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E_1938_Zeitung_Nr.018

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BERN, Freitag, 25. Februar <strong>1938</strong> Automobil-Revue - II. Blatt, Nr. 18<br />

Gäll, du kennsch mi nöd<br />

Wir wollen nicht behaupten, der beliebte<br />

Fasnachtruf «Gäll, du kennsch mi nöd» sei<br />

besonders geistreich. Er braucht ja auch nicht<br />

geistreich zu sein — denn es ist Fasnacht, wo<br />

man seelenruhig auf die hohe Intelligenz verzichten<br />

kann.<br />

Unser Leben, wie es sich im Alltag zeigt,<br />

ist ja im Grund genommen furchtbar gescheit.<br />

Ueberall hört man keinen anderen Ruf als<br />

den nach Intelligenz. Es ist schon so weit,<br />

dass man ruhig von einer Ueberschätzung der<br />

Intelligenz und des guten Schulzeugnisses<br />

reden kann.<br />

*<br />

Gut, dass es eine Fasnacht gibt, wo man<br />

ungestört ein wenig dumm sein — oder doch<br />

zum mindesten dumm tun kann. Das sind die<br />

besten «Ferien vom Ich», wie das Schlagwort<br />

heisst, die Zeiten des Ausspannens und Austobens.<br />

Man vergisst einmal alle Gravität des<br />

Selbstbewusstseins und taucht unter in der<br />

Flut der Fröhlichkeit, die der Fasnachtgeist<br />

entfesselt. Nur nicht mit griesgrämigem Gesicht<br />

und feierlichem Smoking an den Masken-<br />

Einmal im Jahre werfen wir gern olle Feierlichkeit<br />

und alle Sorgen vor uns. Wir treiben Verwandlungskunst,<br />

wirbeln einmal hemmungslos<br />

durcheinander, wie es uns unsere Phantasie gerade<br />

eingibt. Freilich, ohne sie geht es nicht, da<br />

bleiben wir eher beim ebenso manierlichen, wie<br />

noblen Kostüm.<br />

Ganz anders verhält sich das richtige F a s t -<br />

nachtskleid. Es ist nicht an Samt und Seide<br />

gebunden. Beides kann ihm dienen, aber nicht im<br />

ball gehen! Unser schwerfälliger Schlag ist<br />

ja so: vor dem Fest wagt man sich nicht zu<br />

freuen, oder man hält das Freuen unter seiner<br />

Würde — und wenn man dann mitten im<br />

Brausen des Festes in seinem stolzen*Aufzug<br />

in der übermütigen Gesellschaft steht, schämt<br />

man sich ein bisschen und wünscht das noble<br />

Zeug zum Teufel.<br />

Es ist gut, dass es eine Fasnacht gibt. Sie<br />

gibt dir Gelegenheit, einen Tag im Jahr das<br />

zu sein, was du gerne sein möchtest, zum Beispiel<br />

König oder Vagabund, Sie ermöglicht<br />

dir, einmal im Jahr die Larve der Konventionalität,<br />

das ewige Lächeln, abzulegen —<br />

wenn deine Maske lächelt, so kannst du dahinter<br />

ein Gesicht machen, wie es dir passt,<br />

und wer weiss, vielleicht begegnet dir auf dem<br />

Maskenball ein lieber Zeitgenosse, dem du<br />

schon längst einmal die Meinung sagen wolltest.<br />

Vorausgesetzt, dass er selber keine Maske<br />

trägt! Im andern Fall kann es dir passieren,<br />

dass du mit dem gleichen Zeitgenossen Freundschaft<br />

schliessest — in beiden Fällen hat die<br />

Fasnacht ihren Zweck erreicht.<br />

Wir machen Fastnacht<br />

Dar Geflfigeihfindler.<br />

gleichen Sinn wie am Abendkleid oder am Kostümfestkleid.<br />

Gerade dieses Durcheinanderwirbeln<br />

von scheinbar gar nicht verträglichen Dingen<br />

führt zu komischen Effekten, die sich bis zur Groteske<br />

stiegern. Wesentliches trägt die aysdrucksreiche<br />

Larve dazu bei. Die Halbmaske aus schwarzem<br />

Samt oder Satin hat nichts dabei zu suchen.<br />

Das ganze Jahr über erblicken wir so viel Komisches,<br />

so manches, das freiwillig oder auch<br />

unfreiwillig als Karikatur wirkt. Der Volksmund trifft<br />

mit dem Wort «das sieht aus wie an der Fastnacht»,<br />

womit beispielsweise ein ausgefallen modisches<br />

Kleid gekennzeichnet wird, oder sonst ein<br />

ans Groteske streifender Aufzug, Larven sind<br />

Steigerungen komischer Erscheinungen, oder dann<br />

sollen sie uns Abscheu oder Grauen einjagen.<br />

Es braucht oft nur ein leichtes Uebersteigern, und<br />

die Groteske ist da. Komisches blüht auf allen<br />

Wegen, so wir den Sinn dafür besitzen. All diese<br />

