Denkstoff_No3_de
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DENKSTOFF<br />
N° 3<br />
Qualität statt Mengen belohnen – (wie) geht das ?<br />
Performance-orientierte<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>lle 2025<br />
Eine Publikation <strong>de</strong>s fmc
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Inhalt<br />
03 Editorial<br />
04 Hintergrund<br />
11 Performance-Bemessung<br />
14 Performance und das KVG – Zeit für Anpassungen<br />
16 Vier Mo<strong>de</strong>lle – viele Kombinationen<br />
18 Kopfpauschalen (Population-based Payment)<br />
23 Komplexpauschalen (Bundled Payment)<br />
27 Kantonales Globalbudget<br />
30 Zielbasierte Zusatzvergütungen (Add-on Payment)<br />
33 Handlungsoptionen und Anreize<br />
35 Referenzen und weiterführen<strong>de</strong> Literatur<br />
Impressum<br />
Herausgeber :<br />
fmc – Schweizer Forum für Integrierte Versorgung<br />
Zugerstrasse 193, 6314 Neuägeri, www.fmc.ch<br />
Konzept & Texte :<br />
Peter Berchtold, Oliver Reich,<br />
Falk Schimmann, Urs Zanoni<br />
Grafik & Layout :<br />
www.grafisch.ch<br />
Weitere Exemplare <strong>de</strong>s fmc-<strong>Denkstoff</strong> N°3<br />
sind kostenlos beim Herausgeber erhältlich<br />
(info@fmc.ch). Die PDF-Version steht für <strong>de</strong>n<br />
Download auf <strong>de</strong>r Website www.fmc.ch<br />
zur Verfügung.<br />
Druck :<br />
Heller Druck AG, Cham<br />
www.hellerdruck.ch<br />
ISBN : 978-3-9524595-2-2<br />
© fmc, Juni 2017<br />
Wir danken allen Fachleuten sowie<br />
<strong>de</strong>n Goldpartnern und Partnern, die mit<br />
ihrer Expertise zur Entwicklung <strong>de</strong>r<br />
Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
2025 beigetragen haben.<br />
2
EDITORIAL<br />
Es braucht eine Revolution<br />
von unten<br />
Das heutige Vergütungssystem für medizinische Leistungen<br />
steht schon lange in <strong>de</strong>r Kritik. Natürlich kann<br />
man sich mit kleinen Korrekturen begnügen, in<strong>de</strong>m man<br />
<strong>de</strong>m einen Leistungserbringer etwas wegnimmt, um<br />
es einem an<strong>de</strong>ren zu geben, o<strong>de</strong>r Budgetkürzungen für<br />
alle beschliesst. Dies ist zwar <strong>de</strong>r einfachere Weg,<br />
aber keine Lösung für die vorhan<strong>de</strong>nen Probleme. Wir<br />
verzichten so darauf, uns grundlegen<strong>de</strong> Überlegungen<br />
zu einer neuen Form <strong>de</strong>r Vergütung von medizinischen<br />
Leistungen zu machen. Wie ein Vergütungssystem<br />
im Gesundheitssystem aussehen könnte, das konsequent<br />
auf die Performance ausgerichtet ist, zeigt die vorliegen<strong>de</strong><br />
Publikation. Sie stellt vier verschie<strong>de</strong>ne Mo<strong>de</strong>lle<br />
vor, die zu<strong>de</strong>m kombinierbar sind.<br />
Im Alltag bezahlen wir normalerweise auch für eine<br />
Performance und nicht für Einzelleistungen. Bei<br />
einem Flug in die Ferien sind die Leistungen an bei<strong>de</strong>n<br />
Flughäfen, <strong>de</strong>r Flug, das Essen inkl. Bedienung und<br />
die Gepäckabfertigung im Preis inbegriffen, obwohl es<br />
sich um ganz verschie<strong>de</strong>ne Firmen han<strong>de</strong>lt, welche<br />
die Leistungen erbringen. Man stelle sich vor, es gälte<br />
das heutige ambulante medizinische Abrechnungssystem:<br />
Dann wür<strong>de</strong>n wir für <strong>de</strong>n Abflug- und <strong>de</strong>n Ankunftflughafen,<br />
<strong>de</strong>n Piloten, die Flight Attendant, die Person,<br />
die unser Gepäckstück ins Flugzeug bringt, und jene, die<br />
es wie<strong>de</strong>r herausholt, einzeln bezahlen. Umgekehrt<br />
heisst das: Vor allem chronisch Kranke brauchen eine<br />
langfristige, koordinierte und integrierte Behandlung<br />
ihrer Erkrankung. Dabei ist es sekundär, wer welchen<br />
Beitrag geleistet hat.<br />
Dem wichtigen und vielleicht schwierigsten Problem,<br />
wie solche ganzheitlichen Performances in <strong>de</strong>r Medizin<br />
zu messen sind, widmet die Publikation ein eigenes<br />
Kapitel. Die übersichtlichen Grafiken sowie die kurzen<br />
und prägnanten Beschreibungen <strong>de</strong>r Vor- und Nach teile<br />
<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Mo<strong>de</strong>lle helfen, die komplexe<br />
Materie rasch zu verstehen. Damit ist allerdings auch<br />
Daniel Schei<strong>de</strong>gger,<br />
Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Schweizerischen<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Medizinischen<br />
Wissenschaften SAMW<br />
ein Nachteil verbun<strong>de</strong>n: All jene, die solche Performance-basierten<br />
Vergütungssysteme von vornherein<br />
ablehnen, bekommen die Gegenargumente frei<br />
Haus geliefert und müssen sich nicht mehr vertieft mit<br />
dieser Materie beschäftigen.<br />
Es ist an <strong>de</strong>r Zeit, dass wir in <strong>de</strong>r Schweiz mit solchen<br />
Mo<strong>de</strong>llen zu experimentieren beginnen und nicht nur<br />
darüber sprechen. Das System ist in <strong>de</strong>r Zwischenzeit<br />
so komplex gewor<strong>de</strong>n, dass nicht alle möglichen<br />
Nebeneffekte im Vorfeld ausdiskutiert wer<strong>de</strong>n können.<br />
Dank unseres fö<strong>de</strong>ralistischen Systems könnten solche<br />
Mo<strong>de</strong>lle in einzelnen Kantonen o<strong>de</strong>r Regionen ausprobiert<br />
und bei Bedarf angepasst wer<strong>de</strong>n. Natürlich<br />
wäre bei solchen Experimenten eine unabhängige Begleit<br />
forschung eine Voraussetzung.<br />
Die Autoren stellen die Frage: «Wer müsste die Initiative<br />
ergreifen, um ein Performance-basiertes Vergütungssystem<br />
zu etablieren?» Zur Auswahl stehen die Versicherer,<br />
die stationären und ambulanten Leistungserbringer,<br />
die Politik sowie <strong>de</strong>r Bund und die Kantone. Womit mir<br />
<strong>de</strong>r wichtigste Player fehlt: Eigentlich müssten wir als<br />
Bürger, Krankenversicherte, Patienten die Initiative ergreifen<br />
und neue Systeme verlangen. Wir sind diejenigen,<br />
die das im Moment unbefriedigen<strong>de</strong> Finanzierungs- und<br />
Vergütungssystem mit unseren Steuern und Prämien bezahlen.<br />
Eine Revolution kommt immer von unten!<br />
3
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Hintergrund<br />
Darin sind sich fast alle einig : Bei <strong>de</strong>n Vergütungsformen für<br />
Behandlung und Betreuung besteht Handlungsbedarf – und<br />
zwar dringend. Denn die Nachteile <strong>de</strong>r heutigen Fragmentierung<br />
<strong>de</strong>r ambulanten und stationären Vergütungssysteme sind kaum<br />
mehr tragbar. Ebenso klar ist die Stossrichtung <strong>de</strong>r notwendigen<br />
Reformen : Die Vergütungen sind konsequent auf Performance<br />
auszurichten und sollen ganze Populationen o<strong>de</strong>r Behandlungsprozesse<br />
umfassen. Nur so wird die Versorgung <strong>de</strong>r Patienten<br />
endlich besser koordiniert und integriert. Und können Fehlanreize<br />
und als Folge davon die stete Mengenaus weitung wirkungsvoll<br />
korrigiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir alle kennen das jährliche Ritual rund um <strong>de</strong>n Prämienanstieg<br />
<strong>de</strong>r obligatorischen Grundversicherung und<br />
das nachfolgen<strong>de</strong> Jammern <strong>de</strong>r einen bzw. die Vorwürfe<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren : falsche Anreize, überflüssige Leistungen, zu<br />
teure Apparate-Medizin und manches mehr. Die Reformvorschläge<br />
beschränken sich dann meist auf <strong>de</strong>n Ruf –<br />
abhängig vom politischen Standpunkt – nach mehr<br />
Wettbewerb unter <strong>de</strong>n Akteuren bzw. mehr staatlicher<br />
Regulierung. Selbstverständlich steckt in bei<strong>de</strong>m ein<br />
Teil Wahrheit. Doch könnten mit <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Vergütungssystemen<br />
we<strong>de</strong>r mehr Wettbewerb noch mehr<br />
Staat wirkliche Unterschie<strong>de</strong> bewirken.<br />
Unsere heutigen Vergütungsformen <strong>de</strong>r ärztlichen, therapeutischen,<br />
stationären, pflegerischen und weiteren<br />
Leistun gen sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Grundlagen<br />
und Ziele wi<strong>de</strong>rsprüchlich, uneinheitlich, fragmentierend<br />
und in <strong>de</strong>r Konsequenz mengenausweitend.<br />
Folglich sind grundlegen<strong>de</strong> Reformen nötig – auch angesichts<br />
<strong>de</strong>r eindrücklichen, gleichzeitig aber immer teureren<br />
medizinischen Entwicklungen. Doch grundlegen<strong>de</strong> Reformen<br />
<strong>de</strong>r heutigen Vergütungspraxis stellen in mancherlei<br />
Hinsicht eine Herausfor<strong>de</strong>rung dar :<br />
• inhaltlich, weil es an zentralen Voraussetzungen<br />
wie Performance-orientierten Messsystemen mangelt ;<br />
• rechtlich, weil wichtige Rahmenbedingungen für<br />
zukunftsweisen<strong>de</strong> und kohärente Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
nicht explizit geregelt sind (mehr dazu siehe Seite 18);<br />
• kulturell, weil die heutigen Vergütungssysteme<br />
auf die einzelnen Leistungserbringer-Gruppen (Ärzte,<br />
Akutspitäler, Reha-Kliniken etc.) zugeschnitten und<br />
damit nach wie vor attraktiv sind ;<br />
• betriebswirtschaftlich, weil <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>n<br />
heuti gen Vergütungsformen eingespielt ist und eine<br />
grundlegen<strong>de</strong> Reform für die meisten Leistungserbringer<br />
mit erheblichem Aufwand und Ungewissheiten<br />
verbun<strong>de</strong>n ist.<br />
Dabei liegt eine mögliche Lösung gar nicht so fern<br />
und dürfte min<strong>de</strong>stens im Grundsatz allen einleuchten :<br />
Gleich wer eine medizinische Leistung erbringt, ob Arzt,<br />
Pflegefachperson, Apotheker o<strong>de</strong>r Physiotherapeutin –<br />
neben <strong>de</strong>r eigentlichen Leistung sollte auch das vergütet<br />
wer<strong>de</strong>n, was für <strong>de</strong>n Patienten o<strong>de</strong>r die Patientin im Zentrum<br />
steht : die Qualität und das Ergebnis o<strong>de</strong>r – in einem<br />
Wort – die Performance <strong>de</strong>r Behandlung o<strong>de</strong>r Betreuung.<br />
4
HINTERGRUND<br />
So einleuchtend das erscheint, so komplex ist die Umsetzung.<br />
Nicht für die eigentliche Leistung, dort ist die<br />
Sache ziemlich klar : Es braucht eine Leistungsbeschreibung,<br />
zum Beispiel eine Tarmed-Position o<strong>de</strong>r Fallpauschale,<br />
sowie einen Preis in Form eines Taxpunktwerts<br />
o<strong>de</strong>r einer Baserate.<br />
Es fehlt an entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Grundlagen<br />
Bei <strong>de</strong>r Performance sieht die Sache <strong>de</strong>utlich an<strong>de</strong>rs<br />
aus. Bis heute gibt es nur sehr begrenzte Möglichkeiten,<br />
Qualität und Ergebnisse von medizinischen Leistungen in<br />
Franken und Rappen zu übersetzen. Und dies, obwohl<br />
in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren viel in Qualitätsindikatoren<br />
investiert wur<strong>de</strong> und diese in unzähligen Studien wissenschaftlich<br />
evaluiert wur<strong>de</strong>n. In einen Satz gefasst : Der<br />
exakten Bestimmbarkeit von Leistungen und Preisen kann<br />
(zumin<strong>de</strong>st heute) kein annähernd ausreichen<strong>de</strong>s Bewertungssystem<br />
zu Qualität und Ergebnissen bzw. Performance<br />
gegenübergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Den steigen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
nicht gewachsen<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergrund solcher Erfahrungen drängt sich<br />
also die Frage auf : Sind Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
grundsätzlich abzulehnen ? Wohl kaum,<br />
<strong>de</strong>nn unerwünschte Nebenwirkungen hat je<strong>de</strong>s Anreizo<strong>de</strong>r<br />
Vergütungssystem, auch die <strong>de</strong>rzeit wichtigsten Vergütungsformen<br />
wie Einzelleistungs- bzw. Zeittarif o<strong>de</strong>r<br />
Fallpauschalen. Gera<strong>de</strong> aus Patientenperspektive gibt<br />
es eine ganze Liste an Vorbehalten gegenüber <strong>de</strong>n aktuellen<br />
Vergütungsformen. Als augenfälligste zum Beispiel<br />
die Fragmentierungen zwischen ambulanter und stationärer<br />
Behandlung durch unterschiedliche Tarifsysteme,<br />
die für Patienten nachteilige Unterbrechungen <strong>de</strong>r Behandlung<br />
und Informationslücken begünstigen. O<strong>de</strong>r die<br />
Einzelleistungsvergütungen, die nachgewiesenermassen<br />
Mengenausweitungen verursachen und <strong>de</strong>n Patienten<br />
(zu) viele Doppelspurigkeiten zumuten.<br />
Damit nicht genug : Viele <strong>de</strong>r bisherigen Performanceorientierten<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>lle sind bei wissenschaftlichen<br />
Evaluationen mehr o<strong>de</strong>r weniger durchgefallen. 1 Vor<br />
allem <strong>de</strong>shalb, weil sie neben <strong>de</strong>n beabsichtigen Wirkungen<br />
auch unerwünschte Nebenwirkungen zeigten.<br />
Leistungserbringer tendierten beispielsweise dazu, Qualitätsindikatoren<br />
überproportional zu beachten und dafür<br />
an<strong>de</strong>re Bedürfnisse <strong>de</strong>r Patienten zu vernachlässigen<br />
o<strong>de</strong>r – im schlimmsten Fall – Qualitätsbemessungen zu<br />
manipulieren, um die eigene Vergütung zu maximieren.<br />
Wichtige Begriffe<br />
Tarif : Betrag für eine Leistung, <strong>de</strong>r zwischen <strong>de</strong>n Leistungserbringern<br />
und Versicherern ausgehan<strong>de</strong>lt wird. Beispiel<br />
Grundpflege Spitex : CHF 54.60 pro Stun<strong>de</strong> (zulasten <strong>de</strong>r<br />
Grundversicherung).<br />
Zu<strong>de</strong>m fokussiert die Mehrheit <strong>de</strong>r heutigen Mo<strong>de</strong>lle<br />
zur Qualitätsbemessung auf einzelne Leistungserbringer<br />
(statt auf alle am Behandlungsprozess Beteiligte) und festigt<br />
damit die sektorale Behandlung, statt die Integration<br />
zu för<strong>de</strong>rn. Ein weiterer Einwand ist das drohen<strong>de</strong> Rosinenpicken<br />
, wenn Leistungserbringer also nur noch leicht<br />
therapierbare Patienten ohne komplexere Probleme betreuen,<br />
weil so die Performance-Ziele (und damit eine<br />
höhere Vergütung) einfacher zu erreichen sind. « Gaming<br />
the system » lautet <strong>de</strong>r wenig schmeichelhafte Begriff dafür.<br />
Preis : Bezieht sich in aller Regel auf ein Produkt, zum<br />
Beispiel ein Medikament.<br />
Vergütung : Gesamtkosten einer Leistung. Beispiel Tarmed :<br />
Leistung x kantonaler Taxpunktwert ; Beispiel SwissDRG :<br />
Baserate <strong>de</strong>s Spitals x Fallgewicht.<br />
Finanzierung : Bezieht sich auf ein ganzes System.<br />
Wichtigste Finanzierer <strong>de</strong>s Schweizer Gesundheitssystems<br />
sind (neben <strong>de</strong>r Jahresfranchise und <strong>de</strong>m Selbstbehalt<br />
<strong>de</strong>r Betroffenen) :<br />
• Ambulant : Versicherer (via Prämien)<br />
• Stationär : Versicherer, Kantone (via Steuern)<br />
• Langzeitpflege : Versicherer, Kantone, Gemein<strong>de</strong>n<br />
(via Steuern)<br />
• Prämienverbilligung : Bund (via Steuern), Kantone<br />
5
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Absehbare Entwicklungen bei<br />
