br />

Anubhavadvaitins 1 .<br />

<strong>Die</strong>se Gita behandelt Jnana 2 , Vairagya 3 und Yoga. Sie<br />

stellt das über die Upanishaden und durch Sri<br />

Sankaracharya kodifizierte, überlieferte System <strong>des</strong><br />

<strong>Vedanta</strong> vor. Sie betont den Erwerb <strong>der</strong> Erkenntnis und<br />

lehnt den Rückzug aus <strong>der</strong> Welt ab. <strong>Die</strong> höchste Erkenntnis<br />

kulminiert im Brahman-Bewusstsein, im Jivanmukti 4 und<br />

schließlich im Videhamukti 5 .<br />

III-6 Sri Rama sprach:<br />

<strong>Das</strong>, was die Identität von Jiva 6 und Brahman herstellt,<br />

von Wirkung und Ursache, ist die Doktrin <strong>der</strong> Advaitins 7 ,<br />

und diese Doktrin setzt die Entstehung <strong>des</strong> Jiva voraus.<br />

III-7 Gibt es jedoch keine Entstehung <strong>des</strong> Jiva, kann es<br />

auch seine Zerstörung nicht geben. Gibt es keine<br />

Zerstörung, muss Dualität ewig sein. <strong>Die</strong>s jedoch ruft das<br />

Missvergnügen <strong>der</strong> Srutis 8 hervor, die die Einheit erklären.<br />

III-8 Der Jiva ist zweifacher Natur; auch seine Zerstörung<br />

ist zweifacher Natur. Der Jiva, <strong>der</strong> durch das Wort „Du“<br />

bezeichnet wird, ist das Subjekt <strong>des</strong> Samsara 9 , und er ist<br />

verkörpert.<br />

1 Anhänger <strong>des</strong> Vaishnava-Heiligen Ramananda o<strong>der</strong> Ramanand<br />

(1400-1470?), einem nordindischen Sozialreformer und Pionier<br />

<strong>der</strong> Bhakti-Bewegung, Grün<strong>der</strong> <strong>des</strong> Ramanandi Sampradaya,<br />

eines religiösen Systems<br />

2 Weisheitserkenntnis<br />

3 Entsagungspraxis<br />

4 zu Lebzeiten spirituell Befreiter<br />

5 Im Tode spirituell Befreiter<br />

6 individuelle Seele<br />

7 Anhänger <strong>des</strong> <strong>Advaita</strong><br />

8 heilige Schriften<br />

9 Welt <strong>der</strong> Gegensätze, von Krieg und Kampf<br />

86


III-9 <strong>Die</strong> Zerstörung <strong>des</strong> Jiva, <strong>der</strong> aus dem Nichtwissen<br />

geboren wurde, und <strong>der</strong> selbst die innere Modifikation ist,<br />

so wie Hitze zur erhitzten Eisenkugel gehört, wird auf<br />

dieselbe Weise wie an<strong>der</strong>e Modifikationen (<strong>der</strong> Prakriti 1 )<br />

hervorgebracht.<br />

III-10 <strong>Die</strong> weitere Bedeutung <strong>des</strong> Wortes „Du“ meint<br />

denjenigen, <strong>der</strong> frei vom samsarischen Leben ist, das<br />

Zeugen-Bewusstsein, das felsenfeste Wesen, das innere<br />

Selbst, die Repräsentation <strong>des</strong> Höchsten Selbst<br />

(Paramatman).<br />

III-11 <strong>Die</strong>ser, <strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Funke aus dem Feuer aus dem<br />

Brahman-Bewusstsein hervorgetreten ist, wird durch sein<br />

Eintauchen in Brahman, die Nonduale Bewusstseinsmasse,<br />

das Höchste Natürliche Prinzip, zerstört.<br />

III-12 <strong>Das</strong>, aus dem die Wesen entspringen, von<br />

welchem sie getragen werden und in dem sie leben, in<br />

dem sie sich schließlich am Ende wie<strong>der</strong> auflösen – nur<br />

dieses eine Brahman sollte von denjenigen, die nach <strong>der</strong><br />

Befreiung verlangen, gekannt werden.<br />

III-14 <strong>Die</strong> Ursache aller Jivas ist das Nirguna Brahman<br />

und nichts an<strong>der</strong>es sonst. Es ist darüber hinaus die Quelle<br />

<strong>der</strong> nicht-verfünffachten Elemente, aber niemals die<br />

Quelle <strong>der</strong> Universen.<br />

III-15 <strong>Die</strong> Ursache <strong>des</strong> Universums ist <strong>der</strong> Isa, Gott, das<br />

Saguna Brahman. Er ist die intrumentelle Ursache <strong>des</strong><br />

Universums und <strong>der</strong> verfünffachten Elemente.<br />

III-16 <strong>Die</strong> materielle Ursache <strong>des</strong> Universum ist Maya,<br />

aufgrund <strong>der</strong>er das Fühlende und Nichtfühlende entsteht.<br />

Folglich ist hier die Ergründung bezüglich <strong>der</strong> Wirkung, <strong>der</strong><br />

Ursache, <strong>des</strong> Universums und Gottes ohne jeden Nutzen.<br />

III-20 <strong>Die</strong> Quelle aller Wesen ist aufgrund ihrer eigenen<br />

Natur dem Wissen zugänglich und kann meditiert werden.<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die nach Kaivalya-Moksha 2 verlangen, müssen<br />

daher zuerst diese kennen.<br />

III-21 Durch Meditation ohne ein Empfinden von<br />

Unterschieden über dieses Nirguna Brahman, dem<br />

ewiglich Erfüllten, dem Undifferenzierten, können dann<br />

diejenigen, die danach verlangen, dieses Ewige, das<br />

gewünschte Ende, erlangen.<br />

1 physische Natur <strong>des</strong> Universums<br />

2 Befreiung im höchsten Prinzip ohne Eigenschaften<br />

87


III-23 Der Vivarta-Vada 1 wird wahrhaftig im Falle<br />

<strong>der</strong>jenigen, die (in <strong>der</strong> Erkenntnis und Meditation)<br />

fortgeschritten sind, zur Gewissheit. Wer jedoch nur damit<br />

prahlt, fällt <strong>der</strong> Selbst-Entartung anheim. <strong>Die</strong>ser wird zum<br />

Mör<strong>der</strong> <strong>des</strong> Atman.<br />

III-26 Durch beständige Meditation in <strong>der</strong><br />

Abgeschiedenheit über die Identität <strong>des</strong> Brahman und <strong>des</strong><br />

Selbst sowie durch Verbleiben im Bewusstsein nur dieser<br />

Identität erlangt man ohne jeden Zweifel die Befreiung.<br />

III-27 Man spricht von zwei Arten von Erkenntnis, d. h.,<br />

<strong>der</strong> essenziellen (Svarupa) und <strong>der</strong> psychischen (Vritti).<br />

Von diesen beiden führt die erste zum Nirguna Brahman,<br />

dem Wahren, Unendlichen und Seligen.<br />

III-28 <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>e wird Shuddha-Sattva o<strong>der</strong> Reines<br />

Psychisches Sein genannt, bezogen auf die ungeteilte,<br />

spirituelle <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Selbst. <strong>Die</strong>se Erkenntnis besitzt<br />

wie<strong>der</strong>um zwei Arten, d. h., die indirekte und die direkte.<br />

III-29 <strong>Die</strong> erste (indirekte Erkenntnis) führt durch<br />

progressive Evolution zur Befreiung, sobald die Auflösung<br />

<strong>der</strong> Welt <strong>des</strong> Brahma (Brahma-Loka) stattgefunden hat.<br />

<strong>Die</strong> zweite (direkte Erkenntnis) führt hier ebenfalls zur<br />

unverzüglichen Befreiung, sobald das Prarabhda-Karma 2<br />

erschöpft ist.<br />

III-30 Auch Jivanmukti wird ebenfalls noch in diesem<br />

Leben erlangt. Daher solltest du, nachdem du sämtliche<br />

Wünsche losgeworden bist, immer über Brahman<br />

meditieren.<br />

III-31 <strong>Das</strong>, was das Nirguna Brahman genannt wird,<br />

besteht aus zwei Arten. <strong>Das</strong>, worüber man meditieren<br />

kann, wird Salakshana o<strong>der</strong> „mit Attributen ausgestattet“<br />

genannt. <strong>Das</strong> Attributlose wird Alakshana genannt und<br />

befindet sich jenseits <strong>der</strong> Reichweite <strong>der</strong> Meditation.<br />

III-33 Der weise Mensch, <strong>der</strong> sich nie<strong>der</strong>setzt und eine<br />

feste Sitzhaltung einnimmt und seinen Verstand auf <strong>Das</strong><br />

konzentriert, erlangt – ohne darin auch nur die leiseste<br />

Unterschiedenheit festzustellen – das Wesen von Dem.<br />

1 Konzeption <strong>der</strong> Überlagerung <strong>des</strong> Wirklichen durch das<br />

Unwirkliche<br />

2 Karma <strong>der</strong> Vergangenheit (im Gegensatz zum gegenwärtig und<br />

künftig wirkenden Karma)<br />

88


III-34 <strong>Die</strong> Unterschiede, die als Sajateeya 1 und<br />

Vijateeya 2 bekannt sind und <strong>der</strong> Welt und den Jivas<br />

zugehörig sind, existieren nicht im Höchsten Brahman, das<br />

von Dreifacher Natur ist.<br />

III-35 Wenn es kein Svagata-Bheda 3 o<strong>der</strong> Unterschiede<br />

in sich selbst gibt, kann über Brahman auch nicht<br />

meditiert werden. Gewiss kann es da, wo es keine<br />

Meditation gibt, auch niemals ein von den Jivas hier, die<br />

dem Samsara unterworfen sind, erlangtes Moksha geben.<br />

III-36 Im Zustand <strong>der</strong> Bindung gibt es einen Unterschied<br />

zwischen dem Jivatman 4 und dem Paramatman 5 . Im<br />

Zustand von Moksha herrscht Nicht-Unterschiedenheit,<br />

und in demjenigen Zustand, <strong>der</strong> sogar noch Moksha<br />

überschreitet, gibt es überhaupt nichts mehr.<br />

III-38 <strong>Die</strong> Brahmins 6 , die das Ende <strong>der</strong> Veden erreicht<br />

haben, sprechen davon, dass diejenigen, <strong>der</strong>en<br />

Bewusstsein im Ozean <strong>der</strong> Einen Ungeteilten Seligen<br />

<strong>Essenz</strong> ertrunken ist, Videha-Mukti bzw. die unverkörperte<br />

Erlösung erlangt haben.<br />

III-39 Derjenige wird Videha (unverkörpert) genannt, <strong>der</strong><br />

im Einssein <strong>des</strong> Samadhi verankert ist, <strong>der</strong> sich selbst von<br />

den Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt usw. befreit hat, <strong>der</strong> tätigkeitslos und<br />

frei von allen Arten <strong>der</strong> Modifikationen ist.<br />

III-41 <strong>Die</strong>se sündhaften Menschen, die keinerlei<br />

Bewusstsein <strong>des</strong> Samadhi besitzen, die nur mit ihrem rein<br />

verbalen (intellektuellen) Wissen prahlen, die die Sklaven<br />

ihrer Neigungen sind – solche Menschen wan<strong>der</strong>n in die<br />

Regionen <strong>der</strong> Hölle.<br />

III-42 Wie könnte <strong>der</strong>jenige, <strong>des</strong>sen Verstand nicht<br />

zerstört wurde, sich selbst aus dem Samsara befreien? Wie<br />

könnte einer, <strong>der</strong> keinerlei Bewusstsein <strong>des</strong> Samadhi hat,<br />

seinen Verstand zerstören?<br />

III-49 Der weise Mensch, <strong>der</strong> mit Vairagya 7 ausgestattet<br />

ist und eifrig den Yoga praktizieren möchte, fürchtet sich<br />

1 wörtl.: von homogener Natur<br />

2 wörtl.: von heterogener Natur<br />

3 Unterschied zwischen zwei Teilen eines Ganzen, wie zwischen<br />

Blättern eines Baumes<br />

4 individuelles Selbst<br />

5 höchstes Selbst<br />

6 Brahman-Priester<br />

7 Entsagung<br />

89


zu keinem Zeitpunkt und von keiner Seite her vor etwas –<br />

nicht einmal vor dem Samsara, <strong>der</strong> so schwer zu<br />

überwinden ist.<br />

III-50 Der Jnani 1 , <strong>der</strong> sich selbst im höchsten Yoga<br />

verankert hat, <strong>der</strong> frei von sämtlichen Unreinheiten und<br />

befreit von <strong>der</strong> Maya und ihren bindenden Wirkungen ist,<br />

erfreut sich erlesenen Glücks.<br />

III-51 Der große Yogi, <strong>des</strong>sen Sinne zu funktionieren<br />

aufgehört haben, <strong>der</strong> frei von aller mentalen Erregung usw.<br />

ist und die Identität von Brahman und Selbst verwirklicht<br />

hat, erlangt unverzügliche Befreiung.<br />

III-57 <strong>Die</strong> große Meditation über das Attributlose<br />

(Nirguna) Akhanda-Satchidananda ist die höchste aller<br />

Meditationen. <strong>Die</strong>se ist die Ursache <strong>des</strong> unverzüglichen<br />

Kaivalya Moksha, die aus <strong>der</strong> Meditation „Ich bin Brahman“<br />

besteht.<br />

IV-2 <strong>Die</strong>ser Paramatman, das Subjekt <strong>der</strong> Ergründung,<br />

ist das Wahre, Selige, auf immer Erfüllte, die Masse <strong>des</strong><br />

Bewusstseins, und er wird nur durch direkte (plötzliche)<br />

Wahrnehmung verwirklicht.<br />

IV-8 Attribute wie Bewusstsein-Seligkeit usw., die <strong>der</strong><br />

Maya und Avidya entgegengesetzt sind, gehören zum<br />

eigenschaftslosen Brahman und sind aus sich selbst<br />

heraus existierend bzw. auf ewig erwiesen.<br />

IV-15 <strong>Die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Identität von Brahman und<br />

Atman entfernt die falsche Identifikation <strong>des</strong> Selbst mit<br />

dem Körper. Derjenige, <strong>der</strong> keinerlei „Ich“-Empfinden<br />

gegenüber dem Körper mehr hegt, wird Jivanmukta<br />

genannt.<br />

IV-16 Derjenige, für den die Welt we<strong>der</strong> dauerhaft<br />

wirklich noch unwirklich ist, und <strong>der</strong> im wandellosen<br />

Bewusstsein verankert ist, wird Jivanmukta genannt.<br />

IV-17 Derjenige, <strong>der</strong> die Erfahrung <strong>des</strong> Selbst im<br />

Samadhi und dieselbe Erfahrung nach dem Auftauchen<br />

aus dem Samadhi besitzt und ausschließlich in reinem<br />

Selbst-Bewusstsein ruht, wird Jivanmukta genannt.<br />

IV-18 Derjenige, <strong>der</strong> jenseits <strong>des</strong> Sakshi-Vritti bzw.<br />

Zeugenbewusstseins existiert und unterhalb <strong>des</strong><br />

1 <strong>der</strong> Wissende mit Weisheitserkenntnis<br />

90


Akhandaikarasa-Zustands bzw. <strong>des</strong> Einen-Ungeteilten-<br />

<strong>Essenz</strong>-Bewusstseins ist, wird Jivanmukta genannt.<br />

Hinweis: Der Jivanmukta transzendiert das individuelle<br />

und das Zeugenbewusstsein, hat aber noch nicht das<br />

Bewusstsein <strong>des</strong> Ewigen Absoluten, in dem nichts als<br />

reines Sein verbleibt, erlangt. Der Jivanmukta ruht in <strong>der</strong><br />

Brahmakara-Vritti, die ebenfalls absinkt, sobald er seinen<br />

Körper ablegt und das Akhanda-Ekarasa-Satchidananda<br />

erlangt.<br />

IV-19 Derjenige, <strong>der</strong> das Akhandairakasa-Vritti, welches<br />

sein ganzes Bewusstsein erfüllt, besitzt, <strong>der</strong> in Wahrheit<br />

keinen Verstand mehr besitzt, auch wenn er diesen zu<br />

besitzen scheint, wird Jivanmukta genannt.<br />

IV-20 Derjenige, <strong>der</strong> in seinem Alltagsleben manchmal<br />

als ein Karmi 1 o<strong>der</strong> ein Bhakti 2 , manchmal als ein Yogi und<br />

dann wie<strong>der</strong>um als ein Jnani auftritt, wird Jivanmukta<br />

genannt.<br />

IV-21 <strong>Die</strong> Bindung besteht in dem Glauben: „Ich bin <strong>der</strong><br />

Körper“. <strong>Die</strong> Befreiung besteht in dem beständigen<br />

Glauben: „Ich bin Brahman“. Daher sollte in kluger Mensch<br />

immer „Ich bin Brahman“ meditieren und dadurch sein Ego<br />

in das Absolute einschmelzen.<br />

IV-23 Derjenige, <strong>der</strong> Abhimana (Selbst-Identifikation) für<br />

den Körper empfindet, steht unter dem Einfluss <strong>der</strong><br />

allseitigen Furcht. Daher sollte man mit allen zur<br />

Verfügung stehenden Mitteln versuchen, <strong>der</strong> Idee, dass <strong>der</strong><br />

Körper das Selbst sei, entsagen.<br />

IV-24 So wie ein reiner, weißer Kristall eine rote Farbe<br />

anzunehmen scheint, wenn er einer Rose<br />

gegenübergestellt wird, so erscheint <strong>der</strong> Atman aufgrund<br />

seines Kontaktes mit <strong>der</strong> nicht-intelligenten Triade <strong>der</strong><br />

Gunas als leblos (nicht-fühlend).<br />

IV-26 So wie die elementare Natur <strong>des</strong> Feuers die Hitze<br />

ist, so ist die elementare Natur <strong>des</strong> Ewigen Selbst das<br />

Reine Bewusstsein. Durch Erkenntnis <strong>des</strong> Einsseins <strong>des</strong><br />

Bewusstseins erlangt man unverzügliche Erlösung.<br />

IV-27 Derjenige wird den Stand eines Jivanmukta<br />

erlangen, <strong>der</strong> unaufhörlich meditiert: „Ich bin das<br />

1 Praktizieren<strong>der</strong> <strong>des</strong> Karma-Yoga<br />

2 Praktizieren<strong>der</strong> <strong>des</strong> Bhakti-Yoga<br />

91


Ungeteilte, Ich bin das Unendliche, Ich bin die Fülle und<br />

das Zweitlose“.<br />

IV-30 Der Jivanmukta wird aufgrund <strong>der</strong> scheinbaren<br />

Existenz <strong>des</strong> Körpers, <strong>der</strong> in ihm existiert wie ein<br />

verbranntes Kleid, gewissen leichten und<br />

vorübergehenden Schwierigkeiten unterzogen, aber er ist<br />

trotzdem stets frei von <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt.<br />

IV-31 Sobald das gesamte Sanchita und Agami Karma<br />

vom Jivanmukta abgefallen ist, bleibt nur noch das<br />

Prarabhda 1 in ihm wach, welches sich auf ihn auswirkt.<br />

IV-43 Nur <strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Purushottama 2 , auf den Friede,<br />

Selbstbeherrschung und an<strong>der</strong>e ähnliche Tugenden<br />

beständig auf spontane Weise aus dem Selbst heraus<br />

nie<strong>der</strong>gehen.<br />

IV-45 Nur <strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Purushottama, <strong>der</strong> nicht einmal<br />

einen Anflug von Bewun<strong>der</strong>ung für die Siddhis – auch nicht<br />

für den fabelhaftesten wie Anima 3 – empfindet.<br />

IV-46 Nur <strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Purushottama, <strong>der</strong> nicht einmal<br />

auch nur ein wenig lächelt, wenn er die wun<strong>der</strong>vollen<br />

Schöpfungen <strong>des</strong> Höchsten Herrn erblickt.<br />

IV-47 Nur <strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Purushottama, den es nicht einmal<br />

im Traum nach <strong>der</strong> vierfachen Erlösung (wie Salokya 4 usw.)<br />

verlangt.<br />

V-8 Wer seinen Körper vergessen hat, ist ein<br />

Videhamukta, auch wenn <strong>der</strong> Körper aufgrund <strong>der</strong><br />

Auswirkungen <strong>des</strong> Prarabhda fortexistieren sollte.<br />

V-11 Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> die<br />

Wirkungen seines Sarupa-Chitta 5 neutralisiert hat und<br />

aufgrund seiner festen Überzeugung von <strong>der</strong> Erhabenheit<br />

von allem im Höchsten Akhandakara-Vritti, dem<br />

Bewusstsein <strong>der</strong> Einen Ungeteilten <strong>Essenz</strong>, verankert ist.<br />

V-24 <strong>Die</strong> Objekte <strong>der</strong> Formen berühren denjenigen nicht,<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Form <strong>des</strong> Akhandaikarasa 6 ist, <strong>der</strong><br />

Akhandaikarasa isst und in Akhandaikarasa verwurzelt ist.<br />

1 Sanchita Karma: Karma <strong>der</strong> Gegenwart, Agami Karma: Karma<br />

<strong>der</strong> Zukunft, Prarabhda Kar,ma: Karma <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

2 höchster Purusha = Gott-Person<br />

3 d. h., <strong>der</strong> sich so winzig wie ein Atom machen kann<br />

4 d. h., auf demselben Planeten wie Gott wohnend<br />

5 Formhaftigkeit <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong><br />

6 wörtl.: das eine ungeteilte Eigentliche<br />

92


V-25 Sogar die Götter verehren denjenigen, <strong>der</strong> dem<br />

Akhandaikarasa folgt, <strong>der</strong> im Akhandaikarasa lebt, <strong>der</strong> im<br />

Akhandaikarasa untergetaucht ist.<br />

V-26 Der <strong>Vedanta</strong> rühmt <strong>des</strong>sen Glorie, <strong>des</strong>sen<br />

Entzücken das Akhandaikarasa ist, <strong>des</strong>sen Gewahrsein<br />

beständig dem Akhandaikarasa zugewandt ist, <strong>der</strong> im<br />

Akhandaikarasa aufgelöst ist.<br />

V-27 Derjenige wird ein in <strong>der</strong> Weisheit Verwurzelter<br />

genannt, <strong>der</strong> nicht einmal ein Atom für verschieden vom<br />

Akhandaikarasa hält – nicht einmal für einen Augenblick.<br />

V-28 Derjenige wird ein in <strong>der</strong> Weisheit Verwurzelter<br />

genannt, <strong>der</strong> auf immer unbesorgt ist, <strong>der</strong> äußerst<br />

ernsthaft ist und tief wie <strong>der</strong> wellenlose Ozean, <strong>der</strong><br />

tätigkeitslos und modifikationslos ist.<br />

V-29 Vom demjenigen spricht man als von einem in <strong>der</strong><br />

Weisheit Verwurzelten, <strong>des</strong>sen Gemütsverfassung die<br />

eines Pythons ist, <strong>der</strong> unerschütterlich wie <strong>der</strong> Berg Meru<br />

ist, <strong>der</strong> frei von allen mentalen Modfikationen ist.<br />

V-30 Vom demjenigen spricht man als von einem in <strong>der</strong><br />

Weisheit Verwurzelten, <strong>der</strong> niemals so denkt: „Ich bin ein<br />

Videhamukta“; <strong>der</strong>, obwohl ein Jivanmukta, in <strong>der</strong> Tat ein<br />

