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Bürgerbroschüre Trossingen | Infoprint Verlag | E-Paper
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Geschichte<br />
Hohner, der von der Uhren- zur Harfenmacherei überwechselte, er gründete<br />
die größte Harmonikafabrik der Welt und kann als berühmtester<br />
Sohn <strong>Trossingen</strong>s gelten. Es folgten weitere, 1867 z.B. Andreas Koch,<br />
dessen And’s Koch AG zum schärfsten Konkurrenten der Matth. Hohner<br />
AG wurde. Schließlich, 1928/29, waren aber alle Harmonikafabriken unter<br />
dem „Hohner-Dach“ vereint. Über Generationen hinweg dominierte<br />
diese spezielle Indus trie das Leben <strong>Trossingen</strong>s und seiner Umgebung.<br />
Mit dem Niedergang des so lange größten Arbeitgebers (im Frühjahr<br />
1999 hatte die Hohner AG noch etwa 230 Beschäftigte) ging die beherrschende<br />
Stellung der Harmonikaindustrie in der jüngeren Vergangenheit<br />
verloren.<br />
Das Industriezeitalter hielt in <strong>Trossingen</strong> auch mit anderen Branchen<br />
Einzug: Maschinen- und Werkzeugbau, Holz- und Papiergewerbe. Die<br />
betreffenden Firmen begannen um 1900 oft als Zulieferer der Harmonikafabriken,<br />
die u.a. Spezialmaschinen und Kartonagen (Mundharmonika-<br />
Etuis) benötigten. Überhaupt entwickelte sich <strong>Trossingen</strong> im Sog seiner<br />
aufstrebenden Weltindustrie vom abgelegenen Pfarrdorf zu einer modernen<br />
Gemeinde mit städtischer Infrastruktur. Noch vor der Jahrhundertwende<br />
wurden Realschule und Krankenhaus gegründet. Den größten<br />
„Modernitätsschub“ brachte das Jahr 1898 mit der Eröffnung der elektrischen<br />
„Verbindungsbahn <strong>Trossingen</strong>“, die den Anschluss vom Ort an die<br />
Station „<strong>Trossingen</strong> Staatsbahnhof“ an der 1869 errichteten Linie Rottweil-Villingen<br />
herstellte. Damit konnten die Trossinger Qualitätswaren<br />
auf der Schiene direkt in alle Welt verschickt werden. Noch augenfälliger<br />
als durch das „Bähnle“ dokumentierte sich der Wandel durch die elektrische<br />
Straßenbeleuchtung, die wie Bahn und Fabrikanlagen durch das<br />
Elektrizitätswerk gespeist wurde. In den Jahren nach 1900 forcierte sich<br />
die Entwicklung <strong>Trossingen</strong>s, ein repräsentativer Rathausneubau und<br />
weitere neu errichtete öffentliche/behördliche Gebäude wie Schulen,<br />
Turnhalle, Postamt dokumentierten zusammen mit den aus dem Boden<br />
schießenden Privathäusern, Fabrikantenvillen und Fabrikerweiterungen<br />
das dynamische Wachstum. Innerhalb von 30 Jahren, 1880 –1910, hatte<br />
sich die Einwohnerzahl auf knapp 5200 verdoppelt. Trotz der kriegsund<br />
nachkriegsbedingten allgemeinen Krise in Deutschland konnte sich<br />
die Gemeinde mit ihrer exportorientierten Industrie gut behaupten. Die<br />
Verleihung der Stadtrechte, 1927 aus Anlass des Jubiläums „Hundert Jahre<br />
Harmonika“ erschien vollauf gerechtfertigt und wurde bejubelt. (Der<br />
Staat Württemberg traf hierbei eine Sonderreglung, denn <strong>Trossingen</strong> hatte<br />
anstatt der erforderlichen Mindestzahl von zehn- nur knapp sechstausend<br />
Einwohner vorzuweisen).<br />
Heute ist <strong>Trossingen</strong> die zweitgrößte Stadt im Landkreis Tuttlingen und<br />
ein kultureller Mittelpunkt in der Region. Eine wichtige Rolle kommt<br />
hierbei dem 1960 erbauten Dr.-Ernst-Hohner-Konzerthaus mit seinen<br />
über 1000 Sitzplätzen zu. Mit seiner großzügigen Bauweise und hervorragenden<br />
Akustik der beiden Konzertsäle ist es mit ein Garant für das<br />
alljährlich sorgfältig ausgewählte Programm von Theater- und Musikaufführungen.<br />
Mit dem 1991 erbauten Konzertsaal der Staatlichen Hochschule<br />
für Musik erhielt <strong>Trossingen</strong> einen zweiten „Musentempel“. Der<br />
multifunktionale Saal mittlerer Größe ist für Musik- und Theateraufführungen<br />
bestens geeignet. Den Namen „Musikstadt“ verdient sich <strong>Trossingen</strong><br />
nicht nur durch die alteingesessene Harmonikaindustrie und die<br />
Hochschule, sondern auch durch Institutionen wie die Bundesakademie<br />
für musikalische Jugendbildung, das Hohnerkonservatorium als Fachschule<br />
zur Akkordeonlehrerausbildung und die größte Musikschule des<br />
Landkreises. Selbstverständlich hat <strong>Trossingen</strong> auch andere kulturelle Institutionen<br />
und Freizeiteinrichtungen vorzuweisen. Das Schulwesen ist<br />