<strong>de</strong>r Finanzierung/Vergütung<br />
« There is a case for including pay for performance as<br />
part of physicians’ payment, not least because of the<br />
problems associated with all other payment systems »:<br />
Mit dieser Folgerung schliesst ein im New England<br />
Journal of Medicine erschienener Report, einer <strong>de</strong>r renommiertesten<br />
Fachzeitschriften und nicht dafür bekannt,<br />
gegen die Medizin und die Mediziner zu polemisieren. 2<br />
Einheitliche Finanzierung ambulant-stationär : Um<br />
die unterschiedlichen finanziellen Anreize zwischen<br />
ambu lanten Leistungen (100 % Versicherer) und stationären<br />
(55 % Kanton, 45 % Versicherer) zu beseitigen, sollen<br />
bei<strong>de</strong> Bereiche gleich finanziert wer<strong>de</strong>n. Bis Sommer<br />
2017 erarbeitet eine Subkommission <strong>de</strong>r nationalrätlichen<br />
Gesundheitskommission einen Vorschlag dazu.<br />
Weitere Verfeinerung <strong>de</strong>s Risikoausgleichs : Am<br />
19. Oktober 2016 hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat entschie<strong>de</strong>n, dass<br />
pharmazeutische Kostengruppen (Pharmaceutical<br />
Cost Groups PCG) als zusätzlicher Indikator im Risikoausgleich<br />
zu berücksichtigen sind. Er hat dazu eine<br />
Revision <strong>de</strong>r Verordnung über <strong>de</strong>n Risikoausgleich in <strong>de</strong>r<br />
Krankenversicherung (VORA) verabschie<strong>de</strong>t. Die neue<br />
Verordnung gilt erstmals für <strong>de</strong>n Risikoausgleich 2020 ;<br />
die dazu erfor<strong>de</strong>rlichen Daten müssen die Versicherer<br />
ab 1. Januar 2018 sammeln.<br />
Ambulante Pauschalen für operative Eingriffe : Im<br />
Oktober 2016 reichten Santésuisse und die fmCh-Tarifunion<br />
(27 medizinische Fachgesellschaften und Vereine<br />
mit rund 8000 Ärzten und Ärztinnen) gemeinsam einen<br />
Pauschaltarif für <strong>de</strong>n ambulanten ärztlichen Bereich ein.<br />
Die Pauschalen beruhen grundsätzlich auf <strong>de</strong>m heutigen<br />
Tarmed und umfassen alle operativen Eingriffe. Ziel ist es,<br />
2018 die ersten Kapitel in Kraft zu setzen.<br />
Diese grundsätzliche Kritik an allen « an<strong>de</strong>ren » Vergütungsformen<br />
darf nicht erstaunen. Denn die Medizin<br />
hat sich seit <strong>de</strong>r Tarmed- o<strong>de</strong>r DRG-Einführung stark<br />
gewan<strong>de</strong>lt. Folglich liegt es auf <strong>de</strong>r Hand, dass auch<br />
unsere aktuellen Vergütungsformen je länger <strong>de</strong>sto weniger<br />
mit <strong>de</strong>n stetig steigen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen Schritt<br />
halten. Optionenvielfalt und Komplexität <strong>de</strong>r Behandlungen,<br />
Interprofessionalität und Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r Betreuung<br />
verlangen mehr Integration sowohl in <strong>de</strong>r Versorgung<br />
wie auch bei <strong>de</strong>r Vergütung. Integrierte Versorgung<br />
benötigt eben auch integrierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle.<br />
Gera<strong>de</strong> dafür versprechen Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
beson<strong>de</strong>rs geeignet zu sein. Denn Performance<br />
nimmt immer auch die gesamten Behandlungsund<br />
Betreuungsprozesse in <strong>de</strong>n Blick. Und das ist es,<br />
was für Patienten, beson<strong>de</strong>rs chronisch kranke, entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist und nicht <strong>de</strong>r einzelne Spitalaufenthalt o<strong>de</strong>r die<br />
Betreuung durch die einzelne Fachperson.<br />
Neue Tarifstruktur für die stationäre Psychiatrie (TarPsy):<br />
Heute wer<strong>de</strong>n stationäre psychiatrische Leistungen mit<br />
Tagespauschalen abgegolten, die je nach Kanton und<br />
Vertragspartner unterschiedlich differenziert sind. Neu<br />
soll ein national einheitliches System gelten. Grundlage<br />
dafür sind leistungsbezogene, <strong>de</strong>gressive Tagespauschalen.<br />
Am 1. Januar 2018 soll TarPsy für die Erwachsenen-<br />
Psychiatrie eingeführt wer<strong>de</strong>n, am 1. Januar 2019 für<br />
die Kin<strong>de</strong>r- und Jugendpsychiatrie.<br />
Neue Tarifstruktur für die stationäre Rehabilitation<br />
(ST Reha) : Heute wer<strong>de</strong>n stationäre Rehabilitationen in<br />
<strong>de</strong>r Regel mit Tagespauschalen abgegolten, die nicht<br />
o<strong>de</strong>r kaum nach Leistungen abgestuft sind. Neu soll ein<br />
national einheitliches System gelten. Grundlage dafür<br />
sind Tagespauschalen, die nach Leistungsaufwand abgestuft<br />
sind. Die Einführung von ST Reha ist 2020 vorgesehen.<br />
6
HINTERGRUND<br />
VERGÜTUNGSMODELLE UND<br />
IHRE ZUKUNFT<br />
Kein Land auf dieser Welt hat ein i<strong>de</strong>ales Vergütungssystem.<br />
Je<strong>de</strong> Vergütungsform hat erwiesenermassen mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger starke Nebenwirkungen, die sich – und<br />
das ist <strong>de</strong>r springen<strong>de</strong> Punkt – auf Vergütung und Leistungserbringung<br />
in <strong>de</strong>n jeweils an<strong>de</strong>ren Bereichen auswirken.<br />
Bekanntestes Beispiel sind die Fallpauschalen im<br />
Spital (DRG): Allein auf <strong>de</strong>n stationären Bereich bezogen,<br />
sind sie eine durchaus taugliche Vergütungsform.<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>s Gesamtsystems bzw. <strong>de</strong>r Patientenprozesse<br />
sieht die Sache ganz an<strong>de</strong>rs aus : Fallpauschalen enthalten<br />
Fehlanreize und begünstigen Fragmentierungen,<br />
in<strong>de</strong>m sie die Integration über alle Versorgungsebenen<br />
und -sektoren behin<strong>de</strong>rn. Ursache dafür sind jedoch<br />
nicht die DRG per se, son<strong>de</strong>rn das Nebeneinan<strong>de</strong>r<br />
divergieren<strong>de</strong>r Vergütungsformen bzw. das Fehlen einer<br />
Gesamtlogik <strong>de</strong>r Leistungsvergütung.<br />
Auf <strong>de</strong>r Suche nach einer kohärenteren, also abgestimmten<br />
und zusammenhängen<strong>de</strong>n Vergütung gilt es<br />
zwei grundlegen<strong>de</strong> Aspekte zu berücksichtigen :<br />
1. Eine Leistungsvergütung, die grossmehrheitlich auf<br />
Menge und Preise ausgerichtet ist (wie die heutigen<br />
Formen es sind), genügt <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />
Zukunft nicht. Schlimmer noch : Sie birgt ein Schädigungspotential<br />
für die Patienten, das nicht länger<br />
zu akzeptieren ist. Was nützt zum Beispiel einem<br />
älteren Patienten mit einem Herzklappen<strong>de</strong>fekt eine<br />
perfekt durchgeführte Operation o<strong>de</strong>r einer<br />
Patientin mit unheilbarem Tumorlei<strong>de</strong>n eine zytostatische<br />
Behandlung, wenn Lebensqualität und<br />
Überlebenszeit dadurch nicht verbessert wer<strong>de</strong>n ?<br />
Erwünscht ist vielmehr ein neuer Fokus, <strong>de</strong>r für<br />
alle Akteure gleich akzeptabel und wichtig ist : <strong>de</strong>r<br />
Nutzen für die Patienten bzw. die Performance<br />
<strong>de</strong>r Leistungserbringer. Wobei mit Performance immer<br />
die Gesamtleistung aus Sicht <strong>de</strong>r Patienten gemeint<br />
sein muss, also Gesamtqualität und Gesamtergebnis<br />
aller Leistungen und Leistungserbringer.<br />
Selbstverständlich bleiben Qualität und Ergebnis<br />
einer einzelnen Leistung o<strong>de</strong>r einer einzelnen Fachperson<br />
be<strong>de</strong>utsam. Doch nur die Gesamtsicht<br />
vermag unerwünschte Nebenwirkungen wie Fragmentierungen<br />
o<strong>de</strong>r Fehlversorgung zu reduzieren<br />
(seien es zu viele, zu wenige o<strong>de</strong>r falsche Leistungen).<br />
2. Kein Vergütungssystem ist wertneutral ; alle<br />
Formen enthalten eine grundsätzliche Orientierung,<br />
die mehr o<strong>de</strong>r weniger sichtbar ist. Nehmen wir<br />
wie<strong>de</strong>r die Fallpauschalen im Spital als Beispiel : Mit<br />
<strong>de</strong>n DRG sollte die Vergleichbarkeit und damit<br />
<strong>de</strong>r Wettbewerb zwischen <strong>de</strong>n Spitälern verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n. Wettbewerb wie<strong>de</strong>rum ist ein zutiefst<br />
liberales Steuerungsinstrument, das – so das Werturteil<br />
<strong>de</strong>r Gegenseite – die Zugangsgerechtigkeit<br />
untergraben kann. Umgekehrt sieht es beim Capitation-basierten<br />
Globalbudget aus : Die Grundi<strong>de</strong>e<br />
ist – vor allem in solidarisch finanzierten Gesundheitssystemen<br />
– <strong>de</strong>r gerechte Zugang zu Gesundheitsleistungen.<br />
Gleichzeitig sind Globalbudgets<br />
ein zutiefst etatistisches Steuerungsinstrument,<br />
das – so das Werturteil <strong>de</strong>r Gegenseite – Effizienz<br />
und Qualität schmälern kann.<br />
WARUM DIE SCHWEIZ BESTENS<br />
VORBEREITET IST<br />
Was häufig zu wenig berücksichtig wird : In <strong>de</strong>r Schweiz<br />
gibt es schon länger be<strong>de</strong>utsame Erfahrungen mit Vergütungsmo<strong>de</strong>llen,<br />
die sich auf ein Kollektiv von Leistungserbringern<br />
und Patienten beziehen – nämlich die Budgetmitverantwortung<br />
von Ärztenetzen. Auch wenn sie in<br />
Teilen <strong>de</strong>r Ärzteschaft immer noch umstritten ist, haben<br />
sie fast alle Ärztenetze seit Jahren in ihren Verträgen mit<br />
<strong>de</strong>n Krankenversicherern vereinbart.<br />
Budgetmitverantwortung meint die Mit-Verantwortung<br />
<strong>de</strong>s Ärztenetzes (und nicht <strong>de</strong>s einzelnen Arztes) für eine<br />
bestimmte Patientengruppe – und zwar bis zu einer festgelegten<br />
Risikolimite bei vereinbarten Kostenzielen. Der<br />
7
FMC DENKSTOFF N°3<br />
FINANZFLÜSSE HEUTE<br />
(inkl. Budgetmitverantwortung Ärztenetze)<br />
Kopfprämien<br />
Risikoausgleich<br />
Bund<br />
Krankenversicherer<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kanton<br />
Kantonsbeiträge<br />
Zahlungen gemäss Tarifen (Tarmed, DRG, etc.)<br />
Ausgleichszahlungen gemäss Vertrag<br />
Versicherungsvertrag mit Budgetmitverantwortung<br />
Steuerzahler<br />
Prämienzahler<br />
Spitäler<br />
CHF<br />
Kostenbeteiligung<br />
Patienten<br />
Ambulante<br />
Leistungserbringer<br />
Ärztenetze<br />
8
HINTERGRUND<br />
einzelne Arzt erbringt und verrechnet seine Leistungen<br />
wie gewohnt. Die Mit-Verantwortung bezieht sich auf ein<br />
Parallel- o<strong>de</strong>r Schattenbudget, in das alle von <strong>de</strong>n Versicherern<br />
für das jeweilige Patientenkollektiv bezahlten<br />
Rechnungen verbucht wer<strong>de</strong>n (nie<strong>de</strong>rgelassene Ärzte,<br />
Spital, Apotheke, Spitex, Therapien, stationäre Rehabilitation<br />
etc.).<br />
Die Rechnungsstellung und die Vergütung <strong>de</strong>r Leistungserbringer<br />
erfolgen im jeweils gültigen Tarifsystem, also<br />
Tarmed, DRG o<strong>de</strong>r Spitex-Tarif. Berechnungsgrundlage<br />
<strong>de</strong>r Budgets ist eine Kopfpauschale (Capitation), d.h.<br />
jener Betrag (ambulant und stationär), <strong>de</strong>n ein einzelner<br />
Versicherter im kommen<strong>de</strong>n Jahr in Abhängigkeit von<br />
Alter, Geschlecht, Wohnort und Gesundheitszustand<br />
voraussichtlich benötigen wird. Die Summe <strong>de</strong>r Kopfpauschalen<br />
ergibt dann das Budget für das Ärztenetz.<br />
Bereitschaft zur Transparenz und<br />
Dialogfähigkeit<br />
Die Budgetmitverantwortung will also <strong>de</strong>n Blick und<br />
das Bewusstsein für <strong>de</strong>n gesamten Behandlungs- und<br />
Betreuungsprozess und damit das Zusammenspiel aller<br />
Leistungserbringer schärfen – o<strong>de</strong>r auf einen Nenner<br />
gebracht : die konsequente Integration und Koordination<br />
<strong>de</strong>r Versorgung för<strong>de</strong>rn. Folglich lässt sich die Budgetmitverantwortung,<br />
die primär auf Einsparziele fokussiert,<br />
i<strong>de</strong>al mit <strong>de</strong>r Performance-orientierten Vergütung ergänzen.<br />
Viele Krankenversicherer in <strong>de</strong>r Schweiz setzen seit<br />
vielen Jahren auf die vertragliche und partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit mit Ärztenetzen. Als Grundlage dienen<br />
selektive und nach Leistung differenzieren<strong>de</strong> Kooperationsmo<strong>de</strong>lle.<br />
Diese haben zum Ziel, mit ausgewählten<br />
Partnern – möglichst exklusive – Mehrwerte für die<br />
eigenen Versicherten sowie gegenseitige Wettbewerbsvorteile<br />
zu erreichen und damit die Marktposition zu<br />
stärken. Die Mo<strong>de</strong>lle enthalten zum Beispiel die Bewertung<br />
<strong>de</strong>r Leistungserbringer-Partner in <strong>de</strong>n Dimensionen<br />
Wirtschaftlichkeit, Zusammenarbeit und teilweise auch<br />
Qualität sowie gemeinsam festgelegte Zielwerte. Je<br />
nach Leistung und Zielerreichung <strong>de</strong>r bewerteten Dimensionen<br />
resultiert auch eine differenzierte Vergütung.<br />
Voraussetzungen für dauerhafte und verbindliche Kooperationen<br />
sind die Bereitschaft zur Transparenz bei allen<br />
beteiligten Akteuren, ihre Dialogfähigkeit sowie Anreizmo<strong>de</strong>lle,<br />
die auf gemeinsam <strong>de</strong>finierten Zielen basieren<br />
und für alle relevant sind. Eine grosse Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
ist es dabei, sich bei <strong>de</strong>r Leistungsbemessung und -vergütung<br />
auf Performance-Kriterien zu einigen, die allseits<br />
akzeptiert wer<strong>de</strong>n, mit vernünftigem Aufwand messbar<br />
sind und keine schwerwiegen<strong>de</strong>n Fehlanreize enthalten.<br />
Dafür ist ein gemeinsames Verständnis von Qualität zu<br />
entwickeln, was ebenso anspruchsvoll ist wie die vorangehen<strong>de</strong><br />
Rollen- und Zielklärung. Immerhin : Die bisherigen<br />
Kooperationen zwischen Krankenversicherern<br />
und Leistungserbringern liefern wertvolle Erkenntnisse<br />
für diesen Dialog und <strong>de</strong>n Erfolg von innovativen Versorgungs-<br />
und Finanzierungsmo<strong>de</strong>llen.<br />
9
HINTERGRUND<br />
ABSICHT<br />
Grundsätzlich können alle Vergütungsformen – auch die<br />
heutigen – mit Performance-Kriterien ergänzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass damit zwei<br />
unterschiedliche Anreizsysteme kombiniert wer<strong>de</strong>n : Die<br />
Vergütungsform wirkt auf die Effizienz, die Performance-<br />
Orientierung auf die Qualität. Dagegen ist nichts einzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Nur ist zwingend darauf zu achten, dass sich<br />
die bei<strong>de</strong>n Anreizsysteme nicht behin<strong>de</strong>rn : Zum Beispiel<br />
passt eine pauschalierte Vergütung schlecht zu Qualitätskriterien<br />
von Einzelleistungen.<br />
Die hier dargestellten Vergütungsmo<strong>de</strong>lle verstehen<br />
sich als Grundformen künftiger Performance-orientierter<br />
Leistungsvergütung, wie sie in <strong>de</strong>r Schweiz vor allem in<br />
Organisationen und Projekten <strong>de</strong>r Integrierten Versorgung<br />
in <strong>de</strong>n nächsten fünf bis zehn Jahren zur Anwendung<br />
kommen könnten. Sie orientieren sich an <strong>de</strong>n<br />
international geführten Diskussionen.<br />
Die einzelnen Mo<strong>de</strong>lle wer<strong>de</strong>n strukturiert beschrieben :<br />
allgemeine Grundsätze, Eckwerte <strong>de</strong>r finanziellen<br />