Videhamukta ist.<br />

V-48 Mandavya, Janaka und an<strong>der</strong>e wie diese haben<br />

Videhamukti erlangt. Noch viele weitere werden in den<br />

Srutis erwähnt. Habe daran nicht den geringsten Zweifel.<br />

V-49 Durch kontinuierliche Meditation über das<br />

Akhandaikarasa-Brahman wird <strong>der</strong> Verstand zusammen<br />

mit seiner Wurzel sehr rasch zerstört. <strong>Die</strong>s ist gewiss.<br />

V-52 Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesen heiligen Wesen,<br />

die in Wäl<strong>der</strong>n und Bergeshöhlen leben, <strong>der</strong>en Gemüter<br />

sich in <strong>der</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Ewigen Bewusstseins aufgelöst<br />

haben, aus <strong>der</strong>en Haarlocken die Vögel Nester auf ihren<br />

Köpfen bauen.<br />

V-53 <strong>Die</strong>se, die keine an<strong>der</strong>e Gestalt mehr besitzen,<br />

<strong>der</strong>en Fesseln zerschmettert wurden, die im Entzücken <strong>des</strong><br />

Nektars <strong>des</strong> Einen Ungeteilten Bewusstseins verankert<br />

sind, die kein Auftauchen aus dem Samadhi mehr erfahren<br />

– wahrhaftig ist die Begegnung mit diesen äußerst<br />

erhabenen Wesen hier – wenn auch nur für einen Moment<br />

– äußerst selten.<br />

93


VI-38 Sobald durch die Akhandaikarasa-Vritti und die<br />

beiden an<strong>der</strong>en Arten <strong>des</strong> Akhandaikarasa die Vasanas 1<br />

zerstört wurden, gelangt <strong>der</strong> Verstand wie eine Lampe<br />

(ohne Öl) an sein Ende.<br />

VI-49 Der Verstand, welcher die Ursache für Geburt,<br />

Alter und Tod ist, tritt aufgrund seiner äußerst<br />

schwankenden Natur, die wie<strong>der</strong>um dem beständigen<br />

Denken an intensiv erfahrene Dinge geschuldet ist, ins<br />

<strong>Das</strong>ein.<br />

VI-50 <strong>Die</strong> Pranas beginnen aufgrund <strong>der</strong> subtilen<br />

Vasanas zu vibrieren. <strong>Die</strong> Vasanas selbst vibrieren nicht.<br />

<strong>Die</strong> Vibrationen werden durch den Verstan<strong>des</strong>samen<br />

übertragen, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um zur Ursache weiterer Produkte<br />

von dort wird.<br />

VI-51 Es gibt zwei Ursachen für den Baum <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong>: <strong>Die</strong> Vibration <strong>der</strong> Pranas und <strong>der</strong> Vasanas. Ist<br />

einer von ihnen zerstört, sind beide auf natürliche Weise<br />

zerstört.<br />

VI-52 <strong>Die</strong> Vasanas können nicht mehr wachsen, sobald<br />

es da die Kultivierung <strong>der</strong> Nicht-Anhaftung gibt, sobald es<br />

die Austreibung aller weltlichen Gedanken gibt, sobald es<br />

das Erkennen <strong>der</strong> sterblichen Natur <strong>des</strong> Körpers gibt.<br />

VI-53 Wenn den Vasanas entsagt wird, wird <strong>der</strong> Verstand<br />

zu einem Nicht-Verstand. Da <strong>der</strong> Verstand nämlich keine<br />

Vasanas mehr vorfindet, stellt er das Denken völlig ein.<br />

VI-54 Schließlich taucht da nach dem Aufhören <strong>der</strong><br />

Funktion <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> <strong>der</strong> Bringer <strong>des</strong> Höchsten<br />

Friedens auf – das Bewusstsein, die Ursache <strong>der</strong> sofortigen<br />

Erlösung.<br />

VI-60 Der Verstand ist die Ursache dieses Samsara-<br />

Baumes, <strong>der</strong> tausende von Zweigen, Trieben, Blüten und<br />

Früchten besitzt.<br />

VI-61 <strong>Die</strong>ser Baum besteht in Wahrheit aus nichts als<br />

Einbildung und Vorstellungskraft. Durch Aufhören <strong>des</strong><br />

Vorstellens trockne den Verstand aus – durch dieses bei<strong>des</strong><br />

wird dann auch <strong>der</strong> Baum <strong>des</strong> Samsara austrocknen.<br />

VII-14 Wer einer fest im <strong>Advaita</strong> verwurzelt und Dvaita 2<br />

zerstört ist, wird diese Welt wie ein Traum wahrgenommen,<br />

1 unerwünschte, immer wie<strong>der</strong> gewohnheitsmäßig auftretende<br />

Gedankenmuster<br />

2 Welt <strong>der</strong> Zweiheit, <strong>der</strong> Gegensätze, <strong>der</strong> Getrenntheit<br />

94


weil das Wesen dieses Menschen jetzt im höchsten<br />

Zustand <strong>des</strong> Bewusstseins verankert ist.<br />

VII-17 Eine solche Person, die wahrhaftig zum inneren<br />

Bewusstsein erwacht ist, obgleich sie noch äußeres<br />

Bewusstsein zu haben scheint, sieht wie ein schläfriger<br />

Mensch aus, da sie völlig ruhig geworden ist.<br />

VII-20 <strong>Die</strong> Mumukshus 1 bzw. Aspiranten befinden sich in<br />

den ersten drei Bhumikas 2 <strong>der</strong> Erkenntnis. Der Brahmavit 3<br />

lebt im vierten Bhumika. Der Brahmavid-vara 4 lebt im<br />

fünften Bhumika,<br />

VII-21 Der Brahmavidvariyan 5 lebt im sechsten<br />

Bhumika. Der Brahmavidvarishta 6 lebt im siebenten<br />

Bhumika. Der letztere wird <strong>der</strong> eigentliche Jivanmukta<br />

genannt, obwohl auch die vier davor Jivanmuktas sind.<br />

VII-22 Der Videhamukta geht sogar noch jenseits <strong>des</strong><br />

siebenten Bhumika und entzieht sich <strong>der</strong> Beschreibung. Er<br />

hat keinen Körper und keinen Verstand mehr. <strong>Die</strong> Variyas<br />

und Varishthas erachten ihn als die Höchste Wirklichkeit.<br />

VIII-2 Sein, Erkenntnis, Seligkeit, Name und Form sind<br />

die fünf Faktoren (die das Konstituens eines Dinges<br />

bilden). Von diesen gehören die letzten beiden Merkmale<br />

zur Welt.<br />

VIII-3 Durch Aufgeben von Name und Form, durch<br />

Hingabe nur an Satchidananda sollte man zu allen Zeiten<br />

den Samadhi praktizieren – entwe<strong>der</strong> Antar-Nirvikalpa 7<br />

o<strong>der</strong> Bahir-Nirvikalpa 8 .<br />

VIII-12 Man nennt es Nirvikalpa (Asamprajnata)<br />

Samadhi – ein den Yogis sehr teurer Samadhi –, wenn <strong>der</strong><br />

Verstand von allen Vrittis 9 gesäubert ist und das Licht <strong>der</strong><br />

Höchsten Seligkeit enthüllt wird.<br />

1 Sucher nach spiritueller Erlösung<br />

2 spirituelle Stufen<br />

3 Kenner Brahmans<br />

4 <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> aus freiem Willen seinen Samadhi verlässt<br />

5 <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> aus dem Samadhi erweckt werden muss<br />

6 <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> auch durch an<strong>der</strong>e nicht mehr aus dem Samadhi<br />

erweckt werden kann<br />

7 unterschiedslose Versenkung ohne Klang und Bil<strong>der</strong><br />

8 unterschiedslose Versenkung mit Wahrnehmung <strong>der</strong> sinnlichen<br />

Welt bei gleichbleiben<strong>der</strong> innerer Stille<br />

9 Gedankenwellen<br />

95


VIII-17 Ich bin ungeteilt. Ich bin unendlich. Ich bin die<br />

Fülle. Ich bin Zweitlos. Ich bin Satchidananda-Svarupa. Ich<br />

bin das Licht <strong>der</strong> Lichter.<br />

VIII-18 Ich bin ohne die drei Zustände <strong>des</strong><br />

Bewusstseins. Ich bin <strong>der</strong> vierte Zustand <strong>des</strong><br />

Bewusstseins. Ich bin höher als das Höchste. Ich bin frei<br />

von den drei Körpern. Ich bin die <strong>Essenz</strong> von Bewusstsein<br />

und Seligkeit.<br />

VIII-19 Ich bin ohne die drei Arten <strong>der</strong> Vorstellung. Ich<br />

bin das Höchste Prajnana-Ghana, die Masse <strong>der</strong> Weisheit.<br />

Ich bin die <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Chidakasa 1 . Ich bin ohne den nichtfühlenden<br />

Raum.<br />

VIII-20 Ich bin ohne Wankelmut. Ich bin ohne Form. Ich<br />

bin ohne Avidya 2 . Ich bin ohne Unreinheit. Ich bin die<br />

Stütze <strong>des</strong> gesamten Universums. Ich Selbst benötige<br />

keinerlei Stütze. Ich bin furchtlos.<br />

VIII-21 Ich bin die selbstleuchtende <strong>Essenz</strong>. Ich bin <strong>der</strong><br />

Ozean <strong>der</strong> Unsterblichen <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Wirklichkeit. Ich bin<br />

ohne das Universum und jenseits <strong>der</strong> Gegensatzpaare. Ich<br />

bin das Absolute Selbst. Ich bin Nirguna 3 .<br />

VIII-22 Ich bin ewiglich rein. Ich bin jenseits <strong>der</strong> Maya.<br />

Ich bin ewiges Bewusstsein. Ich bin ohne Verschiedenheit.<br />

Ich bin auf ewig frei. Ich bin wunschlos. Ich bin auf immer<br />

vollkommen. Ich bin ohne Familie und Verwandte.<br />

VIII-23 Ich bin im Innern leer und im Außen leer – wie<br />

<strong>der</strong> leere Topf, <strong>der</strong> im Raum schwebt. Ich bin im Innern<br />

erfüllt und im Außen erfüllt – wie <strong>der</strong> volle Topf, <strong>der</strong> im<br />

Ozean schwimmt.<br />

VIII-24 Daher sollte ein weiser Mensch <strong>des</strong> Shabdavidya<br />

Samadhi 4 sich <strong>des</strong> Nicht-Selbst durch Ergründung<br />

entledigen, sich selbst in Brahman zentrieren und dadurch<br />

frei werden.<br />

VIII-32 Samadhi ist <strong>der</strong>jenige Zustand <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>,<br />

in dem dieser unbewegt wie eine Lampe an einem<br />

windgeschützten Ort existiert, d. h., wenn <strong>der</strong><br />

1 Brahman in seinem Aspekt <strong>der</strong> grenzenlosen Erkenntnis und<br />

freien Intelligenz<br />

2 Unwissenheit, weltliches „Wissen“<br />

3 frei von Eigenschaften, attributlos<br />

4 Shabdavidya: Wissenschaft <strong>der</strong> Logik und Schlussfolgerung;<br />

Shabdavidya Samadhi: Wissenschaft <strong>der</strong> spirituellen Meditation<br />

96


Meditierende und die Meditation in <strong>der</strong> absoluten<br />

Wahrnehmung <strong>des</strong>jenigen allein, worüber meditiert wird,<br />

versunken sind.<br />

VIII-38 <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> Zustand <strong>des</strong> Samadhi, in dem das<br />

Selbst nichts an<strong>der</strong>es sieht, nichts an<strong>der</strong>es hört und nichts<br />

an<strong>der</strong>es versteht als Sich Selbst.<br />

XIV-12 <strong>Die</strong>ses essenzielle Selbst im eigenen Innern ist<br />

exakt Brahman selbst und nichts an<strong>der</strong>es. Daher wird <strong>der</strong><br />

Schüler vom Guru in <strong>der</strong> relativen Lehre dieser Identität –<br />

Ayamatma Brahma 1 , wie im Atharvaveda beschrieben –<br />

zum Zwecke seiner Reinigung unterrichtet.<br />

XIV-13 Der im Samaveda 2 erscheinende Satz Tat-Tvam-<br />

Asi muss Wort für Wort nachvollzogen und verstanden<br />

werden, um die darin enthaltene äußere und tiefere<br />

Bedeutung zu erfassen.<br />

XIV-14 <strong>Das</strong> Ungeteilte Nirguna Brahman wird durch das<br />

Wort „Tat“ angegeben. <strong>Das</strong> innere Selbst wird mit dem<br />

Wort „Tvam“ benannt, während das Wort „Asi“ die<br />

Identität <strong>der</strong> beiden bezeichnet.<br />

XIV-15 Der große Ausspruch „Aham Brahma Asmi“ 3<br />

taucht im Yajurveda 4 auf. Seine Bedeutung wird denjenigen<br />

gelehrt, <strong>der</strong> den Wunsch danach hat, sie zu praktizieren.<br />

XIV-16 Ich, <strong>der</strong> Zeuge <strong>des</strong> Körpers usw., das felsenfeste<br />

Wesen, das attributlose Höchste, bin Brahman, das<br />

Erfüllte. <strong>Das</strong> Wort „Asmi“ bezeichnet die Identität <strong>des</strong><br />

„Aham“ und „Brahma“.<br />

XIV-17 Der Satz „Prajnanam Brahma“ 5 taucht im<br />

Rigveda 6 auf. <strong>Die</strong> Beschreibung seiner Bedeutung besteht<br />

für den Zweck <strong>der</strong> Selbst-Verwirklichung.<br />

XIV-18 <strong>Das</strong>, was den Jiva mit Bewusstsein erfüllt – all<br />

das ist nichts als Bewusstsein o<strong>der</strong> Prajnana. „Brahma“ ist<br />

die allesdurchdringende <strong>Essenz</strong> von Satchidananda.<br />

XV-24 Nur dieser Höchste Glanz ist das Höchste<br />

Brahman. Nur dieser Höchste Glanz ist das Höchste Glück.<br />

1 „<strong>Die</strong>ses Selbst (Atman) ist Brahman“<br />

2 einer <strong>der</strong> vier Veden Rigveda, Samaveda, Atharvaveda und<br />

Yajur Veda<br />

3 „Ich bin Brahman“<br />

4 s. o.<br />

5 „Bewusstsein ist Brahman“<br />

6 s. o.<br />

97


Nur dieser Höchste Glanz ist <strong>der</strong> Höchste Friede. Nur<br />

dieser Höchste Glanz ist <strong>der</strong> Höchste Zustand.<br />

XV-27 <strong>Das</strong> Höchste Licht ist, was Ich bin. <strong>Das</strong> Höchste<br />

Licht ist, was du bist. Du bist das Höchste Licht. Suche<br />

daher mit allen deinen Kräften nach diesem Höchsten<br />

Licht.<br />

XV-40 Indem er den Übeln von Lust, Zorn, Stolz, Gier<br />

und Verblendung entsagt, wird <strong>der</strong> Parivrat 1 frei von <strong>der</strong><br />

Unreinheit.<br />

XV-44 Noch niemals wurden Wünsche durch ihre<br />

Befriedigung erfüllt. Anstelle <strong>des</strong>sen nehmen sie noch zu<br />

wie das Feuer, in welches geklärte Butter gegossen wird.<br />

XV-45 Von demjenigen sagt man, dass er seine Sinne<br />

beherrscht habe, <strong>der</strong> beim Hören, Berühren, Essen, Sehen<br />

o<strong>der</strong> Riechen we<strong>der</strong> erfreut noch traurig ist.<br />

XV-46 Wer nicht empfindet: „<strong>Die</strong>s ist gut“ und „dies ist<br />

nicht gut“, und die Nahrung isst, wie sie auch immer ohne<br />

seine Anhaftung daran zu ihm kommt, wer nur das<br />

Nötigste spricht und dabei die Wahrheit auf angenehme<br />

und angemessene Weise sagt – dieser ist wahrhaftig <strong>der</strong><br />

„Mensch ohne Zunge“ (im spirituellen Sinne).<br />

XV-47 Derjenige ist wahrhaftig geschlechtslos, <strong>der</strong><br />

seinen Blick we<strong>der</strong> auf einem neugeborenen Kind, einem<br />

sechszehnjährigen Mädchen o<strong>der</strong> einer hun<strong>der</strong>tjährigen<br />

Frau ruhen lässt.<br />

XV-48 Wer nur für sein Biksha 2 und den Drang <strong>der</strong><br />

körperlichen Bedürfnisse unterwegs ist und nicht weiter als<br />

acht o<strong>der</strong> neun Meilen wan<strong>der</strong>t, ist wahrlich ein lahmer<br />

Mensch.<br />

XV-49 Wessen Blick nichts anschaut, ob er nun geht<br />

o<strong>der</strong> steht, und wer den Blick nicht weiter als vier Fuß von<br />

seinem Körper ab gerechnet erhebt, ist wahrhaftig ein<br />

blin<strong>der</strong> Bikshu 3 .<br />

XV-50 Wer nach dem Anhören guter o<strong>der</strong> schlechter<br />

Worte – seien sie nun süß o<strong>der</strong> grob –, die Sorge o<strong>der</strong><br />

Freude hervorrufen können, gleichgültig bleibt, ist<br />

wahrhaftig taub.<br />

1 Asket<br />

2 Bettelspeise<br />

3 Bettelmönch<br />

98


XV-51 Wer wie ein Mensch im tiefen Schlaf mit ruhigen<br />

Sinnen verbleibt, obwohl die Objekte <strong>der</strong> Sinne vor seinen<br />

Augen tanzen, während er selbst durchaus fähig zum<br />

Genuss wäre, wird als einer bezeichnet, <strong>der</strong> frei vom<br />

Bewusstsein 1 ist.<br />

XV-54 Ein Brahmin (ein weiser Mensch) sollte Respekt<br />

stets wie Gift hassen. Er sollte anstelle <strong>des</strong>sen wie nach<br />

Nektar stets nach Beleidigungen verlangen.<br />

XV-55 Wer beleidigt wird, schläft glücklich, steht<br />

glücklich auf und bewegt sich glücklich in dieser Welt. Wer<br />

jedoch an<strong>der</strong>e beleidigt, verdirbt rasch.<br />

XV-57 Man sollte wegen eines zornigen Menschen nicht<br />

zornig werden. Man sollte auch dann angenehm reden,<br />

wenn man durch Ärger erregt wird. Niemals sollte man ein<br />

einziges Wort <strong>der</strong> Lüge gleich welcher Art sprechen.<br />

XV-58 Verankert im Selbst, das Einssein überall<br />

erblickend und nur mit dem Selbst als Wan<strong>der</strong>gefährten<br />

sollte man über die Erde wan<strong>der</strong>n und nach dem Glück<br />

suchen.<br />

* * *<br />

1 d. h. hier: frei von objektivem Bewusstsein<br />

99


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Ribhu Gita<br />

<strong>Die</strong> Ribhu Gita bildet einen Teil <strong>des</strong> Vishnu Purana 1 . Darin<br />

unterweist <strong>der</strong> Weise Ribhu seinen Schüler Nidagha in <strong>der</strong><br />

<strong>Vedanta</strong>-Philosophie. 2<br />

I-19 Oh Brahmin 3 ! Wer hungrig ist, wird satt und<br />

zufrieden mit <strong>der</strong> Nahrung, die er isst. Ich war überhaupt<br />

niemals hungrig – wie könnte ich dann zufrieden werden<br />

(durch Nahrung)? Weshalb stellst du mir diese Frage (d. h.,<br />

ob ich mit meiner Mahlzeit zufrieden sei)?<br />

I-20 Sobald durch die Tätigkeit <strong>der</strong> Verdauungsfeuer die<br />

Organe <strong>der</strong> Verdauung ermüdet sind, gibt es da das<br />

Auftauchen von Hunger, und sobald das Wasser (im<br />

Verdauungssystem) erschöpft ist, gibt es das Auftauchen<br />

von Durst.<br />

I-21 Hunger und Durst sind die Dharmas 4 <strong>des</strong> Körpers<br />

und nicht die meinen, oh Brahmin! Da es für mich keinen<br />

Hunger gibt, bin ich stets zufrieden.<br />

I-22 Zufriedenheit bedeutet die Ruhe <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>.<br />

Beide (Hunger und Durst) sind Funktionen <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>.<br />

Ergründe also, zu wem dieser Verstand gehört – diese<br />

Person (das Selbst) ist an diese nicht gebunden.<br />

I-24 <strong>Das</strong> Selbst ist allesdurchdringend wie <strong>der</strong> Raum.<br />

Worin sollte dann also die Bedeutung <strong>der</strong> Frage: „Von wo<br />

kommst du, wohin gehst du“ usw., bestehen?<br />

I-25 Ich – <strong>der</strong> ich <strong>Das</strong> bin – komme und gehe nicht. Ich<br />

wohne an keinem einzigen Ort. Du bist nicht du, an<strong>der</strong>e<br />

sind nicht an<strong>der</strong>e, ich bin nicht ich.<br />

I-27 Was wäre unerfreulich, was wäre schmackhaft für<br />

den hungrigen Mann? <strong>Das</strong> Schmackhafte wird irgendwann<br />

zum Unschmackhaften (verursacht Abscheu).<br />

1 eines <strong>der</strong> wichtigsten achtzehn Puranas (religiöse Erzählungen)<br />

2 Ribhu benutzt die Fragen Nidaghas danach, ob er mit seiner<br />

Mahlzeit zufrieden und nun gesättigt sei, zu einer spirituellen<br />

Unterweisung.<br />

3 Weiser<br />

4 d. h. hier: das Schicksal<br />

100


I-28 <strong>Das</strong> Unerfreuliche wird erfreulich, und <strong>der</strong> Mensch<br />

hat irgendwann wie<strong>der</strong>um Abscheu vor dem Erfreulichen.<br />

Welche Nahrung wäre denn am Anfang, in <strong>der</strong> Mitte und<br />

am Ende gleichermaßen schmackhaft?<br />

I-29 So wie ein aus Lehm gemachtes Haus stärker durch<br />

das Verkleiden <strong>des</strong> Lehms wird, so wird dieser aus Erde<br />

gemachte Körper stärker durch die Partikel <strong>der</strong> Erde (d. h.,<br />

Nahrung).<br />

I-31 Indem er sich dieses bewusst macht, lasse deinen<br />

Verstand mit seinen Fragen über das Erfreuliche und<br />

Unerfreuliche im Gleichmut ruhen, damit er die Befreiung<br />

erlangen möge.<br />

I-35 Wisse daher, dass alles Eines ist – es gibt in dieser<br />

Welt keine Getrenntheit. All dies ist die Form <strong>des</strong> Einen<br />

Höchsten Selbst, genannt Vasudeva 1 .<br />

* * *<br />

1 das innerste Selbst<br />

101


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Siddha Gita<br />

<strong>Die</strong> Siddha Gita ist ein Teil <strong>des</strong> Upashanti-Prakarana <strong>des</strong><br />

Yogavasishtha. Es handelt sich bei ihr um einen Gesang<br />

<strong>der</strong> vielen Siddhas 1 nahe <strong>des</strong> Palastes von König Janaka 2<br />

aus Videha.<br />

<strong>Die</strong> Erweiterung <strong>des</strong> Bewusstseins in die Unendlichkeit<br />

wird durch die Selbstbeherrschung und die Verneinung <strong>der</strong><br />

Subjekt-Objektbeziehung herbeigeführt. Darin besteht die<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Siddha Gita.<br />

