QF-Kita-Handreichung-2018
Kindergarten....unmöglich
Kindergarten....unmöglich
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PRAXISHILFEN – ANREGUNGEN FÜR DEN KITA-ALLTAG<br />
Thematisierung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt …<br />
verletzen, die damit adressiert werden. Besprechen<br />
Sie auftretende Fallbeispiele auf Teamsitzungen und<br />
finden sie gemeinsame Lösungen. Spielen Sie<br />
brenzlige Situatonen durch und üben Sie Interventonen<br />
ein, damit Sie gut auf kommende Situatonen<br />
vorbereitet sind. Zeigen Sie sich als gesamtes<br />
Team verantwortlich, die Vielfaltsthemen mit Kindern<br />
und Eltern zu besprechen und jeder Form von Diskriminierung<br />
entgegenzutreten. Delegieren Sie die<br />
Zuständigkeit nicht automatsch an Kolleg_innen,<br />
die persönlich mit den Themen zu tun haben oder<br />
selbst betroffen sind. Bei rassistschen Vorfällen<br />
muss nicht extra die Kollegin mit türkischen Wurzeln<br />
hinzugezogen werden, genauso wenig wie der<br />
schwule Kollege, wenn es um homophobe Ereignisse<br />
geht. Nicht nur die Kinder und Eltern, sondern<br />
auch die Kolleg_innen müssen sich mit ihren<br />
Vielfaltsmerkmalen in der <strong>Kita</strong> respektert, sicher<br />
und wohl fühlen.<br />
WIE SPRECHE ICH DIE THEMEN GESCHLECHTS-<br />
IDENTITÄT UND SEXUELLE ORIENTIERUNG IN DER<br />
ZUSAMMENARBEIT MIT ELTERN AN?<br />
Informieren und Transparenz herstellen<br />
Erzählen Sie den Eltern von geplanten Angeboten<br />
und Projekten, um sie auf Fragen und Erzählungen,<br />
die die Kinder aus der <strong>Kita</strong> mitbringen, vorzubereiten<br />
(vgl. Focks 2016, S. 151). Bieten Sie als <strong>Kita</strong><br />
zudem auch unabhängig von möglichen Anlässen<br />
Elternabende an, auf denen Geschlechtervielfalt<br />
thematsiert wird.<br />
Pädagogische Zielsetzungen für die vielfältigen<br />
Angebote und Anregungen benennen<br />
Kinder erhalten schon früh Botschaften über Mädchensein<br />
und Jungesein, die sie in ihr Weltbild einbeziehen.<br />
Spielmaterialien, Kleidung und Bücher<br />
weisen häufig eine stark vergeschlechtlichte Einteilung<br />
in Blau und Rosa auf, die Kindern (und Eltern)<br />
wenig Spielräume lässt. Vermitteln Sie Eltern,<br />
dass es für ihre Kinder wichtg ist, sie mit ihren<br />
individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen – jenseits<br />
von (geschlechterbezogenen und anderen)<br />
Stereotypen und Erwartungen – wahrzunehmen<br />
und wertzuschätzen, damit sie sich zu starken<br />
Persönlichkeiten entwickeln können. Erläutern Sie,<br />
dass Sie dafür die Phantasie und Kreatvität der<br />
Kinder fördern, ihre individuellen Interessen und<br />
Fähigkeiten stärken und ihnen gleichzeitg Themen,<br />
Bücher, Spiele und Aktvitäten anbieten und zutrauen,<br />
die als geschlechtsuntypisch gelten, wie<br />
z. B. Fußballspielen für Mädchen und Entspannungsaktvitäten<br />
für Jungen. Erklären Sie, dass<br />
Kinder auf vielfältge Anregungen angewiesen<br />
sind, um gut lernen zu können. Um jedes Kind in<br />
seiner Ich-Identtät zu stärken, ist es wichtg, dass<br />
alle Kinder sich mit ihren Vielfaltsaspekten und<br />
Familienkulturen in der <strong>Kita</strong> wiederfinden (vgl.<br />
Wagner [Hrsg.] 2013). Die <strong>Kita</strong> ermöglicht den<br />
Kindern Erfahrungen von Vielfalt, damit sie sich in<br />
einer von Vielfalt geprägten Welt wohl und sicher<br />
fühlen. Dabei werden alle Aspekte sozialer Vielfalt,<br />
also auch geschlechtlicher und sexueller Vielfalt,<br />
eingeschlossen. Zum pädagogischen Auftrag gehört<br />
es zudem, die vielen interessierten Fragen der<br />
Kinder sachlich korrekt und altersangemessen zu<br />
beantworten.<br />
Bildungsauftrag erläutern: Diskriminierung entgegentreten,<br />
Benachteiligung abbauen<br />
Das in der Kinderrechtskonventon und in der<br />
Behindertenrechtskonventon festgeschriebene<br />
Diskriminierungsverbot ist unmittelbar verknüpft<br />
mit dem Recht auf Bildung und dem Recht auf<br />
inklusives Lernen. Die Berliner <strong>Kita</strong> hat mit dem<br />
<strong>Kita</strong>-Fördergesetz und dem Berliner Bildungsprogramm<br />
einen gesetzlichen und fachlichen Auftrag,<br />
Benachteiligungen abzubauen, Vielfalt zu fördern<br />
und die Kinder auf eine von Gleichberechtgung<br />
geprägte demokratsche Gesellschaft vorzubereiten.<br />
Das heißt, jedes Kind hat einen Anspruch, in<br />