Vergütung, Auswirkungen auf Leistungserbringung und<br />
Patientenverhalten (mit einem Zeithorizont von acht bis<br />
zehn Jahren) sowie spezielle Herausvor<strong>de</strong>rungen. Ausser<strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong>n Handlungsoptionen und Anreize für die<br />
zentralen Versorgungspartner formuliert.<br />
Die Mo<strong>de</strong>lle enthalten bewusst keine abschliessen<strong>de</strong>n<br />
Bewertungen und sind auch keine Wunschszenarien<br />
<strong>de</strong>s fmc. Gleichzeitig sind Vergütungssysteme nie wertneutral<br />
; sie spiegeln immer unterschiedliche Grundhaltungen,<br />
die mehr o<strong>de</strong>r weniger offen gelegt wer<strong>de</strong>n<br />
(vergleiche Seite 7). Davon zeugen die teils heftigen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen Verfechtern von Fallpauschalen/Bundled<br />
Payment und Globalbudgets/<br />
Capitation, wie vor Kurzem in <strong>de</strong>r Harvard Business<br />
Review zu verfolgen war. 3 4<br />
Absicht <strong>de</strong>s fmc ist es, mit <strong>de</strong>n hier beschriebenen Vergütungsmo<strong>de</strong>llen<br />
und Handlungsoptionen die Entwicklung<br />
und Implementierung einer kohärenteren Leistungsvergütung<br />
zu unterstützen und damit die Integrierte Versorgung<br />
in <strong>de</strong>r Schweiz zu stärken. Insbeson<strong>de</strong>re wollen wir<br />
• <strong>de</strong>n Dialog jenseits von partikularen und berufspolitischen<br />
Interessen för<strong>de</strong>rn ;<br />
• Diskussionen über erwünschte Wirkungen und<br />
(unvermeidliche) Nebenwirkungen in Gang setzen ;<br />
• <strong>de</strong>n zentralen Akteuren – Leistungserbringer,<br />
Krankenversicherer & an<strong>de</strong>re Kostenträger, Patienten,<br />
Politik & Behör<strong>de</strong>n – Orientierung geben und<br />
Handlungsspielräume aufzeigen.<br />
10
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Performance-Bemessung<br />
Wenn künftig auch das vergütet wer<strong>de</strong>n soll, was für <strong>de</strong>n Patienten<br />
o<strong>de</strong>r die Patientin im Zentrum steht, nämlich das Ergebnis und<br />
die Performance <strong>de</strong>r ganzen Behandlung und Betreuung, ist auch<br />
die Medizin gefor<strong>de</strong>rt : Je differenzierter Behandlung und<br />
Betreuung wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>sto weniger entspricht das, was die einzelne<br />
Fachperson tut, <strong>de</strong>m Gesamtergebnis. So aufwendig <strong>de</strong>r<br />
Weg zu solchen ganzheitlichen Performance-Bemessungen ist,<br />
so hoffnungsvoll sind die ersten Initiativen.<br />
Für einen Patienten mit einem bösartigen Tumor zählt<br />
nicht nur, ob <strong>de</strong>r Tumor vollständig entfernt wur<strong>de</strong>, die<br />
Chemotherapie wirksam war und die Überlebenszeit<br />
verlängert wur<strong>de</strong>. Genauso relevant ist für ihn die Frage,<br />
welche körperlichen Funktionen ihm bleiben o<strong>de</strong>r wie<br />
sich seine Lebensqualität entwickelt. Selbstverständlich<br />
sind diese Aspekte in <strong>de</strong>r klinischen Praxis schon jetzt<br />
wichtig, in <strong>de</strong>r fragmentierten Welt <strong>de</strong>r heutigen Versorgung<br />
kommen sie meist aber zu kurz.<br />
Darum braucht es in <strong>de</strong>r künftigen Patientenversorgung<br />
weit mehr Aufmerksamkeit für die Gesamtergebnisse<br />
und Performance. Das wird aber nur gelingen, wenn<br />
wir Performance zu messen beginnen. Denn ohne das<br />
wird immer im Dunkeln bleiben, welche Gesamtergebnisse<br />
die Patienten erhalten bzw. erwarten können. Und<br />
es wird immer verborgen bleiben, wie sich Leistungserbringer<br />
abzustimmen und zu organisieren haben, um ein<br />
bestimmtes Gesamtergebnis zu erreichen. Performance-<br />
Bemessung ist <strong>de</strong>shalb die Grundlage je<strong>de</strong>r Performanceorientierten<br />
Vergütung.<br />
Es gibt viel zu tun – packen wir’s an<br />
Performance-Bemessungen sind aber keine klare Sache –<br />
im Gegenteil. Trotz vieler Bemühungen und zahlloser<br />
Publikationen steht nach wie vor kein Gold-Standard zur<br />
Verfügung und wird für die nahe Zukunft auch nicht zu<br />
erwarten sein. Dürfen wir das Thema <strong>de</strong>shalb wie<strong>de</strong>r<br />
ad acta legen ? Auf keinen Fall, auch wenn es viel Zeit<br />
und Energie benötigen wird, um taugliche Performance-<br />
Messsysteme und entsprechen<strong>de</strong> Erfahrung aufzubauen.<br />
Und genau das lässt sich offensichtlich nicht im Forschungslabor<br />
o<strong>de</strong>r am grünen Tisch entwickeln, son<strong>de</strong>rn nur in<br />
<strong>de</strong>r Praxis und Hand in Hand mit <strong>de</strong>n Patienten.<br />
Gleichwohl müssen wir, wenn wir Performance-Bemessungen<br />
und -Kriterien einführen wollen, nicht auf Feld<br />
eins beginnen. Es stehen verschie<strong>de</strong>ne Initiativen zur Verfügung,<br />
die sich auch für <strong>de</strong>n Schweizer Kontext eignen.<br />
Eine dieser Initiativen, die hierzulan<strong>de</strong> ebenfalls schon<br />
intensiv diskutiert wird, ist das « International Consortium<br />
for Health Outcomes Measurement (ICHOM)». Das Konsortium<br />
wur<strong>de</strong> vom Karolinska Institut in Schwe<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />
Harvard University und <strong>de</strong>r Boston Consulting Group<br />
aus <strong>de</strong>n USA gegrün<strong>de</strong>t 5 . ICHOM hat sich zum Ziel<br />
gesetzt, per En<strong>de</strong> 2017 für 50 % <strong>de</strong>r wichtigsten Krankheiten<br />
sogenannte Standard-Sets – d.h. Sets von Performance-Kriterien<br />
– zu erarbeiten. ICHOM macht das<br />
aber nicht selber, son<strong>de</strong>rn stellt rund um <strong>de</strong>n Globus<br />
Teams zusammen aus führen<strong>de</strong>n Medizinexperten, Per-<br />
11
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Tabelle 1: Standard-Sets für Patienten mit koronarer Herzkrankheit<br />
Category<br />
(Cohorts) Measure Details Timing<br />
Data<br />
Source<br />
Longitudinal<br />
outcomes (AII)<br />
All-cause mortality<br />
Admissions (for AMI,<br />
hemorrhagic stroke, ischemic<br />
stroke or heart failure)<br />
Date of <strong>de</strong>ath<br />
Date of each admission &<br />
discharge<br />
Tracked for 5 years after<br />
in<strong>de</strong>x event – reported<br />
at 1 and 5 years<br />
Administrative<br />
Procedural interventions<br />
Date of PCI and/or CABG<br />
Acute renal failure<br />
New requirement for dialysis<br />
Patient – reported<br />
health<br />
status (AII)<br />
Angina, dyspnea, <strong>de</strong>pression,<br />
functional status, healthrelated<br />
quality of life<br />
SAQ-7, PHQ-2,<br />
Rose Dyspnea<br />
30 days + then annually<br />
to 5 years after in<strong>de</strong>x event<br />
Patient<br />
reported<br />
Acute<br />
Compli cations<br />
of treatment<br />
(PCI & CABG)<br />
Mortality post procedure<br />
Place of <strong>de</strong>ath<br />
Date of <strong>de</strong>ath<br />
Options : Home ; acute care<br />
hospital or rehab ; nursing<br />
home or hospice<br />
Within in<strong>de</strong>x hospitalization<br />
+ within 30 days<br />
of procedure<br />
Clinical or<br />
administrative<br />
Stroke and stroke type<br />
Ischemic ; hemorrhagic ;<br />
unknown<br />
Acute renal failure<br />
New requirement<br />
for dialysis<br />
Total length of stay<br />
Date at arrival and<br />
discharge<br />
Within in<strong>de</strong>x hospitalization<br />
Post-procedure length of stay<br />
Date of intervention and<br />
discharge<br />
Major Surgery<br />
complications<br />
(CABG only)<br />
Prolonged ventilation<br />
Deep sternal<br />
wound infection<br />
Mechanical ventilation<br />
> 24 h post-surgery<br />
Requires operative intervention,<br />
positive culture & antibiotics<br />
Within in<strong>de</strong>x<br />
hospitalization<br />
Within in<strong>de</strong>x hospitali zation<br />
+ within 30 days<br />
of procedure<br />
Clinical<br />
Reoperation required<br />
Return to operating theatre<br />
(for other than wound)<br />
Interventional<br />
cardiology<br />
complications<br />
(PCI only)<br />
Significant dissection<br />
Perforation<br />
Type C to F dissections<br />
Angiographic or clinical<br />
evi<strong>de</strong>nce of perforation<br />
Within in<strong>de</strong>x<br />
hospitalization<br />
Clinical<br />
Emergent CABG for<br />
failed PCI<br />
Emergency cardiothoracic<br />
surgery<br />
Vascular complications<br />
requiring intervention<br />
At percutaneous entry site<br />
Within in<strong>de</strong>x hospitali -<br />
zation + within 30 days<br />
of procedure<br />
Bleeding event within 72 h<br />
Within 72 h of PCI<br />
Within in<strong>de</strong>x hospitalization<br />
+ within 72 h of procedure<br />
12
PERFORMANCE-BEMESSUNG<br />
formance-Forschern und Patientenvertretern, die für eine<br />
bestimmte Krankheitsgruppe ein Standard-Set entwickeln.<br />
Die ersten Schritte sind gemacht<br />
Bis heute wur<strong>de</strong>n 21 Standard-Sets erarbeitet : 5 für<br />
bösartige Tumorerkrankungen, 3 für kardiovaskuläre<br />
Störungen, je 2 für angeborene, neurologische,<br />
muskuloskelettale und Augenlei<strong>de</strong>n sowie je eines für<br />
Störungen <strong>de</strong>s Verdauungstrakts, Schwangerschaft/<br />
Geburt, die Psychiatrie und die Geriatrie. Zehn weitere,<br />
zum Beispiel für Diabetes und Bluthochdruck, sind in<br />
Vorbereitung. Die finalen Standard-Sets sind über die<br />
ICHOM-Webseite frei verfügbar und so gehalten, dass<br />
sie unabhängig von <strong>de</strong>n jeweiligen System- und Versorgungsgegebenheiten<br />
nutzbar sind.<br />
Beispielhaft ist in Tabelle 1 die Zusammenfassung <strong>de</strong>s<br />
Standard-Sets für Patienten mit koronarer Herzkrankheit<br />
dargestellt (Erkrankung <strong>de</strong>r Herzkranzgefässe). Die<br />
Zusammenfassung zeigt, welche Messungen (Measures)<br />
für welche Performance-Kriterien (Details) zu welchen<br />
Zeitpunkten (Timing) aufgrund welcher Daten (Data<br />
Source) empfohlen wer<strong>de</strong>n :<br />
Auch wenn die Standard-Sets unabhängig von <strong>de</strong>n<br />
jeweiligen Systemgegebenheiten nutzbar sind, können<br />
sie nicht eins-zu-eins übernommen wer<strong>de</strong>n. Sie benötigen<br />
einen Implementierungsprozess, <strong>de</strong>r nicht nur die Abstimmung<br />
für einen bestimmten Versorgungskontext zum<br />
Ziel hat. Viel wichtiger ist, dass die Leistungserbringer<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>n Krankenversicherern verbindliche<br />
Rahmen, Performance-Ziele und die Zusammenarbeit<br />
entwickeln.<br />
eVoting fmc-Symposium 2016<br />
Am fmc-Symposium 2016 beantworteten<br />
die 340 Teilnehmen<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Fragen :<br />
Welcher Faktor behin<strong>de</strong>rt aktuell eine geeignete<br />
Performance-Beurteilung <strong>de</strong>r Integrierten Versorgung<br />
(d.h. entlang <strong>de</strong>s Patientenpfa<strong>de</strong>s) am meisten ?<br />
Fehlen<strong>de</strong>r Mut<br />
zur Leistungs-<br />
Transparenz<br />
Gesetzliche<br />
Restriktionen<br />
Fehlen<strong>de</strong><br />
Aufwandvergütung<br />
Fehlen<strong>de</strong><br />
Mess-Indikatoren<br />
Wer müsste die Initiative ergreifen, um das heute auf<br />
Einzelleistungen o<strong>de</strong>r Einzel-Institutionen fokussierte<br />
Qualitätsverständnis im Gesundheitssystem auf einen<br />
integrierten Gesamtfokus hin zu adaptieren ?<br />
Politik<br />
Bund/Kantone<br />
Ambulante<br />
und stationäre<br />
Leistungserbringer<br />
Versicherer<br />
13
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Performance und das KVG –<br />
Zeit für Anpassungen<br />
Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle waren anfangs <strong>de</strong>r<br />
1990er-Jahre, als das Bun<strong>de</strong>sgesetz über die Krankenversicherung<br />
(KVG) formuliert wur<strong>de</strong>, kein Thema in <strong>de</strong>r Schweiz.<br />
Deshalb flossen sie nicht in das neue Gesetz ein, das am<br />
1. Januar 1996 in Kraft trat. Ebenso wenig waren sie seither<br />
Gegenstand von KVG-Revisionen. Zwar lässt das gelten<strong>de</strong><br />
KVG einiges zu, doch wünschbar sind Anpassungen, die Klarheit<br />
und Raum für zukunftsweisen<strong>de</strong> Lösungen schaffen.<br />
Die hier vorgestellten Vergütungsmo<strong>de</strong>lle orientieren sich<br />
in erster Linie daran, was sinnvoll und notwendig ist,<br />
um die Behandlung und Betreuung von Patienten stärker<br />
zu integrieren und <strong>de</strong>ren Performance zu verbessern. Die<br />
Vereinbarkeit mit <strong>de</strong>m gelten<strong>de</strong>n KVG hat zweite Priorität.<br />
Die Diskussionen zu Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen<br />
könnten aber politische Vorstösse aus lösen mit<br />
<strong>de</strong>m Ziel, solche Mo<strong>de</strong>lle künftig zu begünstigen.<br />
An<strong>de</strong>rseits bil<strong>de</strong>t das KVG auch für die Vergütung von<br />
medizinischen und pflegerischen Leistungen <strong>de</strong>n gesetzlichen<br />
Rahmen. Deshalb hat das fmc <strong>de</strong>n Juristen Markus<br />
Moser* gebeten, die Vereinbarkeit von Performanceorientierten<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>llen mit <strong>de</strong>m gelten<strong>de</strong>n KVG<br />
zu beurteilen. Die Meinungen zu <strong>de</strong>n einzelnen Vergütungsmo<strong>de</strong>llen<br />
sind an <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Stellen eingefügt.<br />
« Grosse Freiheit in <strong>de</strong>r Gestaltung<br />
<strong>de</strong>r Tarife »<br />
Ganz grundsätzlich gilt gemäss Markus Moser : « In die<br />
Sprache <strong>de</strong>s KVG übersetzt, sind Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
gleich Tarife. Das KVG gibt <strong>de</strong>n Tarifpartnern (Versicherer<br />
und Leistungserbringer) grosse Freiheit in <strong>de</strong>r Gestaltung<br />
ihrer Tarife, zum Beispiel Einzelleitungsvergütung wie <strong>de</strong>r<br />
Tarmed, <strong>de</strong>n Zeittarif o<strong>de</strong>r patientenbezogene und versichertenbezogene<br />
Pauschalen. Grundsätzlich ist je<strong>de</strong><br />
Vergütungsform zulässig, wenn <strong>de</strong>r Tarif eine sachgerechte<br />
Struktur aufweist, betriebswirtschaftliche Grundsätze<br />
beachtet und damit eine qualitativ hochstehen<strong>de</strong><br />
und zweckmässige Versorgung zu möglichst günstigen<br />
Kosten erreicht wird (Art. 43 Abs. 4 und Abs. 6 KVG). »<br />
Ganz allgemein teilt Markus Moser die Ansicht <strong>de</strong>s fmc,<br />
dass die Schweiz gut vorbereitet ist für Performanceorientierte<br />
Vergütungsformen, auch wenn <strong>de</strong>r Begriff im<br />
KVG nicht vorkommt : « Aber im Grun<strong>de</strong> genommen sind<br />
Kriterien <strong>de</strong>r Performance nichts an<strong>de</strong>res als Qualitätskriterien<br />
im Sinne <strong>de</strong>s KVG. Da die Tarifpartner unter<br />
an<strong>de</strong>rem auf eine qualitativ hochstehen<strong>de</strong> Versorgung<br />
achten (Art. 43 Abs. 6 KVG) und Massnahmen <strong>de</strong>r<br />
Qualitätssicherung vereinbaren müssen (Art. 77 KVV),<br />
hat je<strong>de</strong> Art <strong>de</strong>r Vergütung Performance-orientiert zu<br />