I-9 <strong>Die</strong> Siddhas sprachen:<br />

Der Seher und das Gesehene zermahlen einan<strong>der</strong>. Da<br />

gibt es die objektive Wahrnehmung und dann taucht das<br />

Individuum ins Höchste ein – daraufhin entstehen dann<br />

Gewahrsein und Freude bzw. die Weisheit <strong>des</strong> Selbst und<br />

Seligkeit. Zu diesem Wandellosen Selbst nehmen wir<br />

unsere Zuflucht.<br />

I-10 Indem wir dem Seher, dem Sehen und dem<br />

Gesehenen zusammen mit sämtlichen Vasanas 3 entsagen,<br />

nehmen wir Zuflucht zum Selbst, welches das<br />

Wurzelbewusstsein jenseits jedwe<strong>der</strong> Objektivierung ist.<br />

I-11 Wir nehmen Zuflucht zum Selbst, welches das Licht<br />

<strong>der</strong> Lichter ist, welches die Mitte aller Konzepte wie „ist“<br />

und „ist nicht“ darstellt, welches den neutralen Raum<br />

zwischen Sein und Nicht-Sein einnimmt.<br />

I-12 Wir nehmen Zuflucht zu dieser Wahrheit, in welcher<br />

alles ist, von welcher alles ist, von welcher alles ausgeht,<br />

zu welcher alles geht, durch welche alles ist, welche alles<br />

ist.<br />

I-13 Wir nehmen Zuflucht zu diesem Selbst, welches<br />

sich selbst stets als „Ich“ in allen erweist, welches mit dem<br />

<strong>Buch</strong>staben „A“ beginnt und mit „HA“ und dem Punkt „M“<br />

endet (d. h., „AHAM“), welches in allen Formen existiert.<br />

1 Wesen mit spirituellen Kräften<br />

2 mythischer König<br />

3 unerwünschte, wie<strong>der</strong>kehrende Gedankenmuster<br />

102


I-14 <strong>Die</strong>jenigen, die den Gott verlassen, <strong>der</strong> im Innern<br />

<strong>der</strong> Herzenshöhle wohnt, und nach einem an<strong>der</strong>en Gott im<br />

Außen verlangen, sind wahrhaftig auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

Muschelschalen, nachdem sie den Kaustubha 1 -Edelstein,<br />

<strong>der</strong> in ihrer Hand lag, fortgeworfen haben.<br />

I-15 <strong>Die</strong>se Höchste Frucht (<strong>des</strong> Selbst) kann nur von<br />

demjenigen erlangt werden, <strong>der</strong> allen Hoffnungen und<br />

Erwartungen entsagt und die Wurzeln <strong>der</strong> giftigen Kräuter<br />

von Verlangen und Streben durchhauen hat.<br />

I-16 Derjenige ist wahrhaftig ein Esel und kein<br />

menschliches Wesen, <strong>der</strong> trotz seines Wissens über die<br />

totale Nicht-Existenz von Glück in sämtlichen Objekten <strong>der</strong><br />

Welt immer noch hinter diesen herjagt.<br />

I-17 <strong>Die</strong> Schlangen <strong>der</strong> Sinne, die sich wie<strong>der</strong> und<br />

wie<strong>der</strong> im Innern erheben und wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> zischen,<br />

sollten mit <strong>der</strong> Zuchtrute <strong>der</strong> entschlossenen<br />

Unterscheidung gemordet werden – so wie Indra 2 die<br />

Berge mit seiner Waffe Vajra zerschmettert hat.<br />

I-18 Man sollte nach dem heiligen Glück <strong>der</strong> Stille<br />

streben. Wer still geworden ist, beherrscht seinen Verstand<br />

sehr leicht. Wer seinen Verstand zurückzuhalten versteht,<br />

frohlockt auf immer in <strong>der</strong> Höchsten Seligkeit <strong>der</strong> Selbst-<br />

Verwirklichung.<br />

* * *<br />

1 göttliches Juwel<br />

2 König <strong>der</strong> Götter<br />

103


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Uttara Gita<br />

<strong>Die</strong> Uttara Gita ist ein Teil <strong>des</strong> Brahmanda Purana 1 und<br />

stellt eine Ergänzung <strong>der</strong> berühmten Bhagavad Gita dar.<br />

Sie behandelt Jnana 2 und Yoga und damit<br />

zusammenhängende Themen. Gaudapada, <strong>der</strong> Meister<br />

Sankaras, soll einen Kommentar zu dieser Gita<br />

geschrieben haben.<br />

<strong>Die</strong> Beherrschung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> geschieht durch<br />

Rückzug <strong>der</strong> Sinne und Atemkontrolle. Der Weise, <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> unsterblichen Weisheit glücklich geworden ist, hat<br />

keine Pflichten mehr zu erfüllen. Sein Verstand ist im<br />

Zustand <strong>des</strong> Samadhi eingetaucht, in dem nur noch Reines<br />

Bewusstsein existiert. Der Körper ist im Yoga-Sadhana 3<br />

eine wertvolle Hilfe und sollte daher niemals misshandelt<br />

werden. Der Körper ist Ausdruck <strong>des</strong> fundamentalen<br />

Gewahrseins. Sadhana ist ein nur relativer Prozess und<br />

spielt im Zustand <strong>des</strong> Absoluten keine Rolle mehr. Dem<br />

Studium von Büchern sollte nicht zuviel Wert beigelegt<br />

werden. Über die <strong>Essenz</strong> muss ohne Unterbrechung<br />

meditiert werden. <strong>Das</strong> gesamte Universum ist nichts als<br />

nur Brahman allein. Darin besteht die <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Uttara<br />

Gita.<br />

I-7 Der gesegnete Lord sprach:<br />

Wer im Gehen und Stehen zu allen Zeiten durch<br />

ausgedehnte Praxis seinen Atem beherrscht, wird tausend<br />

Jahre lang leben.<br />

I-17 <strong>Die</strong> weise Person sollte nach dem Studium all <strong>der</strong><br />

Bücher und nach dem Erwerb <strong>des</strong> nötigen Wissens und <strong>der</strong><br />

Weisheit sämtliche Schriften wie leere Getreidehülsen, aus<br />

denen die Körner herausgeschlagen wurden, verwerfen.<br />

I-19 So wie es einen, <strong>der</strong> süßen Nektar gekostet hat,<br />

nicht mehr nach Wasser verlangt, so hat <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong><br />

Brahman kennen gelernt hat, keinen Nutzen mehr von den<br />

Veden.<br />

1 eines <strong>der</strong> achtzehn Puranas (religiöse Erzählungen)<br />

2 Weg <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

3 spirituelle Praxis <strong>des</strong> Yoga<br />

104


I-20 Ein Yogi, <strong>der</strong> zufrieden mit <strong>der</strong> unsterblichen<br />

Weisheit geworden ist und alles getan hat, was zu tun war,<br />

hat keinerlei Pflicht gleich welcher Art mehr zu erfüllen.<br />

Falls es eine solche für ihn geben sollte, kann er nicht<br />

Kenner <strong>der</strong> Wirklichkeit genannt werden.<br />

I-29 Wessen Verstand wie <strong>der</strong> hingedehnte Himmel und<br />

frei von allen Wünschen ist, und wer das unbewegte Sein<br />

kennen gelernt hat, wird als einer im Zustand <strong>des</strong> Samadhi<br />

bezeichnet.<br />

I-30 Wer lange Zeit wie im Himmel gelebt hat und durch<br />

die yogische Praxis trunken von <strong>der</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Nektars<br />

geworden ist, lebt auf immer in <strong>der</strong> Seligkeit <strong>des</strong> Samadhi,<br />

die sogar den Tod zerstört.<br />

I-31 Im Zustand <strong>des</strong> Samadhi erfährt man das Selbst,<br />

welches nichts Höheres, nichts Niedrigeres, nichts in <strong>der</strong><br />

Mitte und überhaupt nichts irgendwo sonst kennt (weil es<br />

alles ist).<br />

I-34 Im Zustand <strong>des</strong> Samadhi erfährt man das Selbst,<br />

welches Fülle oben, Fülle unten, Fülle in <strong>der</strong> Mitte und Fülle<br />

überall ist, denn es allein ist alles.<br />

I-36 <strong>Die</strong> gesegnete Person, rein im Herzen und<br />

meditierend über das makellose Eine als „Ich bin das Eine,<br />

dieses Alles“, erlangt das Höchste.<br />

I-46 Der Raum ist das Vakuum, weil er sich als reine<br />

Leere dahindehnt. <strong>Das</strong> (Brahman) durchdringt den Raum.<br />

<strong>Die</strong> Qualität <strong>des</strong> Raumes ist <strong>der</strong> Klang. <strong>Das</strong> Klanglose Eine<br />

ist Brahman.<br />

I-47 <strong>Die</strong> Menschen gewahren durch Zurückhalten <strong>der</strong><br />

Sinne das Selbst im Körper. Falls <strong>der</strong> Körper nicht gesund<br />

erhalten und beschädigt wird – wie kann dann <strong>der</strong> Intellekt<br />

noch existieren, und wie kann ohne Intellekt Erkenntnis<br />

erlangt werden?<br />

I-52 So lange man die Wahrheit nicht verwirklicht hat,<br />

sollte man die Selbstbeherrschung praktizieren. Sobald die<br />

Wahrheit dann erkannt wurde, sieht man überall nur noch<br />

das Eine.<br />

I-54 Der Körper ist von äußerster Unreinheit und kann<br />

als solcher nicht gereinigt werden. <strong>Das</strong> Selbst ist auf<br />

immer rein und benötigt keine Reinigung. Da du diesen<br />

gewaltigen Unterschied zwischen beiden kennst – wessen<br />

Reinigung vollziehst du da nun?<br />

105


II-2 So wie sich Wasser mit Wasser, Milch mit Milch und<br />

geklärte Butter mit geklärter Butter vermischt, so<br />

vermischt sich – ohne dass es da die leiseste<br />

Unterschiedenheit gäbe – die individuelle Seele mit <strong>der</strong><br />

Höchsten Seele in <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

II-5 Sobald die Person durch die Weisheit entflammt<br />

wird, wird ihr Intellekt zu einem Teil Brahmans selbst, und<br />

ein solcher Weiser verbrennt dann die Bindung <strong>des</strong> Karma<br />

mit dem Feuer <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>des</strong> Brahman.<br />

II-8 An welchem Ort und unter welchen Bedingungen<br />

auch immer <strong>der</strong> Jnani 1 stirbt – er taucht ins Sein ein und<br />

wird wie <strong>der</strong> allesdurchdringende Raum.<br />

II-37 So wie <strong>der</strong> Raum im zerbrochenen Krug als <strong>der</strong><br />

ursprüngliche, weite Raum weiterexistiert, so existiert <strong>der</strong><br />

Jiva 2 , sobald seine Verkörperung zerbrochen ist, als das<br />

ewige Unendliche weiter.<br />

II-38 Wer die Wahrheit kennt, dass das (individuelle)<br />

Selbst nur wie <strong>der</strong> Raum innerhalb <strong>des</strong> Kruges und <strong>der</strong><br />

je<strong>der</strong>zeitigen Auflösung unterworfen ist, gelangt in den<br />

Selbst-existierenden Zustand, <strong>der</strong> durch Weisheit erlangt<br />

werden kann. Daran besteht nicht <strong>der</strong> geringste Zweifel.<br />

II-40 Tausende von Sünden, wie sie durch das Töten von<br />

Brahmanas 3 , und hun<strong>der</strong>te von Sünden, wie sie durch das<br />

Morden von Embryos entstanden sind, werden durch<br />

diesen Yoga <strong>der</strong> Meditation wie vom Feuer verzehrter<br />

Brennstoff verbrannt.<br />

II-41 Wer sogar nach dem Studium <strong>der</strong> vier Veden und<br />

<strong>der</strong> Dharma-Shastras 4 immer noch nicht realisiert hat: „Ich<br />

bin Brahman“, <strong>der</strong> ist wie ein in ein erlesenes Getränk<br />

getauchter Löffel (<strong>der</strong> <strong>des</strong>sen Geschmack nicht zu kosten<br />

vermag).<br />

II-42 Ein mit Sandelholz auf seinem Rücken beladener<br />

Esel kennt nur das Gewicht, aber nicht den Duft seiner<br />

Last. So trägt auch einer, <strong>der</strong> nur die zahlreichen Bücher<br />

studiert, aber nicht <strong>der</strong>en <strong>Essenz</strong> erfasst hat, nichts als die<br />

Lasten <strong>des</strong> schriftlichen Vermächtnisses mit sich herum.<br />

1 Wissen<strong>der</strong><br />

2 individuelle Seele<br />

3 Brahman-Priester<br />

4 antike Rechtsbücher<br />

106


II-43 So lange es da keine Erkenntnis <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

gibt, wan<strong>der</strong>t man zu den heiligen Plätzen <strong>der</strong> Pilgerschaft,<br />

nimmt heilige Bä<strong>der</strong>, vollführt zahlreiche wohltätige Akte,<br />

achtet auf Reinheit und praktiziert Buße und Opfer zum<br />

Erlangen <strong>des</strong> Glücks.<br />

II-45 <strong>Die</strong> Kühe sind verschiedenfarbig, aber ihre Milch ist<br />

stets von gleicher Farbe. Ähnlich dazu ist Weisheit immer<br />

von <strong>der</strong>selben Natur, obwohl die Körper wie die bunten<br />

Kühe von unterschiedlicher Natur sind.<br />

II-46 Nahrung, Schlaf, Furcht und Geschlechtsverkehr<br />

sind sowohl wilden Tieren als auch Menschen gemeinsam.<br />

Nur bezüglich <strong>der</strong> Erkenntnis gibt es einen Unterschied<br />

zwischen beiden. Personen, die keine Erkenntnis besitzen,<br />

sind nur wilde Tiere.<br />

II-47 Am Morgen folgt man dem Drang <strong>der</strong> körperlichen<br />

Bedürfnisse, am Mittag dem Essen und Trinken und in <strong>der</strong><br />

Nacht den ehelichen Bedürfnissen o<strong>der</strong> dem Schlaf.<br />

(Bei<strong>des</strong> hat man mit den wilden Tieren gemeinsam.)<br />

II-51 Wird <strong>der</strong> Verstand getötet und zum Nicht-Verstand,<br />

dann wird Dualität nicht mehr wahrgenommen. <strong>Die</strong><br />

Zerstörung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> bedeutet die Erlangung <strong>des</strong><br />

Höchsten Zustan<strong>des</strong>.<br />

III-1 <strong>Die</strong> Schriften sind nicht zu überblicken. <strong>Das</strong> Wissen<br />

ist grenzenlos. <strong>Die</strong> Zeit ist knapp. <strong>Die</strong> Hin<strong>der</strong>nisse sind<br />

zahllos. Folglich muss aus allem nur die <strong>Essenz</strong><br />

entnommen werden – so wie <strong>der</strong> Schwamm die Milch<br />

durch Abtrennung <strong>des</strong> Wassers trinkt.<br />

III-2 <strong>Die</strong> Puranas, das Mahabharata 1 , die Veden, die<br />

verschiedenen Schriften, die Bindung <strong>des</strong> Samsara in <strong>der</strong><br />

Gestalt von Söhnen, Ehefrauen usw. sind samt und<br />

son<strong>der</strong>s Hin<strong>der</strong>nisse in <strong>der</strong> Praxis <strong>des</strong> Yoga.<br />

III-3 <strong>Die</strong>s ist die Erkenntnis – dies muss erkannt werden.<br />

<strong>Die</strong>s ist, was du zu wissen wünschtest. Auch wenn du<br />

tausend Jahre lang leben wür<strong>des</strong>t, könntest du das Ende<br />

<strong>der</strong> Schriften und Bücher nicht erreichen.<br />

III-4 <strong>Das</strong> Leben ist äußerst unsicher. Nur das<br />

Unver<strong>der</strong>bbare Sein („seiend sein“) muss erkannt werden.<br />

Nimm, indem du sämtlichen Schriften und Büchern<br />

entsagst, deine Zuflucht zu dem, was die Wahrheit ist.<br />

1 indisches Nationalepos<br />

107


III-5 Alle Dinge dieser Erde versammeln sich in <strong>der</strong><br />

Zunge und den Genitalien. Sobald Zunge und Genitalien<br />

aufgegeben worden sind – worin bestünde dann noch <strong>der</strong><br />

Nutzen dieser Erde?<br />

III-7 Für die Brahmins ist Gott im Feuer, für die Heiligen<br />

im Herzen, für die Dummköpfe in ihren Götzenbil<strong>der</strong>n, und<br />

für die gleichmütigen Menschen ist er überall.<br />

III-9 Wohin auch immer <strong>der</strong> Verstand wan<strong>der</strong>t, dort<br />

erblickt er stets nichts an<strong>der</strong>es als die Höchste Wahrheit.<br />

Da und dort – überall – existieren das Absolute und das<br />

Brahman.<br />

III-15 Wo auch immer die Yogis sich aufhalten – wenn<br />

auch nur eine Sekunde lang –, dort befinden sich<br />

Kurukshetra 1 , Pravaga 2 und <strong>der</strong> Naimisha-Urwald 3 .<br />

III-16 <strong>Die</strong> spirituelle Kontemplation <strong>des</strong> Selbst – auch<br />

nur für einen Augenblick o<strong>der</strong> für sogar weniger als diesen<br />

Zeitraum – ist verdienstvoller als Abertausende und<br />

Abermillionen von Opfern. Nur die Meditation ist das<br />

Höchste.<br />

III-17 Der Yogi sollte durch das Feuer <strong>des</strong> Brahma-Jnana 4<br />

Tugenden und Untugenden, Freund und Feind, Glück und<br />

Leid, Erfreuliches und Hassenswertes, Gutes und<br />

Schlechtes, Ehre und Schande, Lob und Tadel verbrennen.<br />

III-19 Der Yogi, <strong>der</strong> Moksha 5 zu erlangen wünscht, sollte<br />

mit demselben Blick die als Biksha erhaltene Nahrung zur<br />

Erhaltung <strong>des</strong> Körpers, die Kleidung zum Schutz vor Kälte,<br />

Steine und Gold, schöne Ess-teller und eine Reismahlzeit<br />

unterschiedslos und ohne einen Sinn <strong>der</strong> Bevorzugung<br />

betrachten.<br />

* * *<br />

1 historisches Schlachtfeld aus <strong>der</strong> Bhagavad Gita bzw. dem<br />

Mahabharata<br />

2 Zusammentreffen <strong>der</strong> fünf heiligen Flüsse Indiens<br />

3 im Mahabharata erwähnter Wald im Altertum<br />

4 Brahman-Erkenntnis<br />

5 spirituelle Befreiung<br />

108


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Vasishtha Gita<br />

<strong>Die</strong>se Gita ist Bestandteil <strong>des</strong> Nirvana-Prakarana <strong>des</strong><br />

Yogavasishtha. Der Weise Vasistha unterweist Rama in den<br />

ewigen Wahrheiten.<br />

<strong>Die</strong> Substanz <strong>des</strong> Samsara besteht darin, dass er<br />

gänzlich unwahr 1 ist. Es liegt nicht <strong>der</strong> geringste Sinn<br />

darin, ihm auch nur einen Moment lang Glauben zu<br />

schenken. <strong>Die</strong> Gestalt <strong>der</strong> Welt ist unwirklich – die innerste<br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Welt ist das Unendliche Brahman. Im<br />

Bewusstsein, <strong>des</strong> Nicht-Selbst, welches aus <strong>der</strong> Täuschung<br />

geboren ist, herrscht <strong>der</strong> Kummer. <strong>Das</strong> höchste Glück kann<br />

durch die Gewissheit <strong>des</strong> Ewigen Seins erlangt werden. All<br />

dies hier ist nichts als nur das Brahman, welches in<br />

Brahman und durch Brahman erscheint. <strong>Die</strong> Ursache für<br />

die Bindung liegt in <strong>der</strong> Liebe für das Leben. <strong>Das</strong> Leben im<br />

Brahman bedeutet Unsterblichkeit. <strong>Die</strong>se Gita wendet sich<br />

an diejenigen, die die höchste Art <strong>des</strong> Jnana-Yoga 2<br />

praktizieren.<br />

I-3 Sri Vasishtha sprach:<br />

Wer die Schleier abgeworfen, alle Wünsche und<br />

Bestrebungen befriedet und angefüllt mit <strong>der</strong> Höchsten<br />

Unsterblichen <strong>Essenz</strong> ist, erstrahlt als das Höchste Sein<br />

Selbst.<br />

I-7 <strong>Die</strong> Freuden <strong>des</strong> Himmels sind wie das Liebäugeln<br />

mit dem Sohn <strong>der</strong> unfruchtbaren Frau im Traum. <strong>Die</strong>se<br />

Welt, die wir erfahren, ist gänzlich inexistent.<br />

I-9 Worin sollte <strong>der</strong> Zweck <strong>des</strong> Lebens bestehen, da<br />

doch das gesamte Spiel <strong>des</strong> Samsara eine Unwirklichkeit<br />

darstellt? Svarga 3 und Moksha 4 sind bei<strong>des</strong> nur bloße<br />

Worte – wie die Söhne <strong>der</strong> unfruchtbaren Frau. 5<br />

1 d. h., die Objekte darin sind gänzlich unwirklich; <strong>der</strong> Samsara<br />

ist eine falsche Welt<br />

2 Yoga <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

3 himmlische Welten, die auf und über dem Berg Meru existieren<br />

sollen<br />

4 spirituelle, endgültige Befreiung<br />

5 d. h., Svarga und Moksha sind selbst nur Teil <strong>des</strong> Samsara<br />

109


I-16 Alles ist in <strong>der</strong> Tat nichts als eine große Täuschung<br />

und nichts an<strong>der</strong>es. Es gibt we<strong>der</strong> Traum noch Tiefschlaf.<br />

Es gibt we<strong>der</strong> Himmel und Hölle noch Befreiung. <strong>Die</strong><br />

Wahrheit ist, dass alles <strong>der</strong> Friede <strong>der</strong> Ewigkeit ist.<br />

I-17 Sobald die Täuschung durchschaut ist, wird sie<br />

gleichzeitig als inexistent erkannt, denn sie besitzt<br />

keinerlei reale Substanz. Wie könnte Silber in Perlmutter<br />

sein? Es ist absolut irreal.<br />

I-20 Im Zustand <strong>des</strong> Nicht-Selbst gibt es großen Kummer<br />

und Leiden. Im Zustand <strong>des</strong> Selbst gibt es den absoluten<br />

Frieden. Wisse dies mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Unterscheidung und<br />

tue dann, wie es dir beliebt.<br />

I-25 <strong>Die</strong> Gestalt <strong>der</strong> Welt ist ein unwirkliches Bild. Es ist<br />

nur Brahman, <strong>der</strong> in Brahman erscheint. <strong>Die</strong>jenigen, die an<br />

diese Traumwelt glauben, sind selbst nur verträumte,<br />

unwirkliche Menschen.<br />

I-27 Dein absolutes Brahman-Bewusstsein existiert<br />

ebenso auch in mir, dieses Friedvolle –, hingedehnt wie <strong>der</strong><br />

Raum. Es erscheint als etwas Verschiedenes wie die<br />

bewegte Luft von <strong>der</strong> unbewegten verschieden scheint,<br />

wie <strong>der</strong> Ozean Wellen hat, obgleich da in Wirklichkeit nur<br />

Eines ist.<br />

I-28 Ich bin das Ewige Sein für diejenigen, die Mich<br />

kennen. Denjenigen jedoch, die sich im Traum befinden,<br />

erscheine Ich wie ein Traum. <strong>Die</strong>se wie<strong>der</strong>um sind<br />

inexistent für Mich – wie die Traumobjekte einer<br />

träumenden Person.<br />

I-29 Mein Umgang mit an<strong>der</strong>en Personen ist in Wahrheit<br />

nur Brahman, <strong>der</strong> in Brahman erscheint. Lass die Leute nur<br />

immer über das, was sie wahrzunehmen glauben,<br />

fantasieren. Genug – genug von diesem objektiven<br />

Erfahren!<br />

I-35 So wie die Traumerfahrungen für einen wachen<br />

Menschen nichts als Märchenerzählungen sind, so ist es<br />

das große Spiel <strong>der</strong> Welt für eine Person mit <strong>der</strong> rechten<br />