bis zum Gymnasium hin voll ausgebaut. Stadion, Schul- und Großsporthallen<br />
sowie das erste Naturbad der Region – die 2005 eröffnete<br />
TROASE – dienen den Sportbegeisterten. Zur Freizeitgestaltung in der<br />
Natur sind auch die Anlagen rund um das Naherholungsgebiet Gauger<br />
mit seinem See ideal.<br />
In den 70er Jahren konnte das Heimatmuseum „Auberle-Haus“ eingerichtet<br />
werden. Das stilgerecht restaurierte Bauernhaus beherbergt neben<br />
zwei Skelettabgüssen nach 200 Millionen Jahre alten Originalen des<br />
hier ausgegrabenen „Plateosaurus trossingensis“ eine umfangreiche geologische<br />
Sammlung, archäologische Funde aus Grabhügeln der Hallstattzeit<br />
sowie eine äußerst breit gefächerte Palette von kulturhistorisch<br />
wertvollen Exponaten und Urkunden aus der über 1200jährigen Geschichte<br />
<strong>Trossingen</strong>s.<br />
Als Mitarbeiter der Archäologischen Denkmalpflege Freiburg im Winter<br />
2001/2002 zu einer Bergung nach <strong>Trossingen</strong> gerufen wurden, hätte<br />
keiner von ihnen damit gerechnet, dass man auf einen der spektakulärsten<br />
frühmittelalterlichen Grabfunde der letzten Jahrzehnte stoßen würde.<br />
Neben zahlreichen gut erhaltenen Grabbeigaben fand man auch eine<br />
Leier. Die Trossinger Leier ist das am besten erhaltene Saiteninstrument<br />
des 1. Jahrtausends.<br />
1991 wurde das Auberlehaus um einen architektonisch ansprechenden<br />
Anbau erweitert, der eine weitere Abteilung des heimatgeschichtlichen<br />
Museums und in den Obergeschossen das Deutsche Harmonikamuseum<br />
beherbergt. Im Jahr 2016 erfolgte dann der Umzug des Harmonikamuseums<br />
in den Bau V des alten (bis 1995 genutzten) Hohner-Firmengeländes.<br />
Hier sind die wichtigsten Dokumente und die schönsten<br />
Werbematerialien zum dynamischen Aufstieg der Harmonikabranche in<br />
<strong>Trossingen</strong> – aber auch zur Entwicklung der Konkurrenz anderenorts –<br />
zu sehen. Neben der geschichtlichen Darstellung stehen natürlich die<br />
Instrumente im Mittelpunkt: allein die systematisch angelegte Sammlung<br />
von über 23000 Mundharmonikas aus aller Welt ist in jeder Hinsicht repräsentativ<br />
und von hohem kulturgeschichtlichem Wert.<br />
Museal sind auch die Fahrzeuge der Trossinger Eisenbahn, die 1990 restauriert<br />
und dabei in den Originalzustand der Jahrhundertwende zurückversetzt<br />
wurden. 1998 ist mit zahlreichen Veranstaltungen des Jubiläums<br />
„100 Jahre Trossinger Eisenbahn und Elektrizitätswerk“ gedacht<br />
worden, wobei auch die museal gestaltete Wagenhalle der Trossinger<br />
Eisenbahn eingeweiht wurde. Sie ist auf Anfrage zu besichtigen; so wie<br />
der Museumszug weiterhin gechartert werden kann.<br />
Ein anderes, noch bedeutenderes Jubiläum hatte die Stadt im Jahr 1997<br />
begangen: die 1200ste Wiederkehr der Ersterwähnung <strong>Trossingen</strong>s. Es<br />
wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung mit vielen Gästen<br />
aus dem In- wie dem Ausland gefeiert. Als Spiegelbild von <strong>Trossingen</strong>s<br />
lebendiger Kultur und Geschichte kam der große Festzug daher, der –<br />
vom Fernsehen aufgezeichnet – zusammen mit dem hochoffiziellen<br />
Festakt den absoluten Höhepunkt des Jubiläumsjahres 1997 darstellte.<br />
Vom Festredner, Ministerpräsident Erwin Teufel, bis zu den unzähligen<br />
ehrenamtlich-einheimischen Hilfskräften: es waren sehr viele, die zum<br />
guten Gelingen des Festwochenendes vom 18. bis 21. Juli ihren Teil<br />
beitrugen. Schon im Frühjahr 1997 war ein umfangreiches Buch zur<br />
Ortsgeschichte erschienen, das allgemein Anklang fand. Jubiläumswochen<br />
mit Themenschwerpunkten zogen sich durch das ganze Jahr und<br />
werden allen Bürgern und Gästen in guter Erinnerung bleiben. Die auf<br />
dem Rathaus noch vorrätige Festschrift „1200 Jahre <strong>Trossingen</strong>“ dokumentiert<br />
die bunte Vielfalt dieses Festjahres. Einmal mehr wurde durch<br />
das Jubiläumsgeschehen unter Beweis gestellt, dass der moderne Trossinger<br />
traditionsbewusst, aber auch weltoffen ist. Belege sind nicht nur<br />
die Städtepartnerschaften mit Cluses in Hochsavoyen/Frankreich, die<br />
1974 begann, und mit Beaverton im Bundesstaat Oregon/USA, die seit<br />
1993 besteht. Im Jubiläumsjahr 1997 wurde die aufsehenerregende Partnerschaft<br />
mit Windhoek, der Hauptstadt Namibias, geschlossen.<br />
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