sein. Wie die Vergütung von <strong>de</strong>r Performance bzw. <strong>de</strong>r<br />
Qualität <strong>de</strong>r Leistungen abhängig gemacht wer<strong>de</strong>n darf,<br />
muss anhand <strong>de</strong>r konkret getroffenen Vereinbarung beurteilt<br />
und entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
14
PERFORMANCE UND DAS KVG<br />
« Je<strong>de</strong>r Tarif setzt eine qualitativ<br />
hochstehen<strong>de</strong> Versorgung voraus »<br />
Im Tarifvertrag vereinbarte Vermin<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Vergütung<br />
sind zulässig, falls die vereinbarte Performance nicht<br />
erreicht wor<strong>de</strong>n ist. Sie <strong>de</strong>cken sich mit <strong>de</strong>m genannten<br />
Grundsatz gemäss Art. 43 Abs. 6 KVG. Hingegen sind<br />
zielbasierte Zusatzvergütungen (Add-on Payment) <strong>de</strong>r<br />
Versicherer schwer mit diesem Grundsatz zu verein baren,<br />
weil je<strong>de</strong>r Tarif eine qualitativ hochstehen<strong>de</strong> Versorgung<br />
voraussetzt. Übertrifft ein Leistungserbringer die verlangte<br />
Qualität, ist dies – aus Sicht <strong>de</strong>s KVG – kein Grund für<br />
eine höhere Vergütung. Mit <strong>de</strong>m KVG vereinbar ist es<br />
dagegen, wenn die zwischen einem Versorgungsmo<strong>de</strong>ll<br />
und <strong>de</strong>n Versicherern festgelegte Vergütung unter <strong>de</strong>n<br />
daran beteiligten Leistungserbringern Performanceorientiert<br />
aufgeteilt wird.<br />
eVoting fmc-Symposium 2016<br />
Am fmc-Symposium 2016 beantworteten<br />
die 340 Teilnehmen<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Fragen :<br />
Wür<strong>de</strong>n Sie ein Vergütungssystem, welches<br />
auch Performance-Aspekte integriert hat, grundsätzlich<br />
begrüssen ?<br />
Weiss nicht<br />
Auf gar<br />
keinen Fall<br />
Voll und ganz<br />
Unter Vorbehalt<br />
Versorgungsmo<strong>de</strong>lle regeln die Zusammenarbeit zwischen<br />
Leistungserbringern bei <strong>de</strong>r Behandlung von Patienten.<br />
Sie beruhen also auf Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern.<br />
Das KVG ist dann relevant, wenn in Vereinbarungen<br />
mit Versicherern – insbeson<strong>de</strong>re in Tarifverträgen –<br />
darauf Bezug genommen wird. »<br />
Wie hoch sollte <strong>de</strong>r Qualitäts/Performance-abhängige<br />
Anteil <strong>de</strong>r Vergütung sein (in Prozent) ?<br />
50 %<br />
* Dr. Markus Moser ist juristischer Berater im Gesundheitswesen.<br />
Er war von 1987 bis 1997 Vizedirektor im Bun<strong>de</strong>samt<br />
für Sozialver sicherungen und prägte das Bun<strong>de</strong>sgesetz über die<br />
Krankenver sicherung (KVG) massgeblich mit.<br />
100 %<br />
0 %<br />
25 %<br />
Wer müsste die Initiative ergreifen, um ein Performancebasiertes<br />
Vergütungssystem zu etablieren ?<br />
Politik<br />
Bund/Kantone<br />
Ambulante<br />
und stationäre<br />
Leistungserbringer<br />
Versicherer<br />
15
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Vier Mo<strong>de</strong>lle –<br />
viele Kombinationen<br />
Wir gehen davon aus, dass in <strong>de</strong>n nächsten Jahren unterschiedliche<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>lle entstehen wer<strong>de</strong>n, die<br />
unterschiedliche Präferenzen und Bedürfnisse von verschie<strong>de</strong>nen<br />
(geografischen, kulturellen) Regionen und verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bevölkerungs- und Patientengruppen berücksichtigen. Wichtig :<br />
Wir verstehen die dargestellten Mo<strong>de</strong>lle nicht als scharf<br />
voneinan<strong>de</strong>r abgegrenzt. Es sind auch Kombinationen und<br />
Variationen möglich – und erwünscht.<br />
Im Vor<strong>de</strong>rgrund sehen wir vier Performance-orientierte<br />
Vergütungsformen :<br />
• Kopfpauschalen (Population-based Payment)<br />
• Komplexpauschalen (Bundled Payment)<br />
• Kantonales Globalbudget<br />
• Zielbasierte Zusatzvergütungen (Add-on Payment)<br />
Angesichts <strong>de</strong>r komplexen Materie liegt es auf <strong>de</strong>r<br />
Hand, dass alle Formen Chancen und Risiken haben<br />
(Tabelle 2). Zwar liessen sich mit Gegenanreizen und<br />
Mischformen die jeweiligen Vorteile verstärken bzw.<br />
Risiken vermin<strong>de</strong>rn. Doch bleiben viele Diskussionen<br />
dazu in i<strong>de</strong>o logischen Ecken gefangen (vergleiche auch<br />
Seite 7). An<strong>de</strong>rseits ist es für weiterführen<strong>de</strong> Dialoge<br />
unabdingbar, die grundsätzlichen Wertorientierungen<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle bzw. <strong>de</strong>ren Chancen und Risiken zu kennen.<br />
Nur so lassen sich neue Vergütungsformen gestalten,<br />
die von Leistungserbringern und Kostenträgern gleichermassen<br />
akzeptiert wer<strong>de</strong>n – und zum Nutzen <strong>de</strong>r Patientinnen<br />
und Patienten sind.<br />
Neben <strong>de</strong>m grundsätzlichen Fokus sowie <strong>de</strong>n Chancen<br />
und Risiken <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle interessiert auch, wie vereinbar<br />
sie mit <strong>de</strong>m schweizerischen Finanzierungs- und Versicherungssystem<br />
sind (Tabelle 3). Wichtig dabei : Die<br />
einheitliche Finanzierung ambulant-stationär (Monismus),<br />
wie sie <strong>de</strong>rzeit auf Bun<strong>de</strong>sebene diskutiert wird, könnte<br />
Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen einen starken<br />
Auftrieb verleihen (siehe « Absehbare Entwicklungen bei<br />
<strong>de</strong>r Finanzierung/Vergütung » auf Seite 6).<br />
16
VIER MODELLE – VIELE KOMBINATIONEN<br />
Tabelle 2 : Chancen und Risiken von Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen<br />
Grundformen Fokus Chancen Risiken<br />
• Kopfpauschalen<br />
(Population-based Payment)<br />
• Kantonales Globalbudget<br />
• Gesundheit und Krankheiten<br />
• Bevölkerungsgruppen<br />
• Starke Ausrichtung auf die<br />
Erhaltung von Gesundheit<br />
• Integration <strong>de</strong>r gesamten<br />
Versorgung<br />
• Hohe Zugangsgerechtigkeit,<br />
unabhängig von <strong>de</strong>r<br />
Morbidität<br />
• Notwendige Leistungen<br />
wer<strong>de</strong>n vorenthalten<br />
• Performance-Bemessung für<br />
ganze Populationen ist<br />
komplex und aufwendig<br />
• Komplexpauschalen<br />
(Bundled Payment)<br />
• Zielbasierte Zusatzvergütungen<br />
(Add-on Payment)<br />
• Krankheiten<br />
• Patientengruppen<br />
• Starke Ausrichtung auf die<br />
Prävention von Krankheiten<br />
• Integration von<br />
Behandlungsprozessen<br />
• Mehr Wettbewerbsmöglichkeiten<br />
für Leistungser -<br />
bringer (Preis, Performance)<br />
• « Bundling » ergibt neue<br />
Fragmentierungen<br />
• Die Leistungserbringer<br />
sind zu stark auf bestimmte<br />
Krankheiten fokussiert<br />
(und vernachlässigen an<strong>de</strong>re)<br />
Tabelle 3: Vereinbarkeit von Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen mit <strong>de</strong>m heutigen System<br />
Populationbased<br />
Payment<br />
Bundled<br />
Payment<br />
Kantonales<br />
Globalbudget<br />
Add-on Payment<br />
Fokus Bevölkerungsgruppe(n) Patientengruppe(n) Bevölkerungsgruppe(n) Patientengruppe(n)<br />
Versicherungsmo<strong>de</strong>ll<br />
nach KVG<br />
Standard o<strong>de</strong>r<br />
alternative Mo<strong>de</strong>lle<br />
Standard o<strong>de</strong>r<br />
alternative Mo<strong>de</strong>lle<br />
Standard o<strong>de</strong>r<br />
alternative Mo<strong>de</strong>lle<br />
Standard o<strong>de</strong>r<br />
alternative Mo<strong>de</strong>lle<br />
Vertrag zwischen<br />
Versicherer-<br />
Leistungserbringer<br />
Versicherer-<br />
Leistungserbringer<br />
Versicherer-<br />
Leistungserbringer<br />
Versicherer-<br />
Leistungserbringer<br />
Vertragszwang nein nein ja nein<br />
Einheitliche<br />
Finanzierung<br />
ambulant-stationär<br />
(Monismus)*<br />
Vereinbarkeit mit<br />
<strong>de</strong>m gelten<strong>de</strong>n KVG<br />
Implementierungsaufwand<br />
in<br />
<strong>de</strong>r Schweiz<br />
wünschbar wünschbar erfor<strong>de</strong>rlich nein<br />
bedingt bedingt nein bedingt<br />
++ ++ ++++ +<br />
* Da sich diese Vergütungsmo<strong>de</strong>lle über <strong>de</strong>n ambulanten und stationären Bereich erstrecken, wäre es sinnvoll, wenn bei<strong>de</strong> Bereiche auch gleich finanziert wären.<br />
17
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Kopfpauschalen<br />
(Population-based Payment)<br />
Die bevölkerungs-basierte Vergütung (Population-based Payment)<br />
umfasst die ganze Population einer Region o<strong>de</strong>r einzelne<br />
Bevölkerungsgruppen. Im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen (komplexe) Versorgungssituationen,<br />
nicht einzelne Krankheiten. Die bevölkerungsbasierte<br />
Vergütung ist eine Weiterentwicklung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schweiz<br />
geläufigen Budgetmitverantwortung <strong>de</strong>r Ärztenetze, erweitert<br />
um eine Performance-Mitverantwortung.<br />
BESCHREIBUNG/GRUNDSÄTZE<br />
Ausgangspunkt ist ein bilateraler Vertrag zwischen einem<br />
Kostenträger und einer Gruppe von Leistungserbringern,<br />
<strong>de</strong>r ohne Vertragszwang zwischen <strong>de</strong>n Parteien ausgehan<strong>de</strong>lt<br />
wird. Die beteiligten Leistungserbringer (z.B.<br />
Ärztenetze, Gesundheitszentren, Spitäler, Apotheken,<br />
Spitex-Organisationen) bil<strong>de</strong>n eine organisatorische<br />
Einheit und verpflichten sich auf gemeinsame Ziele,<br />
ein gemeinsames Verständnis von Performance und die<br />
kontinuierliche Entwicklung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit. Häufig<br />
haben sie vorgängig schon kooperiert, fallweise auch<br />
Erfahrungen gewonnen mit neuen Vergütungsformen<br />
(z.B. Komplexpauschalen).<br />
Verträge zur bevölkerungs-basierten Vergütung umfassen<br />
Regionen, in <strong>de</strong>nen die beteiligten Leistungserbringer<br />
überwiegend tätig sind. Sinnvollerweise schliessen sich<br />
die Leistungserbringer zu einer Gruppe zusammen. Für<br />
die Leistungserbringer-Gruppe ist es vorteilhaft, einen<br />
möglichst grossen Teil <strong>de</strong>r zu betreuen<strong>de</strong>n Population in<br />
einem solchen Vertrag einzuschliessen. Darin wer<strong>de</strong>n –<br />
zusätzlich zu <strong>de</strong>n üblichen Elementen wie Zugang o<strong>de</strong>r<br />
Leistungserbringung – medizinische Performance-Ziele<br />
für die zu versorgen<strong>de</strong> Population vereinbart. Die Leistungserbringer<br />
erzielen Zusatzeinnahmen, falls sie diese<br />
Ziele erreichen. Wenn immer möglich beziehen sich die<br />
Anreize auf die Behandlungsergebnisse, ansonsten auf<br />
Prozess- o<strong>de</strong>r Strukturelemente, welche die Zusammenarbeit<br />
und Koordination för<strong>de</strong>rn.<br />
Weil sich die Performance-Bemessungen immer auf<br />
eine ganze Population bezieht, entstehen zusätzliche Anreize<br />
: Während Patienten wie gewohnt im Erkrankungsfall<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, ist bei Gesun<strong>de</strong>n und Risiko gruppen<br />
darauf zu achten, dass sie nicht erkranken. Früh er kennung<br />
und Prävention bekommen so einen neuen Stellenwert.<br />
18
KOPFPAUSCHALEN<br />
FINANZFLÜSSE<br />
Kopfprämien<br />
Risikoausgleich<br />
Krankenversicherer<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kantonsbeiträge<br />
gemäss Risikoausgleich<br />
Zahlungen gemäss Tarifen (Tarmed, DRG, etc.)<br />
Ausgleichszahlungen gemäss Vertrag<br />
Bilateraler Vertrag<br />
Steuerzahler<br />
Prämienzahler<br />
CHF<br />
Kostenbeteiligung<br />
Spitäler<br />
Patienten<br />
Leistungserbringergruppe<br />
Ambulante<br />
Leistungserbringer<br />
19
FMC DENKSTOFF N°3<br />
FINANZIELLE ECKWERTE<br />
• Prospektives (« virtuelles ») Budget für die gesamte<br />
Population, die Teil <strong>de</strong>s Vertrags ist und von<br />
<strong>de</strong>r Leistungserbringer-Gruppe behan<strong>de</strong>lt und<br />
betreut wird.<br />
• Zusatzeinnahmen durch die Integration von<br />
Per formance-Kriterien, welche die Transparenz<br />
sowie die Qualität o<strong>de</strong>r Effizienz <strong>de</strong>r<br />
Leistungen für die Population erhöhen sollen.<br />
• Die einzelnen Leistungserbringer stellen Rechnung<br />
gemäss <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifsystemen (z.B.<br />
Tarmed, Fallpauschalen, kantonale Spitex-Tarife).<br />
• En<strong>de</strong> Jahr wer<strong>de</strong>n die effektiv abgerechneten<br />
Leistungen mit <strong>de</strong>m Budget verglichen und allfällige<br />
Ausgleichszahlungen ausgelöst (an die Versicherer<br />
o<strong>de</strong>r die Leistungserbringer-Gruppe).<br />
• Monismus : Der Kostenanteil <strong>de</strong>r Kantone für<br />
stationäre Aufenthalte sollte – zumin<strong>de</strong>st für die<br />
Population in diesem Mo<strong>de</strong>ll – direkt an die<br />
jeweiligen Versicherer gehen, weil diese mit <strong>de</strong>n<br />
Leistungserbringern <strong>de</strong>ren Performance ermitteln<br />
und daraus die Vergütung ableiten.<br />
• Die Leistungen, die das Budget ab<strong>de</strong>ckt, umfassen<br />
das ganze Spektrum <strong>de</strong>r obligatorischen Krankenpflegeversicherung<br />
(OKP). Ein allfälliger Überschuss<br />
zugunsten <strong>de</strong>r Leistungserbringer-Gruppe kann<br />
auch für zusätzliche Leistungen verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />
zum Beispiel für die Koordination o<strong>de</strong>r Patientenschulungen.<br />
LEISTUNGSERBRINGUNG UND PATIENTEN<br />
VERHALTEN 2025<br />
Leistungserbringer-Gruppe<br />
• Sie fokussiert, geför<strong>de</strong>rt durch gezielte Anreize,<br />
auf eine ganze Population – ohne dass die einzelne<br />
Fachperson die Behandlung o<strong>de</strong>r Betreuung <strong>de</strong>s<br />
einzelnen Patienten vernachlässigt. Dank diesem Fokus<br />
sind die beteiligten Leistungserbringer stärker<br />
vernetzt – auch elektronisch – und die Behandlungsschritte<br />
besser aufeinan<strong>de</strong>r abgestimmt.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe engagiert sich in <strong>de</strong>r<br />
Weiterentwicklung von Performance-Kriterien und<br />
baut damit ein gemeinsames Verständnis zu Qualität<br />
und Ergebnissen innerhalb <strong>de</strong>r Gruppe auf.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe verwen<strong>de</strong>t die<br />
Überschüsse auch für primärpräventive Massnahmen<br />
o<strong>de</strong>r die Früherkennung bestimmter Krankheiten.<br />
Sie baut ein Netzwerk von Partnern auf, die Rabatte<br />
auf Produkten o<strong>de</strong>r Dienstleitungen geben, wenn<br />
die Versicherten zum Beispiel per Smartwatch ihr<br />
Bewegungsverhalten erfassen und mel<strong>de</strong>n.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe verwen<strong>de</strong>t die Überschüsse<br />
auch für zusätzliche Leistungen wie<br />
Patienten-Coaching o<strong>de</strong>r Beratungen zur alltagsgerechten<br />
Einrichtung <strong>de</strong>r Wohnräume.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe – und nicht <strong>de</strong>r<br />
einzelne Leistungserbringer – erhält eine Zusatzvergütung,<br />
wenn sie das Label « Excellence in<br />
Chronic Care Management » trägt.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe erhält eine weitere<br />