Unterscheidung.<br />

I-36 Durch die Praxis <strong>des</strong> Yoga erlangt man diesen<br />

Ewigen Zustand. Dann erkennt man, dass das Ego nicht<br />

ist, dass Samsara nicht ist – nur die Ewige Stille verbleibt.<br />

II-3 Sobald es da die Verankerung in <strong>der</strong> essenziellen<br />

Natur <strong>des</strong> Selbst, im Ewigen Frieden, gibt, verschwindet<br />

110


das gesamte wahrnehmbare Universum so, wie <strong>der</strong> Traum<br />

im Tiefschlaf untergeht.<br />

II-4 <strong>Die</strong> Vergnügen sind die großen Krankheiten <strong>des</strong><br />

Samsara. <strong>Die</strong> Verwandten sind die starken Taue, die<br />

jemanden an den Samsara binden. Der Erwerb von<br />

Reichtum dient nur <strong>der</strong> Selbstzerstörung Ruhe daher im<br />

Selbst durch das Selbst.<br />

II-5 <strong>Die</strong> Schöpfung ist <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Realität<br />

entgegengesetzt. Wahrheit ist die Identität – gesegnet auf<br />

ewig. Lebe in <strong>der</strong> Gewaltigen Realität. Sei ruhig. Leide<br />

nicht länger in diesem Samsara.<br />

II-6 Ich erfahre nicht das individuelle Selbst. Ich nehme<br />

überhaupt nichts wahr. Ich unterliege nicht <strong>der</strong> Welt-<br />

Illusion. Ich habe in den Frieden Brahmans eingegangen.<br />

Ich bin selbst das leidlose Brahman.<br />

II-9 Wer in Brahman zentriert ist, kennt keine Schöpfung.<br />

Wer in den Mühen <strong>der</strong> Schöpfung zentriert ist, kennt<br />

Brahman nicht. Der schlafende Mensch kennt den Traum<br />

nicht. Der träumende Mensch kennt den Schlaf nicht.<br />

III-20 So wie die durch Einbildungskraft geschaffene<br />

Stadt nicht getrennt von <strong>der</strong> Einbildung existiert, so ist<br />

diese Welterscheinung nicht verschieden von <strong>der</strong> Höchsten<br />

Wahrheit.<br />

IV-3 So wie Luft ohne eine irgendwie geartete Ursache<br />

zu Wind wird, so ist dieses Universum die ursachelose<br />

Bewegung <strong>der</strong> Strahlen <strong>des</strong> Ewigen Bewusstseins.<br />

IV-5 So wie das Strahlen auf natürliche Weise dem<br />

Kristall innewohnt, so erstrahlt das Reine Bewusstsein <strong>des</strong><br />

Unendlichen Seins als diese Welt.<br />

IV-16 Der Unterschied zwischen dem Universum und<br />

Brahman ist selbst eine Unwirklichkeit. <strong>Das</strong> Eine Sein kann<br />

nicht zwei werden, weil da nur dieses Großartige<br />

Unendliche Bewusstsein existiert.<br />

IV-21 Wie <strong>der</strong> Raum ist auch dieses gesamte Universum<br />

reine Leerheit. Es ist dem Einen Allesdurchdringen Reinen<br />

Sein <strong>des</strong> Bewusstseins überlagert.<br />

IV-23 Wie könnte <strong>der</strong> Raum zum Nicht-Raum werden?<br />

Einen zweiten Raum gibt es nicht. Im Unendlichen<br />

Bewusstsein erstrahlt das Universum als Glanz o<strong>der</strong> Licht.<br />

111


IV-25 <strong>Die</strong> wahre Gestalt dieses Samsara ist die<br />

Friedhofsruhe. Er ist wie <strong>der</strong> fruchtlose Kampf von einem,<br />

<strong>der</strong> Dinge zu erblicken glaubt, während seine Augen<br />

geschlossen sind.<br />

IV-41 Es gibt da kein Objekt <strong>der</strong> Wahrnehmung. All dies<br />

hier ist folglich unbeschreibbarer, ewiger, seliger,<br />

körperloser, universumsloser und absoluter Friede, <strong>der</strong><br />

lediglich als solcher erscheint.<br />

IV-51 Es wird Befreiung – die nach dem Durchschauen<br />

<strong>der</strong> Illusion dieser Welt erlangt wird – dann genannt, wenn<br />

<strong>der</strong> Verstand von sämtlichen Eindrücken gereinigt und<br />

sämtliches objektives Sein essenzlos geworden ist.<br />

V-2 Darin besteht das Kennzeichen <strong>des</strong>jenigen, <strong>der</strong> sich<br />

vom Fieber <strong>der</strong> Unwissenheit erholt hat, <strong>des</strong>sen Selbst<br />

durch Erkenntnis abgekühlt ist und <strong>der</strong> den Wassern <strong>der</strong><br />

Vergnügen keinen Geschmack mehr abgewinnen kann.<br />

V-3 Kenne das als den Zustand <strong>des</strong> Nirvana, worin das<br />

Bewusstsein <strong>des</strong> „ich“ (Individualität) verlorengegangen<br />

ist. Genug von all dem Scheinwissen, den bloßen<br />

Taschenspielertricks <strong>der</strong> Worte und den gekünstelten<br />

Ausdrucksweisen!<br />

V-9 Nimm friedlich deine Zuflucht zum Wahrem Sein, in<br />

dem sich sämtliche objektiven Wünsche auflösen, in dem<br />

Ja und Nein keinerlei Bedeutung mehr haben, in dem<br />

Wandel und „an<strong>der</strong>es“ nicht existieren.<br />

V-13 Lebe ohne Sorge im Nandana-Wald 1 <strong>der</strong> Seligkeit<br />

<strong>des</strong> Nirvana, koste die erlesene <strong>Essenz</strong>, existiere als das<br />

Unendliche Bewusstsein.<br />

V-17 <strong>Die</strong> illusorische Welt, die wie die am Himmel<br />

erblickte Stadt ist, taugt zu nichts an<strong>der</strong>em als nur zu<br />

deiner Bindung und schließlichen Zerstörung. Was macht<br />

dich, <strong>der</strong> du in dieser Illusion lebst, also so stolz?<br />

Schmerzen kommen in <strong>der</strong> Gestalt von Freuden auf dich<br />

zu. All dieses dient nur deiner Selbstzerstörung – sei<br />

wachsam!<br />

VII-14 (<strong>Die</strong> befreite Seele) schaut ihre abertausende<br />

Söhne, Frauen, Besitzstände, Freunde, Reichtümer und<br />

alles an<strong>der</strong>e wie bloße Traumobjekte aus einem längst<br />

vergangenen, alten Leben an.<br />

1 Indras, <strong>des</strong> Götterkönigs, leidloser Wald<br />

112


VII-16 Sie lacht nur über diesen Fluss <strong>des</strong> Samsara-<br />

Stromes mit all seinen aufgewühlten, vielfach brechenden<br />

Wellen und seinem Schaum, und wie dies alles so<br />

täuschend und trunken machend in seinen vielerlei<br />

Gestaltungen ist.<br />

VII-17 Wer in diesem Leben wie ein Leichnam ist und<br />

sich selbst im wun<strong>der</strong>baren Zustand <strong>der</strong> Verwirklichung<br />

verwurzelt hat, besitzt nicht das geringste Bewusstsein<br />

von irgendetwas in dieser Welt – nicht einmal von den<br />

begehrtesten Dingen wie Frauen, Geld und Ruhm.<br />

VII-20 Einen solchen peinigt das Betrachten <strong>der</strong><br />

weltlichen Aktivitäten, Geschäfte und Vergnügungen – wie<br />

ein schlafen<strong>der</strong> Mensch sich gepeinigt fühlt, <strong>der</strong><br />

gewaltsam geweckt wurde.<br />

VII-36 Wer völlige und äußerste Substanzlosigkeit in<br />

allen Objekten zu erblicken vermag, ist einer, in dem die<br />

Weisheit aufgedämmert ist. Derjenigen Person, die noch<br />

nicht zur Weisheit erwacht ist, steht die Macht zur<br />

Entsagung <strong>der</strong> Objekte nicht zur Verfügung.<br />

VII-46 Innere Sammlung bedeutet erlesene<br />

Wunschlosigkeit gegenüber Objekten. Wer diesen Stand<br />

<strong>der</strong> Versunkenheit erlangt hat, ist <strong>der</strong>jenige, <strong>des</strong>sen<br />

Göttlichkeit unter den Menschen wir unsere Grüße<br />

entbieten.<br />

VII-47 In wem die Leidenschaftslosigkeit gegenüber den<br />

Objekten den höchsten Gipfelpunkt <strong>der</strong> Vollkommenheit<br />

erlangt hat, <strong>des</strong>sen Meditation vermöchten nicht einmal<br />

die Götter und Dämonen – und noch nicht einmal Indra<br />

selbst – Hin<strong>der</strong>nisse in den Weg zu legen.<br />

VII-48 Praktiziert Vajra 1 -artige Meditation durch<br />

äußerste Leidenschaftslosigkeit gegenüber den Objekten.<br />

Wenn die Verschiedenheiten erst einmal durch die<br />

Erkenntnis annulliert worden sind – worin sollte dann noch<br />

<strong>der</strong> Nutzen an<strong>der</strong>er Meditationen, die nur wie Stroh sind,<br />

bestehen?<br />

IX-49 Wohlstand und Frauen sind vergänglich wie<br />

Schaum auf dem Wasser. Welcher weise Mensch würde<br />

1 d. h.: „diamantenhart“; es ist eine Waffe und ein Zepter<br />

zugleich mit unzerstörbaren Eigenschaften <strong>der</strong> Härte und<br />

Strahlkraft<br />

113


wohl Vergnügen in ihnen suchen, die wie <strong>der</strong> Schatten<br />

unter <strong>der</strong> Haube einer giftigen Schlange sind?<br />

IX-50 Wer um die Wertlosigkeit all <strong>der</strong> angehäuften<br />

weltlichen Objekte und <strong>des</strong> Wohlstands weiß und trotzdem<br />

noch an ihnen interessiert ist, ist wie ein dummes Vieh<br />

unter den Menschen und sollte von allen gemieden<br />

werden.<br />

X-22 Gott ist nicht fern und nicht schwer zu erlangen.<br />

Der Große Gott ist das eigene Selbst, welches <strong>der</strong> Ozean<br />

<strong>der</strong> Unendlichen Erkenntnis ist.<br />

X-23 Wir werfen uns nie<strong>der</strong> vor diesem Selbst, welches<br />

alles besitzt, von welchem alles ausgeht, welches selbst<br />

alles ist, welches überall ist, welches im Innern und<br />

allesdurchdringend ist, welches ewiglich und die Seele von<br />

allem ist.<br />

XI-20 <strong>Die</strong> Wesen besitzen in Wahrheit we<strong>der</strong> einen<br />

Körper noch eine Form <strong>des</strong> Nicht-Seins. Folglich existiert<br />

auch <strong>der</strong> Verstand nicht. Was bleibt, ist schieres Sein, das<br />

ihre wahre Natur ist.<br />

XI-43 Der erleuchtete Weise ruht im Selbst stets in<br />

einem Zustand <strong>des</strong> Gleichgewichts – selbst wenn es<br />

glühende Kohlen vom Himmel regnen, die Stürme <strong>der</strong><br />

Apokalypse blasen o<strong>der</strong> die Erde in den Weltraum<br />

geschleu<strong>der</strong>t werden sollte.<br />

XIII-2 <strong>Das</strong> Absolute ist ewiges Bewusstsein und selbst<br />

keine Ursache von irgend etwas, es ist auch keine Wirkung<br />

von irgend etwas. (Daher gibt es Schöpfung nicht.)<br />

XIII-3 Da es niemals so etwas wie eine Schöpfung<br />

gegeben hat, macht dies selbstverständlich auch<br />

sämtliche Jivas 1 und Kreaturen inexistent, denn es gibt da<br />

keinerlei Ursache, aus <strong>der</strong> sie als Wirkung hervorgegangen<br />

sein könnten.<br />

XIII-4 Nichts hier wurde jemals geboren, nichts hier<br />

stirbt jemals. <strong>Die</strong> Themen <strong>der</strong> Unterweisungen und <strong>der</strong><br />

Zweck all <strong>der</strong> Lehren sind alle nichts als ein Spiel <strong>der</strong><br />

Worte und <strong>der</strong> Klänge.<br />

XIII-8 Hier existiert gar nichts als ein externes Objekt.<br />

Nur das Eine Bewusstsein erscheint als etwas Äußeres.<br />

1 individuelle Seelen<br />

114


Sämtliches objektives Sein wächst aus dem inneren<br />

Bewusstsein heraus wie <strong>der</strong> Baum aus dem Samen.<br />

XIII-9 <strong>Das</strong> gesamte Universum existiert innerhalb <strong>des</strong><br />

eigenen, höchsten Bewusstseins – so wie man<br />

Fruchtstände am Bananenbaum sieht.<br />

XIII-10 <strong>Das</strong> gesamte Universum ist <strong>der</strong> Duft <strong>des</strong><br />

Bewusstseins. <strong>Das</strong> Unendliche, welches sowohl innen wie<br />

auch außen ist, erscheint als solches in Raum und Zeit.<br />

XIII-26 Sobald die Erkenntnis aufdämmert,<br />

verschwinden die Fesseln <strong>der</strong> irdischen (körperlichen)<br />

Bindung in den drei Welten so, wie ein Kind sich von seiner<br />

Furcht befreit fühlt, nachdem es darüber aufgeklärt wurde,<br />

dass sich kein Gespenst im Hause befindet.<br />

XIV-5 <strong>Die</strong>ser gewaltige Fehler <strong>der</strong> objektiven<br />

Wahrnehmung hat den Charakter einer gewaltigen<br />

Unwissenheit. In Wahrheit existiert sie jedoch überhaupt<br />

nicht, denn <strong>der</strong> Fluss in <strong>der</strong> Luftspiegelung enthält kein<br />

Wasser.<br />

XV-6 Wenn Brahma, Vishnnu und Siva zum Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> großen Auflösung nur noch dem Namen nach<br />

existieren, wenn Namen und Formen für immer<br />

verschwunden sind, dann ist das, was verbleibt, diese<br />

Reine Wahrheit.<br />

XV-9 Von dieser <strong>Essenz</strong> <strong>des</strong> Bewusstseins kann man<br />

we<strong>der</strong> sagen, dass sie existiere noch dass sie nicht<br />

existiere, denn ihrem Wesen nach ist sie vollkommene<br />

Stille.<br />

XV-20 Aus <strong>der</strong> Fülle setzt sich die Fülle fort. In <strong>der</strong> Fülle<br />

erstrahlt die Fülle. <strong>Die</strong> Fülle allein verbleibt, wenn die Fülle<br />

aus <strong>der</strong> Fülle entnommen wurde.<br />

* * *<br />

115


Verschiedene <strong>Gitas</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Baka Gita<br />

<strong>Die</strong>s ist eine Unterhaltung zwischen Indra, dem König<br />

<strong>der</strong> Götter, und dem Weisen Saka, <strong>der</strong> viele Kalpas<br />

(Zeitalter) lang lebte. Indra befragte diesen Weisen nach<br />

den Erfahrungen seines langen Lebens. Der Weise gab<br />

daraufhin eine Beschreibung <strong>des</strong> traurigen Zustan<strong>des</strong> <strong>der</strong><br />

Welt, wie eine Person, die lange lebt, diesen im Laufe <strong>der</strong><br />

Zeit zu sehen bekommt. <strong>Die</strong>se Gita ist im Mahabharata 1<br />

enthalten.<br />

18. Baka Rishi sprach:<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die lange Zeit leben, erfahren all die<br />

Schmerzen, wie sie im Kontakt mit hassenswerten<br />

Objekten, durch den Verlust <strong>der</strong> Lieben und in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft <strong>der</strong> Ruchlosen entstehen.<br />

19. Söhne und Ehefrauen sterben. Auch Verwandte und<br />

Freunde gehen dahin. Feinde tragen großen Kummer<br />

heran. Wie könnte es eine größere Trauer als über all dies<br />

geben?<br />

20. Ich vermag kein größeres Leid in dieser Welt zu<br />

erblicken als eine <strong>der</strong> Armut ausgelieferte Person, die von<br />

an<strong>der</strong>en misshandelt wird.<br />

21. Niedrig gesinnte Menschen steigen zu höchsten<br />

Ehren auf. Leute in herausgehobenen Stellungen stürzen in<br />

äußerste Armut hinab. Wie<strong>der</strong>holt gibt es da Verbindung<br />

und Trennung. All dieses erblicken diejenigen, die lange<br />

leben.<br />

23. Götter, Dämonen, Gandharvas 2 , menschliche Wesen,<br />

Schlangen, Kobolde – alle diese erleiden die unglücklichen<br />

Wechselfälle <strong>des</strong> Lebens. Kann es größeres Leid als das<br />

geben?<br />

1 indisches Nationalepos<br />

2 Himmelswesen<br />

116


24. In hochgestellten Familien geborene Leute leiden<br />

unter den Herabsetzungen <strong>der</strong>jenigen aus niedrig<br />

gestellten Familien. <strong>Die</strong> Reichen misshandeln die Armen.<br />

Kann es etwas Erbärmlicheres als das geben?<br />

25. Überall in <strong>der</strong> Welt beobachtet man den Sieg <strong>der</strong><br />

Ungerechtigkeit und Ironie <strong>des</strong> Schicksals. Unwissende<br />

Menschen sind zufrieden, während kluge und gebildete<br />

Menschen viel erdulden müssen. <strong>Das</strong> menschliche Leben<br />

ist zerrissen durch großen Schmerz und große Trauer.<br />

* * *<br />

117


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Bhikshu Gita<br />

<strong>Die</strong>se Gita taucht im elften Skandha <strong>des</strong> Srimad<br />

Bhagavata 1 auf. Lord Sri Krishna erzählt Uddhava als eine<br />

Veranschaulichung die Geschichte vom gierigen Brahmin 2 ,<br />

<strong>der</strong> später zu einem Weisen wurde und mit großer<br />

Gefasstheit alle Beleidigungen und Kränkungen <strong>der</strong> Welt<br />

ertrug. <strong>Die</strong>ser Brahmin singt ein Lied, das als Refrain die<br />

Methode zur Beherrschung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> enthält.<br />

43. Der Brahmin sprach:<br />

We<strong>der</strong> diese Leute noch die Götter, das Selbst, die<br />

Sterne, das Karma o<strong>der</strong> die Zeit sind <strong>der</strong> Grund meines<br />

Glücks und meines Elends. Es ist <strong>der</strong> Verstand, <strong>der</strong> die<br />

wahre Ursache dafür ist, weil er das wirbelnde Rad <strong>des</strong><br />

Samsara in Bewegung setzt.<br />

46. Wohltätigkeit, Pflichtbewusstsein, Zurückhaltung,<br />

Brauchtum, Studium <strong>der</strong> Veden, Rituale und Vratas 3 - sie<br />

alle geschehen nur für den Zweck <strong>der</strong> Beherrschung <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong>, denn das Gleichgewicht <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> ist <strong>der</strong><br />

höchste Yoga.<br />

47. Was hat einer, <strong>des</strong>sen Verstand gesammelt und<br />

heiter ist, mit Wohltätigkeit und an<strong>der</strong>en ähnlichen Akten<br />

zu tun? Wenn die Wohltätigkeit usw. den Verstand eines<br />

Menschen nicht zu zügeln vermag, son<strong>der</strong>n dieser sogar<br />

noch an Schlechtigkeit zunimmt – welcher Sinn sollte dann<br />

in solchen Handlungen liegen? (d. h., gar keiner)<br />

48. <strong>Die</strong> Sinne und die sie beherrschenden Götter<br />

befinden sich unter <strong>der</strong> Kontrolle <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, während<br />

<strong>der</strong> Verstand nicht unter <strong>der</strong> Kontrolle von irgendjemand<br />

sonst steht. <strong>Die</strong>ser machtvolle Gott namens Verstand ist<br />

stärker als das Stärkste. Wer den Verstand unter Kontrolle<br />

gebracht hat, ist folglich <strong>der</strong> König <strong>der</strong> Götter.<br />

49. Da gibt es Leute, die diesen unsichtbaren Feind mit<br />

all seiner unwi<strong>der</strong>stehlichen Macht, <strong>der</strong> die vitalen<br />

1 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

2 Brahman-Gelehrter<br />

3 religiöse Zeremonie zum Zweck <strong>der</strong> Bittstellung an die Götter<br />

118


Lebenskräfte unterminiert, nicht erobert haben und doch<br />

nutzlosen Ha<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en anfangen, und die auch noch<br />

töricht genug sind, sich fortgesetzt Freunde und Feinde zu<br />

machen und an<strong>der</strong>e zu missachten.<br />

50. Indem sie diesen Körper, <strong>der</strong> eine schiere Schöpfung<br />

<strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> ist, mit dem Selbst verwechseln, sich in<br />

ihrer Sinneswahrnehmung blenden lassen und falsche<br />

Ideen über „ich“, „meins“, „ich bin dies“ und „er ist<br />

jemand an<strong>der</strong>es“ usw. hegen, wan<strong>der</strong>n die Menschen<br />

ziellos im ungeheuren Dickicht <strong>der</strong> Finsternis umher.<br />

51. Lass den Körper die Ursache <strong>der</strong> Vergnügen und<br />

Schmerzen sein (nehmen wir diese falsche Position einmal<br />

als wahr an) – was hat all dies mit dem Atman zu tun?<br />

Solche Beziehungen bestehen lediglich zwischen zwei<br />

Körpern, die beide nur Brocken aus Lehm sind. Wem sollte<br />

einer, <strong>der</strong> sich mit seinen eigenen Zähnen auf die eigenen<br />

Lippen beißt, dafür böse sein?<br />

53. Falls das Selbst als die Ursache <strong>des</strong> Glücks und<br />

Elends angesehen werden müsste, gäbe es da wahrlich<br />

keinen Schaden durch Dritte. Gäbe es da aber einen<br />

Dritten, dann muss dieser notwendigerweise unwirklich<br />

sein. Wie könnte es dann aber einen Anlass zum Ärger<br />

geben? Gibt es also keine Ursache dafür, dann gibt es<br />

auch we<strong>der</strong> Freude noch Leid.<br />

57. Auf keine Weise, an keinem Ort und durch keine wie<br />

auch immer geartete Ursache könnte man den Angriff <strong>der</strong><br />

Gegensatzpaare auf dieses Höhere als das Hohe (Selbst)<br />

zurückführen, son<strong>der</strong>n dieser stammt stets vom Ego, <strong>der</strong><br />

Ursache <strong>des</strong> Samsara. Wer diese Wahrheit erkannt hat,<br />

fürchtet nichts mehr.<br />

* * *<br />

119


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Gopi Gita<br />

<strong>Die</strong> Gopi Gita ist ein Teil <strong>des</strong> zehnten Skandha <strong>des</strong><br />

Srimad Bhagavata 1 . Während <strong>des</strong> Rasa-Lila 2 verschwand<br />

Lord Krishna plötzlich aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Gopis 3 , um ihnen<br />

eine Lektion zu erteilen. <strong>Die</strong> Gopis erlitten die Qualen <strong>der</strong><br />