seiner Individualität und mit seiner Familienkultur<br />
vor Ausgrenzung und Diskriminierung geschützt<br />
zu werden, egal um welche Form von Abwertung<br />
und Diskriminierung es geht. Informieren Sie die<br />
Eltern über diesen rechtlichen und fachlichen Anspruch,<br />
viele werden sich gestärkt fühlen und es<br />
Ihnen danken. (Eine Zusammenstellung gesetzlicher<br />
und fachlicher Grundlagen für die Thematsierung<br />
geschlechtlicher und sexueller Vielfalt finden Sie<br />
auf S. 104.)<br />
Inhaltliche Kontextualisierung der Themen<br />
(Stichwort „Entsexualisieren“)<br />
Bringen Sie Themen geschlechtlicher und sexueller<br />
Vielfalt in den Zusammenhang mit Inklusion und<br />
Vielfaltspädagogik, Vorurteilsbewusster Bildung<br />
und Erziehung, Antdiskriminierung und Kinderrechten<br />
anstatt in den Kontext von Sexualpädagogik<br />
(ohne sie in der sexualpädagogischen Arbeit auszusparen!).<br />
Angesichts aktueller rechtspopulistscher<br />
Debatten ist es besonders wichtg, den Anschuldigungen<br />
von „Frühsexualisierung“ fachlich und<br />
sachlich korrekt zu begegnen, manchmal auch<br />
um beruhigend auf mögliche Verunsicherungen<br />
von Eltern zu reagieren. Gegebenenfalls ist es unterstützend,<br />
auf einem Elternabend den von der Bildungsinitatve<br />
Queerformat herausgegebenen<br />
Kurzfilm „Vielfalt fördern von klein auf“ (2012) zu<br />
zeigen, um den theoretschen, alltagsbezogenen<br />
und praxisorienterten Zugang zum Thema zu veranschaulichen<br />
2 .<br />
Relevanz verdeutlichen<br />
Informieren Sie Eltern bei Elternabenden oder im<br />
Elterngespräch, was geschlechtliche und sexuelle<br />
Vielfalt konkret mit den Kindern, Eltern oder Fachkräften<br />
in der <strong>Kita</strong> zu tun haben. Machen Sie deutlich,<br />
dass in Ihrer <strong>Kita</strong> alle Kinder, Eltern und Mitarbeiter_innen<br />
gleichermaßen willkommen und<br />
geschätzt sind und Sie dafür sorgen, dass kein<br />
Kind, kein Elternteil und kein_e Mitarbeiter_in<br />
2 In dem 6-minütgen Film erläutern ein <strong>Kita</strong>leiter, eine lesbische<br />
Mutter aus einer Regenbogenfamilie und eine Fortbildungsexpertn<br />
zum Thema vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung, worauf es<br />
bei der Förderung von Vielfalt in der frühkindlichen Bildung aus ihrer<br />
jeweiligen Perspektve ankommt.<br />
benachteiligt wird, z. B aufgrund von Körper, Geschlechtsidenttät,<br />
Geschlechtspräsentaton oder<br />
sexueller Orienterung. (Ausführliche Informatonen<br />
finden Sie ab S. 16 in dieser <strong>Handreichung</strong>.)<br />
Pädagogische Materialien vorstellen<br />
Stellen Sie den Eltern geeignete Spiele und Bilderbücher<br />
vor, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt<br />
kindgerecht thematsieren. Lassen Sie die Eltern<br />
selber in den Materialien stöbern, auch um zu<br />
verdeutlichen, dass es dort um vielfältge Familienformen<br />
und Lebensweisen geht und nicht um<br />
die Darstellung von Sexualität. Damit wirken Sie<br />
eventuell vorhandenen Befürchtungen und Voreingenommenheiten<br />
entgegen. Empfehlen Sie auch<br />
themenbezogene Fachlektüre für Eltern. (Eine<br />
Auswahl an geeigneten Materialien finden Sie ab<br />
S. 116 in dieser <strong>Handreichung</strong>.)<br />
WAS KANN ICH TUN, WENN ELTERN IHREM<br />
SOHN VERBIETEN, EIN PRINZESSINNENKLEID<br />
ANZUZIEHEN ODER SICH DIE FINGERNÄGEL<br />
ANZUMALEN?<br />
In den Dialog treten<br />
Nehmen Sie solche Aussagen zum Anlass, mit den<br />
Eltern ins Gespräch zu gehen. Erkunden Sie Hintergründe<br />
und finden Sie heraus, was genau die Eltern<br />
befürchten, wenn sich ihr Kind geschlechtsvariant<br />
verhält. Gehen Sie vorurteilsbewusst in den Kontakt<br />
mit den Eltern und ziehen Sie keine voreiligen<br />
Schlüsse aus den Aussagen. Fragen Sie die Eltern,<br />
was ihnen wichtg ist für ihr Kind. Erläutern Sie<br />
ihnen, welche Lern- und Aneignungsprozesse bei<br />
Kindern stattfinden, wenn sie in verschiedene<br />
Rollen schlüpfen und sich im Spiel ausprobieren.<br />
Wenn Eltern und Fachkräfte sich ihre Wünsche und<br />
Befürchtungen mitteilen, die hinter ihren jeweiligen<br />
Erziehungsvorstellungen stecken, bekommen alle<br />
Beteiligten die Möglichkeit, die Perspektve des<br />
jeweils anderen wahrzunehmen und dadurch möglicherweise<br />
nachzuvollziehen und zu verstehen.<br />
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