Zusatzvergütung, wenn sie Daten liefert für ein<br />
nationales Chronic-Care-Register.<br />
20
KOPFPAUSCHALEN<br />
Versicherer<br />
• Im Vertrag zwischen Versicherern und Leistungserbringer-Gruppe<br />
sind bevölkerungs-basierte Anreize<br />
vereinbart, zum Beispiel :<br />
° Bei X Prozent <strong>de</strong>r Population wer<strong>de</strong>n innerhalb<br />
eines Jahres alle Kontrolluntersuchungen gemäss<br />
anerkannten Behandlungsrichtlinien durchgeführt.<br />
° X Prozent <strong>de</strong>r Population nehmen an einem<br />
Schulungsprogramm zum besseren Umgang mit<br />
Beschwer<strong>de</strong>n und zur eigenverantwortlichen<br />
Alltagsgestaltung teil.<br />
° X Prozent <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgelassenen Ärztinnen und<br />
Ärzte in <strong>de</strong>r Leistungserbringer-Gruppe be teiligen<br />
sich am Programm « Gemeinsam für Ihre Gesundheit<br />
»: Sie bin<strong>de</strong>n Patienten systematisch in<br />
Therapieentschei<strong>de</strong> ein (Shared Decision<br />
Making), för<strong>de</strong>rn die virtuelle Begleitung <strong>de</strong>r<br />
Therapie (Telemonitoring) und unterstützen<br />
die Betreuung zu Hause (Home Care).<br />
° X Prozent <strong>de</strong>r Leistungserbringer nehmen am<br />
Programm « Massvoller Medikamenteneinsatz »<br />
teil : Sie haben Einblick in die jeweils aktuelle<br />
Medikation <strong>de</strong>r Patienten, sprechen mit ihnen<br />
über mögliche Schwierigkeiten bei Mehrfachmedikation<br />
o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Medikamenteneinnahme<br />
und geben die Rückmeldungen und eigene<br />
Beobachtungen in die gemeinsame Plattform ein.<br />
Auf dieser Basis überprüft <strong>de</strong>r verantwortliche<br />
Arzt regelmässig die Medikation und passt sie<br />
bei Bedarf an.<br />
• Die Versicherer entwickeln auch für die Versicherten<br />
Anreizsysteme, damit sich diese vermehrt in (effizienten)<br />
Leistungserbringernetzen behan<strong>de</strong>ln lassen.<br />
• Die Versicherer sind bereit, für die Behandlung<br />
und Betreuung von chronisch kranken Menschen<br />
Mehrjahresverträge abzuschliessen, im Wissen,<br />
dass Behandlungserfolge und Verhaltensän<strong>de</strong>rungen<br />
oft längere Zeit benötigen.<br />
Versicherte/Patienten<br />
• Die Versicherten erhalten einen Anreiz, wenn sie<br />
freiwillig auf die Möglichkeit verzichten, die Kasse<br />
je<strong>de</strong>s Jahr zu wechseln (z.B. eine fixe Prämie<br />
über mehrere Jahre o<strong>de</strong>r die Streichung <strong>de</strong>s Selbstbehalts).<br />
Dadurch sind die Versicherer bereit, in<br />
diese Kun<strong>de</strong>n/Patienten zu investieren.<br />
• Die Patienten sind motiviert, ein elektronisches<br />
Patientendossier zu eröffnen. Sie können nachvollziehen,<br />
dass es ihnen nützt, wenn alle beteiligten<br />
Leistungserbringer alle behandlungsrelevanten Daten<br />
sehen und auf dieser Basis diagnostische o<strong>de</strong>r<br />
therapeutische Entschei<strong>de</strong> treffen.<br />
HERAUSFORDERUNGEN<br />
Performance-Kriterien : Die Definition solcher Kriterien ist<br />
äusserst anspruchsvoll, ebenso <strong>de</strong>ren Aushan<strong>de</strong>ln und<br />
Vereinbaren zwischen <strong>de</strong>n Versicherern und <strong>de</strong>r Leistungserbringer-Gruppe.<br />
Ausser<strong>de</strong>m ist zu berücksichtigen,<br />
dass sich die Wirkung von präventiven Massnahmen,<br />
wie sie in diesem System gestärkt wer<strong>de</strong>n sollen,<br />
oft erst nach längerer Zeit messen lässt. Weltweit gibt<br />
es bisher nur begrenzte Erfahrungen mit Performance-<br />
Bemessung ; <strong>de</strong>shalb können bestehen<strong>de</strong> Kriterien-Raster<br />
nicht einfach übernommen wer<strong>de</strong>n. Vielmehr wird reichlich<br />
Entwicklungsarbeit nötig sein.<br />
Zweitens – und das dürfte noch anspruchsvoller sein –<br />
verlagert sich mit <strong>de</strong>r bevölkerungsbasierten Vergütung<br />
das Risiko, dass unvorhergesehene Erkrankungen auftreten,<br />
von <strong>de</strong>n Versicherern zu <strong>de</strong>n Leistungserbringern. Für<br />
solche Risiken müssen Leistungserbringer-Gruppen Rückstellungen<br />
bil<strong>de</strong>n bzw. Rückversicherungen abschliessen.<br />
21
KOPFPAUSCHALEN<br />
Bedingt vereinbar mit <strong>de</strong>m KVG<br />
Markus Moser (siehe Seite 14) beurteilt Population-based<br />
Payment wie folgt : « Gemäss Mo<strong>de</strong>llbeschreibung bil<strong>de</strong>n<br />
die Leistungserbringer eine organisatorische Einheit – es<br />
besteht also ein Versorgungsmo<strong>de</strong>ll. Die vom Mo<strong>de</strong>ll<br />
erfasste Population (Versicherte) ist im Tarifvertrag mit <strong>de</strong>n<br />
Versicherern zu umschreiben.<br />
Das KVG sieht für Tarifverträge, die sich auf die Versorgung<br />
einer bestimmten Versichertengruppe beziehen,<br />
ausdrücklich die Möglichkeit eines prospektiven<br />
Globalbudgets vor.<br />
Nach <strong>de</strong>r Beschreibung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls ist das Globalbudget<br />
nur virtuell. Die Leistungserbringer stellen nach <strong>de</strong>n<br />
bestehen<strong>de</strong>n Tarifsystemen Rechnung (z.B. Tarmed). Am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Budgetjahres wer<strong>de</strong>n die abgerechneten<br />
Leistungen mit <strong>de</strong>m Budget verglichen und allfällige Ausgleichszahlungen<br />
ausgelöst. Es ist grundsätzlich<br />
möglich, die Differenz zum Budget an die Versicherer<br />
zurückzuerstatten o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Leistungser bringern zu<br />
belassen. Die entsprechen<strong>de</strong>n Auflagen müssen aber Teil<br />
<strong>de</strong>s Tarifvertrags sein, ebenso eine allfällige Regelung,<br />
unter welchen Voraussetzungen das Budget überschritten<br />
wer<strong>de</strong>n darf. Nachträgliche Zahlungen <strong>de</strong>r Versi -<br />
cherer, die über das bestehen<strong>de</strong> und vereinbarte Tarifsystem<br />
hinausgehen, sind im Grundsatz unzulässig.<br />
Schliesslich müssen die beteiligten Leistungserbringer<br />
klären, wie die erreichten Performance-Ziele innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Leitungserbringer-Gruppe aufzuteilen sind. Also die<br />
Frage : Wer hat wie viel zum positiven Ergebnis <strong>de</strong>r versicherten<br />
Population beigetragen ? Dass unterschiedliche<br />
Leistungserbringer eine Verbindlichkeit über mehrere Versorgungsebenen<br />
eingehen, ist fast für alle Neuland.<br />
Regulierung : Die duale Finanzierung <strong>de</strong>r Spitalleistungen<br />
durch Krankenversicherer (45 %) und Kantone (55 %) ist<br />
mit <strong>de</strong>r bevölkerungs-basierten Vergütung kaum kompatibel.<br />
Denn es gehört zu <strong>de</strong>n Grundprinzipien dieser<br />
Vergütungsform, dass die Leistungserbringer – unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r Quelle <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r – entschei<strong>de</strong>n, welche<br />
Behandlungen o<strong>de</strong>r welche gesundheitsför<strong>de</strong>rlichen<br />
Massnahmen <strong>de</strong>n grössten Nutzen bringen und letztlich<br />
die Gesamtkosten <strong>de</strong>r Versorgung senkt. Eine Zweckbindung<br />
<strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r, welche die Kostenträger beisteuern,<br />
läuft <strong>de</strong>m zuwi<strong>de</strong>r. Deshalb sollten die Kantonsbeiträge –<br />
im Sinne <strong>de</strong>r monistischen Finanzierung – direkt an die<br />
Krankenversicherer gehen, zum Beispiel durch die Festlegung<br />
eines Min<strong>de</strong>stprozentsatzes an <strong>de</strong>n OKP-Kosten<br />
im jeweiligen Kanton.<br />
Nach Art. 34 Abs. 1 KVG dürfen die Versicherer im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r obligatorischen Krankenpflegeversicherung<br />
(OKP) nur Kosten für die im Gesetz erwähnten Leistungen<br />
übernehmen. Die in <strong>de</strong>r Beschreibung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls<br />
erwähnten bevölkerungsbasierten Anreize (z.B. Schulungsprogramme<br />
für Versicherte für <strong>de</strong>n besseren Umgang<br />
mit Beschwer<strong>de</strong>n) dürften zum Teil über <strong>de</strong>n Leistungskatalog<br />
<strong>de</strong>r OKP hinausgehen. Die Versicherer dürfen diese<br />
<strong>de</strong>n Versicherten nicht zusätzlich vergüten.<br />
Wer<strong>de</strong>n solche Leistungen hingegen innerhalb <strong>de</strong>s Versorgungsmo<strong>de</strong>lls<br />
erbracht und im Rahmen <strong>de</strong>s vereinbarten<br />
Globalbudgets finanziert, ist dies kein Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
zum KVG. Das Gesetz regelt nämlich nicht, wie ein einzelner<br />
Leistungserbringer o<strong>de</strong>r ein Versorgungsmo<strong>de</strong>ll die<br />
ihm nach <strong>de</strong>m Tarifvertrag geschul<strong>de</strong>ten Vergütungen<br />
zu verwen<strong>de</strong>n hat. Unproblematisch sind auch Auflagen,<br />
die sich auf Leistungserbringer beziehen, zum Beispiel<br />
die systematische Einbindung <strong>de</strong>r Patienten in Therapieentschei<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r Gespräche mit Patienten über mögliche<br />
Schwierig keiten bei Mehrfachmedikation. »<br />
22
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Komplexpauschalen<br />
(Bundled Payment)<br />
Komplexpauschalen (Bundled Payment) legen das Augenmerk<br />
auf einzelne Krankheiten o<strong>de</strong>r Krankheitsgruppen und nicht –<br />
wie bei bevölkerungs-basierten Vergütungs- und Performance-<br />
Mo<strong>de</strong>llen – auf eine ganze Population o<strong>de</strong>r bestimmte<br />
Per sonengruppen. Die Vergütung bezieht sich auf gesamte<br />
Betreuungs- und Behandlungszyklen (Bundles) und schliesst<br />
sämtliche Einzelleistungen <strong>de</strong>r beteiligten Gesundheitsversorger ein.<br />
BESCHREIBUNG/GRUNDSÄTZE<br />
Kern <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls ist ein bilateraler Vertrag zwischen<br />
einem Kostenträger und einer Gruppe von Leistungserbringern,<br />
<strong>de</strong>r ohne Vertragszwang zwischen <strong>de</strong>n<br />
Parteien ausgehan<strong>de</strong>lt wird. Auf Seiten <strong>de</strong>r Leistungserbringer<br />
schliessen sich Organisationen zusammen,<br />
welche für die im Vertrag eingeschlossenen Krankheiten<br />
(Bundles) ihre ambulanten Leistungen (z.B. Ärztenetze,<br />
Gesundheitszentren, Apotheken), stationären Angebote<br />
(z.B. Spitäler, Rehabilitation) und Weiteres bün<strong>de</strong>ln<br />
wollen. Die Zusammenarbeit zwischen diesen Leistungserbringern<br />
ist gekennzeichnet durch einen verbindlichen<br />
Rahmen, gemeinsam festgelegte Ziele, ein gemeinsames<br />
Verständnis von Performance und die kontinuierliche Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Kooperation.<br />
Für die Patienten- bzw. Krankheitsgruppe, <strong>de</strong>ren Betreuung<br />
mit Komplexpauschalen vergütet wer<strong>de</strong>n soll, ist<br />
jeweils zu überprüfen, ob die Behandlungsabläufe in<br />
einem ähnlichen Rahmen und von vergleichbarer Komplexität<br />
sind. Ansonsten müssen Risikoanpassungen bei<br />
<strong>de</strong>n Performance- und Behandlungszielen vorgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, um das Rosinenpicken zu vermei<strong>de</strong>n. Es muss<br />
das Ziel sein, möglichst viele Mitglie<strong>de</strong>r einer Indi kationso<strong>de</strong>r<br />
Behandlungsgruppe nach Komplex pauschalen zu<br />
vergüten. Damit steigt die Bereitschaft <strong>de</strong>r Leistungserbringergruppen,<br />
die notwendige finanzielle Mitverantwortung<br />
zu übernehmen.<br />
Patienten erhalten Empfehlungen, in welchen Einrichtungen<br />
sie sich (weiter-)behan<strong>de</strong>ln lassen sollen, damit sie von<br />
optimal abgestimmten Behandlungsprozessen profitieren.<br />
Sie sind jedoch frei, je<strong>de</strong>rzeit eine an<strong>de</strong>re Einrichtung<br />
aufzusuchen.<br />
FINANZIELLE ECKWERTE<br />
• Die Vergütung kann folgen<strong>de</strong> Varianten umfassen :<br />
° Globale Pauschale : Deckt alle Behandlungskosten<br />
für ein bestimmtes akutes Ereignis. Beispiele :<br />
die operative und rehabilitative Behandlung eines<br />
Knochenbruchs o<strong>de</strong>r eine Gallensteinentfernung<br />
° Zeitbasierte Pauschale « Krankheit »: Deckt<br />
alle Behandlungskosten während einer <strong>de</strong>finierten<br />
Zeitspanne (in <strong>de</strong>r Regel ein Jahr) für eine o<strong>de</strong>r<br />
mehrere chronische Krankheiten. Beispiel : die Be -<br />
handlung eines insulinpflichtigen Diabetikers<br />
für ein Jahr inklusive die notwendigen Kontrolluntersuchungen,<br />
um Folgeschä<strong>de</strong>n zu minimieren<br />
o<strong>de</strong>r stationäre Behandlungen aufgrund von<br />
Entgleisungen zu vermei<strong>de</strong>n<br />
° Zeitbasierte Pauschale « Patientengruppe »:<br />
Deckt alle Behandlungskosten während einer Zeitspanne<br />
(in <strong>de</strong>r Regel ein Jahr) für eine bestimmte<br />
Patienten gruppe ; diese <strong>de</strong>finiert sich über mehrere<br />
Einschlusskriterien und nicht über eine einzelne<br />
23
FMC DENKSTOFF N°3<br />
FINANZFLÜSSE<br />
Kopfprämien<br />
Risikoausgleich<br />
Krankenversicherer<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kantons beiträge<br />
gemäss Risikoausgleich<br />
Ausgleichszahlungen gemäss Vertrag<br />
Bilateraler Vertrag<br />
Steuerzahler<br />
Prämienzahler<br />
Ambulante Leistungen<br />
Performance A<br />
z.B. ärztliche Tätigkeiten<br />
CHF<br />
Kostenbeteiligung<br />
z.B. pflegerische Tätigkeiten<br />
Patienten<br />
Stationäre Leistungen<br />
Performance B<br />
Reha-Leistungen<br />
Performance C<br />
Leistungsbün<strong>de</strong>l (Bundles)<br />
24
KOMPLEXPAUSCHALEN<br />
Diagnose. Beispiele : Behandlungskosten von<br />
COPD-Patienten o<strong>de</strong>r von psychiatrischen Patienten<br />
mit chronischen Schizophrenien für ein Jahr<br />
• Klar <strong>de</strong>finierte und durchgängig umgesetzte<br />
Behandlungspfa<strong>de</strong> mit transparent ausgewiesenen<br />
Performance-Indikatoren<br />
• Die Versicherer haben ein gegenüber heute viel<br />
grösseres Interesse, ihre Versicherten zu qualitativ<br />
herausragen<strong>de</strong>n Leistungserbringern zu lenken.<br />
• Monismus : Der Kostenanteil <strong>de</strong>r Kantone für stationäre<br />
Aufenthalte sollte – zumin<strong>de</strong>st für Patienten<br />
in diesem Mo<strong>de</strong>ll – direkt an die jeweiligen Ver -<br />
sicherer gehen, weil diese mit <strong>de</strong>n Leistungserbringern<br />
<strong>de</strong>ren Performance ermitteln und daraus<br />
die Vergütung ableiten.<br />
• Die einzelnen Leistungserbringer stellen indivi -<br />
duell Rechnung gemäss <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifsystemen<br />
(z.B. Tarmed, Fallpauschalen, kantonale Spitex-<br />
Tarife). Zu <strong>de</strong>n vertraglich festgelegten Zeitpunkten<br />
wird die erreichte Performance mit <strong>de</strong>r vereinbarten<br />
verglichen ; daraus ergeben sich allfällige<br />
Ausgleichszahlungen (an die Versicherer o<strong>de</strong>r<br />
die Leistungserbringer-Gruppe).<br />
• Die durch <strong>de</strong>n bilateralen Vertrag abge<strong>de</strong>ckten<br />
