E_1940_Zeitung_Nr.026
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AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 25. Juni <strong>1940</strong> — N° 26<br />
Ersuchen des französischen Gesandten. Sie schickten<br />
eine starke Wache aus, um den Grafen Saint-<br />
Germain verhaften zu lassen. Seine guten Freunde<br />
hatten ihn aber vorher über die Gefahr, die ihm<br />
drohte, unterrichtet, und es gelang ihm, zu entkommen.<br />
Er wandte sich nach England. Von hier<br />
aus ging er nach Russland und soll in der Thronrevolution<br />
der Kaiserin Katharina II. eine Rolle gespielt<br />
haben. Jedenfalls erschien er im Jahre 1770<br />
in russischer Generalsuniform in Livorno. Ueber<br />
Petersburg ging er nach Berlin, zog in Deutschland<br />
und Italien herum und hielt sich schliesslich beim<br />
Landgrafen von Hessen auf, der ein grosser<br />
Freund der Geheimwissenschaften war. In den<br />
letzten Jahren seines Lebens liess er sich, wie einst<br />
der weise Salomo, ausschliesslich von Frauen und<br />
Mädchen bedienen, in deren Armen er starb.<br />
Im allgemeinen scheint Saint-Germain unter<br />
den Abenteurern des 18. Jahrhunderts der unschädlichste<br />
gewesen zu sein. Er lag ihm in der<br />
Hauptsache daran, ein angenehmes Leben zu führen<br />
und seine Eitelkeit zu befriedigen. Dazu benützte<br />
er das Geheimnis, das seine Herkunft interessant<br />
machte, einige chemischen Kenntnisse und<br />
sein gutes Aussehen, alles in allem ein leichtes Gepäck<br />
für einen Beglücker der Menschheit.<br />
Saint-Germain profitierte von der Dummheit<br />
derjenigen, die ihm Glauben schenkten. Zuweilen,<br />
wenn er über ein Gespräch mit Franz I. oder Heinrich<br />
VIII. (!) berichtete, stellte er sich zerstreut und<br />
sagte: «Der König wendete sich zu mir», verschluckte<br />
aber rasch das « mir» und fuhr mit der<br />
Hast eines Mannes, der sich versprochen hat, hinzu:<br />
«zu dem Herzog von X.» Er war mit allen Einzelheiten<br />
der Geschichte so vertraut und hatte sich<br />
so natürlich entworfene Szenen zurechtgemacht,<br />
dass niemand die Ereignisse vergangener Zeiten<br />
so lebenswahr beschreiben konnte. Zu dem bekannten<br />
Baron von Gleichen sagte er eines Tages:<br />
«Diese Dummköpfe von Pariser glauben, ich<br />
sei 500 Jahre alt, und ich bestärke sie in dieser<br />
Idee, da ich sehe, dass sie ihnen so viel Vergnügen<br />
macht.» Man kann wohl sagen, dass dieses<br />
Rezept auch heute noch flicht seine Wirkung verloren<br />
hat.<br />
Saint-Germain besass verschiedene chemische<br />
Geheimmittel, namentlich zu Schminken, Schönheitsmitteln,<br />
Farbstoffen, aber er behauptete weder<br />
eine Universalmedizin noch den Stein der<br />
Weisen zu besitzen. Doch wurde ihm auch dies<br />
nicht geglaubt, und man erblickte in dieser Bescheidenheit<br />
lediglich eine weitere Tugend des<br />
berühmten Mannes. Wohl aber liess er sich oft<br />
Ober die Mysterien der Natur aus und öffnete der<br />
Phantasie einen weiten Spielraum bezüglich seines<br />
Wissens, seiner Schätze und seiner erlauchten Abkunft.<br />
Den Regierungen wagte er nicht, das Geheimnis<br />
der Goldmacherkunst anzubieten, sondern<br />
beschränkte sich darauf, industrielle Rezepte zur<br />
Verwertung vorzuschlagen. Der geheimnisvolle<br />
Fremde war also nichts anderes als ein mittelmässig<br />
begabter Mann, der über einige naturwissenschaftliche<br />
Kenntnisse verfügte, aber in hohem<br />