Trennung vom Lord und gaben den Empfindungen ihres<br />

Herzens in majestätischen und bewegenden Worten<br />

Ausdruck. <strong>Die</strong>se Gita ist bis obenhin angefüllt mit <strong>der</strong><br />

höchsten Art <strong>der</strong> Hingabe an den Göttlichen Herrn.<br />

1. <strong>Die</strong> Gopis sprachen:<br />

Oh du Geliebter! Durch Deine Geburt erstrahlt dieser<br />

Vraja 4 auf das Vorzüglichste – gewiss hat Lakshmi 5 hier für<br />

alle Zeiten ihre Wohnung genommen. Bitte zeige Dich uns!<br />

In allen Richtungen sind wir, die Geschöpfe, die in Dir<br />

leben, unterwegs, um Dich zu suchen.<br />

2. Oh Herr <strong>des</strong> Glücks! Oh Bringer <strong>der</strong> Gnaden! Wir sind<br />

Deine dankbaren <strong>Die</strong>nerinnen. Ist diese Enttäuschung<br />

nicht wahrhaftig todbringend für uns, nicht Deine Augen zu<br />

sehen, wie sie den Glanz <strong>der</strong> innersten Blütenblätter <strong>des</strong><br />

voll erblühten Lotos in einem See zur Zeit <strong>des</strong><br />

Frühherbstes überschatten?<br />

4. Wahrhaftig bist Du nicht <strong>der</strong> Sohn <strong>der</strong> Gopika<br />

(Yasoda 6 ). In <strong>der</strong> Tat bist du das Zeugenbewusstsein in den<br />

Herzen aller verkörperten Wesen. Du, <strong>der</strong> Du von Brahma<br />

angebetet worden bist, oh Freund, bist in <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong><br />

Sattvatas 7 erschienen, um das Universum zu stützen.<br />

1 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

2 „Tanz <strong>der</strong> göttlichen Liebe“<br />

3 Hirtenmädchen, die Verehrerinnen Krishnas<br />

4 das heilige Land Krishnas<br />

5 Göttin <strong>des</strong> Glücks und <strong>der</strong> Schönheit<br />

6 Ehefrau Nandas in den mythischen Erzählungen <strong>der</strong> Puranas<br />

7 antike indische Dynastie<br />

120


5. Oh Vornehmster <strong>der</strong> Vrishnis 1 ! Lege auf unsere<br />

Häupter Deine gandenreiche lotosgleiche Handfläche, die<br />

denjenigen Furchtlosigkeit (Erlösung) schenkt, die Zuflucht<br />

vor diesem schreckenerregenden Samsara suchen – diese<br />

Deine Hand, mit <strong>der</strong> Du Dich Lakshmi anvermählt hast,<br />

und die alle Wünsche gewährt, oh Geliebter!<br />

6. Oh Lord, <strong>der</strong> Du alle Beschwernisse <strong>der</strong> Leute von<br />

Vraja beseitigst! Oh du Held! Oh geliebter Lord, <strong>des</strong>sen<br />

Lächeln den Stolz Deiner Verehrer zerstört! Oh du Freund<br />

<strong>der</strong> armen Frauen! Sei so gut, Dich unserer anzunehmen,<br />

Deiner <strong>Die</strong>nerinnen, und zeige uns erneut Dein<br />

lotosgleiches Antlitz.<br />

7. Deine Lotosfüße vertreiben die Sünden <strong>der</strong>jenigen,<br />

die sich vor Dir nie<strong>der</strong>geworfen haben. Sie sind im Herzen<br />

<strong>der</strong>er, die vom Gras leben (Kühe und Asketen). Sie sind die<br />

Heimstatt Lakshmis. Sie zertrampeln die Haube <strong>der</strong><br />

Schlange (Kaliya 2 ). Mögest Du sie auf unsere Brust setzen<br />

und dadurch den Schmerz unserer Herzen heilen.<br />

9. Der Nektar Deiner Erzählungen ist das wahre Leben<br />

<strong>der</strong> Traurigen. Hoch gepriesen werden sie von den Weisen,<br />

sie sind die Vertilger <strong>der</strong> Sünden, sie sind herrlich<br />

anzuhören, sie sind wohltuend und erbaulich, sie geben in<br />

<strong>der</strong> Überfülle denjenigen, die von ihnen singen und sie auf<br />

<strong>der</strong> Erde feiern.<br />

10. Oh Lieber! Dein Lächeln, Dein liebevoller Blick,<br />

Deine Haltung, über die zu meditieren glücklich macht,<br />

Deine geheimen Versprechungen, all dieses dringt tief in<br />

unsere Herzen ein, und – oh Listiger – wühlt uns auf.<br />

13. Oh Geliebter! Du Bringer <strong>des</strong> Glücks, <strong>der</strong> allen<br />

Kummer beseitigt! Bitte setze auf unsere Brust Deine<br />

gesegneten, lotosgleichen Füße, die von Brahma<br />

angebetet werden, über die in den Zeiten <strong>der</strong> Trauer<br />

meditiert wird, die <strong>der</strong> Schmuck <strong>der</strong> ganzen Erde sind, die<br />

alle Wünsche <strong>der</strong>jenigen erfüllen, die sich vor ihnen<br />

nie<strong>der</strong>geworfen haben.<br />

14. Oh du Heroischer! Gib uns den Nektar Deiner<br />

Lippen, <strong>der</strong> die Freude <strong>der</strong> Liebe vergrößert und unsere<br />

Sorgen entwurzelt, <strong>des</strong>sen man sich im herrlichen Kuss <strong>der</strong><br />

1 antiker Clan, <strong>der</strong> seine Abstammung auf Vrishni, einen<br />

Abkömmling Yadus (ein Clan aus den Erzählungen <strong>des</strong><br />

Rigveda), zurückführte<br />

2 Name einer giftigen Schlange in <strong>der</strong> Hindu-Mythologie<br />

121


erklingenden Flöte erfreut, und <strong>der</strong> die Menschen alle ihre<br />

Wünsche vergessen macht.<br />

15. Sobald Du uns am Tage verlässt und in die Wäl<strong>der</strong><br />

gehst, wird ein Augenblick für uns, die wir Dich nicht<br />

länger erblicken, zu einem Zeitalter. Wie ruchlos ist doch<br />

dieser Brahma, <strong>der</strong> Erschaffer <strong>der</strong> Augenli<strong>der</strong>, <strong>der</strong> den<br />

Anblick deines verzaubernden Antlitzes, geschmückt mit<br />

lockigem Haar, unseren Blicken entzieht.<br />

17. Der Gedanke an deine vielversprechenden<br />

Geheimnisse, Dein von Leidenschaft leuchten<strong>des</strong>,<br />

lächeln<strong>des</strong> Antlitz und seine liebevollen Blicke, und an<br />

Deine breite Brust, die die Wohnung Lakshmis ist,<br />

befeuern in je<strong>der</strong> Sekunde unser heißes Verlangen und<br />

machen unsere Herzen ruhelos.<br />

18. Oh Du Geliebter! Dein Anblick setzt allen Sünden<br />

<strong>der</strong>jenigen, die in Vraja leben, ein vollständiges Ende. Er<br />

ist ein Segen für das gesamte Universum. Gewähre uns,<br />

die wir nur Dir in unseren Herzen zujubeln, wenigstens ein<br />

Geringes dieses Balsams, <strong>der</strong> sicherlich alle Schmerzen in<br />

den Herzen Deiner Dir Hingegebenen auslöschen wird.<br />

19. Oh Teurer! So du wan<strong>der</strong>st in den Wäl<strong>der</strong>n mit<br />

diesen gnadenreichen, lieblichen Lotosfüßen, die wir, um<br />

sie nicht leiden sehen zu müssen, sehr sanft auf unsere<br />

harten Busen setzen; die wir, <strong>der</strong>en Leben nur in Dir lebt,<br />

uns in <strong>der</strong> Seele quälen, diese Füße auf <strong>der</strong> steinigen Erde<br />

gehen sehen zu müssen.<br />

* * *<br />

122


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Hamsa Gita<br />

<strong>Die</strong> Hamsa Gita ist eine Unterhaltung zwischen Lord<br />

Vishnu in <strong>der</strong> Gestalt eines Schwans und den Söhnen<br />

Brahmas. Sie taucht in den Unterweisungen Sri Krishnas<br />

an Uddhava auf. <strong>Die</strong>se Gita erachtet die Welt als eine<br />

Illusion und den Atman als die dauerhafte, einzige<br />

Wirklichkeit.<br />

20. Der gesegnete Lord sprach:<br />

Als sie Mich erblickten, kamen sie herauf, warfen sich Mir<br />

zu Füßen und fragten, mit Brahma als ihrem Sprecher:<br />

„Wer bist Du?“<br />

21. Höre nun, oh Uddhava, was diese Weisen, die eifrig<br />

nach <strong>der</strong> Wahrheit verlangten, von Mir darüber zu hören<br />

bekamen.<br />

22. Wenn es aber keine Unterschiedenheiten in <strong>der</strong><br />

Wesensnatur <strong>des</strong> Atman gibt, wie könnte dann, oh<br />

Brahmins, eine solche Frage gestellt werden, und worauf<br />

sollte Ich meine Antwort gründen?<br />

23. Sollten wie<strong>der</strong>um alle fünf Bhutas (Elemente) von<br />

ein und <strong>der</strong>selben Substanz sein, wäre deine Frage „Wer<br />

bist Du?“ nur eine Abfolge von Wörtern ohne Sinn.<br />

24. Begreife, dass alles, was vom Verstand, <strong>der</strong> Rede,<br />

dem Sehen o<strong>der</strong> irgendeinem an<strong>der</strong>en Sinn erfasst wird,<br />

Ich Selbst bin und nichts an<strong>der</strong>es als Ich Selbst.<br />

25. Oh liebe Kin<strong>der</strong>! <strong>Die</strong> Objekte treten in den Verstand<br />

ein, woraufhin dieser sich in die Objekte verwickelt. Bei<strong>des</strong><br />

zusammen bildet wie<strong>der</strong>um den Körper <strong>des</strong> Jiva 1 , <strong>der</strong> Ich<br />

Selbst bin.<br />

26. Der Jiva, <strong>der</strong> sich selbst als Mich erkennt, sollte dem<br />

in die Objekte verwickelten Verstand entsagen, indem er<br />

sich ihm und auch den aus dem Verstand geborenen<br />

Objekten beständig zuwendet 2 .<br />

1 individuelle Seele<br />

2 unklare Textstelle, gemeint möglicherweise: Entsagen <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong> durch Ergründung seiner selbst und seiner Produkte<br />

123


29. Wer erkennt, dass diese Bindung das Ergebnis <strong>des</strong><br />

Egoismus in <strong>der</strong> Beziehung zum Atman und selbst<br />

unwirklich ist, sollte Leidenschaftslosigkeit entwickeln,<br />

seinen Stand in Turiya 1 nehmen und sich selbst vom<br />

Kummer <strong>des</strong> Samsara befreien.<br />

30. So lange das Empfinden von Unterschieden nicht<br />

aus dem Sinn <strong>des</strong> Menschen, <strong>der</strong> Unterschiede in den<br />

Dingen zu sehen vermeint, verschwindet – trotz seiner<br />

vernünftigen Überlegungen und logischer Betrachtung –,<br />

muss er wahrhaftig als unwissend angesehen werden; wie<br />

ein Mensch, <strong>der</strong> im Wachen schläft und im Traum wach zu<br />

sein glaubt.<br />

31. Da außer dem Atman kein an<strong>der</strong>es Ding Wirklichkeit<br />

besitzt, sind die Idee <strong>der</strong> Unterschiedenheit, die durch die<br />

Dinge hervorgerufen wird, und die verschiedenen<br />

Modifikationen und Ursachen dieser Unterschiede sämtlich<br />

unwirklich wie Traumwahrnehmungen.<br />

32. Da ist nur dieser eine Atman, <strong>der</strong> sich im Wachen<br />

mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Sinne dieser äußeren, vergänglichen<br />

Objekte erfreut, <strong>der</strong> im Traum ähnliche innere Objekte<br />

erfährt, und <strong>der</strong> sich im Schlaf von allen diesen<br />

zurückzieht, da er sich schließlich in diesen drei Zuständen<br />

seiner Identität als <strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Sinne erinnert.<br />

33. Nachdem du also die Wahrheit ergründet und zu <strong>der</strong><br />

Überzeugung gelangt bist, dass die drei Zustände <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong> von den Gunas 2 und durch Meine Maya 3 in Mir<br />

erzeugt werden, und da du nun mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong><br />

Empfehlungen <strong>der</strong> Weisen und <strong>der</strong> scharfen Worte <strong>der</strong><br />

Weisheit den Egoismus entwurzelt hast, <strong>der</strong> die Ursache<br />

aller Zweifel ist, meditiere nun über Mich.<br />

34. Man sollte erkennen, dass die gesamte Welt nur die<br />

verrückte Täuschung und <strong>der</strong> Tanz <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> ist und<br />

eine nur scheinbare Wirklichkeit besitzt, dass sie<br />

ver<strong>der</strong>blich und unzusammenhängend wie <strong>der</strong><br />

geschwungene Feuerbrand 4 ist, dass es nur das Eine<br />

1 „vierter“ Bewusstseinszustand, <strong>der</strong> über Wachen, Träumen und<br />

Tiefschlaf steht<br />

2 die drei Gundqualitäten <strong>des</strong> Universums <strong>der</strong> Trägheit, Erregung<br />

und Ausgeglichenheit<br />

3 Täuschung, die in <strong>der</strong> Überlagerung <strong>der</strong> Wirklichkeit durch<br />

etwas Unwirkliches besteht<br />

4 <strong>der</strong> geschwungene Feuerbrand erzeugt die Illusion eines<br />

Lichtkreises<br />

124


Bewusstsein ist, welches als das Viele erscheint, und dass<br />

die von den Gunas erzeugten, verschwommenen<br />

Verschiedenheiten auf dreierlei Art illusionär sind.<br />

35. Nachdem man das Auge von <strong>der</strong> sichtbaren Welt<br />

zurückgezogen und sich vom Verlangen nach etwas<br />

abgewandt hat, sollte man ohne Bestrebungen und Pläne<br />

still verbleiben und in <strong>der</strong> Seligkeit <strong>der</strong> Selbst-<br />

Verwirklichung ruhen. Sollte dann die Welt gelegentlich als<br />

real erneut auftauchen, wird dies keine Täuschung mehr<br />

verursachen, denn sobald sie einmal als irreal erkannt<br />

wurde, klingt sie als Welt nur noch in <strong>der</strong> Erinnerung nach.<br />

36. Wer auf diese Weise Weisheit erlangt und seine<br />

essenzielle Natur verwirklicht hat, erblickt den<br />

vergänglichen Körper nicht mehr, ob er nun bewegungslos<br />

o<strong>der</strong> bewegt ist o<strong>der</strong> fällt, ob er vom Karma beherrscht<br />

wird o<strong>der</strong> es losgeworden ist – wie eine Person, die trunken<br />

vom Alkohol ist, nicht mehr erkennt, ob sie noch Kleidung<br />

trägt o<strong>der</strong> nicht.<br />

37. Der Körper, <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Mächte <strong>des</strong><br />

Karma steht, dauert so lange an, bis seine Ursache, das<br />

Karma, erschöpft ist. <strong>Das</strong> Individuum, welches in Samadhi-<br />

Yoga versunken ist und das Überbewusstsein erlangt hat,<br />

sucht nicht länger Zuflucht in <strong>der</strong> Welt, die wie ein Traum<br />

ist.<br />

* * *<br />

125


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Jivanmukta Gita<br />

<strong>Die</strong>s ist eine Gita, die die Natur <strong>des</strong> Jivanmukta 1<br />

erläutert. Ihr Verfasser soll <strong>der</strong> Weise Dattatreya sein.<br />

2. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong>selben<br />

Sichtweise auf das Eine Unendliche blickt, wie dieses im<br />

Jiva 2 , in Siva und in allen Wesen wohnt.<br />

3. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> sieht, wie das<br />

Eine Brahman, welches Wohnung in allen Wesen<br />

genommen hat, die ganze Welt erleuchtet wie die Sonne.<br />

4. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> durch die<br />

Erkenntnis <strong>des</strong> Selbst verwirklicht hat, dass das Eine als<br />

das Viele erscheint – wie <strong>der</strong> Mond, <strong>der</strong> in verschiedenen<br />

Wassergefäßen wi<strong>der</strong>gespiegelt wird.<br />

5. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong>, indem er das<br />

Eine Brahman in allen Wesen existierend sieht, nirgendwo<br />

Unterschiede wahrnimmt.<br />

10. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> alles erfüllt<br />

vom Einen Bewusstsein sieht, das <strong>der</strong> Herrscher aller und<br />

allgegenwärtig wie <strong>der</strong> Raum ist.<br />

11. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong>, indem er<br />

den Jiva als identisch mit Siva (Brahman) und als im Außen<br />

existierend erkennt, keinerlei Streit mit welchem Wesen<br />

auch immer anfängt.<br />

12. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> weiß, dass<br />

das Selbst, <strong>der</strong> Guru und das Universum <strong>der</strong> fleckenlose<br />

Äther <strong>des</strong> Bewusstseins sind, und das nichts zu irgendeiner<br />

Zeit kommt o<strong>der</strong> geht.<br />

15. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> we<strong>der</strong><br />

Bindung noch Befreiung an sich trägt und <strong>des</strong>sen Verstand<br />

auf immer seine Freude an <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Meditation hat.<br />

16. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> an <strong>der</strong><br />

<strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Seligkeit Brahmans teilhat und auf immer<br />

darüber frohlockt, dass er frei von Gewohnheiten,<br />

Naturkräften usw. ist.<br />

1 <strong>des</strong> im Leben spirituell Befreiten<br />

2 individuelle Seele<br />

126


19. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> die<br />

Zustände von Wachen, Träumen und Schlafen<br />

transzendiert hat und im Ewigen Bewusstsein <strong>der</strong> Selbst-<br />

Identität verankert ist.<br />

20. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>der</strong> erkannt hat,<br />

dass sein Sein das Reine Bewusstsein ist, welches<br />

sämtliche Wesen wie die auf <strong>der</strong> Schnur aufgereihten<br />

Perlen verbindet, und <strong>der</strong> sein Sein als das attributlose<br />

Brahman sieht.<br />

23. Derjenige wird Jivanmukta genannt, <strong>des</strong>sen Verstand<br />

den höchsten Yoga praktiziert, <strong>der</strong> im Innern allem entsagt<br />

hat, während er im Außen wie leblos erscheint, und <strong>der</strong><br />

alles Äußere und Innere aufgegeben hat.<br />

* * *<br />

127


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Kapila Gita<br />

<strong>Die</strong> Kapila Gita ist eine Folge von Unterweisungen <strong>der</strong><br />

Göttlichen Inkarnation, Kapila, für seine berühmte<br />

Brahmavadini 1 -Mutter, Devahuti. <strong>Die</strong>ses Gita ist im dritten<br />

Skandha <strong>des</strong> Srimad Bhagavata 2 enthalten.<br />

24. Sri Kapila sprach:<br />

Wenn <strong>der</strong> Verstand damit aufhört, aufgrund <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Sinne Unterschiede zwischen den Objekten im Sinne<br />

von wünschenswert und nicht wünschenswert zu machen,<br />

wobei die Objekte ihrer Natur nach dieselben bleiben,<br />

25. Dann verwirklicht man das Höchste Selbst mit dem<br />

Mittel seines eigenen Selbst als einer, <strong>der</strong> alles mit<br />

gleicher Sichtweise betrachtet, an nichts mehr angehaftet<br />

ist und nichts mehr sucht o<strong>der</strong> meidet.<br />

26. Der Höchste Atman, <strong>der</strong> höchste Purusha 3 , <strong>der</strong><br />

Brahman ist, ist nichts an<strong>der</strong>es als reines Bewusstsein, das<br />

eine, glorreiche Wesen, welches in all den getrennten<br />

Objekten als die gesehenen Dinge usw. wahrgenommen<br />

wird.<br />

27. Nur darin besteht das erwünschte Ende aller<br />

Bestrebungen <strong>der</strong> Yogis und Yoginis, dass sie sich selbst<br />

vollständig von <strong>der</strong> Anhaftung an die phänomenale Welt<br />

befreien und sich anstelle <strong>des</strong>sen an das Höchste Ziel <strong>des</strong><br />

spirituellen Strebens anhaften.<br />

28. Es ist nichts als das absolute Bewusstsein als das<br />

Nirguna 4 Brahman, welches aufgrund <strong>der</strong> Illusion <strong>der</strong><br />

pervertierten Sinne als die Dinge, die Klang und an<strong>der</strong>e<br />

Eigenschaften besitzen, erscheint.<br />

30. Es ist nur dieses (Brahman), welches <strong>der</strong> Jiva 5<br />

schließlich durch Glauben, Hingabe, beständige Yoga-<br />

1 weiblicher Asket<br />

2 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

3 Gott-Person<br />

4 eigenschaftslos<br />

5 individuelle Seele<br />

128


Praxis, innere Sammlung, Nicht-Anhaftung und Entsagung<br />

verwirklicht.<br />

33. So wie die eine Substanz, ausgestattet mit den<br />

zahlreichen Qualitäten, durch die Sinne mit ihren<br />

verschiedenen Naturen verschieden wahrgenommen wird,<br />

so wird auch das eine, glorreiche Wesen auf verschiedene<br />

Weise in den verschiedenen spirituellen Pfaden <strong>der</strong><br />

Schriften beschrieben.<br />

* * *<br />

129


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Nahusha Gita<br />

Bhima, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> von Yudhishthira 1 , wurde von <strong>der</strong><br />

Riesenschlange Nahusha in einem Wald gefesselt, und als<br />

Yudhishthira nach ihm suchte, for<strong>der</strong>te Nahusha ihn mit<br />

einer Unmasse von Fragen heraus, auf die Yudhishthira<br />

Erwi<strong>der</strong>ungen gab. Wie<strong>der</strong>holt spricht Nahusha zu<br />

Yudhishthira auf <strong>des</strong>sen Fragen hin über den Dharma 2 .<br />

<strong>Die</strong>se Gita taucht im Mahabharata auf.<br />

I-21 Yudhishthira sprach:<br />

In wem Wahrheit, Wohltätigkeit, Vergebung, gutes<br />

Benehmen, Mitgefühl, Askese und Nachsicht Wohnung<br />

genommen haben, <strong>der</strong> wird ein Brahmana genannt.<br />

I-22 <strong>Das</strong>, was wert ist, als das Höchste Absolute gekannt<br />

zu werden, ist jenseits von Freude und Leid. Weise<br />

Menschen, die es erlangt haben, trauern nie wie<strong>der</strong>.<br />

I-25 Ein Sudra 3 , <strong>der</strong> nicht die Qualitäten eines Sudra hat,<br />

und ein Brahmana, <strong>der</strong> nicht die Qualitäten eines<br />

Brahmana hat, kann nicht ein Brahmana und auch <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e nicht ein Sudra genannt werden.<br />

Hinweis: Ein spirituell gesinnter Sudra ist nicht geringer<br />

als ein Brahmana, und <strong>der</strong> lasterhafte Brahmana ist mit<br />

einem Sudra gleichzusetzen.<br />

I-26 Wo immer <strong>der</strong> spirituelle Glanz wohnt – dort ist <strong>der</strong><br />