Leistungen umfassen das ganze Spektrum <strong>de</strong>r<br />
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP).<br />
Ein allfälliger Bonus zugunsten <strong>de</strong>r Leistungserbringer-Gruppe<br />
– wenn diese zum Beispiel die<br />
Performance übertrifft – kann auch für zusätzliche<br />
Leistungen wie Koordination o<strong>de</strong>r Patientenschulungen<br />
verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Schritten umsetzen als bei bevölkerungs-basierten Vergütungen.<br />
Zu<strong>de</strong>m sind Performance-Kriterien für klar umschriebene<br />
Krankheitsbil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Indikationen einfacher zu<br />
entwickeln, einzuführen und zu messen als entsprechen<strong>de</strong><br />
Kriterien für ganze Populationen o<strong>de</strong>r ein grosses Krankheitsspektrum.<br />
Leistungserbringer-Gruppe<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe erarbeitet und implementiert<br />
klar <strong>de</strong>finierte Behandlungspfa<strong>de</strong> mit<br />
transparent ausgewiesenen Performance-Indikatoren.<br />
• Sie organisiert gemeinsame Fallkonferenzen,<br />
in <strong>de</strong>nen die stärkere Abstimmung <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Behandlungsprozesse sowie <strong>de</strong>ren Outcomes<br />
diskutiert und optimiert wer<strong>de</strong>n.<br />
• Elektronische Hilfsmittel wer<strong>de</strong>n so miteinan<strong>de</strong>r<br />
vernetzt, dass je<strong>de</strong>r Leistungserbringer die behandlungsrelevanten<br />
Daten seiner Patienten erhalten<br />
bzw. zur Verfügung stellen kann.<br />
• Sie führt interprofessionelle und unternehmensübergreifen<strong>de</strong><br />
Weiterbildungen durch, um das gegenseitige<br />
Verständnis, eine gemeinsame Kultur und die<br />
interprofessionelle Zusammenarbeit zu för<strong>de</strong>rn.<br />
• Die Leistungserbringer-Gruppe – und nicht <strong>de</strong>r einzelne<br />
Leistungserbringer – erhält Zusatzvergütungen,<br />
wenn sie gemeinsam Performance-Ziele o<strong>de</strong>r ein<br />
Qualitätszertifikat für ihre integrierten Behandlungsprozesse<br />
erreicht.<br />
• Sie erhält weitere Zusatzvergütungen, wenn sie<br />
Daten für nationale Register liefert, die es zu <strong>de</strong>n<br />
jeweiligen Krankheiten gibt.<br />
Versicherer<br />
LEISTUNGSERBRINGUNG UND PATIENTEN<br />
VERHALTEN 2025<br />
Komplexpauschalen sind für Leistungserbringer ein kraftvoller<br />
Anreiz, die Behandlungs- und Betreuungspfa<strong>de</strong><br />
viel stärker zu koordinieren als heute und die beteiligten<br />
Anbieter stärker in eine Gesamtverantwortung einzubin<strong>de</strong>n,<br />
sowohl finanziell wie auch bezüglich Performance.<br />
Weil Komplexpauschalen im Grundsatz krankheitso<strong>de</strong>r<br />
indikationsspezifisch sind, lassen sich neue Formen<br />
<strong>de</strong>r Zusammenarbeit o<strong>de</strong>r Verbindlichkeit in kleineren<br />
• Im Vertrag zwischen Versicherer und Leistungserbringer-Gruppe<br />
sind versorgungs-basierte Anreize<br />
vereinbart, zum Beispiel :<br />
° X Prozent <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Patienten wer<strong>de</strong>n<br />
komplett in <strong>de</strong>r Gruppe behan<strong>de</strong>lt.<br />
° Die Gesamtkosten <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Patienten<br />
liegen X Prozent tiefer als die Summe <strong>de</strong>r Einzelabrechnungen<br />
betragen hätte.<br />
• Die Versicherer entwickeln auch für die Versicherten<br />
Anreizsysteme, damit sich diese vermehrt in (effizienten)<br />
Leistungserbringernetzen behan<strong>de</strong>ln lassen.<br />
25
KOMPLEXPAUSCHALEN<br />
• Die Versicherer sind bereit, für die Behandlung und<br />
Betreuung von chronisch kranken Menschen<br />
Mehrjahresverträge abzuschliessen, im Wissen, dass<br />
Behandlungserfolge und Verhaltensän<strong>de</strong>rungen<br />
oft längere Zeit benötigen.<br />
Versicherte/Patienten<br />
• Die Versicherten erhalten einen Anreiz, wenn sie<br />
freiwillig auf die Möglichkeit verzichten, die Kasse<br />
je<strong>de</strong>s Jahr zu wechseln (z.B. eine fixe Prämie<br />
über mehrere Jahre o<strong>de</strong>r die Streichung <strong>de</strong>s Selbstbehalts).<br />
Dadurch sind die Versicherer bereit, in<br />
diese Kun<strong>de</strong>n/Patienten zu investieren.<br />
• Die Versicherten sind bereit, die Weiterbehandlung<br />
dort fortzusetzen, wo es ihnen die erstbehan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />
Fachperson empfiehlt. Damit haben sie eine<br />
höhere Gewissheit, dass die Abläufe optimal aufeinan<strong>de</strong>r<br />
abgestimmt sind und sich keine unnötigen<br />
Wartetage ergeben.<br />
• Die Patienten sind motiviert, ein elektronisches<br />
Patientendossier zu eröffnen. Sie können nachvollziehen,<br />
dass es ihnen nützt, wenn alle beteiligten<br />
Leistungserbringer alle behandlungsrelevanten<br />
Daten sehen und auf dieser Basis diagnostische<br />
o<strong>de</strong>r therapeutische Entschei<strong>de</strong> treffen.<br />
HERAUSFORDERUNGEN<br />
Zusatzaufwand : Grösste Herausfor<strong>de</strong>rung ist – vor allem<br />
zu Beginn – das zwangsläufige Nebeneinan<strong>de</strong>r von<br />
bisheriger Versorgung und Vergütung und <strong>de</strong>n neuen<br />
Komplexpauschalen. Zur Illustration : In <strong>de</strong>n USA umfasst<br />
das 2011 von Medicare initiierte Bundled-Payment-<br />
Programm rund 14’000 Bundles für je 24 internistische<br />
und chirurgische Krankheitsgruppen. Damit ist auch<br />
eine Hauptkritik an diesem Vergütungsmo<strong>de</strong>ll illustriert :<br />
Es droht ein hoher (zusätzlicher) Aufwand für die Einführung<br />
und Administration. Ausser<strong>de</strong>m müssen – je<br />
nach Krankheitsgruppen, für die Bundles implementiert<br />
wer<strong>de</strong>n sollen – unterschiedliche Kooperationspartner<br />
zusammenfin<strong>de</strong>n.<br />
Das beschriebene Nebeneinan<strong>de</strong>r ist allerdings nicht<br />
zwingend nachteilig : Es kann auch als Grundlage für<br />
einen stärkeren Qualitäts- und Performance-Wettbewerb<br />
zwischen Leistungserbringern gesehen wer<strong>de</strong>n. Deshalb<br />
setzen sich vor allem Personen, welche die Gesundheitsversorgung<br />
vermehrt wettbewerblich steuern wollen, für<br />
Komplexpauschalen ein.<br />
Bedingt vereinbar mit <strong>de</strong>m KVG<br />
Markus Moser (siehe Seite 14) beurteilt Bundled Payment<br />
wie folgt : « Nach<strong>de</strong>m das KVG offen lässt, wie Patientenpauschalen<br />
umschrieben wer<strong>de</strong>n, kommen grundsätzlich<br />
alle für dieses Mo<strong>de</strong>ll beschriebenen Varianten von<br />
Komplexpauschalen infrage, sofern die allge meinen Grund -<br />
sätze <strong>de</strong>s KVG beachtet wer<strong>de</strong>n (sachgerechte Tarifstruktur,<br />
Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze,<br />
zweckmässige und kostengünstige gesundheitliche<br />
Ver sorgung). Die Vergütung <strong>de</strong>r Leistungen erfolgt zu nächst<br />
nach <strong>de</strong>m normalen Tarifvertrag. Die Komplexpauschale<br />
soll erst nachträglich zur Anwendung gelangen.<br />
Regulierung : Die heutige duale Finanzierung <strong>de</strong>r stationären<br />
Leistungen in <strong>de</strong>n Spitälern durch Krankenkassen<br />
(45 %) und Kantone (55 %) ist mit diesem Vergütungsmo<strong>de</strong>ll<br />
kaum kompatibel. Deshalb gilt für Komplexpauschalen<br />
im Prinzip dasselbe wie für Kopfpauschalen :<br />
Die Kantonsbeiträge sollten – im Sinne <strong>de</strong>r monistischen<br />
Finanzierung – direkt an die Krankenversicherer gehen,<br />
zum Beispiel durch die Festlegung eines Min<strong>de</strong>stprozentsatzes<br />
an <strong>de</strong>n OKP-Kosten im jeweiligen Kanton<br />
(vergleiche Seite 16).<br />
Wer<strong>de</strong>n – gestützt auf die Vereinbarung zwischen<br />
Versicherern und Versorgungsmo<strong>de</strong>ll – Ausgleichszahlungen<br />
geleistet (z.B. Rückzahlungen an die Versicherer<br />
o<strong>de</strong>r Zahlungen an das Versorgungsmo<strong>de</strong>ll),<br />
ist dies kein Wi<strong>de</strong>rspruch zum KVG. Dies gilt auch für<br />
einen allfälligen Bonus zugunsten einer Leistungserbringergruppe,<br />
sofern dieser aus <strong>de</strong>r vereinbarten<br />
Komplexpauschale finanziert wird. »<br />
26
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Kantonales Globalbudget<br />
Globalbudgets können als grundlegen<strong>de</strong> Variante von<br />
Popu lation-based Payment verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Sie umfassen<br />
die ganze Population einer Region (z.B. einen Kanton)<br />
o<strong>de</strong>r einzelne Bevölkerungsgruppen und <strong>de</strong>cken sämtliche<br />
Leistungen <strong>de</strong>r obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP).<br />
BESCHREIBUNG/GRUNDSÄTZE<br />
Kern ist ein vom Kanton prospektiv festgelegtes Globalbudget.<br />
Der Kanton for<strong>de</strong>rt die Prämien parallel zu <strong>de</strong>n<br />
Steuern ein und verteilt sie aufgrund <strong>de</strong>s Risikostrukturausgleichs<br />
an die Krankenversicherer. Auf Seiten <strong>de</strong>r<br />
Leistungserbringer schliessen sich Organisationen zu<br />
Leistungserbringer-Gruppen bzw. Versorgungsnetzen zusammen,<br />
die <strong>de</strong>r Bevölkerung einer bestimmten Region<br />
<strong>de</strong>n Zugang zu Grundversorgern, spezialisierten ambulanten<br />
Angeboten (z.B. Gesundheitszentren), stationären<br />
Leistungen (z.B. Spitäler) und weiteren Angeboten gewährleisten.<br />
Der Zusammenschluss <strong>de</strong>r Leistungserbringer<br />
ist durch einen verbindlichen Rahmen, gemeinsam festgelegte<br />
Ziele, gemeinsame Performance-Systeme und<br />
eine kontinuierliche Entwicklung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
gekennzeichnet. Die Krankenversicherer vereinbaren mit<br />
diesen Versorgungsnetzen bilaterale Verträge.<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist dabei, dass ein Globalbudget um Performance-Ziele<br />
ergänzt wird. Nur dann wird es zu einem<br />
echten Steuerungssystem und bleibt nicht einfach ein<br />
Instrument zur Kostendämpfung. Ohne Performance-Krite -<br />
rien besteht die grosse Gefahr, die Fehler <strong>de</strong>r Managed-<br />
Care-Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Vergangenheit zu wie<strong>de</strong>rholen.<br />
FINANZIELLE ECKWERTE<br />
• Prospektiv festgelegtes Globalbudget für die<br />
gesamte Bevölkerung im Kanton<br />
• Das Globalbudget umfasst sämtliche Leistungen <strong>de</strong>r<br />
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP).<br />
• Der Kanton zieht die Prämien ein und verteilt sie<br />
gemäss Risikostrukturausgleich – inklusive <strong>de</strong>r<br />
Kantonsbeiträge für die Spitäler – an die Krankenversicherer<br />
(monistische Finanzierung).<br />
• Der Kanton kann zusätzliche Gel<strong>de</strong>r zur För<strong>de</strong>rung<br />
von innovativen Versorgungsformen o<strong>de</strong>r<br />
für bestimmte (Patienten-)Gruppen einsetzen.<br />
• Krankenversicherer verhan<strong>de</strong>ln mit <strong>de</strong>n Leistungserbringer-Gruppen<br />
Tarifverträge und steuern<br />
damit die Versorgung. In <strong>de</strong>n Tarifverträgen können<br />
alle Tarifformen (Einzelleistungstarife, Pauschalen,<br />
Globalbudget) zur Anwendung gelangen.<br />
• Die einzelnen Leistungserbringer stellen Rechnung<br />
gemäss <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifsystemen (z.B.<br />
Tarmed, Fallpauschalen, kantonale Spitex-Tarife).<br />
LEISTUNGSERBRINGUNG UND PATIENTEN<br />
VERHALTEN 2025<br />
Leistungserbringergruppe und Versicherer<br />
• Die Leistungserbringernetze sind einerseits für die<br />
Patientenversorgung <strong>de</strong>r ihnen zugewiesenen<br />
Region verantwortlich, an<strong>de</strong>rseits – unterstützt durch<br />
entsprechen<strong>de</strong> Anreize – für die Gesun<strong>de</strong>rhaltung<br />
und Krankheitsprävention <strong>de</strong>r Bevölkerung.<br />
• Die einzelnen Leistungserbringer sind als Folge <strong>de</strong>r<br />
limitieren<strong>de</strong>n finanziellen Anreize einem (vermehrten)<br />
Wettbewerb um Qualität und Effizienz<br />
<strong>de</strong>r medizinischen Versorgung ausgesetzt und<br />
wer<strong>de</strong>n sehr viel (mehr) Wert darauf legen, dass<br />
Daten zur Optimierung <strong>de</strong>r Performance<br />
und Effizienz verfügbar sind und genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
27
FMC DENKSTOFF N°3<br />
FINANZFLÜSSE<br />
Risikoausgleich<br />
Krankenversicherer<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kopfprämien<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kanton<br />
Kopfprämien<br />
und Kantonsbeiträge<br />
gemäss<br />
Risikoausgleich<br />
Zahlungen gemäss Tarifen (Tarmed, DRG, etc.)<br />
Steuerzahler<br />
Prämienzahler<br />
Spitäler<br />
CHF<br />
Kostenbeteiligung<br />
Patienten<br />
Ambulante<br />
Leistungserbringer<br />
28
KANTONALES GLOBALBUDGET<br />
• Das elektronische Patientendossier ist für Leistungserbringer<br />
wie die Bevölkerung Pflicht. Damit es<br />
alle Menschen anwen<strong>de</strong>n können, bestehen spezielle<br />
Unterstützungsangebote.<br />
• Das jährlich festgelegte Globalbudget regt zwar<br />
zu Rationalisierungen an, verstärkt aber die Gefahr<br />
von Rationierungen (notwendige Leistungen<br />
wer<strong>de</strong>n vorenthalten). Um diese Gefahr zu minimieren,<br />
sind die Leistungserbringer verpflichtet, ein differenziertes<br />
Monitoring für Wartezeiten zu betreiben<br />
(zum Beispiel für operative Eingriffe).<br />
HERAUSFORDERUNGEN<br />
Die grösste Herausfor<strong>de</strong>rung für Globalbudgets ist <strong>de</strong>ren<br />
Obergrenze, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Gefahr, dass Patienten<br />
notwendige medizinisch-pflegerische Leistungen vorenthalten<br />
wer<strong>de</strong>n (Rationierung). Dies vor allem, weil sich<br />
die Häufigkeit und Ausprägung von schweren Erkrankungen<br />
bzw. aufwendigen Behandlungen innerhalb<br />
einer Budgetperio<strong>de</strong> erheblich än<strong>de</strong>rn können. Diese<br />
Risiken müssen durch Rückstellungen und entsprechen<strong>de</strong><br />
Mechanismen aufgefangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Kanton<br />
• Der Kanton knüpft die Vergabe <strong>de</strong>r Versorgungsbudgets<br />
an Rahmenbedingungen wie <strong>de</strong>n Zugang<br />
zu Versorgungsleistungen o<strong>de</strong>r die Performance<br />
<strong>de</strong>r Versorgung. Diese Bedingungen sind Teil <strong>de</strong>r<br />
Verträge zwischen <strong>de</strong>m Kanton und <strong>de</strong>n Krankenversicherern.<br />
• In<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kanton das jeweilige Globalbudget<br />
festlegt, ist er auch dafür verantwortlich, dass die<br />
gesamte Bevölkerung in seinem Hoheitsgebiet<br />
Zugang zu <strong>de</strong>n benötigten Versorgungsleistungen<br />
hat (sei es innerhalb o<strong>de</strong>r ausserhalb <strong>de</strong>s Kantons).<br />
Er regelt und steuert ausser<strong>de</strong>m Weiter bildung<br />
und Berufsausübung <strong>de</strong>r Gesundheits fach personen<br />
(nicht-universitäre und universitäre Berufe).<br />
