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photograph 2018 03-04

Österreichisches Fachmagazin für angewandte Fotografie und audiovisuelle Medien

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WestLicht // Interview<br />

Ich wollte zu einer Briefmarkenauktion, habe mich aber<br />

verlaufen und fand mich bei einer Kameraauktion wieder.<br />

Mit 10 alten Leica-Kameras verließ ich das Dorotheum.<br />

Lauter begehrenswert schöne Stücke, ich stellte sie in meinem<br />

Studio aus. Mit ihnen startete ich meine Sammlung, habe<br />

regelrecht Feuer gefangen. Irgendwann war das Kameravolumen<br />

auch für mich als Fotografen vor der Steuer nicht<br />

mehr zu argumentieren.<br />

Mehr Hindernisse, als man denkt, können umgangen<br />

werden. Vorausgesetzt, man ist offen für Veränderung,<br />

einfallsreich und entschlossen.<br />

1991 beschloss ich also, zusätzlich den Leica Shop zu gründen.<br />

Der damalige Österreich-Vertreter von Leica, Michael<br />

Rosen, war eingeweiht und der Shop in der Kaiserstrasse<br />

praktisch fertig für die Eröffnung. Allein Leica legte Veto<br />

ein. Das war lächerlich, ein Zurück kann es nicht geben.<br />

Der Wiener Heuriger kam mir zu Hilfe. Und Michael Rosen.<br />

Er organisierte ein freundschaftliches Treffen, bei dem<br />

ich rein zufällig (hic!) neben Dr. Bruno<br />

Frey, CEO von Leica Deutschland, zu<br />

sitzen kam. Um Mitternacht signalisierte<br />

Frey seine Bereitschaft für grünes<br />

Licht für den Leica Shop. Tags darauf<br />

waren die Einladungen zur Eröffnung<br />

in der Post.<br />

Speziell junge Leute finden<br />

an der analogen Fotografie<br />

großen Gefallen<br />

Peter Coeln zur Besucherstatistik<br />

von "The Polaroid Project"<br />

Zwar muckten die Anwälte nochmals<br />

kurz auf, doch bald tackerte das offizielle<br />

Fax mit der Erlaubnis zur Verwendung der Marke<br />

ein. Und gut war es – der Leica Shop in Wien (und<br />

später auch sein Pendant in London) sollten für Leica gut<br />

verträglich werden. Das Netzwerk an Connaisseurs, die<br />

Coelns Expertise vertrauen, ob als Vermittler, Gutachter<br />

oder Käufer, wuchs kontinuierlich und ist heute nicht zu<br />

unterschätzen. (Nicht von ungefähr zog in einer prekären<br />

Zeit ein Österreicher an die Spitze des Konzerns...). Doch<br />

wer sich in den Flow begibt, hört nicht auf zu treiben.<br />

Mit der Digitalisierung Ende der 90er Jahre verlor ich das<br />

Interesse an der Werbefotografie. Ich wollte, musste für mich<br />

etwas ändern, die digitale Welt war nicht mehr meine. Der<br />

Erfolg des Leica Shop war mit einer Reihe neuer internationaler<br />

und interessanter Kontakte verbunden. Wenn das<br />

Fotostudio geräumt wird, würde Platz für Ausstellungsfläche<br />

gewonnen werden... 2001 wurde das Fotomuseum West-<br />

Licht, Schauplatz für Fotografie feierlich enthüllt.<br />

Historische Kameras und Themenfotografie hatten bis<br />

dato keinen Platz in Wien. Westlicht schloss also auch<br />

eine Lücke im heimischen Kulturangebot. Dornröschen<br />

wurde regelrecht aus dem Schlaf geweckt, denn mit einem<br />

Schlag wurden Raritäten, Verschollenes und Unentdecktes<br />

an Peter Coeln und sein Team herangetragen, sowohl in<br />

Sachen Hardware als auch bei außerordentlichen Fotoserien.<br />

Der Goldschürfer in Peter Coeln kommt voll auf<br />

seine Rechnung. Oft sind die Geschichten zur Enthüllung<br />

so faszinierend wie die Produkte und Fotos selbst.<br />

Eines Tages brachte ein Kunde eine alte Holzkamera zum<br />

Restaurieren in den Shop. Als ich nachfragte, kam Unglaubliches<br />

zutage: Der Kunde war der Enkel des renommierten<br />

Malers und Radierers Ferdinand Schmutzer. Mit dieser<br />

Kamera portraitierte er namhafte Persönlichkeiten, die Fotos<br />

nützte er als Vorlage für seine Portraits und Radie rungen.<br />

Da kamen überwältigende Werte zum Vorschein – ein Haus<br />

voller Glasnegative und Hunderten von Vintage Prints!<br />

Ferdinand Schmutzer „The unknown <strong>photograph</strong>ic world“<br />

war die dritte Ausstellung bei Westlicht.<br />

Die Themen scheinen unendlich, und der Name Coeln/<br />

WestLicht steht für eine Interpretation von Wert, die<br />

mehr umfasst, als den Gegenstand allein. Extrem professionell<br />

organisiert, darf der Besucher stets mit Überraschungen<br />

rechnen – ob Auktion oder Ausstellung.<br />

Die teuerste jemals verkaufte Kamera ging bei<br />

einer WestLicht-Kameraauktion im Jahr 2012<br />

um sagenhafte 2,16 Mio Euro über den Tisch.<br />

Das Ereignis erzeugte einen Sog an Berichterstattung<br />

quer über den Globus. Die Marke<br />

Leica hat davon besonders profitiert.<br />

Längst ist WestLicht selbst eine etablierte<br />

Marke, viel beachtet von Medien im Inund<br />

Ausland. Internationale Medien widmeten dem<br />

Ereignis ausführliche Berichte, "Die Zeit“ bezeichnete<br />

Peter Coeln als „Fotofürst“. Auch im Ausbildungsbereich<br />

zieht er sich in die Verantwortung. Rund 150 Schulklassen<br />

werden jährlich durch die Ausstellungen geschleust.<br />

Das durchschnittliche Besucheralter liegt bei 25 Jahren,<br />

bei der (letzten) Ausstellung „The Polaroid Project“ gar<br />

bei 22 Jahren.<br />

Gerade junge Leute fühlen sich vom Angebot bei WestLicht<br />

angesprochen. Sie identifizieren sich gerne mit Fotografie,<br />

ihre Sehnsucht nach dem Haptischen ist nicht zu unterschätzen.<br />

Speziell Polaroid vermag Kunstbegeisterte und Künstler<br />

in den Bann zu ziehen, denn jedes Bild ist ein Unikat, man<br />

lernt wieder, ganz bewusst zu schauen.<br />

Aufgeschlossenheit, Aufgreifen von Möglichkeiten und<br />

nicht zuletzt wohl auch „mutige Freude“ kennzeichnen<br />

Peter Coelns berufliche Stationen. Mit der Belebung<br />

des ehemaligen Geländes der Anker Brotfabrik und der<br />

Eröffnung der Galerie OstLicht 2012 brachte er Kunst<br />

in die Außenbezirke von Wien. Doch bloß nicht verzweifeln,<br />

nicht alles, was dieser Mann anfasst, wird auch<br />

(sofort) zu Gold. Seine Forderung zur Errichtung eines<br />

Fotomuseums für Wien schlug innerpolitische Wellen<br />

und musste auf Eis gelegt werden. ><br />

<strong>03</strong>/<strong>04</strong> <strong>2018</strong> der <strong>photograph</strong><br />

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