E_1939_Zeitung_Nr.085
E_1939_Zeitung_Nr.085
E_1939_Zeitung_Nr.085
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
£1° 85 — DIENSTAG, 5. DEZEMBER <strong>1939</strong><br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
III<br />
Die Viktoriafälle des Sambesi<br />
und ihre Entdeckung durch David Livingstone<br />
Der moderne Mensch ist sehr empfänglich<br />
für die Schönheit der Landschaft. Er liebt die<br />
Natur, in welcher Form sie ihm auch entgegentritt.<br />
Zwar haben auch unsere Vorfahren<br />
Verständnis für die Lieblichkeit der<br />
Landschaft gehabt, aber das Gefühl für die<br />
Schönheit der Natur ging im Laufe der Zeit<br />
oft verloren und musste immer wieder aufs<br />
neue erweckt werden. Die alten Griechen<br />
und Römer verstanden es bereits meisterhaft,<br />
ihre Villen in den schönsten Gegenden,<br />
an sanften Abhängen inmitten einer üppigen<br />
Vegetation oder direkt am Meer, anzulegen.<br />
Die reichen Römer besassen herrliche Landhäuser<br />
in der Umgebung der Hauptstadt, in<br />
der Campagna und in Sizilien. Aber im allgemeinen<br />
blieben doch das Meer und das<br />
Gebirge, besonders das Hochgebirge, in der<br />
Vorstellung der Menschen Gegenstände des<br />
Schreckens.<br />
Dies änderte sich langsam von der Mitte<br />
des 18. Jahrhunderts ab, als Jean Jacques<br />
Rousseau immer wieder auf die Schönheiten<br />
der Natur hinwies. Aber auch dann noch beschränkte<br />
sich die Bewunderung der Landschaft<br />
auf zivilisierte Gegenden oder einige<br />
exotische Landschaften. Nur vereinzelt fanden<br />
sich Forscher, die sich selbst auf anstrengenden,<br />
mit grossen Entbehrungen verbundenen<br />
Reisen ein lebhaftes Gefühl für die<br />
Eigenart und Schönheit der entdeckten Landschaft<br />
bewahrten. Einer der ersten, die das<br />
schöne Afrika entdeckten, war der englische<br />
Missionar Livingstone. Im nächsten Jahr ist<br />
ein Jahrhundert verflossen, seit er seine<br />
grosse Entdeckungsreise durch Südafrika<br />
antrat und — in den folgenden Jahren —<br />
den afrikanischen Kontinent zum erstenmal<br />
von West nach Ost vollkommen durchquerte.<br />
Im November 1855 entdeckte Livingstone<br />
die Viktoriafälle des Sambesi und gab in seinem<br />
grossen Werk ) über seine ersten Reisen<br />
eine anschauliche Schilderung von dem<br />
überwältigenden Eindruck, den das Naturschauspiel<br />
auf ihn machte. Auf diesem Teil<br />
der Reise fuhr der Forscher mit Kähnen den<br />
Stromschnefen ankam. Dort wunden die<br />
Boote an Land gezogen und der Marsch dem<br />
Fluss entlang zu den Fällen angetreten. Einer<br />
der afrikanischen Häuptlinge richtete an Livingstone<br />
die Frage: « Habt ihr Rauch in<br />
eurem Lande, der tost ? > Die ungeheuren<br />
Wolken des zerstäubten Wassers hielten die<br />
Eingebornen für Rauch, der ein tosendes Geräusch<br />
verursachte. Sie wagten nicht, sich<br />
den Fällen zu nähern und blickten den aufsteigenden<br />
Dampf nur aus der Ferne mit<br />
Staunen an.<br />
Auf leichteren Kähnen näherte sich dann<br />
und die auf dem Fkiss verstreuten Inseln<br />
sind mit Waldbäumen der verschiedensten<br />
Farben und Gestalt geschmückt. Während<br />
unseres Besuchs blühten mehrere Bäume.<br />
Noch kein Europäer ist hierhergekommen,<br />
aber so liebliche Szenen müssen selbst von<br />