• Analog zu <strong>de</strong>n heutigen Spitallisten legt <strong>de</strong>r Kanton<br />
im Grundsatz fest, welche Versorgungsleistungsgruppen<br />
<strong>de</strong>zentral bzw. zentral (Universitäts- o<strong>de</strong>r<br />
Zentrumsspital) anzubieten sind.<br />
Um mögliche Rationierungen zu verhin<strong>de</strong>rn, ist ein kantonales<br />
Globalbudget mit einer Performance-Bemessung<br />
für die gesamte Population bzw. für Subpopulationen zu<br />
begleiten (z.B. Menschen mit bestimmten chronischen Krankheiten).<br />
Allerdings hat man damit – gleich wie bei Population-based<br />
Payment – weltweit kaum Er fahrungen. Entsprechend<br />
viel Entwicklungsarbeit wird hier zu leisten sein.<br />
Versicherte/Patienten<br />
• Versicherte und Patienten nehmen wahr, dass die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Akteure (Kanton, Versicherer, Leistungserbringer)<br />
enger und gezielter zusammenarbeiten<br />
und erleben <strong>de</strong>shalb weniger Anreizformen und<br />
Massnahmen, die sich wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />
• Die Bevölkerung profitiert in allen Lebensphasen<br />
von Programmen zu Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und<br />
Prävention. Patienten mit (mehreren) chronischen<br />
Erkrankungen nutzen spezielle Betreuungsprogramme<br />
im Sinne <strong>de</strong>s Chronic-Care-Mo<strong>de</strong>lls. 6<br />
Nicht vereinbar mit <strong>de</strong>m KVG<br />
Gemäss Markus Moser (siehe Seite 14) ist dieses<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>ll nicht vereinbar mit <strong>de</strong>m Grundsatz<br />
<strong>de</strong>r Tarifautonomie gemäss KVG : « Tarifautonomie<br />
be<strong>de</strong>utet (auch), dass die Behör<strong>de</strong>n von Bund und<br />
Kantonen nur dann selber Tarife festlegen können,<br />
wenn kein Tarifvertrag zustan<strong>de</strong> kommt (Art. 47 KVG)<br />
o<strong>de</strong>r sich die Tarifpartner nicht auf eine vorgeschriebene<br />
Tarifstruktur einigen können (Art. 43 Abs.<br />
5 und Art. 49 Abs. 2 KVG). Die Kantone können<br />
daher kein Globalbudget einführen, das für die ganze<br />
o<strong>de</strong>r einen Teil <strong>de</strong>r Bevölkerung eine Performanceorientierte<br />
Vergütung <strong>de</strong>r OKP-Leistungen gewährleisten<br />
wür<strong>de</strong>. Kantonale Globalbudgets sind nur für die<br />
Finanzierung <strong>de</strong>r Spitäler und Pflegeheime zulässig<br />
(Art. 51 KVG). »<br />
29
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Zielbasierte Zusatzvergütungen<br />
(Add-on Payment)<br />
Zusatzvergütungen (Add-on Payment) <strong>de</strong>r Versicherer an Leistungserbringer<br />
belohnen das Erreichen von Versorgungszielen, die<br />
gemeinsam festgelegt wur<strong>de</strong>n. Kein an<strong>de</strong>res Performance-Mo<strong>de</strong>ll<br />
lässt sich so einfach und rasch anwen<strong>de</strong>n. Vom Prinzip her<br />
sind Zusatzvergütungen die Minimalvariante <strong>de</strong>r Performanceorientierten<br />
Vergütung.<br />
BESCHREIBUNG/GRUNDSÄTZE<br />
Zusatzvergütungen wer<strong>de</strong>n vertraglich zwischen Kostenträgern<br />
und Leistungserbringern o<strong>de</strong>r Leistungserbringer-<br />
Gruppen ohne Vertragszwang ausgehan<strong>de</strong>lt. In diesen<br />
Verträgen wer<strong>de</strong>n medizinische Versorgungsziele vereinbart,<br />
die sich in <strong>de</strong>r Regel auf eine überschaubare und<br />
durch Diagnose o<strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>finierte Patientengruppe<br />
mit häufigen (chronischen) Krankheiten o<strong>de</strong>r<br />
Therapien beziehen. Wenn die vereinbarten Ziele über<br />
eine festgeschriebene Perio<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r Regel ein Jahr,<br />
erreicht o<strong>de</strong>r übertroffen wer<strong>de</strong>n, erhalten die Leistungserbringer<br />
eine Zusatzzahlung.<br />
Im Unterschied zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Performance-orientierten<br />
Vergütungsformen stellt Add-On Payment lediglich<br />
ein Anreizsystem dar (und keine Vergütungsform), weil<br />
nur im Erfolgsfall eine zusätzliche Zahlung an die Leistungserbringer<br />
erfolgt. Zusatzvergütungen sind daher<br />
vor allem geeignet, um Erfahrung mit Performance-Zielen<br />
und -Bemessung zu gewinnen. Sie dienen Leistungserbringern<br />
wie Kostenträgern dazu, erste Schritte hin zu<br />
einer stärkeren medizinischen Abstimmung zu machen<br />
und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Wenn sich<br />
dieses Vertrauen verfestigt, können auch komplexere<br />
Versorgungsverträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>r Vereinbarung von Zusatzvergütungen können<br />
Leistungserbringer – bei begrenztem Risiko – zum Bei-<br />
spiel erfahren, wieviel Aufwand nötig ist, um Behandlungsprozesse<br />
auf Performance-Ziele auszurichten, welche<br />
internen Massnahmen geeignet sind, um vereinbarte<br />
Performance-Ziele erreichen zu können, und wie weit sie<br />
gewisse Leistungen über <strong>de</strong>n Aufbau von Kooperationen<br />
organisieren wollen.<br />
Für Zusatzzahlungen eignen sich eher unkomplizierte,<br />
medizinisch klar abgrenzbare, häufige Erkrankungen,<br />
<strong>de</strong>ren Behandlungsprozesse wenig individuelle Variationsbreite<br />
(zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Patienten) aufweisen.<br />
Dies erleichtert sowohl die Festlegung von Performance-<br />
Indikatoren wie auch das Abstimmen <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Behandlungsschritte.<br />
FINANZIELLE ECKWERTE<br />
• Die einzelnen Leistungserbringer stellen individuell<br />
Rechnung gemäss <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifsystemen<br />
(z.B. Tarmed, Fallpauschalen, kantonale Spitex-Tarife).<br />
• En<strong>de</strong> Jahr wird überprüft, ob die Behandlungs- o<strong>de</strong>r<br />
Versorgungsziele erreicht wur<strong>de</strong>n. Je nach Ergebnis<br />
wer<strong>de</strong>n Zusatzzahlungen an die Leistungserbringer<br />
o<strong>de</strong>r die Leistungserbringergruppe geleistet.<br />
• Bei Erreichen <strong>de</strong>r Performance, z.B. zum Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r Behandlungen, zur Qualität o<strong>de</strong>r Effizienz<br />
<strong>de</strong>r Leistungen, erhalten die Leistungserbringer Zusatzvergütungen.<br />
30
ZIELBASIERTE ZUSATZVERGÜTUNGEN<br />
FINANZFLÜSSE<br />
Kopfprämien<br />
Risikoausgleich<br />
Bund<br />
Krankenversicherer<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Steuern<br />
Prämienverbilligung<br />
Kanton<br />
Kantonsbeiträge<br />
Zahlungen gemäss Tarifen (Tarmed, DRG, etc.)<br />
Bonuszahlungen gemäss Vertrag<br />
Bilateraler Vertrag<br />
Steuerzahler<br />
Prämienzahler<br />
Spitäler<br />
CHF<br />
Kostenbeteiligung<br />
Patienten<br />
Ambulante<br />
Leistungserbringer<br />
31
ZIELBASIERTE ZUSATZVERGÜTUNGEN<br />
• Solche Zusatzzahlungen können die Leistungserbringer<br />
auch für zusätzliche Leistungen wie<br />
Koordination o<strong>de</strong>r Patientenschulungen verwen<strong>de</strong>n.<br />
LEISTUNGSERBRINGUNG UND PATIENTEN<br />
VERHALTEN 2025<br />
Leistungserbringer<br />
• Sie richten ihre Behandlungen so aus, dass bestimmte<br />
Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n. Sie stellen zum<br />
Beispiel mit Checklisten sicher, dass medizinische<br />
Vorgaben zum Behandlungsprozess (gemäss<br />
Evi<strong>de</strong>nz-basierter Medizin) eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
• Die beteiligten Leistungserbringer erarbeiten<br />
die Ergebnisziele gemeinsam, wodurch sie wichtige<br />
Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können.<br />
• Sie verwen<strong>de</strong>n Zusatzzahlungen auch für Investitionen<br />
wie Patienten-Coaching o<strong>de</strong>r Beratungen,<br />
um die Ziele zu erreichen.<br />
• Sie erhalten eine weitere Zusatzvergütung, wenn<br />
sie Daten liefern für nationale Krankheits-Register.<br />
Versicherer<br />
Im Vertrag zwischen Versicherern und Leistungserbringern<br />
sind Performance-Ziele vereinbart, zum Beispiel :<br />
° Bei X Prozent <strong>de</strong>r Patienten wer<strong>de</strong>n innerhalb<br />
eines Jahres alle Kontrollunter suchungen<br />
gemäss anerkannten Behandlungsrichtlinien<br />
durchgeführt.<br />
° X Prozent <strong>de</strong>r Patienten nehmen an einem<br />
Schulungsprogramm zum besseren Umgang mit<br />
Beschwer<strong>de</strong>n und zur eigenverantwortlichen<br />
Alltagsgestaltung teil.<br />
• Die Versicherer sind bereit, für die Behandlung und<br />
Betreuung von chronisch kranken Menschen<br />
Mehrjahresverträge abzuschliessen, im Wissen,<br />
dass Behandlungserfolge und Verhaltensän<strong>de</strong>rungen<br />
oft längere Zeit benötigen.<br />
Versicherte/Patienten<br />
• Die Versicherten erhalten einen Anreiz, wenn sie<br />
freiwillig auf die Möglichkeit verzichten, die Kasse<br />
je<strong>de</strong>s Jahr zu wechseln (z.B. eine fixe Prämie<br />
über mehrere Jahre o<strong>de</strong>r die Streichung <strong>de</strong>s Selbstbehalts).<br />
Dadurch sind die Versicherer bereit, in<br />
diese Kun<strong>de</strong>n/Patienten zu investieren.<br />
• Die Versicherten sind bereit, die Weiterbehandlung<br />
dort fortzusetzen, wo es ihnen die erstbehan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />
Fachperson empfiehlt. Damit haben sie eine<br />
höhere Gewissheit, dass die Abläufe optimal aufeinan<strong>de</strong>r<br />
abgestimmt sind und sich keine unnötigen<br />
Wartetage ergeben.<br />
• Die Patienten sind motiviert, ein elektronisches<br />
Patientendossier zu eröffnen. Sie können nachvollziehen,<br />
dass es ihnen nützt, wenn alle beteiligten<br />
Leistungserbringer alle behandlungsrelevanten<br />
Daten sehen und auf dieser Basis diagnostische<br />
o<strong>de</strong>r therapeutische Entschei<strong>de</strong> treffen.<br />
HERAUSFORDERUNGEN<br />
Zu Beginn sind Add-on Payment und Performance-Ziele<br />
für Kostenträger wie für Leistungserbringer eine Investition.<br />
Der Return stellt sich erst nach und nach ein aufgrund<br />
<strong>de</strong>r gesammelten Erfahrungen, neu erlernter Fähigkeiten<br />
Bedingt vereinbar mit <strong>de</strong>m KVG<br />
Gemäss Markus Moser (siehe Seite 14) « wi<strong>de</strong>rsprechen<br />
Zusatzvergütungen (Add-on Payment) <strong>de</strong>r Versicherer<br />
bei Erreichen von Versorgungszielen <strong>de</strong>m KVG, weil<br />
bereits mit <strong>de</strong>m or<strong>de</strong>ntlichen Tarif eine qualitativ<br />
hochstehen<strong>de</strong> gesundheitliche Versorgung zu erreichen<br />
ist. Zusätzliche Vergütungen <strong>de</strong>r Versicherer sind<br />
<strong>de</strong>shalb nur zulässig, wenn damit zusätzlich erbrachte,<br />
aber bisher noch nicht vergütete Leistungen <strong>de</strong>r OKP<br />
abgegolten wer<strong>de</strong>n. »<br />
und neuer Kooperationsmöglichkeiten. Die beson<strong>de</strong>re<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung für Kostenträger besteht darin, gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>n Leistungserbringern kostenwirksame Versorgungsziele<br />
festzulegen : Wer<strong>de</strong>n sie erreicht, reduziert<br />
sich <strong>de</strong>r Aufwand und lässt sich wenigstens ein Teil <strong>de</strong>r<br />
Zusatzzahlungen kompensieren.<br />
32
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Handlungsoptionen und<br />
Anreize<br />
Fassen wir das Bisherige kurz zusammen : Die skizzierten Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
sind im Grundsatz realisierbar, also weit mehr als<br />
blosses Wunsch<strong>de</strong>nken. Für <strong>de</strong>ren Umsetzung bestehen allerdings<br />
be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> inhaltliche, rechtliche und – vor allem – kulturelle<br />
Hür<strong>de</strong>n. Klar ist ebenso : Die heutigen Vergütungssysteme sind<br />
mitverantwortlich für die zunehmen<strong>de</strong> Fragmentierung <strong>de</strong>r<br />
Versorgung, für mangelhafte Qualitätstransparenz, für unnötige<br />
o<strong>de</strong>r falsche Leistungen und damit für nutzlose Kosten. Die<br />
folgen<strong>de</strong>n Handlungsoptionen und Anreize sind Puzzleteile, um<br />
<strong>de</strong>r Vision eines integrierten, Performance-orientierten Versorgungssystems<br />
mehr Gestalt zu geben.<br />
LEISTUNGSERBRINGER<br />
• Leistungserbringer-Gruppen initiieren Pilotprojekte<br />
mit ausgewählten Patientengruppen und Addon<br />
Payment, um erste Erfahrungen mit Performanceorientierten<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>llen zu sammeln.<br />
• Leistungserbringer investieren in (elektronische)<br />
Plattformen zur besseren Vernetzung und entwickeln<br />
Anwendungen für das elektronische Patientendossier.<br />
• Stammgemeinschaften (= Zusammenschluss von<br />
Gesundheitsfachpersonen und ihren Einrichtungen<br />
für die Anwendung <strong>de</strong>s elektronischen Patientendossiers)<br />
benennen Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle<br />
als strategische Zielsetzung für<br />
die nächsten 5 Jahre.<br />
• Ambulante und stationäre Leistungserbringer realisieren<br />
gemeinsam Weiterbildungen und Projekte zu<br />
interprofessioneller Zusammenarbeit, in <strong>de</strong>nen auch<br />
Performance aus Patientensicht sowie Performance-<br />
Bemessung thematisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
• Ambulante und stationäre Leistungserbringer<br />
entwickeln gemeinsam und in Zusammenarbeit mit<br />
Versichern – und allenfalls einem wissenschaftlichen<br />
Partner – Performance-Kriterien auf Basis <strong>de</strong>r<br />
ICHOM-Standard-Sets<br />
• Leistungserbringer-Verbän<strong>de</strong> starten – allenfalls<br />
in Zusammenarbeit mit Krankenversicherer-<br />
Ver bän<strong>de</strong>n – einen Aktionsplan « Performanceorientierte<br />
Vergütung ».<br />
33
FMC DENKSTOFF N°3<br />
VERSICHERER<br />
GESETZGEBER UND BEHÖRDEN<br />
• Versicherer engagieren sich vermehrt in <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rung von Transparenz, z.B mit Versorgungsforschung<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bereitstellung ihrer OKP-<br />
Daten zu Forschungs- und Evaluationszwecken.<br />
• Ein Krankenversicherer-Verband schreibt einen<br />
För<strong>de</strong>rpreis « Performance-orientierte Vergütung »<br />
aus. Die Leistungserbringer-Gruppe, die <strong>de</strong>n<br />
Preis gewinnt, muss in <strong>de</strong>n ersten drei Jahren nur<br />
einen Teil <strong>de</strong>s üblichen Risikos tragen.<br />
• Krankenversicherer schaffen Anreize für Versicherte,<br />
sich an einem (Pilot-)Projekt mit Performanceorientierter<br />
Vergütung zu beteiligen. Sie entwickeln<br />
(Online-)Instrumente für ihre Versicherten, damit<br />
diese das Erreichen <strong>de</strong>r Performance-Ziele unter stützen<br />
können (z.B. für das Erfassen von Vitalwerten,<br />
für das Erreichen bzw. Einhalten von Bewegungsempfehlungen,<br />
für die korrekte Medikamenteneinnahme).<br />
• Leistungserbringer und Versicherer nutzen<br />
bestehen<strong>de</strong> Gefässe wie Tagungen, Konferenzen<br />
und Workshops, um ein gemeinsames Verständnis<br />
von Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen<br />
zu entwickeln.<br />
• Krankenversicherer vereinbaren in ihren bestehen<strong>de</strong>n<br />