Brahmana. Wo immer es keinen spirituellen Glanz gibt –<br />

dort befindet sich ein Sudra.<br />

I-29 Ich bin <strong>der</strong> Ansicht, dass es keinen Ort gibt, an dem<br />

keine Freude und kein Schmerz zu finden sind.<br />

I-35 So lange eine Person nicht durch die Veden initiiert<br />

worden ist, ist sie wahrlich ein Sudra. Alle diesbezüglichen<br />

Zweifel wurden seinerzeit durch Svayambhuva Manu 4<br />

beseitigt.<br />

1 ein König im indischen Nationalepos Mahabharata<br />

2 Lebenspflichten<br />

3 Bauern, Handwerker und <strong>Die</strong>ner im indischen Kastensystem<br />

4 Sohn von Brahma, dem Weltenschöpfer<br />

130


I-37 Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass<br />

<strong>der</strong>jenige, <strong>des</strong>sen Natur durch die Kenntnis <strong>der</strong> Veden<br />

gereinigt wurde, ein Brahmana ist.<br />

II-2 Nahusha sprach:<br />

Derjenige geht in die himmlischen Regionen ein, <strong>der</strong><br />

wohltätig gegenüber den wahrhaft Bedürftigen ist, <strong>der</strong><br />

eine süß klingende Rede führt, <strong>der</strong> die Wahrheit spricht<br />

und <strong>der</strong> Gewaltfreiheit verpflichtet ist.<br />

II-9 Drei Arten <strong>der</strong> Geburten werden von den Wesen<br />

aufgrund ihres Karmas erworben: Menschliche Geburt,<br />

himmlisches Leben und tierische Existenz.<br />

II-10 Menschliche Wesen erlangen Svarga (himmlisches<br />

Leben), nachdem sie durch Wohltätigkeit, Gewaltfreiheit<br />

usw. gereinigt worden sind.<br />

II-11 Falls das menschliche Wesen dem Gegenteil dieser<br />

tugendhaften Qualitäten folgen sollte, wird es als Tier<br />

geboren.<br />

II-12 Wer voll von Lust und Zorn ist, wer <strong>der</strong> Gewalt<br />

(Beleidigung) und <strong>der</strong> Gier hingegeben ist, wird vom<br />

menschlichen Status hinabgeschleu<strong>der</strong>t und unter Tieren<br />

wie<strong>der</strong>geboren.<br />

II-25 Der Intellekt ist dem Atman am nächsten und<br />

spiegelt <strong>des</strong>sen intelligente Natur so wie<strong>der</strong>, wie eine<br />

erhitzte Eisenkugel die Eigenschaften <strong>des</strong> Glühens und<br />

Leuchtens <strong>des</strong> Feuers erwirbt. Der Intellekt hängt vom<br />

Atman ab und kann ohne diesen nichts tun. <strong>Die</strong> Intelligenz<br />

<strong>des</strong> Atmans wird vom Intellekt stets benötigt.<br />

II-26 Der Intellekt existiert nur, während er tätig ist,<br />

während <strong>der</strong> Verstand die ganze Zeit über existiert. Der<br />

Verstand scheint außerdem im Laufe <strong>der</strong> Zeit aufgrund <strong>der</strong><br />

Konditionierung durch die Eigenschaften <strong>des</strong> Intellekts<br />

dieselben Eigenschaften zu besitzen.<br />

II-27 Darin bestehen die Qualitäten und Unterschiede<br />

zwischen Verstand und Intellekt. Du kennst diese bereits.<br />

II-?? Sogar eine sehr intelligente und gewitzte Person<br />

wird durch den Wohlstand geblendet. Ich bin <strong>der</strong> Ansicht,<br />

dass alle diejenigen, die in den Freuden <strong>des</strong> Lebens<br />

untergetaucht sind, stets nur Getäuschte sind.<br />

131


II-42 Wahrheit, Zurückhaltung, Askese, Wohltätigkeit,<br />

Gewaltfreiheit und Verwurzelung in <strong>der</strong> Tugend sind die<br />

Stützen <strong>der</strong> Menschheit, nicht aber Kaste o<strong>der</strong> Familie.<br />

* * *<br />

132


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Narada Gita<br />

<strong>Die</strong>s ist eine Unterhaltung zwischen Lord Sri Krishna und<br />

Narada. Sie behandelt die allgemeinen Voraussetzungen<br />

eines spirituellen Suchers. Sie hebt die überragende<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Guru bzw. <strong>des</strong> spirituellen Lehrers hervor.<br />

3. Der gesegnete Lord sprach:<br />

So lange man den Guru nicht akzeptiert, so lange kann<br />

man auch nicht Mukti 1 erlangen. Folglich sollte man nach<br />

einem Guru suchen, da man an<strong>der</strong>nfalls keine<br />

Vollkommenheit erlangen kann.<br />

4. So wie das Haus ohne Beleuchtung darin finster ist, so<br />

ist <strong>der</strong> Schüler ohne den Guru verfinstert. Ohne den<br />

geringsten Zweifel daran sollte man Zuflucht zum Guru<br />

nehmen, denn mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>des</strong> Gurus erlangt man die<br />

Sehkraft.<br />

5. Ein Mensch ohne Guru ist wie die Nacht ohne Mond,<br />

wie <strong>der</strong> Tag ohne die Sonne, wie eine Armee ohne König<br />

o<strong>der</strong> Befehlshaber.<br />

11. Ein Schiff wird aus Holz gemacht. Ein Guru ist aus<br />

Vaishnava-Stoff 2 gemacht. Nur er kann zur Befreiung<br />

führen. Er ist <strong>der</strong> liebe Verwandte, <strong>der</strong> über den Ozean <strong>des</strong><br />

Samsara führt.<br />

14. Wer die Veden, die heiligen Schriften, die<br />

Vaishnavas 3 und die Brahmins 4 beleidigt, wird sich<br />

sechzigtausend Jahre lang als Wurm im Unrat wälzen.<br />

16. Oh Narada! <strong>Die</strong> Vaishnavas sind mein Körper. <strong>Das</strong> ist<br />

die Wahrheit. Wer sie zurückweist, ist wahrhaftig eine<br />

Person aus niedrigem Stand.<br />

22. Wer durch Betrachten eines Ausgestoßenen<br />

gesündigt hat, sühnt dies durch Betrachten <strong>der</strong> Sonne.<br />

Aber <strong>der</strong> Fehler, die Initiation durch den Guru zu<br />

versäumen, kann durch nichts an<strong>der</strong>es beseitigt werden<br />

1 spirituelle Befreiung<br />

2 d. h. hier: aus göttlichem Stoff<br />

3 d. h. hier: die Anhänger Gottes<br />

4 Kenner Brahmans<br />

133


als durch das Anhören <strong>der</strong> Srutis 1 aus dem Munde <strong>des</strong><br />

Guru.<br />

25. Wenn eine Person die Initiation durch den Guru<br />

anstrebt und diesen aufsucht, sind ihre Vorfahren sehr<br />

erfreut. Nach dieser Initiation werden sie alle die Befreiung<br />

erlangen.<br />

27. Tötet eine Person den Elefanten <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> mit<br />

dem Speer <strong>des</strong> Jnana 2 , dann wird dieser Jnani 3 vollständig<br />

von allen seinen Sünden befreit.<br />

28. Brahman ist Einer. <strong>Die</strong> fünffachen Sinne jedoch<br />

lassen die Dinge als vielfältig erscheinen. Wer die<br />

Sinneswahrnehmung verwirft und Zuflucht zum Einen<br />

Brahman nimmt, ist <strong>der</strong> wahre Sadhu 4 in allen drei Welten.<br />

33. Im Kali Yuga 5 sind Ganga 6 , Gita, Vaishnavas, die<br />

bräunlich-gelbe Kuh 7 und <strong>der</strong> Name Lord Haris 8 das Boot,<br />

mit dem man den Ozean <strong>des</strong> Samsara überquert.<br />

35. Ein solcher Schüler sollte in Ehren gehalten werden,<br />

<strong>der</strong> rein, gutartig und von gutem Benehmen ist, <strong>der</strong> sich<br />

den Wünschen <strong>des</strong> Gurus gemäß verhält, ein gefestigtes<br />

Gemüt hat, voller Liebe für den Guru und frei von Stolz ist.<br />

36. Ein Guru, <strong>der</strong> die Wahrheit nicht realisiert hat, und<br />

ein Schüler, <strong>der</strong> nicht initiiert und instruiert wurde – diese<br />

beiden, oh Narada, wan<strong>der</strong>n in die untersten Höllen.<br />

* * *<br />

1 heilige Schriften<br />

2 Weisheitserkenntnis<br />

3 Besitzer <strong>der</strong> Weisheitserkenntnis<br />

4 „heiliger Mann“<br />

5 „eisernes Zeitalter“, Zeitalter <strong>des</strong> Materialismus<br />

6 <strong>der</strong> heilige Fluss Ganges<br />

7 bestimmte Götterbil<strong>der</strong> in Hindutempeln<br />

8 Name Gottes<br />

134


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Pandava Gita<br />

<strong>Die</strong> Pandava Gita stellt eine Sammlung verschiedener<br />

Gebete dar, die von verschiedenen Verehrern dem<br />

Höchsten Herrn dargeboten wurden. <strong>Die</strong>se Gita behandelt<br />

die höchste Form <strong>des</strong> Bhakti 1 und <strong>der</strong> Selbsthingabe. <strong>Die</strong><br />

Strophen sind Bestandteile <strong>des</strong> Mahabharata 2 und <strong>der</strong><br />

Puranas 3 .<br />

3. <strong>Die</strong>se Menschen, die frei von Leidenschaft und<br />

angefüllt mit erlesener Weisheit sind und <strong>des</strong> Göttlichen<br />

Guru Narayana in <strong>der</strong> Meditation gedenken – diese haben<br />

wahrlich all ihre Sünden und ihren Verstand verbrannt und<br />

trinken niemals wie<strong>der</strong> die Milch von <strong>der</strong> Brust ihrer Mütter<br />

(d. h., sie werden nicht wie<strong>der</strong>geboren).<br />

4. <strong>Die</strong>se Person namens Narayana ist wahrhaftig <strong>der</strong><br />

größte <strong>Die</strong>b, <strong>der</strong> jemals hier auf Erden gelebt hat. Auch<br />

wenn man nur im Verstand an ihn denkt, stiehlt er restlos<br />

alle von den Menschen in vielen Leben angehäufte<br />

Sünden.<br />

5. Ich grüße diesen Vishnu, den Herrn aller Welten, den<br />

Lotosäugigen, <strong>der</strong> durch nichts an<strong>der</strong>es als rechte Taten<br />

erlangt werden kann; <strong>der</strong> mit dem Kaustubha 4 -Edelstein<br />

auf seiner Brust erstrahlt, <strong>der</strong> gekennzeichnet mit dem<br />

Srivatsa 5 ist, goldgelbe Seidenklei<strong>der</strong> trägt und blau ist wie<br />

das Firmament.<br />

8. Sogar falls es mein Schicksal sein sollte, gefesselt an<br />

die Nase <strong>des</strong> To<strong>des</strong> zur Hölle gehen zu müssen, sogar falls<br />

ich als Vogel o<strong>der</strong> Insekt geboren werden o<strong>der</strong> als ein<br />

Wurm viele Leben lang leben müsste, so lasst mich doch<br />

stets Hingabe für den Lord Vishnu haben, <strong>der</strong> in meinem<br />

Herzen wohnt.<br />

1 Praxis <strong>der</strong> liebenden Verehrung Gottes<br />

2 indisches Nationalepos<br />

3 mythische Erzählungen<br />

4 göttlicher Diamant<br />

5 ein an<strong>der</strong>er Name für Vishnu<br />

135


9. Wir werfen uns nie<strong>der</strong> sogar vor denjenigen, die sich<br />

vor Lord Vishnu nie<strong>der</strong>werfen, dem Yajna-Varaha 1 , dem<br />

Mächtigen und Gewaltigen.<br />

12. Oh Herr! Auch wenn ich in den Körpern von Insekten,<br />

Vögeln, wilden Tieren, Reptilien, Feen, Teufeln, Menschen<br />

o<strong>der</strong> irgendwo sonst wie<strong>der</strong>geboren werden sollte – bitte<br />

segne mich mit fester Hingabe an Dich allein und kein<br />

an<strong>der</strong>es Wesen.<br />

17. <strong>Die</strong> getäuschte Person, die Vasudeva 2 verlässt,<br />

beginnt fremde Götter zu verehren. Sie sucht nach einer<br />

Quelle auf einer Sandbank <strong>des</strong> Ganges, um ihren<br />

brennenden Durst zu stillen.<br />

20. Ich bin <strong>der</strong> Sklave <strong>des</strong> Sklaven <strong>des</strong> Sklaven <strong>des</strong><br />

Sklaven <strong>des</strong> Sklaven von Lord Narayana. Der König regiert<br />

die Welt und alle Menschen darin, aber ich bin verschieden<br />

von all diesen Männern <strong>der</strong> Welt.<br />

21. Lasst mich in allen noch kommenden Geburten den<br />

<strong>Die</strong>ner <strong>des</strong> <strong>Die</strong>ners <strong>der</strong>jenigen sein, die durch ihre<br />

immense Hingabe an Vasudeva ein stilles Gemüt erlangt<br />

haben und in Ihm absorbiert sind.<br />

23. Wer auch immer vom Lord, <strong>der</strong> den Diskus in <strong>der</strong><br />

Hand hält, dem Herrn <strong>der</strong> drei Welten, getötet wurde, geht<br />

in die Heimstatt Vishnus ein. Sogar <strong>der</strong> Zorn <strong>des</strong> Lords ist<br />

seinem Segen gleichzusetzen!<br />

28. Oh Lord <strong>der</strong> Lords! Du allein bist meine Mutter. Du<br />

allein bist mein Vater. Du allein bist mein Verwandter. Du<br />

allein bist mein Freund. Du allein bist mein Wissen (meine<br />

Erziehung). Du allein bist mein Wohlstand. Du allein bist<br />

mein Alles.<br />

36. Der Lord sprach:<br />

Wer auch immer unaufhörlich meiner gedenkt und<br />

ausruft: „Krishna, Krishna, Krishna!“, den erhebe Ich über<br />

alle Leiden und Höllen hinaus, so wie <strong>der</strong> Lotos über das<br />

Wasser erhoben wird.<br />

39. Eine Person, die in <strong>der</strong> Hölle briet, wurde von Yama 3<br />

gefragt: „Weshalb verehrst du nicht den Göttlichen Herrn<br />

Vishnu, <strong>der</strong> alle Leiden beseitigt?“<br />

1 eine göttliche Gestalt Vishnus<br />

2 Vater Krishnas<br />

3 Gott <strong>des</strong> To<strong>des</strong><br />

136


40. Nachdem er sich durch Tapas 4 , Meditation und<br />

Samadhi in Tausenden von Geburten gereinigt hat, wendet<br />

sich <strong>der</strong> Mensch – gereinigt von allen Sünden – <strong>der</strong><br />

Hingabe an Lord Krishna zu.<br />

42. So wie die Weltmenschen die intensive Liebe zu den<br />

Sinnesobjekten nie verlässt, so soll diese Liebe niemals<br />

mein Herz, oh Herr, das in Dir zentriert ist, verlassen.<br />

52. Oh Krishna! Lass den Rajahamsa (den<br />

majestätischen Schwan) meines Verstan<strong>des</strong> nun in die<br />

Kammer Deiner Lotosfüße eintreten. Wie kann es das<br />

Gedenken Deiner Gegenwart geben, wenn die Kehle beim<br />

Schwinden <strong>des</strong> Lebens durch Schleim, Keuchen und<br />

Gallenflüssigkeit verstopft ist?<br />

54. Auf wessen Zungen <strong>der</strong> gesegnete Name Krishnas<br />

wohnt, <strong>des</strong>sen Abermillionen Sünden werden im Laufe<br />

eines Augenblickes zu Asche verbrannt.<br />

60. Ich werfe mich nie<strong>der</strong> vor den Lotosfüßen<br />

Narayanas. Ich führe auf immer die Verehrung Narayanas<br />

aus. Ich spreche den göttlichen Namen Narayanas aus. Ich<br />

meditiere über die Unsterbliche Wahrheit <strong>des</strong> Narayana.<br />

62. Es gibt dieses vorzügliche Mantra „Narayana“, diese<br />

Formel, die für alle <strong>der</strong> Bringer von allem ist, und doch ist<br />

es immer wie<strong>der</strong> überraschend, wie die Menschen in die<br />

tiefsten Höllen stürzen.<br />

63. Worin bestünde <strong>der</strong> Nutzen vieler Mantras für<br />

denjenigen, <strong>der</strong> Hingabe an Vishnu besitzt? „Om Namo<br />

Narayana“ – dieses eine Mantra genügt, damit einer alles<br />

erlangt.<br />

65. Sogar Sün<strong>der</strong>, die den Namen Haris anrufen, werden<br />

von Hari befreit. Sogar bei nur zufälliger Berührung<br />

verbrennt das Feuer den, <strong>der</strong> es berührt.<br />

66. Wer einst die zwei Silben „Hari“ ausgesprochen hat –<br />

dieser hat wahrlich seine Lenden gegürtet, um sich in die<br />

Richtung seiner Emanzipation aufzumachen.<br />

70. Da ist Zerstörung, da ist großes Übel, da sind<br />

Blindheit, Trägheit und Idiotie im selben Moment, in dem<br />

Vasudevas nicht gedacht wird.<br />

73. Nachdem ich in sämtliche Schriften eingedrungen<br />

bin und sie wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> studiert und in mir gewälzt<br />

4 Askese, Selbstbeherrschung, Sammlung<br />

137


habe, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass über<br />

Narayana alle Zeit meditiert werden sollte.<br />

74. Der Körper mit seinen neun Toren ist voller Übel. <strong>Das</strong><br />

Wasser <strong>des</strong> Ganges ist die Medizin. Der Lord Narayana,<br />

Hari, ist <strong>der</strong> Arzt.<br />

75. <strong>Die</strong> Verehrer machen sich unnötigerweise Sorgen<br />

über Nahrung und Kleidung usw. Würde denn dieser das<br />

ganze Universum tragende Gott wahrhaftig seine Verehrer<br />

vergessen?<br />

80. So wie alle Wasser, die vom Himmel fallen, in den<br />

einen Ozean fließen, so gehen alle Nie<strong>der</strong>werfungen vor<br />

den Göttern zu dem einen Lord Vishnu.<br />

* * *<br />

138


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Rishabha Gita<br />

Der Weise Rishabha gibt hier seinen Kin<strong>der</strong>n<br />

Unterweisungen. <strong>Die</strong>se Gita erscheint im fünften Skandha<br />

<strong>des</strong> Srimad Bhagavata 1 .<br />

1. Rishabha sprach:<br />

<strong>Die</strong>ser Körper ist nicht dafür gedacht, ihn den elenden<br />

Vergnügen zu opfern, <strong>der</strong>er sich sogar die wilden Tiere und<br />

die Vögel erfreuen. <strong>Die</strong> göttliche Pflicht <strong>des</strong> Tapas 2 , oh<br />

Söhne, kommt dem Menschen zu. Durch diese wird <strong>der</strong><br />

Verstand zu reinem Sattva 3 , und aus diesem wie<strong>der</strong>um<br />

erwächst die unendliche Seligkeit <strong>der</strong> Brahman-<br />

Verwirklichung.<br />

2. <strong>Die</strong> Weisen sagen, dass <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nst an den Heiligen<br />

<strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> Erlösung sei, und dass die Gemeinschaft mit<br />

denen, die den Frauen anhängen, <strong>der</strong> Weg in die Finsternis<br />

sei. <strong>Die</strong> sind wahrhaftig groß, die den Gleichmut <strong>des</strong><br />

Herzens besitzen, die friedvoll, frei vom Zorn, freundlich<br />

gegenüber allen und gutartig sind.<br />

3. <strong>Die</strong>jenigen, die als ihr einziges Ziel Liebe für Mich,<br />

den Herrn, empfinden, besitzen keine Liebe für Leute, die<br />

an die Objekte zur Ernährung <strong>des</strong> Körpers hingegeben<br />

sind, und auch keine für das häusliche Leben, welches aus<br />

Ehe, Kin<strong>der</strong>n, Freunden und Besitz besteht. Sie sind<br />

zufrieden mit dem, was gerade so für ihre nackte Existenz<br />

ausreicht.<br />

4. Ganz gewiss begeht diejenige Person sorglos Sünden,<br />

die mit <strong>der</strong> Belohnung ihrer Sinne beschäftigt ist. Ich<br />

denke nicht, dass es richtig ist, wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> das zu<br />

tun, was schon in früheren Geburten Anlass zum<br />

Entstehen dieses elenden Körpers, <strong>der</strong> unwirklich ist,<br />

gewesen war.<br />

5. <strong>Die</strong>ser Verlust <strong>des</strong> Selbst-Gewahrseins, <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Unwissenheit geschuldet ist, dauert so lange an, wie man<br />

1 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

2 Askese, Selbstbeherrschung, Sammlung<br />

3 Harmonie<br />

139


die Wahrheit <strong>des</strong> Selbst nicht ergründet. Der Verstand<br />

dauert so lange an, wie es noch Handlungen gibt. <strong>Die</strong><br />

Bindung dieses dem Tode geweihten Körpers wird durch<br />

Handlungen (Karma) verursacht.<br />

16. <strong>Die</strong> Welt ist von Natur aus blind für das, was<br />

wahrhaft gut ist; sie ist angefüllt mit Wünschen und<br />

arbeitet ausschließlich nur für das Erlangen weltlicher<br />

Objekte. <strong>Die</strong> unwissenden Menschen, die einan<strong>der</strong> schon<br />

für unbedeutende Vergnügen hassen, erkennen diese<br />

Quelle endloser Sorgen nicht.<br />

18. Der ist kein Guru, <strong>der</strong> ist kein Verwandter, <strong>der</strong> ist<br />

kein Vater, die ist keine Mutter, das ist keine Gottheit, <strong>der</strong><br />

ist kein Gott, <strong>der</strong> dem Jiva 1 nicht den Weg zur Erlösung<br />

zeigt.<br />

25. Da ist nichts, was nicht Ich bin, <strong>der</strong> Ich das<br />

Unendliche und höher als das Höchste bin – <strong>der</strong> Herr <strong>des</strong><br />

Himmels und <strong>der</strong> Befreiung. Was haben diejenigen, die Mir<br />

hingegeben sind, von an<strong>der</strong>en zu erwarten, und was<br />

hätten sie folglich noch zu bekommen?<br />

26. Oh Söhne! Sämtliche beweglichen und<br />

unbeweglichen Wesen sollten von euch immer mit Respekt<br />

und gleicher Sichtweise behandelt werden, denn sie sind<br />

Meine Heimstatt – darin besteht die wahre Verehrung<br />

Meiner.<br />

27. <strong>Die</strong> wahre Verehrung besteht darin, alles Mir, dem<br />

Herrn, zu übergeben, was auch immer vom Verstand, <strong>der</strong><br />

Rede, dem Auge o<strong>der</strong> den Sinnen getan wird. Der Mensch,<br />

<strong>der</strong> dies versäumt, kann nicht auf Befreiung vom<br />

Schlingenwerk <strong>der</strong> Zeit hoffen, die die Quelle <strong>der</strong><br />

schrecklichen Täuschung ist.<br />

* * *<br />

1 individuelle Seele<br />

140


<strong>Die</strong> Shaunaka Gita<br />

Der Weise Shaunaka unterrichtet Yudhishthira, den<br />

König, über die Geheimnisse <strong>des</strong> Lebens <strong>der</strong> Wesen <strong>des</strong><br />

Universums. <strong>Die</strong> Gita besitzt einen herausragenden<br />

psychologischen Wert, löst viele spirituelle Probleme und<br />

führt sämtliche Übel auf Leidenschaft, Anhänglichkeit, Gier<br />

o<strong>der</strong> Verlangen zurück. <strong>Die</strong>se Gita taucht im Aranya-Parva<br />