den Engeln auf ihrer Flucht angestaunt werden.<br />
Die Fälle sind auf drei Seiten von 300<br />
bis 400 Fuss hohen Bergketten eingeschlossen,<br />
die mit Waldbäumen bedeckt sind, zwischen<br />
derfen der rote Erdboden durchschimmert.<br />
Etwa eine halbe Meile von den Fällen<br />
Hess ich den Kahn zurück, mit dem ich bis<br />
hierher gekommen war, und bestieg einen<br />
leichteren mit Leuten, die mit den Fällen genau<br />
bekannt waren und, in der Mitte des<br />
Stromes fahrend, zwischen hervorstehenden<br />
Livingstone den Fällen. « Nach 20 Minuten<br />
Fahrt von Kalai aus», schreibt er, « sahen<br />
wir zum erstenmal die Rauchsäulen, die sich<br />
in einer Entfernung von 5—6 Meilen erho-<br />
Sambesi abwärts, bis er in die Nähe der ben, gerade wie wenn grosse Strecken Gras Felsen hindurch, mich an eine Insel brachten,<br />
in Afrika angebrannt werden. Unten waren die hart am Rande des Abgrunds lag, über<br />
) Die deutsche Ausgabe erschien soeben unter<br />
dem Titel: David Livingstone, Afrika. Die erste sie weiss, höher aber wurden sie dunkel, so den das Wasser hinunterstürzte. Hier war<br />
Durchquerung deis Schwarzen Erdteils. Verlag dass sie fast wie Rauch aussahen. Die ganze Gefahr, von der Strömung zu beiden Seiten<br />
Hallwag, Bern.<br />
Szene war ausserordenüich schön. Die Ufer der Insel mit fortgerissen zu werden: aber<br />
Der Viktoria-Wasserfall des Leeambye oder Sambesi-Flusses, von den Einee'borenen «tosender Rauch» g&nannt.<br />
ZILIE<br />
Das Land der tausend<br />
Besuchen Sie ITALIEN!<br />
Gegensätze<br />
bietet Ihnen unzählige herrliche Panoramen und grossartige<br />
tausendjährige Denkmäler im Rahmen eines ewig blauen Himmels<br />
TAORMINA • CATANIA • SYRAKUS • AGRIGENTO<br />
SOLUNTO • PALERMO<br />
Benützen Sie die bedeutenden Reiseerleichterungeh, wie:<br />
CHECKS und KREDITBRIEFE in „REISELIRE"<br />
Eisenbahn-Fahrpreisermässigungen von 50 bis 70 %<br />
Auskünfte, ENIT: z firi ? h > !^ofs H äs f *° «<br />
' Geneve, Rue du Mont Blanc 5<br />
Lugano, Riva Albertolli 5<br />
und alle Reisebüros<br />
Der Siedler.<br />
Roman von Heinrich Lämmlin.<br />
« Verdammt noch einmal! » tobt er los<br />
und erschrickt über die eigenen Worte. Lisbeth<br />
ist erblasst; ihre Tränen sind versiegt.<br />
Kein Wort, kein Laut kommt über ihre Lippen.<br />
Aus grossen schreckerweiterten Augen<br />
sieht sie den Mann an, den ihre Ruhe zur<br />
Raserei treibt. «Sag doch ein Wort! ><br />
schreit und bettelt er, aber die Frau schweigt<br />
noch immer. Und jetzt, wahrhaftig, huscht<br />
wieder ein Lächeln über ihr Gesicht, ein<br />
stilles, wehes Lächeln, voll Anklage, Liebe<br />
und Verzeihen. Das erträgt der Sepp nicht<br />
mehr. Er wendet sich um und eilt hinüber in<br />
den Wald. Dort wirft er sich auf den Boden<br />
und legt den Kopf auf die Arme. Ein Schluchzen<br />
bricht aus seiner Brust. Er denkt nicht<br />
mehr, er weiss nichts mehr von dem, was<br />
um ihn ist, sondern schluchzt wild und verzweifelt<br />
wie ein Kind, weint, da er fühlt, dass<br />
mit den Tränen der Druck von seiner Seele<br />
weicht. Er weint so lange, bis eine Hand sich<br />
beruhigend auf seinen Kopf legt.<br />
« Ist es dir leichter, Sepp ? » Lisbeth steht<br />
vor ihm. Sie spricht ihm zu, wie man einem<br />
kranken Kinde zuspricht : « Es ist ja alles<br />
gut, ja, Sepp, alles geht vorbei, alles ! Vielleicht<br />