AVM-Verträgen mit Leistungserbringern<br />
(z.B. Ärztenetzen) wenn immer möglich<br />
Performance-Kriterien.<br />
• Krankenversicherer engagieren sich explizit, zum<br />
Beispiel mit einer Kommunikationsoffensive,<br />
für neue Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle,<br />
welche die Vernetzung <strong>de</strong>r Leistungserbringung<br />
bei chronischen Krankheiten för<strong>de</strong>rn<br />
• Die politisch Zuständigen reichen im National- und<br />
Stän<strong>de</strong>rat Vorstösse ein, um im Krankenversicherungsgesetz<br />
(KVG) mehr Möglichkeiten zu schaffen<br />
für Performance-orientierte Vergütungsmo<strong>de</strong>lle.<br />
• Der Bund begünstigt <strong>de</strong>n Abbau von bürokratischen<br />
Hür<strong>de</strong>n, die innovative Lösungen behin<strong>de</strong>rn,<br />
in<strong>de</strong>m er Pilotprojekte för<strong>de</strong>rt und zulässt, die auch<br />
Leistungen ausserhalb <strong>de</strong>r OKP umfassen.<br />
• Der Bund setzt sich für eine differenzierte Aufhebung<br />
<strong>de</strong>s Territorialprinzips ein und ermöglicht damit<br />
eine Vernetzung <strong>de</strong>r Leistungserbringer über die<br />
Lan<strong>de</strong>sgrenzen hinweg, um <strong>de</strong>n Wettbewerb<br />
anzukurbeln.<br />
• Kantone knüpfen stationäre Leistungsaufträge an<br />
Performance- und Vernetzungskriterien.<br />
• Kantone beteiligen sich an <strong>de</strong>r Anschubfinan zierung<br />
von Pilotprojekten für Performance-orientierte<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>lle (allenfalls aus <strong>de</strong>m kantonalen<br />
Swisslos-Fonds).<br />
• Kantone knüpfen die individuelle Prämienverbilligung<br />
an zusätzliche Bedingungen wie die<br />
Teilnahme an Chronic-Care-Programmen bei<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Patienten.<br />
• Bund und Kantone richten einen Fonds ein für die<br />
Mitfinanzierung von Projekten zur För<strong>de</strong>rung<br />
von Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen.<br />
• Bund und Kantone grün<strong>de</strong>n und finanzieren<br />
(allenfalls zusammen mit weiteren Partnern) ein<br />
Kompetenzzentrum « Performance-orientierte<br />
Vergütungsmo<strong>de</strong>lle », das Leistungserbringer und<br />
Krankenversicherer bei entsprechen<strong>de</strong>n Projekten<br />
und Initiativen unterstützt und berät.<br />
• Kantone unterstützen Befragungen zu Patientenzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
und Patientenzentrierung als wichtige<br />
Qualitätsindikatoren und setzen sich für <strong>de</strong>ren<br />
Veröffentlichung ein.<br />
34
HANDLUNGSOPTIONEN UND ANREIZE<br />
Referenzen<br />
1<br />
Eijkenaar F, Emmert M, Scheppach M, Schöffski O. Effects of pay<br />
for performance in health care: A systematic review of systematic reviews.<br />
Health Policy 2013 ; 110 : 115–130<br />
VERSICHERTE/PATIENTEN<br />
• Versicherten-/Patientenorganisationen grün<strong>de</strong>n<br />
eine Online-Plattform zur Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Gesundheitskompetenz vergleichbar <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Plattform www.krankheitserfahrungen.<strong>de</strong>. Im<br />
Vor<strong>de</strong>rgrund steht dabei die System- und Risikokompetenz<br />
mit Fragen wie : Welche Vorsorgeuntersuchungen<br />
haben welchen Nutzen ? Wie kann<br />
ich die Chancen und Risiken von vergleichbaren<br />
therapeutischen Massnahmen einschätzen ? Wie<br />
kann ich gemeinsam mit <strong>de</strong>m Arzt/<strong>de</strong>r Ärztin<br />
Entscheidungen treffen ? Wie kann ich die Qualität<br />
eines Spitals beurteilen ? Wie komme ich<br />
zu einer Zweitmeinung und was bringt sie ?<br />
• Versicherten-/Patientenorganisationen nutzen die<br />
Zugangsportale für das elektronische Patientendossier<br />
als Austausch- und Bewertungsplattformen<br />
für Versicherte/Patienten, die Erfahrungen haben<br />
mit Performance-orientierten Vergütungsmo<strong>de</strong>llen.<br />
• Versicherten-/Patientenorganisationen beteiligen<br />
sich an Befragungen zu Patientenzufrie<strong>de</strong>nheit und<br />
Patientenzentrierung als wichtige Qualitätsindikatoren<br />
und setzen sich für <strong>de</strong>ren Veröffentlichung ein.<br />
2<br />
Roland M, Campbell S. Successes and Failures of Pay for Performance<br />
in the United Kingdom. N Engl J Med 2014 ; 370 : 1944-9<br />
3<br />
Porter ME, Kaplan RS. How to Pay for Health Care. Harvard Business.<br />
Review 2016 (https://hbr.org/2016/07/how-to-pay-for-health-care)<br />
4<br />
James BC, Poulsen GP. The Case for Capitation. Harvard Business.<br />
Review 2016 (https://hbr.org/2016/07/the-case-for-capitation)<br />
5<br />
www.ichom.org<br />
6<br />
www.hausarztmedizin.uzh.ch/<strong>de</strong>/ChronicCare/ChronicCareMo<strong>de</strong>l.html<br />
Weiterführen<strong>de</strong><br />
Literatur<br />
Doran T, Kontopantelis E, Reeves D, Sutton M, Ryan AM.<br />
Setting performance targets in pay for performance programmes:<br />
what can we learn from QOF?<br />
Brit Med J 2015 ; 348 : g1595<br />
Doran T, Maurer KA, Ryan AM.<br />
Impact of Provi<strong>de</strong>r Incentives on Quality and Value of Health Care.<br />
Annu. Rev. Public Health 2017 ; 38 : 449–65<br />
Gillam SJ, Siriwar<strong>de</strong>na AN, Steel N.<br />
Pay-for-Performance in the United Kingdom:<br />
Impact of the Quality and Outcomes Framework – A Systematic Review.<br />
Ann Fam Med 2012 ; 10 : 461-468<br />
Jha AK, Joynt KE, Orav EJ, Epstein AM.<br />
The Long-Term Effect of Premier Pay for Performance on Patient Outcomes.<br />
N Engl J Med 2012 ; 366 : 1606-15<br />
Kristensen SR, Meacock R, Turner AJ, Boa<strong>de</strong>n R, McDonald R,<br />
Roland M, Sutton M.<br />
Long-Term Effect of Hospital Pay for Performance on Mortality in England.<br />
N Engl J Med 2014 ; 371 : 540-8<br />
Lemak CH, Nahra TA, Cohen GR, Hirth RA.<br />
Michigan’s Fee-For-Value Physician Incentive Program Reduces<br />
Spending And Improves Quality In Primary Care.<br />
Health Affairs 2015 ; 34(4) : 645-52<br />
OECD (2016).<br />
BetterWays to Pay for Health Care.<br />
OECD Health Policy Studies, OECD Publishing, Paris.<br />
(http://dx.doi.org/10.1787/9789264258211-en)<br />
Reich O, Rapold R, Flatscher-Töni M.<br />
An empirical investigation of the efficiency effects of integrated care<br />
mo<strong>de</strong>ls in Switzerland.<br />
(http://www.ijic.org/articles/abstract/10.5334/ijic.685/)<br />
Roland M, Campbell S.<br />
Successes and Failures of Pay for Performance in the United Kingdom.<br />
N Engl J Med 2014 ; 370 : 1944-9<br />
35
FMC DENKSTOFF N°3<br />
Das Leistungsportfolio <strong>de</strong>s fmc<br />
INTERNE AKTIVITÄTEN – EXKLUSIV FÜR FMC-MITGLIEDER<br />
Arbeits- und Regionalgruppen<br />
Expertenpapiere o<strong>de</strong>r Entwicklungsthemen zur Integrierten<br />
Versorgung wer<strong>de</strong>n in Diskussionen mit unseren Mitglie<strong>de</strong>rn<br />
erarbeitet und publiziert. Die Entwicklungsarbeit<br />
erfolgt flexibel in Sitzungen, Telefonkonferenzen,<br />
Web-basiert o<strong>de</strong>r per E-Mail. Die Resultate wer<strong>de</strong>n als<br />
Fachartikel, in persönlichen Gesprächen, über Medienarbeit<br />
und in Veranstaltungen an die relevanten Zielgruppen<br />
herangetragen.<br />
Denk-Werkstatt<br />
In <strong>de</strong>r Denk-Werkstatt wer<strong>de</strong>n Themen <strong>de</strong>r vertikalen Integration<br />
interprofessionell und mo<strong>de</strong>riert bearbeitet. Im<br />
Austausch zwischen <strong>de</strong>n Goldpartnern und mit weiteren<br />
Akteuren und Experten sollen Denkanstösse gegeben<br />
und allenfalls Projekte initiiert wer<strong>de</strong>n. Die Ergebnisse<br />
können interessierten Nutzern zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Themen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Goldpartnern wie<br />
auch vom fmc-Vorstand eingebracht.<br />
Hintergrundgespräche<br />
In Hintergrundgesprächen wer<strong>de</strong>n innovative Versorgungskonzepte,<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse o<strong>de</strong>r<br />
politische Vorstösse und Entwicklungen von Experten<br />
präsentiert und gemeinsam diskutiert. Die Hintergrundgespräche<br />
bieten die Möglichkeit <strong>de</strong>s vertieften Austauschs<br />
in einer persönlichen Atmosphäre und schaffen<br />
die Grundlage für fruchtbare Dialoge. Bei <strong>de</strong>r Agenda<br />
orientieren wir uns an <strong>de</strong>r Aktualität und nehmen Themenwünsche<br />
unserer Mitglie<strong>de</strong>r auf. Hintergrundgespräche<br />
fin<strong>de</strong>n viermal jährlich statt im Rahmen <strong>de</strong>r Sitzungen<br />
<strong>de</strong>s Strategischen Beirats.<br />
Studienreisen<br />
Internationale Systemvergleiche und die Analyse von<br />
Best-Practice-Ansätzen im Gesundheitswesen sind von<br />
grosser Be<strong>de</strong>utung, um neue I<strong>de</strong>en für Versorgungskonzepte<br />
zu gewinnen. Deshalb unternimmt das<br />
fmc gemeinsam mit <strong>de</strong>m Deutschen Bun<strong>de</strong>sverband<br />
Managed Care (BMC) je<strong>de</strong>s Jahr eine bis zwei Studienreisen<br />
in ein aus gesundheitspolitischer Sicht beson<strong>de</strong>rs<br />
interessantes Land. Die Teilnehmerzahl ist auf 20<br />
Personen begrenzt, eingela<strong>de</strong>n sind Mitarbeiten<strong>de</strong> unserer<br />
Goldpartner und Partner.<br />
fmc-Club – Innovationen erleben<br />
Um <strong>de</strong>n Aufbau und die Funktion von innovativen Versorgungskonzepten<br />
o<strong>de</strong>r Gesundheitsleistungen zu verstehen,<br />
ist es wichtig, diese hautnah zu erleben und mit<br />
<strong>de</strong>n Initianten vor Ort zu sprechen. Das fmc gibt seinen<br />
Goldpartnern im fmc-Club einmal pro Jahr die Möglichkeit,<br />
Einblicke in die praktische Umsetzung ausseror<strong>de</strong>ntlicher<br />
Versorgungsleistungen zu gewinnen.<br />
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FMC INTERN<br />
EXTERNE AKTIVITÄTEN<br />
Nationales Symposium<br />
Integrierte Versorgung<br />
National und international renommierte Fachleute beleuchteten<br />
in Keynote-Referaten, Projektpräsentationen<br />
und Workshops die Erfolgsfaktoren und Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
bei <strong>de</strong>r (besseren) Verständigung zwischen <strong>de</strong>n<br />
Professionen, zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Betreuungssektoren<br />
und im Umgang mit neuen Rahmenbedingungen o<strong>de</strong>r<br />
technischen Entwicklungen. Mit über 300 Teilnehmen<strong>de</strong>n<br />
hat sich das fmc-Symposium als einzigartige Plattform für<br />
<strong>de</strong>n interprofessionellen Dialog etabliert.<br />
fmc-För<strong>de</strong>rpreis<br />
Der fmc-För<strong>de</strong>rpreis wird als Anstossfinanzierung für innovative<br />
Projekte verliehen. Zugelassen sind Projekte und<br />
Konzepte, welche die sektorenübergreifen<strong>de</strong>, interprofessionelle<br />
Vernetzung und Kollaboration för<strong>de</strong>rn. Der Strategische<br />
Beirat <strong>de</strong>s fmc nominiert aus <strong>de</strong>n eingereichten<br />
Arbeiten drei Projekte. Die Wahl <strong>de</strong>s Siegers erfolgt<br />
am Nationalen Symposium Integrierte Versorgung durch<br />
die Teilnehmen<strong>de</strong>n. Die Preissumme beträgt 15’000<br />
Schweizer Franken.<br />
fmc-<strong>Denkstoff</strong><br />
Mit <strong>de</strong>r Schriftenreihe fmc-<strong>Denkstoff</strong> unterstreicht das fmc<br />
seinen Anspruch, Impulsgeber und Kompetenzzentrum für<br />
die Integrierte Versorgung in <strong>de</strong>r Schweiz zu sein. Die<br />
einzelnen Ausgaben stehen als Druckversion und Download<br />
zur Verfügung und wer<strong>de</strong>n möglichst vielen Entscheidungsträgern<br />
<strong>de</strong>r Gesundheitswirtschaft und Politik<br />
zugänglich gemacht.<br />
Online-Fachmagazin fmc-Impulse und<br />
fmc-Interview<br />
Unser Online-Fachmagazin fmc-Impulse liefert vier- bis<br />
fünfmal im Jahr kompetente und fundierte Informationen<br />
zu aktuelle Entwicklungen, Herausfor<strong>de</strong>rungen und Lösungen<br />
<strong>de</strong>r Integrierten Versorgung. Das Abonnement ist<br />
kostenlos. Die Informationen und Artikel <strong>de</strong>s Magazins<br />
orientieren sich an <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>r Medizinal- und<br />
Gesundheitsfachpersonen, Kostenträger, Politik und <strong>de</strong>r<br />
Öffentlichen Hand.<br />
Wechselweise mit <strong>de</strong>n fmc-Impulsen erhalten die Abonnenten<br />
ein Interview mit einer ausgewiesenen Fachperson<br />
zu einem aktuellen Thema.<br />
www.fmc.ch<br />
Unsere Website www.fmc.ch überzeugt durch Aktualität,<br />
Dialog und Services. Mittels Kommentarfunktion können<br />
sich die Nutzerinnen und Nutzer zu Meinungen und<br />
Fachartikeln äussern und so mit <strong>de</strong>n Autoren in Dialog<br />
treten. Die Infothek bietet eine Vielzahl von Begriffserklärungen<br />
und Hintergrundinformationen. Die User fin<strong>de</strong>n<br />
eine Liste von nationalen und internationalen Studien zur<br />
Integrierten Versorgung sowie eine laufend aktualisierte<br />
Artikelsammlung – und sie können gezielt nach Publikationen<br />
aus ihrem Berufsumfeld suchen. Die Services wer<strong>de</strong>n<br />
kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
fmc-Kooperationen<br />
Das fmc strebt themenspezifische Partnerschaften mit<br />
Fachzeitschriften, Berufsverbän<strong>de</strong>n und Institutionen<br />
an. Dabei wer<strong>de</strong>n die jeweiligen Bedürfnisse <strong>de</strong>tailliert<br />
ermittelt und die gegenseitigen Leistungen festgehalten.<br />
Erhebungen und Expertenwissen<br />
Das fmc erhebt und publiziert regelmässig quantitative<br />
und qualitative Daten zur Verbreitung und Gestaltung <strong>de</strong>r<br />
Integrierten Versorgung in <strong>de</strong>r Schweiz. Zu gesundheitspolitischen<br />
Themen und ausgewählten Fragestellungen<br />
<strong>de</strong>r Integrierten Versorgung verfassen fmc-Expertengruppen<br />
fundierte Stellungnahmen.<br />
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FMC DENKSTOFF N°3<br />
Die fmc-Trägerschaft<br />
Goldpartner<br />
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FMC INTERN<br />
Partner<br />
Ctésias SA<br />
eastcare AG<br />
hawadoc AG<br />
Meconex AG<br />
Medgate AG<br />
MediService AG<br />
Monvia AG<br />
MSD Merck Sharp & Dohme AG<br />
Sandoz Pharmaceuticals AG<br />
Vifor SA<br />
fmc-Trägerschaft<br />
Die fmc-Trägerschaft zeichnet sich durch ihre interprofessionelle<br />
Zusammensetzung aus. Die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Akteure können ihre Expertise und Erfahrungen in<br />
die Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Integrierten Versorgung einbringen,<br />
was die Diskussionen und Aktivitäten <strong>de</strong>s<br />
fmc enorm bereichert. Wir danken allen Mitglie<strong>de</strong>rn und<br />
Kooperationspartnern für ihre Unterstützung, ihre Anregungen<br />
sowie das aktive Mitwirken an zahlreichen<br />
konstruktiven und lösungsorientierten Diskussionen.<br />
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ISBN 978-3-9524595-2-2<br />
Das fmc – Schweizer Forum<br />
für Integrierte Versorgung<br />
gibt zu <strong>de</strong>nken und schaut voraus.<br />
Besuchen Sie uns auf fmc.ch