<strong>des</strong> Mahabharata 1 auf.<br />

1. Shaunaka sprach:<br />

Für den Dummkopf gibt es täglich Tausende von Quellen<br />

<strong>des</strong> Kummers und Hun<strong>der</strong>te Ursachen <strong>der</strong> Furcht. All<br />

dieses existiert für den Weisen nicht.<br />

2. Weise Menschen verbinden sich nicht mit Tätigkeiten,<br />

die das Gute zerstören, die voller Makel sind und sich im<br />

Gegensatz zum Guten befinden.<br />

3. Oh König! Du besitzt diese achtfache Weisheit (das<br />

Wissen um die achtfachen Glie<strong>der</strong> <strong>des</strong> Yoga), die alle Übel,<br />

die die Schranken vor <strong>der</strong> Erlösung darstellen, zerstört; die<br />

von <strong>der</strong> Sruti 2 und Smriti 3 unterstützt wird.<br />

4. Weise Menschen wie du geraten nicht in Trauer wegen<br />

mentaler und physischer Probleme, wegen fehlendem<br />

Wohlstand, wegen <strong>des</strong> Leidens an <strong>der</strong> eigenen<br />

Verwandtschaft, o<strong>der</strong> wenn sie in großen Schwierigkeiten<br />

feststecken.<br />

5. Höre nun – ich werde dir jetzt davon erzählen –, wie<br />

<strong>der</strong> großherzige Janaka in den alten Zeiten diese Verse<br />

sang, die den Verstand zum Selbst hinwenden.<br />

6. <strong>Die</strong> ganze Welt wird von den Leiden nie<strong>der</strong>gezogen,<br />

die durch den Verstand und den Körper erzeugt werden.<br />

Höre dir nun im Einzelnen und im Allgemeinen an, wie<br />

diese Leiden befriedet werden können.<br />

1 indisches Nationalepos<br />

2 „gehörte“ heilige Wahrheit<br />

3 „erinnerte“ heilige Wahrheit<br />

141


7. Physische Leiden treten aufgrund von vier Gründen<br />

auf: Krankheit, Kontakt mit nicht wünschenswerten<br />

Objekten, Verblendung und Verlust lieber Besitztümer.<br />

8. Physische und mentale Krankheiten werden geheilt,<br />

indem man diesen vier Quellen <strong>der</strong> Leiden ausweicht und<br />

ebenfalls nicht über ihnen brütet. Darin bestehen die zwei<br />

Arten <strong>des</strong> Umgangs damit, mit denen man sich selbst vom<br />

Leiden befreien kann.<br />

9. Kluge Ärzte kurieren zuerst die mentalen Leiden, und<br />

zwar durch angenehme Rede, durch Anekdoten aus ihrer<br />

Praxis, durch Anbieten <strong>der</strong> Objekte, die sich <strong>der</strong> Verstand<br />

wünscht, und durch physische Vergnügen.<br />

10. Der Körper leidet aufgrund <strong>der</strong> Sorgen <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong>, so wie in einem Topf aufbewahrtes Wasser im<br />

Kontakt mit einer erhitzten Eisenkugel zu kochen beginnt.<br />

11. <strong>Die</strong> mentalen Krankheiten sollten durch Erkenntnis<br />

kuriert werden, so wie ein Feuer gelöscht wird, in welches<br />

man Wasser gießt. Sobald <strong>der</strong> Verstand ruhig geworden<br />

ist, wird auch <strong>der</strong> Körper wie<strong>der</strong> gesund.<br />

12. <strong>Die</strong> Ursachen mentaler Krankheit sind Liebe und<br />

Anhänglichkeit 1 . Liebe und Anhänglichkeit lassen das<br />

Individuum anhaften, woraufhin es schon bald großen<br />

Sorgen begegnen wird.<br />

13. Alle Sorgen haben Anhänglichkeit an etwas als ihre<br />

Wurzel. Auch alle Furcht wird aus <strong>der</strong> Anhänglichkeit<br />

geboren. Trauer, Heiterkeit, Ermüdung und alle Arten von<br />

Schmerzen entstehen aus <strong>der</strong> Anhänglichkeit.<br />

14. Aus <strong>der</strong> Anhänglichkeit entsteht die inniglich<br />

empfundene Einbildungskraft, und aufgrund <strong>der</strong><br />

Anhänglichkeit entwickelt sich dann wie<strong>der</strong>um tiefe<br />

Anhaftung an die Objekte <strong>der</strong> Welt. Beide stellen sich<br />

letztlich gegen das, was für den Menschen das Beste wäre.<br />

Der eigentliche Guru sämtlicher Probleme ist diese<br />

Anhänglichkeit.<br />

15. So wie sogar ein winziges Feuer in <strong>der</strong> Höhlung eines<br />

Baumes zum Schluss den ganzen Baum verbrennt, so<br />

verbrennt auch nur ein wenig Anhänglichkeit für die<br />

Sinnesobjekte schließlich alle Tugenden und alles<br />

Gedeihen.<br />

1 für die Welt<br />

142


16. Wem die Sinnesobjekte nur entzogen worden sind,<br />

kann nicht als ein Mensch <strong>der</strong> Entsagung bezeichnet<br />

werden. Derjenige jedoch, <strong>der</strong> im Kontakt mit den<br />

Sinnesobjekten <strong>der</strong>en Makel erkennt und daraufhin echte<br />

Leidenschaftslosigkeit ihnen gegenüber entwickelt, ist <strong>der</strong><br />

Mensch <strong>der</strong> wahren Entsagung. Er hasst nichts und er giert<br />

nach nichts.<br />

17. Folglich sollte man für gar nichts eine Anhänglichkeit<br />

entwickeln – nicht einmal für Freunde und nicht für<br />

Reichtümer. <strong>Die</strong> im Innern bereits wohnende<br />

Anhänglichkeit sollte durch Erkenntnis beseitigt werden.<br />

18. <strong>Die</strong> Anhänglichkeit entsteht nicht in denjenigen, die<br />

voller Weisheit und selbstbeherrscht sind, die die Kenntnis<br />

<strong>der</strong> heiligen Schriften besitzen, und die alle ihre Pflichten<br />

erfüllt haben – so wie Wasser von einem Lotosblatt abperlt.<br />

19. <strong>Die</strong> Person voller Anhaftung wird nur von <strong>der</strong><br />

Leidenschaft angetrieben. Sie entwickelt Wünsche, und<br />

daraufhin entsteht <strong>der</strong> Boden für das festverwurzelte<br />

Verlangen in ihr.<br />

Hinweis: Raga bedeutet das Anklammern an die Liebe.<br />

Kama ist <strong>der</strong> Wunsch nach Besitz, Ichha ist ein Wunsch<br />

nach dem Besitz <strong>des</strong> Objekts nach dem erfolgten<br />

Vergnügen, und Trishna ist Übersättigung nach<br />

wie<strong>der</strong>holten Vergnügen.<br />

20. <strong>Das</strong> sündigste aller Dinge ist die Gier, das<br />

Verlangen. <strong>Das</strong> Verlangen verursacht ewiges Leiden. <strong>Das</strong><br />

Verlangen ist die Gebärmutter <strong>des</strong> Lasters und <strong>der</strong> Motor<br />

<strong>der</strong> Sünde.<br />

21. <strong>Das</strong> Verlangen ist für die Toren nur schwer zu<br />

überwinden – es altert nicht einmal dann, wenn die Person<br />

altert. Es ist die große Krankheit, die bis zum Ende <strong>des</strong><br />

Lebens fortexistiert. Nur durch Entsagung <strong>des</strong> Verlangens<br />

kann einer hoffen, einst das Glück zu erlangen.<br />

22. <strong>Das</strong> Verlangen kennt we<strong>der</strong> Anfang noch Ende.<br />

Verwurzelt ist es in geheimen Winkeln im Herzen aller<br />

Menschen. Es zerstört alle Wesen so schnell wie ein<br />

rasen<strong>des</strong> Feuer.<br />

23. So wie das Holz sich selbst durch das in ihm<br />

entstehende Feuer verbrennt, so verdirbt <strong>der</strong> Dummkopf<br />

durch seine eigene Gier.<br />

143


24. So wie alle lebenden Wesen in sich die Drohung <strong>des</strong><br />

To<strong>des</strong> tragen, so sind die Reichen vom König, von<br />

Überschwemmungen, vom Feuer, von <strong>Die</strong>ben und sogar<br />

von ihren eigenen Verwandten bedroht.<br />

25. So wie Vögel Fleisch in <strong>der</strong> Luft, Wölfe Fleisch auf <strong>der</strong><br />

Erde und Fische Fleisch im Wasser verzehren, so wird <strong>der</strong><br />

reiche Mann überall verzehrt.<br />

26. Nur <strong>der</strong> Wohlstand ist die einzige Ursache allen<br />

menschlichen Elends. Sogar wenn Reichtum für gute<br />

Zwecke verwendet wird, bringt er den Menschen kein<br />

dauern<strong>des</strong> Glück.<br />

27. Folglich dient sämtliches Streben nach Reichtum nur<br />

<strong>der</strong> zunehmenden Verwirrung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, <strong>der</strong><br />

Anstachelung <strong>des</strong> Geizes, dem Stolz, dem Hochmut, <strong>der</strong><br />

Furcht und dem Zorn.<br />

28. Weise Menschen wissen, dass <strong>der</strong> Kummer aller<br />

menschlichen Wesen dem Streben nach Reichtum, seiner<br />

Bewahrung und seiner Vergrößerung zu verdanken ist.<br />

29. Für das Ziel <strong>der</strong> Reichtumerwerbs erleiden die<br />

Menschen große Qualen und begehen Morde. Ist <strong>der</strong><br />

Reichtum dann gegangen, leiden sie wie<strong>der</strong> neue<br />

Schmerzen, weil sie ihr Gedeihen dem Feind Wohlstand<br />

anvertraut haben.<br />

30. Reichtum wird nur unter vielen Qualen erworben.<br />

Sein Verschwinden ist für den Menschen daher so<br />

entsetzlich, dass er nicht einmal daran zu denken wagt.<br />

Narren wie diese sind niemals glücklich. Nur weise<br />

Menschen erwerben echtes Glück.<br />

31. Ein Ende <strong>der</strong> Gier gibt es nicht. Zufriedenheit ist<br />

folglich <strong>der</strong> bester Weg zum Glücklichsein. Nur die<br />

Zufriedenheit wird daher von den Weisen als das erlesene<br />

Ziel erachtet.<br />

32. Vergänglich sind Jugend, Schönheit, Leben, Besitz<br />

und Reichtümer, Herrschaft und das Zusammensein mit<br />

den Lieben. Ein weiser Mensch sollte niemals nach solchen<br />

Dingen trachten.<br />

33. Sämtlichen Besitztümern sollte folglich entsagt<br />

werden. Alle Schmerzen, wie diese wie<strong>der</strong>um aus <strong>der</strong><br />

Entsagung entstehen, sollten tapfer ertragen werden. Gibt<br />

es denn irgend jemanden, <strong>der</strong> reich ist und gleichzeitig frei<br />

144


von Sorgen? Daher preisen alle rechtschaffenen Menschen<br />

die Aufgabe <strong>der</strong> Habsucht und die Entsagung.<br />

34. Auch wenn jemand Reichtum nur für den Zweck<br />

rechtschaffener Taten aufzuhäufen wünscht, wäre es<br />

immer noch besser für ihn, mehr Leidenschaftslosigkeit zu<br />

entwickeln. Anstatt die Hände nach <strong>der</strong> Berührung von<br />

Unrat zu waschen, ist es besser, ihn gar nicht erst zu<br />

berühren.<br />

35. Oh Yudhishthira! Entwickle daher keine Wünsche<br />

nach irgend etwas. Wenn du ein rechtschaffenes Leben zu<br />

führen wünscht, dann entsage aller Liebe zum Wohlstand.<br />

* * *<br />

145


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Sruti Gita<br />

<strong>Die</strong> Sruti Gita ist Teil <strong>des</strong> zehnten Skandha <strong>des</strong> Srimad<br />

Bhagavata 1 . Es handelt sich bei ihr um ein Gebet <strong>der</strong><br />

Srutis 2 an den Lord Narayana in Seiner Heimstatt <strong>des</strong><br />

Sveta Divipa. <strong>Das</strong> Gebet beinhaltet die sublime Philosophie<br />

<strong>des</strong> <strong>Vedanta</strong> und legt <strong>des</strong>sen Prinzipien im Geist <strong>der</strong> Veden<br />

und Upanishaden dar.<br />

25. <strong>Die</strong> Srutis sprachen:<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die meinen, dass das Sein aus dem Nicht-<br />

Sein geboren sei o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Atman stürbe o<strong>der</strong> es viele und<br />

verschiedene Wesen gäbe o<strong>der</strong> Rituale substanzielle<br />

Früchte tragen würden, lehren an<strong>der</strong>e nur ihre eigenen<br />

Missverständnisse. <strong>Die</strong> Idee <strong>der</strong> Verschiedenheit, nämlich<br />

dass <strong>der</strong> Purusha 3 aus den drei Gunas 4 bestünde, geht auf<br />

die Unwissenheit bezüglich von Dir (<strong>des</strong> Höchsten Herrn)<br />

zurück. Eine solche Verschiedenheit ist we<strong>der</strong> in Dir noch<br />

existiert diese Unwissenheit in Dir, <strong>der</strong> Du Absolutes<br />

Bewusstsein bist.<br />

26. Der Verstand, <strong>der</strong> die drei Gunas erzeugt, die als<br />

wirklich erscheinen und doch unwirklich sind, wird Dir<br />

überlagert. <strong>Die</strong>jenigen jedoch, die den Atman kennen,<br />

betrachten all dies als Sat bzw. wirkliches Sein, als den<br />

Atman Selbst, denn diejenigen, die auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

Gold sind, lehnen seine Modifikationen in <strong>der</strong> Gestalt von<br />

Schmuckstücken nicht ab, da auch diese Gold sind. <strong>Die</strong>ses<br />

gesamte Universum ist <strong>der</strong> Atman, da Er es gemacht hat<br />

und in ihm ist.<br />

27. Nur diejenigen, die Dich hingabevoll als die einzige<br />

Quelle aller Wesen verehren, überwinden den Tod und<br />

stellen ihre Füße auf den Kopf <strong>des</strong> To<strong>des</strong>. <strong>Die</strong>jenigen<br />

jedoch, die sich von Dir abwenden – auch wenn sie<br />

Gelehrte sein mögen –, hältst Du im Samsara gefangen,<br />

1 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

2 heilige Schriften<br />

3 Gott-Person<br />

4 die drei Grundqualitäten <strong>des</strong> Universums: Erregung, Trägheit,<br />

Gleichgewicht<br />

146


wie man Vieh durch Kommandos festhält. Nur diejenigen,<br />

die Dir hingegeben sind, schwelgen schließlich in Reinheit,<br />

aber nicht diejenigen, die ihre Gesichter von Dir<br />

abgewendet haben.<br />

31. We<strong>der</strong> Prakriti 1 noch Purusha o<strong>der</strong> beide zusammen<br />

können die Ursache <strong>des</strong> Jiva 2 sein. <strong>Die</strong> Jivas treten wie<br />

Blasen auf dem Wasser ins <strong>Das</strong>ein, sie verschwinden mit<br />

all ihren Namen und verschiedenen Eigenschaften<br />

schließlich wie<strong>der</strong> in Dir – wie die Flüsse im Ozean<br />

verschwinden und alle Geschmacksrichtungen zu Honig<br />

werden.<br />

33. <strong>Die</strong>jenigen, die das unregierbare Pferd <strong>des</strong> äußerst<br />

schwankenden Verstan<strong>des</strong> nur durch Fesselung <strong>der</strong> Sinne<br />

und <strong>des</strong> Atems zu beherrschen trachten, ohne dabei nach<br />

<strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Füße eines Gurus zu suchen, mühen sich nur<br />

vergeblich und auf schmerzhafte Weise ab und fahren fort,<br />

in endlosen Qualen zu leben. Sie sind wie Händler, die sich<br />

nicht um einen Navigator für ihre Schiffe auf hoher See<br />

bemüht haben.<br />

36. <strong>Das</strong> Argument mancher, dass dieses Universum real<br />

sei und sich aus dem Realen heraus entwickelt habe, ist<br />

irreführend und wi<strong>der</strong>spricht <strong>der</strong> logischen und genauen<br />

Prüfung <strong>der</strong> Fakten. Manchmal wird dieses Argument<br />

übertrieben, dann wie<strong>der</strong> ist es gänzlich falsch. <strong>Das</strong><br />

Universum kann nicht gleichzeitig real und falsch sein. Für<br />

den Zweck <strong>des</strong> weltlichen Lebens wird es<br />

zugestan<strong>der</strong>maßen als eine Illusion bezeichnet. <strong>Die</strong>se<br />

törichten Menschen, die die Wahrheit nicht erkennen,<br />

führen Reden und verwenden die Sprache einer endlosen,<br />

blinden Tradition, die angefüllt ist mit Missverständnissen,<br />

von denen sie fortgesetzt irregeführt werden.<br />

37. <strong>Die</strong>ses Universum hat we<strong>der</strong> am Anfang existiert<br />

noch hat es ein zukünftiges <strong>Das</strong>ein. Es ist nur dieses<br />

unwirkliche Universum in <strong>der</strong> Mitte, welches Dir überlagert<br />

wird, <strong>der</strong> Du die Eine <strong>Essenz</strong> bist. Daher wird es in den<br />

verschiedenen Gestaltungen <strong>der</strong> Materie, d. h., Gold, Natur<br />

usw., gesehen und als Überlagerung bezeichnet. <strong>Die</strong>se<br />

substanzlose Fantasie namens Universum erachten die<br />

Unwissenden als wirklich.<br />

1 (physische) Natur <strong>des</strong> Universums<br />

2 individuelle Seele<br />

147


41. Sogar die über die Himmel herrschenden Götter<br />

vermögen Deine Grenzen nicht zu erkennen, da Du<br />

grenzenlos bist. Du Selbst wirst niemals begrenzt, in Dir<br />

wohnen die unendlich vielen Eier <strong>der</strong> Universen (<strong>der</strong><br />

Kosmen) zusammen mit all ihren verschiedenen Hüllen; sie<br />

bewegen sich darin wie Staubteilchen in <strong>der</strong> Luft,<br />

getrieben vom Rad <strong>der</strong> Zeit. <strong>Die</strong> Veden sprechen zum<br />

Zwecke Deiner Glorie von Dir nur in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Negation<br />

von allem an<strong>der</strong>en (denn sie können nicht beschreiben,<br />

was Du wahrhaftig bist).<br />

* * *<br />

148


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Venu Gita<br />

<strong>Die</strong> Venu Gita ist ein Teil <strong>des</strong> zehnten Skandha <strong>der</strong><br />

Srimad Bhagavata 1 . Als Sri Krishna im Wald war und die<br />

Kühe hütete, begannen die Gopis 2 Seine Glorie in sehr<br />

gefühlvollen Worten zu beschreiben. <strong>Die</strong>se Gita enthält<br />

eine Beschreibung <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>baren Wirkungen, die die<br />

Stimme <strong>der</strong> göttlichen Flöte auf diejenigen hatte, die sie<br />

hörten. Alle scharten sich um Sri Krishna und verharrten in<br />

einem Zustand <strong>der</strong> Sammlung und Konzentration.<br />

2-3 <strong>Die</strong> Gopis sprachen:<br />

Oh Gopis, als Mukunda Seine Wange Seinen linken Arm<br />

näherte und mit tanzenden Brauen Seine sanften Finger an<br />

die Löcher <strong>der</strong> Flöte legte, diese an Seine Lippen setzte<br />

und sie mit Seiner Stimme erfüllte, da fuhren himmlische<br />

Frauen zusammen mit ihren Gemahlen auf Luftkutschen im<br />

Himmel herbei, hörten diese Musik in Verzückung an und<br />

erröteten, da sie ihre Herzen von den Pfeilen Amors<br />

getroffen sahen. Sie standen verwirrt und ahnungslos<br />

darüber, dass sich ihre Lendenklei<strong>der</strong> gelöst hatten.<br />

4-5 Oh welche Freude! Welches Wun<strong>der</strong>! Frauen, hört<br />

dies an! Wenn mit einem Lächeln wie Perlenkränze und<br />

Blitzesstrahlen, wie diese unentwegt aus seiner Brust<br />

hervorgehen, dieser Sohn <strong>des</strong> Nanda süß die Flöte<br />

erklingen lässt und die Bekümmerten entzückt, dann<br />

versammeln sich in Haufen, sogar von weit her, die Stiere<br />

aus Vraja, die Hirsche und die Kühe und lassen ihre Herzen<br />

von <strong>der</strong> Musik <strong>der</strong> Flöte betören. Sie stehen da, noch mit<br />

halbgekautem Gras zwischen ihren Zähnen, und lauschen<br />

mit aufgestellten Ohren wie im Tiefschlaf o<strong>der</strong> wie gemalte<br />

Tiere.<br />

10-11 Wenn Er mit dem reizenden Tilaka 3 auf Seiner<br />

Stirn die köstliche und helle Musik <strong>der</strong> Bienen, die trunken<br />

1 einer <strong>der</strong> wichtigsten indischen Klassiker, <strong>der</strong> vom Leben und<br />

den Taten Krishnas erzählt<br />

2 Hirtenmädchen<br />

3 Segenszeichen <strong>der</strong> Hindus<br />

149


vom Tulasi 1 -Honig <strong>des</strong> göttlichen Duftes <strong>der</strong> Vanamala 2<br />

sind, beantwortet und auf Seiner Flöte spielt, dann werden<br />

die Herzen von Sarasa, Hamsa und den Vögeln <strong>des</strong> Sees<br />

zu dieser bezaubernden Musik hingezogen. Mit<br />

vollkommen beherrschtem Verstand – was für ein Wun<strong>der</strong>!<br />

- suchen sie Hari auf, schließen ihre Augen und<br />

kontemplieren Ihn in perfekter Stille.<br />

14-15 Oh Yashoda 3 , als dein Sohn, <strong>der</strong> Wissende in all<br />

den verschiedenen Spielen <strong>der</strong> Gopas, die Flöte an Seine<br />

herrlichen Lippen setzte und Seine reichen, vollkommenen<br />

und nur ihm eigenen Töne erklingen ließ, da suchten Ihn<br />

die mächtigen und weisen Götter Indra, Siva und Brahma<br />

und viele an<strong>der</strong>e auf und lauschten dieser Musik mit in<br />

Verehrung versunkenem Kopf und Herzen, wie diese so<br />

herrlich und vielfältig anzuhören war, und sie standen<br />

verwirrt, wie sie <strong>der</strong>en wahre Natur erkannten und<br />

aufnahmen.<br />

18-19 Als Er, geschmückt mit Perlenketten und<br />

Girlanden von Tulasi mit auserlesenem Duft, an manchen<br />

Orten Seinen Arm auf die Schulter Seines geliebten<br />

<strong>Die</strong>ners sinken und die Vendu 4 singen ließ, während er die<br />

unter seiner Aufsicht befindlichen Kühe zählte, folgten die<br />

weiblichen Gefährten <strong>der</strong> Hirsche mit von den Klängen <strong>der</strong><br />