Eindrücke werden an der Fastnacht lebendig: was<br />

am Werktag feierlich und ernst genommen werden<br />

muss, darüber darf die Fastnacht ihre Ironie<br />

ausgiessen, es steigern, es oft in seiner ganzen<br />

Jämmerlichkeit zeigen. Despoten kommen dran,<br />

Pedanten und alberne Leute, Geziertes Wesen<br />

wird oft dargestellt. Larve, Gebärde — und dazu<br />

vielfach die Rede des Maskierten tun ein Uebriges,<br />

der Gestalt Leben zu verleihen. Echte Fastnacht ist<br />

so etwas wie ein Gericht, eine Art öffentliches<br />

Gewissen.<br />

Politische und andere Lokalereignisse, Vorfälle<br />

aus dem Familien- und Freundeskreis kommen<br />

dran. Die chronique scandaleuse in Auswahl.<br />

Unsterbliche Spiessertypen kommen auf den<br />

Plan. Aufschlussreich für die Mitwirkenden ist oft<br />

die Wahl des Vorwurfs. Darin zeigt sich doch<br />

öfters eine innere Verwandtschaft mit dem Opfer<br />

oder auch ein Wunsch, es ihm am Werktag gleichzutun.<br />

Erheiternd wirken nicht bloss die Formen der<br />

Maskenkleider, Namentlich ihr Material, das sich<br />

aus den einander entferntesten Elementen zusammensetzt,<br />

wirkt oft so unbeschreiblich komisch.<br />

Die modischen Züge der Zeit werden. karikiert.<br />

Gerade darin entfaltet sich souverän der Humor.<br />

! J .<br />

Sommermode <strong>1938</strong>.<br />

Aufruf zur Fastnacht<br />

Narren, haltet euch bereit,<br />

zeigt euch jetzt gerissen —<br />

Fastnachtszeit ist tolle Zeit,<br />

wie wir längst schon wissen.<br />

Darum alle, die ihr habt<br />

euren eig'nen Sparren,<br />

zeigt euch nunmehr hoch begabt<br />

als die wahren Narren!<br />

Denn die Frage ist erlaubt<br />

angesichts der Zeiten:<br />

«Ei, warum denn überhaupt<br />

noch ein Fest bereiten —<br />

ein besondres Torenfest,<br />

wo die Narren herrschen?<br />

Gibt's, wie sich erkennen lässt,<br />

sonst nicht g'nug des Närr'schen?<br />

Könnten die Pariser Couturiers einmal sehen, was<br />

beispielsweise gerade die Basler aus ihren Schöpfungen<br />

machen, sie kämen ideenbeladener nach<br />

Hause, als dies bei ihrem Aufenthalt im Tirol und<br />

im Salzburgischen je der Fall gewesen ist. Leichte<br />

und schwere Stoffe, Wellkarton, Blech, Holz und<br />

Filz verbinden sich miteinander. Mit Hobelspänen<br />

und Draht wird nicht gespart. Malerei kommt<br />

dazu, es blinkt und rasselt und bimmelt dazwischen.<br />

Grotesk wirkt die Ruhe, ja die Feierlichkeit,<br />

womit diese Grotesken getragen werden. Damit<br />

steigert sich die Glaubhaftigkeit dieser Scheinwelt,<br />

die den Zuschauer unwiderstehlich in ihren<br />

Bann zieht. Malerisch ist dieses Fastnachtmachen,<br />

voll künstlerischer Eindrücke, dabei befreiend, erheiternd.<br />

Der Alltag ist ferngerückt; wie kleinlich<br />

kommen wir uns selber darin vor. Und gerade<br />

das ist gut so. Fastnacht verbindet die Menschen<br />

miteinander und lernt sie über viele eingebildete<br />

Wichtigkeiten lachen — auch nachher noch, wenn<br />

die Maskenkleider längst müde am Ständer hängen.<br />

" ss><br />

Herrscht denn nicht jahraus, jahrein<br />

schon ein töricht Treiben?» —<br />

Freilich, doch das Lustigsein<br />

muss da unterbleiben!<br />

Doch zur wahren Fastnachtszeit<br />

wird es leicht gelingen,<br />

dass Humor und Lust und Freud'<br />

nun ihr Szepter schwingen.<br />

..Als was<br />

kommst da?"<br />

Die Fastnacht rückt in bedrohliche Nähe.<br />

Unter den verschiedenen ernsthaften Unterhaltungsfragen<br />

ist das eine der wichtigsten.<br />

Als was kommst du? Daraus macht man kein<br />

Geheimnis mehr, denn das Zeitalter, in dem<br />

ein Kostümfest oder ein Maskenball Anlässe<br />

waren, um sich bis zur völligen Unkenntlichkeit<br />

zu verkleiden, das ist längst vorbei. So<br />

wie sich Redoutenmaske und, Intrige gründlich<br />

überlebt haben, hat man auch keinen kostümlichen<br />

Verstellungsehrgeiz mehr. Es war ja<br />

auch meistens ein recht strapaziöses Vergnügen.<br />

Jetzt fällt es niemand mehr auf, mit an-<br />

Emi? Hüali.

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