mussten wir diese Stunde erleben, um<br />
uns wieder zusammenzufinden. ><br />
« Wie gut du bist! » antwortet der Mann.<br />
Aber die Frau schüttelt den Kopf :<br />
« Ich hätte nicht weinen sollen; ich weiss,<br />
dass ich dich damit gequält habe. Aber nun<br />
ist alles gut! ><br />
Nach dem Essen kleidet sich der Mann um.<br />
Er tut es langsam und bedächtig und kann<br />
lange Zeit nicht fertig werden. Lisbeth<br />
schaut ihm zu und fragt:<br />
« Gehst du nach Ascona ? »<br />
«Ich habe es versprochen und muss wohl<br />
gehen ! ><br />
Fräulein Müller setzt ärgerlich die Geige<br />
ab.<br />
« Sie sind heute nicht bei der Sache, wir<br />
wollen Schluss machen.»<br />
Der Sepp schaut sie an. Es ist eigentlich<br />
nichts an ihr, das auf die Dauer fesseln<br />
könnte, denkt er. Sie ist doch nichts als ein<br />
verzogenes Mädchen und obendrein noch<br />
etwas hysterisch. Ich begreife nicht, wie ich<br />
mich bis jetzt mit ihr abgeben konnte.<br />
« Ja, wir wollen Schluss machen. Ich habe<br />
heute andere Dinge im Kopf! ><br />
Er sagt es unnötig laut und energisch, so<br />
dass das Fräulein aufsieht.<br />
« Ich denke, wir beherrschen unser Programm<br />
so, dass wir nicht mehr üben müssen.<br />
Sie haben sich doch für das Konzert entschlossen<br />
? »<br />
«Ich bin allerdings entschlossen — nicht<br />
zu spielen ! » antwortet der Mann.<br />
Fräulein Müllers Augen werden gross.<br />
« Was ? > fragt sie und schaut den Sepp<br />
an<br />
Ḋieser nickt gleichmütig :<br />
« Ja, ich werde nicht spielen ! Ich bin jetzt<br />
Siedler, und bleibe was ich bin ! »<br />
« Und an mich denken Sie nicht ? »<br />
« Ich kam zu Ihnen, um Ihnen Stunden zu<br />
geben und sonst zu nichts ! ><br />
« Auf diese Art wollen Sie sich drücken? ><br />
«Ich habe Ihnen nichts versprochen, deshalb<br />
kann von Drücken nicht die Rede sein. »<br />
Auch der Sepp ist jetzt zornig.<br />
« Dann können Sie in Zukunft Ihre Stunden<br />
geben, wem Sie wollen. Glauben Sie<br />
denn, dass ich mein Geld für nichts an Sie<br />
gehängt habe ? Was sollen meine Bekannten<br />
von mir denken, wenn ich jetzt alles abblase<br />
? »<br />
Der Sepp hat eine scharfe Antwort auf der<br />
Zunge, aber er beherrscht sich noch.<br />
« Hätten Sie mir gleich gesagt, um was es<br />
Ihnen geht, so wäre ich nicht gekommen.<br />
Sie wollten Unterricht, und den haben Sie<br />
von mir erhalten, da ich Geld verdienen<br />
muss. So ist die Sache und nicht so, wie<br />
Sie es hinstellen wollen ! »<br />
«Dann nehmen Sie Ihr Geld und gehen<br />
Sie! » schreit die Dame und wirft dem Sepp<br />
einige Banknoten vor die Füsse. Einen Augenblick<br />
wetterleuchtet es in seinem Gesicht,<br />
einen Moment zuckt es in seiner Hand, und<br />
er muss an sich halten, damit er nicht in<br />
dieses verzerrte Gesicht schlägt. Aber nur<br />
Bruchteile von Sekunden dauert die Regung.<br />
Dann wendet er sich ruhig ab und verlässt<br />
das Zimmer.<br />
« Fertig! > sagt er laut, als er auf der<br />
Strasse steht, so dass die Leute sich nach<br />
ihm umwenden. « Fertig ! » spricht er noch<br />
einmal und sieht sich um, als erwache er<br />
aus einem Traum.<br />
Langsam geht er die Strasse hinab.<br />
Jetzt wird der Fürst lange auf sein Geld<br />
warten müssen, denkt er. Was mache ich<br />
jetzt ?<br />
Schluss Seite IV.