Krishna-Flöte verzauberten Herzen dem Herrn <strong>der</strong><br />

Unendlichen Erlesenheit und sind immer noch, ihre<br />

Heimkehr vergessend, bei Ihm wie die Gopis, die aller<br />

Anhänglichkeit an ihre Heime entsagt hatten.<br />

26. Sri Suka sprach:<br />

Auf diese Weise sangen die so sehr gesegneten Frauen<br />

von Vraja, oh König, von den spielerischen Aktivitäten<br />

Krisnas und verbrachten verzaubert den Tag mit einem<br />

Herzen und Verstand, die Ihm hingegeben waren.<br />

* * *<br />

1 ein Duftholz<br />

2 wörtl.: Girlande aus Waldblumen<br />

3 Mutter Krishnas<br />

4 Bambusflöte<br />

150


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Vyadha Gita<br />

<strong>Die</strong> Vyadha Gita ist eine Predigt eines rechtschaffenen<br />

Jägers, <strong>der</strong> seinen Eltern mit großer Hingabe diente und<br />

dabei seine Pflichten erfüllte, die im Töten <strong>der</strong> Tiere und<br />

dem Servieren ihres Fleisches bestanden. Der Weise<br />

Kaushika wird darüber belehrt, wie eine Person Seligkeit<br />

dadurch erlangt, indem sie ihrem eigenen Dharma 1 folgt.<br />

<strong>Die</strong> Gita behandelt die allgemeinen Grundsätze zur<br />

Selbstreinigung und spirituellen Erhebung. <strong>Die</strong>se Gita<br />

taucht im Mahabharata 2 auf.<br />

1. Dharma-Vyadha sprach:<br />

Zuerst entsteht die mentale (psychotische) Tätigkeit zum<br />

Zweck <strong>der</strong> objektiven Wahrnehmung. Daraufhin entstehen<br />

Lust und Zorn in den Wesen.<br />

2. Zur Erfüllung <strong>des</strong> Endzwecks schließlich beginnt das<br />

Individuum mühselige Tätigkeiten auszuüben. Dann<br />

beginnt es sich <strong>der</strong> Sinnesobjekte, <strong>der</strong> schön<br />

anzusehenden und angenehm duftenden Dinge usw. zu<br />

erfreuen.<br />

3. <strong>Die</strong> Folge davon ist Anhaftung und endlich Hass.<br />

<strong>Die</strong>sen beiden folgen dann Gier und Verblendung.<br />

4. Wer von Gier erfüllt ist und von Liebe und Hass<br />

gehetzt wird, kann seinen Verstand nicht in Richtung <strong>des</strong><br />

Dharma lenken. O<strong>der</strong> er entspricht dem Dharma mit<br />

Hochmut (als ein Heuchler).<br />

5. Auf diese Weise hängt er dem Dharma mit<br />

betrügerischer (unechter) Gesinnung an. Mit dieser<br />

falschen Gesinnung verlangt es ihn dann nach Reichtum.<br />

Ist dann eine Masse von Reichtum durch Unehrlichkeit<br />

angehäuft, will <strong>der</strong> Verstand nur noch daran seine Freude<br />

haben und beginnt damit, Sünden zu begehen, auch wenn<br />

ihn Freunde und weise Menschen davon abzuhalten<br />

versuchen.<br />

1 Lebenspflichten<br />

2 indisches Nationalepos<br />

151


6. Er führt die Srutis 1 nur dem Worte nach im Munde und<br />

führt eine Lebensweise, die dem Gesetz <strong>der</strong> Srutis<br />

entgegengesetzt ist. Er ist versunken in den dreifachen<br />

Lastern, geboren aus dem Übel <strong>der</strong> Anhaftung.<br />

7. Er denkt an sündige Dinge, spricht von sündigen<br />

Dingen und begeht sündige Handlungen. In einem solchen,<br />

<strong>der</strong> unrechtschaffenen Handlungen hingegeben ist,<br />

ersterben sämtliche edlen Tugenden.<br />

8. Solche sündigen Menschen befreunden sich mit<br />

denen, die ähnliche Eigenschaften sündiger Natur<br />

besitzen.Dadurch erleiden sie alle zusammen großen<br />

Kummer und begegnen sogar noch in <strong>der</strong> jenseitigen Welt<br />

dem Gram.<br />

9. <strong>Das</strong> ist die Beschreibung <strong>der</strong> sündigen Person. Nun<br />

höre von <strong>der</strong> Befolgung <strong>des</strong> Dharma. Der Rechtschaffene<br />

sieht mit <strong>der</strong> Hilfe seiner Klugheit alle Laster und Übel<br />

voraus.<br />

10. Der Rechtschaffene ist im Glück und Unglück immer<br />

gut aufgehoben. Er dient den Heiligen. Aufgrund <strong>der</strong><br />

Gemeinschaft mit Heiligen entwickelt er einen Verstand,<br />

<strong>der</strong> sich im Dharma verankert.<br />

12. <strong>Die</strong>ses Universum, diese ganze Welt ist das ewige<br />

Brahman – schwer zu erlangen –, welches als all die<br />

mächtigen Elemente erscheint. <strong>Das</strong> Universum ist nichts<br />

an<strong>der</strong>es als <strong>Das</strong>.<br />

15. <strong>Die</strong> Eigenschaften von Tamas erzeugen<br />

Verblendung. Rajas ruft Erregung hervor. Sattva ist die<br />

vorzuziehende Eigenschaft, weil sie von <strong>der</strong> Natur <strong>des</strong><br />

Lichts und Reinheit ist.<br />

16. Wer von <strong>der</strong> Avidya 2 erfüllt ist, ist ein Idiot – schläfrig<br />

und fühllos. Seine Sinne sind unbeherrscht, er ist<br />

irregeführt, verärgert, lethargisch und faul.<br />

17. Redegewandt, raffiniert bei <strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> Arbeit,<br />

angesehen, missgünstig, voller Wünsche, stolz und<br />

egoistisch ist die Person mit den Eigenschaften von Rajas.<br />

18. Licht, intelligent, mutig, wunschlos, neidlos, frei vom<br />

Zorn, äußerst weise und selbstbeherrscht ist die Person<br />

mit den Eigenschaften von Sattva.<br />

1 heilige Schriften<br />

2 Unwissenheit bezüglich seines eigenen Selbst<br />

152


* * *<br />

153


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Yudhishthira Gita<br />

<strong>Die</strong> Yudhishthira Gita ist eine Unterhaltung zwischen<br />

Yudhishthira 1 und einem Yakhsa 2 , <strong>der</strong> auf einem Baum sitzt<br />

und alle Söhne Yudhishthiras ihres Verstan<strong>des</strong> beraubte.<br />

<strong>Die</strong>se Gita erscheint im Mahabharata. Der Yaksha stellt<br />

viele schwierige Fragen, die Yudhishthira wie<strong>der</strong>um prompt<br />

beantwortet. Danach erlangen alle seine Brü<strong>der</strong> ihre<br />

Verstan<strong>des</strong>kraft zurück. <strong>Die</strong>se Gita behandelt die<br />

elementare Ethik als das feste Bett <strong>der</strong> Tugenden und <strong>des</strong><br />

göttlichen Lebens.<br />

III-48 Yudhishthira sprach:<br />

Durch das Studium <strong>der</strong> Srutis 3 wird man ein<br />

Srotriya 4 .Durch Tapas 5 erlangt man das Höchste. Durch<br />

Zurückhaltung wird man zum Zweitlosen. Man wird weise,<br />

indem man den Älteren dient.<br />

III-50 In Svadhyaya (Studium <strong>der</strong> Veden) besteht die<br />

Gottgleichheit <strong>der</strong> Brahmanas. Buße ist ihre göttliche<br />

Tugend. Tod ist die Natur <strong>des</strong> menschlichen Wesens. <strong>Die</strong><br />

Beleidigung <strong>der</strong> Veden und Brahmanas ist die Natur <strong>der</strong><br />

ruchlosen Leute.<br />

III-70 Geschick und Vollkommenheit sind die einzige<br />

Ursache <strong>des</strong> Dharma. Wohltätigkeit ist die einzige Ursache<br />

<strong>des</strong> Ruhmes. Wahrheit ist die einzige Ursache <strong>des</strong><br />

Himmels. Gutes Betragen ist die einzige Ursache <strong>des</strong><br />

Glücks.<br />

III-72 Der Sohn ist das Selbst <strong>des</strong> Mannes. <strong>Die</strong> Frau ist<br />

die von Gott an seine Seite gegebene Freundin. Sein Leben<br />

bestimmt <strong>der</strong> Regen. Wohltätigkeit ist seine Zuflucht.<br />

III-74 <strong>Das</strong> Beste für erfolgreiche Menschen sind<br />

Vollkommenheit und Geschick. Der größte Reichtum<br />

besteht in <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Veden. Der beste Gewinn ist<br />

gute Gesundheit. <strong>Das</strong> größte Glück ist die Zufriedenheit.<br />

1 im Mahabharata, dem indischen Nationalepos, <strong>der</strong> älteste Sohn<br />

von König Pandu und Königin Kunti<br />

2 Naturgeist<br />

3 heilige Schriften<br />

4 Brahmane, <strong>der</strong> die Schriften praktiziert und lebt und nicht nur<br />

theoretisch kennt<br />

5 Askese, Selbstbeherrschung, Sammlung<br />

154


III-76 Mitgefühl ist die beste Tugend. <strong>Die</strong> Praxis <strong>der</strong> drei<br />

Veden erbringt stets die gewünschte Frucht. Durch<br />

Beherrschung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> werden die Menschen frei<br />

vom Kummer. Gute Menschen werden nicht untreu.<br />

III-78 Durch Tilgung <strong>des</strong> Stolzes wird man glücklich.<br />

Durch Aufgabe <strong>des</strong> Zornes überwindet man die Sorgen.<br />

Durch Überwinden <strong>der</strong> Leidenschaft gedeiht man. Durch<br />

Entsagen <strong>der</strong> Gier wird man fröhlich.<br />

III-80 Zum Zweck <strong>des</strong> Erwerbs von Tugend ist man<br />

wohltätig gegenüber den Brahmanen, für den Zweck <strong>des</strong><br />

Ruhmes gibt man den Tänzern und Schauspielern, für den<br />

Zweck <strong>der</strong> Ernährung gibt man den <strong>Die</strong>nern und den<br />

Königen gibt man zur Abwendung von <strong>der</strong> Furcht vor<br />

ihnen.<br />

III-82 <strong>Die</strong> Welt ist eingehüllt in Finsternis. Es gibt kein<br />

Licht, wo es nur Dunkelheit gibt. Aus Gier werden die<br />

Freunde verlassen. Durch schlechte Gesellschaft verliert<br />

man den Himmel.<br />

III-84 Eine in Armut gestürzte Person ist tot. Ein Land<br />

ohne König ist tot. Ohne das vedische System praktizierte<br />

Riten sind tot. Opfer ohne Gaben an Dakshina 1 sind tot.<br />

III-88 <strong>Die</strong> Erfüllung <strong>der</strong> eigenen Pflichten ist Tapas. <strong>Die</strong><br />

Beherrschung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> ist Zurückhaltung. Tapferkeit<br />

ist Ertragen <strong>der</strong> Gegensatzpaare. Scheu ist Abstand halten<br />

von bösen Taten.<br />

III-90 Erkenntnis <strong>der</strong> Wirklichkeit ist Weisheit. Ruhigsein<br />

bedeutet das friedvolle <strong>Das</strong>ein <strong>des</strong> Gemüts. Mitgefühl ist<br />

<strong>der</strong> Wunsch, dass alle glücklich sein mögen. Geradlinigkeit<br />

ist Stetigkeit <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>.<br />

III-92 Zorn ist <strong>der</strong> am schwierigsten zu besiegende<br />

Feind. Gier ist wie eine endlose Krankheit. Ein Heiliger ist<br />

<strong>der</strong> Freund aller Wesen. Ein gnadenloser Mann ist ein<br />

Schuft.<br />

III-94 <strong>Die</strong> Unwissenheit über den Dharma ist<br />

Verblendung. Stolz ist Selbstbetrug. Lethargie ist<br />

Verweigern <strong>des</strong> Dharma. Gram ist Ahnungslosigkeit.<br />

III-96 Stetigkeit ist verwurzelt sein im eigenen Dharma.<br />

Mut ist Zurückhaltung <strong>der</strong> Sinne. Baden ist das Reinigen<br />

1 im antiken vedischen System das nach Opferfeiern gezahlte<br />

Honorar <strong>der</strong> Priester<br />

155


<strong>des</strong> Schmutzes <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>. Wohltätigkeit ist <strong>der</strong><br />

Schutz aller Wesen.<br />

III-98 Der Kenner <strong>des</strong> Dharma ist ein weiser Mensch. Ein<br />

Atheist ist ein Idiot. Wunsch ist die Ursache <strong>des</strong> Samsara.<br />

Neid ist das Brennen <strong>des</strong> Herzens.<br />

III-100 Egoismus ist große Unwissenheit. Stolz ist<br />

Befolgung <strong>des</strong> Dharma zum Zwecke <strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung<br />

durch an<strong>der</strong>e. Gott ist die Frucht <strong>der</strong> Wohltätigkeit. <strong>Das</strong><br />

Beleidigen an<strong>der</strong>er ist niedrige Gesinnung.<br />

III-104 Wer einen armen Brahmana, <strong>der</strong> Bhikshu 1<br />

benötigt, zum Essen einlädt und dann fortschickt und zu<br />

ihm sagt: „Es gibt hier kein Bhikhsa, geh weg“, wan<strong>der</strong>t in<br />

die ewigen Höllen.<br />

III-106 Auch wenn einer mit Reichtümern aller Art,<br />

erworben durch Gier und Vergnügen, gesegnet sein mag –<br />

wenn er die Wohltätigkeit verwirft und sagt: „Hier gibt es<br />

nichts“, dann wan<strong>der</strong>t er in die ewigen Höllen.<br />

III-116 Täglich sterben die Wesen und gehen ein in die<br />

Heimstatt Yamas 2 . Und doch denken alle an<strong>der</strong>en, sie<br />

seien unsterblich. Gibt es etwas Wun<strong>der</strong>bareres als das?<br />

III-117 Logik ist irreführend. <strong>Die</strong> Srutis wi<strong>der</strong>sprechen<br />

einan<strong>der</strong>. Es gibt keinen Weisen, <strong>des</strong>sen Meinung nicht von<br />

<strong>der</strong>jenigen an<strong>der</strong>er Weiser abweicht, und <strong>der</strong> als Autorität<br />

anerkannt werden könnte. <strong>Das</strong> Geheimnis <strong>des</strong> Dharma ist<br />

verborgen in <strong>der</strong> Herzenshöhle. <strong>Die</strong>s ist daher <strong>der</strong> Pfad zu<br />

Ihm, den die Großen gewan<strong>der</strong>t sind.<br />

III-121 <strong>Die</strong>se Person besitzt sämtliche Reichtümer, die<br />

dieselbe im Glück und Unglück, in Freud und Leid, in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit und Zukunft bleibt.<br />

* * *<br />

1 Bettelspeise<br />

2 Gott <strong>des</strong> To<strong>des</strong><br />

156


<strong>Die</strong> <strong>Essenz</strong> <strong>der</strong> Moksha Gita<br />

1. Grüße an Sat-Chid-Ananda 1 , Para-Brahman 2 , den<br />

gloriosen, ersten Lehrer, <strong>der</strong> selbststrahlend, ewiglich,<br />

unteilbar, rein, makellos, wunschlos, eigenschaftslos,<br />

zeitlos, raumlos, wandellos, anfangslos und endlos ist.<br />

2. <strong>Die</strong>se letzte Wirklichkeit, welche die Stütze dieser<br />

Welt, <strong>des</strong> Körpers, <strong>des</strong> Prana 3 , von Verstand und Sinnen ist,<br />

welche die Gebärmutter <strong>der</strong> Veden ist, welche<br />

allesdurchdringend und allgegenwärtig ist, welche farblos,<br />

geruchlos, geschmackslos, namen- und formlos ist – diese<br />

erstrahlt auf ewig.<br />

3. <strong>Die</strong>ses unbeschreibbare, erlesen Prinzip, welches<br />

unvergänglich, ungeboren, alterslos, furchtlos,<br />

bewegungslos, Eines ohne ein Zweites, uralt und unendlich<br />

ist – dieses allein existiert.<br />

4. Was we<strong>der</strong> kurz noch lang, we<strong>der</strong> dieses noch jenes,<br />

we<strong>der</strong> schwarz noch weiß, we<strong>der</strong> dick noch dünn, we<strong>der</strong><br />

gut noch schlecht ist – dieses sollte als Brahman erkannt<br />

werden.<br />

5. Brahman ist verschieden von den groben, subtilen<br />

und kausalen Körpern. Es ist die Seele aller. Er ist <strong>der</strong><br />

Innerste Herrscher aller. Er ist auf ewig frei- Er ist ohne<br />

Tätigkeiten und ohne Bewegung.<br />

7. Brahman kann nicht bestimmt werden. Brahman<br />

bestimmen bedeutet Ihn verleugnen. <strong>Die</strong> einzig<br />

angemessene Beschreibung Brahmans ist eine Folge von<br />

Negationen. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> Grund, weshalb die Upanishaden<br />

erklären: „Neti, neti“ - „nicht dies, nicht dies“.<br />

8. Maya ist unbeschreibbar (Sat-Asat Vilakshana 4 Anadi 5<br />

Bhava Rupa 6 Anirvachaniya). Sie ist we<strong>der</strong> Sat (Sein) noch<br />

Asat (Nicht-Sein). Maya ist Anadi Santam 7 . Sie ist<br />

anfangslos, hat aber ein Ende für den Weisen, <strong>der</strong> das<br />

1 „Sein-Bewusstsein-Seligkeit“<br />

2 „Höchstes Brahman“<br />

3 Lebens“wind“<br />

4 verschieden von Sein und Nicht-Sein<br />

5 anfangslos<br />

6 formlos<br />

7 Maya (Illusion), die aufhört, nachdem Brahman erreicht wird<br />

157


Selbst verwirklicht hat. Maya ist Suddha-Sattva bzw. reines<br />

Sattva.<br />

9. Wer die Erkenntnis <strong>des</strong> Selbst erlangt und Maya, die<br />

illusionenschaffende Macht, überwunden hat, weiß als<br />

einziger, was Maya ist, wie sie entsteht und wie sie<br />

zerstört wird.<br />

10. Avidya 1 ist Malina-Sattva 2 . Sie ist das begrenzende<br />

Attribut <strong>des</strong> Jiva 3 . Sie ist das Karana-Sarira 4 <strong>der</strong><br />

individuellen Seele. Avidya ist Anandamaya-kosha 5 .<br />

11. <strong>Die</strong>se Avidya schwindet, sobald man die Erkenntnis<br />

<strong>des</strong> Selbst erlangt. Es ist die Zerstörung <strong>der</strong> Avidya, die<br />

zum brahmischen Thron wird.<br />

12. <strong>Die</strong>ses Universum <strong>der</strong> Namen und Formen hat<br />

seinen Ursprung in <strong>der</strong> Unwissenheit. Aufgelöst wird es<br />

durch die Erkenntnis <strong>des</strong> Selbst. <strong>Die</strong>ses vom Selbst<br />

verschiedene Universum ist unwirklich wie ein Traum. Es<br />

wie ein Trugbild.<br />

13. Der Verstand besitzt die Macht zur Erschaffung und<br />

Auflösung <strong>des</strong> gesamten Universum im Moment eines<br />

Augenzwinkerns. Töte diesen Verstand durch Vichara<br />

(Ergründung), die Zerstörung <strong>der</strong> Vasanas 6 und die<br />

Beherrschung seiner Schwankungen.<br />

14. Der einzige Feind <strong>des</strong> Atman ist <strong>der</strong> schwankende<br />

Verstand. Der Verstand mit all seiner Kraft dieses<br />

Schwankens erzeugt die zahllosen Vasanas und<br />

Samskaras 7 . Zerstöre diese ständig fluktuierende Kraft <strong>des</strong><br />

Verstan<strong>des</strong> durch beständiges Brahma-Vichara 8 .<br />

15. Brahman wird nicht aufleuchten, so lange die<br />

Dualität <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> nicht beseitigt ist. Zerstöre daher<br />

die Dualität. Brahman wir dann in Seiner unverdorbenen<br />

Glorie erstrahlen.<br />

16. So wie Gold durch Erhitzen im Feuer gereinigt wird,<br />

so wird auch <strong>der</strong> Verstand durch das Feuer <strong>der</strong> Meditation<br />

gereinigt.<br />

1 Unkenntnis <strong>des</strong> eigenen Selbst<br />

2 an<strong>der</strong>e Bezeichnung bzw. Beschreibung <strong>der</strong> Maya<br />

3 individuelle Seele<br />

4 „Wonnekörper“<br />

5 „Wonnehülle“<br />

6 unerwünschte, ständig wie<strong>der</strong>kehrende Gedankenmuster<br />

7 „Gedankensamen“<br />

8 Ergründung <strong>des</strong> Selbst<br />

158


17. Verstehe die rechte Bedeutung <strong>des</strong> „Tat Tvam Asi“-<br />

Mahavakya. <strong>Die</strong> Erkenntnis bezüglich <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong><br />

individuellen Seele mit <strong>der</strong> Höchsten Seele, wie jene aus<br />

Mahavakyas wie „Tat Tvam Asi“ („<strong>Das</strong> bist Du“)<br />

hervorgeht, ist das Mittel <strong>der</strong> Befreiung.<br />

18. „OM“ ist das Symbol Brahmans. Es ist ein<br />

machtvolles Wort. Es ist die Heilige Silbe. Es ist die <strong>Essenz</strong><br />

aller Veden. Es ist das Boot, welches dich ans Ufer <strong>der</strong><br />

Furchtlosigkeit und Unsterblichkeit trägt. Meditiere über<br />

„OM“ mit Bhava 1 und Verstehen <strong>der</strong> Bedeutung.<br />

19. Wenn du Brahman zu erlangen wünschst, sollten alle<br />

Wünsche nach Objekten verschwinden. Je mehr dieser<br />

Objekte du aus deinem Umkreis entfernst, umso mehr wird<br />

die Fülle Brahmans in dir erstrahlen.<br />

20. Du bist nicht dieser sterbliche Körper. Du bist nicht<br />

<strong>der</strong> schwankende Verstand. Du bist nicht die Sinne. Du bist<br />

nicht <strong>der</strong> Intellekt. Du bist nicht <strong>der</strong> kausale Körper. Du bist<br />

das Allesdurchdringende Unsterbliche Brahman.<br />

Verwirkliche dies und sei frei.<br />

21. Du bist <strong>der</strong> Prajnana-Ghana-Atman (Verkörperung<br />

<strong>der</strong> Weisheit). Du bist das Chidghana-Brahman (Masse <strong>des</strong><br />

Bewusstseins). Du bist Vijnana-Ghana Purusha (Masse <strong>der</strong><br />

Erkenntnis). Du bist Ananda-Ghana Atman (Masse <strong>der</strong><br />

Seligkeit). Verwirkliche dies und sei frei.<br />

22. Du bist Akhandaikarasa-Brahman (die eine,<br />

homogene <strong>Essenz</strong>). Du bist Chinmatra-Purusha (reines<br />

Bewusstsein). Du bist die makellose, leidenschaftslose,<br />

geschlechtslose und körperlose Seele. Verwirkliche dies<br />

und sei frei.<br />

23. <strong>Die</strong>ses Höchste Brahman, welches das Unsterbliche<br />

Selbst aller ist, welches das anfangslose Wesen ist,<br />

welches das Unbewegte und Unendliche ist, welches<br />

jenseits <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Sprache ist – dieses<br />

Brahman bist du. Verwirkliche dies und sei frei.<br />

OM TAT<br />

SAT<br />

1 Andacht<br />

159


* * *<br />

160

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