Masse das Verständnis dafür besass, wie man die<br />
Phantasie der Menschen anregen und sie dadurch<br />
beherrschen kann. Während er seine Geheimnisse<br />
zum besten gab, öffneten sie ihre Börsen, und damit<br />
war der Zweck des grossen Abenteurers erreicht.<br />
D.<br />
„...und irgendwo ist Krieg..."<br />
Der Buche Grün webt Märchen durch den<br />
Wald,<br />
Der dunkle Tann trägt lichten Sommerskranz,<br />
Die Wiesen leuchten blumenbunt — und bald<br />
Steht golden schon die Saat im Sonnenglanz.<br />
Hoch schwingt der Lerche Ruf im klaren Blau,<br />
Verkündet jubelnd neuen Lebens Sieg<br />
Der Herde Läuten grüsst von ferner Au —<br />
Die Erde träumt — und irgendwo ist Krieg!?<br />
Die dunkle Schwalbe kehrt mit hellem Laut<br />
Zum kleinen Nest am alten Dachesrand.<br />
Des Kirchleins Glocken rufen still-vertraut<br />
Den Abendfrieden übers weite Land.<br />
Spielmüdes Kinderlachen hascht im Traum<br />
Den Falter, der empor zur Sonne stieg —<br />
Die Sterne leuchten auf im Himmelsraum —<br />
Die Erde träumt — und irgendwo ist Krieg!?<br />
Und irgendwo ist Krieg — und Hass — und<br />
Not,<br />
Blüht blutrot auf der Mohn aus fahler Erde.<br />
In der Geschütze Donner jagt der Tod,<br />
In seinem Ruf erstirbt das ewge Werde.<br />
Dort trägt kein Baum den lichten Blütenkranz,<br />
Kein Vogelruf strebt auf zum Sonnenschein,<br />
Und nur die Nacht hat gleichen Sternenglanz —<br />
Der Hergott wacht — und einst wird Frieden<br />
sein!<br />
Ursula Ott.<br />
OeheimwisseiiscliafteEi<br />
des 18. Jahrhunderts und Graf von St. Germain<br />
Das 18. Jahrhundert war die Zeit der Scharlatane,<br />
Goldmacher, Gesundbeter und Adepten, der<br />
Alchimisten, die den Stein der Weisen suchten. Wir<br />
können uns heute kaum erklären, warum dieser<br />
Aberglauben gerade in der grossen Epoche der<br />
Aufklärung blühte, als die Schranken des Vorurteils<br />
und der Engherzigkeit fielen. Es scheint aber<br />
nun einmal so zu sein, dass der Rückgang des<br />
religiösen Gefühls ein Wachsen des Aberglaubens<br />
mit Sicherheit nach sich zieht.<br />
Die Hochstapler der grossen Welt haben es<br />
wohl verstanden, diese Situation auszunützen. Um<br />
die Mitte des 18. Jahrhunderts erschien in Europa<br />
ein Mann, der behauptete, schon auf Erden zur<br />
physischen Unsterblichkeit und ewigen Jugend gelangt<br />
zu sein. Seinen Anhängern versicherte er, er<br />
sei mehrere hundert Jahre alt, und er berichtete<br />
über Vorgänge früherer Zeiten, als sei er damals<br />
Augenzeuge gewesen. «Graf» Saint-Germain trat<br />
unter hochtrabenden adeligen Namen und mit einer<br />
Umgebung wie ein grosser Herr auf. Er nannte<br />
sich Marquis de Montferrat, Graf de Bellamare,<br />
Chevalier Schöning, Chevalier Welldone, Graf<br />
Soltikow usw. In die Geschichte ist er eingegangen<br />
unter dem Namen eines Grafen von Saint-<br />
Germain, den er sich ebenfalls zugelegt hat.<br />
Dieser Abenteurer hat nicht nur als Goldmacher<br />
und Adept eine Rolle gespielt, es gelang ihm sogar,<br />
in der grossen Politik Fuss zu fassen. König<br />
Ludwig XV. beauftragte ihn mit einer wichtigen<br />
Mission in Holland. Bekanntlich hatte sich der<br />
französische Aussenrriinister, Herzog von Ch'oiseul<br />
die Aufgabe gestellt, eine Aussöhnung zwischen<br />
Frankreich und Oesterreich herbeizuführen. Er<br />
war der Urheber der Heirat zwischen dem Dauphin,<br />
dem späteren Ludwig XVI. und Marie-Antoinette.<br />
Marschall Belle-Isle, der alte Gegner<br />
Oesterreichs aus dem österreichischen Erbfolgekrieg<br />
her, widerstrebte dieser Politik aufs heftigste.<br />
Der König und die Marquise von Pompadour, damals<br />
die allmächtige Geliebte des Königs, waren<br />
des Krieges müde, dessen Erfolge sehr zweifelhaft<br />
erschienen. (Im Oesterreicher Erbfolgekrieg [1741<br />
bis 1748] und im Ersten Schlesischen Krieg [1744<br />
bis 1745] stand Frankreich auf sehen Friedrichs des<br />
Grossen, im Siebenjährigen Krieg [1756—1763]<br />
kämpfte es gegen Preussen.) Auch Choiseul wollte<br />
den Frieden, aber man zweifelte, ob er so eifrig<br />
dafür wirke, wie es die andere Partei wünschte.<br />
Saint-Germain gehörte zu den Günstlingen des<br />
Marschalls und beeinflusste ihn stark. Frankreich<br />
befand sich im Kriege mit Friedrich dem Grossen.<br />
Es hatte die Schlacht von Rossbach verloren, einige<br />
Schlachten in Deutschland gewonnen, aber eine<br />
Entscheidung war nicht zu erzielen gewesen. Saint-<br />
Germain erbot sich, mit dem im Haag anwesenden<br />
Prinzen Ludwig von Braunschweig zu verhandeln,<br />
mit dem er befreundet sei. In der Tat schickten<br />
Ludwig XV. und sein Kriegsminister Belle-Isle<br />
den sogenannten Grafen von Saint-Germain nach<br />
dem Haag. Frankreich wurde damals in Holland<br />
durch den Grafen d'Affry vertreten, einen Schweizer<br />
Offizier, dessen Geschlecht aus Fribourg<br />
stammte und seit langem in französischem Dienste<br />
stand (d'Affry war bei Ausbruch der Revolution<br />
Kommandeur des Regiments Schweizergarde). Der<br />
Gesandte entdeckte das Geheimnis dieser Sendung<br />
und schickte sogleich einen Kurier an den<br />
Herzog von Choiseul, bei dem er sich bitter darüber<br />
beklagte, dass er ohne sein Wissen mit der<br />
holländischen Regierung durch einen Fremden über<br />
den Frieden verhandeln liess. Choiseul, der in solchen<br />
Dingen keinen Spass verstand, schickte den<br />
Kurier sofort mit einer Anweisung an den Grafen<br />
d'Affry zurück, von den Generalstaaten die Auslieferung<br />
Saint-Germains zu verlangen und diesen<br />
gebunden in die Bastille einliefern zu lassen.<br />
Am folgenden Tag brachte Choiseul im Kronrat<br />
die Angelegenheit zur Sprache. Er las die Depesche<br />
des Grafen d'Affry vor, teilte hierauf die Antwort<br />
mit, die er erteilt hatte, liess dann seine<br />
Blicke stolz über die Minister und den König<br />
schweifen und sagte endlich: «Wenn ich mir nicht<br />
die Zeit genommen habe, die Befehle des Königs<br />
einzuholen, so beruhte das nur auf meiner Ueberzeugung,<br />
dass niemand hier gewagt haben würde,<br />
einen Frieden ohne Vorwissen des Aussenministers<br />
zu unterhandeln.» Der König schlug die Augen<br />
nieder, wie wenn er sich schuldig fühlte. Der Minister<br />
wagte kein Wort zu sprechen, und so wurde<br />
der Schritt des Herzogs von Choiseul genehmigt.<br />
Trotzdem gelang es Saint-Germain zu entkommen.<br />
Zwar entsprachen die Generalstaaten dem<br />
Der Ansturm • •.<br />
auf den letzten Losvorrat hat nun wieder<br />
begonnen. Das Lotteriebureau hat — weil<br />
auch ihm jetzt manch eine Arbeitskraft fehlt—<br />
afle Hände voll zu tun. Wie wär's also, wenn<br />
sich jeder bemühen würde, durch sofortige<br />
Bestellung eine weitere Steigerung<br />
zu vermeiden? Es liegt ja auch im eigenen<br />
Interesse, denn wer weiß, ob in den letzten<br />
Tagen noch Lose zu haben sein werden?<br />
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